OCT-Angiographie: Quantifizierung der makulären, retinalen Gefäßdichte mit dem Heidelberg Engineering Spectralis II OCT
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OCT-Angiographie: Quantifizierung der makulären, retinalen Gefäßdichte mit dem Heidelberg Engineering Spectralis II OCT Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. vorgelegt von Sami Zacharia Hosari aus Erlangen
Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Tag der mündlichen Prüfung: 01.02.2022 Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. med. Markus Neurath Gutachter/in: Prof. Dr. Christian Mardin Prof. Dr. Robert Lämmer II
Inhaltsverzeichnis 1. Abstract ....................................................................................................... 1 1.1. Hintergrund ........................................................................................... 1 1.2. Anatomie des Untersuchungsfelds ....................................................... 2 1.3. Technischer Hintergrund OCT .............................................................. 3 1.4. Methoden .............................................................................................. 4 1.5. Ergebnisse und Beobachtungen ........................................................... 7 1.6. Schlussfolgerungen .............................................................................. 8 2. Einordnung in den Fachwissenschaftlichen Kontext ............................. 9 2.1. Assoziierte Erkrankungen ..................................................................... 9 2.1.1. Glaukom ........................................................................................ 9 2.1.2. Diabetes Mellitus ......................................................................... 10 2.1.3. Multiple Sklerose ......................................................................... 10 2.2. Vergleich ähnlicher Arbeiten ............................................................... 11 2.3. Limitationen und Ausblick ................................................................... 13 3. Ziel der Arbeit ........................................................................................... 14 4. Patientenkollektiv ..................................................................................... 14 5. Publikation ................................................................................................ 15 6. Danksagung .............................................................................................. 16 7. Literaturverzeichnis ................................................................................. 17 III
1. Abstract 1.1. Hintergrund Die optische Kohärenztomographie (OCT) bezeichnet ein kontaktloses und nichtinvasives Bildgebungsverfahren. Erstmals wurde diese Technologie 1991 beschrieben und hat seither eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfahren (1). Diese Bildgebungstechnologie hat ihren Schwerpunkt in der Ophthalmologie, findet aber auch in anderen Bereichen der Medizin und außerhalb der Medizin Anwendung (2-5). Die resultierenden hochauflösenden Scans erlauben dem Untersucher eine in vivo Darstellung der Morphologie des Augenhintergrundes auf Mikrometer (µm)-Ebene. Die neueste Erweiterung dieser Geräte stellt die OCT-Angiographie (OCT-A) dar. Mit diesem Aufnahmemodus wird das Gefäßnetzwerk des Augenhintergrundes innerhalb der einzelnen Schichten über einen Phasenkontrast-Algorithmus darstellbar (6). So können zusätzlich zu den bereits existierenden strukturellen Scans, nichtinvasive und kontrastmittelfreie