Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas - Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung

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Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas - Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung
Nutzen statt Abfackeln
von Erdölbegleitgas
Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und
­Treibhausgasminderung

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Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas - Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung
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Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen           3

Zusammenfassung

Das Abfackeln von Erdölbegleitgas ist vor dem Hin-                             Diesen Nutzungsmöglichkeiten stehen zahlreiche
tergrund des Anstiegs der globalen Treibhausgasemis-                           Herausforderungen gegenüber. Hierzu zählen feh-
sionen und einer stei­genden Nachfrage nach Erdgas                             lende rechtliche Rahmenbedingungen und eine
ökonomisch und ökologisch von großer Bedeutung.                                ungenügende infrastrukturelle Anbindung von Erd-
Durch das Abfackeln von Erdgas gelangen jedes Jahr                             ölförderstätten an potenzielle Märkte. Zudem ist die
Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Würde die                              Nachfrage nach Erdgas in vielen Entwicklungsländern
wertvolle Energieressource nicht weiter verschwendet,                          tendenziell gering. Eine Nutzung des Erdölbegleitga-
könnten Firmen und Staaten Mehreinnahmen in Höhe                               ses ist deshalb heute noch selten wirtschaftlich.
von mehreren Milliarden US-Dollar pro Jahr erzielen.
                                                                               Auf nationaler und internationaler Ebene sind daher
Indem das bei der Erdölförderung auftretende Erd-                              Ansätze und Initiativen entwickelt worden, um die
gas verbrannt oder unverbrannt in die Atmosphäre                               Praxis des Abfackelns einzuschränken und die Nut-
entlassen wird, sind allein 2011 weltweit 140 Milli-                           zung von Erdölbegleitgas zu fördern. Dazu zählen auf
arden Kubikmeter Erdölbegleitgas abgefackelt und                               nationaler Ebene der Ausbau der Erdgasinfrastruktur,
abgeblasen worden. Das entspricht rund 4,2 Prozent                             die Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen,
der globalen Erdgasförderung. Das Abfackeln von                                Sanktionsmaßnahmen bei Abfackeln und Anreize zur
Erdölbegleitgas ist deshalb ein Thema von globaler                             Nutzung von Erdölbegleitgas. Unterstützt werden die
Relevanz. Allerdings sind die regionalen Unterschiede                          betroffenen Länder durch internationale Initiativen
beträchtlich. Über 85 Prozent des weltweit nicht                               wie die Globale Partnerschaft zur weltweiten Verrin-
genutzten Erdölbegleitgases wird in nur zwanzig                                gerung des Abfackelns von Erdgas (Global Gas Flaring
Ländern abgefackelt, insbesondere in den erdöl­                                Reduction Partnership, GGFR) der Weltbank.
produzierenden Staaten im Nahen Osten, in Afrika
und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten                                   Anknüpfungspunkte für die deutsche Entwick-
(GUS). Eine Berechnung der Abfackelintensität – dem                            lungszusammenarbeit bieten sich vor allem in den
Verhältnis zwischen der Menge an produzierten Koh-                             Themenfeldern Energieeffizienz und Energiegrund-
lenwasserstoffen1 und der Menge an abgefackeltem                               versorgung. Ein erfolgversprechender Ansatz ist, die
 Erdgas – zeigt, dass vor allem afrikanische Länder                            Thematik bei der Unterstützung von Strategien und
­besonders intensiv abfackeln.                                                 Masterplänen im Energiesektor aufzunehmen. Wer-
                                                                               den Projekte im Energierohstoffsektor geprüft, kann
Es gibt mehrere Möglichkeiten, um das Erdgas zu                                das Thema ebenfalls aufgegriffen werden. Da sich
nutzen: Verstromung, Re-Injektion in die Erdölla-                              Erdgas auch für den Betrieb von Kleinanlagen eignet,
gerstätte, Herstellung von Flüssiggas oder als Aus-                            kann es zur Elektrifizierung ländlicher Gebiete ge-
gangsprodukt für die petrochemische Industrie.                                 nutzt werden. Dies ist besonders dort von Bedeutung,
Entwicklungsländern, in denen der Zugang zu ver-                               wo alternative Energiequellen kaum vorhanden sind.
lässlichen Energiequellen oft begrenzt ist, bieten sich                        Aus Erdölbegleitgas kann auch Propangas hergestellt
hier enorme Potenziale.                                                        werden: Dieser saubere Energieträger eignet sich
                                                                               beispielsweise zum Kochen. Weitere Möglichkeiten
1
                                                                               bieten der Technologietransfer und die Unterstützung
    Da ein geringfügiger Teil auch bei der Erdgasproduktion abgefackelt
    und bei der Datenerhebung keine Unterscheidung vorgenommen                 internationaler Initiativen wie der GGFR.
    wird, ist aus Gründen der Genauigkeit die gesamte Kohlenwasser-
    stoffproduktion zur Berechnung der Abfackelintensität verwendet
    worden. Da der Anteil des abgefackelten Erdölbegleitgases jedoch
    wesentlich signifikanter ist, fokussiert sich die Studie primär hierauf.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas - Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung
4    Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

     Inhalt

1.   Einleitung                                                                    5

2.   Definitionen                                                                  6
     2.1 Was bedeutet Abfackeln?                                                   6
     2.2 Was bedeutet Abblasen?                                                    6
     2.3 Erdölbegleitgas                                                           8

3.   Abfackeln: Ökologische und ökonomische Bedeutung                              8
4.   Datenlage zum Abfackeln und Abblasen                                          9

5.   Abfackeln als globale und regionale Herausforderung                          10
     5.1 Globale Übersicht                                                        10
     5.2 Abfackeln in Entwicklungsländern                                         10
     5.3 Regionale Unterschiede – Afrika im Vergleich                             12

6.   Nutzung von Erdölbegleitgas                                                  14
     6.1 Weiterverarbeitung zu einem vermarktbaren Produkt                        14
     6.2 Re-Injektion von Erdölbegleitgas                                         14
     6.3 Nutzung zur Stromgewinnung                                               15
     6.4 Einflussfaktoren auf betrieblicher Ebene                                 15

7.   Chancen und Herausforderungen für Entwicklungsländer                         16
     7.1 Chancen für Entwicklungsländer                                           16
     7.2 Herausforderungen für Entwicklungsländer                                 17

8.   Ansätze zur Reduzierung des Abfackelns von Erdölbegleitgas                   20
     8.1 Nationale Ansätze                                                        20
     8.2 Internationale entwicklungspolitische Ansätze                            23
     8.3 Weitere multi- und bilaterale Initiativen                                24

9.   Empfehlungen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit                     25

     Quellenverzeichnis                                                           29
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas - Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen         5

1. Einleitung

Weltweit sind 2011 rund 140 Milliarden Kubikmeter                      Für erdölproduzierende Entwicklungsländer ist es
Erdölbegleitgas als Beiprodukt der Erdölförderung                      eine besondere Herausforderung, das Abfackeln von
abgefackelt worden (GGFR 2012), hauptsächlich                          Erdölbegleitgas einzudämmen. Die stärkere wirt-
in den erdölproduzierenden Ländern der GUS, des                        schaftliche Nutzung bietet enorme Chancen, unter
Nahen Ostens und Afrikas. Obwohl Staaten und                           anderem zur Stromerzeugung für die lokale Energie-
Unternehmen durch die Verarbeitung und Vermark-                        versorgung oder den Export von Erdgas. Regionen
tung von Erdölbegleitgas potenzielle Mehreinnah-                       wie Subsahara-Afrika, wo die Elektrifizierungsrate
men in Höhe mehrerer Milliarden US-Dollar jährlich                     bei nicht einmal 32 Prozent liegt, können erhebliche
erzielen könnten, ist das Abfackeln in vielen Ländern                  Potenziale realisieren, indem sie zum Beispiel ener-
noch immer gängige Praxis. Die klimapolitischen                        gieintensive Industrien aufbauen. Dies geht einher
Auswirkungen sind enorm. Das Abfackeln von Erd-                        mit der Verringerung von Treibhausgasemissionen
ölbegleitgas setzt erhebliche Emissionsmengen frei:                    (IEA 2012b). Entwicklungsländer können von einer
Schätzungen zufolge so viel wie der jährliche CO2-                     Reduzierung des Abfackelns von Erdölbegleitgas
Ausstoß von 77 Millionen Autos. Sie machen rund                        sehr profitieren. Diesen Chancen stehen zahlreiche
ein Prozent der globalen CO2-Emissionen aus (Far-                      Herausforderungen gegenüber. So fehlen geeignete
nejad 2013, UN 2013). Wo Abfackeln und Abblasen                        rechtliche Rahmenbedingungen und die notwendige
unterbunden werden, können also erhebliche Treib­                      Infrastruktur. Zudem mangelt es den zuständigen
hausgasemissionen eingespart werden.                                   Institutionen häufig an Kapazitäten, um die Ein­
                                                                       haltung von Gesetzen und Verordnungen durch­
Die Bedeutung der Thematik zeigt ein Vergleich des                     zusetzen, die das Abfackeln reduzieren sollen.
abgefackelten Erdgases mit der Erdgasproduktion
und dem Erdgasverbrauch großer Konsumentenlän-                         Ziel dieser Studie ist es, einen Überblick zur Thema-
der. 2011 entsprach die Menge des weltweit abgefa-                     tik des Abfackelns von Erdölbegleitgas zu geben und
ckelten Erdölbegleitgases ungefähr dem jährlichen                      Nutzungsoptionen darzustellen. Darüber hinaus
Erdgasverbrauch von Frankreich und Deutschland.                        zeigt sie Herausforderungen für die Nutzung in Ent-
Die abgefackelte Menge überstieg den gesamten                          wicklungsländern und entwickelt Ansätze für die
Erdgasverbrauch des afrikanischen Kontinents. 2 Sie                    deutsche Entwicklungszusammenarbeit.
entspricht zudem 4,2 Prozent der globalen Erdgas-
produktion 2011 (GGFR 2012, BGR 2012).3

