Osterwanderung in der Hölle
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BahnLücke Osterwanderung in der Hölle TexT und FoTos von Hans-Jürgen scHulz S prichwörtlich „durch die Hölle ge- Landstrich zu begeistern, hat doch gerade will 80 % der förderfähigen Kosten überneh- gangen“ ist wohl schon jeder, der der Landkreis Hof mit einem andauernden men; bei den Baukosten selbst wird mit bis zu beispielsweise eine schwere Krank- Bevölkerungsschwund zu kämpfen: Wurden 12 Mio. EUR gerechnet. Die prognostizierten heit durchgemacht hat. Ähnlich geht 2002 noch 110.000 Einwohner gezählt, sind bis zu 300.000 Brückentouristen im Jahr erst es der seit 1945 durch die seinerzeitige es heute nur noch 95.500. Eine zirka 720 m mit Bussen zu befördern, zeigt aber, dass man Zonengrenze unterbrochenen Strecke im lange Höllentalbrücke sowie eine 380 m lan- mehr Straßenverkehr hier eigentlich nicht Höllental(1) zwischen dem thüringischen ge Lohbachtalbrücke sollen daher bis 2022 haben will. Es liegt daher nahe, jetzt auch die Blankenstein (Saale) und dem fränkischen als Touristenmagnet entstehen. Mit jeweils Höllentalbahn wiederaufzubauen, um nicht Marxgrün. Eine Distanz zwar von nur sechs einem Bürgerentscheid haben die Einwoh- nur die bis zu 300 Lastwagen mit Holzfuhren Kilometern, aber bedingt durch die Unter- ner von Issigau und Lichtenberg im Juli und täglich von der Straße zu bekommen, sondern brechung aufgrund der früheren Grenze September das Projekt gebilligt. Solch ein als willkommenen Nebeneffekt auch den besteht hier eine bedeutende Lücke im Engagement erscheint positiv, da es zeigt, Touristen die Möglichkeit zur Bahnanreise zu Schienennetz zwischen Thüringen und dass man den Handlungsbedarf erkannt schaffen. Bayern. Besonders die auf der Thüringer hat. Anders als beim Bahnprojekt zeigen sich Dazu ein Exkurs an die Strecke: 2016 un- Seite ansässige Holzindustrie fordert Naturschutzbelange allerdings bisher nur in ternahm der Verfasser eine Wanderung, um schon seit Jahren den Wiederaufbau (der Äußerungen zur Einhaltung der Brutzeit beim nachzusehen, ob die Trasse, die durch ein Bahn-Report berichtete wiederholt). Die Bau der Brücken, während es zur Bewältigung seit 1997 ausgewiesenes Naturschutzgebiet Wunde klafft immer noch, doch seit 2018 der absehbar steigenden Belastung durch hindurchführt, dieses überhaupt massiv be- deutet sich Besserung an. mehr Autoverkehr in den Anliegergemeinden einträchtigen würde, wenn dort wieder Eisen- dagegen keine nachhaltigen Konzepte gibt. bahnverkehr stattfände. Bis 1987 gab es noch Zwischen Lichtenberg und Issigau soll das Vor der Ortslage Blankenstein sollen zusätz- Güterverkehr im Abschnitt Marxgrün – Hölle Projekt der weltgrößten Hängebrücke umge- liche Parkmöglichkeiten geschaffen werden, zur dortigen Kohlensäurefabrik. Zur Reaktivie- setzt werden, die das Höllental überspannen um„den Gästen eine gute Infrastruktur anzu- rung der Strecke bedarf es keines langwierigen würde. Das Hängebrückenprojekt(2) sieht bieten“, zwischen dem Bahnhof Blankenstein Planfeststellungsverfahrens, da sie nach wie man in Bayern als eine Möglichkeit, Men- und Lichtenberg soll es einen Pendelverkehr vor dem Eisenbahnbetrieb gewidmet ist und schen in die Region zu ziehen und für diesen mit Elektrobussen geben. Der Freistaat Bayern in Art und Umfang nicht verändert werden soll. Oben: Der Bahnhof Blankenstein (Saale) hat dank der örtlich ansässigen Industrie bis in die Gegenwart ein hohes Güteraufkommen, doch der oftmals direkte Weg „durch die Hölle“ von Thüringen nach Bayern ist den Frachten mangels Gleisen seit 1945 verwehrt. Nach der Teilstilllegung der Thüringer Oberlandbahn Triptis – Lobenstein Ende der neunziger Jahre wird die Blankensteiner Industrie ausschließlich über den Knoten Saalfeld bedient. Alle Fotos dieses Beitrags vom 27.03.16 Bahn-Report 2/2019 81