Aufnahmen der retinalen und choroidalen Gefäßnetzwerke in vivo erstellt werden. Diese Aufnahmen waren bis zur Einführung der OCT-A Technologie nur mit der Fluoreszenzangiographie und den begleitenden, gesundheitlichen Risiken wie Anaphylaxie möglich (7). Die Auswertung von OCT-A Aufnahmen, neben der anatomischen Beschreibung von bspw. Gefäßanomalien oder rarefizierten Gefäßnetzwerken, stellt eine Herausforderung dar. Um die Auswertung der Gefäßnetzwerk-Scans zu objektivieren, müssen diese quantifiziert werden. Die breit etablierte Quantifizierung retinaler Gefäßnetzwerke basiert auf der Methode der Berechnung der Gefäßdichte oder auch Vessel Density genannt (VD) (8-11). Diese etablierte Herangehensweise ist allerdings nur bedingt zwischen zwei verschiedenen Geräten vergleichbar. Hersteller, die unterschiedliche Algorithmen für die Berechnung und unterschiedliche Hardware für den Scan heranziehen, sind untereinander durch fehlende Standardisierung kaum vergleichbar (12). Hinzu kommt die Vielfalt der Möglichkeiten an einem Gerät in Bezug auf das Aufnahmeprotokoll. Hier kann der Benutzer verschiedene Modi 1
und Auflösungen wählen, die jeweils als Parameter in die Auswertung mit einfließen müssen. Viele Hersteller liefern zu ihren Geräten keine Auswertungssoftware. Auch ist die Vergleichbarkeit der wenigen vorhandenen Quantifizierungsmöglichkeiten nicht oder nur mit großen Einschränkungen möglich. Ziel dieser Arbeit war es ein Quantifizierungstool zu erstellen, welches in seiner Konfiguration möglichst breit angepasst werden kann und dieses auf seine Reproduzierbarkeit und Verlässlichkeit zu testen. 1.2. Anatomie des Untersuchungsfelds In Rahmen dieser Arbeit haben wir die Makula gesunder Probanden mit dem Spectralis OCT II (Heidelberg Engineering, Heidelberg Deutschland) untersucht. Hierfür wurden hochauflösende Aufnahmen eines 2,9mm x 2,9mm großen Ausschnitts mit einer Auflösung von 5,7µm in der lateralen Ebene verwendet. Es existiert eine eigene Nomenklatur für die Schichten (Slabs) in denen sich die einzelnen Gefäßnetzwerke verorten, da diese sich nicht auf einzelnen anatomischen Retinaschichten begrenzen lassen. Sie werden wie folgt bezeichnet: Superfizieller Gefäßplexus (SVP, Abb. 1 Nr.1) dieser versorgt einschließlich aber nicht ausschließlich die retinale Nervenfaserschicht (RNFL), die Ganglienzellschicht und die innere plexiforme Schicht. Die intermediäre kapillare Schicht (ICP, SVP, Abb.1 Nr.2) nimmt diese Rolle tiefer, innerhalb der inneren plexiformen Schicht und der inneren Körnerschicht war. Der tiefe kapillare Plexus (DCP, SVP, Abb.1 Nr.3) versorgt ergänzend zwischen der inneren Körnerschicht und der äußeren Plexiformen Schicht. Alle Plexus verfügen über Kollateralkreisläufe und stehen so in direkter Verbindung (13). 2
Abbildung 1: Skizze des Auges und Schnitt durch die retinalen Schichten der Makula: 1. oberflächlicher Gefäßplexus (SVP), 2. intermediärer Kapillarplexus (ICP), 3. tiefer Kapillarplexus (DCP) 1.3. Technischer Hintergrund OCT Die optische Kohärenztomographie bezeichnet eine Technologie, die namentlich in drei Teile zerlegt werden kann. Optisch ist hier als Messverfahren zu interpretieren, ähnlich wie bei einem Ultraschall, allerdings ist hier Licht der Signalträger. Die Kohärenz beschreibt in diesem Kontext die konstante Wellenlänge einer monochromen Lichtquelle und bildet die Grundlage für die Interferenz, welche die Phasenverschiebung des reflektierten Lichtes als Informationsträger wiedergibt. Die Tomographie drückt hier die schichtweise Zusammensetzung dieser Signalinformationen zu einzelnen Bildern aus. Aufbauend auf diesen physikalischen Grundlagen wurden in den letzten Jahren die Laser, die Detektoren sowie die Algorithmen kontinuierlich weiterentwickelt. 3
