Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas - Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas Chancen und Herausforderungen für Entwicklung und Treibhausgasminderung Herausgegeben von:
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 3 Zusammenfassung Das Abfackeln von Erdölbegleitgas ist vor dem Hin- Diesen Nutzungsmöglichkeiten stehen zahlreiche tergrund des Anstiegs der globalen Treibhausgasemis- Herausforderungen gegenüber. Hierzu zählen feh- sionen und einer steigenden Nachfrage nach Erdgas lende rechtliche Rahmenbedingungen und eine ökonomisch und ökologisch von großer Bedeutung. ungenügende infrastrukturelle Anbindung von Erd- Durch das Abfackeln von Erdgas gelangen jedes Jahr ölförderstätten an potenzielle Märkte. Zudem ist die Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Würde die Nachfrage nach Erdgas in vielen Entwicklungsländern wertvolle Energieressource nicht weiter verschwendet, tendenziell gering. Eine Nutzung des Erdölbegleitga- könnten Firmen und Staaten Mehreinnahmen in Höhe ses ist deshalb heute noch selten wirtschaftlich. von mehreren Milliarden US-Dollar pro Jahr erzielen. Auf nationaler und internationaler Ebene sind daher Indem das bei der Erdölförderung auftretende Erd- Ansätze und Initiativen entwickelt worden, um die gas verbrannt oder unverbrannt in die Atmosphäre Praxis des Abfackelns einzuschränken und die Nut- entlassen wird, sind allein 2011 weltweit 140 Milli- zung von Erdölbegleitgas zu fördern. Dazu zählen auf arden Kubikmeter Erdölbegleitgas abgefackelt und nationaler Ebene der Ausbau der Erdgasinfrastruktur, abgeblasen worden. Das entspricht rund 4,2 Prozent die Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen, der globalen Erdgasförderung. Das Abfackeln von Sanktionsmaßnahmen bei Abfackeln und Anreize zur Erdölbegleitgas ist deshalb ein Thema von globaler Nutzung von Erdölbegleitgas. Unterstützt werden die Relevanz. Allerdings sind die regionalen Unterschiede betroffenen Länder durch internationale Initiativen beträchtlich. Über 85 Prozent des weltweit nicht wie die Globale Partnerschaft zur weltweiten Verrin- genutzten Erdölbegleitgases wird in nur zwanzig gerung des Abfackelns von Erdgas (Global Gas Flaring Ländern abgefackelt, insbesondere in den erdöl Reduction Partnership, GGFR) der Weltbank. produzierenden Staaten im Nahen Osten, in Afrika und in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten Anknüpfungspunkte für die deutsche Entwick- (GUS). Eine Berechnung der Abfackelintensität – dem lungszusammenarbeit bieten sich vor allem in den Verhältnis zwischen der Menge an produzierten Koh- Themenfeldern Energieeffizienz und Energiegrund- lenwasserstoffen1 und der Menge an abgefackeltem versorgung. Ein erfolgversprechender Ansatz ist, die Erdgas – zeigt, dass vor allem afrikanische Länder Thematik bei der Unterstützung von Strategien und besonders intensiv abfackeln. Masterplänen im Energiesektor aufzunehmen. Wer- den Projekte im Energierohstoffsektor geprüft, kann Es gibt mehrere Möglichkeiten, um das Erdgas zu das Thema ebenfalls aufgegriffen werden. Da sich nutzen: Verstromung, Re-Injektion in die Erdölla- Erdgas auch für den Betrieb von Kleinanlagen eignet, gerstätte, Herstellung von Flüssiggas oder als Aus- kann es zur Elektrifizierung ländlicher Gebiete ge- gangsprodukt für die petrochemische Industrie. nutzt werden. Dies ist besonders dort von Bedeutung, Entwicklungsländern, in denen der Zugang zu ver- wo alternative Energiequellen kaum vorhanden sind. lässlichen Energiequellen oft begrenzt ist, bieten sich Aus Erdölbegleitgas kann auch Propangas hergestellt hier enorme Potenziale. werden: Dieser saubere Energieträger eignet sich beispielsweise zum Kochen. Weitere Möglichkeiten 1 bieten der Technologietransfer und die Unterstützung Da ein geringfügiger Teil auch bei der Erdgasproduktion abgefackelt und bei der Datenerhebung keine Unterscheidung vorgenommen internationaler Initiativen wie der GGFR. wird, ist aus Gründen der Genauigkeit die gesamte Kohlenwasser- stoffproduktion zur Berechnung der Abfackelintensität verwendet worden. Da der Anteil des abgefackelten Erdölbegleitgases jedoch wesentlich signifikanter ist, fokussiert sich die Studie primär hierauf.
4 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen Inhalt 1. Einleitung 5 2. Definitionen 6 2.1 Was bedeutet Abfackeln? 6 2.2 Was bedeutet Abblasen? 6 2.3 Erdölbegleitgas 8 3. Abfackeln: Ökologische und ökonomische Bedeutung 8 4. Datenlage zum Abfackeln und Abblasen 9 5. Abfackeln als globale und regionale Herausforderung 10 5.1 Globale Übersicht 10 5.2 Abfackeln in Entwicklungsländern 10 5.3 Regionale Unterschiede – Afrika im Vergleich 12 6. Nutzung von Erdölbegleitgas 14 6.1 Weiterverarbeitung zu einem vermarktbaren Produkt 14 6.2 Re-Injektion von Erdölbegleitgas 14 6.3 Nutzung zur Stromgewinnung 15 6.4 Einflussfaktoren auf betrieblicher Ebene 15 7. Chancen und Herausforderungen für Entwicklungsländer 16 7.1 Chancen für Entwicklungsländer 16 7.2 Herausforderungen für Entwicklungsländer 17 8. Ansätze zur Reduzierung des Abfackelns von Erdölbegleitgas 20 8.1 Nationale Ansätze 20 8.2 Internationale entwicklungspolitische Ansätze 23 8.3 Weitere multi- und bilaterale Initiativen 24 9. Empfehlungen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit 25 Quellenverzeichnis 29
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 5 1. Einleitung Weltweit sind 2011 rund 140 Milliarden Kubikmeter Für erdölproduzierende Entwicklungsländer ist es Erdölbegleitgas als Beiprodukt der Erdölförderung eine besondere Herausforderung, das Abfackeln von abgefackelt worden (GGFR 2012), hauptsächlich Erdölbegleitgas einzudämmen. Die stärkere wirt- in den erdölproduzierenden Ländern der GUS, des schaftliche Nutzung bietet enorme Chancen, unter Nahen Ostens und Afrikas. Obwohl Staaten und anderem zur Stromerzeugung für die lokale Energie- Unternehmen durch die Verarbeitung und Vermark- versorgung oder den Export von Erdgas. Regionen tung von Erdölbegleitgas potenzielle Mehreinnah- wie Subsahara-Afrika, wo die Elektrifizierungsrate men in Höhe mehrerer Milliarden US-Dollar jährlich bei nicht einmal 32 Prozent liegt, können erhebliche erzielen könnten, ist das Abfackeln in vielen Ländern Potenziale realisieren, indem sie zum Beispiel ener- noch immer gängige Praxis. Die klimapolitischen gieintensive Industrien aufbauen. Dies geht einher Auswirkungen sind enorm. Das Abfackeln von Erd- mit der Verringerung von Treibhausgasemissionen ölbegleitgas setzt erhebliche Emissionsmengen frei: (IEA 2012b). Entwicklungsländer können von einer Schätzungen zufolge so viel wie der jährliche CO2- Reduzierung des Abfackelns von Erdölbegleitgas Ausstoß von 77 Millionen Autos. Sie machen rund sehr profitieren. Diesen Chancen stehen zahlreiche ein Prozent der globalen CO2-Emissionen aus (Far- Herausforderungen gegenüber. So fehlen geeignete nejad 2013, UN 2013). Wo Abfackeln und Abblasen rechtliche Rahmenbedingungen und die notwendige unterbunden werden, können also erhebliche Treib Infrastruktur. Zudem mangelt es den zuständigen hausgasemissionen eingespart werden. Institutionen häufig an Kapazitäten, um die Ein haltung von Gesetzen und Verordnungen durch Die Bedeutung der Thematik zeigt ein Vergleich des zusetzen, die das Abfackeln reduzieren sollen. abgefackelten Erdgases mit der Erdgasproduktion und dem Erdgasverbrauch großer Konsumentenlän- Ziel dieser Studie ist es, einen Überblick zur Thema- der. 2011 entsprach die Menge des weltweit abgefa- tik des Abfackelns von Erdölbegleitgas zu geben und ckelten Erdölbegleitgases ungefähr dem jährlichen Nutzungsoptionen darzustellen. Darüber hinaus Erdgasverbrauch von Frankreich und Deutschland. zeigt sie Herausforderungen für die Nutzung in Ent- Die abgefackelte Menge überstieg den gesamten wicklungsländern und entwickelt Ansätze für die Erdgasverbrauch des afrikanischen Kontinents. 2 Sie deutsche Entwicklungszusammenarbeit. entspricht zudem 4,2 Prozent der globalen Erdgas- produktion 2011 (GGFR 2012, BGR 2012).3 2 Laut BGR-Datenbank betrug der gemeinsame Erdgasverbrauch von Deutschland und Frankreich 2011 124,8 Milliarden Kubikmeter. Der Erdgasverbrauch auf dem gesamten afrikanischen Kontinent belief sich auf rund 103,4 Milliarden Kubikmeter. 3 Die Angabe erfolgt auf der Grundlage eigener Berechnungen auf Basis der Daten zur Menge an abgefackeltem Erdölbegleitgas der GGFR sowie Daten zum globalen Erdgasverbrauch und der globalen Erdgasproduktion der BGR.