2
    Laut BGR-Datenbank betrug der gemeinsame Erdgasverbrauch von
    Deutschland und Frankreich 2011 124,8 Milliarden Kubikmeter. Der
    Erdgasverbrauch auf dem gesamten afrikanischen Kontinent belief
    sich auf rund 103,4 Milliarden Kubikmeter.
3
    Die Angabe erfolgt auf der Grundlage eigener Berechnungen auf
    Basis der Daten zur Menge an abgefackeltem Erdölbegleitgas der
    GGFR sowie Daten zum globalen Erdgasverbrauch und der globalen
    Erdgasproduktion der BGR.
6    Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

2. Definitionen

Abfackeln und Abblasen von Erdgas bezeichnen zwei         Aufbereitung und Transport nicht decken, zum Bei-
unterschiedliche Prozesse, bei denen das Erdgas ent-      spiel weil Infrastruktur oder Käufer fehlen. Zeitlich
weder kontrolliert verbrannt wird (Abfackeln) oder        begrenztes Abfackeln erfolgt zumeist aus sicherheits-
unverbrannt in die Atmosphäre gelangt (Abblasen).         technischen Gründen. Wo Erdöl und Erdölbegleitgas
Während die Definitionen eine klare Abgrenzung            gefördert werden, können Schwankungen im Ver-
vornehmen, wird bei der Erhebung von Daten nicht          hältnis der beiden Rohstoffe zueinander auftreten.
immer eindeutig zwischen Abfackeln und Abblasen           Plötzliche Veränderungen in den Druckverhältnissen
unterschieden. Deswegen können die resultierenden         können ein Abblasen oder Abfackeln erfordern. Um
Probleme und Lösungsansätze für beide Verfahren           zu verhindern, dass Überdrücke größere Schäden
nicht komplett getrennt voneinander betrachtet wer-       verursachen, muss der Druck über Sicherheitsventile
den. Obwohl auch das Abblasen ein erhebliches Prob-       abgebaut werden, die das Erdgas der Fackelanlage
lem darstellt, liegt der Fokus der vorliegenden Studie    zur kontrollierten Verbrennung zuführen. Zeitweises
vor allem auf dem Abfackeln von Erdölbegleitgas, da       Abfackeln ist daher nicht immer zu verhindern und
über das Abblasen kaum Daten vorliegen.                   kann deshalb auch bei strengen Vorgaben und Ver-
                                                          boten nicht vollständig eingestellt werden.

2.1 Was bedeutet Abfackeln?
                                                          2.2 Was bedeutet Abblasen?
Der Verband der Erdöl- und Erdgasproduzenten
bezeichnet Abfackeln, im Englischen flaring, als das      Beim Abblasen, im Englischen venting, wird Erd-
“kontrollierte Verbrennen von Erdgas, das zusam-          gas unverbrannt in die Atmosphäre entlassen (OGP
men mit Erdöl auftritt, im Zuge der Exploration           2010). Das geschieht häufig dort, wo auch abgefackelt
und Produktion von Erdöl”. Dabei handelt es sich          wird. So entweicht je nach Effizienzgrad bereits aus
um Erdgas, das “aus wirtschaftlichen oder techni-         der Fackelanlage ein kleiner Anteil an Erdgas. Des-
schen Gründen nicht nutzbar ist” (OGP 2010). Dies         wegen werden Daten zum Abfackeln und Abblasen
ist meist eine Folge der Lage von Erdölförderstätten,     häufig zusammengefasst. Die Größe des Anteils an
die sich oft in abgelegenen Gebieten mit mangelhaf-       abgeblasenem Erdgas ist erheblich, weil vor allem
ter I­ nfrastrukturanbindung oder sogar auf offener       Methan freigesetzt wird, das als Treibhausgas mehr
See befinden. Hohe Investitionskosten zum Aufbau          als zwanzig Mal stärker wirkt als CO2 (EPA 2013).
der Infrastruktur behindern die wirtschaftliche           Auch außerhalb der Fackelanlage kann Erdgas in die
Nutzung des Erdölbegleitgases. Sie können sogar die       Atmosphäre gelangen, beispielsweise bei der Boh-
Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts in Frage         rung zur Erschließung einer Lagerstätte.
stellen.

Generell muss zwischen dauerhaftem und zeit­              2.3 Erdölbegleitgas
weiligem Abfackeln unterschieden werden. Beim
dauerhaften Abfackeln wird Erdölbegleitgas konti-         Grundsätzlich kann jede Art von Erdgas abgefackelt
nuierlich ohne weitere Verwendung verbrannt, da           werden, die “wirtschaftlich oder technisch nicht nutz-
es unter den gegebenen Umständen nicht genutzt            bar” ist (OGP 2010). In den allermeisten Fällen handelt
werden kann. Dieser Fall tritt ein, wenn die Einnah-      es sich jedoch um Erdölbegleitgas (auch: assoziiertes
men aus dem Verkauf des Erdgases die Kosten für           Erdgas), das als Beiprodukt der Erdölproduktion auf-
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen            7

                                                                                         Quelle: UNEP/Seyers et al. (2011)

Abfackeln von Erdölbegleitgas auf einem Förderfeld in Oman

tritt. Erdölbegleitgas hat seinen Ursprung in einem          von Schwefelwasserstoff im Erdgas. Hauptsächlich
Erdölvorkommen und tritt sowohl gelöst im Erdöl als          bestehen Erdgase aus hochentzündlichem Methan,
auch als Gaskappe über dem Erdöl in der Lagerstätte          können sich aber in der weiteren chemischen Zusam-
auf. Erdöl und Erdgas entstehen durch die Zersetzung         mensetzung je nach Lagerstätte unterscheiden und
organischer Materialien unter Sauerstoffausschluss,          neben weiteren Alkanen wie zum Beispiel Ethan auch
wobei für die Entstehung von Erdgas insgesamt hö-            Nebenprodukte wie Stickstoff, Kohlendioxid und
here Temperaturen notwendig sind. Wo Erdöl ent-              Schwefelwasserstoff enthalten. Aufgrund des höheren
steht, bildet sich auch Erdgas in unterschiedlichen          Anteils an Schwefelwasserstoff ist die Verarbeitung
Mengen.                                                      von Sauergas aufwendiger und auch kostspieliger.
                                                             Folglich fällt Sauergas somit schneller unter eine
Beim Erdölbegleitgas kann es sich um Süß- oder               Schwelle, ab der es wirtschaftlich nicht mehr nutzbar
Sauergas handeln. Der Unterschied besteht im Anteil          ist.
8    Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

