Noch ein paar Highlights - Hivandmore.de

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Noch ein paar Highlights - Hivandmore.de
KONGRESS

                           Digital International Liver Congress 2020

                           Noch ein paar Highlights
                           Wie alle anderen großen Kongresse fand auch der europäische Leberkongress nur virtuell statt.
                           Die Technik war perfekt, die Möglichkeiten vielfältig und es gab – für die registrierten Teilnehmer – zahlreiche
                           On-Demand Sessions, Poster, Berichte zu Highlights und sogar zusammenfassende Slide-Sets. Inhaltlich war
                           die Hepatitis C ein Randthema, bei der Hepatitis B standen die neuen Substanzen im Mittelpunkt.

                                                                                                                  AKUTE HEPATITIS C
                                                                                                                  Auch in der MSM-Community scheint
                                                                                                                  die Inzidenz aufgrund der neuen
                                                                                                                  Behandlungsoptionen rückläufig. So
                                                                                                                  wurde in Frankfurt den letzten zehn
                                                                                                                  Jahren (n=165) eine Halbierung der
                                                                                                                  akuten Hepatitis C-Infektionen bei
                                                                                                                  MSM beschrieben. 2009 wurden 25
                                                                                                                  Fälle, 2019 10 Fälle dokumentiert. Eine
                                                                                                                  spontane Ausheilung der Hepatitis C
                                                                                                                  wurde bei 13% der HIV/HCV-Koinfi-
                                                                                                                  zierten (n=135) und bei 37% der HCV-
                                                                                                                  Monoinfizierten beobachtet. Die SVR-
                                                                                                                  Raten nach DAA-Therapie lagen bei
https://ilc-congress.eu/

                                                                                                                  97% bzw. 100%. Die Rate von Reinfek-
                                                                                                                  tionen war allerdings mit 18% nicht zu
                                                                                                                  vernachlässigen (Graf C et al., THU367).
                                                                                                                  Ein ähnliches Bild zeigt sich in England.
                                                                                                                  Nach einem Maximum der akuten
                                                                                                                  Hepatitis C im Jahr 2015, dem Jahr der
                           Die WHO hat die Latte hoch angelegt:        schon erfolgreiche Programme durch-        Einführung der modern HCV-Therapie,
                           Bis 2030 soll die Hepatitis C aus der       geführt. In der australischen Studie       kam es zu einem drastischen Abfall der
                           Welt verschwinden, doch bislang sind        SToP C beispielsweise konnte die HCV-      Hepatitis C-Neuinfektionen um 68%. In
                           nur 11 von 45 „high income“ Ländern         Inzidenz im Gefängnis durch konse-         London und Brighton wurden 2013-
                           auf der Zielgeraden. 28 Länder werden       quente Therapie aller Infizierter inner-   2018 378 akute Hepatitis C-Infektionen
                           das Ziel erst nach 2050 Jahre errei-        halb von knapp zwei Jahren halbiert        bei 378 HIV-positiven MSM beobachtet
                           chen. In einigen Ländern wird die Hepa-     werden (Dore G et al., LBP07). In Spa-     (77% Neuinfektionen, 23% Re-Infek-
                           titis C-Therapie erst bei Vorliegen einer   nien konnte die Hepatitis C-Inzidenz       tionen). Die Zeit von Diagnose bis The-
                           Fibrose behandelt. Deutschland gehört       durch ein nationales Programm mit          rapiebeginn verkürzte sich in diesem
                           erfreulicherweise zu den erfolgreichen      konsequentem Screening und Thera-          Zeitraum von 30 Monaten auf 4 Mo-
                           Ländern (Razavi H et al., THU365).          pie aller 50.000 Gefangenen von            nate. Gleichzeitig stieg die Rate an Re-
                                                                       0,47/1.000 Gefangenen im Jahr 2010         Infektionen von 26% 2013 auf 45% in
                           THERAPIE=PRÄVENTION                         auf 0,29 im Jahr 2018 gesenkt werden.      2018 (Garvey L et al., AS039).
                           Ein wichtiger Baustein bei der Elimina-     Gleichzeitig halbierte sich die Prä-
                           tion der Hepatitis C ist die Behandlung     valenz von fortgeschrittenen Leber-        DAA-VERSAGEN
                           der für Neuinfektionen vulnerablen          schäden und die HCV-assoziierte Mor-       Nur wenig Patienten werden durch die
                           Gruppen: IV-Drogengebraucher, MSM           talität war deutlich rückläufig (Cabezas   moderne Hepatitis C-Therapie nicht
                           und Gefangene. Einige Länder haben          J et al., AS040).                          geheilt. Wie geht man hier am besten

