Palliative Behandlung und Sterben auf einer Neugeborenen-Intensivstation

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Palliative Behandlung und Sterben auf einer Neugeborenen-Intensivstation
Palliative Behandlung und Sterben
auf einer Neugeborenen-
Intensivstation

Inga Wermuth und Andreas Schulze
Perinatalzentrum Großhadern

Fachtagung „Wie viel Tod verträgt ein Berufsleben?“
am 9. November 2013 in München
Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e.V.
Palliative Behandlung und Sterben auf
                       einer
           Neugeborenen-Intensivstation

EINLEITUNG

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             Ilse Schütze-Schur. Ohne Titel (um 1919)
Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                          Neugeborenen-Intensivstation

              Einleitung >     Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

            Historische Entwicklung
 im Umgang mit perinatalen kindlichen Todesfällen

 Bis ca. Beginn der 1970er Jahre: Tendenz zur (gutgemeinten)
  „Schonung“ der Eltern vor Anblick und Körperkontakt mit dem
  versterbenden Neugeborenen und Details seiner Erkrankung
 70er & 80er Jahre: Deskriptive Publikationen zum Trauerverlauf,
  Konzept der „Notwendigkeit der Trauerarbeit“, Notwendigkeit des
  „Begreifens des Verlustes“
 Danach steigende Anzahl an publizierten Untersuchungen und
  Handlungsempfehlungen

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              Einleitung >     Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

     Veränderte Umstände neonataler Sterblichkeit
                 im zeitlichen Verlauf

 Deutliche Verminderung der neonatalen Sterblichkeit (Walther 2005)
 Veränderung der Todesursachen (Wilkonson et al 2006)
 Hoher Anteil von neugeborenen Kindern, die nach Beendigung
  lebensverlängernder Maßnahmen versterben (Angaben variieren
  zwischen 42 und 90 Prozent) (Singh et al 2004, Berger et al 2009)

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              Einleitung >     Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                    Palliativmedizinische Versorgung
                     schwerkranker Neugeborener
 Verhinderung oder Linderung von Schmerz und Leiden des nicht
  lebensfähigen oder sterbenden Kindes
 Unterstützung bzw. Eingehen auf die Bedürfnisse der Familie
 Wärme, Würde, menschlicher Kontakt und Schmerzlinderung als
  Basiselemente palliativer Versorgung (Walther 2005)
 Umfassende Betreuung von der der Diagnosestellung bis in den
  Trauerprozess
 Interdisziplinäre Zusammensetzung des betreuenden Teams (Sumner
   et al 2006)

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            Neugeborenen-Intensivstation

DIE PERSPEKTIVE DER ELTERN
– ERGEBNISSE AUS EINER
INTERVIEWSTUDIE
Palliative Behandlung und Sterben auf
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            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

     Semi-strukturierte Interviews mit Eltern
 nach dem Tod ihres neugeborenen Kindes auf der
         Neugeborenen-Intensivstation
 Wie erleben Eltern den Tod ihres neugeborenen Kindes auf einer
  Intensivstation?
 Gibt es Faktoren, die die Trauerreaktion beeinflussen,
  insbesondere die Miteinbeziehung in eine Entscheidung zur
  Beendigung der lebenserhaltenden Therapie?
 Welche speziellen Bedürfnisse haben Familien in einer solchen
  Situation?
 Wie beurteilen Eltern die bestehenden Strukturen und
  Hilfsangebote?

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            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                                         Studiendesign
 Befragung betroffener Eltern eines Fünf-Jahres-Zeitraums
   (1999-2003)
 Fragebogen mit 242 Fragen
 Fünf Themenbereiche, u.a. intensivmedizinische Behandlung des
   Kindes und Entscheidung zur Therapiezieländerung, Betreuung
   und Unterstützung der Eltern, Trauerprozess
 Integration eines etablierten Messinstruments (PGS) zur
   Erfassung der Trauerintensität nach perinatalem Verlust
 Quantitative und qualitative Auswertung
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                                         Neugeborenen-Intensivstation

            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern    >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                            Studiendesign: Interviews
 50 Eltern nahmen an der Befragung teil
                                                          26 Interviews
                                                          Zeitpunkt: im Median 37
                                                           Monate nach dem Tod des
                                                           Kindes
                                                          Gesprächsdauer 1.5 - 4.5
                                                           Stunden
                                                          73% der Interviews bei den
                                                           Eltern zu Hause
                                                          Audioaufnahme und
                        Monate                             Transkription aller Interviews
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                Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                    Umfeld Neugeborenenintensivstation

 Ausstattung und Abläufe auf
  einer Neugeborenen-
  Intensivstation können Angst
  und Unsicherheit bei den
  Eltern verstärken.