3. Abfackeln: Ökologische und
   ökonomische Bedeutung

Abfackeln und Abblasen sind aus zweierlei Hinsicht        ölbegleitgas stellt ein globales Problem dar, das für
von Bedeutung. Sie verursachen beträchtliche Treib-       Industrie- wie auch für Entwicklungsländer signifi-
hausgasemissionen. Im Fokus stehen dabei vor allem        kante Folgen haben kann (UNFCCC 2007).
CO2 und Methan, denen ein maßgeblicher Anteil an
der globalen Erwärmung zugeschrieben wird (IPCC           Erdgas ist eine ökonomisch bedeutende, endliche
2007). Wie viel CO2 beim Abfackeln insgesamt ent-         Ressource. Daher ist das Abfackeln ohne weitere Nut-
steht, ist schwer zu beziffern. So fehlen neben zuver-    zung des Rohstoffs auch immer ein wirtschaftlicher
lässigen Daten zum Abfackeln vor allem auch Daten         Verlust. Basierend auf den vorliegenden Daten zum
zur Zusammensetzung des Erdgases, was erheblichen         Abfackeln liegt der Gesamtwert des 2008 weltweit
Einfluss auf die Berechnung der Treibhausgasemissi-       abgefackelten Erdgases bei 68 Milliarden US-Dollar
onen hat.                                                 unter Berücksichtigung der damaligen Preise auf
                                                          dem US-Markt (Elvidge 2009). Diesem Wert müssen
Nach Einschätzungen der GGFR entsprach die 2011           die Investitions- und Betriebskosten entgegengestellt
abgefackelte Erdgasmenge von 140 Milliarden Kubik-        werden, die eine Nutzung des Erdgases erfordert.
metern rund 360 Millionen Tonnen CO2-Einheiten,           Daher schätzen andere Quellen den Verlust auf 15 bis
so viel wie 77 Millionen Autos in einem Jahr emit-        20 Milliarden US-Dollar pro Jahr (GE Energy 2011).
tieren (Farnejad 2013). In Bezug zu den globalen          Allein für Nigeria kursieren Zahlen von 2,5 Milliar-
CO2-Emissionen wird der Anteil des Abfackelns nach        den US-Dollar pro Jahr, bei denen die Datenerhebung
eigenen Berechnungen auf etwa ein Prozent ge-             und damit die Berechnungsgrundlage jedoch unklar
schätzt (UN 2013).                                        ist (Friends of the Earth 2004).

Der Beitrag der Methanemissionen zu den globa-            Nicht nur den Unternehmen entgehen durch das Ab-
len Treibhausgasemissionen liegt noch höher. Die          fackeln Gewinnmöglichkeiten. Auch Staaten büßen
­Methane to Markets Initiative schätzt, dass 2010         Steuern und Abgaben ein, die auf das vermarktete
rund 1,6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent in Form         Erdgas entfallen würden. Diese Einnahmeverluste
 von Methan bei der Produktion, Verarbeitung und          belaufen sich auf geschätzte zehn Milliarden US-
 dem Transport von Erdöl- und Erdgas freigesetzt          Dollar pro Jahr bei einem Erdgaspreis von zwei US-
 worden sind (Global Methane Initiative 2011). Dies       Dollar pro Million British Thermal Units (MMBtu).
 entspricht mehr als der doppelten Menge der CO2-         Dieser entsprach dem Tiefstpreis in den USA im
Emissionen der Bundesrepublik Deutschland im Jahr         Jahr 2012 (GE Energy 2011, IEA 2012a). Am stärks-
2009 oder fünf Prozent der global emittierten Menge       ten betroffen dürften Entwicklungsländer sein, die
an Kohlendioxid im gleichen Jahr (UN 2013). Auf-          zum Teil noch stärker von den Rohstoffeinnahmen
grund des hohen Treibhauspotenzials von Methan,           abhängig sind. Zur Verlustrechnung zählen auch die
verursachen auch geringe Mengen an abgeblasenem           ökologischen Folgekosten, entgangene Einnahmen
Erdgas einen wesentlichen Beitrag zu den globalen         auf CO2-Märkten oder die Kosten des Einsatzes stär-
Treibhausgasemissionen. Die Erhöhung der Treib-           ker umweltbelastender Energieträger wie beispiels-
hausgasemissionen durch das Abfackeln von Erd-            weise Diesel.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen   9

4. Datenlage zum Abfackeln und Abblasen

In der Praxis ist die Datenlage zum Abfackeln sehr        Sie werden auf plus/minus 2,98 Milliarden Kubik­
schwach, da vorliegende Daten oft ungenau oder            meter geschätzt (Elvidge et al. 2009).
unvollständig sind. In manchen Fällen werden Daten
auf Unternehmens- oder Länderebene erhoben.               Der jährlich veröffentlichte globale Datensatz der
Hierbei werden die Mengen an abgefackeltem Erdgas         US-amerikanischen Energy Information Administ-
entweder direkt durch neuinstallierte Messgeräte          ration (EIA) beruht auf den Angaben staatlicher Ins-
in der Fackelanlage gemessen oder indirekt durch          titutionen der jeweiligen Länder. Die Angabe dieser
die Messung des produzierten und verarbeiteten            Daten ist jedoch freiwillig und die Datensätze sind
Erdgases bestimmt. So können Rückschlüsse auf die         nicht immer vollständig. Zudem sind nicht alle An-
Menge des Erdgases getroffen werden, das während          gaben verlässlich. Einige der größten Abfackelländer,
der Produktion verloren gegangen ist. Daten auf Un-       zum Beispiel China, geben entweder keine oder im
ternehmens- und Länderebene gelten zwar zumin-            Vergleich mit den per Satellit erhobenen Daten sehr
dest in Industrieländern oft als relativ genau, bieten    geringe Mengen an (EIA 2013a).
aber aufgrund unterschiedlicher Methoden wenige
Vergleichsmöglichkeiten. In manchen Fällen werden         Beim Abblasen ist die Datenlage noch schwächer. Sie
Daten zum Abfackeln und Abblasen zusammenge-              beruht weitgehend auf Schätzungen und in­direkten
fasst, in anderen Fällen werden sie getrennt vonei-       Messungen. Seit einigen Jahren gibt es jedoch Mess-
nander aufgeführt. Auch ist bei der Datenerhebung         methoden, die über Infrarotlicht Erdgasentweichun-
nicht immer von gleichen Standards auszugehen.            gen sichtbar machen können. Auf internationaler
                                                          Ebene veröffentlichen die Methane to Markets
Auf internationaler Ebene hat die US-Wetterbehörde        ­Initiative und die daraus hervorgegangene Global
(National Oceanic and Atmospheric Administra-             Methane Initiative Informationen und treiben den
tion, NOAA) im Auftrag der GGFR von 1994 bis 2010         Austausch über vorbildhafte Verfahren voran. Ins­
Daten für 60 Länder erhoben. Seit 2011 liegen nur          gesamt schätzt die Global Methane Initiative die
Daten für die 20 Länder vor, in denen am meisten          Menge der Methanemissionen aus dem Erdöl- und
Erdölbegleitgas abgefackelt wird (NOAA 2012, GGFR         Erdgassektor weltweit auf 1,6 Milliarden Tonnen
2012). Mithilfe von Satelliten-Nachtaufnahmen             CO2-Äquivalent (Global Methane Initiative 2011).
werden bei wolkenlosem Himmel Lichtquellen und
deren Intensität gemessen. Die festgestellte Lichtin-     Die Studie beruht auf Daten zum Abfackeln von Erd-
tensität wird mit den durch Umfragen gesammelten          ölbegleitgas der NOAA sowie der EIA aus dem Jahr
Daten verglichen und daraus ein Messwert gebildet.        2011. Aufgrund der Unvollständigkeit der Datensätze
Jedoch sind die Abweichungen hierbei relativ groß.        mussten zum Teil jedoch auch Daten aus dem Jahr
                                                          2010 für die Analyse herangezogen werden.
10    Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

