Niederlande: Das Schülererfolgssystem

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Niederlande: Das Schülererfolgssystem

Seit etwa zehn Jahren ist man in Holland als                das die meisten Waldorfschulen teilweise
Lehrer dazu verpflichtet, die Entwicklung der               oder ganz nutzen.
Kinder nicht nur systematisch zu beobachten,                In dem System sind auch die Schulreife-Un-
sondern sie auch auszuwerten, um Handlungs-                 tersuchung, die Zweitklass-Untersuchung, der
pläne zu erstellen. Das Ziel dieser Arbeit ist,             Eingangstest für die Oberstufe (Siebtklass-
die Kinder während ihrer Schulzeit optimal                  Untersuchung) und die Legasthenie- (Dysle-
zu begleiten. Überdies ergibt sich dadurch die              xie-)Untersuchung enthalten.
Möglichkeit, den Kollegen, den Eltern und
– sehr wichtig – den Inspektoren1 Einblicke                 Was ist ein Schülererfolgssystem?
in das »Wie« und »Was« des Unterrichts zu                   Das Schülererfolgssystem ist ein Hilfsmittel,
geben.                                                      um die Entwicklung eines Schülers zu verfol-
Ferner gibt es Institutionen, die für die ver-              gen und zu dokumentieren. Es ist ein Instru-
schiedenen Fächer wie Lesen, Schreiben,                     ment, ein Mittel und nicht eine Zielbeschrei-
Rechnen usw. Tests entwerfen. Diese sind                    bung.
darauf ausgerichtet, dass man z.B. nach drei                In der Schulpraxis ist es selbstverständlich,
oder sechs Monaten die Fortschritte im einem                dass jeder Lehrer seine Aufzeichnungen macht.
Fachgebiet prüfen kann. So bekommt man                      Er notiert, wie seine Schüler sich entwickeln,
Einsicht in die Entwicklung des Kindes und                  ihre Leistungen bei Prüfungen, ihre Epochen-
man kann sehen, wann die Entwicklung stag-                  heft-Gestaltung und auch besondere Auffällig-
niert. In unserem »Begeleidingsdienst voor                  keiten, zum Beispiel, wenn ein Mädchen, das
Vrije Scholen« (ein Begleitungsdienst für alle              immer sehr konzentriert und aufmerksam war,
etwa 97 Waldorfschulen in Holland) haben                    plötzlich unkonzentriert und abgelenkt ist. Er
wir die Ansicht vertreten, dass wir immer die               fragt sich dann: Was ist mit diesem Mädchen
gesamte Entwicklung des Kindes betrachten                   geschehen? Vielleicht bespricht er sich mit ei-
sollten – nicht nur die Lernresultate, sondern              nem Kollegen oder mit den Eltern und lässt
auch die sozial-emotionelle Entwicklung und                 sich beraten. Jeder Lehrer hat sein eigenes Sy-
den Zusammenhang zwischen diesen Gebie-                     stem und dokumentiert seine Beobachtungen
ten. Also haben wir vor etwa sechs Jahren un-               meistens in einem Heft oder Buch, vielleicht
ser eigenes Schülererfolgssystem entwickelt,                im Computer. Am Ende des Jahres schreibt er
                                                            das Zeugnis für die Schüler. Jeder macht es auf
1 In Holland gibt es ein staatliches Kontrollsystem,
  das die Qualität des Unterrichtes überprüft. Von
                                                            seine eigene Weise.
  der Anfangsschule bis zur Universität gibt es sog.        Der Sinn eines Erfolgssystems ist, dass man
  Inspektoren, die mit Hilfe von »Standards« die Ar-        eine Art Ausgangspunkt beim Wahrnehmen
  beit in den Schulen beobachten. Diese sogenannten         von den Kindern hat. Eine weitere Stufe ist,
  »objektiven Indikatoren« (oder Standards) sind na-        dass man sich austauscht, versucht zu cha-
  türlich von einer festgeschriebenen Unterrichtsidee
  aus konstruiert worden. Für die Waldorfschulen
                                                            rakterisieren, was für ein Bild man sich von
  ergeben sich daraus gelegentliche Diskrepanzen            diesem Kind machen kann, und zum Schluss,
  zwischen den eigenen Auffassungen und denen               welche pädagogischen und didaktischen
  des Staates. Obwohl es in Holland (Unterrrichts-)         Möglichkeiten angewendet werden können.
  Freiheit gibt, ist der inhaltliche Einfluss des Staates   Es ist wichtig, dass man sich darüber einig
  ziemlich stark.
                                                            ist, welche Kategorien man bei der Wahrneh-