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Vater: Aber interessant, am Anfang bin ich schon, das erste Mal habe ich mich sehr, sehr
überwinden müssen,
              Umfeld dass ichNeugeborenenintensivstation
                              da reingehe, obwohl es das eigene Kind ist. […]
Mutter: Aber auch diese Pflege, ich weiß, beim allerersten Mal, da wäre ich fast umgefallen, weil
mich das so gestresst hat, also da rein zu langen und vielleicht was falsch zu machen, das war
ganz komisch. Also für mich die ersten Tage, du hast mich ja jeden Tag besucht, das war dann
schon komisch, ich hab mich kaum getraut, alleine rüber [auf die Intensivstation] zu gehen, weil
ich wusste nicht, was ich tun sollte, […] das habe ich damals dem Prof. S. auch gesagt, der kam ja
immer oft vorbei und hat auch gefragt wie es geht und so, […] und zwar habe ich gesagt „Das ist
komisch, sie haben jetzt ein Kind und haben es doch nicht“, weil auf der einen Seite ist es nicht
mehr im Bauch, es ist jetzt wirklich da, aber ich weiß ja gar nicht, was damit ist, ich weiß nicht,
was ich mit ihm machen soll, er liegt im Inkubator, ich darf ihn nicht anfassen, am Anfang ist es
ja schwierig, er ist sehr feucht, sehr warm, man durfte auch nichts machen, erst nach zwei
Wochen, oder nach einer Woche vielleicht schon durften wir langsam füttern auch so ein
bisschen, aber das war etwas ganz Komisches, […], nur daneben sitzen, ich hab mich da so fremd
gefühlt, also es war ganz komisch, ein beklemmendes Gefühl, ich hab dann immer auf ihn
[meinen Mann] gewartet, und dann sind wir zusammen rüber gegangen.
Zitat eines Elternpaares, dessen Sohn 16 Wochen zu früh auf die Welt kam. Die lebenserhaltenden Maßnahmen wurden nach dem
Auftreten einer hochgradigen Hirnblutung in gemeinsamer Entscheidung mit den Eltern beendet.
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                Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                           Informationen und Gespräche
     Komplikationen werden je nach Situation und Einstellung der Eltern
      unterschiedlich schwerwiegend beurteilt - insbesondere mittel- und
      langfristige Folgen werden zu einem früheren Zeitpunkt oft noch nicht
      wahrgenommen oder unterschätzt.
     Es kann für Eltern hilfreich sein, wenn trotz verschiedener fachlicher
      Meinungen auf Behandlungsseite ein Konsens erarbeitet wird, um den
      Eltern einen möglichen oder präferierten Weg aufzuzeigen
     Durch eine Koordinierung und den Austausch von Informationen innerhalb
      des Behandlungsteams können Missverständnisse und Konfliktsituationen
      oftmals vermieden werden.
     In einer Zeit großer Anspannung und Angst können selbst vermeintlich
      eindeutig formulierte Aussagen anderes aufgenommen oder gar nicht
      wahrgenommen werden.

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                Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                           Informationen und Gespräche
     Komplikationen werden je nach Situation und Einstellung der Eltern
      unterschiedlich schwerwiegend beurteilt - insbesondere mittel- und
      langfristige Folgen werden zu einem früheren Zeitpunkt oft noch nicht
      wahrgenommen oder unterschätzt.
     Es kann für Eltern hilfreich sein, wenn trotz verschiedener fachlicher
      Meinungen auf Behandlungsseite ein Konsens erarbeitet wird, um den
      Eltern einen möglichen oder präferierten Weg aufzuzeigen
     Durch eine Koordinierung und den Austausch von Informationen innerhalb
      des Behandlungsteams können Missverständnisse und Konfliktsituationen
      oftmals vermieden werden.
     In einer Zeit großer Anspannung und Angst können selbst vermeintlich
      eindeutig formulierte Aussagen anderes aufgenommen oder gar nicht
      wahrgenommen werden.

