Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate

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Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Neues Arbeiten
 braucht neue
   Führung
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
01    Remot
                                              Gutes Leadership in der Remote-

                                                                                           Selbstorganisierte Teams - und
                                                                                           was Führung für sie tun kann.
                                              Welt.

                                                                                                                                            Extreme Programming.
                                        02    Learning
                                              Kontrolle ist gut, Vertrauen ist
                                              besser.

                                                                                                                                    Codin
                                                                                    Scru

                                    03
                                                                                    04
                                                                                                                                05
                                              Kanba
                                              Führung und Kanban - geht da
                                              was?

                                                                                    06
                                                                                                                            Kultu
                                                                                                                            Es braucht empathische
                                                                                                                            Unternehmen.

                                                                                    08
                                              Leadin
                                   07

                                              Was ist eigentlich Leadership, Herr
                                                                                                                            Best Practic
                                                                                                                            Ein sehr ehrliches Gespräch über
                                              Hippeli?
                                                                                                                            Führung in Krisenzeiten.

                                   09         Previe
                                              Termine, Events, Special
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Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Was macht neues Arbeiten aus?
Obstkorb, Sitzkissen, Multi-Space Büro und schon ist Arbeiten neu: zukunftsfähig, attraktiv und
wirtschaftlich. Die Mitarbeiter:innen sind gleich etwas lässiger und flexibler, eigeninitiativ,
selbstorganisiert und ergebnisorientiert. Läuft doch, oder? Ach so - ja klar, eine Umstrukturierung
bräuchten wir noch: Management raus - Selbstorganisation rein und das ganze in rosarot agil
gestrichen. Aber spätestens jetzt sind alle happy und fit for future.

Unternehmen, die den Weg wagen und sich damit ihre Zukunftsfähigkeit sichern wollen, haben
erkannt, dass Arbeit neu organisiert sein will. Es braucht eine Antwort auf die Herausforderungen und
Chancen unserer Zeit: Digitalisierung, Automatisierung, Globalisierung. Die Art und Weise wie wir
arbeiten und was wir erarbeiten, befindet sich in einem so krassen Wandel wie seit der
Industrialisierung nicht mehr. Die Anforderungen an Mitarbeiter:innen und ihre Fähigkeiten verschieben
sich: kreativ, experimentierfreudig, innovativ, flexibel, kommunikativ, kooperativ, kollaborativ sind
Eigenschaften, die in der alten Welt nur wenige für ihren Arbeitsalltag mitbringen mussten.

In Zukunft werden sie aber immer selbstverständlicher werden. Wir brauchen sie schlicht und
ergreifend zunehmend für die Aufgaben, die vor allem in der Wissensarbeit gefordert sind.
Hierarchische Strukturen können der Entfaltung dieser Fähigkeiten im Wege stehen. Wo Kontrolle,
starre Pläne und Vorgaben, lähmende, verworrene Prozesse und Anweisungen den Arbeitstakt
vorgeben, kann sich Kreativität nicht entfalten. Es braucht ein Umfeld, welches diese Eigenschaften
nährt, wachsen und gedeihen lässt.

Wer allerdings glaubt, dass die eingangs genannte Ausstattung, inklusive eines offenen, freien,
flexiblen und selbstbestimmten Umfelds genügt, wird bald erkennen, dass es das allein nicht ist.
Entscheidend ist mehr denn je eine gute Führung - eine neue Führung. Wie diese in den
unterschiedlichen Aspekten aussehen kann, welche Fähigkeiten und Eigenschaften hier gefragt sind,
damit beschäftigt sich unsere 3. Ausgabe.

Achtung Spoiler: Der Weg ist nicht einfach, aber lohnend - ja unausweichlich für ein Unternehmen mit
Zukunft. Die gute Nachricht ist: niemand muss den Weg alleine gehen. Neue Wege einschlagen macht
man am besten immer mit Ortskundigen.
Ich gebe euch gerne mal unsere Nummer - vorsorglich: 030 - 555 74 70 0

                                                    herzlichst im Namen des Redaktionsteams, Beate Klein
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Gutes Leadership in der Remote-
Welt.                                                       01
Gutes Leadership in der Remote-Welt ist Remote-Leadership. Die Haltung ist
gleich, aber Mittel und Wege unterscheiden sich. Es ist eben kein “Weiter
so” – nur halt per Zoom und Miro.

Doch leider ist das in nicht wenigen Unternehmen die Realität. Die
Führungskraft bemüht sich zwar, Mitarbeiter:innen wöchentlich per
Videokonferenz einzubinden, aber im Großen und Ganzen werden die
Mitarbeiter sich selbst überlassen.

Dementsprechend sinkt die Motivation und Laune, denn Mitarbeiter:innen im
Homeoffice brauchen andere Führungsimpulse als im Office, da die
Motivation im Office auch von Team-Mitgliedern, „lebendigen“ Meetings oder
Pausengesprächen belebt wurde.

Kurzum – Führungskräfte sind nun gut beraten, wenn sie ihre
Mitarbeiter:innen emotional abholen, mitnehmen und mit einer extra Portion
Energie versorgen.

Vertrauen ist die Basis von allem.

Dafür braucht es Raum für Kommunikation und einen Rahmen für
Transparenz. Remote aber wird Kommunikation leicht zum Reporting, zum
performativen Akt – nach dem Motto: “Ich arbeite, also schreibe ich im
Firmenchat, damit ein jeder sehe, dass ich arbeite”.

Transparenz wird ad absurdum geführt, wenn Tätigkeiten fleißig gepostet
und kommentiert werden, und dabei der Fokus auf die Ergebnisorientierung
verloren geht.

Was Führungskräfte im Remote-Alltag brauchen, ist ein angepasstes
Führungsverständnis, um Nähe zu schaffen, Distanz entgegenzuwirken,
Mitarbeiter:innen bei allen Prozessen emotional mitzunehmen und vor allem
eine ergebnisorientierte Kommunikation aufzubauen, die künstliches
Demonstrieren von Beschäftigtsein überflüssig macht.

Hierbei geht es um die Menschen, aber immer im Kontext der
Unternehmung. Die Kunst der gelungenen Remote-Führung besteht nicht
darin, artifizielle Nähe zu erzeugen, sondern eine Identifizierung mit der
Organisation und ihren Zielen zu vermitteln und wie jede einzelne Person
darauf einzahlt und Teil des Ganzen ist.
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Wie wäre es mal mit der klaren Vereinbarung von
Zielen, ist das nicht das A und O bei digitaler
Führung?                                                         01
Insbesondere die Kommunikation von Vision und Strategie bekommt bei
Remote-Führung einen höheren Stellenwert, da sich die Führungskraft nicht
mehr darauf verlassen kann, dass der Buschfunk für das Weiterleiten der
einst ausgerufenen Strategie sorgt.

Es ist im Gegenteil nun eine klare Meetingstruktur vonnöten, in der
festgelegt ist, wann und wie oft man über strategische Ziele, Kernprozesse
und notwendige Verbesserungsmaßnahmen spricht.

Wichtig ist, dass Führungskräfte verstehen, dass das ihr Tanzbereich ist und
sie dementsprechend das Parkett pflegen müssen.

Nur so kann es gelingen, dass Mitarbeiter:innen auch in ihrer relativ
isolierten Welt intrinsisch motiviert sind bzw. bleiben und ihr volles Potenzial
entfalten können.

Die digitale Welt lädt dazu ein, ein Panoptikum zu schaffen und Pseudo-
Kontrolle über jeden Schritt der Mitarbeitenden zu erlangen. Die so
Geführten werden das Schauspiel eine Weile mitspielen und sich dann
angewidert abwenden. Führung muss also auf Vertrauen fußen.

Offline können Probleme bzw. Wogen relativ schnell geglättet werden. Online
bekommt die Führungskraft eventuell gar nicht mit, wenn es scheppert,
wenn Mitarbeiter:innen sich verschließen, innerlich kündigen oder sich
ausgeschlossen fühlen.