6 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 2. Definitionen Abfackeln und Abblasen von Erdgas bezeichnen zwei Aufbereitung und Transport nicht decken, zum Bei- unterschiedliche Prozesse, bei denen das Erdgas ent- spiel weil Infrastruktur oder Käufer fehlen. Zeitlich weder kontrolliert verbrannt wird (Abfackeln) oder begrenztes Abfackeln erfolgt zumeist aus sicherheits- unverbrannt in die Atmosphäre gelangt (Abblasen). technischen Gründen. Wo Erdöl und Erdölbegleitgas Während die Definitionen eine klare Abgrenzung gefördert werden, können Schwankungen im Ver- vornehmen, wird bei der Erhebung von Daten nicht hältnis der beiden Rohstoffe zueinander auftreten. immer eindeutig zwischen Abfackeln und Abblasen Plötzliche Veränderungen in den Druckverhältnissen unterschieden. Deswegen können die resultierenden können ein Abblasen oder Abfackeln erfordern. Um Probleme und Lösungsansätze für beide Verfahren zu verhindern, dass Überdrücke größere Schäden nicht komplett getrennt voneinander betrachtet wer- verursachen, muss der Druck über Sicherheitsventile den. Obwohl auch das Abblasen ein erhebliches Prob- abgebaut werden, die das Erdgas der Fackelanlage lem darstellt, liegt der Fokus der vorliegenden Studie zur kontrollierten Verbrennung zuführen. Zeitweises vor allem auf dem Abfackeln von Erdölbegleitgas, da Abfackeln ist daher nicht immer zu verhindern und über das Abblasen kaum Daten vorliegen. kann deshalb auch bei strengen Vorgaben und Ver- boten nicht vollständig eingestellt werden. 2.1 Was bedeutet Abfackeln? 2.2 Was bedeutet Abblasen? Der Verband der Erdöl- und Erdgasproduzenten bezeichnet Abfackeln, im Englischen flaring, als das Beim Abblasen, im Englischen venting, wird Erd- “kontrollierte Verbrennen von Erdgas, das zusam- gas unverbrannt in die Atmosphäre entlassen (OGP men mit Erdöl auftritt, im Zuge der Exploration 2010). Das geschieht häufig dort, wo auch abgefackelt und Produktion von Erdöl”. Dabei handelt es sich wird. So entweicht je nach Effizienzgrad bereits aus um Erdgas, das “aus wirtschaftlichen oder techni- der Fackelanlage ein kleiner Anteil an Erdgas. Des- schen Gründen nicht nutzbar ist” (OGP 2010). Dies wegen werden Daten zum Abfackeln und Abblasen ist meist eine Folge der Lage von Erdölförderstätten, häufig zusammengefasst. Die Größe des Anteils an die sich oft in abgelegenen Gebieten mit mangelhaf- abgeblasenem Erdgas ist erheblich, weil vor allem ter I nfrastrukturanbindung oder sogar auf offener Methan freigesetzt wird, das als Treibhausgas mehr See befinden. Hohe Investitionskosten zum Aufbau als zwanzig Mal stärker wirkt als CO2 (EPA 2013). der Infrastruktur behindern die wirtschaftliche Auch außerhalb der Fackelanlage kann Erdgas in die Nutzung des Erdölbegleitgases. Sie können sogar die Atmosphäre gelangen, beispielsweise bei der Boh- Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts in Frage rung zur Erschließung einer Lagerstätte. stellen. Generell muss zwischen dauerhaftem und zeit 2.3 Erdölbegleitgas weiligem Abfackeln unterschieden werden. Beim dauerhaften Abfackeln wird Erdölbegleitgas konti- Grundsätzlich kann jede Art von Erdgas abgefackelt nuierlich ohne weitere Verwendung verbrannt, da werden, die “wirtschaftlich oder technisch nicht nutz- es unter den gegebenen Umständen nicht genutzt bar” ist (OGP 2010). In den allermeisten Fällen handelt werden kann. Dieser Fall tritt ein, wenn die Einnah- es sich jedoch um Erdölbegleitgas (auch: assoziiertes men aus dem Verkauf des Erdgases die Kosten für Erdgas), das als Beiprodukt der Erdölproduktion auf-
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 7 Quelle: UNEP/Seyers et al. (2011) Abfackeln von Erdölbegleitgas auf einem Förderfeld in Oman tritt. Erdölbegleitgas hat seinen Ursprung in einem von Schwefelwasserstoff im Erdgas. Hauptsächlich Erdölvorkommen und tritt sowohl gelöst im Erdöl als bestehen Erdgase aus hochentzündlichem Methan, auch als Gaskappe über dem Erdöl in der Lagerstätte können sich aber in der weiteren chemischen Zusam- auf. Erdöl und Erdgas entstehen durch die Zersetzung mensetzung je nach Lagerstätte unterscheiden und organischer Materialien unter Sauerstoffausschluss, neben weiteren Alkanen wie zum Beispiel Ethan auch wobei für die Entstehung von Erdgas insgesamt hö- Nebenprodukte wie Stickstoff, Kohlendioxid und here Temperaturen notwendig sind. Wo Erdöl ent- Schwefelwasserstoff enthalten. Aufgrund des höheren steht, bildet sich auch Erdgas in unterschiedlichen Anteils an Schwefelwasserstoff ist die Verarbeitung Mengen. von Sauergas aufwendiger und auch kostspieliger. Folglich fällt Sauergas somit schneller unter eine Beim Erdölbegleitgas kann es sich um Süß- oder Schwelle, ab der es wirtschaftlich nicht mehr nutzbar Sauergas handeln. Der Unterschied besteht im Anteil ist.