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mung der Kinder verwendet, und dass man             Quantitative und qualitative
diese dann für alle Kinder anwendet, auch           Beurteilungen
für die gesunden, harmonischen und unpro-
                                                    Die Fortschritte und Leistungen können wir in
blematischen Kinder, weil die Praxis in der
                                                    verschiedenen Augenblicken »messen«; wir
Schule heute oft so ist, dass nur die auffälligen
                                                    müssen sie dabei immer in Zusammenhang
Kinder in der Kinderbesprechung vorgestellt
                                                    mit der ganzen Entwicklung betrachten, so als
werden.
                                                    ob durch einen Querschnitt alle Schichten auf
                                                    einmal sichtbar würden.
Lern- und Entwicklungsprofile
                                                    Wie können wir diese zwei Pfeiler, den der
Wenn wir über Erfolg sprechen, ist immer            Entwicklung und den der Leistungen, syste-
ein Zeitaspekt einbezogen. Wir können nur           matisch betrachten?
sagen, ob ein Kind gewachsen ist oder nicht,        1.         Für die Entwicklung des Denkens,
wenn wir wissen, dass es zuerst 1,10 Meter             Fühlens und Wollens brauchen wir Krite-
groß war und nach einem halben Jahr 1,12               rien. Wir haben diese Items in einer Pro-
Meter. Wenn wir über Länge oder Gewicht                jektgruppe formuliert und in verschiedenen
reden und wir Kriterien, Werte wie Meter oder          Schulen ausprobiert. Etwa 20 Lehrer haben
Kilo dafür haben, ist es nicht schwierig, eine         das Schema für ihre Schüler ausgefüllt.
Entwicklung aufzuzeigen. Ganz anders ist es,           Diese Pilotuntersuchung gab uns das Ver-
wenn wir die Gefühlsentwicklung oder die               trauen, dass wir brauchbare Kriterien ge-
Entwicklung des Wollens und Denkens ver-               funden haben. Ein Beispiel eines Teiles des
folgen und beschreiben wollen.                         Entwicklungsprofils findet man am Ende
In unserem Schülererfolgssystem, das auf               dieses Artikels.
der Grundlage der anthroposophischen Men-           2.         Wenn wir die Leistungen und Fort-
schenkunde entwickelt wurde, operieren wir             schritte von Schülern verfolgen wollen,
mit zwei Schemata: dem Entwicklungsprofil              müssen wir zunächst Klarheit darüber be-
und dem Lernprofil. In das Entwicklungsprofil          kommen, was eigentlich die Ziele für den
wird an Hand von vorgegebenen Kriterien ein-           Unterricht sein sollen. Dazu brauchen wir
getragen, wie es mit der Denk-, Gefühls- und           den Inhalt vom Lehrplan der Waldorfschu-
Willensentwicklung steht. In dem Lernprofil            len – also die Unterrichtsziele für das Fach
werden die Leistungen beim Rechnen, Lesen,             von der ersten bis zur zwölften Klasse, für
aber auch bei der Eurythmie, beim Formen-              das Jahr und für die Epoche. Die Leistun-
zeichnen, Malen usw. aufgeführt. Zwei Mal              gen der Schüler werden im Lernprofil fest-
pro Jahr wird das Schema ausgefüllt:                   gehalten.
– Das erste Mal im Dezember: Wenn die Ent-
  wicklung Auffälligkeiten zeigt, kann der          Für eine Rechen-Epoche in der zweiten Klasse
  Lehrer sich mit den Eltern und den Kol-           z.B. müssen wir uns folgende Fragen stellen:
  legen besprechen und es gibt noch genug           – Wie ist der Zusammenhang des Rechen-
  Zeit, etwas zu unternehmen.                         Unterrichts in der zweiten Klasse innerhalb
– Das zweite Mal im Sommer als Grundlage              des gesamten Mathematik-Lehrplans von
  für das Zeugnis im Juli.                            der 1. bis zur 12. Klasse?
                                                    – Was ist das Thema im Mathematik-Unter-
                                                      richt der zweiten Klasse? (Die Kinder sol-
                                                      len sich in einem bestimmten Zahlenraum
                                                      – bis 100 – mit den vier Grundrechenarten
                                                      immer freier bewegen können.)