5. Abfackeln als globale und
   regionale Herausforderung

5.1 Globale Übersicht

2011 betrug die Menge des abgefackelten Erdgases                  Kubikmeter pro Jahr. Da im gleichen Zeitraum die
laut GGFR (2012) 140 Milliarden Kubikmeter. Dies                  Erdölproduktion anstieg, wird es als Verbesserung
entspricht rund 4,2 Prozent der globalen Erdgasför-               angesehen, dass die damit assoziierte Menge an ab-
derung von 3.337 Milliarden Kubikmetern im Jahr                   gefackeltem Erdölbegleitgas nicht gestiegen ist. Ein
2011 (BGR 2012). Die zwanzig größten Abfackellän-                 Vergleich der Menge an abgefackeltem Erdgas zeigt,
der trugen mit über 85 Prozent zur Gesamtmenge                    dass das Abfackeln von Erdgas ein globales Problem
des abgefackelten Erdgases bei. Mit 37,4 Milliarden               ist und nicht auf ein spezifisches Land oder eine Re-
Kubikmetern wird in Russland am meisten Erdgas                    gion reduziert werden kann. Mengenmäßig am meis-
abgefackelt, mehr als doppelt so viel wie im zweit-               ten abgefackelt wird größtenteils immer noch dort,
platzierten Land Nigeria mit 14,6 Milliarden Kubik-               wo auch am meisten Erdöl produziert wird (Seite 11).
metern (GGFR 2012). Die Menge des abgefackelten                   Neben der Erdölproduktion spielen auch weitere
Erdgases schwankte laut NOAA (2012) im Zeitraum                   Faktoren eine Rolle bei der Entscheidung für oder
von 1994 bis 2011 zwischen 138 und 175 Milliarden                 gegen das Abfackeln. Dazu zählen Rohstoffpreise,
                                                                  geologische Gegebenheiten wie die Größe der Erdöl-
                                                                  begleitgasvorkommen oder die Art des Erdgases, der
         Land                        Abgefackeltes Erdgas         Zugang zu Technologien und Finanzierungsmöglich-
                                     in Mrd. Kubikmetern          keiten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen.
 1       Russland                              37,4
 2       Nigeria                               14,6
 3       Iran                                  11,4               5.2 Abfackeln in Entwicklungsländern
 4       Irak                                   9,4
 5       USA                                    7,1
                                                                  Die entwicklungspolitische Relevanz des Themas
 6       Algerien                               5,0
                                                                  erschließt sich vor allem durch einen Vergleich der
 7       Kasachstan                             4,7
                                                                  abgefackelten Menge an Erdgas mit der im Land pro-
 8       Angola                                 4,1
                                                                  duzierten Menge an Kohlenwasserstoffen. Während
 9       Saudi-Arabien                          3,7
                                                                  Staaten mit einem hohen Einkommen wie Industrie­
 10      Venezuela                              3,5
                                                                  staaten oder auch Saudi-Arabien zusammen zu 25
 11      China                                  2,6
 12      Kanada                                 2,4               Prozent der weltweit abgefackelten Mengen beitra-
 13      Libyen                                2,2                gen, lag ihr entsprechender Anteil an der Erdöl- und
 14      Indonesien                            2,2                Erdgasproduktion im Jahr 2011 bei über 40 Prozent
 15      Mexiko                                 2,1               (NOAA 2012, EIA 2013a, BGR 2012).4 Bei Ländern
 16      Katar                                  1,7               mit geringem und mittlerem Einkommen kehrt sich
 17      Usbekistan                             1,7               dieses Verhältnis um (Seite 12). Aufgrund fehlender
 18      Malaysia                               1,6               Rahmenbedingungen und einer unzureichenden
 19      Oman                                   1,6
 20      Ägypten                                1,6
                                                                  4
                                                                      Die Datensätze der NOAA und EIA enthalten Angaben zu der Men-
Top-20-Länder nach Anteil an der Menge des weltweit abgefackel-
                                                                      ge an abgefackeltem Erdölbegleitgas. Die Daten der BGR beziehen
ten Erdgases in Milliarden Kubikmetern im Jahr 2011 (GGFR 2012)
                                                                      sich ausschließlich auf die Menge an produziertem Erdöl und
                                                                      Erdgas.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen                            11

                      Kanada 1,7 %
                                                                                     Russland 26,7 %

                                                                                Kasachstan
                                                                                  3,4 %
                      USA 5,1 %
                                                                                              China 1,9 %
                                               Algerien 3,6 %

           Mexiko 1,5 %                                                               Usbekistan 1,2 %
                                     Venezuela 2,5 %
                                                                                                    Malaysia 1,1 %
                                                       Nigeria 10,4 %                  Iran 8,1 %                       Indonesien 1,6 %

                                                         Angola 2,9 %                Oman 1,1 %
                                                                                     Katar 1,2 %
                                                                                       Irak 6,7 %
                                                                                   Saudi-Arabien 2,6 %
                                                                                         Ägypten 1,1 %
                                                                                             Libyen 1,6 %

Top-20-Länder nach Anteil an der Menge des weltweit abgefackelten Erdgases in Prozent im Jahr 2011 (GGFR 2012)

                                                               Norwegen 2,3 %
                      Kanada 4,1 %
                                                                                     Russland 12,7 %

                                                                                Kasachstan
                                               Großbritannien 1,3 %               2,1 %
                      USA 8,8 %
                                                                                              China 5,1 %
                                               Algerien 2,3 %

           Mexiko 3,6 %
                                     Venezuela 3,9 %
                                                                                                                     Indonesien 1,2 %
                                                       Nigeria 3,0 %                  Iran 5,1 %

                                                         Angola 2,1 %                 VAE 3,5 %
                                                                                     Katar 1,6 %
                                             Brasilien 2,9 %                        Kuwait 3,4 %
                                                                                       Irak 3,4 %
                                                                                  Saudi-Arabien 13,2 %

Top-20-Länder nach Anteil an der globalen Erdölproduktion in Prozent im Jahr 2011 (BGR 2012)
12     Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

                                                                         5.3 Regionale Unterschiede –
                                                                         Afrika im Vergleich
Länder mit niedrigem
Einkommen
                                                                         Ein Zusammenhang zwischen Bruttonational­
Länder mit niedrigem                                                     einkommen und Abfackelintensität, dem Verhältnis
mittleren Einkommen
                                                                         der Menge an abgefackeltem Erdgas zur gesamten
                                                                         Kohlenwasserstoffproduktion, lässt sich auch in
Länder mit höherem
mittleren Einkommen                                                      regionalen Vergleichen bestätigen. Gründe sind die
                                                                         mangelnde Infrastruktur in einzelnen Regionen und
Länder mit hohem                                                         die fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen zur
­Einkommen
                                                                         Regulierung des Abfackelns.
                           0          20 %         40 %          60 %
                                 Anteil an weltweiter Erdgasproduktion   In Afrika, wo 33 der 48 am wenigsten entwickelten
                                 Anteil an weltweiter Erdölproduktion
                                                                         Länder liegen, wird weltweit am meisten Erdgas pro
                                 Anteil an der Menge des weltweit
                                 ­abgefackelten Erdgases                 produzierter Tonne Kohlenwasserstoffe abgefackelt.
                                                                         Die Abfackelintensität liegt in Afrika bei über 50
Prozentualer Anteil an der weltweit abgefackelten Erdgas-                Tonnen pro 1.000 Tonnen. Im Vergleich dazu liegt die
menge und Kohlenwasserstoffproduktion nach Bruttonational-
einkommen im Jahr 2011 (NOAA 2012, EIA 2013a, BGR 2012)                  Abfackelintensität in Asien und Lateinamerika nur
                                                                         bei jeweils zehn beziehungsweise zwölf Tonnen pro
                                                                         1.000 Tonnen. Regionen mit einer hohen Kohlenwas-
I­ nfrastruktur ist ihr Anteil an der weltweit abgefa-                   serstoffproduktion wie Eurasien und der Nahe Osten
 ckelten Menge an Erdgas generell höher als der An-                      liegen mit rund 30 und 40 Tonnen pro 1.000 Tonnen
 teil an der Erdöl- und Erdgasproduktion.                                ebenfalls unter dem afrikanischen Durchschnitt.
                                                                         Vergleicht man den Anteil an der weltweit abge-
Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass                        fackelten Menge an Erdgas mit dem Anteil an der
Daten zum Abfackeln nur für wenige Länder mit                            globalen Erdölproduktion, wird das entsprechende
geringem Einkommen vorliegen.5 Für die Länder                            Ungleichgewicht ebenfalls deutlich6 (NOAA 2012,
mit mittlerem und hohem Einkommen, in denen 90                           EIA 2013a, BGR 2012; Seite 13)7.
Prozent der globalen Erdöl- und Erdgasproduktion
stattfinden, sind die Daten weitgehend vollständig.                      Auch innerhalb Afrikas gibt es Unterschiede. Wäh-
Ein Vergleich dieser Daten mit der Gesamtmenge an                        rend die Abfackelintensität in Nordafrika 2011 nur
abgefackeltem Erdölbegleitgas lässt Rückschlüsse auf                     bei ungefähr 30 Tonnen pro 1.000 Tonnen lag, also
den Anteil am abgefackelten Erdgas der Länder mit                        vergleichbar ist mit Eurasien, war sie in Subsahara-
geringem Einkommen zu. Daher lässt sich ein gene-                        Afrika mit 70 Tonnen pro 1.000 Tonnen mehr als
reller Zusammenhang zwischen Bruttonationalein-                          doppelt so hoch. Durchschnittlich ist in Nordafrika
kommen und der Abfackelintensität nachweisen.