Diese Weiterentwicklung spiegelt sich sowohl in der Aufnahmegeschwindigkeit als auch in der Aufnahmequalität wider. Unterschiedliche Aufnahmemethoden liegen dieser Entwicklung zugrunde. Die erste Generation dieser Technologie arbeitete mit der zeitbasierten Time-Domain-OCT (TD-OCT), welche relativ langsam mit einem Referenzspiegel, Ebene für Ebene, Interferenzunterschiede abtastet. Darauf folgte die Frequency-Domain-OCT oder Fourier-OCT Technik, die seit 2006 kommerziell verfügbar ist. Hier wird eine breitbandige Lichtquelle für die simultane Erfassung mehrerer Schichten herangezogen. Die neueste Erweiterung ist das Spektral-Domain-OCT (SD-OCT) und das sogenannte Swept-Source-OCT (SS-OCT), wobei die SS-OCT Geräte mit einer längeren Wellenlänge arbeiten und dadurch tiefere Gewebsschichten erreichen. Das hier genutzte Heidelberg OCT II (Heidelberg Engineering GmbH, Heidelberg) basiert auf einem probabilistischen Vollspektrums-Amplituden-Dekorrelations- Algorithmus (FSADA). 1.4. Methoden Diese prospektive Studie schloss 23 Augen von 23 augengesunden Personen des Erlanger Glaukom Registers (ISSN 2191-5008, CS-2011; NTC00494923) der Universitätsaugenklinik Erlangen ein. Die Teilnehmer wurden vollständig anhand eines standardisierten Untersuchungsprotokolls ophthalmologisch evaluiert. Dies enthielt eine Spaltlampenuntersuchung, Funduskopie, eine applanatorische Augeninnendruckmessung nach Goldmann und eine Computer- Perimetrie mit einem Octopus 500 (Interzeag AG, Schlieren, Schweiz). Jegliche Augenerkrankung stellte ein Ausschlusskriterium dar. Zur Evaluation von OCT-A Aufnahmen wurde von uns ein eigenes Software Tool entwickelt. Das Erlangen-Angio-Tool (EA-Tool) ist eine Stand-alone Software, die in MATLAB (The MathWorks Inc.; 2010) programmiert wurde. Die Software stellt einen halbautomatischen Algorithmus dar, der die Auswertung der OCT-A Scans mit nur wenigen Eingaben des Benutzers übernimmt. Die Prozessschritte des Algorithmus umfassen das Einlesen, die Verarbeitung und die Berechnung der 4
zu analysierenden retinalen Regionen. Die Binärisierung der Bildinformationen ist der Kern der Software. Anschließend an diese Bildverarbeitung folgt eine Berechnung der Fläche, die die Gefäße in einem definierten Bildausschnitt, der so genannten Region of Interest (ROI), einnimmt. Das Heidelberg Engineering Spectralis OCT II erzeugt Bilder in Graustufen. Diese entsprechen der Wahrscheinlichkeit mit der, die gemessenen Interferenzunterschiede als Gefäße zu interpretieren sind. Also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Messpunkt auf ein Gefäß zeigt. Für die Berechnung des Verhältnisses zwischen Gefäßoberfläche zu Gesamtoberfläche einer bestimmten ROI ist die Erzeugung eines binären Bildes erforderlich. Hierfür wurde die Kombination eines Filters mit einem Threshold Algorithmus gewählt, um Störgrößen zu filtern.1 Der Frangi-Filter dient der Erkennung von Gefäßstrukturen und einer ersten Optimierung der Aufnahme (14). Dieser Filter basiert auf einer Hesse-Matrix und kann auf diese Weise fleckförmige Strukturen von Gefäßverläufen unterscheiden, was wiederum der Entfernung von Artefakten und Rausch-Signalen dient. Der Threshold, zu Deutsch das Schwellwertverfahren, also der Grauwert, den der Algorithmus als Umschlagpunkt zwischen Gewebe- und Gefäßpixel heranzieht, wird in dieser Software durch den Otsu-Algorithmus errechnet. Dies ist wichtig für die Vergleichbarkeit der Daten anderer publizierter Arbeiten, da die Methodik des Thresholding einen signifikanten Einfluss auf die Ergebnisse der Gefäßdichte hat (15, 16). 1 Anzumerken ist, dass das Signal-Rausch-Verhältnis der Hardware, von dem Untersucher und den anatomischen Gegebenheiten des Patienten abhängt. Da für diese Studie ausschließlich das Spectralis OCT II verwendet wurde und die Untersuchung von einer Person an jungen, gesunden Probanden durchgeführt wurde, ist somit ein negatives Signal-Rausch-Verhältnis vernachlässigbar. 5