8 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 3. Abfackeln: Ökologische und ökonomische Bedeutung Abfackeln und Abblasen sind aus zweierlei Hinsicht ölbegleitgas stellt ein globales Problem dar, das für von Bedeutung. Sie verursachen beträchtliche Treib- Industrie- wie auch für Entwicklungsländer signifi- hausgasemissionen. Im Fokus stehen dabei vor allem kante Folgen haben kann (UNFCCC 2007). CO2 und Methan, denen ein maßgeblicher Anteil an der globalen Erwärmung zugeschrieben wird (IPCC Erdgas ist eine ökonomisch bedeutende, endliche 2007). Wie viel CO2 beim Abfackeln insgesamt ent- Ressource. Daher ist das Abfackeln ohne weitere Nut- steht, ist schwer zu beziffern. So fehlen neben zuver- zung des Rohstoffs auch immer ein wirtschaftlicher lässigen Daten zum Abfackeln vor allem auch Daten Verlust. Basierend auf den vorliegenden Daten zum zur Zusammensetzung des Erdgases, was erheblichen Abfackeln liegt der Gesamtwert des 2008 weltweit Einfluss auf die Berechnung der Treibhausgasemissi- abgefackelten Erdgases bei 68 Milliarden US-Dollar onen hat. unter Berücksichtigung der damaligen Preise auf dem US-Markt (Elvidge 2009). Diesem Wert müssen Nach Einschätzungen der GGFR entsprach die 2011 die Investitions- und Betriebskosten entgegengestellt abgefackelte Erdgasmenge von 140 Milliarden Kubik- werden, die eine Nutzung des Erdgases erfordert. metern rund 360 Millionen Tonnen CO2-Einheiten, Daher schätzen andere Quellen den Verlust auf 15 bis so viel wie 77 Millionen Autos in einem Jahr emit- 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr (GE Energy 2011). tieren (Farnejad 2013). In Bezug zu den globalen Allein für Nigeria kursieren Zahlen von 2,5 Milliar- CO2-Emissionen wird der Anteil des Abfackelns nach den US-Dollar pro Jahr, bei denen die Datenerhebung eigenen Berechnungen auf etwa ein Prozent ge- und damit die Berechnungsgrundlage jedoch unklar schätzt (UN 2013). ist (Friends of the Earth 2004). Der Beitrag der Methanemissionen zu den globa- Nicht nur den Unternehmen entgehen durch das Ab- len Treibhausgasemissionen liegt noch höher. Die fackeln Gewinnmöglichkeiten. Auch Staaten büßen Methane to Markets Initiative schätzt, dass 2010 Steuern und Abgaben ein, die auf das vermarktete rund 1,6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent in Form Erdgas entfallen würden. Diese Einnahmeverluste von Methan bei der Produktion, Verarbeitung und belaufen sich auf geschätzte zehn Milliarden US- dem Transport von Erdöl- und Erdgas freigesetzt Dollar pro Jahr bei einem Erdgaspreis von zwei US- worden sind (Global Methane Initiative 2011). Dies Dollar pro Million British Thermal Units (MMBtu). entspricht mehr als der doppelten Menge der CO2- Dieser entsprach dem Tiefstpreis in den USA im Emissionen der Bundesrepublik Deutschland im Jahr Jahr 2012 (GE Energy 2011, IEA 2012a). Am stärks- 2009 oder fünf Prozent der global emittierten Menge ten betroffen dürften Entwicklungsländer sein, die an Kohlendioxid im gleichen Jahr (UN 2013). Auf- zum Teil noch stärker von den Rohstoffeinnahmen grund des hohen Treibhauspotenzials von Methan, abhängig sind. Zur Verlustrechnung zählen auch die verursachen auch geringe Mengen an abgeblasenem ökologischen Folgekosten, entgangene Einnahmen Erdgas einen wesentlichen Beitrag zu den globalen auf CO2-Märkten oder die Kosten des Einsatzes stär- Treibhausgasemissionen. Die Erhöhung der Treib- ker umweltbelastender Energieträger wie beispiels- hausgasemissionen durch das Abfackeln von Erd- weise Diesel.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 9 4. Datenlage zum Abfackeln und Abblasen In der Praxis ist die Datenlage zum Abfackeln sehr Sie werden auf plus/minus 2,98 Milliarden Kubik schwach, da vorliegende Daten oft ungenau oder meter geschätzt (Elvidge et al. 2009). unvollständig sind. In manchen Fällen werden Daten auf Unternehmens- oder Länderebene erhoben. Der jährlich veröffentlichte globale Datensatz der Hierbei werden die Mengen an abgefackeltem Erdgas US-amerikanischen Energy Information Administ- entweder direkt durch neuinstallierte Messgeräte ration (EIA) beruht auf den Angaben staatlicher Ins- in der Fackelanlage gemessen oder indirekt durch titutionen der jeweiligen Länder. Die Angabe dieser die Messung des produzierten und verarbeiteten Daten ist jedoch freiwillig und die Datensätze sind Erdgases bestimmt. So können Rückschlüsse auf die nicht immer vollständig. Zudem sind nicht alle An- Menge des Erdgases getroffen werden, das während gaben verlässlich. Einige der größten Abfackelländer, der Produktion verloren gegangen ist. Daten auf Un- zum Beispiel China, geben entweder keine oder im ternehmens- und Länderebene gelten zwar zumin- Vergleich mit den per Satellit erhobenen Daten sehr dest in Industrieländern oft als relativ genau, bieten geringe Mengen an (EIA 2013a). aber aufgrund unterschiedlicher Methoden wenige Vergleichsmöglichkeiten. In manchen Fällen werden Beim Abblasen ist die Datenlage noch schwächer. Sie Daten zum Abfackeln und Abblasen zusammenge- beruht weitgehend auf Schätzungen und indirekten fasst, in anderen Fällen werden sie getrennt vonei- Messungen. Seit einigen Jahren gibt es jedoch Mess- nander aufgeführt. Auch ist bei der Datenerhebung methoden, die über Infrarotlicht Erdgasentweichun- nicht immer von gleichen Standards auszugehen. gen sichtbar machen können. Auf internationaler Ebene veröffentlichen die Methane to Markets Auf internationaler Ebene hat die US-Wetterbehörde Initiative und die daraus hervorgegangene Global (National Oceanic and Atmospheric Administra- Methane Initiative Informationen und treiben den tion, NOAA) im Auftrag der GGFR von 1994 bis 2010 Austausch über vorbildhafte Verfahren voran. Ins Daten für 60 Länder erhoben. Seit 2011 liegen nur gesamt schätzt die Global Methane Initiative die Daten für die 20 Länder vor, in denen am meisten Menge der Methanemissionen aus dem Erdöl- und Erdölbegleitgas abgefackelt wird (NOAA 2012, GGFR Erdgassektor weltweit auf 1,6 Milliarden Tonnen 2012). Mithilfe von Satelliten-Nachtaufnahmen CO2-Äquivalent (Global Methane Initiative 2011). werden bei wolkenlosem Himmel Lichtquellen und deren Intensität gemessen. Die festgestellte Lichtin- Die Studie beruht auf Daten zum Abfackeln von Erd- tensität wird mit den durch Umfragen gesammelten ölbegleitgas der NOAA sowie der EIA aus dem Jahr Daten verglichen und daraus ein Messwert gebildet. 2011. Aufgrund der Unvollständigkeit der Datensätze Jedoch sind die Abweichungen hierbei relativ groß. mussten zum Teil jedoch auch Daten aus dem Jahr 2010 für die Analyse herangezogen werden.