                           4       HIV&more 4/2020
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                                                                                                        De Salazar. EASL 2020. Abstr AS156

Abb 1 SHARED-Kohorte: Keine neuen RAS nach Versagen von Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir

weiter vor? Das hat die internationale         SELTENE GENOTYPEN                              der Therapie Flares, aber keine rele-
SHARED Kollaboration anhand der                Die neuen DAA-Regime sind pange-               vanten Nebenwirkungen und auch
Daten von 130 Patienten untersucht,            notypisch. Wirken sie aber auch bei            nach zwei Jahren hatten 68% der Pa-
bei denen eine Therapie mit G/P                den sehr seltenen Genotypen/Sub-               tienten weiterhin keine Indikation zur
(Glecaprevir/Pibrentasvir) (n=90)              typen? Eine Datensammlung mit 160              Wiederaufnahme der Medikation (van
oder SOF/VEL/VOX (Sofosbuvir/                  solcher Fälle stimmt zuversichtlich:           Bömmel F et al., LBO06).
Velpatasvir/Voxilaprevir) (n=40) ver-          Die SVR-Raten lagen wie bei den üb-
sagt hatte. Die häufigsten Genotypen           lichen Genotypen bei über 90% – mit
in dieser Kohorte waren GT 3a (54%)            einer Ausnahme: Bei Genotyp 3b
und 1a (34%).                                  konnten nur 5/8 Patienten geheilt
Nach G/P-Versagen wurde bei diesen             werden, was einer SVR-Rate von 63%
Genotypen bei 80% der Patienten                entspricht (Isfordink C et al., THU397).
NS5A-Resistenzmutationen (RAS) ge-
funden im Vergleich zu nur 10-20% bei          HEPATITIS B
Patienten mit GT 1b oder 2. Eine Rethe-        Eine wichtige klinische Frage bei der
rapie nach G/P-Versagen mit SOV/VEL/           Behandlung der chronischen Hepatitis
                                                                                                                 van Bömmel. EASL 2020. Abstr LBO06
VOX führte bei 53/56 (93%) zum Erfolg.         B lautet: Kann man die Therapie ab-
SOF/VEL/VOX-Versager waren deut-               setzen? Dieser Frage ist die deutsche          Abb 2 Stop-NUC: Retreatment and Time to
                                                                                              HBsAg Loss
lich stärker vorbehandelt und auch die         STOP-NUC-Studie nachgegangen. Bei
Lebererkrankung war im Vergleich zu            166 Patienten, die über vier Jahre             TDF VERGLEICH ETV
G/P-Versagern weiter fortgeschritten.          unter Polymerasehemmern virolo-                Neue Arbeiten bestätigen das Ergeb-
45% der Patienten hatten GT3a. Vor             gisch supprimiert waren, wurde das             nis früherer Studien: Nach Absetzen
SOF/VEL/VOX-Therapie hatten 76%                Medikament entweder abgesetzt oder             von TDF kommt es rascher zum viro-
NS5A-RAS, wobei 60% davon die Y93-             weiter behandelt. Im Lauf der nächs-           logischen Relaps als beim Absetzen
Variante aufwiesen. NS3-RAS waren              ten zwei Jahre kam es bei 8/79 (10%)           von ETV (Entecavir) (Hall S et al.,
mit 30% deutlich seltener. Nach einer          nach Absetzen der Therapie zum                 AS095; Tuefferd M et al., LBP-027, van
Retherapie meist mit einer neuen Drei-         HBsAg-Verlust bzw. zur HBsAg-Sero-             Bömmel F et al., LBO006). Die kli-
bis Vierfach-Kombination (z.B. G/P+            konversion, aber bei keinem Pati-              nische Relevanz dieses Befundes ist
SOF+Ribavirin) erreichten in der noch          enten, der weiter behandelt wurde              allerdings unklar. Ebenso unklar ist, ob
laufenden Auswertung 8/11 (72%) die            (Abb. 2). Prädiktiv für den HBsAg-Ver-         das HCC-Risiko unter den beiden
SVR. Neue RAS wurden bei den 3/11              lust war ein Abfall des HBsAg-Spie-            Polymerasehemmern unterschiedlich
Versagern nicht beobachtet (Abb. 1)            gels
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HCC-Rezidivs nach Hepatektomie
unter TDF (Choi J et al., AS094).