Abbildung 2: OCTA Scans vor (A,C,E) und nach (B,D,F) Bildverarbeitung durch das Erlangen-Angio Tool (EA-Tool) Die Graphische Oberfläche der Anwendung wurde so gestaltet, dass diese eine intuitive Bedienung und die Auswertung einer großen Anzahl von Scans ermöglicht. Die Software kann unter Zuhilfenahme von Microsoft Excel kontinuierlich VD-Daten in einer Tabelle zusammenfügen. In diesem Kontext ist 6
auch der Unterschied zwischen Scans rechter Augen (OR) und linker Augen (OS) relevant. Die OCT-Angiographie eines linken Auges ist rechts temporal und links nasal, bei einem Scan eines rechten Auges ist dies umgekehrt. Um die einzelnen Felder miteinander vergleichen zu können, werden in der Auswertungstabelle der Software die anatomisch identischen Areale zusammengeführt. Dies erleichtert die Folgearbeiten mit Statistikprogrammen. Die statistische Analyse wurde mit SPSS Version 21.0 durchgeführt. Demographische und OCT-A-Daten sind stets als Mittelwert ± Standardabweichung (SD) angegeben. Da die SD mit der Größe der Messungen zunimmt, wird der Abweichungskoeffizient (CV) für die SVP, ICP, DCP und die Fläche der fovealen, avaskulären Zone (FAZ) berechnet. Für die statistische Analyse wurden t-Tests, nicht-parametrische Tests und eine Varianzanalyse durchgeführt. Dazugehörige Bland-Altman-Plots zeigen die Intraobserver- Variabilität. Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (Aufnahme 1 und Aufnahme 2) wurden auf dem Signifikanzniveau 0,05 getestet. Die Poweranalyse wurde mit SAS Version 9.3 (SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) durchgeführt, um die Wahrscheinlichkeit eines statistischen Typ II Fehlers zu bestimmen. 1.5. Ergebnisse und Beobachtungen Die Auswertung der Gefäßdichte über alle zwölf gemessenen Sektoren (Gesamt- VD) von SVP, IVP und DCP für zwei aufeinanderfolgende OCT-A Aufnahmen ergab in dieser Studie eine hohe Verlässlichkeit der zugrundeliegenden Methodik. Die VD der zwölf Untergruppensegmente, für jeweils alle drei ausgewerteten Gefäßplexus SVP, ICP und DCP sind in der Originalarbeit enthalten. Es konnte kein signifikanter Unterschied zwischen VDs von s1-s12 zwischen dem 1. und 2. Scan in allen drei Schichten beobachtet (p>0,05) werden. Des Weiteren konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den CVs der Erst- und Zweitaufnahmen der drei analysierten Schichten festgestellt werden. Die Intra-Klassenkorrelation (ICC) waren gut bis exzellent für alle gemessenen Schichten (SVP, ICP und DCP). 7
1.6. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse dieser prospektiven Studie zur Auswertung von „en face“ OCT-A Gefäßdichtemessungen der retinochoroidalen Gefäßschichten mit dem Erlangen-Angio-Tool zeigen eine gute Zuverlässigkeit. Mithin kann das EA-Tool als Auswertungssoftware zur Analyse von VDs und des Circularity-Index in zukünftigen Forschungsarbeiten Anwendung finden. 8