                                                                         6
                                                                             Der Vergleich bezieht sich auf die produzierten und abgefackelten
5
     Für 2011 liegen sogar nur für zwei Länder Daten vor: Tschad und         Mengen im Jahr 2011. Für Russland musste aufgrund fehlender
     Myanmar (Daten der EIA). Um einen genaueren Vergleich zu                Daten auf Daten aus dem Jahr 2010 zurückgegriffen werden.
     gewährleisten, wurden daher auch Daten der NOAA aus dem Jahr        7
                                                                             Die Angabe erfolgt nach eigenen Berechnungen auf Basis der Daten
     2010 für zwei weitere Länder, die Demokratische Republik Kongo          zur Menge an abgefackeltem Erdölbegleitgas der GGFR und Daten
     und Mauretanien, herangezogen.                                          zur globalen Erdöl- und Erdgasproduktion der BGR.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen                13

    Afrika 11 %                                            16 % GUS 15 %                                                Afrika 30 %

                                                          4 % Europa 1 %
                                                       10 % Austral-Asien 7 %

                                                       10 % Lateinamerika 11 %

    Naher Osten                                                                                                         Naher Osten
    32 %                                               17 % Nordamerika 10 %
                                                                                                                        26 %

    Regionale Anteile an der globalen Erdölproduktion im Jahr 2011 (links) und regionale Anteile an der Menge des weltweit
    ­abgefackelten Erdgases im Jahr 2011 (rechts), jeweils in Prozent (EIA 2013a, BGR 2012)

mit noch geringeren Werten zu rechnen (NOAA                             Außerhalb Afrikas ließen sich 2011 auch einzelne Län-
2012, EIA 2013a, BGR 2012)8. Im Jahr 2011 kam es in                     der mit vergleichsweise hohen Abfackelintensitäten
Libyen aufgrund der politischen Unruhen zu Pro-                         identifizieren. In Südamerika lagen Chile, Venezuela
duktionsstillegungen, weshalb aus sicherheitstechni-                    und Ecuador über dem Weltdurchschnitt, der nach
schen Gründen verhältnismäßig mehr Erdgas als in                        den vorliegenden EIA- bzw. NOAA-Daten 2010/11 je
den Jahren zuvor abgefackelt wurde.                                     nach Datensatz zwischen 20,5 und 22,1 Tonnen pro
                                                                        1.000 Tonnen lag. In Südostasien lagen Indonesien,
In Subsahara-Afrika bilden die hohen Abfackel­                          Papua-Neuguinea, Vietnam und die Philippinen über
intensitäten jedoch keine Ausnahme. Einzelne Staa-                      dem globalen Durchschnitt. Im Nahen und Mittleren
ten wie Kamerun (247 Tonnen pro 1.000 Tonnen)                           Osten stach neben Jemen vor allem der Irak hervor,
und die Demokratische Republik Kongo (324 Tonnen                        darüber hinaus auch Iran, Syrien und Oman. Kasachs-
pro 1.000 Tonnen) lagen 2011 sogar weit über dem                        tan, Russland und Usbekistan sind weitere Länder, die
Durchschnitt Subsahara-Afrikas. Auch Nigeria und                        im Vergleich zur Produktion hohe Mengen an Erdgas
Angola, die zu den Top 20 der GGFR gehören, lagen                       abfackelten (NOAA 2012, EIA 2013a, BGR 2012)10. Viele
mit 100 beziehungsweise 75 Tonnen pro 1.000 Ton-                        von den genannten Ländern gehören auch in absoluten
nen darüber. Ausnahmen in Subsahara-Afrika bilde-                       Mengen zu den Ländern, in denen weltweit am meisten
ten nur die Elfenbeinküste, Mauretanien, Sudan und                      abgefackelt wird. Positiv zu bewerten ist jedoch, dass die
Tschad. Hier lagen die Abfackelintensitäten zwischen                    Anzahl der Länder über dem weltweiten Durchschnitt
acht und 25 Tonnen pro 1.000 Tonnen (NOAA 2012,                         im Vergleich zu 2009 abgenommen hat. Dies belegt,
EIA 2013a, BGR 2012)9.                                                  dass einzelne Länder bereits Maßnahmen zur Reduk-
                                                                        tion des Abfackelns von Erdölbegleitgas umsetzen.

8
      Ebd.                                                              10
                                                                             Ebd.
9
      Ebd.
14   Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

6. Nutzung von Erdölbegleitgas

Möglichkeiten zur Reduzierung des Abfackelns von          Vorher durchläuft das Erdgas verschiedene Reini-
Erdölbegleitgas bieten sich durch die wirtschaftliche     gungsprozesse.
Nutzung des Erdgases. Dazu zählen:
                                                          Der Transport des Erdgases von der Weiterverarbei-
>    die Weiterverarbeitung von Erdölbegleitgas zu        tungsanlage zu den Kunden kann auf unterschied-
      einem vermarktbaren Produkt, beispielsweise         liche Weise erfolgen. Neben der Einspeisung in
      in Form von                                         Pipelines kann das Erdgas auch durch Kühlung auf
      — Erdgas für Pipelines                              minus 164 Grad Celsius zu Flüssiggas verarbeitet und
      — Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG)           anschließend per Schiff transportiert werden. Um
      — flüssiges Propangas (Liquified Petroleum Gas,     das Erdgas nach dem Transport wieder nutzbar zu
         LPG) zum Kochen und für den Transportsek-        machen, muss der Abnehmer zudem über Anlagen
         tor                                              zur Regasifizierung des flüssigen Erdgases verfügen.
      — komprimiertes Erdgas (Compressed Natural          Dies bietet sich für weite Transportwege oder Regio-
         Gas, CNG) für den Transportsektor                nen an, die nicht durch Pipelinesysteme verbunden
      — Erdgas zur Herstellung petrochemischer Pro-       sind. Weitere Formen verflüssigten Erdgases für un-
         dukte wie Ethin, das als Ausgangsprodukt         terschiedliche Nutzungen sind komprimiertes Erd-
         zur Herstellung von Gummi und Drucker-           gas für den Transportsektor und flüssiges Propangas,
         schwärze genutzt wird                            das als Brennstoff zum Kochen dient.
>    die Re-Injektion von Erdölbegleitgas in das
     ­Erdölfeld zur verbesserten Erdölgewinnung           6.1.2 Ausgangsstoff für petrochemische Produkte
>     Die Nutzung von Erdölbegleitgas zur Strom­          Eine weitere Nutzungsmöglichkeit ist die Abtren-
      gewinnung für die eigenen Anlagen und die           nung von im Erdgas enthaltenen Stoffen wie Methan
      umliegenden Ortschaften                             zur Herstellung von Ausgangsstoffen für die petro-
                                                          chemische Industrie. Mit Hilfe von Methan können
Um das Erdgas zu nutzen, muss es zunächst auf-            beispielsweise stickstoffhaltige Düngemittel herge-
bereitet werden. Generell müssen unerwünschte             stellt werden. Viele Entwicklungsländer, in denen
Bestandteile im Erdgas wie Stickstoff, Kohlendioxid,      Erdölbegleitgas abgefackelt wird, haben dieses Ver-
Quecksilber oder Schwefelwasserstoffe entfernt wer-       fahren in ihre Pläne zur Nutzung des Erdölbegleitga-
den, da diese zu Schäden an den Förder- und Trans-        ses integriert.
porteinrichtungen führen können. Das erfordert
Investitionen in Anlagen und in Infrastruktur, die
sich je nach Nutzung unterscheiden.                       6.2 Re-Injektion von Erdölbegleitgas