BahnLücke Es geht um die Führung von einer geringen, Strecke Selb – Asch (Eckanschluss in Selb- nein – das konnte nur das Signal des Stebener täglich einstelligen Anzahl an Güterzügen Plößberg von/nach Selb Stadt) auch hier eine Zuges sein, das durch das schluchtartige Tal der örtlichen Zellstoff- und Papierfabriken stündliche Weiterbedienung mit RB-Zügen herübergetragen wurde. Mögliche Lärmschutz- und etwas Personenverkehr zwischen den Hof – Bad Steben in Korrespondenz zu zwei- Einwände von Reaktivierungsgegnern wären zentralen Orten Saalfeld und Hof, womit stündlichen RE-Zügen Eger – Hof – Marxgrün – daher unbegründet, da hier ohnehin stünd- hier keine schnurgerade Hochgeschwindig- Blankenstein – Saalfeld – Erfurt mit jeweiligen lich zweimal ein Zug „fährt“, auch wenn keine keitsstrecke entstehen soll, sondern lediglich Anschlüssen in Marxgrün realisierbar; die bis- Schienen liegen! Hinter dem Prellbock schließt eine maßvolle Verkehrsmenge auf der in die herigen RB-Leistungen Saalfeld – Blankenstein sich ein Plattenweg bis zum Gasthaus Blech- Landschaft bereits eingepassten Infrastruktur könnten zugunsten des RE entfallen. Da auch schmiedenhammer an, das direkt hinter der zu erwarten ist. Der Lückenschluss würde aber zwischen dem Raum Sonneberg und der Lan- Landesgrenze liegt. Unmittelbar dahinter folgt den Güterzügen, welche gegenwärtig über deshauptstadt Erfurt eine nicht hinnehmbare schon die frühere Station Lichtenberg (Ofr), wo die steigungsreiche Strecke via Saalfeld (mit Verkehrssituation existiert, böte sich zu einem das Empfangsgebäude heute als„Informations- teils mehrmaligem Richtungswechsel, u. a. im späteren Zeitpunkt sogar eine„große Lösung“ zentrum Naturpark Frankenwald“ genutzt wird topografisch bedingten Spitzkehrenbahnhof mit Flügelung der aus Erfurt kommenden RE und ein Denkmalzug aufgestellt ist. Die neben einigenWagen vorhandene Dampfspeicherlok Zur Reaktivierung bedarf es keines langwierigen verrichtete bis 1993 als Lok 3 der Zellstoff- und Planfeststellungsverfahrens, da die Strecke nach wie für Papierfabrik Blankenstein ihren Dienst. Einen den Eisenbahnbetrieb gewidmet ist. Großteil des Gebäudes nimmt eine Modell- bahnanlage ein, wo die Strecke durch das Höl- Wurzbach) fahren, einen riesigen Umweg er- in Saalfeld über Probstzella Kurve und Lauscha lental nachgebaut wurde und ständig ein Zug sparen. Im Personenverkehr dümpeln die bei- von/nach Sonneberg – Coburg einerseits und verkehrt. Ob das keine Anregung ist, den vor den jetzigen Stichstrecken nach Blankenstein nach Hof – Eger andererseits an. Damit das derTür stehenden Zug – natürlich in moderner und Bad Steben mit einem für eine gesicherte bisher völlig unzureichend angebundene Form – auch wieder fahren zu lassen, und die Zukunftsfähigkeit zu geringen Reisendenauf- Südthüringen daran partizipieren kann, müss- Erholungssuchenden umweltfreundlich durch kommen dahin. Schon allein deswegen ist eine te lediglich der derzeit brachliegende Teil der das Tal zu befördern? Der kostenlose Parkplatz Vernetzung sinnvoll, wenn sie auf Dauer weiter „Max-und-Moritz-Bahn“ Probstzella – Ernstthal ist voller Autos, teils von weit her (u. a. Berlin), Bestand haben sollen. reaktiviert werden. auch Wildparker auf der Trasse gibt es. Zugleich gibt es hier überregional eine ent- Doch zurück zur Hölle, am Ostersonntag des Ab hier beginnt das Naturschutzgebiet scheidende kleine Lücke in der Achse Thürin- Jahres 2016. Angekommen in Blankenstein, (NSG). DerWeg führt durch das Höllental, mehr gen – Böhmen zwischen Erfurt und Eger/Cheb. und nach Antritt des Fußmarsches entlang oder weniger entlang des Flusses Selbitz. Das Eine von den beiden Ländern und dem Bund des Richtung Marxgrün führenden, ein paar ist eine etwas