2. Einordnung in den Fachwissenschaftlichen Kontext 2.1. Assoziierte Erkrankungen In den folgenden Abschnitten möchte ich die Bedeutung der Messung von Gefäßnetzwerkdichten anhand spezifischer Erkrankungen in den fachwissenschaftlichen Kontext setzen und die Breite des medizinisch möglichen Einsatzes darstellen. 2.1.1. Glaukom Das Glaukom subsumiert heterogene Entitäten unter einem Begriff. Es enthält Offenwinkelglaukome, wie das primäre und sekundäre Offenwinkelglaukom, Pseudoexfoliationsglaukome, Pigmentglaukome, sowie Engwinkelglaukome. Zusammengenommen wird von einer weltweiten Prävalenz von 79 Mio. Glaukom-Patienten im Jahr 2020 und einem Anstieg auf 111 Mio. bis zum Jahr 2040 ausgegangen (17). Die Prävalenz wird auf 2,93% für den Alterskorridor zwischen 40 und 80 Jahren geschätzt (18). Es ist davon auszugehen, dass diese Erkrankung in bis zu 50% der Fälle nicht diagnostiziert wird (19). Ein schmerzloser Verlauf und ein schleichender Verlust des Gesichtsfeldes machen diese Erkrankung für den Patienten stumm (19). Das Glaukom ist die zweithäufigste Ursache für eine Erblindung (20). Die Früherkennung dieser Krankheit spielt für die Prognose eine entscheidende Rolle. Die optische Kohärenztomographie hat im Besonderen in der Analyse der Nervenfaserdicke Bedeutung in der Glaukomdiagnostik erhalten (21). Die Pathophysiologie der Subgruppen glaukomatöser Erkrankungen ist unterschiedlich, jedoch mit einer gemeinsamen Endstrecke im Untergang von Nervenzellen, vor allem in der Ganglienzellschicht (21). Mit der Degeneration der retinalen Nervenfaserschichten (RNFL) ist auch die Reduktion der Gefäßversorgung assoziiert (22). Hier wird die Diagnostik der Gefäßdichten und deren 9
Quantifizierung relevant. Unter Zuhilfenahme dieser Methodik konnten wir bereits zeigen, dass frühe Ausprägungen dieser Gruppe identifiziert werden können. Mit der Anwendung des Erlangen-Angio-Tools und des Heidelberg Engineering OCT II konnten wir die Gefäßnetzwerkdichte in eine signifikante Relation zu Patienten mit okulärer Hypertension und präperimetrischen Glaukomerkrankungen bringen (23). 2.1.2. Diabetes Mellitus Ein weiteres Forschungsfeld der OCT-A ist die Diabetische Retinopathie. Diabetes ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen in der westlichen industrialisierten Welt. Die Belastungen durch diese Krankheit sowohl für den Patienten als auch aus ökonomischer Sicht sind signifikant (24). Ein wesentlicher Anteil dieser Bürde wird durch die diabetische Retinopathie verursacht. Diese ist ein Anzeichen für einen unkontrollierten Verlauf der Erkrankung und bedarf wesentlicher Nachsteuerung in der Therapie. Die OCT-Angiographie könnte ein wichtiges Diagnostikum für Früherkennung und Therapie darstellen. Unter quantifizierbaren Parametern ist eine schnellere Anpassung gegebener Therapieschemata möglich. Zudem entfällt das Risikoprofil einer Kontrastmittelinjektion wie bei der Fluoreszenzangiographie. Dies kann vor allem im ambulanten Setting von Vorteil sein und diese Untersuchung in Teilen ersetzen (25, 26). 2.1.3. Multiple Sklerose Auch in der Neurologie im Bereich degenerativer Erkrankungen, wie der Multiplen Sklerose (MS) oder Demenz, kann die OCT-Angiographie einen wichtigen Beitrag zur Diagnostik leisten. Das Krankheitsbild MS wird durch zeitlich und räumlich disseminierte Entzündungen des neuronalen Systems definiert. Die Entzündung wird regulär durch kernspintomographische Bildgebung (MRT) erkannt. Die Intervalle zwischen den Kontrolluntersuchungen sind sehr zeitaufwendig sowie die Auswertung der MRT Bilder kostenintensiv. Wünschenswert wäre eine nichtinvasive und günstige Alternative, um MS Patienten zu überwachen. Durch die Forschung an der OCT-A Technologie im 10