                                                                                              295
– Was ist der Inhalt des Mathematik-Unter-       rufen. Woran erinnern sich die Kinder? Wel-
  richts? (Zahlen bis 100 wiedererkennen und     che Fertigkeiten haben sie gewonnen? Was ist
  aufschreiben; die Grundrechenarten bis 20      völlig in Vergessenheit geraten?
  werden automatisiert; Memorieren des klei-     Im Waldorf-Unterricht ist das ein wichtiges
  nen Einmaleins; Benutzen von Strategien        Moment. Es gibt Lehrer, die diese Erfahrun-
  beim Kopfrechnen; [Ab]schätzen; Zahlbe-        gen systematisch notieren. Diese Erfahrungen
  griff 20 = 4 x 5 aber auch 20 = 2 x 10 und     können ebenfalls einen Platz im Schülerer-
  20 = 10+10 usw.)                               folgssystem bekommen.
                                                 Die Lernleistungen, also die Resultate der
Ein unheimliches System                          quantitativen Beurteilung werden in dem
Dadurch, dass wir den Lehrstoff bewusst auf      Lernprofil, die qualitative Beurteilung im
die »Essenzials« reduzieren, vollziehen wir      Entwicklungsprofil notiert.
eine trichterförmige Bewegung. Wir sprechen      Es wäre interessant und inspirierend, die in-
jetzt nur darüber, was man macht, nicht über     haltlichen Unterrichtsziele für alle Fächer
das Wie. Das »Wie« gehört zum Gebiet des         für eine Klasse im Kollegium zu besprechen
Methodisch-Didaktischen.                         – z.B. den Zusammenhang zwischen Malen,
Weiter ist zu fragen: Was ist der Inhalt ei-     Eurythmie und Rechnen.
ner Epoche? Was ist das Ziel? Was müssen         Bei dem Versuch, ein System zu entwerfen,
die Kinder am Ende von dieser Epoche ler-        mit dem man das wirkliche Leben erfassen
nen und beherrschen? In der Waldorfschule        will, kann es einem etwas unheimlich sein.
ist Lernstoff immer auch Entwicklungsstoff.      Wir wissen, dass wir die komplizierte Wirk-
Deshalb können wir am Ende einer Epoche          lichkeit in wenigen Begriffen nie voll erfassen
die Leistungen beim Rechnen auf zweierlei        können. Wir analysieren und zerbröckeln das
Weise beobachten, quantitativ und qualita-       Ganze, um es zu beobachten – und wir be-
tiv. Wenn wir uns fragen: Wie schneidet ein      kommen etwas Skelettartiges, etwas Schema-
Schüler beim (schulinternen) Test ab?, dann      tisches. Unsere Aufgabe ist es, dieses Skelett
ist das eine quantitative Beurteilung. Wir se-   wieder mit Fleisch und Blut zu füllen und da-
hen, wie viele Fehler gemacht werden, und        raus eine lebendige Gestalt zu formen. Vor-
wir machen eine Analyse, von welcher Art         aussetzung ist, dass wir darüber im Gespräch
diese Fehler sind, damit wir wissen, welcher     bleiben.
Stoff noch einmal behandelt werden muss und                                    Louise Berkhout
welche Unterstützung die Kinder individuell
brauchen.
                                                 Zur Autorin: Louise Berkhout, Jahrgang 1952, Studi-
Wenn wir uns fragen: Was bedeutet das für die    um der Orthopädagogik an der Universität Amsterdam,
Entwicklung dieses Kindes?, dann haben wir       Ausbildung Künstlerische Therapie »de Wervel«, Ar-
es mit einer qualitativen Beurteilung zu tun     beit an der Waldorfschule Amsterdam als Therapeutin
und können qualitative Fragen darüber stel-      und Beraterin, seit 1985 beim Niederländischen Be-
                                                 gleitungsdienst für Waldorfschulen, u.a. Autorin des
len: War das Kind engagiert? Inwiefern war
                                                 Schülererfolgssystems.
es in den Unterricht einbezogen? Kam es mit
eigenen Ideen? Hat es sich gut konzentrieren
können? Wie hat es das Epochenheft geführt?
Wie hat es sich bei den künstlerischen Tätig-
keiten verhalten?
Am Anfang einer nächsten Mathematik-Epo-
che fängt man immer damit an, sich die Inhalte
des vergangenen Unterrichts in Erinnerung zu

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Beispiele aus dem Entwicklungsprofil 4–6 Jahre
Gefühlsgebiet:              Sozial-emotionale Entwicklung
		                          5 Jahre		     5 1/2 Jahre              6 Jahre                  6 1/2 Jahre
Selbstständigkeit           kann zusammen kann selbstständig       kann selbstständig zeigt Mitverantwortung
beim Aufräumen              mit anderen   aufräumen an verschiedenen            für das Aufräumen
		                          mithelfen			               Stellen aufräumen
Willensgebiet:              motorische Entwicklung
 Gleichgewicht              Gehen auf dem        10 mal Hüpfen        10 Sek. Still-          10   Sek. Stillstehen
auf
 finden		                   Rand eines Sand-     auf einem Bein,      stehen auf einem      einem Bein mit
		                          kastens		            ohne zu wechseln     Bein 		               geschlossenen Augen

Denken: Begriffe
Orientierung         kann eine sym-         hat eine Ahnung        kann eine asym-       kann koordinierte
am Körper metrische Körper-      von primären           metrische Körper-       Bewegungen mit den
		                   haltung imitieren      Körperteilen           haltung imitieren     Gliedmaßen machen.
						                                                             und sie               (z.B. das Aufwickeln
						                                                             benennen von Wolle usw.)
Beispiel aus dem Entwicklungsprofil für 6 bis 12 Jahre
Gefühls-
entwicklung                 Kl. 1		              Kl. 2		             Kl. 3		               Kl. 4               Kl.
5                   Kl. 6
 Erleben beim      Kann sich der         Kann sich sowohl          Kann die Auto-           Kann Partei      Kann
Vorliebe Kann sich
 Zuhören von       Erzählung mit dem Heiligen         rität der Haupt-        ergreifen, z.B.    für eine
in eine
 einer Erzählung   hingeben		            als mit dem person in der            gegen Loki,        gewisse Kultur-
Rolle,
 (Erzählstoffe)			                       Tunichtgut identi-        Erzählung für die Götter      epoche zeigen
auch in