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Und dann wurde auch immer ein Doppler gemacht, und dann hat man mir schon gesagt, dass es
irgendwann soUmfeld
                 sein wird, dass  das Kind eben außerhalb des Mutterleibs besser aufgehoben ist als
                               Neugeborenenintensivstation
innen und, ja, ich hab das nicht ernst genommen, da bin ich ganz ehrlich, ich hab immer gesagt,
ach Gott ihr Ärzte, was redet ihr alle, wir schaffen das schon noch […] das ist wahrscheinlich nur,
ich hatte auch hier an der Arbeit viel Stress und hab das alles auf den Stress geschoben […] meine
Eltern sind auch nicht groß, seine Eltern sind auch nicht groß, mei, das Kind ist halt nicht ganz so
groß, es war mir damals einfach nicht bewusst, was die Größenverhältnisse, dass er wirklich so
klein war, dass der unterhalb von dieser Normkurve lag, das war mir einfach wirklich nicht
bewusst, dass das so gravierend ist, für mich war das einfach nur ein bisschen, ja, mein Gott, es
gibt auch kleine Kinder, dachte ich halt, ja, und kleine Menschen … Ich hab das damals glaube
ich alles gar nicht so registriert, ich hab mir immer gedacht, mei, was erzählt ihr alles, das glaube
ich einfach nicht […] dann leg ich mich halt ein paar Monate ins Krankenhaus, stört mich alles
nicht, ja, mir war das alles einfach nicht bewusst.
Zitat einer Mutter, deren Sohn in der 26. Schwangerschaftswoche mit 350g Geburtsgewicht zur Welt kam. Der Junge verstarb mit
sechs Monaten im Herz-Kreislauf-Versagen.
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        Einleitung >   Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

   Faktoren mit Einfluss auf die Trauerintensität
Geschlecht                        Mütter hatten einen signifikant höheren Trauerscore als
                                  Väter
Vorhandensein älterer             Familien mit vorgeborenen Geschwisterkindern hatten
Geschwisterkinder                 einen signifikant höheren Trauerscore

Vorhandensein jüngerer            Familien mit nachgeborenen Geschwisterkindern hatten
Geschwisterkinder                 einen signifikant niedrigeren Trauerscore

Zeit, die seit dem Tod            Je länger der Abstand zum Tod des Kindes war, desto
vergangen war                     geringer war der Trauerscore

            Eine Miteinbeziehung in eine Entscheidung
 zur Therapiezieländerung hatte keinen negativen Einfluss auf den
                          Trauerverlauf!                          15
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Ich muss sagen, von dem Gespräch her, ich hab eigentlich jetzt auch nicht
damit gerechnet, dass das dann auf das hinauf läuft, dass eben der Todesfall
eintreten könnte … […] vielleicht erklärt der Professor das Ganze von den
Geräten her, man weiß es ja nicht, und ich war eigentlich zu dem Zeitpunkt
ja seit zehn Minuten oder seit fünfzehn Minuten in dem Zimmer oder auf der
Station, man rechnet mit allem, dass man sagt „Gut, vielleicht gibt es doch
irgendwo Komplikationen“, oder, also man muss auf alles gefasst sein. […],
wie gesagt, von dem Gespräch habe ich nur mitgekriegt, ich weiß bloß noch,
dass der Professor in dem Sinn gesagt hat, dass die J. eine Gehirnblutung
hat, oder dass sie eingetreten ist, und dann ist eigentlich von mir die Frage
gekommen, ob sie Schmerzen hat, und da weiß ich bloß noch, dass der
Professor gesagt hat „Vermutlich ja“. Und dann habe ich gesagt „Abschalten“,
das war, und was dann gekommen ist, weiß ich eigentlich in dem Sinn nicht
mehr, das war dann irgendwo ziemlich weit weg.
Zitat einer Mutter, deren Zwillingsmädchen 16 Wochen zu früh geboren wurden. Bei dem verstorbenen Mädchen
waren am zweiten Lebenstag nach der Diagnose einer hochgradigen Hirnblutung die lebenserhaltenden Maßnahmen
beendet worden.
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Ich war eigentlich froh […] dass ich auch mal entscheiden konnte, vorher war
man immer so machtlos, man hat das Kind immer nur gesehen, und ich hab
immer nur gewusst, dem geht es, also irgendwie das Gefühl gehabt, ihm geht
es nicht gut, und mir geht es damit auch nicht gut, und ich hatte ja von
Anfang an dieses Gefühl, leider, dass er stirbt, dass er nicht lebensfähig ist,
ja, für mich waren eben diese sechs Wochen Qual, immer dieses Warten auf
den nächsten Befund und immer, irgendwie hatte ich auch das Gefühl, da
findet keiner was, ja, so war es ja dann auch, Experten haben nur immer
gesagt, das könnte was sein, dann wurde das untersucht, dann war es das
wieder nicht, das war einfach eine Belastung für mich.

