OCT-Angiographie: Quantifizierung der makulären, retinalen Gefäßdichte mit dem Heidelberg Engineering Spectralis II OCT

 
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OCT-Angiographie: Quantifizierung der makulären, retinalen Gefäßdichte mit dem Heidelberg Engineering Spectralis II OCT
OCT-Angiographie: Quantifizierung der
makulären, retinalen Gefäßdichte mit dem
Heidelberg Engineering Spectralis II OCT

       Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen

                Der Medizinischen Fakultät
            der Friedrich-Alexander-Universität
                    Erlangen-Nürnberg

                          zur
           Erlangung des Doktorgrades Dr. med.

                      vorgelegt von
                   Sami Zacharia Hosari
                      aus Erlangen
Als Dissertation genehmigt
von der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung: 01.02.2022

Vorsitzender des Promotionsorgans:    Prof. Dr. med. Markus Neurath

Gutachter/in:                         Prof. Dr. Christian Mardin
                                      Prof. Dr. Robert Lämmer

                                      II
Inhaltsverzeichnis
1.      Abstract ....................................................................................................... 1
     1.1.     Hintergrund ........................................................................................... 1
     1.2.     Anatomie des Untersuchungsfelds ....................................................... 2
     1.3.     Technischer Hintergrund OCT .............................................................. 3
     1.4.     Methoden .............................................................................................. 4
     1.5.     Ergebnisse und Beobachtungen ........................................................... 7
     1.6.     Schlussfolgerungen .............................................................................. 8

2.      Einordnung in den Fachwissenschaftlichen Kontext ............................. 9
     2.1. Assoziierte Erkrankungen ..................................................................... 9
       2.1.1. Glaukom ........................................................................................ 9
       2.1.2. Diabetes Mellitus ......................................................................... 10
       2.1.3. Multiple Sklerose ......................................................................... 10
     2.2.     Vergleich ähnlicher Arbeiten ............................................................... 11
     2.3.     Limitationen und Ausblick ................................................................... 13

3.      Ziel der Arbeit ........................................................................................... 14

4.      Patientenkollektiv ..................................................................................... 14

5.      Publikation ................................................................................................ 15

6.      Danksagung .............................................................................................. 16

7.      Literaturverzeichnis ................................................................................. 17

                                                            III
1. Abstract
   1.1.          Hintergrund
Die optische Kohärenztomographie (OCT) bezeichnet ein kontaktloses und
nichtinvasives Bildgebungsverfahren. Erstmals wurde diese Technologie 1991
beschrieben und hat seither eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfahren (1).
Diese Bildgebungstechnologie hat ihren Schwerpunkt in der Ophthalmologie,
findet aber auch in anderen Bereichen der Medizin und außerhalb der Medizin
Anwendung (2-5). Die resultierenden hochauflösenden Scans erlauben dem
Untersucher eine in vivo Darstellung der Morphologie des Augenhintergrundes
auf Mikrometer (µm)-Ebene. Die neueste Erweiterung dieser Geräte stellt die
OCT-Angiographie (OCT-A) dar. Mit diesem Aufnahmemodus wird das
Gefäßnetzwerk des Augenhintergrundes innerhalb der einzelnen Schichten über
einen Phasenkontrast-Algorithmus darstellbar (6). So können zusätzlich zu den
bereits existierenden strukturellen Scans, nichtinvasive und kontrastmittelfreie
Aufnahmen der retinalen und choroidalen Gefäßnetzwerke in vivo erstellt
werden. Diese Aufnahmen waren bis zur Einführung der OCT-A Technologie nur
mit der Fluoreszenzangiographie und den begleitenden, gesundheitlichen
Risiken wie Anaphylaxie möglich (7).
Die Auswertung von OCT-A Aufnahmen, neben der anatomischen Beschreibung
von bspw. Gefäßanomalien oder rarefizierten Gefäßnetzwerken, stellt eine
Herausforderung dar. Um die Auswertung der Gefäßnetzwerk-Scans zu
objektivieren,    müssen     diese   quantifiziert   werden.   Die   breit   etablierte
Quantifizierung retinaler Gefäßnetzwerke basiert auf der Methode der
Berechnung der Gefäßdichte oder auch Vessel Density genannt (VD) (8-11).
Diese etablierte Herangehensweise ist allerdings nur bedingt zwischen zwei
verschiedenen      Geräten     vergleichbar.     Hersteller,   die   unterschiedliche
Algorithmen für die Berechnung und unterschiedliche Hardware für den Scan
heranziehen, sind untereinander durch fehlende Standardisierung kaum
vergleichbar (12). Hinzu kommt die Vielfalt der Möglichkeiten an einem Gerät in
Bezug auf das Aufnahmeprotokoll. Hier kann der Benutzer verschiedene Modi