10 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 5. Abfackeln als globale und regionale Herausforderung 5.1 Globale Übersicht 2011 betrug die Menge des abgefackelten Erdgases Kubikmeter pro Jahr. Da im gleichen Zeitraum die laut GGFR (2012) 140 Milliarden Kubikmeter. Dies Erdölproduktion anstieg, wird es als Verbesserung entspricht rund 4,2 Prozent der globalen Erdgasför- angesehen, dass die damit assoziierte Menge an ab- derung von 3.337 Milliarden Kubikmetern im Jahr gefackeltem Erdölbegleitgas nicht gestiegen ist. Ein 2011 (BGR 2012). Die zwanzig größten Abfackellän- Vergleich der Menge an abgefackeltem Erdgas zeigt, der trugen mit über 85 Prozent zur Gesamtmenge dass das Abfackeln von Erdgas ein globales Problem des abgefackelten Erdgases bei. Mit 37,4 Milliarden ist und nicht auf ein spezifisches Land oder eine Re- Kubikmetern wird in Russland am meisten Erdgas gion reduziert werden kann. Mengenmäßig am meis- abgefackelt, mehr als doppelt so viel wie im zweit- ten abgefackelt wird größtenteils immer noch dort, platzierten Land Nigeria mit 14,6 Milliarden Kubik- wo auch am meisten Erdöl produziert wird (Seite 11). metern (GGFR 2012). Die Menge des abgefackelten Neben der Erdölproduktion spielen auch weitere Erdgases schwankte laut NOAA (2012) im Zeitraum Faktoren eine Rolle bei der Entscheidung für oder von 1994 bis 2011 zwischen 138 und 175 Milliarden gegen das Abfackeln. Dazu zählen Rohstoffpreise, geologische Gegebenheiten wie die Größe der Erdöl- begleitgasvorkommen oder die Art des Erdgases, der Land Abgefackeltes Erdgas Zugang zu Technologien und Finanzierungsmöglich- in Mrd. Kubikmetern keiten sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen. 1 Russland 37,4 2 Nigeria 14,6 3 Iran 11,4 5.2 Abfackeln in Entwicklungsländern 4 Irak 9,4 5 USA 7,1 Die entwicklungspolitische Relevanz des Themas 6 Algerien 5,0 erschließt sich vor allem durch einen Vergleich der 7 Kasachstan 4,7 abgefackelten Menge an Erdgas mit der im Land pro- 8 Angola 4,1 duzierten Menge an Kohlenwasserstoffen. Während 9 Saudi-Arabien 3,7 Staaten mit einem hohen Einkommen wie Industrie 10 Venezuela 3,5 staaten oder auch Saudi-Arabien zusammen zu 25 11 China 2,6 12 Kanada 2,4 Prozent der weltweit abgefackelten Mengen beitra- 13 Libyen 2,2 gen, lag ihr entsprechender Anteil an der Erdöl- und 14 Indonesien 2,2 Erdgasproduktion im Jahr 2011 bei über 40 Prozent 15 Mexiko 2,1 (NOAA 2012, EIA 2013a, BGR 2012).4 Bei Ländern 16 Katar 1,7 mit geringem und mittlerem Einkommen kehrt sich 17 Usbekistan 1,7 dieses Verhältnis um (Seite 12). Aufgrund fehlender 18 Malaysia 1,6 Rahmenbedingungen und einer unzureichenden 19 Oman 1,6 20 Ägypten 1,6 4 Die Datensätze der NOAA und EIA enthalten Angaben zu der Men- Top-20-Länder nach Anteil an der Menge des weltweit abgefackel- ge an abgefackeltem Erdölbegleitgas. Die Daten der BGR beziehen ten Erdgases in Milliarden Kubikmetern im Jahr 2011 (GGFR 2012) sich ausschließlich auf die Menge an produziertem Erdöl und Erdgas.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 11 Kanada 1,7 % Russland 26,7 % Kasachstan 3,4 % USA 5,1 % China 1,9 % Algerien 3,6 % Mexiko 1,5 % Usbekistan 1,2 % Venezuela 2,5 % Malaysia 1,1 % Nigeria 10,4 % Iran 8,1 % Indonesien 1,6 % Angola 2,9 % Oman 1,1 % Katar 1,2 % Irak 6,7 % Saudi-Arabien 2,6 % Ägypten 1,1 % Libyen 1,6 % Top-20-Länder nach Anteil an der Menge des weltweit abgefackelten Erdgases in Prozent im Jahr 2011 (GGFR 2012) Norwegen 2,3 % Kanada 4,1 % Russland 12,7 % Kasachstan Großbritannien 1,3 % 2,1 % USA 8,8 % China 5,1 % Algerien 2,3 % Mexiko 3,6 % Venezuela 3,9 % Indonesien 1,2 % Nigeria 3,0 % Iran 5,1 % Angola 2,1 % VAE 3,5 % Katar 1,6 % Brasilien 2,9 % Kuwait 3,4 % Irak 3,4 % Saudi-Arabien 13,2 % Top-20-Länder nach Anteil an der globalen Erdölproduktion in Prozent im Jahr 2011 (BGR 2012)
12 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 5.3 Regionale Unterschiede – Afrika im Vergleich Länder mit niedrigem Einkommen Ein Zusammenhang zwischen Bruttonational Länder mit niedrigem einkommen und Abfackelintensität, dem Verhältnis mittleren Einkommen der Menge an abgefackeltem Erdgas zur gesamten Kohlenwasserstoffproduktion, lässt sich auch in Länder mit höherem mittleren Einkommen regionalen Vergleichen bestätigen. Gründe sind die mangelnde Infrastruktur in einzelnen Regionen und Länder mit hohem die fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen zur Einkommen Regulierung des Abfackelns. 0 20 % 40 % 60 % Anteil an weltweiter Erdgasproduktion In Afrika, wo 33 der 48 am wenigsten entwickelten Anteil an weltweiter Erdölproduktion Länder liegen, wird weltweit am meisten Erdgas pro Anteil an der Menge des weltweit abgefackelten Erdgases produzierter Tonne Kohlenwasserstoffe abgefackelt. Die Abfackelintensität liegt in Afrika bei über 50 Prozentualer Anteil an der weltweit abgefackelten Erdgas- Tonnen pro 1.000 Tonnen. Im Vergleich dazu liegt die menge und Kohlenwasserstoffproduktion nach Bruttonational- einkommen im Jahr 2011 (NOAA 2012, EIA 2013a, BGR 2012) Abfackelintensität in Asien und Lateinamerika nur bei jeweils zehn beziehungsweise zwölf Tonnen pro 1.000 Tonnen. Regionen mit einer hohen Kohlenwas- I nfrastruktur ist ihr Anteil an der weltweit abgefa- serstoffproduktion wie Eurasien und der Nahe Osten ckelten Menge an Erdgas generell höher als der An- liegen mit rund 30 und 40 Tonnen pro 1.000 Tonnen teil an der Erdöl- und Erdgasproduktion. ebenfalls unter dem afrikanischen Durchschnitt. Vergleicht man den Anteil an der weltweit abge- Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass fackelten Menge an Erdgas mit dem Anteil an der Daten zum Abfackeln nur für wenige Länder mit globalen Erdölproduktion, wird das entsprechende geringem Einkommen vorliegen.5 Für die Länder Ungleichgewicht ebenfalls deutlich6 (NOAA 2012, mit mittlerem und hohem Einkommen, in denen 90 EIA 2013a, BGR 2012; Seite 13)7. Prozent der globalen Erdöl- und Erdgasproduktion stattfinden, sind die Daten weitgehend vollständig. Auch innerhalb Afrikas gibt es Unterschiede. Wäh- Ein Vergleich dieser Daten mit der Gesamtmenge an rend die Abfackelintensität in Nordafrika 2011 nur abgefackeltem Erdölbegleitgas lässt Rückschlüsse auf bei ungefähr 30 Tonnen pro 1.000 Tonnen lag, also den Anteil am abgefackelten Erdgas der Länder mit vergleichbar ist mit Eurasien, war sie in Subsahara- geringem Einkommen zu. Daher lässt sich ein gene- Afrika mit 70 Tonnen pro 1.000 Tonnen mehr als reller Zusammenhang zwischen Bruttonationalein- doppelt so hoch. Durchschnittlich ist in Nordafrika kommen und der Abfackelintensität nachweisen. 6 Der Vergleich bezieht sich auf die produzierten und abgefackelten 5 Für 2011 liegen sogar nur für zwei Länder Daten vor: Tschad und Mengen im Jahr 2011. Für Russland musste aufgrund fehlender Myanmar (Daten der EIA). Um einen genaueren Vergleich zu Daten auf Daten aus dem Jahr 2010 zurückgegriffen werden. gewährleisten, wurden daher auch Daten der NOAA aus dem Jahr 7 Die Angabe erfolgt nach eigenen Berechnungen auf Basis der Daten 2010 für zwei weitere Länder, die Demokratische Republik Kongo zur Menge an abgefackeltem Erdölbegleitgas der GGFR und Daten und Mauretanien, herangezogen. zur globalen Erdöl- und Erdgasproduktion der BGR.