Zitat einer Mutter, deren Sohn nach unauffälliger Schwangerschaft und Geburt am 60. Lebenstag an den Folgen
einer seltenen Nervenerkrankung verstarb.
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                       Einleitung >   Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                             Mütter und Väter trauern anders!
.10                                                                                         in Monaten
                                                                                   (Median (Minimum; Maximum))

                       *
                                                Mütter trauerten

                                                                                                 *
                                                                                   15
                                                                                   14
            150                       32
                                                intensiver als                     13

                                                Väter                              12

                     p = 0.01                                                                   p=
PGS-Score

                                                                                   11
            120
                                                                                   10
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                                                                                    8
                                                                                                0.03
            90
                                                                                    7
                                                                                    6
                                                                                    5
            60
                                                                                    4

                                                    Mütter trauerten                3
                                                                                    2
            30                                       länger als Väter               1
                                                                                    0
                  männlich      weiblich
                  Väter         Mütter                                                   Mütter         Väter

                                                                                                                18
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                                          einer
                              Neugeborenen-Intensivstation

     Einleitung >   Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

           Mütter und Väter trauern anders!

                         *
80

70                                           Signifikant mehr Mütter als Väter
                                             gaben an,
60                     p < 0.05
                                             dass der Trauerprozess negative
50                                           Auswirkungen auf die Beziehungen
40
                                             zum sozialen Umfeld hatte

30

20

10

                                          Prozent, 95% KI
 0

      Mütter               Väter                                                            19
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                       einer
                                           Neugeborenen-Intensivstation

              Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                 Subjektiv empfundene Unterstützung

                         100%

                          80%
                                        *
                                   p < 0.05
                                                                    Eltern, die die subjektiv
                                                                    empfundene Unterstützung
                                                                    als nicht ausreichend
                          60%
                                                                    einschätzten,
  Negative
Auswirkungen                                                        gaben häufiger an,
                          40%
                                                                    dass sich der Trauerprozess
                                                                    negativ auf das soziale
                          20%                                       Umfeld ausgewirkt habe.

                             0%
                            ja       nein
  Fachtagung am 9.11.2013 in München
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            Unterstützung als ausreichend empfunden
Palliative Behandlung und Sterben auf
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             Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                      Bedürfnisse betroffener Eltern:
                     Gespräche und Entscheidung zur
                          Therapiezieländerung
95% der befragten Eltern, deren Kind nach einer Entscheidung zur
Beendigung oder dem Nicht-Beginnen lebenserhaltender Maßnahmen
verstarb, waren der Meinung, dass die Miteinbeziehung in die
Entscheidungsfindung adäquat war.

92% dieser Eltern gab an, dass sie die Miteinbeziehung in die
Entscheidungsfindung nicht bedauern würden.

85% dieser Eltern sagten, dass sie keine Schuldgefühle bezüglich
der Entscheidung empfanden.

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Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                          Neugeborenen-Intensivstation

             Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                      Bedürfnisse betroffener Eltern:
                     Gespräche und Entscheidung zur
                          Therapiezieländerung
45% der Eltern sagten, dass sie sich in der Situation der
Entscheidung zur Beendigung intensivmedizinischer
Maßnahmen überfordert fühlten.

17% der Mütter und 6% der Väter gaben an, dass sie sich
generell am Tod des Kindes schuldig fühlten.