                                           1
und Auflösungen wählen, die jeweils als Parameter in die Auswertung mit
einfließen   müssen.   Viele   Hersteller   liefern   zu   ihren   Geräten   keine
Auswertungssoftware. Auch ist die Vergleichbarkeit der wenigen vorhandenen
Quantifizierungsmöglichkeiten nicht oder nur mit großen Einschränkungen
möglich. Ziel dieser Arbeit war es ein Quantifizierungstool zu erstellen, welches
in seiner Konfiguration möglichst breit angepasst werden kann und dieses auf
seine Reproduzierbarkeit und Verlässlichkeit zu testen.

   1.2.      Anatomie des Untersuchungsfelds
In Rahmen dieser Arbeit haben wir die Makula gesunder Probanden mit dem
Spectralis OCT II (Heidelberg Engineering, Heidelberg Deutschland) untersucht.
Hierfür wurden hochauflösende Aufnahmen eines 2,9mm x 2,9mm großen
Ausschnitts mit einer Auflösung von 5,7µm in der lateralen Ebene verwendet. Es
existiert eine eigene Nomenklatur für die Schichten (Slabs) in denen sich die
einzelnen Gefäßnetzwerke verorten, da diese sich nicht auf einzelnen
anatomischen Retinaschichten begrenzen lassen. Sie werden wie folgt
bezeichnet: Superfizieller Gefäßplexus (SVP, Abb. 1 Nr.1) dieser versorgt
einschließlich aber nicht ausschließlich die retinale Nervenfaserschicht (RNFL),
die Ganglienzellschicht und die innere plexiforme Schicht. Die intermediäre
kapillare Schicht (ICP, SVP, Abb.1 Nr.2) nimmt diese Rolle tiefer, innerhalb der
inneren plexiformen Schicht und der inneren Körnerschicht war. Der tiefe
kapillare Plexus (DCP, SVP, Abb.1 Nr.3) versorgt ergänzend zwischen der
inneren Körnerschicht und der äußeren Plexiformen Schicht. Alle Plexus
verfügen über Kollateralkreisläufe und stehen so in direkter Verbindung (13).

                                       2
Abbildung 1: Skizze des Auges und Schnitt durch die retinalen Schichten der Makula:
1. oberflächlicher Gefäßplexus (SVP), 2. intermediärer Kapillarplexus (ICP), 3. tiefer Kapillarplexus (DCP)

    1.3.          Technischer Hintergrund OCT
Die optische Kohärenztomographie bezeichnet eine Technologie, die namentlich
in drei Teile zerlegt werden kann. Optisch ist hier als Messverfahren zu
interpretieren, ähnlich wie bei einem Ultraschall, allerdings ist hier Licht der
Signalträger. Die Kohärenz beschreibt in diesem Kontext die konstante
Wellenlänge einer monochromen Lichtquelle und bildet die Grundlage für die
Interferenz, welche die Phasenverschiebung des reflektierten Lichtes als
Informationsträger wiedergibt. Die Tomographie drückt hier die schichtweise
Zusammensetzung dieser Signalinformationen zu einzelnen Bildern aus.
Aufbauend auf diesen physikalischen Grundlagen wurden in den letzten Jahren
die Laser, die Detektoren sowie die Algorithmen kontinuierlich weiterentwickelt.

                                                     3
Diese Weiterentwicklung spiegelt sich sowohl in der Aufnahmegeschwindigkeit
als auch in der Aufnahmequalität wider. Unterschiedliche Aufnahmemethoden
liegen dieser Entwicklung zugrunde. Die erste Generation dieser Technologie
arbeitete mit der zeitbasierten Time-Domain-OCT (TD-OCT), welche relativ
langsam mit einem Referenzspiegel, Ebene für Ebene, Interferenzunterschiede
abtastet. Darauf folgte die Frequency-Domain-OCT oder Fourier-OCT Technik,
die seit 2006 kommerziell verfügbar ist. Hier wird eine breitbandige Lichtquelle
für die simultane Erfassung mehrerer Schichten herangezogen. Die neueste
Erweiterung ist das Spektral-Domain-OCT (SD-OCT) und das sogenannte
Swept-Source-OCT (SS-OCT), wobei die SS-OCT Geräte mit einer längeren
Wellenlänge arbeiten und dadurch tiefere Gewebsschichten erreichen. Das hier
genutzte Heidelberg OCT II (Heidelberg Engineering GmbH, Heidelberg) basiert
auf     einem    probabilistischen   Vollspektrums-Amplituden-Dekorrelations-
Algorithmus (FSADA).