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 13 Afrika 11 % 16 % GUS 15 % Afrika 30 % 4 % Europa 1 % 10 % Austral-Asien 7 % 10 % Lateinamerika 11 % Naher Osten Naher Osten 32 % 17 % Nordamerika 10 % 26 % Regionale Anteile an der globalen Erdölproduktion im Jahr 2011 (links) und regionale Anteile an der Menge des weltweit abgefackelten Erdgases im Jahr 2011 (rechts), jeweils in Prozent (EIA 2013a, BGR 2012) mit noch geringeren Werten zu rechnen (NOAA Außerhalb Afrikas ließen sich 2011 auch einzelne Län- 2012, EIA 2013a, BGR 2012)8. Im Jahr 2011 kam es in der mit vergleichsweise hohen Abfackelintensitäten Libyen aufgrund der politischen Unruhen zu Pro- identifizieren. In Südamerika lagen Chile, Venezuela duktionsstillegungen, weshalb aus sicherheitstechni- und Ecuador über dem Weltdurchschnitt, der nach schen Gründen verhältnismäßig mehr Erdgas als in den vorliegenden EIA- bzw. NOAA-Daten 2010/11 je den Jahren zuvor abgefackelt wurde. nach Datensatz zwischen 20,5 und 22,1 Tonnen pro 1.000 Tonnen lag. In Südostasien lagen Indonesien, In Subsahara-Afrika bilden die hohen Abfackel Papua-Neuguinea, Vietnam und die Philippinen über intensitäten jedoch keine Ausnahme. Einzelne Staa- dem globalen Durchschnitt. Im Nahen und Mittleren ten wie Kamerun (247 Tonnen pro 1.000 Tonnen) Osten stach neben Jemen vor allem der Irak hervor, und die Demokratische Republik Kongo (324 Tonnen darüber hinaus auch Iran, Syrien und Oman. Kasachs- pro 1.000 Tonnen) lagen 2011 sogar weit über dem tan, Russland und Usbekistan sind weitere Länder, die Durchschnitt Subsahara-Afrikas. Auch Nigeria und im Vergleich zur Produktion hohe Mengen an Erdgas Angola, die zu den Top 20 der GGFR gehören, lagen abfackelten (NOAA 2012, EIA 2013a, BGR 2012)10. Viele mit 100 beziehungsweise 75 Tonnen pro 1.000 Ton- von den genannten Ländern gehören auch in absoluten nen darüber. Ausnahmen in Subsahara-Afrika bilde- Mengen zu den Ländern, in denen weltweit am meisten ten nur die Elfenbeinküste, Mauretanien, Sudan und abgefackelt wird. Positiv zu bewerten ist jedoch, dass die Tschad. Hier lagen die Abfackelintensitäten zwischen Anzahl der Länder über dem weltweiten Durchschnitt acht und 25 Tonnen pro 1.000 Tonnen (NOAA 2012, im Vergleich zu 2009 abgenommen hat. Dies belegt, EIA 2013a, BGR 2012)9. dass einzelne Länder bereits Maßnahmen zur Reduk- tion des Abfackelns von Erdölbegleitgas umsetzen. 8 Ebd. 10 Ebd. 9 Ebd.
14 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 6. Nutzung von Erdölbegleitgas Möglichkeiten zur Reduzierung des Abfackelns von Vorher durchläuft das Erdgas verschiedene Reini- Erdölbegleitgas bieten sich durch die wirtschaftliche gungsprozesse. Nutzung des Erdgases. Dazu zählen: Der Transport des Erdgases von der Weiterverarbei- > die Weiterverarbeitung von Erdölbegleitgas zu tungsanlage zu den Kunden kann auf unterschied- einem vermarktbaren Produkt, beispielsweise liche Weise erfolgen. Neben der Einspeisung in in Form von Pipelines kann das Erdgas auch durch Kühlung auf — Erdgas für Pipelines minus 164 Grad Celsius zu Flüssiggas verarbeitet und — Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) anschließend per Schiff transportiert werden. Um — flüssiges Propangas (Liquified Petroleum Gas, das Erdgas nach dem Transport wieder nutzbar zu LPG) zum Kochen und für den Transportsek- machen, muss der Abnehmer zudem über Anlagen tor zur Regasifizierung des flüssigen Erdgases verfügen. — komprimiertes Erdgas (Compressed Natural Dies bietet sich für weite Transportwege oder Regio- Gas, CNG) für den Transportsektor nen an, die nicht durch Pipelinesysteme verbunden — Erdgas zur Herstellung petrochemischer Pro- sind. Weitere Formen verflüssigten Erdgases für un- dukte wie Ethin, das als Ausgangsprodukt terschiedliche Nutzungen sind komprimiertes Erd- zur Herstellung von Gummi und Drucker- gas für den Transportsektor und flüssiges Propangas, schwärze genutzt wird das als Brennstoff zum Kochen dient. > die Re-Injektion von Erdölbegleitgas in das Erdölfeld zur verbesserten Erdölgewinnung 6.1.2 Ausgangsstoff für petrochemische Produkte > Die Nutzung von Erdölbegleitgas zur Strom Eine weitere Nutzungsmöglichkeit ist die Abtren- gewinnung für die eigenen Anlagen und die nung von im Erdgas enthaltenen Stoffen wie Methan umliegenden Ortschaften zur Herstellung von Ausgangsstoffen für die petro- chemische Industrie. Mit Hilfe von Methan können Um das Erdgas zu nutzen, muss es zunächst auf- beispielsweise stickstoffhaltige Düngemittel herge- bereitet werden. Generell müssen unerwünschte stellt werden. Viele Entwicklungsländer, in denen Bestandteile im Erdgas wie Stickstoff, Kohlendioxid, Erdölbegleitgas abgefackelt wird, haben dieses Ver- Quecksilber oder Schwefelwasserstoffe entfernt wer- fahren in ihre Pläne zur Nutzung des Erdölbegleitga- den, da diese zu Schäden an den Förder- und Trans- ses integriert. porteinrichtungen führen können. Das erfordert Investitionen in Anlagen und in Infrastruktur, die sich je nach Nutzung unterscheiden. 6.2 Re-Injektion von Erdölbegleitgas Neben der Weiterverarbeitung zu einem vermarkt- 6.1 Weiterverarbeitung zu einem baren Produkt kann Erdgas auch in das Erdölfeld vermarktbaren Produkt reinjiziert werden. Hierbei wird das Erdgas wieder in die Erdöllagerstätte verpresst, um den Druck für 6.1.1 Erdgas für Pipelines und Herstellung von eine konstantere Erdölförderung aufrechtzuerhalten verflüssigtem Erdgas und sie damit zu erhöhen. Allerdings muss auch hier Generell wird Erdgas auf kontinentaler Ebene vor das Erdgas zunächst aufbereitet werden. Diese Mög- allem unterirdisch durch Pipelines transportiert. lichkeit ist in der Vergangenheit zunehmend genutzt