 Fachtagung am 9.11.2013 in München             I. Wermuth & A. Schulze | Perinatalzentrum Großhadern   22
Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                      Neugeborenen-Intensivstation

Du kannst nicht irgendwie in einer Traumwelt leben, sondern du hast ja immer die
Realität, jeden Tag, und wenn er dir das so direkt sagt, dann hebst du gar nicht erst ab,
[…], normalerweise ist jeder Vater, der ein Kind kriegt, glücklich, und jede Mutter, aber
ich war nicht glücklich da, sondern das war immer irgendwie eingesperrt in mir und das
habe ich nicht raus gelassen, weil ich einfach immer Angst gehabt hab, dass irgendwas
passiert, und […] auf der einen Seite ist das schon richtig, dass er das gesagt hat, auf der
anderen Seite ist das brutal schwierig für einen zum Verarbeiten.
Zitat eines Vaters, dessen Tochter als Zwillingsfrühgeborenes in der 24. Schwangerschaftswoche zur Welt kam. Das
Mädchen entwickelte aufgrund der extremen Frühgeburtlichkeit schwerwiegende Komplikationen und verstarb am 8.
Lebenstag nach Beendigung der intensivmedizinischen Maßnahmen.
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                     einer
                                         Neugeborenen-Intensivstation

            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

          Bedürfnisse betroffener Eltern:
Situation des Versterbens / Zeit nach dem Tod des
                      Kindes
 Anwesenheit bei ihrem versterbenden Kind

 Körperkontakt zu ihrem versterbenden
  Kind

 Vorhandensein von
  Erinnerungsgegenständen an ihr
  verstorbenes Kind

                                                                                    Paul Klee. Es weint.
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Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                     Neugeborenen-Intensivstation

Also wenn es nach mir ganz am Anfang gegangen wäre, hätte ich sie wahrscheinlich auch gar
nicht unbedingt erst mal sehen wollen, weil es für mich einfach so, also ich hab da lang mit mir
gekämpft, ich hab mich am Anfang total dagegen verweigert, es war gut, dass ich es gemacht
habe, also im Nachhinein Gott sei Dank, aber am Anfang habe ich schon gesagt, warum muss ich
mir das auch noch geben, wenn ich ja eh schon weiß, dass es eigentlich keine Chance hat.

Zitat einer Mutter, deren Tochter durch einen Unfall 12 Wochen zu früh auf die Welt kam und an den Folgen des
Unfalls und der Frühgeburtlichkeit verstarb.
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                einer
                                    Neugeborenen-Intensivstation

Was ich gut gefunden hab, dass sie mich im Prinzip ja fast gezwungen haben, mit auf
die Intensivstation zu kommen, weil ich wäre, also freiwillig, wie gesagt, ich wäre nur
weggelaufen […] Ich hab immer noch gehofft, dass sie es irgendwie nicht schaffen,
einen Rollstuhl aufzutreiben für mich, aber ich meine, im Nachhinein, war ich
unheimlich froh drüber, aber in der Situation, das war halt für mich was völlig Neues,
ich war der Situation halt absolut nicht gewachsen, ich wusste halt überhaupt nicht, wie
ich damit umgehen soll, und ich hab mich so auch, ja körperlich, wirklich nicht gut
gefühlt, und hab mich da wahrscheinlich auch ein bisschen dahinter versteckt.
Zitat einer Mutter, deren Sohn nach unauffälliger Schwangerschaft am ersten Lebenstag an den Folgen einer
fulminanten B-Streptokokkensepsis starb.
Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                    Neugeborenen-Intensivstation

Also es war, ich hab selber gefragt, ob ich das, ob das möglich ist, aber […] es war
schon schwer, also es ist nicht so, dass ich sage, das war jetzt mein Wunsch und das war
toll und das war super, es war schon schwer, aber es war wichtig, und ich habe es auch
währenddessen als sehr gut empfunden, erstens mal ihn überhaupt mal zu berühren,
ohne jetzt, so komisch wie das klingt, ohne jetzt Angst zu haben, dass gleich irgendwas
passiert, sondern auch mal unbedarft da ihn zu berühren …
Zitat einer Mutter, deren Sohn 16 Wochen zu früh auf die Welt kam. Die lebenserhaltenden Maßnahmen wurden
nach dem Auftreten einer hochgradigen Hirnblutung in gemeinsamer Entscheidung mit den Eltern beendet.
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                 einer
                                     Neugeborenen-Intensivstation