      1.4.      Methoden
Diese prospektive Studie schloss 23 Augen von 23 augengesunden Personen
des Erlanger Glaukom Registers (ISSN 2191-5008, CS-2011; NTC00494923)
der Universitätsaugenklinik Erlangen ein. Die Teilnehmer wurden vollständig
anhand eines standardisierten Untersuchungsprotokolls ophthalmologisch
evaluiert. Dies enthielt eine Spaltlampenuntersuchung, Funduskopie, eine
applanatorische Augeninnendruckmessung nach Goldmann und eine Computer-
Perimetrie mit einem Octopus 500 (Interzeag AG, Schlieren, Schweiz). Jegliche
Augenerkrankung stellte ein Ausschlusskriterium dar.

Zur Evaluation von OCT-A Aufnahmen wurde von uns ein eigenes Software Tool
entwickelt. Das Erlangen-Angio-Tool (EA-Tool) ist eine Stand-alone Software, die
in MATLAB (The MathWorks Inc.; 2010) programmiert wurde. Die Software stellt
einen halbautomatischen Algorithmus dar, der die Auswertung der OCT-A Scans
mit nur wenigen Eingaben des Benutzers übernimmt. Die Prozessschritte des
Algorithmus umfassen das Einlesen, die Verarbeitung und die Berechnung der

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zu analysierenden retinalen Regionen. Die Binärisierung der Bildinformationen
ist der Kern der Software. Anschließend an diese Bildverarbeitung folgt eine
Berechnung der Fläche, die die Gefäße in einem definierten Bildausschnitt, der
so genannten Region of Interest (ROI), einnimmt. Das Heidelberg Engineering
Spectralis OCT II erzeugt Bilder in Graustufen. Diese entsprechen der
Wahrscheinlichkeit mit der, die gemessenen Interferenzunterschiede als Gefäße
zu interpretieren sind. Also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Messpunkt auf ein
Gefäß zeigt. Für die Berechnung des Verhältnisses zwischen Gefäßoberfläche
zu Gesamtoberfläche einer bestimmten ROI ist die Erzeugung eines binären
Bildes erforderlich. Hierfür wurde die Kombination eines Filters mit einem
Threshold Algorithmus gewählt, um Störgrößen zu filtern.1 Der Frangi-Filter dient
der Erkennung von Gefäßstrukturen und einer ersten Optimierung der Aufnahme
(14). Dieser Filter basiert auf einer Hesse-Matrix und kann auf diese Weise
fleckförmige Strukturen von Gefäßverläufen unterscheiden, was wiederum der
Entfernung von Artefakten und Rausch-Signalen dient. Der Threshold, zu
Deutsch das Schwellwertverfahren, also der Grauwert, den der Algorithmus als
Umschlagpunkt zwischen Gewebe- und Gefäßpixel heranzieht, wird in dieser
Software durch den Otsu-Algorithmus errechnet. Dies ist wichtig für die
Vergleichbarkeit der Daten anderer publizierter Arbeiten, da die Methodik des
Thresholding einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse der Gefäßdichte hat
(15, 16).

1
 Anzumerken ist, dass das Signal-Rausch-Verhältnis der Hardware, von dem Untersucher und
den anatomischen Gegebenheiten des Patienten abhängt. Da für diese Studie ausschließlich das
Spectralis OCT II verwendet wurde und die Untersuchung von einer Person an jungen, gesunden
Probanden durchgeführt wurde, ist somit ein negatives Signal-Rausch-Verhältnis
vernachlässigbar.