NEUE MEDIKAMENTE
Die Pipeline an Hepatitis B-Medika-
menten mit neuartigen Wirkmechanis-
men ist prall gefüllt (Abb. 3). Unter an-
derem zwei neue Substanzen, die in die
Proteintranskription der cccDNA ein-
greifen, scheinen in einer frühen Phase
der Entwicklung erfolgsversprechend
zu sein: das RNAI JNJ-3989 und das
Antisens Oligonukleotid ISIS 505358/                                                       Nach Zoulim. Cold Spring Harb Perspect Med. 2015;5:a021501
GSK3228836 (Bepirovirsen). In Pha-          Abb 3 Wirkmechanismen neuer Hepatitis B-Medikamente
se-1/2-Studien an therapie-naiven und
vorbehandelten Patienten kam es zu
einem Abfall von HBs-Antigen. Ziel ist
hier die funktionelle Heilung (Gane E et
al., GS10; Yuen M-F et al., AS067).
Bei den Kapsidinhibitoren (Core Assem-
bly Modulator, CAM) führte der HBV-
Core-Protein-Inhibitor ABI-H0731 (Vebi-
corvir) in Kombination mit einem Nuke
bei virologisch supprimierten HBeAg-
negativen Patienten zu einem ein-
drucksvollen Abfall der residualen HBV-     Verbreitung Hepatitis Delta
Replikation (Fung S et al., AS070). Der     Kombinationspartner für andere Sub-         5 mg mit pegyliertem Interferon ein-
TLR8-Agonist Selgantolimod, ein oraler      stanzen sein (Gane E et al., AS068).        gesetzt (n=30). Nach einem Jahr
Immunmodulator, über 24 Wochen führ-                                                    wurde die Medikation abgesetzt bzw.
te bei 5% der Patienten zum HBsAg-          HEPATITIS D                                 nur mit TDF weiter behandelt. Sechs
Verlust und könnte damit ein wichtiger      BULEVIRTID: LANG ANHALTENDE                 Monate später war HDV bei 5/15 Pati-
                                            WIRKSAMKEIT                                 enten (33%) unter TDF allein sowie
 HIV-Positive haben kein erhöhtes           Bulevirtid (früher Myrcludex) ist der       bei 1/15 nach 10 mg und Interferon
 Risiko nach Hepatitis C-Therapie
                                            erste Entry-Inhibitor, der die Eintritts-   immer noch nicht nachweisbar. Aller-
 Ohne Behandlung haben Menschen
                                            pforte des Hepatitis B-Virus, nämlich       dings hatten 2/15 Patienten in der
 mit HIV und Hepatitis C ein höheres Ri-
                                            den NTCP-Rezeptor auf der Leberzel-         Interferon-Gruppe HBsAg verloren
 siko einer relevanten Lebererkrankung
 als HCV-Monoinfizierte. Nach einer
                                            le blockiert. Damit stört die Substanz      und keiner in der TDF-Gruppe. Daraus
 Hepatitis C-Therapie nicht mehr. Einer     den Lebenszyklus von HBV und ver-           schließen die Autoren, dass die 10
 Analyse der französischen HEPATHER-        hindert gleichzeitig die HDV-Repli-         mg-Dosierung eine vielversprechende
 Kohorte (n=2.049 HCV Mono, 592 HIV/        kation. In Deutschland ist Bulevirtid       Strategie für eine Erhaltungstherapie
 HCV) zufolge entwickelten im Lauf          bereits als Hepcludex® zugelassen in        bei Hepatitis-D-Patienten ist. Eine Er-
 von knapp 3 Jahren nach der HCV-           Kombination mit pegyliertem Inter-          höhung der Dosis in Kombination mit
 Therapie 17 der Koinfizierten und 66       feron oder Tenofovir als 2 mg-Dosis         Inferferon sei nicht sinnvoll, da der
 der Monoinfizierten eine Komplikation      zur täglichen subkutanen Injektion. In      starke synergistische Effekt bereits in
 der Lebererkrankung. Auch die Leber-
                                            einer neuen Untersuchung wurde              niedriger Dosierung voll ausgeprägt
 assoziierte Mortalität war nicht erhöht
                                            Bulevirtid in einer Dosierung von 10        sei (Wedemeyer H et al., AS072).
 (Chalouni M et al., AS153).
                                            mg mit TDF oder in der Dosierung von                                      Dr. Ramona Pauli

                                                                                                              HIV&more 4/2020           7
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