Ich fand auch sehr nett, dass die uns noch die Gelegenheit gegeben haben, den R. zu
fotografieren. Weil wir, also komischerweise ist mir aufgefallen, dass wir die ganze Zeit
kein einziges Foto gemacht haben, irgendwie so als Erinnerung an seine Gesichtszüge,
an seine Augen, wir hatten eigentlich gar nichts, und dann hat es mich schon richtig
geärgert, dass man da, wo er noch gelebt hat, auch mit den ganzen Schläuchen, ich
mein, das gehört ja dazu, dass wir da nichts hatten, und das ist mir da erst zum Schluss
so richtig gedämmert, und als ich dann da angesprochen worden bin, ob ich das
verkraften würde, ein Foto zu haben, da habe ich gesagt, ja sicher, das ist ja für mich
dann, das habe ich ja heute noch, das ist ja ganz egal, weil es geht ja eigentlich bloß um
den Körper, um das Leben, das Wesen an und für sich, man sieht die Gesichtszüge, man
sieht die Augen, so hätte es sein können, so war es aber nicht, deswegen quält man sich
ja nicht ein Leben lang, dass man das da, sondern man sieht, dass dieses Kind eine
Persönlichkeit war, wenn man das dann irgendwann mal vergessen hat, wenn man nicht
mehr weiß, wie das Kind ausgeschaut hat, dann sagt man „Was, hatten wir mal ein
Kind“ oder so, und ich finde, das ist sehr schade, also man muss das schon so nüchtern
betrachten, das ist zwar schmerzvoll, in dem Moment ein Foto zu machen, oder auch
wenn es lebt, aber es ist auch doch eine schöne Erinnerung.
Zitat einer Mutter, deren Sohn mit einer Trisomie 18 geboren wurde. Das Kind verstarb am 6. Lebenstag, nachdem
die lebenserhaltenden Maßnahmen aufgrund der zunehmend belastenden Symptomatik beendet wurden.
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                       einer
                                           Neugeborenen-Intensivstation

… und das war wie ein anderes Kind, unheimlich friedlich und die haben dann auch
zwei Fotos wieder für uns gemacht, wo er schon tot war, und das sind eigentlich meine
Lieblingsfotos.

Zitat einer Mutter, deren Sohn nach unauffälliger Schwangerschaft und Geburt am 60. Lebenstag an
den Folgen einer seltenen Nervenerkrankung verstarb.

  Fachtagung am 9.11.2013 in München            I. Wermuth & A. Schulze | Perinatalzentrum Großhadern   29
Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                          Neugeborenen-Intensivstation

             Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                     Der Einfluss des Trauerprozesses
                     auf die Paarbeziehung der Eltern
78% der befragten Eltern fühlten, dass sich die Paarbeziehung
zwischen den Eltern seit dem Tod des Kindes verändert hatte.
Dies gaben mehr Mütter als Väter an.

Die meisten dieser Eltern meinten, dass das Ereignis sie einander
näher gebracht habe.

6 Befragte gaben an, dass sie zum Zeitpunkt der Befragung eine
größere Distanz zum Partner empfanden. Zwei Elternpaare
hatten sich in der Zeit nach dem Tod des Kindes getrennt.

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Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                          Neugeborenen-Intensivstation

             Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

           Einige Schlussfolgerungen aus der Studie
 Eine Befragung trauernder Eltern im Rahmen einer Studie ist möglich und
  wird von der Mehrzahl der Eltern positiv aufgenommen.
 Die Miteinbeziehung in eine Entscheidung zur Therapiezieländerung ist
  nicht verbunden mit einer höheren Trauerintensität nach dem Tod des
  Kindes.
  Aber Eltern brauchen unsere Unterstützung in dieser Situation.
 Es bestehen bedeutende Unterschiede in der Trauerreaktion zwischen
  Müttern und Vätern. Eltern sollten über diesen Umstand informiert und
  beraten werden, sodass unterschiedliche Trauerverläufe als potentielles
  Problem antizipiert werden können.
 Die meisten Eltern schätzen die Anwesenheit bei und den Körperkontakt
  zu ihrem versterbenden Kind sowie das Vorhandensein von
  Erinnerungsgegenständen an die kurze Lebenszeit des Kindes als wertvoll
  ein.
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Palliative Behandlung und Sterben auf
                        einer
            Neugeborenen-Intensivstation