                                             5
Abbildung 2: OCTA Scans vor (A,C,E) und nach (B,D,F) Bildverarbeitung durch das Erlangen-Angio Tool
(EA-Tool)

Die Graphische Oberfläche der Anwendung wurde so gestaltet, dass diese eine
intuitive Bedienung und die Auswertung einer großen Anzahl von Scans
ermöglicht. Die Software kann unter Zuhilfenahme von Microsoft Excel
kontinuierlich VD-Daten in einer Tabelle zusammenfügen. In diesem Kontext ist

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auch der Unterschied zwischen Scans rechter Augen (OR) und linker Augen (OS)
relevant. Die OCT-Angiographie eines linken Auges ist rechts temporal und links
nasal, bei einem Scan eines rechten Auges ist dies umgekehrt. Um die einzelnen
Felder miteinander vergleichen zu können, werden in der Auswertungstabelle der
Software die anatomisch identischen Areale zusammengeführt. Dies erleichtert
die Folgearbeiten mit Statistikprogrammen.

Die statistische Analyse wurde mit SPSS Version 21.0 durchgeführt.
Demographische       und     OCT-A-Daten      sind   stets   als    Mittelwert   ±
Standardabweichung (SD) angegeben. Da die SD mit der Größe der Messungen
zunimmt, wird der Abweichungskoeffizient (CV) für die SVP, ICP, DCP und die
Fläche der fovealen, avaskulären Zone (FAZ) berechnet. Für die statistische
Analyse wurden t-Tests, nicht-parametrische Tests und eine Varianzanalyse
durchgeführt. Dazugehörige Bland-Altman-Plots zeigen die Intraobserver-
Variabilität. Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (Aufnahme 1 und
Aufnahme 2) wurden auf dem Signifikanzniveau 0,05 getestet. Die Poweranalyse
wurde mit SAS Version 9.3 (SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) durchgeführt, um
die Wahrscheinlichkeit eines statistischen Typ II Fehlers zu bestimmen.

   1.5.      Ergebnisse und Beobachtungen
Die Auswertung der Gefäßdichte über alle zwölf gemessenen Sektoren (Gesamt-
VD)    von    SVP,     IVP     und    DCP      für   zwei    aufeinanderfolgende
OCT-A Aufnahmen ergab in dieser Studie eine hohe Verlässlichkeit der
zugrundeliegenden Methodik. Die VD der zwölf Untergruppensegmente, für
jeweils alle drei ausgewerteten Gefäßplexus SVP, ICP und DCP sind in der
Originalarbeit enthalten. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen VDs
von s1-s12 zwischen dem 1. und 2. Scan in allen drei Schichten beobachtet
(p>0,05) werden. Des Weiteren konnte kein signifikanter Unterschied zwischen
den CVs der Erst- und Zweitaufnahmen der drei analysierten Schichten
festgestellt werden. Die Intra-Klassenkorrelation (ICC) waren gut bis exzellent für
alle gemessenen Schichten (SVP, ICP und DCP).

                                        7
1.6.     Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse dieser prospektiven Studie zur Auswertung von „en face“ OCT-A
Gefäßdichtemessungen     der   retinochoroidalen   Gefäßschichten   mit   dem
Erlangen-Angio-Tool zeigen eine gute Zuverlässigkeit. Mithin kann das EA-Tool
als Auswertungssoftware zur Analyse von VDs und des Circularity-Index in
zukünftigen Forschungsarbeiten Anwendung finden.

                                      8
2. Einordnung in den
  Fachwissenschaftlichen Kontext

   2.1.      Assoziierte Erkrankungen
In den folgenden Abschnitten möchte ich die Bedeutung der Messung von
Gefäßnetzwerkdichten      anhand      spezifischer   Erkrankungen    in   den
fachwissenschaftlichen Kontext setzen und die Breite des medizinisch möglichen
Einsatzes darstellen.