                                                          Neben der Weiterverarbeitung zu einem vermarkt-
6.1 Weiterverarbeitung zu einem                           baren Produkt kann Erdgas auch in das Erdölfeld
­vermarktbaren Produkt                                    reinjiziert werden. Hierbei wird das Erdgas wieder
                                                          in die Erdöllagerstätte verpresst, um den Druck für
6.1.1 Erdgas für Pipelines und Herstellung von            eine konstantere Erdölförderung aufrechtzuerhalten
­verflüssigtem Erdgas                                     und sie damit zu erhöhen. Allerdings muss auch hier
 Generell wird Erdgas auf kontinentaler Ebene vor         das Erdgas zunächst aufbereitet werden. Diese Mög-
 allem unterirdisch durch Pipelines transportiert.        lichkeit ist in der Vergangenheit zunehmend genutzt
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen             15

worden und hat dazu beigetragen, dass die Menge an                      Standorts sowie seine Anbindung an bereits beste-
weltweit abgefackeltem Erdgas trotz steigender Erd-                     hende Verarbeitungskapazitäten und die Infrastruk-
ölförderraten größtenteils konstant blieb (BGR 2009).                   tur. Entscheidend ist außerdem die Nachfrage nach
Seit 2007 befinden sich die Re-Injektionsraten jedoch                   dem Produkt. Wenn beispielsweise nur ein geringer
auf einem relativ konstanten Level (EIA 2013b). Aus                     Teil der Bevölkerung Zugang zur Stromversorgung
geologischen Gründen bietet sich dieses Verfahren                       hat, wird es schwierig, neue potenzielle Abnehmer
hauptsächlich für Erdölfelder mit einer primären                        für den zu produzierenden Strom zu finden, ohne
oder sekundären Gaskappe an.11                                          auch in die entsprechende Infrastruktur zu investie-
                                                                        ren. Die Erhöhung der Nachfrage ist deshalb eng mit
                                                                        Investitionen in die Infrastruktur gekoppelt. Auf der
6.3 Nutzung zur Stromgewinnung                                          Nutzenseite ist vor allem der gegenwärtige Markt-
                                                                        wert des Erdgases entscheidend. Auch politische Fak-
Eine weitere Möglichkeit ist, das Erdölbegleitgas                       toren nehmen Einfluss auf die Entscheidung eines
nicht einfach abzufackeln, sondern zu verbrennen,                       Betriebes. Liegen die Nutzungsrechte des Erdgases
um es energetisch für die Strom- und Wärmegewin-                        beispielsweise beim Staat, bestehen keine Anreize für
nung zu nutzen. Je nach Menge können Strom und                          ein Unternehmen, das Erdgas zu nutzen. Außerdem
Wärme für die Anlage selbst oder auch umliegende                        können regulative Maßnahmen wie Verbote und
Ortschaften verwendet werden. Dies lohnt sich vor                       Vorgaben entscheidend sein. Eventuelle Strafzahlun-
allem, wenn keine Infrastruktur für das Erdgas, aber                    gen können die Nutzung attraktiver machen. Auch
eine Infrastruktur für die Übertragung von Strom                        Anreizsysteme, die die Kosten-Nutzen-Rechnung be-
vorhanden ist. Beim Verbrauch in der Anlage selbst                      einflussen, spielen eine Rolle. Möglich sind beispiels-
zur Abdeckung der eigenen Stromversorgung ist                           weise Steuervergünstigungen für Unternehmen, die
nicht einmal dies notwendig.                                            das Erdölbegleitgas nutzen.

6.4 Einflussfaktoren auf
­betrieblicher Ebene

Betriebe stellen die Kosten für Weiterverarbeitung
und Transport des Erdgases dem Nutzen aus Vertrieb
und Ersparnissen durch Eigennutzung gegenüber.
Für die Kosten der Anlage spielen die insgesamt zur
Verfügung stehende Menge an Erdgas und dessen
Zusammensetzung eine Rolle, da beispielsweise ein
höherer Schwefelanteil eine aufwendigere Verarbei-
tung erfordert. Weitere Faktoren sind die Lage des

11 Die Re-Injektion von Erdgas in eine Lagerstätte mit primärer oder
   sekundärer Gaskappe führt dazu, dass der Druck auf die erdölfüh-
   rende Schicht aufrecht erhalten wird und das Erdöl in Richtung der
   Förderbohrungen strömt.                                              Abfüllung von flüssigem Propangas (LPG) in Indonesien
16   Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

7. Chancen und Herausforderungen für
   ­Entwicklungsländer

7.1 Chancen für Entwicklungsländer

Die Entscheidung zur Nutzung von Erdölbegleitgas          damit zu Mehreinnahmen für die beteiligten Fir-
ist komplex und von einer Vielzahl von Faktoren           men führen sowie die Einnahmen des Staates über
abhängig. Dennoch bietet die Nutzung von Erdöl-           eine angemessene Besteuerung steigern. Ähnliches
begleitgas enorme Chancen, gerade für Entwick-            gilt für den Export des Erdgases. Als Option besteht
lungsländer. Die Re-Injektion des Erdgases kann           alternativ die Möglichkeit, den Erdgasverbrauch
beispielsweise die Erdölförderung erhöhen und             im Land selbst zu erhöhen. So kann die Stromver-

Entwicklungen auf den ­Erdgasmärkten

Gemessen am Primärenergieverbrauch war Erdgas 2011        1.000 Kubikfuß. Außerhalb Nordamerikas zogen die
der drittwichtigste Energieträger nach Erdöl und Hart-    ölpreisgebundenen Gaspreise im Berichtsjahr aufgrund
kohle. Da Erdgas vergleichsweise emissionsarm und         steigender Rohölpreise dagegen deutlich an. Erdgas
geologisch betrachtet noch in großen Mengen vorhan-       war in Europa bis zu dreieinhalbmal so teuer wie in den
den ist, wird ihm zukünftig das stärkste Wachstumspo-     USA. Die Preise in den von LNG-Importen abhängigen
tenzial eingeräumt.                                       Ländern Japan und Korea lagen Ende 2011 nochmals
                                                          gut 40 Prozent über den deutschen Preisen. Dort setzte
Obwohl in den OECD-Ländern ein Rückgang der               sich 2011 der Aufwärtstrend bei den Grenzübergangs-
Nachfrage nach Erdgas zu verzeichnen ist, wächst die      preisen für Erdgas insgesamt weiter fort. Der Grenz-
Nachfrage vor allem in den Schwellenländern stetig.       übergangspreis zeigt den Preis des Erdgases an der
Aufgrund dieser Entwicklung ist die Erdgasförderung       deutschen Grenze. Dieser folgte in Langzeitver­trägen
um drei Prozent auf 3.337 Milliarden Kubikmeter im        in der Vergangenheit aufgrund einer Kopplung an den
Jahr 2011 gestiegen. Dieser Anstieg ist vor allem auf     Erdölpreis in der Regel mit einer gewissen Zeitverzö-
einen Ausbau der nicht-konventionellen Erdgasförde-       gerung den Preisen für Mineralöl. Neuere Verträge be-
rung in den USA und der Erdgasproduktion aus konven-      inhalten bereits Klauseln, die Gas-Terminmarktindizes
tionellen Lagerstätten in Russland zurückzuführen.        und Spotmarktpreise berücksichtigen und damit dem
                                                          Trend einer zunehmenden Entkopplung vom Erdölpreis
Weltweit funktionieren die regionalen Erdgasmärkte        folgen. Generell wird der Erdgaspreis maßgeblich durch
weitgehend unabhängig voneinander. Aufgrund der           die im Vergleich zu Erdöl und Kohle deutlich höheren
Schiefergasrevolution ist Erdgas in den Vereinigten       spezifischen Transportkosten beeinflusst.
Staaten kontinuierlich günstiger geworden und wird
heute dank des reichlichen Angebots auf dem nord-         Durch die zunehmende Ausweitung des Handels, insbe-
amerikanischen Markt zu den günstigsten Konditionen       sondere des seewärtigen Transports mittels Flüssiggas,
aller liberalisierten Märkte gehandelt. Die Ausweitung    werden bisher voneinander getrennte Regionen immer
der Schiefergasproduktion drückte den dortigen Erd-       flexibler miteinander vernetzt. Daher ist mittel- bis
gaspreis, den Henry-Hub-Spotpreis, Ende Dezember          langfristig eine Entwicklung zu einem globalen Markt
2011 auf rund drei US-Dollar je 1.000 Kubikfuß. Im        zu erwarten. Die Bedeutung des Gas-Spotmarkts wird
April 2012 rutschte er sogar unter zwei US-Dollar je      weiter zunehmen (BGR 2012).
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen   17