Die Siebtklass-Untersuchung
In den niederländischen Waldorfschulen brei-                 suchungen, die Zweitklass-Untersuchung und
tet sich immer stärker eine Testkultur aus, zum              eventuell die Siebtklass-Untersuchung, statt.
Teil, weil es die Gesetzgebung verlangt, zum                 Es gibt die Klassenkonferenzen, Gespräche
Teil aber auch, weil innerhalb der Schule die                zwischen Lehrern und Eltern, Kinderbespre-
Frage nach Tests und Klassenarbeiten immer                   chungen und gelegentliche Gespräche zwi-
lauter wird.                                                 schen einem therapeutischen Team und dem
Schon immer werden auch an der Waldorf-                      Lehrer.
schule die Leistungen der Schüler gemessen:
durch Prüfungen, Epochenhefte, tägliche Tests                Warum Tests und Arbeiten?
und Klassenarbeiten. Dazu kommen die mehr
oder weniger strukturierten Wahrnehmungen                    Der Ruf nach Tests und Arbeiten wird aus drei
des Klassenlehrers in der Vor- und Nachbe-                   Gründen zunehmend lauter. Erstens wird im-
reitung. Auch finden sonstige Schülerunter-                  mer deutlicher, dass sich Schüler unterschied-

                                                                                                             297
lich entwickeln, und zwar bereits in jungem       man an ihnen noch etwas tun können. Eltern
Alter. Der Prozess des Individuell-Werdens        und (Oberstufen-)Schüler sprechen einen dar-
ist typisch für die moderne Menschheit1 und       auf an. Durch die Überprüfungs- und Test-
gewinnt immer stärker an Wichtigkeit, ob-         möglichkeiten kommen solche Defizite eher
wohl das Grundprinzip der Entwicklungspha-        ans Licht, so dass man daran arbeiten kann.
sen weiterhin Gültigkeit hat. Welches sind die
Folgen dieser Entwicklung? Ist der Schüler,       Ist das Vertrauen in Testverfahren
was Denken und Wahrnehmen betrifft, zu            gerechtfertigt?
mehr imstande, als wir gemeinhin erwarten?
Hat er vielleicht noch ganz andere Möglich-       Heute reicht es nicht aus, dass sich der Lehrer
keiten zur Verfügung? Welche sind diese?          in seiner Beurteilung ausschließlich auf eige-
Das Erkennen des Individualisierungsprozes-       ne Wahrnehmungen stützt. Vor allem in einem
ses führt unter anderem zu der Forderung nach     problematischen Fall werden Eltern, soziale
gesteigerter Aufmerksamkeit und Betreuung         Instanzen und der Schüler selbst (Oberstufe!)
des einzelnen Kindes. Wir versuchen, maß-         eine Begründung fordern, das heißt eine in
geschneiderten Unterricht (adaptiven Unter-       standardisierten Begriffen und Zahlen ausge-
richt) zu liefern. In vielen Schulen arbeiten     drückte Beurteilung. Standards wiegen uns in
regelmäßig sog. »remedial teachers«, interne      dem Vertrauen, dass alles seine Ordnung hat,
Betreuer und therapeutische Teams mit. Wis-       weil sie auf festgelegten Prozeduren und Ver-
sen wir aber auch genau, auf was wir unsere       abredungen beruhen.
Aufmerksamkeit lenken sollten? Ist es nicht       Wie groß die Bedeutung ist, die manche
wichtig, zuerst das Einzigartige eines Kindes     Menschen den Ergebnissen von Tests und Ar-
zu erfassen?                                      beiten beimessen, zeigt folgendes Beispiel.3
Zweitens ist auffallend, dass wir generell        In einem Experiment von Jacobson und Ro-
immer weniger über das verfügen, was man          senthal bekamen Lehrer eine Liste mit den
pädagogische Intuition nennen könnte. Wir         IQ- Zahlen einer Klasse, die aber nicht die
müssen uns verstärkt auf unser Bewusstsein        wirklichen, sondern willkürliche waren. Bald
verlassen und haben nur wenige Instrumente        zeigte sich, dass die Leistungen der Schüler
zur Verfügung. Der Lehrer wird des Öfteren        sich immer mehr den erfundenen Zahlen an-
mit Verhaltensweisen konfrontiert, auf die er     glichen. Die Erwartungen der Lehrer, die sich
nicht gefasst ist. Das Bewusstsein sagt ihm,      auf die IQ- Zahlen stützten, wurden zur self-
dass er dem Alter des Schülers entsprechend       fulfilling prophecy.
soundso mit ihm umgehen sollte, aber sein         Dass man auf das Urteil erfahrener Pädagogen
Gefühl rät etwas ganz anderes. Kam früher         ebenso gut vertrauen kann wie auf die Ergeb-
das Handeln direkt und intuitiv, so sind heute    nisse eines Schulfördertests, wurde durch M.
viele Lehrer verunsichert. Der Zweifel und        Nijsse4 bewiesen. Er verglich die Prognosen
die Qual der Wahl wirken lähmend, denn je         von Grundschullehrern mit den Ergebnissen
nach Standpunkt kommt man zu verschiede-          eines Schultests für die weiterführende Schu-
nen Handlungsmöglichkeiten. Um das Gefühl         le. Zwei Jahre später stellte sich heraus, dass
der Sicherheit zu stärken, überprüft der Lehrer   die Grundschullehrer in 64 Prozent der Fälle
also, ob seine eigenen Beobachtungen stim-        recht gehabt hatten und der Schultest nur bei
men.                                              53 Prozent der Schüler.
Als dritter Grund kommt ein Schuldbewusst-
sein ins Spiel.2 Im Nachhinein könnte sich ja     Die Siebtklass-Untersuchung
bei einem Schüler herausstellen, dass man
bestimmte Defizite übersehen hat. Hätte man       Warum hat sich der niederländische Schulbe-
diese rechtzeitig wahrgenommen, so hätte          gleitungsdienst dann doch dazu entschlossen,

