Partner adé - Trennung tut weh - Aber Eltern bleiben Eltern FRAGEN UND ANTWORTEN ZU TRENNUNG UND SCHEIDUNG - Prisma
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Partner adé – Trennung tut weh Aber Eltern bleiben Eltern FRAGEN UND ANTWORTEN ZU TRENNUNG UND SCHEIDUNG
Impressum Verantwortlicher Herausgeber: Norbert Heukemes, Generalsekretär Anschrift: Gospertstraße 1 B-4700 EUPEN Tel.: +32 (0)87 596 300 Fax: +32 (0)87 552 891 E-Mail: ministerium@dgov.be - www.dglive.be Redaktion: Jugendhilfedienst und Jugendhilferat der Deutschsprachigen Gemeinschaft "Prisma" - Frauenzentrum für Beratung, Bildung und Opferschutz VoG Gestaltung: Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft Bildmaterial: PhotoCase.com Alle Rechte vorbehalten. © Ministerium der Deutschsprachigen Gemeinschaft 2006
"Es ist besser, geliebt und verloren zu haben, als niemals geliebt zu haben." (Samuel Butler, engl. Philosoph, 1835 -1902) Vorwort Sie halten hier eine Broschüre in Händen, die Menschen in der schwierigen Zeit der Trennung oder Scheidung dabei behilflich sein soll, ihr Leben neu zu ordnen. Natürlich kann keine Broschüre eine Beratung bei einem Anwalt, Psychologen... ersetzen. Diese Broschüre enthält aber viele nützliche und praktische Informationen rund um das Thema Trennung und Scheidung – somit kann jeder in der schwierigen Zeit der Trennung oder Scheidung die Informationen in Ruhe Zuhause durchlesen. Die Broschüre ist in zwei Teile gegliedert: im ersten Teil wer- den praktische Fragen geklärt, wie z.B. wer die gemeinsame Wohnung verlassen muss oder welche administrativen Schritte im Fall einer Trennung oder Scheidung zu unternehmen sind. Dieser Teil stammt aus der Feder von "Prisma", einem Zentrum, das über eine 15-jährige Erfahrung in der sozialen und rechtli- chen Beratung von Frauen verfügt. Dennoch richten sich die Informationen selbstverständlich sowohl an Männer als an Frauen. Der zweite Teil der Broschüre befasst sich mit den Problemen, denen Sie als Elternteil im täglichen Umgang miteinander begegnen können. Darin finden Sie Informationen dazu, wie Sie beispielsweise Kindern die neue Situation erklären können, oder welche psychologischen oder sozialen Hilfsangebote es in der Deutschsprachigen Gemeinschaft gibt. Partner Adé - Trennung tut weh - 4
Diesen Teil der Broschüre hat der Jugendhilfedienst verfasst, auf der Basis einer Broschüre der Deutschen Arbeitsgemein- schaft für Jugend- und Eheberatung DAJEB aus München, denen unser herzlicher Dank für die Genehmigung gilt, diese Inhalte verwenden zu dürfen. Möge diese Broschüre Ihnen dabei helfen, die Situation besser zu verkraften. Auf den letzten Seiten finden Sie Kontaktadressen von Einrichtungen, die Ihnen dabei behilflich sein können. Für den Jugendhilfedienst Für "Prisma" Nathalie Miessen Evi Niessen Dienstleiterin Präsidentin 5 - Partner Adé - Trennung tut weh
INHALTSVERZEICHNIS Teil 1 1. Wieso dieser Ratgeber geschrieben wurde 7 2. Die Trennung 8 2.1. Woran sollte ich unbedingt denken, wenn es zu einer Trennung kommt? 8 2.2. Eine(r) muss gehen: Wer? 9 2.3. Wovon soll ich während der Trennungszeit leben? 12 3. Die Scheidung 14 3.1. Mein Mann/Meine Frau ist mit der Scheidung einverstanden 14 3.2. Mein Mann/Meine Frau will nicht geschieden werden 16 3.3. Brauche ich eine Rechtsvertretung? 18 3.4. Ich habe kein Einkommen und brauche einen Anwalt, was nun? 18 3.5. Welche Kosten kommen bei einer Scheidung auf mich zu? 19 4. Die elterliche Autorität bei Trennung und Scheidung 20 4.1. Wo sollen die Kinder leben? 21 4.2. Wer ist beim Domizilmodell zuständig für dringende Fragen des Alltags? 