sorgung eines Landes verbessert oder eine erdgas-       gering. Da Subsahara-Afrika exemplarisch für eine
verbrauchende Industrie aufgebaut werden. Beide         Vielzahl von Problemen in Entwicklungsländern ist,
Aspekte haben viele Vorteile. Es entstehen Beschäf-     liegt der Fokus dieser Studie bei der Betrachtung der
tigungsmöglichkeiten oder Übertragungseffekte           Herausforderungen auf dieser Region.
in weitere Wirtschaftszweige. Allein eine flächen-
deckendere Stromversorgung verbessert die Infra-        7.2.1 Mangelnder Zugang zu Erdgasmärkten
struktur. Außerdem können eine petrochemische           Insgesamt produziert Afrika immer noch mehr
Industrie aufgebaut und Produkte, deren Herstellung     Erdgas als es verbraucht. Mit 197,6 Milliarden Kubik-
auf der Verwendung von Erdgas basieren, im Land         metern erzeugten die Länder Afrikas – allen voran
produziert werden. Alle genannten Optionen erge-        Ägypten, Algerien und Nigeria – rund 5,9 Prozent
ben einen erheblichen Mehrwert für die betroffenen      des weltweiten Erdgases im Jahr 2011. Der Verbrauch
Entwicklungsländer.                                     lag mit 3,1 Prozent bei nur etwas mehr als der Hälfte
                                                        (BGR 2012). Zudem wird davon ausgegangen, dass
Im Hinblick auf die wirtschaftliche Nutzung für den     die Staaten Nordafrikas sowie Südafrika den größten
Export sind auch die Entwicklungen auf den Erd-         Anteil am Erdgas verbrauchten (UNECA 2005).
gasmärkten zu analysieren (Seite 16). Inwiefern die     Dies liegt vor allem daran, dass Erdgasmärkte in den
Aufbereitung und Vermarktung von Erdölbegleitgas        meisten Ländern in Subsahara-Afrika fehlen. Die
gegenüber der Förderung und Vermarktung von kon-        geringfügig ausgebaute Infrastruktur ist hierfür ein
ventionell und unkonventionell gefördertem Erdgas       wichtiger Grund. Während Erdgas in industriali-
wie zum Beispiel Schiefergas wettbewerbs­fähig sein     sierten Ländern neben der Stromgewinnung haupt-
kann, hängt von den Rahmenbedingungen ab und            sächlich zum Heizen, Kochen und zur Herstellung
muss von Fall zu Fall entschieden werden.               petrochemischer Produkte verwendet wird, besteht
                                                        in den meisten afrikanischen Ländern weder ein
Den weiteren Nutzungsmöglichkeiten stehen viele         Heizbedarf noch gibt es eine Industrie, die Erdgas in
Herausforderungen gegenüber. Hierfür müssen nicht       großen Mengen einsetzt. Die Elektrifizierungsrate
nur rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen,            Subsahara-Afrikas ist mit 32 Prozent die niedrigste
sondern auch Lösungen gefunden werden, wie die          weltweit und liegt deutlich unter dem Durchschnitt
notwendigen Voraussetzungen für die lokale und re-      aller Entwicklungsländer mit 76 Prozent (IEA 2012b).
gionale Erdgasnutzung realisiert werden können.         Auch zum Kochen werden oft traditionelle Ener-
                                                        gieträger wie Holz oder Dung verwendet. Damit die
                                                        Menschen künftig mit Erdgas kochen, müssen diese
7.2 Herausforderungen für                               zunächst für die Vorteile sensibilisiert und davon
­Entwicklungsländer                                     überzeugt werden, in geeignete Herde zu investieren.

Gerade die Faktoren Infrastruktur und Nachfrage         7.2.2 Schwache Infrastruktur
stellen Entwicklungsländer bei der Nutzung von          Das Fehlen von Märkten und eine mangelhafte
Erdölbegleitgas vor besondere Herausforderungen.        Infrastruktur bedingen sich gegenseitig. Eine Infra-
Das gilt vor allem für Subsahara-Afrika. Hier sind      struktur wird nur errichtet oder ausgebaut, wo eine
im regionalen Vergleich am wenigsten Menschen an        Nachfrage vorhanden ist. Die fehlende Infrastruktur
die Stromversorgung angeschlossen. Zudem gibt es        wiederum führt dazu, dass die Nutzung des Erdgases
hier nur wenige Großkunden. Die Nachfrage ist also      wirtschaftlich unattraktiv bleibt. Exportmärkte kön-
18   Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

nen bei großen Erdgasmengen eine Alternative dar-         Neben den Schwierigkeiten mit bereits bestehenden
stellen. Aber auch hier fallen hohe Investitionskosten    und geplanten Pipelines steht die Region vor wei-
für die benötigte Infrastruktur an. Zudem muss die        teren Herausforderungen. In Westafrika liegen die
Entwicklung auf den Märkten weltweit (Seite 16) be-       meisten Erdölfelder vor der Küste im Golf von Gui-
obachtet werden. Dabei kommt Erdgas in Subsahara-         nea und damit abseits von möglichen Verbrauchs-
Afrika durchaus lokal zum Einsatz. Es wird unter          zentren. Sie können also nur nach Investitionen in
anderem in Nigeria, Kenia und Togo auch zur Strom-        die Transportinfrastruktur genutzt werden.
erzeugung verwendet (Eberhard & Gratwick k.A.).
                                                          Während die Kosten für Offshore-Pipelines in den
7.2.2.1 Das Fehlen regionaler Erdgaspipelines             letzten Jahren gesunken sind, lohnen sich die In-
Regionale Erdgaspipelines könnten einen Beitrag           vestitionen in feste, langfristige Pipelinesysteme
dazu leisten, den Markt und damit die Nachfrage für       nur, wenn ausreichend Erdgas über einen längeren
das vorhandene Erdgas zu vergrößern. Allerdings           Zeitraum zur Verfügung steht. Gerade bei kleineren
gibt es in der Region bisher kaum regionale Märkte        Feldern erweisen sich Investitionen oft als nicht
und Pipelines. Gebaut wurde bereits die 678 Kilome-       wirtschaftlich. Inzwischen gibt es die Möglichkeit,
ter lange West Africa Gas Pipeline, die Nigeria mit       das Erdölbegleitgas schon auf See zu verarbeiten,
Benin, Togo und Ghana verbindet. Diese Pipeline           beispielsweise zu LNG, um das verflüssigte Erdgas
wird seit 2008 von der West African Gas Pipeline          anschließend per Schiff zu transportieren.
Company Ltd., einem Gemeinschaftsunternehmen
von Chevron, der Nigerian National Petroleum Cor-         7.2.2.2 LNG-Anlagen als Alternative zu Pipelines
poration NNPC, Shell, Takoradi Power Limited, der         Eine alternative Möglichkeit, die Auslandsmärkte
Societé Togolaise de Gaz und der Societé BenGaz           zu beliefern, ist die Produktion von LNG, das in
betrieben (WAPCO 2013). Indem die Pipeline auch           Druckcontainern verschifft wird. Nigeria, Äquato-
Erdölbegleitgas aus Nigeria in die Nachbarländer
transportiert, sollte das Abfackeln in Nigeria re-
duziert werden (World Bank 2013). Aufgrund von
Problemen während der Konstruktion der Pipeline
musste die Inbetriebnahme mehrfach verschoben
werden. Im August 2012 kam es zu einem weiteren
Stillstand. Zurückzuführen sind die Verzögerungen
vor allem auf technische und sicherheitsbedingte
Probleme in Nigeria.