Dass in einer digitalen Welt die Beherrschung der Tools unabdingbare
Voraussetzung ist, sollte zum selbstverständlichen Anspruch einer jeden
Führungskraft gehören.

Die Führungskraft von morgen sollte auf Inspiration und Befähigung der
Mitarbeiter:innen setzen, anstatt auf Pseudomotivation, Kontrolle und
vergleichbar unnötigem Zeug, denn nur so schafft sie sich den Freiraum, Ziele
zu definieren und Ideen zu entwickeln.

                                                               Von Daniel Clerc
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser.
Thorsten Faltis im Gespräch mit dem Bauunternehmer
Michael B. über das Thema Führung und offensichtlichen
Parallelen zweier Welten:
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Fachkräftemangel, demografischer Wandel, neue Technologien, Digitali-
sierung - das sind Herausforderungen, denen sich Unternehmen nahezu
aller Branchen gegenwärtig und zukünftig stellen müssen. Die Baubranche
erlebte in den letzten Jahren einen regelrechten Boom und dürfte auch in
den kommenden Jahren solide Wachstumsraten verzeichnen. Sind diese
Herausforderungen dennoch für das Baugewerbe - respektive für Sie als
Bauunternehmer - Themen, mit denen sie sich auseinandersetzen?

In unserem Bauunternehmen, das ich vor nunmehr zwanzig Jahren von
meinem Vater übernommen habe, bin ich gewissermaßen aufgewachsen.
Mein Vater hat es inmitten der Bauboomzeiten in den 1960er Jahren
gegründet, das waren gute Zeiten. Danach kamen zwei Wirtschaftskrisen
und ein Bauboom nach der Wende. Vor einigen Dekaden bauten wir solide
Steinhäuser, dann Häuser aus Fertigbauteilen, danach ein Gemisch aus
beidem. Heute bauen wir intelligente Gebäude, die die Hausbesitzer fragen,
ob die Raumtemperatur hochgefahren oder der Kühlschrank aufgefüllt
werden soll. Und obwohl wir bauen könnten, wie selten zuvor, bedienen
wir leider weniger Angebotsanfragen als wir könnten, weil uns und der
Nachwuchs fehlt. Sie sehen, Herausforderungen gab und gibt es für uns
genug.

Fachkräftemangel ist gegenwärtig allerdings ein großes Problem für
Unternehmen. Wie begegnen Sie als Geschäftsführer diesem Problem?

Wie gesagt, qualifizierte Leute und Auszubildende zu gewinnen ist für uns
ein Problem, das wir zukünftig in den Griff bekommen müssen, sonst wird
uns über kurz oder lang die Puste ausgehen, da bin ich ganz ehrlich. Das
Durchschnittsalter unserer Belegschaft liegt so bei knapp fünfzig Jahren.
Einige unserer Mitarbeiter kennen mich seit meiner Kindheit. Viele von
denen sind bereits im wohlverdienten Ruhestand, weitere werden in den
kommenden Jahren nachziehen. Insofern müssen wir nicht nur frei
gewordene Stellen, sondern auch zusätzliche Stellen mit jungen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach besetzen und diese zudem bei
Laune halten.

Was war bisher Ihre Führungsrolle bzw. wie wird die in Zukunft aussehen?

Ich war bzw. bin sozusagen der Alte und trage dafür Sorge, dass alle ein
Dach über dem Kopf haben und ausreichend Essen auf dem Tisch steht.
Meine Baustellenleiter sind gewissermaßen meine Söhne, mein
verlängerter rechter Arm. Sie tragen die Verantwortung auf den Baustellen,
also außerhalb der eigenen vier Wände, geben ihr Wissen und ihre
Erfahrung an die Jüngeren weiter, kontrollieren die Leistung und halten den
Kopf hin, wenn mal was schief geht, so wie es große Geschwister halt so
tun.

Aber die Generationen Y und Z stellen sich einen attraktiven Arbeitsplatz
inzwischen etwas anders vor, wahrscheinlich auch auf dem Bau, oder?
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
„Für meine bisherige Belegschaft war mein
Unternehmen so etwas wie ein Mehrgene-
rationenhaus.“
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Richtig - diesen Generationswandel spüren wir sehr deutlich. Die Alten
gehen nach und nach. Neue rücken nach, wenn auch leider bei Weitem
nicht in dem Maße das nötig ist. Und die haben andere Erwartungen und
Wertvorstellungen, als ihre Vorgänger. Die wollen nicht mehr in die
Fußstapfen ihrer Eltern treten, sondern ihre eigenen hinterlassen.

Warum hat sich das Ihrer Meinung nach geändert?

Die meisten unserer ehemaligen Beschäftigten haben im Regelfall einen
Handwerksberuf erlernt und diesen bis zur Rente ausgeübt. Sie waren und
sind damit zufrieden, weil das Leben in geplanten Bahnen ohne viel Risiko
verläuft. Es war und ist genug Arbeit da, der Arbeitgeber zahlt pünktlich
das Gehalt, man hat seinen festen Platz im Unternehmen und alles geht
mehr oder weniger seinen gewohnten Gang. Dieses Lebenskonzept
interessiert aber offensichtlich die jungen Leute immer weniger. Die wollen
mehr Möglichkeiten und haben keine Angst davor, Fehler zu machen oder
den Job zu wechseln. Arbeit ist für die nicht mehr Lebensinhalt, sondern
eher Selbstverwirklichung.

Selbstverwirklichung auf dem Bau! Wie geht das?

Wir müssen unser Unternehmen für Nachwuchskräfte zunehmend
attraktiver gestalten und dementsprechend unsere Unternehmenskultur
den Bedürfnissen junger Menschen anpassen. Die jungen Menschen wollen
ihre eigene Erfahrungen machen und selber Entscheidungen treffen,
möchten herausgefordert werden und sich beruflich weiterentwickeln
können.

Das klingt nicht nur nach Veränderung, sondern nach einer neuen
Herausforderung für Sie?
Das ist für mich als Unternehmer nicht nur eine neue Herausforderung,
sondern sogar eine Herkulesaufgabe, weil ich unsere alte und bewährte
Welt, Stück für Stück, in eine neue, für uns noch relativ unbewährte, wenn
gleich vielversprechende Welt führen muss.

Inwiefern hat sich für Sie das Thema Führung verändert? Haben Sie sich
einen neuen Führungsstil aneignen müssen?

Früher habe ich es als meine primäre Aufgabe gesehen, mich um jedes
Problem persönlich zu kümmern. Heute muss ich Führung neu denken. Mit
meinem bisherigen Führungsstil komme ich halt nicht mehr weit bei den
jungen Leuten.

Insofern haben Sie bisher weniger geführt, sondern mehr gemanaged?
Wenn Sie unter managen Organisations- und Kontrollaufgaben verstehen,
dann habe ich gemanaged. Genau genommen war ich in vollem Maße mit
dem operativen Tagesgeschäft beschäftigt.
Neues Arbeiten braucht neue Führung - Leanovate
„Das ist für mich als Unternehmer nicht nur
eine neue Herausforderung, sondern sogar
eine Herkulesaufgabe.“
                                                              02
Ich habe die Bauabläufe organisiert, Bauzeiten geplant, Aufträge delegiert,
Baumaterialien bestellt, Besprechungen geleitet und Dergleichen mehr.
Inzwischen aber halte ich mich aus dem operativen Geschäft
weitestgehend raus.

Und wer trifft jetzt die Entscheidungen?

Entscheidungen werden nun in der Regel dort gefällt, wo sie anfallen, also
direkt auf der Baustelle, von den Manschaften - die jetzt Teams heißen -
bzw. den Experten vor Ort. Wenn die das so wollen, dann probieren wir
das halt mal. Warum auch mit langen Informationsketten noch unnötig
Zeit und Nerven verlieren. Und wenn die Jungs ein Problem haben, an das
sie sich nicht alleine ran trauen, dann melden die sich schon bei bei mir.
Ich bekomme regelmäßig irgendwelche Fragen Pere Sprachnachricht mit
Fotos geschickt - überflüssig fühle ich mich nicht.