      2.1.1. Glaukom

Das Glaukom subsumiert heterogene Entitäten unter einem Begriff. Es enthält
Offenwinkelglaukome, wie das primäre und sekundäre Offenwinkelglaukom,
Pseudoexfoliationsglaukome, Pigmentglaukome, sowie Engwinkelglaukome.
Zusammengenommen wird von einer weltweiten Prävalenz von 79 Mio.
Glaukom-Patienten im Jahr 2020 und einem Anstieg auf 111 Mio. bis zum Jahr
2040 ausgegangen (17). Die Prävalenz wird auf 2,93% für den Alterskorridor
zwischen 40 und 80 Jahren geschätzt (18). Es ist davon auszugehen, dass diese
Erkrankung in bis zu 50% der Fälle nicht diagnostiziert wird (19). Ein
schmerzloser Verlauf und ein schleichender Verlust des Gesichtsfeldes machen
diese Erkrankung für den Patienten stumm (19). Das Glaukom ist die
zweithäufigste Ursache für eine Erblindung (20). Die Früherkennung dieser
Krankheit spielt für die Prognose eine entscheidende Rolle. Die optische
Kohärenztomographie hat im Besonderen in der Analyse der Nervenfaserdicke
Bedeutung in der Glaukomdiagnostik erhalten (21). Die Pathophysiologie der
Subgruppen glaukomatöser Erkrankungen ist unterschiedlich, jedoch mit einer
gemeinsamen Endstrecke im Untergang von Nervenzellen, vor allem in der
Ganglienzellschicht     (21).   Mit    der     Degeneration   der    retinalen
Nervenfaserschichten (RNFL) ist auch die Reduktion der Gefäßversorgung
assoziiert (22). Hier wird die Diagnostik der Gefäßdichten und deren

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Quantifizierung relevant. Unter Zuhilfenahme dieser Methodik konnten wir bereits
zeigen, dass frühe Ausprägungen dieser Gruppe identifiziert werden können. Mit
der Anwendung des Erlangen-Angio-Tools und des Heidelberg Engineering OCT
II konnten wir die Gefäßnetzwerkdichte in eine signifikante Relation zu Patienten
mit okulärer Hypertension und präperimetrischen Glaukomerkrankungen bringen
(23).

        2.1.2. Diabetes Mellitus

Ein weiteres Forschungsfeld der OCT-A ist die Diabetische Retinopathie.
Diabetes ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in der westlichen
industrialisierten Welt. Die Belastungen durch diese Krankheit sowohl für den
Patienten als auch aus ökonomischer Sicht sind signifikant (24). Ein wesentlicher
Anteil dieser Bürde wird durch die diabetische Retinopathie verursacht. Diese ist
ein Anzeichen für einen unkontrollierten Verlauf der Erkrankung und bedarf
wesentlicher Nachsteuerung in der Therapie. Die OCT-Angiographie könnte ein
wichtiges Diagnostikum für Früherkennung und Therapie darstellen. Unter
quantifizierbaren Parametern ist eine schnellere Anpassung gegebener
Therapieschemata       möglich.     Zudem     entfällt     das   Risikoprofil   einer
Kontrastmittelinjektion wie bei der Fluoreszenzangiographie. Dies kann vor allem
im ambulanten Setting von Vorteil sein und diese Untersuchung in Teilen
ersetzen (25, 26).

        2.1.3. Multiple Sklerose

Auch in der Neurologie im Bereich degenerativer Erkrankungen, wie der
Multiplen Sklerose (MS) oder Demenz, kann die OCT-Angiographie einen
wichtigen Beitrag zur Diagnostik leisten. Das Krankheitsbild MS wird durch
zeitlich und räumlich disseminierte Entzündungen des neuronalen Systems
definiert.   Die   Entzündung     wird   regulär   durch    kernspintomographische
Bildgebung (MRT) erkannt. Die Intervalle zwischen den Kontrolluntersuchungen
sind sehr zeitaufwendig sowie die Auswertung der MRT Bilder kostenintensiv.
Wünschenswert wäre eine nichtinvasive und günstige Alternative, um MS
Patienten zu überwachen. Durch die Forschung an der OCT-A Technologie im

                                         10
Fachbereich der Neurologie könnte sich eine solche Möglichkeit durchaus
ergeben. Die Gefäßanatomie der Retina ist mit ihrer Blut-Retina-Schranke der
Blut-Hirn-Schranke, abseits vieler gewebsspezifischer Spezialisierungen, im
Hinblick auf die Transportsysteme sehr ähnlich (27). So konnten mehrere Studien
einen erfolgreichen Einsatz von OCT-A für neurologische Fragestellungen
belegen (28, 29). Feucht et al. (2019) zeigten in ihrer Studie, dass die reduzierte
Gefäßdichte des oberen und tiefen Gefäßplexus mit MS positiv korreliert.
Diese Ergebnisse untermauern die Relevanz der OCT-A Diagnostik und können
für die Prognose und die Früherkennung einen wesentlichen Beitrag leisten. Um
die Auswertung dieser vielversprechenden Ergebnisse zu verbessern, bedarf es
wiederum für viele Geräte, die keine kommerzielle Software zur Quantifizierung
haben, ein EA-Tool. In Kooperation mit der TU München wird hier unter Einsatz
des Heidelberg OCT II und des EA-Tools der Weg für OCT-A MS Forschung
gebahnt.