Ein weiteres geplantes Projekt ist die 4.500 Kilometer
lange Trans-Saharan Pipeline, die von Nigeria über
den Niger bis nach Algerien führen soll. Von dort aus
könnte das nigerianische Erdgas auch nach Europa
geliefert werden. Es gibt jedoch noch Bedenken, ob
das Projekt realisiert werden kann (African Energy
2013a).
                                                          Verschiffung von LNG in Druckcontainern
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen       19

rialguinea und Angola haben bereits eigene LNG-          ckeln oder Abblasen von Erdölbegleitgas in diesen
Produktionen. Die LNG-Anlage im angolanischen            Fällen zu vermeiden, ist es Aufgabe des Staates, die
Soyo soll zudem anfangs ausschließlich zur Verar-        Nutzung sicherzustellen.
beitung von Erdölbegleitgas genutzt werden. Andere
Länder wie die Elfenbeinküste und Kenia planen           In einzelnen Ländern wie Nigeria gibt es bereits seit
Anlagen zur Re-Gasifizierung des Flüssiggases, um        1979 Vorgaben und Verbote bezüglich des Abfackelns
die Nutzung zu ermöglichen (African Energy 2013a).       von Erdölbegleitgas. Die darin vorgegebenen Fristen
Da sich der Bau von LNG-Anlagen erst bei größeren        zum Stopp des Abfackelns sind jedoch mehrfach
Erdgasvorkommen lohnt, muss jedes Einzelvorhaben         verschoben worden. Auch heute zahlen Firmen lieber
darauf geprüft werden, ob das Erdölbegleitgas wirt-      die geringen Bußgelder anstatt in Anlagen zur Nut-
schaftlich genutzt werden kann.                          zung von Erdölbegleitgas zu investieren (UNFCCC
                                                         k. A.). Der politische Wille zur Durchsetzung der Vor-
7.2.2.3 Optionen zur regionalen und nationalen           gaben sowie Kapazitäten, diese auch kontrollieren zu
­Vermarktung: LPG, CNG und Stromerzeugung                können, spielen daher eine wichtige Rolle.
Neben LNG für den Export und der Direktbeliefe-
rung mit Erdgas kann auch Flüssiggas wie Propan          Es gibt auch positive Entwicklungen zur Verbesse-
oder Butan hergestellt werden, das sich zum Kochen       rung der rechtlichen Rahmenbedingungen. In einigen
eignet. Diese Möglichkeit bietet sich auch für klei-     Ländern Subsahara-Afrikas, die die Erdölproduktion
nere Erdgasvorkommen an. In einigen Ländern wie          aufgenommen haben, wird das Abfackeln von Erd-
etwa Ghana stellen Produktionsanlagen LPG her            ölbegleitgas inzwischen in die Planungen und recht-
(Quaye-Foli, 2002). Für die Vermarktung müssen           lichen Regelwerke einbezogen. So hat Ghana, das
eine Infrastruktur und ein Markt geschaffen werden.      seit Dezember 2010 Erdöl produziert, von Anfang an
Wichtig ist, dass die potenziellen Kunden Herde be-      eine Politik zum Stopp des Abfackelns (Zero Flaring
sitzen, die das Kochen mit Propangas ermöglichen.        Policy) angekündigt. Die Ghana National Petroleum
Alternativ kann Erdölbegleitgas auch zur Gewin-          Corporation (GNPC) hat bereits Pläne zur Nutzung
nung von Compressed Natural Gas (CNG) für den            von Erdölbegleitgas aus dem Jubilee Field erstellt
Transportsektor genutzt werden. Bisher sind erdgas-      (GNPC 2008).
betriebene Fahrzeuge allerdings selbst in Industrie-
ländern nur wenig verbreitet.                            Während die Probleme aufgrund der fehlenden
                                                         Infrastruktur, der Erdgasmärkte und rechtlichen
Als weitere Option kann Erdgas zur direkten Strom-       Rahmenbedingungen in Subsahara-Afrika am
erzeugung vor Ort genutzt werden. Allerdings fehlt       größten erscheinen, stehen auch andere Regionen
es vor allem in ländlichen Gebieten oft an Netzen zur    vor ähnlichen Herausforderungen. Mangelnde
Stromübertragung.                                        Marktanbindung und das Fehlen von Infrastruktur
                                                         sowie fehlende Erfahrungen mit der Regulierung des
7.2.3 Fehlen eines rechtlichen Rahmens                   Erdöl- und Erdgassektors spielen auch in anderen
Neben dem mangelnden Zugang zu den Erdgasmärk-           Entwicklungs- und Schwellenländern eine bedeut-
ten und der schwachen Infrastruktur fehlen in vielen     same Rolle.
Ländern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen.
In Ländern wie Angola steht Unternehmen das Recht
zur Nutzung des Erdgases nicht zu. Um das Abfa-
20   Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen

8. Ansätze zur Reduzierung des Abfackelns
   von Erdölbegleitgas

Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler        8.1.1 Naher Osten und MENA-Region
Ebene gibt es Ansätze, das Abfackeln von Erdöl­           Die meisten Staaten der Region wollen Erdgas vor
begleitgas in Entwicklungsländern zu reduzieren.          allem für die eigene Stromversorgung und den
Diese basieren auf integrierten Ansätzen, die zum         Aufbau einer eigenen Industrie nutzen. Das erfolg-
Ziel haben, geeignete Rahmenbedingungen zu schaf-         reichste Beispiel ist Saudi-Arabien, welches in den
fen, die Infrastruktur auszubauen und die Märkte          1970ern in den umfassenden Aufbau einer Erdgas-
für Erdölbegleitgas zu erweitern. Die Übertragbar-        infrastruktur investierte, um Erdölbegleitgas für
keit einzelner Ansätze muss von Fall zu Fall geprüft      die eigene Stromversorgung und den Aufbau einer
werden. Sie bieten jedoch erste Anhaltspunkte für         chemischen Industrie im Land zu nutzen. Das saudi-
entscheidende Maßnahmen zur Reduzierung des Ab-           arabische Erdgassystem gilt als das größte Kohlen-
fackelns. Zusätzlich werden im Folgenden Probleme         wasserstoffnetzwerk der Welt. Mit dem Ausbau der
in der Implementierung von Maßnahmen dargelegt,           Infrastruktur hat auch die Nachfrage nach Erdgas
die darauf hinweisen, dass diese nur in Verbindung        stark zugenommen: Der Eigenverbrauch von Erdgas
mit der Stärkung staatlicher Kapazitäten erfolgreich      hat sich von 3,7 Milliarden Kubikmetern im Jahr
umgesetzt werden können.                                  1975 auf 92,2 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2011
                                                          mehr als verzwanzigfacht (BGR 2012). Die Menge an
                                                          abgefackeltem Erdgas hingegen ist zwischen Anfang
8.1 Nationale Ansätze                                     der 1980er und 2011 um das Zehnfache von 38 Mil-
                                                          liarden Kubikmeter auf 3,7 Milliarden Kubikmeter
In den erdölfördernden Industriestaaten wie bei-          zurückgegangen. Auch wenn Saudi-Arabien mit
spielsweise Kanada sind erste Maßnahmen zur Redu-         Rang neun im Jahr 2011 mengenbezogen weiterhin
zierung des Abfackelns bereits in den 1930er Jahren       zu den Ländern mit den höchsten Abfackelraten ge-
getätigt worden. Die Reduzierung ging dabei stets         hört, liegt es im Vergleich zur Kohlenwasserstoffpro-
mit dem Aufbau eines Markts für das Erdgas einher.        duktion weit unterhalb des globalen Durchschnitts
Da in industrialisierten Ländern grundsätzlich eine       (GGFR 2012).
Nachfrage nach Erdgas und die entsprechende Infra-
struktur besteht, sind die Vorbedingungen für eine        Auch andere Länder in der Region haben, teils mit
weitere Reduzierung – zumeist im Rahmen der Um-           Unterstützung internationaler Initiativen wie der
welt- oder Klimapolitik – hier andere als in weniger      GGFR, erfolgreiche Maßnahmen zur Nutzung von
entwickelten Ländern.                                     Erdölbegleitgas umgesetzt. In Katar wird Erdölbe-
                                                          gleitgas für die Stromerzeugung zum Aufbau einer
Je nach Lagerstättentyp, Industrialisierungsgrad,         stromintensiven Aluminiumindustrie eingesetzt.
Anbindung an Märkte, Entwicklungsgrad der Erdöl-          Weitere Initiativen gibt es im Irak, in Algerien,
wirtschaft oder bestehender Infrastruktur müssen          ­Libyen, Katar, Oman und Ägypten.
Maßnahmen zur Reduzierung des Abfackelns ausge-
staltet sein. Dabei stehen betroffenen Regionen und       Die genannten Staaten versuchen, die Nachfrage
Länder vor ähnlichen Herausforderungen. Innerhalb         nach Kohlenwasserstoffen über regulierte Preise
einer Region kann es aber auch sehr unterschiedliche      für Erdgas zu fördern, indem sie die Preise stabil
Vorbedingungen geben. Im Folgenden werden Bei-            und niedrig halten. Dadurch können Investitionen
spiele aus verschiedenen Regionen untersucht.             in Aufbereitungsanlagen und Infrastruktur jedoch
                                                          auch erschwert werden, weil die Kombination von
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