Also haben Sie eigentlich, wie wir auch, aus diversen Expertinnen und
Experten bestehende, crossfunktionale Teams, die selbstorganisiert
agieren können.

Egal wie Ross und Reiter heißen: Ich habe halt zur Kenntnis genommen
bzw. verstehen müssen, wie mein Unternehmen heutzutage laufen muss.
Wissen Sie, inzwischen vollzieht sich ja bei uns auch nicht nur ein
Generationswechsel, sondern wir bauen ja auch nicht mehr nur einfache
Häuser, sondern zunehmend sogenannte Smart-Häuser, das macht einen
großen Unterschied. Da werden intelligente, komplexe     Systeme von
jungen Menschen verbaut. Da braucht es viele Spezialisten, nicht nur
Maurer, Betonbauer und Dachdecker, sondern auch Elektroniker,
Anlagenmechaniker und Systemadministratoren.

Die ticken halt auch einfach anders. Da komme ich kaum mehr mit - die
muss ich einfach machen lassen.

Mir scheint, dass unsere Arbeitsweisen sich gar nicht so sehr
unterscheiden, wie ich ursprünglich dachte. Ihre Leute arbeiten eigentlich
wie unsere. Nur halt mit Beton und nicht mit dem Laptop. Aber Spaß
beiseite. Sie sagten zu Beginn unseres Gesprächs, dass Ihre Poliere die
Verantwortung auf ihren Baustellen tragen, die Leistung ihrer Kollegen
kontrollieren und den Kopf hinhalten, wenn mal was schief geht. Ihr
bisheriges Führungskonzept basiert doch also weniger auf Vertrauen,
sondern eher auf Kontrolle. Ist Kontrolle kein Widerspruch zum neuen
selbstorganisierten Arbeiten?

Bei uns wird kontrolliert, und das muss es auch. Von der ersten
Entwurfsskizze bis zur Bauabnahme kommt in Deutschland keiner an
Bauvorschriften und Baunormen vorbei. Dementsprechend habe ich früher
eine konsequente Fehlervermeidungspolitik betrieben, um Risiken
reduzieren und damit die wirtschaftliche Effizienz sicherstellen zu können.
02
Insbesondere aber auch, weil meine Belegschaft mehrheitlich gar keine
Verantwortung für das Gesamtwerk übernehmen wollte und im Grunde
zufrieden damit war, dass jemand die Verantwortung übernimmt und für
Ordnung und Sicherheit sorgt. Aber heute sind die Leute anders.

Die wollen Verantwortung übernehmen?

Wissen Sie, ich habe jetzt Mannschaften mit relativ jungen Kollegen und
Kolleginnen. Die sagen nicht mehr: „Alles klar Chef, wird ausgeführt“. Die
sagen: “Chef, machen Sie sich keine Sorgen, wir sagen Ihnen Bescheid
wenn wir fertig sind oder wenn es ein Problem gibt, also vertrauen sie
uns, wir kriegen das schon zusammen hin“. Und in der Regel stimmt das
auch. Wir sprechen ja immer miteinander. Arbeit nach Anweisung, das
habe ich langsam gelernt, ist nicht so effektiv, als meine Mannschaft
machen zu lassen. Die sehen ja selbst, was nötig ist und helfen sich dann
gegenseitig. Da muss, kann und darf ich auch nicht mehr dazwischen-
funken. Was aber nicht bedeutet, dass es keine Kontrolle mehr gibt. Wir
kontrollieren immer noch, aber eben nicht mehr, ob         die Mitarbeiter
pünktlich zur Arbeit kommen, Zigarettenpausen machen oder ihre Pausen
überziehen, sondern lediglich die fachliche Qualität der Arbeit. Und wie
bereits gesagt, das ist auch richtig und wichtig. Niemand möchte, dass
Betondecken einstürzen oder Starkstrom aus der Steckdose fließt.

Und wie gehen Sie damit um, dass ein Teil Ihrer früheren Chefaufgaben
wegfällt?

Langweilig ist mir wie gesagt nach wie vor nicht! Wie ich ja bereits sagte,
wenn die Mannschaften vor Ort Probleme haben melden die sich schon,
nur eben nicht per Telefon, sondern per Sprachnachricht und WhatsApp.
Zudem fordern die jungen Leute ständig Fortbildungslehrgänge ein, wollen
immer gutes und modernes Werkzeug haben und regelmäßig ihren Lohn
nach verhandeln. Sie sehen, Arbeit bleibt genug, sie ändert sich nur ein
bisschen.

Ich sehe, Sie haben Ihre neue Führungsrolle angenommen und fühlen sich
offensichtlich wohl darin.

Ja, ich muss mir einfach bewusst machen, dass meine Funktion jetzt eine
Andere ist. Aber ich sehe auch, dass es einfach besser funktioniert. Führen
statt managen ist jetzt die Devise! Und meine Mannschaft merkt, dass
ihnen was zugetraut wird. Die spüren mein Vertrauen und sind dann
motivierter, übernehmen richtig Verantwortung. Dafür muss man eben auch
loslassen und vor allem vertrauen können.

Unsere Welten sind gar nicht so verschieden. Arbeit und Führung verändert
sich eben! Ich danke Ihnen für Ihre ehrlichen Worte und wünsche Ihnen
für Ihr neues Projekt weiterhin viel Erfolg.

                                                       Von Thorsten Faltis
Führung und Kanban - geht da
was?                                                           03
In dieser Ausgabe des Magazins nähern wir uns dem Thema Führung aus
verschiedenen Richtungen. Zwischen Führungskräften im Kontext neuer
Arbeit und neuen Ansprüchen an Führung in remote-Zeiten möchten wir
uns hier mit dem Thema Methode und Führung auseinandersetzen.

Seit über 10 Jahren sind wir bei leanovate Kanban-Auskenner:innen. Als
akkreditierte Kanban-Trainer:innen bringen wir bei Trainings unseren
Kund:innen die Prinzipien und Praktiken von Kanban näher oder führen als
Coaches und Berater:innen Kanban ein - im Team, in der Abteilung oder
organisationsweit. Doch wie hängt das mit dem Thema Führung
zusammen?

Darauf gibt es eine schnelle, direkte Antwort und eine ausführlichere.
Fangen wir mit der Schnellen an: Zwei der zentralen Kanban-Prinzipien
drehen sich um Führung:

1. Organize work, not people
2. Leadership on all levels

Hört sich erstmal ganz schmissig gut an, oder? Und wird dann gerne
vergessen in der alltäglichen Arbeit mit Kanban. Bei genauerer Betrachtung
wird schnell klar, dass die beiden Prinzipien ganz gewaltigen Wumms
haben. Und ebensolche Konsequenzen. Die sind aber nicht im Detail
beschrieben - es sind ja Prinzipien und keine Bedienungsanleitung. Was
also ist gemeint?

Organize work, not people
Wie wird traditionell Arbeit organisiert? Irgendjemand, der die
Befehlsgewalt hat, teilt Menschen für Arbeitspakete ein. Gerne noch mit
einem vorgegebenen Zeitbudget und der Vorgabe, wie die Arbeit zu
machen ist. Menschen werden in dieser Denkweise zu “Ressourcen” und
die sollen bitte voll ausgelastet sein - alles andere wäre Verschwendung.
Der heilige Gral dieser Herangehensweise ist Ressourceneffizienz - jeder
hat immer was zu tun und was er tut, wird von oben bestimmt. Das gibt
ein Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, oder?
“Blöderweise” mögen es viele Menschen nicht so gerne, ferngesteuert und
fremdbestimmt zu werden. Um so weniger, je qualifizierter sie sind und je
weniger realistisch und sinnvoll der Plan ist, den der Bestimmende hat.
Und so ein Plan ist nun mal qua natura schnell unrealistisch, sobald es um
mehr geht als um die Schichtverteilung an der Kasse einer Tankstelle. Ist ja
auch klar: Für den perfekten Plan müsste alles vorhersehbar sein, nichts
dürfte vergessen oder falsch eingeschätzt werden und nichts
Unvorhergesehenes passieren - von technischer Tücke bis zum kranken
Kind. Die Realität beweist jeden Tag: Das klappt so nicht. Dass
deterministische Planung (von nichts anderem reden wir hier) schon bei
geringer Komplexität scheitert, ist eine lang bekannte Erkenntnis.
Eine Erkenntnis zeigt leider, dass “die da
oben” allzu oft eher Teil des Problems,
als Teil der Lösung sind.
                                                             03
Und das im besten Wollen. Denn sie können ja nicht das Fachwissen im
Detail haben, um eine sinnvolle Lösung vorzugeben (oder gar realistisch
abschätzen zu können, wie viel Zeit benötigt wird). Dazu muss man tief in
der Materie stecken und das tut nur jemand, der eben tief in der Materie
steckt und nicht 50 Materien gleichzeitig organisiert.