   2.2.      Vergleich ähnlicher Arbeiten
Im folgenden Abschnitt wird die zugrundeliegende Herangehensweise mit
aktuellen Publikationen ins Verhältnis gesetzt. Ein direkter Vergleich mit
Methodiken anderer Arbeitsgruppen zeigt die vielseitigen Blickwinkel auf das
Thema der OCT-A Auswertung. Pappelis et al. (2019) untersuchte 34 Probanden
mit einem Canon OCT HS100. Es wurden hier sowohl die Gefäßnetzwerke der
Papille als auch der Fovea untersucht sowie eine Kombination aus einem Otsu-
Algorithmus mit einem Frangi-Filter angewendet. Allerdings wurden die
anatomischen Regionen nur in einer Schicht und ohne Angaben zur
transversalen Auflösung untersucht. Ziel der Arbeit war es auch die
Verlässlichkeit zu testen. Als Limitation dieser Arbeit kann angemerkt werden,
dass sechs Wiederholungen der Aufnahme durchgeführt und die besten zwei
Aufnahmen willkürlich ausgewählt wurden (30). Diese Arbeit hat keinen
teilnehmenden Probanden ausgeschlossen und nur zwei Aufnahmen zugrunde
gelegt. Desweiteren wurde in unserer Arbeit eine höhere Auflösung angewendet
und mehrere Schichten in die Auswertung einbezogen.

                                        11
Lei et al. (2018) vergleichen die Verlässlichkeit zwischen vier verschiedenen
OCT-Geräten. Die Studie startet mit 109 Probanden von denen nur 39 (31
weiblich,        8     männlich)      weiter      untersucht          werden      und     für   die
Verlässlichkeitstestung schließlich nur 20 Probanden einbezogen werden. Auf
die Binärisierung mit dem Otsu-Algorithmus erfolgt eine Bildbearbeitung mit
einem Skeletonizing-Algorithmus. Dieser vergröbert die binärisierten Bilder und
führt zu Einschränkungen der Aussagefähigkeit. Des Weiteren wird nur eine
oberflächliche Schicht um den ONH (Optical Nerve Head/Sehnervenkopf)
untersucht (31).
Mehta       et       al.     (2019)    vergleichen        in     ihrer   Arbeit      verschiedene
Binärisierungsalgorithmen anhand von drei verschiedenen Geräten. Insgesamt
werden hier 13 Probanden eingeschlossen, welche je Aufnahme in vier retinalen
Schichten ausgewertet werden. Die transversale Auflösung wird mit 20µm bzw.
15µm und einem Untersuchungsfeld von 3mm x 3mm angegeben. Sie konnten
hier die signifikanten Unterschiede angewendeter Algorithmen für einzelne
Geräte und zwischen den Geräten darlegen (16). Dies stellt eine wichtige
Erkenntnis dar, da die Unterschiede zwischen den Geräten und den Methodiken
eine enorme Limitation darstellen. Es existieren in der Schlussfolgerung keine
Normwerte für die Gefäßdichte. Für die klinische Anwendung dieser Methodik
bedeutet     dies          eine   Einschränkung     auf        eine   Verlaufsbeobachtung       mit
konsistentem Auswertungsprotokoll.
Unsere Arbeit untersuchte 23 Probanden und evaluierte die Scans in drei
Schichten mit jeweils eigenen Gefäßnetzwerken. Zudem wurde die höchste
kommerziell verfügbare laterale Auflösung gewählt (2,9mm x 2,9mm;
5,7µm/Pixel), die einen hohen Detailreichtum erlaubt. Das Ziel dieser Arbeit ist
es eine automatisierte, verlässliche und anpassbare Evaluationssoftware zu
erstellen und zu testen. Dieses Software Tool kann dazu beitragen OCT-A
Aufnahmen mit hoher Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit der ausgegebenen
Messwerte zu quantifizieren.
Zudem kann die Software mit einer graphischen Oberfläche als sogenannte
Stand-alone-Software              genutzt   werden.        Dies       dient    der      einfacheren