Fachbereich der Neurologie könnte sich eine solche Möglichkeit durchaus ergeben. Die Gefäßanatomie der Retina ist mit ihrer Blut-Retina-Schranke der Blut-Hirn-Schranke, abseits vieler gewebsspezifischer Spezialisierungen, im Hinblick auf die Transportsysteme sehr ähnlich (27). So konnten mehrere Studien einen erfolgreichen Einsatz von OCT-A für neurologische Fragestellungen belegen (28, 29). Feucht et al. (2019) zeigten in ihrer Studie, dass die reduzierte Gefäßdichte des oberen und tiefen Gefäßplexus mit MS positiv korreliert. Diese Ergebnisse untermauern die Relevanz der OCT-A Diagnostik und können für die Prognose und die Früherkennung einen wesentlichen Beitrag leisten. Um die Auswertung dieser vielversprechenden Ergebnisse zu verbessern, bedarf es wiederum für viele Geräte, die keine kommerzielle Software zur Quantifizierung haben, ein EA-Tool. In Kooperation mit der TU München wird hier unter Einsatz des Heidelberg OCT II und des EA-Tools der Weg für OCT-A MS Forschung gebahnt. 2.2. Vergleich ähnlicher Arbeiten Im folgenden Abschnitt wird die zugrundeliegende Herangehensweise mit aktuellen Publikationen ins Verhältnis gesetzt. Ein direkter Vergleich mit Methodiken anderer Arbeitsgruppen zeigt die vielseitigen Blickwinkel auf das Thema der OCT-A Auswertung. Pappelis et al. (2019) untersuchte 34 Probanden mit einem Canon OCT HS100. Es wurden hier sowohl die Gefäßnetzwerke der Papille als auch der Fovea untersucht sowie eine Kombination aus einem Otsu- Algorithmus mit einem Frangi-Filter angewendet. Allerdings wurden die anatomischen Regionen nur in einer Schicht und ohne Angaben zur transversalen Auflösung untersucht. Ziel der Arbeit war es auch die Verlässlichkeit zu testen. Als Limitation dieser Arbeit kann angemerkt werden, dass sechs Wiederholungen der Aufnahme durchgeführt und die besten zwei Aufnahmen willkürlich ausgewählt wurden (30). Diese Arbeit hat keinen teilnehmenden Probanden ausgeschlossen und nur zwei Aufnahmen zugrunde gelegt. Desweiteren wurde in unserer Arbeit eine höhere Auflösung angewendet und mehrere Schichten in die Auswertung einbezogen. 11
Lei et al. (2018) vergleichen die Verlässlichkeit zwischen vier verschiedenen OCT-Geräten. Die Studie startet mit 109 Probanden von denen nur 39 (31 weiblich, 8 männlich) weiter untersucht werden und für die Verlässlichkeitstestung schließlich nur 20 Probanden einbezogen werden. Auf die Binärisierung mit dem Otsu-Algorithmus erfolgt eine Bildbearbeitung mit einem Skeletonizing-Algorithmus. Dieser vergröbert die binärisierten Bilder und führt zu Einschränkungen der Aussagefähigkeit. Des Weiteren wird nur eine oberflächliche Schicht um den ONH (Optical Nerve Head/Sehnervenkopf) untersucht (31). Mehta et al. (2019) vergleichen in ihrer Arbeit verschiedene Binärisierungsalgorithmen anhand von drei verschiedenen Geräten. Insgesamt werden hier 13 Probanden eingeschlossen, welche je Aufnahme in vier retinalen Schichten ausgewertet werden. Die transversale Auflösung wird mit 20µm bzw. 15µm und einem Untersuchungsfeld von 3mm x 3mm angegeben. Sie konnten hier die signifikanten Unterschiede angewendeter Algorithmen für einzelne Geräte und zwischen den Geräten darlegen (16). Dies stellt eine wichtige Erkenntnis dar, da die Unterschiede zwischen den Geräten und den Methodiken eine enorme Limitation darstellen. Es existieren in der Schlussfolgerung keine Normwerte für die Gefäßdichte. Für die klinische Anwendung dieser Methodik bedeutet dies eine Einschränkung auf eine Verlaufsbeobachtung mit konsistentem Auswertungsprotokoll. Unsere Arbeit untersuchte 23 Probanden und evaluierte die Scans in drei Schichten mit jeweils eigenen