Schon allein deswegen ist es objektiv schlauer, “die da unten” und ihre
Expertise bei der Planung einzubeziehen. Eigentlich ist es sogar noch
schlauer einer Gruppe von Menschen eine Aufgabe mit dem Auftrag zu
geben, diese Aufgabe zu lösen. Dafür brauchen sie ein Ziel und echten
Handlungsfreiraum. Funktioniert besser und macht auch weniger Arbeit. In
diesen Modus zu wechseln braucht allerdings Zeit, da sich Haltung und
Verantwortlichkeiten ändern - und zwar auf allen Seiten. Alte
Gewohnheiten abzulegen ist echte Arbeit.

Außer Kontrolle?
Was bei einem Team und einer halbwegs klaren Aufgabe noch schnell
einsichtig ist, wird richtig spannend, wenn wir uns tiefer ins Kanbanland
begeben. Dann geht es nicht mehr um einzelne Teams, sondern um
Workflows und Wertschöpfungsketten. Und damit um Zusammenarbeit
über Silo- bzw. Abteilungsgrenzen hinweg, die auf einmal selbstorganisiert
ablaufen soll - im besten Wortsinne “außer Kontrolle”. Um - das sollte
erwähnt werden - eine bessere Wertschöpfung zu erlangen. Denn nun geht
es auf einmal nicht mehr darum, dass jeder jederzeit maximal beschäftigt
ist, sondern darum, dass - durch bessere Zusammenarbeit über die
gesamte Wertschöpfungskette und quer über alle Abteilungen hinweg - für
die Organisation bessere Ergebnisse erreicht werden. Wer würde das nicht
wollen? Dennoch beginnt so manche Führungskraft hier nicht nur zu
zweifeln, sondern regelrecht Angst zu bekommen.

Aber Moment: Ist nicht der Grund, warum wir überhaupt Führungskräfte
haben, effektiv Kundenwert und Wertschöpfung für die Organisation zu
schaffen und das bestmöglich zu organisieren? Und nun kommt Kanban
daher und macht es so viel einfacher und besser - ohne Führung?

Führung wird anders
Aber so einfach ist es nun auch wieder nicht. Denn Führung braucht es
trotzdem, nur halt anders. Im Moduswechsel von ausführenden Kräften hin
zu selbstorganisierten Teams muss sich auch die Führungsrolle ändern:
Vom Micromanager zum Moderator. Das braucht erst einmal eine große
Portion Vertrauen. Von beiden Seiten. Auf einmal hat man es mit Menschen
zu tun, nicht mit Ressourcen. Auf einmal muss man sich selbst
hinterfragen. Auf einmal muss man über den Tellerrand des
organisatorischen Klein-Klein hinweg blicken und die Frage nach dem
“Wohin?” und “Warum?” beantworten können.
Lernen loszulassen, lernen zu vertrauen - und
lernen, was Führung wirklich ist
                                                               03
Orientierung geben statt Befehle. Und manchmal auch Struktur. Die
Ordnung kommt dann ganz von allein und das Ergebnis ist sehr viel besser
als bisher. Steve Jobs hat das 1996 gut auf den Punkt gebracht: “Es macht
keinen Sinn, kluge Köpfe einzustellen und ihnen dann zu sagen, was sie zu
tun haben. Wir stellen kluge Köpfe ein, damit sie uns sagen, was wir tun
können.”

Wenn wir in Organisationen kommen, ist unsere Wahrnehmung leider
häufig: strukturell kaputt. Alle sind überlastet und arbeiten in chaotischer
Priorisierung an dem, was gerade die Tagesparole ist, die irgendwer
ausgerufen hat. Und morgen ist es eine andere. So ist man zwar immer
beschäftigt, kommt aber nirgendwo hin. Strategie, Vision, Ziel,
Verantwortlichkeiten - all das ist vollkommen unklar. Der Job der
Führungsebene ist es, die Verantwortung genau dafür zu übernehmen und
genau das zu liefern. Die der Praxis sieht leider oft anders aus.

Kanban bietet Hilfestellung für Führungskräfte
Das war jetzt nur ein flüchtiger Blick auf das erste der beiden
Kanbanprinzipien, die direkt auf Führung referenzieren. Es ginge noch sehr
viel tiefer und wir haben noch ein Zweites. Und außerdem gibt es noch die,
auf denen nicht in Leuchtschrift “Führung” draufsteht, aber trotzdem
Führung drin ist…

Kanban ist eine Methode für das Managen von Veränderung - wenn man
es denn zulässt. Durch das Abbilden der tatsächlichen Wertschöpfungs-
kette(n) einer Organisation in Workflows, die dann typischerweise durch
ein Kanbanboard visualisiert werden, kommt im allerersten Schritt schon
Klarheit, Erkenntnis und gemeinsames Verständnis zustande - noch bevor
überhaupt irgendwer einen Handschlag “echter” Arbeit getan hat.
Erstaunlicherweise zeigt die Praxis: Es gibt kaum eine Organisation, in der
auch nur eine Person diese tatsächliche Wertschöpfungskette in ihrer
Gesamtheit gekannt hat, geschweige denn überblickt: auf Team-Ebene, auf
Portfolioebene, auf Strategieebene. Wie auch, wenn die Arbeit in
funktionale Silos für Teilfunktionalitäten unterteilt ist und das Denken
auch.

Dieses neue Verständnis ermöglicht es dann zum ersten Mal, Stück für
Stück zu erkennen wie sinnvoll, wie performant oder auch wie
unausgewogen die Arbeit durch diese Wertschöpfungskette fließt. Zu
sehen, wo Staus und Verschwendung sind und wo irrlichternd gearbeitet
wird (oder am Ziel vorbei). So zeigt sich schnell Veränderungs- und
Verbesserungsbedarf in der Organisation.
Diesen Veränderungsbedarf zu moderieren
und auszugestalten ist Teil der Aufgabe von
Führung.                                                       03
Leadership on all Levels
Diesen Veränderungsbedarf zu moderieren und auszugestalten ist Teil der
Aufgabe von Führung. Nur eben diesmal sowohl evidenzbasiert (dank der
Kanban-KPI), sowie auch nachhaltig wirksam und gemeinsam getragen -
eben Leadership on all levels. Statt Micromanagement im Tagesgeschäft
kümmert sich Führung in der Organisation nun um eine nachhaltige
Veränderung, gibt Orientierung und setzt Wegmarken. Und auf einmal geht
es voran. Mit der Organisation und mit dem Business.

Das setzt zwei Dinge voraus: Das Verständnis, dass Kanban mehr ist als
eine Methode zum operativen Projektmanagement und die Bereitschaft zur
wirklichen Veränderung. Dazu gehört auch das Hinterfragen der eigenen
Rolle, der eigenen Aufgabe und der eigenen Verantwortung - nicht nur bei
den Führungskräften sondern auch bei den Mitarbeitenden.

Das erfordert eine Kultur der Angstfreiheit und einen gewissen Spaß am
Lernen - bei allen. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe von Führung. Und wieder
eine, die sich einfacher anhört, als sie ist. Wer also so weitermachen will
wie bisher, seine Privilegien und seine Verhaltensweisen erhalten, seine
Mitarbeiter klein halten und auf gar keinen Fall die Wahrheit über seine
Organisationen erfahren möchte - der sollte unbedingt die Finger von
Kanban lassen.