DIE PERSPEKTIVE DES
TEAMS
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                      einer
                                          Neugeborenen-Intensivstation

            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                                           Betroffenheit
Eltern zeigen eine extreme Sensitivität gegenüber den Reaktionen von
Ärzten und Pflegenden (Cullberg 1972; Lovell 1983)

Aber:
 Infauster Verlauf und Sterben eines Neugeborenen stellen eine
  schwieriger Konfrontation dar und bedeuten eigene Betroffenheit
 Trauer und Trauerarbeit „inmitten der Intensivstation“
 Bewusstwerden eigener schmerzlicher Verlust, Reaktivierung von
  (ungelöster) Trauer

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Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                          Neugeborenen-Intensivstation

            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                           Potenzielle Ängste
                   unter dem medizinischen Personal

 Berufliches „Versagenserlebnis“ (Kowalski 1980)
 Vorwurf der „unterlassenen Hilfeleistung“
 Eltern könnten in der palliativen Betreuungssituation allgemein
  negative Emotionen und Vorwürfe auf ärztliches und pflegerisches
  Personal fokussieren (Gold 2007)
 Vermeidung schwieriger Gespräche wegen unerreichbar hoher
  Ansprüche an die eigene Kommunikationsfähigkeit (Glaser 1995)

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                                          Neugeborenen-Intensivstation

            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                           Potenzielle Ängste
                   unter dem medizinischen Personal

 Berufliches „Versagenserlebnis“ (Kowalski 1980)
 Vorwurf der „unterlassenen Hilfeleistung“
 Eltern könnten in der palliativen Betreuungssituation allgemein
  negative Emotionen und Vorwürfe auf ärztliches und pflegerisches
  Personal fokussieren (Gold 2007)
 Vermeidung schwieriger Gespräche wegen unerreichbar hoher
  Ansprüche an die eigene Kommunikationsfähigkeit (Glaser 1995)

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Palliative Behandlung und Sterben auf
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                                           Neugeborenen-Intensivstation

             Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                                                 Synposis
 Spezielles Wissen, Fähigkeiten und Verständnis in der Begleitung
  und Unterstützung trauernder Eltern notwendig
 Mangel hieran wird (insbesondere vom Pflegepersonal) oft
  empfunden, aber selten offen eingefordert!

 Leitlinien können eine Unterstützung sein, reichen aber für eine
  suffiziente Betreuung betroffener Familien nicht aus.
 Wünschenswert wäre eine tiefgreifende Schulung und Ausbildung
  des medizinischen Personals
 Hilfe und Unterstützung durch Fallkonferenzen, Supervision und
  individuelle psychologische Betreuung
  Fachtagung am 9.11.2013 in München               I. Wermuth & A. Schulze | Perinatalzentrum Großhadern   38
Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                        einer
                                            Neugeborenen-Intensivstation

              Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

    Individuelle Herangehensweisen und Ressourcen
 Eigene Erfahrungen und Grenzen reflektieren
 Bewusste Entscheidung darüber, ob eine Begleitung zum aktuellen
  Zeitpunkt möglich ist
 Nicht jeder „Fall“ berührt gleich
 Eigene Gefühle und Traurigkeit zulassen
 Aktives Trauern
 Ressourcen emotionaler Unterstützung
 Supervisionen, Fallbesprechungen
 Offenheit und Toleranz im Team

                                              Aus: Christ-Steckhan „Elternberatung in der Neonatologie“, 2005

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Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                      einer
                                          Neugeborenen-Intensivstation

            Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

  Individuelle Herangehensweisen und Ressourcen
 Eigene Erfahrungen und Grenzen reflektieren
 Bewusste Entscheidung darüber, ob eine Begleitung zum aktuellen
  Zeitpunkt möglich ist
 Nicht jeder „Fall“ berührt gleich
 Eigene Gefühle und Traurigkeit zulassen
 Aktives Trauern
 Ressourcen emotionaler Unterstützung
 Supervisionen, Fallbesprechungen
 Offenheit und Toleranz im Team

                                          Aus: Christ-Steckhan „Elternberatung in der Neonatologie“, 2005

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Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                        einer
                                            Neugeborenen-Intensivstation

              Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

             Hospice- oder Palliative-Care-Programme
                       in der Perinatologie