Gefäßnetzwerken. Zudem wurde die höchste kommerziell verfügbare laterale Auflösung gewählt (2,9mm x 2,9mm; 5,7µm/Pixel), die einen hohen Detailreichtum erlaubt. Das Ziel dieser Arbeit ist es eine automatisierte, verlässliche und anpassbare Evaluationssoftware zu erstellen und zu testen. Dieses Software Tool kann dazu beitragen OCT-A Aufnahmen mit hoher Vergleichbarkeit und Verlässlichkeit der ausgegebenen Messwerte zu quantifizieren. Zudem kann die Software mit einer graphischen Oberfläche als sogenannte Stand-alone-Software genutzt werden. Dies dient der einfacheren 12
Anwendbarkeit, so dass auch andere Arbeitsgruppen mit dem EA-Tool arbeiten können. 2.3. Limitationen und Ausblick Die mathematischen Grundlagen dieser Arbeit sind nicht neu. Der Otsu- Algorithmus ist bereits 1979 von Nobuyuki Otsu veröffentlicht worden und basiert auf einer Varianzanalyse. Die Varianz wird bei dieser Berechnung innerhalb von definierten Klassen möglichst klein gehalten, in diesem Anwendungsfall zwischen Gefäß- und Gewebspixeln. Die Kombination mit dem beschriebenen Hessian-Matrix Frangi-Filter optimiert die Klassifikation in zwei Gruppen. Die Konfiguration der Algorithmen ist unseres Wissens nach hier erstmalig für OCT-A Bilder in allen drei Gefäßschichten zur Anwendung gekommen. Diese Methodik hat auch relevante Einschränkungen. Wir haben diese ausschließlich an einem Spectralis OCT II evaluiert. Die Auswertung hier bezieht sich ausschließlich auf die Gefäßnetzwerke der Makula. Auswertungen der Gefäßnetzwerke um die Papille mit großlumigen zuführenden Gefäßen bedürfen weiterer bildverarbeitender Schritte und müssen eigens getestet werden. Aufgrund der kleinen Probandenzahl und der eingeschränkten Altersstruktur können die gemessenen VDs nicht als Normwerte herangezogen werden. Hier sind umfangreichere Untersuchungen mit der gegebenen Methodik notwendig. Auch Arbeiten zu zirkadianen Schwankungen oder Schwankungen in Abhängigkeit von Blutdruckwerten könnten interessante Einblicke in die in vivo Physiologie der retinalen Durchblutung liefern. Zirkardiane Unterschiede wurden in dieser Arbeit nicht getestet. In der aktuellen Corona-Pandemie könnte diese Methodik helfen die Pathophysiologie der SARS-COV-2 Infektion im Sinne von Gefäßverschlüssen in Endstromgebieten zu verstehen. 13
3. Ziel der Arbeit Ziel dieser Arbeit war eine prospektive Analyse der Verlässlichkeit der Auswertung von OCT-A Scans mittels halbautomatischer Software. Dafür wurden unserem Wissen nach zum ersten Mal Scans gesunder Probanden in allen drei retinalen Gefäßplexus mit einer einzigartigen Kombination von Algorithmen ausgewertet. 4. Patientenkollektiv Zur Rekrutierung wurde das Erlanger Glaukomregister herangezogen (ISSN 2191-5008, CS-2011; NTC00494923). 14
5. Publikation Hosari, S., Hohberger, B., Theelke, L., Sari, H., Lucio, M., & Mardin, C. Y. (2020). OCT angiography: Measurement of retinal macular microvasculature with spectralis II OCT angiography–reliability and reproducibility. Ophthalmologica, 243(1), 75-84. 15
6. Danksagung Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Christian Mardin sowie Dr. Dr. Bettina Hohberger, die mich im Rahmen dieser Doktorarbeit jederzeit mit ihrem Wissen und ihrer Expertise unterstützt haben und diese Arbeit erst ermöglichten. Außerdem möchte ich Luisa Theelke für die technische Unterstützung bei der Umsetzung dieses Forschungsprojekts danken. Zuletzt möchte ich meinen Eltern und meiner Verlobten meinen Dank aussprechen, die mich über mein Studium hinweg begleitet haben. 16
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