Wer hingegen den Bedarf erahnt, dass die eigene Organisation, um
zukunftsfähig zu sein, besser aufgestellt sein muss, als sie heute ist, oder
sich vorstellen kann, dass Arbeit auch mit mehr Freude und Schlagkraft
gehen kann und bereit ist, sich auf eine lange Reise der Selbsterkenntnis
über die eigene Organisation und die eigene Rolle zu begeben - der sollte
sich unbedingt mit Kanban beschäftigen. Wir kennen da eine Firma, die
sich damit auskennt…

                                                        Von Markus Hippeli
Selbstorganisierte Teams - und was
Führung für sie tun kann.                                       04
Wenn Scrum als neuer Arbeitsrahmen für agile Zusammenarbeit in
Unternehmen angekündigt wird, ruft das häufig ganz unterschiedliche
Reaktionen in der Belegschaft hervor.         Es ist oft die Hoffnung der
Entwickler:innen, nun endlich selbstorganisiert - frei von Hierarchie und
Bevormundung - ihre Expertise wirken lassen zu können und alle Fragen
nach dem “Wie der Umsetzung” (störungs)frei selbst zu be- und
verantworten. Es ist die leise Ahnung von Produktverantwortlichen
vielleicht doch ein Produkt ganz nah am Bedarf des Kunden entwickeln zu
dürfen - und das vielleicht sogar in ganz enger Zusammenarbeit mit dem
Kunden selbst. Und dann ist es oft auch die Besorgnis der verschiedenen
Leitungs- und Führungsebenen um das drohende Aufkommen von
Kontrollverlust, Chaos, Unplanbarkeit und eigener Überflüssigkeit. Das
Selbstverständnis steht vielleicht da und fragt: “Wer bin ich denn jetzt und
was kann ich hier noch tun?”

Die gute Nachricht lautet: Eine ganze Menge! Der vielleicht kleine Haken: Es
kostet Mut und Kraft, die Herausforderung der notwendigen Veränderung
anzunehmen. Es sind nicht nur gravierende Veränderungen in den
Prozessen und Abläufen, es ist vor allem das Selbstverständnis sich und
anderen gegenüber, dass eine besondere und vielleicht neue Haltung
abverlangt. Die dafür notwendigen Werte stehen seit Anbeginn
unverändert im Scrum-Guide fest:

Commitment - Fokus - Offenheit - Respekt - Mut

Wer diese Werte mit seinem Tun und Handeln nähren kann, sie nicht
schmälert oder untergräbt, hat gute Chancen, sich als Führungskraft
erfolgsführend in Unternehmen mit Scrum und agiler Arbeitsweise
einzubringen. Denn während die Scrum-Teams in sich eigenverantwortlich
und selbstorganisiert arbeiten, braucht es Führungskräfte, die kooperativ,
empathisch und vertrauensvoll den Weg bereiten. Es braucht
Führungskräfte, die mit strategischer Klarheit und visionärer Kreativität den
Rahmen schaffen, innerhalb dessen die Expertise der Fachkräfte fokussiert
und mutig zum Tragen kommen kann.

Schön, schön, aber was heißt das nun konkret? Welche Arbeit kann ich als
Führungskraft letztendlich leisten, wenn z. B. Controlling, Reporting und
Status überflüssig werden?

Die Antwort gibt es nicht als Leitfaden oder Handbuch. Und das nicht ohne
Grund, denn die konkrete Ausgestaltung des “sich einbringens” als
Führungskraft im agilen Kontext hängt stark davon ab, woher man kommt,
wohin es geht und wie man sich weiterentwickeln kann und möchte - und
das Ganze selbstverständlich auch noch im Kontext der sich verändernden
Organisation.
Während die Scrum-Teams in sich eigenver-
antwortlich und selbstorganisiert arbeiten, braucht
es Führungskräfte, die den Weg bereiten.                    04
Orientierungsgebend können beispielhaft folgende Bereiche benannt
werden, die in agilen Umgebungen gefragt sind und die den
selbstorganisierten Teams einen fruchtbaren Boden bereiten:

• Gestaltung, Führung und Pflege einer geeigneten Unternehmenskultur,
    die agile Werte und Arbeitsweisen trägt
•   Aufbau und Erhalt von vertrauensfördernden Maßnahmen
•   Aufbau und Erhalt von Transparenz
•   (Vor-)leben einer guten Fehlerkultur
•   Kollaborative Ansätze ermöglichen und fördern
•   Kundenkommunikation ausbauen, intensivieren und vertiefen
•   Klarheit und Struktur geben durch die Ausarbeitung und Weiterent-
    wicklung einer klaren Vision mit Strategie und Purpose
•   Strukturen und Prozesse für kontinuierliche Verbesserung etablieren
•   Kreative und innovative Prozesse gestalten und initiieren
•   Adaptivität des Unternehmens sicherstellen, durch z.B. Einführung
    kurztaktiger Feedbackschleifen in alle Prozesse
•   Netzwerke aufbauen und pflegen, funktionierende Schnittstellen
    sicherstellen
•   Befähigung der Mitarbeiter:innen selbstbefähigt arbeiten zu können
•   Weiterentwicklung der Mitarbeiter:innen ermöglichen.

Diese beispielhafte Aufzählung zeigt wie vielfältig, umfassend und
grundlegend die Arbeit an der Gestaltung eines agilen Arbeitsumfelds ist.
Ohne sie wären selbstorganisierte Teams nur kleine Arbeitsoasen in einer
sie ausdörrenden Arbeitsumgebung, in der sie früher oder später wieder
eingehen. Oft heißt es dann “Scrum hat bei uns nicht funktioniert.” Was
dann aber eigentlich oft gefehlt hat, war das befruchtende Zusammenspiel
von Führung und Selbstorganisation.

Aus dieser Perspektive wird im Umkehrschluss deutlich: Das Feld für die
grundlegende Gestaltung ist wichtig und tragend, die Neuorientierung ist
fordernd - zu tun gibt es eine Menge - vor allem für Führungskräfte!

                                                         Von Beate Klein
Wenn es schwierig wird – Wie Leadership für
schwierige Softwareentwicklung aussehen
kann.                                                         05
Welche Rolle und welche Haltung kann Leadership einnehmen, wenn große
Herausforderungen anstehen? Es gibt viele Gründe, warum in einer
Organisation Druck bei der Softwareentwicklung entsteht. Neben externen
Faktoren wie Termindruck kann es gerade auch „schwierige Arbeit“ sein,
die die Softwareentwicklung zu bewältigen hat.

Egal woher der Druck kommt, ist es ein zentrales Ziel von Leadership ein
Team gerade jetzt leistungsfähig zu halten und nicht durch eigenes
Verhalten noch mehr Druck auszulösen – am besten ist es natürlich, wenn
ein Team möglichst parallel arbeiten kann.

Damit in der Leadership-Rolle das notwendige Vertrauen in die Entwicklung
entstehen kann, ist es wichtig nachzuvollziehen, wie der Druck entsteht
und wie eine gelungene Softwareentwicklung aussehen kann, die jedem
Druck standhält.

Dass Teile der Softwareentwicklung als schwierig wahrgenommen werden,
kann natürlich verschiedene Ursachen haben. Zum einen kann das konkret
zu lösende Problem einfach schwierig sein, zum anderen kann die
Anforderung sehr komplex sein. Beispiele wären Timing-Probleme im
hardwarenahen Bereich – ein schwieriges Problem, oder die Umsetzung
einer externen Norm, wie zum Beispiel die Darstellung der eigenen Daten
in einem DATEV-kompatiblen Format für den Steuerberater - schwierig nur
durch die Komplexität der Anforderung.

Weitere Probleme sind gerne hausgemacht: so ist beispielsweise die
Architektur im eigenen Projekt so komplex geraten, dass selbst triviale
Änderungen schwierig werden oder das Projekt ist in ein Gesamtprojekt
von zu großer Komplexität eingebunden und jede Änderung zieht einen
Rattenschwanz hinter sich her.