                                               12
Anwendbarkeit, so dass auch andere Arbeitsgruppen mit dem EA-Tool arbeiten
können.

   2.3.      Limitationen und Ausblick
Die mathematischen Grundlagen dieser Arbeit sind nicht neu. Der Otsu-
Algorithmus ist bereits 1979 von Nobuyuki Otsu veröffentlicht worden und basiert
auf einer Varianzanalyse. Die Varianz wird bei dieser Berechnung innerhalb von
definierten Klassen möglichst klein gehalten, in diesem Anwendungsfall
zwischen Gefäß- und Gewebspixeln. Die Kombination mit dem beschriebenen
Hessian-Matrix Frangi-Filter optimiert die Klassifikation in zwei Gruppen. Die
Konfiguration der Algorithmen ist unseres Wissens nach hier erstmalig für
OCT-A Bilder in allen drei Gefäßschichten zur Anwendung gekommen. Diese
Methodik hat auch relevante Einschränkungen. Wir haben diese ausschließlich
an einem Spectralis OCT II evaluiert. Die Auswertung hier bezieht sich
ausschließlich auf die Gefäßnetzwerke der Makula. Auswertungen der
Gefäßnetzwerke um die Papille mit großlumigen zuführenden Gefäßen bedürfen
weiterer bildverarbeitender Schritte und müssen eigens getestet werden.
Aufgrund der kleinen Probandenzahl und der eingeschränkten Altersstruktur
können die gemessenen VDs nicht als Normwerte herangezogen werden. Hier
sind umfangreichere Untersuchungen mit der gegebenen Methodik notwendig.
Auch Arbeiten zu zirkadianen Schwankungen oder Schwankungen in
Abhängigkeit von Blutdruckwerten könnten interessante Einblicke in die in vivo
Physiologie der retinalen Durchblutung liefern. Zirkardiane Unterschiede wurden
in dieser Arbeit nicht getestet. In der aktuellen Corona-Pandemie könnte diese
Methodik helfen die Pathophysiologie der SARS-COV-2 Infektion im Sinne von
Gefäßverschlüssen in Endstromgebieten zu verstehen.

                                      13
3. Ziel der Arbeit
Ziel dieser Arbeit war eine prospektive Analyse der Verlässlichkeit der
Auswertung von OCT-A Scans mittels halbautomatischer Software. Dafür
wurden unserem Wissen nach zum ersten Mal Scans gesunder Probanden in
allen drei retinalen Gefäßplexus mit einer einzigartigen Kombination von
Algorithmen ausgewertet.

4. Patientenkollektiv
Zur Rekrutierung wurde das Erlanger Glaukomregister herangezogen (ISSN
2191-5008, CS-2011; NTC00494923).

                                    14
5. Publikation
Hosari, S., Hohberger, B., Theelke, L., Sari, H., Lucio, M., & Mardin, C. Y. (2020).
OCT angiography: Measurement of retinal macular microvasculature with
spectralis II OCT angiography–reliability and reproducibility. Ophthalmologica,
243(1), 75-84.

                                        15
6. Danksagung
Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Christian Mardin sowie
Dr. Dr. Bettina Hohberger, die mich im Rahmen dieser Doktorarbeit jederzeit mit
ihrem Wissen und ihrer Expertise unterstützt haben und diese Arbeit erst
ermöglichten. Außerdem möchte ich Luisa Theelke für die technische
Unterstützung bei der Umsetzung dieses Forschungsprojekts danken.

Zuletzt möchte ich meinen Eltern und meiner Verlobten meinen Dank
aussprechen, die mich über mein Studium hinweg begleitet haben.

                                      16
7. Literaturverzeichnis
1. Huang D., Swanson E.A., Lin C.P., Schuman J.S., Stinson W.G., Chang W.,
   et al. Optical coherence tomography. science. 1991;254(5035):1178-81.
2. Jonathan E. Non-contact and non-destructive testing of silicon V-grooves: a
   non-medical application of optical coherence tomography (OCT). Optics and
   lasers in engineering. 2006;44(11):1117-31.
3. Nemeth A., Hannesschläger G., Leiss-Holzinger E., Wiesauer K., Leitner M.
   Optical coherence tomography–applications in non-destructive testing and
   evaluation. Optical coherence tomography. 2013;6:163-86.
4. Welzel J. Optical coherence tomography in dermatology: a review. Skin
   Research and Technology: Review article. 2001;7(1):1-9.
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