22 4.3. Werden die Kinder gefragt, bei wem sie leben möchten? 23 4.4. Wer zahlt für die Kinder und wie viel? 23 4.5. Und bei unvorhersehbarem Mehrbedarf? 24 4.6. Kann der Kindesunterhalt angepasst werden? 24 4.7. Wer erhält das Kindergeld? 24 5. Aufteilung der Güter 25 5.1. Wie wird der Hausrat aufgeteilt? 25 5.2. Wer erhält welche Hausratsgegenstände? 26 5.3. Was wird aus Vermögen und Schulden? 26 5.4. Was geschieht mit vorhandenen Immobilien? 28 6. Auf eigenen Füßen stehen 29 Teil 2 1. Eltern bleiben Eltern 33 2. Mit Kindern über eine Trennung sprechen 34 3. Wie Kinder auf die Trennung ihrer Eltern reagieren 35 4. Was die Reaktionen der Kinder bedeuten 38 5. Wenn Kinder für einen Elternteil Partei ergreifen 39 6. Zwischen Verwöhnung und Überforderung 41 7. Elterliche Verantwortung nach Trennung oder Scheidung 42 Die gemeinsame elterliche Autorität 45 Die alleinige elterliche Sorge 48 Der Umgang mit dem Kind 50 8. Neue Partner 58 Beratung und Hilfe 60 Partner Adé - Trennung tut weh - 6
1.WIESO DIESER RATGEBER GESCHRIEBEN WURDE Jede dritte (in Großstädten sogar jede zweite) Ehe wird geschieden. Eine Scheidung gehört zu den schwierigsten und folgenreichsten Entschlüssen, die man im Leben trifft. Das Leben war anders geplant; eine Scheidung ist äußeres Zeichen für eine zerstörte Beziehung und für zerbrochene Zukunftsperspektiven. Die Betroffenen machen meist eine tiefe emotionale Krise durch - und das genau in einer Zeit, in der Termine, Entscheidungen und Regelungen anstehen, die das spätere Leben erheblich beeinflussen. In dieser krisenhaften Phase entscheiden sich viele Menschen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen. Sie suchen Unterstützung bei juristischen Fragen und Begleitung in ihrer Trauer und ihrer Angst vor all dem Neuen und Unbekannten, dem sie sich aufgrund der veränderten Lebenssituation stellen müssen. Die Menschen, die eine juristische oder psycho-soziale Einzelberatung in Anspruch nehmen, sind emotional hoch beteiligt und aufgewühlt. Viele Informationen, die vermittelt werden, bleiben deshalb nicht haften. Um Betroffenen zu ermöglichen, die Vielfalt an Informationen zu Hause noch ein- mal in Ruhe auf sich wirken zu lassen, wurde diese Broschüre erstellt. Sie umfasst einige Basiselemente des belgischen Scheidungsrechts, ist aber in keinem Fall als Ersatz für eine Konsultation bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt zu verstehen. Neben den juristischen Fragen war es dem Redaktionsteam ganz wichtig, dem mit einer Trennung einhergehenden Gefühlschaos Rechnung zu tragen und den Betroffenen Mut zum Neuanfang zu machen. 7 - Partner Adé - Trennung tut weh
2. DIE TRENNUNG Es sind selten die großen Beben, die eine Ehe zum Einsturz bringen; vielmehr sind es die zahlreichen Haarrisse der Enttäuschung. Einer Trennung geht in den meisten Fällen eine lange Zeit des Hin- und Hergerissenseins voraus. Die Zeit der Schmetterlinge im Bauch ist vorbei, der Alltag hat sich einge- schlichen. Die rosarote Brille übt ihre schützende Funktion nicht mehr aus; die Ehepartner halten die Verliebtheit nicht mehr aufrecht - es kommt zur „Ent-Täuschung“. Wenn die Probleme nicht miteinander gelöst werden können, sondern sich immer weiter auftürmen oder die Situation gar durch Gewalt, Ehebruch, Beleidigungen oder Psychoterror eskaliert, denken die Ehepartner an Trennung. Viele möchten sich erst einmal räumlich trennen, um sich Raum und Zeit zum Überdenken der Situation zu verschaffen. Die Trennung lässt die Möglichkeit einer Versöhnung noch offen, während die Scheidung definitiven Charakter hat. 2.1. WORAN SOLLTE ICH UNBEDINGT DENKEN, WENN ES ZU EINER TRENNUNG KOMMT? Nehmen Sie Ihre persönlichen Unterlagen an sich bzw. erstel- len/besorgen Sie sich Kopien von wichtigen Dokumenten, z.B. Ausweis, Zeugnisse, Sparbücher, Einkommenssteuerbescheid, Ehevertrag, Krankenkassenbuch usw. Verschaffen Sie sich einen Überblick über das gemeinsame Vermögen oder das Vermögen des Partners/der Partnerin, z.B. Wertpapiere, Sparguthaben, Lebensversicherungen usw. Diese Auskünfte könnten sehr wichtig sein, wenn es um die Frage des Partner Adé - Trennung tut weh - 8