Gelungenes Leadership versteht die Ursachen von Druck und wie ein
sinnvoller Umgang des Teams damit möglich ist. Gelungenes Leadership
mischt sich nicht in die Lösung der konkreten Probleme ein, sondern schafft
den Raum, in dem Teams gut arbeiten können.

Ein Ansatz, mit dem Teams erfolgreich Probleme in der Software-
entwicklung meistern können, kommt aus dem Extreme Programming (hier
auf dem Agile Analyst Actionspace findest du mehr über diese Methode).
Was brauchen Teams vom Leadership, um diese Verfahren anwenden zu
können? Egal, ob ich als Leader vorher selbst Software entwickelt habe
oder fachfremd bin, jetzt bin ich nicht mehr Teil der Entwicklung. Die
Verantwortung für die Lösung von Problemen mittels Softwareentwicklung
liegt beim Team. Der Leader hat die Verantwortung einen Rahmen für
Lösungen zu schaffen, er hat die Verantwortung die Probleme bestmöglich
zu erklären – die Lösungen entwickelt das Team.
Hier ist die innere Führung des Teams von entscheidender
Rolle und Leadership fördert durch Raum und Fortbildung
die Entwicklung einer starken inneren Führung.                05
Softwarentwickler:innen sollen Verantwortung übernehmen, sollen um die
beste Lösung ringen und müssen eben auch Nein sagen können. Meinen
Einfluss als Leader nutze ich, um dafür zu sorgen, dass im Team eine
gelungene Kommunikation stattfindet. Ich behandele mein Team mit
Respekt und lebe gute Kommunikation vor. Ich schaffe einen Raum zum
mutig sein und gebe konstruktives Feedback. Zu allen Zeiten fordere ich die
größte Einfachheit in der Lösung von Problemen ein. Wann immer ich
bemerke, dass Komplexität Raum greift, schaffe ich den Raum, zu größerer
Einfachheit zurückzukehren.

Natürlich kann Leadership Anforderungen an den Prozess der Software-
entwicklung stellen, dafür muss sie die Rahmenbedingungen herstellen.
Sinnvolle Praktiken die Leadership ermöglicht und unterstützen kann sind
zum Beispiel Pair Programming oder Test-Driven-Development. Dabei
werden zuerst Tests geschrieben, erst danach wird implementiert. Riesige
Triebfedern sind die Themen Automatisierung und Continous Integration.
Beides ist wünschenswert, beides erfordert Zeit und Investitionen.

Wenn Teams es gewohnt und befähigt sind, kooperativ zu arbeiten und
einen strengen Fokus auf Einfachheit in den Lösungen gelegt haben, wird
der Umgang mit Druck erheblich einfacher. Es gibt eine Vorhersagbarkeit
gegenüber Terminen – ein ehrliches “Wir können das nicht schaffen” ist
besser zu managen als halbkaputte Software und ein ausgebranntes Team.
Wenn tatsächliche, schwierige Probleme im Kontext großer Einfachheit
gelöst werden müssen, dann wird es schon deutlich weniger schwierig.
Wenn dann noch Pair Programming gelebte Praxis ist und gute Tests und
eine stabile CI-Pipeline das Ergebnis absichern, löst schwierige Arbeit
keinen Druck mehr aus, sondern wird zur spannenden Herausforderung.

Komplexe Anforderung lassen sich in einem auf Kooperation ausgerichteten
Team leicht parallelisieren. Ein Team, welches den Fokus auf Einfachheit
legt, wird immer wieder smarte Lösungen finden. So wird aus der
Komplexität der Anforderung wieder eine spannende Herausforderung und
ein Team wird stolz eine elegante Lösung in Einfachheit präsentieren.

Wer hier mit starkem Kontrollbedürfnis interveniert, weil das Vertrauen in
das Team fehlt, zerstört mehr als wieder aufgebaut werden kann. In der
Leadership-Rolle liegt es Unsicherheiten auszuhalten und Vertrauen zu
schaffen. Dazu gehört eine offene Kommunikation mit dem Team und
sinnvolles Feedback. Die Metapher dazu ist die eines Gärtners. Ein Gärtner
gibt den Pflanzen die Bedingungen, um am besten zu wachsen. Er hilft
ihnen, wenn der Frost kommt oder die Sonne zu sehr brennt. Er pflanzt die
richtigen Pflanzen zusammen und düngt und gießt im richtigen Maße. Im
Falle von Software empfehlen wir einen Zen-Garten und unterstützen gerne
bei allen Problemen auf dem Weg dorthin.
                                                           Von Daniel Clerc
Es braucht empathische Unter-
nehmen.                                                         06
Ich kann es nicht aufhalten. Sitze in meinem Wohnzimmer am großen
Esstisch vor der Kamera einer Videokonferenz und beginne zu weinen. Kein
sehr trauriges Weinen, eher Tränen der Hilflosigkeit. Empfinde die Situation
als ungerecht und komme argumentativ nicht dagegen an. Ich zögere kurz,
ob ich die Kamera ausschalten soll und entscheide mich dann dagegen.
Was passiert da eigentlich?

Ich bin ein emotionaler Mensch. Das ist schon immer so gewesen und wird
sich wohl auch nicht mehr ändern. Eigentlich mag ich diese Eigenschaft an
mir. Dennoch ist es gesellschaftlich wohl eher angebracht, diese
Eigenschaft im beruflichen Kontext vor der Bürotür zu lassen. Weinen im
Meeting wirkt allgemeinhin unangebracht, wird mit Schwäche konnotiert.
Ein sich-nicht-im-Griff-haben, welches gerade Frauen als “typisch”
unterstellt wird. Mein Gegenüber entgegnet prompt: “Ich dachte wir
könnten hier ein sachliches Gespräch führen.”

Ist es zwangsläufig unsachlich, wenn Emotionen im Spiel sind? Ist es
ausgeschlossen, weiterhin sachlich über ein Thema zu diskutieren,
trotzdem Tränen über meine Wangen laufen? Ist es denn überhaupt
möglich, Emotionen abzustellen - “nur” weil ich mich in einem beruflichen
Kontext befinde? Natürlich gibt es die Sachebene und die Gefühlsebene -
aber sind sie immer scharf zu trennen? Und die eine auf der Arbeit gar
“verboten”?

Ich beginne zu dem Thema zu recherchieren und google zeigt mit zuerst
einen Artikel des Spiegels “So vermeiden Sie Gefühlsausbrüche im Büro”.
Das Ganze heißt dann Emotionsmanagement. Im ersten Moment empfinde
ich das als unmenschlich und kalt. Mein innerer Verteidiger stellt sich vor
all die Menschen, die tagtäglich kurz auf die Bürotoilette verschwinden, nur
um dort “kurz zu weinen”, so wie es mir neulich eine Freundin schilderte.

Das darf und kann doch nicht sein! Gleichzeitig ertappe ich mich bei dem
Gedanken daran, dass auch ich schon von Kolleg:innen eingefordert habe,
ihre Wut im Zaum zu halten und kommunikativ sachlich zu bleiben. Also:
Weinen erlaubt, sauer sein aber nicht?

Moderne Arbeit ist mehr und mehr kein kühler, technischer Ort, sondern -
gerade im Zeitalter der Wissensarbeit - eine Zusammenkunft von Menschen
mit intensiver Kooperation. Coworking-Spaces, interdisziplinäre Teams,
Werte-Workshops: Wir haben inzwischen erkannt, dass gerade durch das
Zusammenbringen unserer Unterschiedlichkeit Emergenz entstehen kann.
So werden große Ideen geboren.
Das Mensch-sein soll also gar nicht am
Eingang der Bürotür aufhören!                                   06
Dazu gehört auch das Wahrnehmen, Respektieren und Unterstützen von
emotionalen Zuständen über den beruflichen Kontext hinaus. Es hilft mir
und meinen Kolleg:innen, zu wissen, dass z.B. private Belastungen,
Krankheiten oder eben Emotionen an- und besprechbar sind. Denn wenn
das Mensch-sein der Motor für Ideen ist, können wir nicht roboterhaftes
Verhalten fordern. Führung muss hier umdenken. Es geht nicht um Mitleid
oder Verhätschelung, aber es geht darum, den Menschen ganzheitlich zu
sehen. Auch geht es nicht darum, dass jede:r nun das gesamte persönliche
Privatleben mit den Kolleg:innen teilen muss.