 Möglichkeit der Implementierung palliativmedizinischer Elemente in die
  Versorgung schwerstkranker Neugeborener
 Ziele:
   – Sensitiver und individueller Umgang mit dem sterbenden Kind und
     seiner Familie
   – Vermeidung von komplizierten Trauerverläufen
   – Bewältigung des Ereignisses durch das medizinische Personal
 Kritik: Gefahr der Institutionalisierung und Homogenisierung von
  Trauer (Roy 2007, Leon 1992)
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Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                     einer
                                         Neugeborenen-Intensivstation

           Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                                              Belastung

    I: Okay. In wie weit belastet es dich, oder was ist das belastende an solchen
    Situationen, wo so eine Entscheidung ansteht oder getroffen werden muss?
    B: Ich finde es oft sehr belastend, dass man natürlich als Oberarzt, und das wird
    dem Leiter genauso gehen, eigentlich der Exekutor ist. Das ist sehr belastend oft. Ja.
    Das ist aber auf der anderen Seite auch bewusst so gewählt, weil wir, zumindestens
    die Oberärzte, eigentlich, glaube ich, einen erfahrenen Blick darauf haben, und das
    kann man nicht einfach dem Assistenten überlassen.

    Aus dem Interview mit einem Oberarzt

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Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                     einer
                                         Neugeborenen-Intensivstation

           Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                                                 Coping
    I: Wenn du, oder sprichst du im privaten Bereich mit Partner, Freunden, Familie
    über solche Situationen?
    B: Ähm, mit meiner Mutter, ja. Und mit Leuten von außen, wie ich ja vorhin auch
    gesagt habe, weil die Leute schon ziemlich schnell dann auf sowas zu sprechen
    kommen. Wenn du sagst, wo du arbeitest sagen die immer: Ja, das muss doch sehr
    schlimm sein. Dann sage ich meistens: Eigentlich ist es so schlimm nicht. Und ich
    versuche es immer zu vergleichen. Also bei uns im Haus gibt es eine andere Station,
    wo größere Kinder, herzkranke Kinder sind, Kinder nach Operationen am ZNS und
    so Sachen, die ich eigentlich schlimmer finde, wo ich irgendwie denke: Das ist
    belastender, so ein Kind was, was, was schon gelebt hat. Also versuche ich das
    immer, so ein bisschen zu relativieren.

    Aus dem Interview mit einer Assistenzärztin
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Palliative Behandlung und Sterben auf
                                                     einer
                                         Neugeborenen-Intensivstation

           Einleitung >    Die Perspektive der Eltern   >   Die Perspektive des Behandlungsteams

                                     Kraft und Ausgleich?
B: Vom Sport auf jeden Fall, (lacht)finde ich, irgendwie. Weiß ich nicht, wenn es
ziemlich stressig ist, dann mache ich gern Sport irgendwie als Ausgleich. Aber auch
wenn ich jetzt wieder keine Ahnung, ein, zwei Wochen später oder was ein Kind
habe, wo der Verlauf dann gut ist, was auch ein intensives Kind war, aber man das
sieht halt, irgendwie man hat doch mit gepflegt und irgendwie ist es dann auch gut
gelaufen. Das freut einen dann auch immer als Ausgleich, finde ich irgendwie. Ja,
doch. Das schon auch, ja.
I: Gibt es was, woraus du Kraft schöpfst in so einer Situation oder das dir Mut macht
oder Zuversicht? B: (stottert) Eigentlich wie, also das einzige, was mir immer hilft ist,
dass ich es halt erzähle (lacht) irgend jemandem. I: Mmh. B: Ja. Also auch nach, nach
außen, Leuten die jetzt nicht in der Arbeit sind. Ich erzähle, was gerade passiert.

Aus dem Interview mit einer Pflegefachkraft.
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Palliative Behandlung und Sterben auf
                                       einer
                           Neugeborenen-Intensivstation

                                   Mein Dank gilt insbesondere
                                   den teilnehmenden Familien,
                                     die den Mut und die Kraft
                                        aufgebracht haben,
                                      ihre Erinnerungen und
                                    Erfahrungen zum Tod ihres
                                   neugeborenen Kindes mit mir
                                             zu teilen.

A. Schulze. Nach dem Waldbrand.
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