298
einen Test für den Übergang in die siebte Klas-   beraten, zum anderen von den Erfahrungen
se auszuarbeiten? Einige Schulen forderten        von drei »remedial teachers«, außerdem noch
einen solchen Test geradezu vor dem Start in      von drei Lehrern, die direkt in der Praxis
die Oberstufe. In den Niederlanden wechseln       stehen, und einem Erziehungswissenschaft-
nämlich die Schüler nach der sechsten Klasse      ler. Beim Entwurf des Tests gingen wir von
zum größten Teil in die regionale Oberstufe.      dem Unterschied zwischen »plastischen« und
Der Siebtklässler wird mit einem ihm über-        »musikalischen« Kräften6 aus – ein wichtiges
wiegend unbekannten Lehrerteam konfron-           Unterscheidungsmerkmal in der Zeit der Vor-
tiert und mit einer Klasse, von der er eine       pubertät. Wir untersuchten, ob wir mit diesen
(große) Anzahl Mitschüler auch noch nicht         zwei Kategorien praktisch arbeiten konnten.
gesehen oder erlebt hat. Die Oberstufenlehrer     Wie kann man plastische oder musikalische
können die bereits vorhandenen Fähigkeiten        Veranlagung in Rechen- und Sprachaufgaben
auf dem Gebiet der Sprache und Mathematik         erfassen?
nicht ohne weiteres überblicken.
In diesem Fall wird ein Test die nötigen In-      Plastischer und musikalischer
formationen über den Schüler (oder seine          Strom
Leistungen) und über seine Klasse als Gan-
zes liefern. Zieht man die oben genannten         Bei der Ausarbeitung des Tests sind wir von
Beschränkungen solcher Tests in Betracht, so      den menschenkundlichen Anschauungen
wird allerdings deutlich, dass ein Test oder      ausgegangen, die der Waldorfpädagogik zu
eine Prüfung keineswegs den ganzen Men-           Grunde liegen. Betrachtet man das Lernen, so
schen erfassen kann. Immerhin sagt uns aber       kann man zwei Hauptströmungen unterschei-
die Prüfung oder der Test, welche Kenntnisse      den. Bei dem einen Schüler verläuft der Lern-
und Fähigkeiten sich der Schüler in der Grund-    prozess vom Sehen erst einmal nur zum Be-
schulzeit bis zur sechsten Klasse bereits ange-   greifen. Bei bestimmten Schülern muss sogar
eignet hat. Die Siebtklass-Untersuchung zeigt     die Wahrnehmung selbst nachdrücklich auf
uns, was der Schüler im Bereich der Sprache       gewisse Aspekte des zu Lernenden gelenkt
und Mathematik leisten kann.                      werden. Denn erst wenn dieser Typus den
Für den Teil des Tests, der die Rechenkennt-      Lehrstoff begreift, kann er ihn verarbeiten.
nisse überprüft, stützten wir uns auf den Lehr-   Die Einbeziehung der Wirkung des Schlafs
plan der Klassen 1 bis 6, so wie dieser in un-    mit seiner gedächtnisstützenden Funktion7
serem Buch Rekenen in Beweging5 dargestellt       sorgt dafür, dass am folgenden Tag (oder nach
wird. Für die Sprachkenntnisse richteten wir      einigen Tagen) das Verarbeitete so geübt wer-
uns nach dem Lehrplan, für den eine ähnliche      den kann, dass der Schüler es sich schließlich
Schrift vorbereitet wird (Taal in Beeld; einige   zu eigen macht.
Kapitel sind bereits erschienen). Indem wir       Bei anderen Schülern aber verläuft der Lern-
uns auf die Bewertungen von Klassenlehrern        prozess vom Wahrnehmen direkt zum Tun.
stützten, die diesen Test durchgeführt haben,     Mancher dieser Schüler scheint einen Vor-
einigten wir uns auf zwei Kategorien, nämlich     sprung vor seinen Mitschülern zu haben, denn
auf genügend und ungenügend.                      er verfügt bereits über die Fähigkeit, sich auf
Die zweite Forderung an uns bezog sich auf        dasjenige, worauf es ankommt, unmittelbar zu
die Frage, ob es möglich wäre, einen Test         konzentrieren und damit zu experimentieren.
auszuarbeiten, der die Art und Weise unter-       Die Lehrer können dann das Charakterisieren
sucht, wie sich ein Schüler bestimmte Kennt-      und Erinnern zu Hilfe nehmen, um diesen
nisse und Fähigkeiten zu eigen macht. Um          Prozess zum Abschluss zu bringen. Am näch-
dieser Bitte entgegenzukommen, ließen wir         sten Tag wird das Wahrgenommene wiederum
uns zum einen von zwei Schulpsychologen           erinnert und an das Denken und/oder Urteilen