Aber es sollte okay sein, es zu tun. Gefördert durch gute Führung, die ihrer
sozialen Verantwortung gerecht wird. Denn profitieren wir nicht auch im
Arbeitskontext davon, wenn wir wissen wie es unserem Gegenüber geht?
Ein ehrlicher kurzer Check-In am Morgen, das Wissen um den Sohn des
Kollegen, der allein mit ihm in Quarantäne ist, ein bisschen Rücksicht auf
meine Kollegin, die gerade jemanden verloren hat. Für mich ist das aktiv
unterstützte mentale Gesundheit - auch am Arbeitsplatz. Auch für die
Führungspersonen ist es gut zu wissen, wenn jemand z.B.
krankheitsbedingt einfach ein bisschen anders viel besser arbeiten kann
und entlastet wird durch die Freiheit, darüber zu sprechen. Das ist
Mitarbeiterförderung durch Empathie. Und gilt übrigens auch umgekehrt: Es
hilft mir in meiner Arbeit, wenn auch ich weiß, was emotional bei meinem
Chef gerade läuft.

Dazu braucht es eine Kulturveränderung; eine Kultur des Vertrauens, der
Ehrlichkeit und Transparenz - und auch der Verantwortung. Denn für meine
Emotionen bin ich selbst verantwortlich. Doch das Schaffen des
Selbstverständnisses, dass Emotionalität ein wertvoller Bestandteil des
Menschen ist, der auch auf der Arbeit nicht ausgeklammert gehört - das ist
die Verantwortung guter Führung. Und die ist nicht an einer Person
festgemacht, sondern funktioniert nur über gelebtes Leadership on all
levels.

Übrigens: Schwitzen, hektische Flecken oder ein zuckendes Augenlied sind
nur ein paar weitere Beispiele, wie Emotionen physisch sichtbar werden.
Und eben auch Weinen gehört dazu, wie Lena von der Neuen Narrative es
ganz ähnlich schildert.

Insgesamt macht eine Kultur der Empathie für mich inzwischen gute
Führung aus. Und auch mein Chef schaut nicht komisch, als ich neulich mal
wieder anfange zu weinen. Ganz bedenkenlos lasse ich die Kamera an.
Denn hier bin ich Mensch - und hier arbeite ich.

                                                       Von Susanne Walter

Wie ist das bei euch? Was habt ihr erlebt? Schreibt uns!
Was ist eigentlich Leadership,
Herr Hippeli?
                                                                  07
Da haben mir meine Kolleg:innen ja was eingebrockt! In dieser Ausgabe
des Agile Analyst geht es um Führung und sie hatten die Idee, eine Art
Glossar dafür zu schreiben. “Vorsicht!”, sagte ich, “bei der Definition von
Leadership könnt ihr nur verlieren! Da gibt es so viele Aspekte und so viele
Fettnäpfe und Möglichkeiten des Missverstandenwerdens - keine Chance,
dass ihr das sauber in einem Glossar definiert bekommt!” Tja, und nun
sitze ich hier und versuche aufzuschreiben, was das eigentlich ist,
Leadership. Ein sehr spannender Auftrag, aber definitiv ein schwieriger.
Was ja doch ein wenig überraschend anmutet, angesichts der Tatsache,
dass ich nicht nur selbst versuche, Leadership bei leanovate zu leben,
sondern regelmäßig und intensiv Organisationen und Führungskräfte zum
Thema Leadership coache und berate. Was also ist das Problem?

Lost in Translation

Es geht schon mit der Semantik los: Leadership ist ein englisches Wort und
die deutsche Übersetzung wäre Führung. So weit so einfach - und so
falsch. Im angloamerikanischen Sprachraum hat Leadership nämlich ein
Geschwister namens “Management”. Doch das ist was gänzlich anderes als
Leadership. Im deutschen Sprachraum wird unter Führung aber traditionell
häufig “Management” verstanden. Die “Führungskraft” wäre
dementsprechend eher ein Manager als ein Leader. Zumindest, wenn man
es traditionell angeht. Eine andere Übersetzung von Leadership wäre
“Herrschaft” - und auch das wäre gleichermaßen so richtig wie falsch. Es
gibt noch mindestens acht weitere Übersetzungen des Wortes - so richtig
bringt uns das aber nicht weiter.

In unserer Konnotation mit “gutem” Leadership meinen wir nämlich
eigentlich eher eine bestimmte Geschmacksrichtung von “Führungsstil”
(eine weitere mögliche Übersetzung). Zur semantischen Verwirrung kommt
also auch noch eine inhaltliche: Leadership kann gut oder schlecht sein -
und unabhängig davon wirksam oder unwirksam. Zumindest das Letztere
kann man ja halbwegs objektiv rausfinden, beim ersten Adjektivpärchen ist
das schon deutlich schwieriger und nicht zuletzt eine Frage der
Perspektive. Ich bin also in Versuchung zu sagen:

Leadership ist, wenn die Organisation leuchtet.

Was das ist, merkt ihr, wenn es passiert. Wenn das nicht passiert,
bedeutet das aber nicht unbedingt, dass ihr kein Leadership habt. Aber
wahrscheinlich, dass es nicht wirkungsvoll ist. Das zu schreiben wäre
richtig, aber nicht unbedingt hilfreich. So ist das, wenn ich als alter
Graubart sybillinische Sätze von mir gebe, die voll tiefer Wahrheit sind, sich
aber nur dem Erleuchteten erschließen und alle anderen hoffentlich
ehrfurchtsvoll aber definitiv verwirrt zurücklassen. Was ich auch sagen
kann ist: Leadership ist harte Arbeit. Das Tun genauso wie der Weg der
Erkenntnis dahin.
Leadership ist Haltung. Leadership ist Demut,
aber auch Stärke. Mut. Und vieles mehr. Wie
gesagt: Definieren ist schwierig.
                                                                  07
Leadership ist nicht Management.

Was wir aber wissen: Leadership unterscheidet sich von Management.
Stark vereinfacht gesagt: Management organisiert (Dinge), Leadership
inspiriert (Menschen). Leider habe ich mir das nicht selbst ausgedacht,
sondern paraphrasiere Peter Drucker, denn dieser hat meistens recht, auch
wenn er nicht ansatzweise so bekannt ist, wie er es verdient hätte. Das ist
übrigens ein Lesehinweis.

Unser deutscher Begriff “Führung” beinhaltet also bei genauerer
Betrachtung beides: Management und Leadership. Weil beides gebraucht
wird. In der Praxis werden die meisten Führungskräfte auch beide
Komponenten leben - in unterschiedlichem Ausmaß. Was das Verständnis
von Management angeht, wird nun vielleicht dem einen oder anderen auch
klar, warum im amerikanischen Sprachraum ein Hausmeister gerne Facility
Manager heißt und es überhaupt von Managern nur so wimmelt: Das sind
Menschen, die Dinge organisieren. Unter Umständen auf eine deutlich
bodenständigere Art, als es unsere typisches klassisches “Schlips-und-
Kragen-Dienstwagen-Eckbüro”-Stereotyp von Managern vorsieht.