Ehegattenunterhalts und des Beitrags zu den Erziehungs- und Unterhaltskosten geht. Wichtig ist natürlich auch, dass Sie über eventuelle Schulden informiert sind. Haben Sie gemeinsame Schulden? Besteht eine Bürgschaft Ihrerseits für die Schulden des anderen? Ist das Girokonto überzogen? Kopieren Sie die entsprechenden Unterlagen. Kennen Sie Ihre laufenden Belastungen, z.B. Miete, Telefon, Strom, Heizung, Versicherungen usw.? Machen Sie eine Aufstellung aller Unkosten, um festzustellen, wie hoch Ihr Lebensbedarf ist. Wenn Sie oder Ihr Partner/Ihre Partnerin oder Sie beide gemeinsam Haus- oder Wohnungseigentümer sind, fotokopie- ren Sie alle Unterlagen, die das Haus bzw. die Wohnung betref- fen, z.B. Kaufakt, Hypothekendarlehen. 2.2. EINE(R) MUSS GEHEN: WER? Rein rechtlich gilt: Auch wenn nur einer der beiden Eheleute den Mietvertrag unterschrieben hat, bleibt die Wohnung bis zur Scheidung die gemeinsame eheliche Wohnung, und der Partner/die Partnerin hat das Zugangsrecht. Das Gleiche gilt im Fall von Immobilienbesitz. Sie haben nicht das Recht, Ihren Partner/Ihre Partnerin vor die Tür zu setzen. Es gibt keine eindeutige Rechtslage zu der Frage, wer von bei- den gehen muss. Im Normalfall geht der (oder die), von dem/der die Trennungsabsicht ausgeht. Anders ist es, wenn Kinder da sind. Dann wird dem Partner, bei dem die Kinder bleiben, ein Wohnungswechsel in der Regel nicht zugemutet. Relativ neu ist, dass jeder Richter im Falle eines Streits um Wohnungszuweisung angehalten ist, dem Opfer von häuslicher Gewalt in jedem Fall vorläufig die Wohnung zuzuweisen. 9 - Partner Adé - Trennung tut weh
Eine Ausnahme dabei bildet die berufliche Nutzung der Wohnung oder des Hauses durch den Täter/die Täterin; wenn diese berufliche Nutzung nicht mehr möglich ist, entstehen finanziell negative Folgen für die gesamte Familie. Es spielt bei Verheirateten auch keine Rolle, wem die Wohnung oder das Haus gehört. Nicht verheiratete sind nicht von dieser Regelung geschützt. HYPOTHESE 1: SIE MÖCHTEN DIE EHELICHE WOHNUNG VERLASSEN Darf ich den ehelichen Wohnsitz verlassen? Das Gesetz erlaubt das Verlassen des ehelichen Wohnsitzes, wenn dieses Verlassen gerechtfertigt ist, z.B. im Fall von kör- perlicher oder seelischer Misshandlung, wenn Ihr Leben, Ihr Gesundheitszustand oder das Wohl der Kinder in Gefahr ist. Weder die Gerichte noch die Polizei dürfen jemanden mit Gewalt zum ehelichen Wohnsitz zurückbringen. Abgesehen von diesen Ausnahmesituationen darf man die eheliche Wohnung nur mit dem Einverständnis des Ehegatten/der Ehegattin oder mit richterlicher Erlaubnis über einen längeren Zeitraum (mehr als einige Tage) verlassen, sonst kann der Partner/die Partnerin unter Umständen die Schuldscheidung einreichen. Welche rechtlichen Schritte muss ich unternehmen, wenn ich ausziehe? Sie sollten sich an das für Sie zuständige Friedensgericht wen- den und dort einen Antrag auf dringende und vorläufige Maßnahmen stellen. In allen Friedensgerichten gibt es ent- sprechende Formulare. Sie benötigen für diesen Antrag keinen Anwalt. Im Rahmen des Verfahrens vor dem Friedensrichter sieht das Gericht keinen Zwang vor, Beweise zu erbringen. Es reicht, dem Richter glaubhaft darzulegen, was geschehen ist, damit er daraus schlussfolgert, dass „das Einvernehmen zwischen den Eheleuten stark beeinträchtigt ist“. Partner Adé - Trennung tut weh - 10