                                                                                            299
gekoppelt. Durch weiteres Üben macht sich       des physischen Leibes. Wir haben es hier mit
ein solcher Schüler das Neuerworbene zu         modellierenden, bildhauerischen, gestalten-
eigen. Diese Methode kann man als Lernen        den Kräften zu tun. Das Schulkind benützt sie
durch Erfahrung, die vorherige als Begriffs-    dann zum Beispiel, um gestaltend zu zeichnen
lernen bezeichnen.                              oder zu malen. Rudolf Steiner bezeichnet sie
Im welchem Bereich des Menschen haben           als plastische Kräfte.
diese zwei Lernprozesse ihre Wurzeln?           Ab der Unterstufe aber werden im Menschen
In der ersten Lebensphase ist das Kind voll-    auch andere Kräfte tätig. Es sind diejenigen
kommen auf seine Umgebung ausgerichtet.         Kräfte, wie sie zum Beispiel in der Lautstruk-
Es lebt mit alledem mit, was es beim ande-      tur und im Sprachinhalt zum Vorschein kom-
ren Menschen mit seinen Augen sieht und mit     men. Alles, was als Musik oder Sprache in
seinen Ohren hört. Das kleine Kind ist ganz     der kindlichen Seele klingt, wirkt ebenfalls
Sinnesorgan. Der physische Organismus wird      bis tief in die Leiblichkeit.
nach dem gestaltet, was das Kind in seiner      Können wir diese beiden Kräfte bei den Kin-
Umgebung wahrnimmt. Alles, was das Kind         dern wahrnehmen, die wir unterrichten? Wenn
wahrnimmt und erlebt, wirkt bis in die Ausge-   es möglich wäre, die plastischen und musika-
staltung der inneren Organe. Es benutzt dabei   lischen Kräfte wahrzunehmen, könnten wir
Kräfte, die beim Aufbau des physischen Lei-     diese dann nicht auch in den Siebtklasstest
bes gebraucht werden.                           integrieren? Wenn das gelänge, was könnte
Betrachtet man aber einen Unterstufenschü-      man mit den so gewonnenen Ergebnissen in
ler, so wird man sehen, dass nun dieser aus-    der Unterrichtspraxis anfangen?
geprägte Sinnesorgancharakter bereits ver-      An welchen Merkmalen können wir am An-
schwunden ist. Zu der Sinneswahrnehmung         fang der siebten Klasse, wenn die Vorpubertät
hat sich die Vorstellungsfähigkeit und das      einsetzt, die Wirksamkeit der plastischen oder
Erinnerungsvermögen gesellt.                    musikalischen Kräfte erkennen? Diese Wirk-
Um welche Kräfte geht es hier eigentlich? In    samkeit könnte man in folgendem Schema
der ersten Lebensphase des Menschen bauen       darstellen:8
diese Kräfte ausschließlich an der Gestaltung

  Plastisch						                                                Musikalisch

  Stimmung: Ehrfurcht					                          Stimmung: Begeisterung
  Form						                             Bewegung
  Vergangenheit					                     Zukunft
  Zeichnen führt zum Schreiben				                  Musik und Sprache:
  Bewegungsformen werden zu 				                    – Struktur
  Linienformen						                                – Inhalt
  plastische Gestaltung
  modellieren						                                 mathematisches Rechnen (Al-
 gebra)
  sehen						                            hören
  die Einheit suchen			               		 Unterschiede suchen
  von der Einheit zur Vielfalt				       von der Vielfalt zur Einheit
  Harmonie						                                    Differenzierung
  Synthese						                                    Analyse
  vom erlebenden Erfahren zu Fakten			   von Fakten zu Ideen
  Denken? Das Denken ist beschäftigt!			 Wissen? Auf einmal weiß der Schüler es!
  vorwiegend nach innen gerichtet			     Hingabe an die Welt/