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 15 worden und hat dazu beigetragen, dass die Menge an Standorts sowie seine Anbindung an bereits beste- weltweit abgefackeltem Erdgas trotz steigender Erd- hende Verarbeitungskapazitäten und die Infrastruk- ölförderraten größtenteils konstant blieb (BGR 2009). tur. Entscheidend ist außerdem die Nachfrage nach Seit 2007 befinden sich die Re-Injektionsraten jedoch dem Produkt. Wenn beispielsweise nur ein geringer auf einem relativ konstanten Level (EIA 2013b). Aus Teil der Bevölkerung Zugang zur Stromversorgung geologischen Gründen bietet sich dieses Verfahren hat, wird es schwierig, neue potenzielle Abnehmer hauptsächlich für Erdölfelder mit einer primären für den zu produzierenden Strom zu finden, ohne oder sekundären Gaskappe an.11 auch in die entsprechende Infrastruktur zu investie- ren. Die Erhöhung der Nachfrage ist deshalb eng mit Investitionen in die Infrastruktur gekoppelt. Auf der 6.3 Nutzung zur Stromgewinnung Nutzenseite ist vor allem der gegenwärtige Markt- wert des Erdgases entscheidend. Auch politische Fak- Eine weitere Möglichkeit ist, das Erdölbegleitgas toren nehmen Einfluss auf die Entscheidung eines nicht einfach abzufackeln, sondern zu verbrennen, Betriebes. Liegen die Nutzungsrechte des Erdgases um es energetisch für die Strom- und Wärmegewin- beispielsweise beim Staat, bestehen keine Anreize für nung zu nutzen. Je nach Menge können Strom und ein Unternehmen, das Erdgas zu nutzen. Außerdem Wärme für die Anlage selbst oder auch umliegende können regulative Maßnahmen wie Verbote und Ortschaften verwendet werden. Dies lohnt sich vor Vorgaben entscheidend sein. Eventuelle Strafzahlun- allem, wenn keine Infrastruktur für das Erdgas, aber gen können die Nutzung attraktiver machen. Auch eine Infrastruktur für die Übertragung von Strom Anreizsysteme, die die Kosten-Nutzen-Rechnung be- vorhanden ist. Beim Verbrauch in der Anlage selbst einflussen, spielen eine Rolle. Möglich sind beispiels- zur Abdeckung der eigenen Stromversorgung ist weise Steuervergünstigungen für Unternehmen, die nicht einmal dies notwendig. das Erdölbegleitgas nutzen. 6.4 Einflussfaktoren auf betrieblicher Ebene Betriebe stellen die Kosten für Weiterverarbeitung und Transport des Erdgases dem Nutzen aus Vertrieb und Ersparnissen durch Eigennutzung gegenüber. Für die Kosten der Anlage spielen die insgesamt zur Verfügung stehende Menge an Erdgas und dessen Zusammensetzung eine Rolle, da beispielsweise ein höherer Schwefelanteil eine aufwendigere Verarbei- tung erfordert. Weitere Faktoren sind die Lage des 11 Die Re-Injektion von Erdgas in eine Lagerstätte mit primärer oder sekundärer Gaskappe führt dazu, dass der Druck auf die erdölfüh- rende Schicht aufrecht erhalten wird und das Erdöl in Richtung der Förderbohrungen strömt. Abfüllung von flüssigem Propangas (LPG) in Indonesien
16 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 7. Chancen und Herausforderungen für Entwicklungsländer 7.1 Chancen für Entwicklungsländer Die Entscheidung zur Nutzung von Erdölbegleitgas damit zu Mehreinnahmen für die beteiligten Fir- ist komplex und von einer Vielzahl von Faktoren men führen sowie die Einnahmen des Staates über abhängig. Dennoch bietet die Nutzung von Erdöl- eine angemessene Besteuerung steigern. Ähnliches begleitgas enorme Chancen, gerade für Entwick- gilt für den Export des Erdgases. Als Option besteht lungsländer. Die Re-Injektion des Erdgases kann alternativ die Möglichkeit, den Erdgasverbrauch beispielsweise die Erdölförderung erhöhen und im Land selbst zu erhöhen. So kann die Stromver- Entwicklungen auf den Erdgasmärkten Gemessen am Primärenergieverbrauch war Erdgas 2011 1.000 Kubikfuß. Außerhalb Nordamerikas zogen die der drittwichtigste Energieträger nach Erdöl und Hart- ölpreisgebundenen Gaspreise im Berichtsjahr aufgrund kohle. Da Erdgas vergleichsweise emissionsarm und steigender Rohölpreise dagegen deutlich an. Erdgas geologisch betrachtet noch in großen Mengen vorhan- war in Europa bis zu dreieinhalbmal so teuer wie in den den ist, wird ihm zukünftig das stärkste Wachstumspo- USA. Die Preise in den von LNG-Importen abhängigen tenzial eingeräumt. Ländern Japan und Korea lagen Ende 2011 nochmals gut 40 Prozent über den deutschen Preisen. Dort setzte Obwohl in den OECD-Ländern ein Rückgang der sich 2011 der Aufwärtstrend bei den Grenzübergangs- Nachfrage nach Erdgas zu verzeichnen ist, wächst die preisen für Erdgas insgesamt weiter fort. Der Grenz- Nachfrage vor allem in den Schwellenländern stetig. übergangspreis zeigt den Preis des Erdgases an der Aufgrund dieser Entwicklung ist die Erdgasförderung deutschen Grenze. Dieser folgte in Langzeitverträgen um drei Prozent auf 3.337 Milliarden Kubikmeter im in der Vergangenheit aufgrund einer Kopplung an den Jahr 2011 gestiegen. Dieser Anstieg ist vor allem auf Erdölpreis in der Regel mit einer gewissen Zeitverzö- einen Ausbau der nicht-konventionellen Erdgasförde- gerung den Preisen für Mineralöl. Neuere Verträge be- rung in den USA und der Erdgasproduktion aus konven- inhalten bereits Klauseln, die Gas-Terminmarktindizes tionellen Lagerstätten in Russland zurückzuführen. und Spotmarktpreise berücksichtigen und damit dem Trend einer zunehmenden Entkopplung vom Erdölpreis Weltweit funktionieren die regionalen Erdgasmärkte folgen. Generell wird der Erdgaspreis maßgeblich durch weitgehend unabhängig voneinander. Aufgrund der die im Vergleich zu Erdöl und Kohle deutlich höheren Schiefergasrevolution ist Erdgas in den Vereinigten spezifischen Transportkosten beeinflusst. Staaten kontinuierlich günstiger geworden und wird heute dank des reichlichen Angebots auf dem nord- Durch die zunehmende Ausweitung des Handels, insbe- amerikanischen Markt zu den günstigsten Konditionen sondere des seewärtigen Transports mittels Flüssiggas, aller liberalisierten Märkte gehandelt. Die Ausweitung werden bisher voneinander getrennte Regionen immer der Schiefergasproduktion drückte den dortigen Erd- flexibler miteinander vernetzt. Daher ist mittel- bis gaspreis, den Henry-Hub-Spotpreis, Ende Dezember langfristig eine Entwicklung zu einem globalen Markt 2011 auf rund drei US-Dollar je 1.000 Kubikfuß. Im zu erwarten. Die Bedeutung des Gas-Spotmarkts wird April 2012 rutschte er sogar unter zwei US-Dollar je weiter zunehmen (BGR 2012).