Was beinhalten die dringenden und vorläufigen Maßnahmen? Wenn Sie einen solchen Antrag stellen, bitten Sie den Friedensrichter darum, folgende Dinge für die Dauer von sechs Monaten festzulegen: - getrennte Wohnsitze - Regelungen, die die Kinder betreffen (Aufenthaltsort, Haupt- und Nebenbeherbergungsrecht der Kinder, Unterhalt ... siehe hierzu Kapitel 4) - Zuteilung bestimmter Wert- oder Gebrauchsgegenstände - Ehegattenunterhalt, falls Sie keine oder unzureichende eigene Einkünfte haben - Regelung bzgl. laufender Zahlungen - usw. Was darf ich aus dem ehelichen Wohnsitz mitnehmen? Alle persönlichen Dinge wie Kleidung, Schmuck, Dokumente, Ihre Familienfotos, Sportausrüstung, Geschenke, die man Ihnen gemacht hat, Familienandenken. Außerdem alle Sachen, die Sie zu Ihrer Berufsausübung benötigen. Neben Ihren persönlichen Dingen möchten Sie sicher auch Gegenstände aus dem Hausrat mitnehmen, z.B. Geschirr oder Möbel. Falls eine Einigung mit dem Ehemann/der Ehefrau nicht möglich ist, bitten Sie das Friedensgericht, darüber zu entscheiden. Wenn die Kinder bei Ihnen leben sollen, können Sie natürlich auch deren Kleidung, Spielsachen usw. mitneh- men. Kriterium ist nicht das Eigentum der Gegenstände, sondern wer was bei der Trennung benötigt. HYPOTHESE 2: SIE MÖCHTEN, DASS IHR MANN/IHRE FRAU AUSZIEHT Formulieren Sie Ihren Antrag beim Friedensrichter in dieser Weise. Der Richter kann entscheiden, dass Ihr Mann/Ihre Frau sich eine andere Wohnung suchen muss. Für ihn/sie gilt die gleiche Regelung wie für Sie, was das Mitnehmen von Möbeln und Hausrat aus der ehelichen Wohnung betrifft. 11 - Partner Adé - Trennung tut weh
Allgemein gilt: Der Antrag beim Friedensgericht ist nur dann zulässig, wenn es noch eine Aussicht auf Versöhnung gibt. Deshalb werden die vom Friedensgericht angeordneten Maßnahmen im Prinzip zeitlich begrenzt. Das hat zur Folge, dass die Partner sich nach dieser Zeit entscheiden müssen: Nehmen wir das gemeinsame Leben wieder auf, oder reiche ich die Scheidung ein? 2.3. WOVON SOLL ICH WÄHREND DER TRENNUNGSZEIT LEBEN? HYPOTHESE 1: SIE VERFÜGEN ÜBER EIN AUSREICHENDES EINKOMMEN Sie sind in der beneidenswerten Position, finanziell unabhän- gig zu sein. Falls Sie Kinder haben und diese bei Ihnen leben sollen, beantragen Sie bei Ihrem Partner/Ihrer Partnerin Alimente für diese (siehe Kapitel 4). Ist Ihr Partner/Ihre Partnerin nicht damit einverstanden, entscheidet der Friedensrichter. HYPOTHESE 2: SIE VERFÜGEN ÜBER EINKÜNFTE, DIE JEDOCH NICHT AUSREICHEND SIND Sie arbeiten stundenweise, beziehen Arbeitslosenunterstüt- zung oder erhalten eine kleine Rente. Diese Einkünfte reichen nicht aus, Ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Stellen Sie eine Auflistung aller Unkosten auf und berechnen Sie die Summe, die Sie brauchen. Stellen Sie einen Antrag auf Ehegattenunterhalt. Die Höhe Ihrer Forderung ergibt sich aus der Differenz Ihrer Einkünfte und dem, was Sie zum Leben brauchen. Die gleiche Operation wird bezüglich der Einnahmen und Ausgaben Ihres Ehepartners/Ihrer Ehepartnerin Partner Adé - Trennung tut weh - 12