300
Jeder dieser Aspekte stellte für die Arbeits-      –          Vorstellung und Gesetzmäßigkeit
gruppe, die die Siebtklass-Untersuchung            –          Gewohnheit, Übung und Rhythmus
entwickelte, eine Möglichkeit dar, die zwei        – der Prozess verläuft vom Überblick zu den
Lernprozesse zu erfassen. Sind bestimmte              Einzelheiten hin und zur Anwendung – also
Rechenaufgaben besonders für das plastisch            von der Ganzheit oder Synthese zur Diffe-
veranlagte Kind geeignet und für das musi-            renzierung und Vielheit (aus der Gesamt-
kalisch veranlagte Kind möglicherweise ganz           heit heraus arbeiten)
andere? Kann man Sprachaufgaben ausar-             Der musikalische Lernstil verläuft vom Zu-
beiten, die den plastisch veranlagten Schüler      hören über das Erfahren (tun – einprägen
ansprechen? Selbstverständlich war die wich-       – charakterisieren) zum Begreifen und Ur-
tigste Frage, ob man, was die Veranlagung          teilen. Der »musikalisch« veranlagte Schüler
des Schülers betrifft, aus den Testergebnissen     untersucht, experimentiert, ist tätig, macht
Schlüsse ziehen könnte. Wir würden diese           sich direkt an die vorgegebene Aufgabe her-
Fragen heute mit einem vorsichtigen »Ja«           an und kommt erst hinterher zur Reflexion.
beantworten. Der Test ist so konzipiert, dass      Er versucht, das zu lösende Rechenproblem
diese Lernstilunterschiede sichtbar werden.        durch Tätigsein zu bewältigen; im Laufe des
                                                   Prozesses werden Begriffe gebildet und Ein-
Unterschiedliche Lernstile                         sichten entstehen. »Tätigsein« bedeutet nicht
                                                   immer praktisches Tun, sondern es gibt auch
Wir möchten nun unsere Vorgehensweise zur          ein Lernen, das darin besteht, Erfahrungen im
Unterscheidung der zwei Lernstile anhand           Kopf zu machen und durch Experimentieren
des Rechentestes deutlich machen.                  aus der eigenen Erfahrung heraus, also aus
Ein plastischer Lernstil beim Rechnen be-          Wissen heraus, an die Arbeit zu gehen.
deutet, dass der Prozess vom Zuschauen über        Bei einem solchen Schüler spricht man von
das Begreifen zum Verarbeiten verläuft. Der        Lernen durch Erfahren. Er begibt sich in ei-
Schüler beobachtet, denkt nach, fasst den          nen Prozess, versucht und analysiert, und als
Rechenvorgang in Worte und sucht nach Be-          Folge davon bilden sich bestimmte Einsich-
griffskategorien. Schließlich folgt die gezielte   ten. Dieser Lernstil wird von den folgenden
Anwendung. Der plastische Lernstil braucht         Aspekten gekennzeichnet:
also einen Zwischenschritt, in dem das Ge-         – Übersicht und Struktur
schehene in Worte gefasst wird, denn sonst         – Initiative, strategisches und erfinderisches
gelingt es dem Schüler nicht, in Tätigkeit zu         Vorgehen
kommen. Der Lernstoff sollte benannt werden;       – von der Vielfalt zur Einheit, von der Analy-
die Vorgänge müssen einen Namen bekom-                se zur Synthese
men, bevor sie erfasst werden können. Dieser
Typus Schüler braucht Vorkenntnisse. Bevor         Beispiel Mathe-Test
er den nächsten Schritt machen kann, muss
dieser erklärt werden. In diesem Fall spricht      Insgesamt umfasst der Mathematiktest 28
man von Lernen durch Begriffe. Erst wird der       Aufgaben. 15 Aufgaben könnte man als plas-
Lehrstoff erfasst und dann wird das Gelernte       tische Aufgaben bezeichnen. Voraussetzung
angewandt. Wenn man einen Vorgang durch-           ist, dass der Schüler diese Art Aufgaben be-
schaut hat, ihn also erobert hat, wird er ver-     reits gelernt hat. (Sie sind dem Buch Reke-
innerlicht und kann nun angewandt werden.          nen in Beweging entnommen.) Die übrigen
Indem der Schüler das zu Lernende angeboten        13 Aufgaben sind »musikalische« Aufgaben,
bekommen hat, ist es eigentlich bereits zum        das heißt, dass der Schüler sich dabei in einen
Wissen geworden. Wichtige Aspekte dieses           Prozess begibt, analysiert und zum größten
Lernstils sind:                                    Teil selbstständig nach einer Lösung sucht –