fragwürdige Sache, denn das bisher versäumte überregionale Betrachtung hundert Meter langen Streckenstummels, der NSG ist kein Totalreservat, wo der unbedingte dieser Region rückt erst angesichts der Ende von den Güterzügen als Ausziehgleis genutzt Naturschutz als oberstes Gebot zu erkennen 2015 erfolgten Reaktivierung (Hof –) Selb- wird, war bald das Pfeifen eines Zuges zu ist. Der Wanderer oder Radfahrer registriert Plößberg – Asch/Aš mehr ins Bewusstsein. Bis- vernehmen. Die Rückfahrt der RB konnte es davon nichts, denn es ist nicht durch Schilder, her scheiterte die Umsetzung wegen der sehr noch nicht sein, und im Werk selbst war auch, Zäune o. ä. abgegrenzt. Vielmehr wird es als eingeschränkten kleinräumigen Abgrenzung u. a. wegen Bauarbeiten zur Erweiterung der Aushängeschild der Ferienregion Selbitztal- schon an den Fördervoraussetzungen(3). Ein Gleisanlagen (die Zellstoff- und Papierfabrik Döbraberg genutzt(4) und birgt zweifellos Teil des im Raum Blankenstein verarbeiteten Rosenthal investierte 10 Mio. EUR in ihre Werk- mit dem Ende des Rennsteigs und weiteren Holzes kommt heute aus dem tschechischen bahn) doch gerade Betriebsruhe. Vielleicht die kulturellen Sehenswürdigkeiten wie z. B. dem Cheb, doch den direkten Weg verhindert die museal genutzte Feldbahn von Blankenberg? Es Bergbaumuseum Friedrich-Wilhelm-Stollen Lücke im Höllental. Im Personenverkehr wäre pfiff abermals, und zwar so deutlich, als würde touristisches Potenzial. Das ist allerdings quasi analog zum Verkehrsmodell der reaktivierten gleich ein Zug aus der Hölle kommen. Aber nur per Auto zu nutzen, denn wer würde einen sechsstündigen Umweg auf sich nehmen, um sechs Kilometer weiter auf die andere Seite des Tals zu gelangen, um auch dort Aktivitäten nachgehen zu können? Parallel zur Bahntrasse führt ein geschotter- ter Fahrweg entlang, der sich in Breite, Beschaf- fenheit und Nutzung von einer Bahntrasse nicht unbedingt unterscheidet. Auch abseits davon krauchen die Leute herum, mitunter laut johlend, die Hunde freilaufend. Was soll hier eigentlich geschützt werden? Das Höl- lental ist nämlich vorwiegend ein Geotop und der Charakter des Durchbruchstales zu Recht vor industrieller Ausnutzung wie Felsabbau, Holzeinschlag o. ä. geschützt. Die Bahntrasse aber ist frei von größeren Bäumen, teilweise sogar frisch freigeschnitten für Stromleitun- gen und als Fahrweg genutzt. Zwei kleine Tunnel sind halbhoch zugemauert, was dann eine Kletterpartie querfeldein über den Berg erforderte und für die nur 160 m Distanz des Kesselfelstunnels angesichts der zahlreichen Höhenmeter über eine Stunde kostete. Wenn es jeder so machen würde, was bei einer Feri- enregion nicht ganz abwegig ist, könnte man das Höllental gleich„Funpark“ nennen. Insofern beißt sich der gesetzliche Naturschutz mit dem Die Trasse der thüringisch-fränkischen Höllentalbahn ist bis heute frei von größeren Bäumen. Ansinnen der benachbarten Gemeinde Bad 82 Bahn-Report 2/2019
BahnLücke Steben(5), hier keine Züge haben zu wollen, geschätzten bis zu 300.000 Besucher jährlich soll-das-Hoellental-ueberspannen-575002718 andererseits aber Kurgäste und Ausflügler zu an zusätzlichem Tourismusverkehr näherrü- [3] „Das Potenzial der Fränkischen Höllen- empfangen, welche doch bitte die Kasse füllen cken. Wenn der Landkreis Hof es mit seinen talbahn“, Dokument der Verkehrsinitiative mögen und sich hier „ausleben“ können. Ge- Absichten ernst meint, sollte er 2019 auch pro Hoellennetz e. V., aus: www.gruene-fraktion- länge es, die Menschenströme hier auf natur- Höllentalbahn aktiv werden. Beim Freistaat bayern.de/sites/default/files/hoellental- belassene Wege zu kanalisieren und zugleich Bayern glaubte man bisher, man hätte nichts bahn_2014_03.pdf ein paar Züge durchs Tal fahren zu lassen, die vom Wiederaufbau der