Leadership hingegen inspiriert also - oder anders gesagt: Leadership sorgt
dafür, dass Menschen Dinge tun - ohne direkten Befehl. Dass sie aus sich
selbst heraus ihre Kräfte nutzen, um etwas zu tun, das das Leadership
ihnen…. - ja was? Vorgibt? Wohl kaum. Vorlebt? Manchmal. Vielleicht am
ehesten: als Bild in ihrem Kopf entstehen lässt. Leadership ist also durch-
aus Beeinflussung, aber kein Befehl und auch nicht nur ein Zugestehen,
sondern das Ermöglichen von Handlungs- und Entscheidungsfreiheit. Wenn
das Bild, das im Kopf entstanden ist, so wirksam ist, dass darüber eine
Handlung entsteht, die dem Bild entspricht, aber darüber hinausgeht -
dann ist Leadership wirksam. Nicht nur das Bild wächst, sondern auch die
Person wächst über das hinaus, was sie bisher war. Selbstverständlich und
mit Freude. Wenn das nicht nur bei einer Person passiert, sondern in der
ganzen Organisation, dann leuchtet die Organisation - dann ist Leadership
wirksam. Die Organisation malt aus eigenem Antrieb und angstfrei gleich-
sam gemeinsam das Bild, das durch Leadership in ihren Köpfen entstanden
ist. Und macht es so größer, vielfältiger und stärker als es direkte Anord-
nungen je vermögen würden - und auch, als es ursprünglich war. So etwas
zu erleben hat etwas Magisches - ein Gänsehautmoment, der begeistert.

Ein Leader ist also jemand, der vorangeht, mindestens mental. Der viel-
leicht ein Vorbild ist, eine Identifikationsfigur oder ein Freigeist. Jemand,
der aufmerksam macht, der zeigt, dass Grenzen oft artifiziell sind, projiziert
oder selbstgewählt, aber oft überwindbar. Jemand, der Mut hat und Mut
macht, der Räume öffnet, in denen Dinge entstehen und Menschen
wachsen können. Er selbst muss diese Dinge gar nicht notwendigerweise
entstehen lassen, er muss sie noch nicht einmal verstehen - in erster Linie
schafft er die Möglichkeit dafür, dass sie entstehen können.
Ein Leader muss also kein fachlicher Experte
sein, er kann es aber sein. Und eine Sie kann er
natürlich auch sein.
                                                                         07
Leadership im Guten und im Bösen. Es wäre auch verfehlt, einen Leader in
erster Linie als Lichtgestalt zu sehen, in einem Steve Jobs oder einem
Mahatma Gandhi. So schade es ist: Leadership muss nicht
notwendigerweise zu Positivem führen - in der Welt des Bösen funktioniert
es exakt gleich. Die meisten Leader sind - wie alle Menschen - keine
Heiligen, sondern höchst ambivalent. Nicht notwendigerweise freundlich,
aber in jedem Fall authentisch und glaubwürdig. Wichtig ist auch:
Leadership lebt in der Praxis - auch und gerade im Kleinen. Sogar häufiger,
weil es einfach viel mehr “kleine” Gelegenheiten gibt, als Möglichkeiten, die
Welt auf der ganz großen Bühne zu verändern. Leadership heißt, sich
Freiheiten zu nehmen und diese weiterzugeben - auf dass sie genutzt
werden mögen. Leadership ist verantwortlich, es ist situationsadäquat und
damit unterschiedlich - aber immer verlässlich.

Ausgezeichnetes Leadership habe ich häufig auf der Ebene des mittleren
Managements gesehen (wie wir sehen sind wir schon wieder in die
Semantikfalle getappt…), oft von Menschen, die auf den ersten Blick “ganz
normal” wirken (und sich oft noch nicht einmal selbst Leadership
bescheinigen würden) und oft an Orten oder in Organisationen, wo man es
nicht erwarten würde. Wenn irgendwo Emergenz entsteht, wenn
Menschen mit hoher intrinsischer Motivation gemeinsam an etwas arbeiten
und dabei über sich hinauswachsen - dann ist wahrscheinlich Leadership
im Spiel. Und wenn das nicht passiert, dann fehlt es wahrscheinlich oder
ist nicht wirksam. Dafür braucht es übrigens auch keine hierarchisch
übergeordnete Rolle. Oft macht diese Rolle aber Vieles einfacher und den
Wirkungskreis größer - aber Leadership basiert ja gerade nicht auf
hierarchischer Macht, sondern auf Freiwilligkeit und Vertrauen. Es kann also
auch lateral entstehen (und tut das vielerorts auch). Es ist
Verantwortungsübernahme. Leadership ist nicht die Abwesenheit von
Ordnung, Vorgaben, Constraints oder Zielen - im Gegenteil: Leadership
bedeutet, die Strukturen, das Alignment und die Orientierung zu schaffen,
die es ermöglichen, das Ziel gemeinsam zu erreichen. Unser Bild hat
sozusagen einen Rahmen und meist ist irgendwo in diesem Rahmen der
Übergang vom Leadership zum Management. Orientierungslosigkeit ist
eher ein Zeichen für das Fehlen von rundum gelungenem Leadership. Ob
nun der Leader vorangeht, wie ein Heerführer in historischen Gemälden, ob
er überhaupt dabei ist oder im Hintergrund wirkt, oder ob er voll Demut im
rechten Moment bescheiden beiseite tritt: All das ist möglich. Andersrum
gesprochen: Leadership ist, wenn es funktioniert. Und das ist wohl auch
die pragmatischste Definition dafür.

                                                                Von Markus Hippeli

PS.: Nun haben wir aber erst einen kleinen Zeh in das große Thema Leadership gesteckt
und eine ungefähre Vorstellung vom “Was” bekommen.. Das “Wie” ist eine ganz eigene
Welt und eine, die ich hier bewusst ignoriert habe. Lasst uns darüber gern ins Gespräch
kommen! Ein kleine Reflexionsübung zum Warmwerden findet ihr in unserem Agile
Analyst Actionspace.
Ein sehr ehrliches Gespräch über
Führung in Krisenzeiten.                                           08
Wir haben nun fast zwei Jahre Pandemie hinter uns. Und so sehr es unser
privates und gesellschaftliches Leben betrifft, so sehr ist auch unser
Arbeitsleben davon betroffen. Ein Part, der dabei selten beleuchtet wird, ist
das Thema Führung. Wie erleben eigentlich Führungskräfte eine derartige
Zeit der Veränderung? Was haben wir bei leanovate gelernt? Und welche
Art von Führung braucht es in Zukunft?

Wir haben dazu unseren Geschäftsführer Markus um ein sehr ehrliches
Gespräch gebeten und fachlich wie menschlich interessante Antworten
erhalten. Aber lest selbst:

Markus, wie blickst du auf die letzte Zeit?

Ich bin auf eine krude Art und Weise durchaus dankbar für die letzten zwei
Jahre, weil es eine Zeit war, in der ich unglaublich viel gelernt habe. So viel
und auch so schmerzhaft gelernt habe ich in den letzten 10 Jahren nicht.

Die Pandemie hat ja auch eine beträchtliche Wirtschaftskrise nach sich
gezogen. Wirtschaftskrisen an sich sind gar nicht so ungewöhnlich. Wenn
man sich Wirtschaftskonjunkturzyklen anschaut, dann gibt es immer
wieder Auf- und Abschwünge. Im Kondratjew-Zyklus sieht man: Der letzte
Zyklus ging Ende der Achtziger los und wenn wir das mal weiterverfolgen,
dann müssten wir jetzt wieder in einem Tal sein.

Und das stimmt! Also sollte es uns doch gar nicht so überraschen, sondern
es ist sogar vorhersehbar; etwas, das ungefähr alle 50 Jahre passiert.

Schon, allerdings ist dieser Zyklus jetzt eben nicht, wie sonst zugrunde
gelegt, durch technische Innovationen getriggert, sondern nun eben durch
die Pandemie. Aber eine Führungskraft sollte so oder so diese Zyklen im
Hinterkopf haben und eben immer etwas mehr wissen, als das, was nur in
der eigenen Firma passiert.

Apropos eigene Firma: leanovate ist ja in der agilen Welt zuhause. Mit
Agilität sollte ein Reagieren auf Veränderung doch eigentlich kein Problem
sein, oder?

Mit dem Ziel von Agilität hast du Recht. Agilität beinhaltet Fit for Purpose
zu sein, Empowerment und Craftsmanship. So zu arbeiten ist seit über 20
Jahren weit verbreitet, viele arbeiten schon so. Aber auf deine Frage würde
ich sagen: Wenn wir mal rausgucken: Nö, stimmt nicht. Ich sehe so viele
Organisationen, die agil sind und dennoch nicht klarkommen.
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