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 17 sorgung eines Landes verbessert oder eine erdgas- gering. Da Subsahara-Afrika exemplarisch für eine verbrauchende Industrie aufgebaut werden. Beide Vielzahl von Problemen in Entwicklungsländern ist, Aspekte haben viele Vorteile. Es entstehen Beschäf- liegt der Fokus dieser Studie bei der Betrachtung der tigungsmöglichkeiten oder Übertragungseffekte Herausforderungen auf dieser Region. in weitere Wirtschaftszweige. Allein eine flächen- deckendere Stromversorgung verbessert die Infra- 7.2.1 Mangelnder Zugang zu Erdgasmärkten struktur. Außerdem können eine petrochemische Insgesamt produziert Afrika immer noch mehr Industrie aufgebaut und Produkte, deren Herstellung Erdgas als es verbraucht. Mit 197,6 Milliarden Kubik- auf der Verwendung von Erdgas basieren, im Land metern erzeugten die Länder Afrikas – allen voran produziert werden. Alle genannten Optionen erge- Ägypten, Algerien und Nigeria – rund 5,9 Prozent ben einen erheblichen Mehrwert für die betroffenen des weltweiten Erdgases im Jahr 2011. Der Verbrauch Entwicklungsländer. lag mit 3,1 Prozent bei nur etwas mehr als der Hälfte (BGR 2012). Zudem wird davon ausgegangen, dass Im Hinblick auf die wirtschaftliche Nutzung für den die Staaten Nordafrikas sowie Südafrika den größten Export sind auch die Entwicklungen auf den Erd- Anteil am Erdgas verbrauchten (UNECA 2005). gasmärkten zu analysieren (Seite 16). Inwiefern die Dies liegt vor allem daran, dass Erdgasmärkte in den Aufbereitung und Vermarktung von Erdölbegleitgas meisten Ländern in Subsahara-Afrika fehlen. Die gegenüber der Förderung und Vermarktung von kon- geringfügig ausgebaute Infrastruktur ist hierfür ein ventionell und unkonventionell gefördertem Erdgas wichtiger Grund. Während Erdgas in industriali- wie zum Beispiel Schiefergas wettbewerbsfähig sein sierten Ländern neben der Stromgewinnung haupt- kann, hängt von den Rahmenbedingungen ab und sächlich zum Heizen, Kochen und zur Herstellung muss von Fall zu Fall entschieden werden. petrochemischer Produkte verwendet wird, besteht in den meisten afrikanischen Ländern weder ein Den weiteren Nutzungsmöglichkeiten stehen viele Heizbedarf noch gibt es eine Industrie, die Erdgas in Herausforderungen gegenüber. Hierfür müssen nicht großen Mengen einsetzt. Die Elektrifizierungsrate nur rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, Subsahara-Afrikas ist mit 32 Prozent die niedrigste sondern auch Lösungen gefunden werden, wie die weltweit und liegt deutlich unter dem Durchschnitt notwendigen Voraussetzungen für die lokale und re- aller Entwicklungsländer mit 76 Prozent (IEA 2012b). gionale Erdgasnutzung realisiert werden können. Auch zum Kochen werden oft traditionelle Ener- gieträger wie Holz oder Dung verwendet. Damit die Menschen künftig mit Erdgas kochen, müssen diese 7.2 Herausforderungen für zunächst für die Vorteile sensibilisiert und davon Entwicklungsländer überzeugt werden, in geeignete Herde zu investieren. Gerade die Faktoren Infrastruktur und Nachfrage 7.2.2 Schwache Infrastruktur stellen Entwicklungsländer bei der Nutzung von Das Fehlen von Märkten und eine mangelhafte Erdölbegleitgas vor besondere Herausforderungen. Infrastruktur bedingen sich gegenseitig. Eine Infra- Das gilt vor allem für Subsahara-Afrika. Hier sind struktur wird nur errichtet oder ausgebaut, wo eine im regionalen Vergleich am wenigsten Menschen an Nachfrage vorhanden ist. Die fehlende Infrastruktur die Stromversorgung angeschlossen. Zudem gibt es wiederum führt dazu, dass die Nutzung des Erdgases hier nur wenige Großkunden. Die Nachfrage ist also wirtschaftlich unattraktiv bleibt. Exportmärkte kön-
18 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen nen bei großen Erdgasmengen eine Alternative dar- Neben den Schwierigkeiten mit bereits bestehenden stellen. Aber auch hier fallen hohe Investitionskosten und geplanten Pipelines steht die Region vor wei- für die benötigte Infrastruktur an. Zudem muss die teren Herausforderungen. In Westafrika liegen die Entwicklung auf den Märkten weltweit (Seite 16) be- meisten Erdölfelder vor der Küste im Golf von Gui- obachtet werden. Dabei kommt Erdgas in Subsahara- nea und damit abseits von möglichen Verbrauchs- Afrika durchaus lokal zum Einsatz. Es wird unter zentren. Sie können also nur nach Investitionen in anderem in Nigeria, Kenia und Togo auch zur Strom- die Transportinfrastruktur genutzt werden. erzeugung verwendet (Eberhard & Gratwick k.A.). Während die Kosten für Offshore-Pipelines in den 7.2.2.1 Das Fehlen regionaler Erdgaspipelines letzten Jahren gesunken sind, lohnen sich die In- Regionale Erdgaspipelines könnten einen Beitrag vestitionen in feste, langfristige Pipelinesysteme dazu leisten, den Markt und damit die Nachfrage für nur, wenn ausreichend Erdgas über einen längeren das vorhandene Erdgas zu vergrößern. Allerdings Zeitraum zur Verfügung steht. Gerade bei kleineren gibt es in der Region bisher kaum regionale Märkte Feldern erweisen sich Investitionen oft als nicht und Pipelines. Gebaut wurde bereits die 678 Kilome- wirtschaftlich. Inzwischen gibt es die Möglichkeit, ter lange West Africa Gas Pipeline, die Nigeria mit das Erdölbegleitgas schon auf See zu verarbeiten, Benin, Togo und Ghana verbindet. Diese Pipeline beispielsweise zu LNG, um das verflüssigte Erdgas wird seit 2008 von der West African Gas Pipeline anschließend per Schiff zu transportieren. Company Ltd., einem Gemeinschaftsunternehmen von Chevron, der Nigerian National Petroleum Cor- 7.2.2.2 LNG-Anlagen als Alternative zu Pipelines poration NNPC, Shell, Takoradi Power Limited, der Eine alternative Möglichkeit, die Auslandsmärkte Societé Togolaise de Gaz und der Societé BenGaz zu beliefern, ist die Produktion von LNG, das in betrieben (WAPCO 2013). Indem die Pipeline auch Druckcontainern verschifft wird. Nigeria, Äquato- Erdölbegleitgas aus Nigeria in die Nachbarländer transportiert, sollte das Abfackeln in Nigeria re- duziert werden (World Bank 2013). Aufgrund von Problemen während der Konstruktion der Pipeline musste die Inbetriebnahme mehrfach verschoben werden. Im August 2012 kam es zu einem weiteren Stillstand. Zurückzuführen sind die Verzögerungen vor allem auf technische und sicherheitsbedingte Probleme in Nigeria. Ein weiteres geplantes Projekt ist die 4.500 Kilometer lange Trans-Saharan Pipeline, die von Nigeria über den Niger bis nach Algerien führen soll. Von dort aus könnte das nigerianische Erdgas auch nach Europa geliefert werden. Es gibt jedoch noch Bedenken, ob das Projekt realisiert werden kann (African Energy 2013a). Verschiffung von LNG in Druckcontainern
Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 19 rialguinea und Angola haben bereits eigene LNG- ckeln oder Abblasen von Erdölbegleitgas in diesen Produktionen. Die LNG-Anlage im angolanischen Fällen zu vermeiden, ist es Aufgabe des Staates, die Soyo soll zudem anfangs ausschließlich zur Verar- Nutzung sicherzustellen. beitung von Erdölbegleitgas genutzt werden. Andere Länder wie die Elfenbeinküste und Kenia planen In einzelnen Ländern wie Nigeria gibt es bereits seit Anlagen zur Re-Gasifizierung des Flüssiggases, um 1979 Vorgaben und Verbote bezüglich des Abfackelns die Nutzung zu ermöglichen (African Energy 2013a). von Erdölbegleitgas. Die darin vorgegebenen Fristen Da sich der Bau von LNG-Anlagen erst bei größeren zum Stopp des Abfackelns sind jedoch mehrfach Erdgasvorkommen lohnt, muss jedes Einzelvorhaben verschoben worden. Auch heute zahlen Firmen lieber darauf geprüft werden, ob das Erdölbegleitgas wirt- die geringen Bußgelder anstatt in Anlagen zur Nut- schaftlich genutzt werden kann. zung von Erdölbegleitgas zu investieren (UNFCCC k. A.). Der politische Wille zur Durchsetzung der Vor- 7.2.2.3 Optionen zur regionalen und nationalen gaben sowie Kapazitäten, diese auch kontrollieren zu Vermarktung: LPG, CNG und Stromerzeugung können, spielen daher eine wichtige Rolle. Neben LNG für den Export und der Direktbeliefe- rung mit Erdgas kann auch Flüssiggas wie Propan Es gibt auch positive Entwicklungen zur Verbesse- oder Butan hergestellt werden, das sich zum Kochen rung der rechtlichen Rahmenbedingungen. In einigen eignet. Diese Möglichkeit bietet sich auch für klei- Ländern Subsahara-Afrikas, die die Erdölproduktion nere Erdgasvorkommen an. In einigen Ländern wie aufgenommen haben, wird das Abfackeln von Erd- etwa Ghana stellen Produktionsanlagen LPG her ölbegleitgas inzwischen in die Planungen und recht- (Quaye-Foli, 2002). Für die Vermarktung müssen lichen Regelwerke einbezogen. So hat Ghana, das eine Infrastruktur und ein Markt geschaffen werden. seit Dezember 2010 Erdöl produziert, von Anfang an Wichtig ist, dass die potenziellen Kunden Herde be- eine Politik zum Stopp des Abfackelns (Zero Flaring sitzen, die das Kochen mit Propangas ermöglichen. Policy) angekündigt. Die Ghana National Petroleum Alternativ kann Erdölbegleitgas auch zur Gewin- Corporation (GNPC) hat bereits Pläne zur Nutzung nung von Compressed Natural Gas (CNG) für den von Erdölbegleitgas aus dem Jubilee Field erstellt Transportsektor genutzt werden. Bisher sind erdgas- (GNPC 2008). betriebene Fahrzeuge allerdings selbst in Industrie- ländern nur wenig verbreitet. Während die Probleme aufgrund der fehlenden Infrastruktur, der Erdgasmärkte und rechtlichen Als weitere Option kann Erdgas zur direkten Strom- Rahmenbedingungen in Subsahara-Afrika am erzeugung vor Ort genutzt werden. Allerdings fehlt größten erscheinen, stehen auch andere Regionen es vor allem in ländlichen Gebieten oft an Netzen zur vor ähnlichen Herausforderungen. Mangelnde Stromübertragung. Marktanbindung und das Fehlen von Infrastruktur sowie fehlende Erfahrungen mit der Regulierung des 7.2.3 Fehlen eines rechtlichen Rahmens Erdöl- und Erdgassektors spielen auch in anderen Neben dem mangelnden Zugang zu den Erdgasmärk- Entwicklungs- und Schwellenländern eine bedeut- ten und der schwachen Infrastruktur fehlen in vielen same Rolle. Ländern auch die rechtlichen Rahmenbedingungen. In Ländern wie Angola steht Unternehmen das Recht zur Nutzung des Erdgases nicht zu. Um das Abfa-
20 Nutzen statt Abfackeln von Erdölbegleitgas – Chancen und Herausforderungen 8. Ansätze zur Reduzierung des Abfackelns von Erdölbegleitgas Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler 8.1.1 Naher Osten und MENA-Region Ebene gibt es Ansätze, das Abfackeln von Erdöl Die meisten Staaten der Region wollen Erdgas vor begleitgas in Entwicklungsländern zu reduzieren. allem für die eigene Stromversorgung und den Diese basieren auf integrierten Ansätzen, die zum Aufbau einer eigenen Industrie nutzen. Das erfolg- Ziel haben, geeignete Rahmenbedingungen zu schaf- reichste Beispiel ist Saudi-Arabien, welches in den fen, die Infrastruktur auszubauen und die Märkte 1970ern in den umfassenden Aufbau einer Erdgas- für Erdölbegleitgas zu erweitern. Die Übertragbar- infrastruktur investierte, um Erdölbegleitgas für keit einzelner Ansätze muss von Fall zu Fall geprüft die eigene Stromversorgung und den Aufbau einer werden. Sie bieten jedoch erste Anhaltspunkte für chemischen Industrie im Land zu nutzen. Das saudi- entscheidende Maßnahmen zur Reduzierung des Ab- arabische Erdgassystem gilt als das größte Kohlen- fackelns. Zusätzlich werden im Folgenden Probleme wasserstoffnetzwerk der Welt. Mit dem Ausbau der in der Implementierung von Maßnahmen dargelegt, Infrastruktur hat auch die Nachfrage nach Erdgas die darauf hinweisen, dass diese nur in Verbindung stark zugenommen: Der Eigenverbrauch von Erdgas mit der Stärkung staatlicher Kapazitäten erfolgreich hat sich von 3,7 Milliarden Kubikmetern im Jahr umgesetzt werden können. 1975 auf 92,2 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2011 mehr als verzwanzigfacht (BGR 2012). Die Menge an abgefackeltem Erdgas hingegen ist zwischen Anfang 8.1 Nationale Ansätze der 1980er und 2011 um das Zehnfache von 38 Mil- liarden Kubikmeter auf 3,7 Milliarden Kubikmeter In den erdölfördernden Industriestaaten wie bei- zurückgegangen. Auch wenn Saudi-Arabien mit spielsweise Kanada sind erste Maßnahmen zur Redu- Rang neun im Jahr 2011 mengenbezogen weiterhin zierung des Abfackelns bereits in den 1930er Jahren zu den Ländern mit den höchsten Abfackelraten ge- getätigt worden. Die Reduzierung ging dabei stets hört, liegt es im Vergleich zur Kohlenwasserstoffpro- mit dem Aufbau eines Markts für das Erdgas einher. duktion weit unterhalb des globalen Durchschnitts Da in industrialisierten Ländern grundsätzlich eine (GGFR 2012). Nachfrage nach Erdgas und die entsprechende Infra- struktur besteht, sind die Vorbedingungen für eine Auch andere Länder in der Region haben, teils mit weitere Reduzierung – zumeist im Rahmen der Um- Unterstützung internationaler Initiativen wie der welt- oder Klimapolitik – hier andere als in weniger GGFR, erfolgreiche Maßnahmen zur Nutzung von entwickelten Ländern. Erdölbegleitgas umgesetzt. In Katar wird Erdölbe- gleitgas für die Stromerzeugung zum Aufbau einer Je nach Lagerstättentyp, Industrialisierungsgrad, stromintensiven Aluminiumindustrie eingesetzt. Anbindung an Märkte, Entwicklungsgrad der Erdöl- Weitere Initiativen gibt es im Irak, in Algerien, wirtschaft oder bestehender Infrastruktur müssen Libyen, Katar, Oman und Ägypten. Maßnahmen zur Reduzierung des Abfackelns ausge- staltet sein. Dabei stehen betroffenen Regionen und Die genannten Staaten versuchen, die Nachfrage Länder vor ähnlichen Herausforderungen. Innerhalb nach Kohlenwasserstoffen über regulierte Preise einer Region kann es aber auch sehr unterschiedliche für Erdgas zu fördern, indem sie die Preise stabil Vorbedingungen geben. Im Folgenden werden Bei- und niedrig halten. Dadurch können Investitionen spiele aus verschiedenen Regionen untersucht. in Aufbereitungsanlagen und Infrastruktur jedoch auch erschwert werden, weil die Kombination von
Sie können auch lesen