                                                                                             301
diese neue Art Aufgaben ist eine Kombination       ler zu früh oder genau rechtzeitig? Bleiben
von Kenntnissen und Fähigkeiten.                   manche Jugendliche im Plastischen hängen?
Für die Verarbeitung der Ergebnisse steht ein      Falls das Kollegium meint, dass irgendetwas
Computerprogramm zur Verfügung.                    mit einem solchen Schüler passieren sollte,
Wir haben bereits sechs Jahre Erfahrung mit        was kann man dann machen?
dieser Untersuchung. Folgendes ist dabei                                              Ed Taylor
deutlich geworden:                                           Übersetzung: Agnes Dom-Lauwers
– Rechenarbeit und Sprachtest vermitteln ein
  klares Bild der erworbenen Fähigkeiten des       Zum Autor: Ed Taylor, geboren 1951, studierte Nie-
                                                   derländisch (Vrije Leergangen der Vrije Universiteit,
  Schülers, und Lücken werden erkannt. Die-
                                                   Amsterdam) und Erziehungswissenschaft (Open Uni-
  se deuten manchmal auf Defizite der gan-         versiteit, Heerlen). Von 1975 bis 1994 unterrichtete er
  zen Klasse hin, manchmal auf individuelle        an der Oberstufe der Waldorfschule Haarlem (Litera-
  Probleme.                                        tur, Musik, Korbflechten und Gartenbau). Seit 1994 ar-
– Die Testaufgaben erfassen im Großen und          beitet er als Berater für die Mittel- und Oberstufe beim
                                                   Niederländischen Begleitungsdienst für Waldorfschu-
  Ganzen den Lehrstoff, der an den Nieder-
                                                   len. E-Mail: ed.taylor@worldonline.nl
  ländischen Waldorfschulen unterrichtet
  wird.
                                                   Anmerkungen:
– Die Durchführung der Tests erfordert eine
                                                   1 R. Steiner: Soziale und antisoziale Triebe im Men-
  beträchtliche Anstrengung vom Lehrer.
                                                     schen. In: Die soziale Grundforderung unserer Zeit
– Obwohl die Untersuchung ein deutliches             – In geänderter Zeitlage. Vortrag vom 12. Dezember
  Bild des plastischen oder musikalischen            1918, GA 186, Dornach 31990
  Lernstils eines Schülers vermittelt, ist es      2 Diesen Grund hat R. J. Sternberg ausführlich unter-
  nicht leicht, die Untersuchungsergebnisse          sucht. Siehe W. Tomic, H. van der Mohlen: Intelli-
                                                     gentie en sociale competentie, Swets & Zeitlinger,
  in der Unterrichtspraxis anzuwenden. Es
                                                     Lisse 1997 (Originalfassung: R. J. Sternberg: Bey-
  konnte immerhin einigen Schülern mit in-           ond IQ. A triarchic theory of human intelligence.
  dividuellen Problemen nach der Untersu-            Cambridge University Press, Cambridge 1985)
  chung geholfen werden, weil diese die di-        3 R. Rosenthal und L. Jacobson: Pygmalion in the
  daktisch einseitige Unterrichtsmethode des         Classroom: teacher expectation & pupils intellec-
                                                     tual development, Crown House Publishing, New
  Lehrers ans Licht brachte.
                                                     York 2003
                                                   4 In: W. Tomic, H. van der Mohlen (s. o. Anm. 2), S.
Was macht man mit den Ergebnissen des                243-255
Tests? Auf jeden Fall ist es wichtig zu wissen,    5 Rekenwerkgroep: Rekenen in Beweging, Uitgeverij
dass ein plastisch veranlagtes Kind ganz an-         Christofoor, Zeist 2000
                                                   6 R. Steiner, Vortrag vom 16. Sept. 1920, in: Erzie-
ders lernt als ein musikalisch veranlagtes. Je-
                                                     hung und Unterricht aus Menschenerkenntnis, GA
der Lehrer sollte bei sich selbst überprüfen, ob     302a, Dornach 41993
er vielleicht eine Vorliebe für einen der beiden   7 R. Steiner, Vortrag vom 14. Juni 1921, in: Men-
Lernwege hat und deshalb den anderen Weg             schenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung, GA
weniger anwendet, wodurch manche Schüler             302, Dornach 51986. Vgl. Stefan Leber: Der Schlaf
                                                     und seine Bedeutung, Stuttgart 1996, S. 38 ff., 81
zu kurz kommen.
                                                     ff.
Es ist aber auch möglich, aus beiden Blick-        8 Diese Beschreibungen sind zum Teil dem ersten
winkeln heraus auf das Kind zu schauen. Mu-          und zweiten Vortrag von R. Steiners »Meditativ er-
sikalische Kinder stellen nun einmal andere          arbeitete Menschenkunde« (in GA 302a, s.o. Anm.
Erziehungsfragen als plastische. Außerdem            6) entnommen, zum Teil entstammen sie den eige-
                                                     nen Arbeitserfahrungen.
tritt um die Zeit der Pubertät das musikalische
Element verstärkt in den Vordergrund. Ge-
schieht dieser Wechsel beim einzelnen Schü-

302
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