Schiene, obwohl der [4] Flyer „Naturpark Frankenwald – Natur- auch in der Umgebung den umfangreichen Freistaat bei einer Kombilösung Bahn + Brücke schutzgebiet Höllental“, www.selbitztal. Lkw- und Pkw-Verkehr reduzieren helfen wür- zum größten Profiteur würde. Die Bayerische de/fileadmin/user_upload/Dateien/PDF/ den, wäre dem Naturschutz wohl der größere Staatsregierung wird daher angehalten sein, hoellental-flyer_allgemein.pdf Dienst erwiesen. Laut einer Studie der FH Erfurt zu zeigen, was es mit den Verlautbarungen [5] „Bad Steben will keine Höllen- (2010)(6) sind hier bis zu 70.000 Lkw-Fahrten im zur Stärkung desTourismus, des ÖPNV und des talbahn“ Artikel vom 21.12.15 in der Jahr auf die Schiene verlagerbar. SPNV im ländlichen Raum so auf sich hat. Der „Frankenpost“: www.frankenpost.de/lo- Insofern kann es trotz oder besser wegen FreistaatThüringen wie auch die Konzernspitze kal/naila/naila/Bad-Steben-will-keine- aller Liebe zur Natur nur ein klares Plädoyer der DB AG haben sich dazu 2018 bereits posi- Hoellentalbahn;art2443,4546576 für die Reaktivierung der Höllentalbahn geben. tioniert: Inzwischen kann sich auch die DB AG [6] Beitrag „Untersuchung der Verkehrsver- Dass der NSG-Status und die Reaktivierung vorstellen(8), dass die Lücke wieder geschlossen hältnisse für den Personen- und Güterver- einer Bahnstrecke zusammenpassen, zeigt und die Strecke Hof – Blankenstein sogar elek- kehr entlang der Höllentalbahn“, in„Berichte aktuell der Fall Hermann-Hesse-Bahn zwischen trifiziert wird. Der Konzern würde momentan des Instituts Verkehr und Raum der FH Weil der Stadt und Calw, wo die Strecke nicht die Anforderungen der zuständigen Planfest- Erfurt, Band 8“: www.fh-erfurt.de/fhe/vur/ nur das NSG Hacksberg durchquert, sondern darin sogar ein Tunnelneubau auf neuer Trasse Inzwischen kann sich auch die DB AG vorstellen, dass die realisiert werden wird(7). Mit der sich in Kürze Lücke „in der Hölle“ wieder geschlossen wird. abzeichnenden Realisierung des Hängebrü- ckenprojekts wäre es für die Region besser, die stellungsbehörde in Mittelfranken erwarten, metaprojektliste/2009/streckenreaktivierung- damit verbundenen negativen Auswirkungen hieß es. Das sind ganz neueTöne und sehr gute hoellentalbahn/ wie Verlärmung und Schadstoffeintrag durch Voraussetzungen, dass bald wieder Schienen [7] Infoseite zur Realisierung des Projekts den massiv ansteigenden Autoverkehr gleich im Höllental liegen. „Hermann-Hesse-Bahn“ bis Ende 2020 mit den durch Wiederaufbau der Höllental- vom Landkreis Calw: www.hermann-hes- bahn viel mehr den öffentlichen Interessen Endnoten: se-bahn.de/projekt/baumassnahmen/__ entsprechenden Auswirkungen wie SPNV, [1] Detaillierte Informationen zu Geschichte Bauma%C3%9Fnahmen.html Verlagerung von nennenswerten Tonnagen und Perspektive der Strecke sind unter www. [8]„Deutsche Bahn hat Interesse an Wieder- von der Straße auf die Schiene, Vermeidung hoellennetz.de abrufbar. eröffnung der Höllentalbahn“ Beitrag des von Luftschadstoffen und weiterer positiver [2] „Hängebrücke soll das Höllental über- Mitteldeutschen Rundfunks vom 22.07.18: Umweltfaktoren abzufedern. Die Hinderungs- spannen“ Artikel vom 01.12.18 in der www.mdr.de/thueringen/ost-thueringen/ gründe für das Bahnprojekt werden durch den „Ostthüringer Zeitung“: www.otz.de/web/ saale-orla/bahn-bekundet-interesse-an- Brückenbau deutlich geringer, je mehr die zgt/suche/detail/-/specific/Haengebruecke- hoellentalbahn-100.html Im früheren Bahnhof Lichtenberg (Ofr) wird das Empfangsgebäude heute als „Informationszentrum Naturpark Frankenwald“ genutzt. Als Denkmal dient eine Dampfspeicherlok, die im benachbarten Blankenstein bis 1993 als Lok 3 der Zellstoff- und Papierfabrik ihren Dienst verrichtete. Bahn-Report 2/2019 83
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