durchgeführt. Nach Vergleich der jeweiligen Zahlen legt der Richter den zu zahlenden Unterhalt fest; theoretisch sollte jedem der beiden Ehepartner der gleiche Lebensstandard erhal- ten bleiben. Falls Sie Kinder haben und diese bei Ihnen leben sollen, beantragen Sie Alimente für diese (siehe Kapitel 4). HYPOTHESE 3: SIE VERFÜGEN ÜBER KEINE EIGENEN EINKÜNFTE Sie sind Hausfrau/Hausmann, mitarbeitender Ehepartner, Rentner/-in oder arbeitslos ohne Recht auf Arbeitslosenunter- stützung. Beantragen Sie für die Dauer des Getrenntlebens Ehegattenunterhalt von Ihrem Mann/Ihrer Frau. Der Richter wird zur Festlegung des Unterhalts überprüfen, wie hoch das Einkommen des Ehepartners ist bzw. welche Lasten er/sie davon zu tilgen hat. Leider gibt es keine Tabelle, an der man sich orientieren kann. Falls Sie Kinder haben und diese bei Ihnen leben sollen, beantragen Sie Alimente für diese (siehe Kapitel 4). Wenn Sie nicht selbst arbeiten, sollten Sie auch der Krankenkasse Ihres Partners/Ihrer Partnerin die Änderung im Haushalt mitteilen und schriftlich beantragen, weiterhin als „zu Lasten Ihres Partners/Ihrer Partnerin“ zu gelten. Grundsätzlich ist die Unterhaltsverpflichtung nicht an das Schuldprinzip gebunden, d.h. selbst die für die Trennung verantwortliche Partei kann Unterhalt für die Trennungszeit beantragen und erhalten. 13 - Partner Adé - Trennung tut weh
3. DIE SCHEIDUNG Mit dem Einreichen der Scheidung wird der feste Entschluss dokumentiert, wirklich auseinander gehen zu wollen, mit allen Konsequenzen. Aus diesem Grund zögern manche Eheleute diesen Schritt hinaus: Sie spüren, dass es noch eine Verbindung zwischen ihnen gibt und haben Angst, diese zu lösen. Machen Sie sich klar, dass im Laufe eines Scheidungsverfahrens jeder Schritt rückgängig gemacht werden kann. Spätestens jetzt sollten Sie sich bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt Ihres Vertrauens beraten lassen. Was die Vorbereitung der Scheidung betrifft, gelten die gleichen Grundregeln wie im Kapitel Trennung erläutert. In Belgien gibt es drei verschiedene Scheidungsverfahren mit verschiedenen Prozeduren, unterschiedlicher Dauer, Kosten und Rechtsfolgen. 3.1. MEIN MANN/MEINE FRAU IST MIT DER SCHEIDUNG EINVERSTANDEN Wenn zwischen den Eheleuten Einigkeit über die Scheidung besteht, kommt eine Scheidung in gegenseitigem Einverständnis in Betracht. Die Eheleute müssen älter als 20 Jahre und seit mindestens zwei Jahren verheiratet sein. Bei einer Scheidung in gegenseitigem Einverständnis brauchen die Eheleute dem Gericht gegenüber keine Erklärung zum Scheitern ihrer Ehe abzugeben. In der Regel läuft das Verfahren so ab: - Die Eheleute (bzw. der mit der Vertretung beauftragte Notar oder Anwalt) reichen einen Antrag beim Gericht Erster Instanz ein. - Nach ca. 4 Wochen kommt es zu einem ersten gemeinsamen Termin. - 3 Monate später wird ein zweiter gemeinsamer Termin anberaumt. Partner Adé - Trennung tut weh - 14
- Bestätigen die Parteien im Rahmen dieser beiden "Versöhnungster- mine“ ihre Absicht, sich scheiden zu lassen, spricht der Richter die Scheidung aus. Die Scheidung in gegenseitigem Einverständnis ist das schnell- ste und kostengünstigste Verfahren. Die Eheleute benötigen nicht einmal einen Anwalt. Die Eheleute können (müssen aber nicht) ein notariell beglaubigtes Inventardokument aufstellen, in dem die persönlichen und gemeinsamen Güter sowie die Schulden aufgeführt werden. Falls Immobilien vorhanden sind und die Besitzverhältnisse sich aufgrund der Scheidung ändern, muss allerdings ein notarieller Akt dies regeln1. Was sich hier so einfach und positiv darstellt, scheitert jedoch leider sehr oft daran, dass die Eheleute sich über alles einigen müssen. Ohne inhaltlich auf ein Mediationsverfahren eingehen zu wollen, möchten wir an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, dass es ausgebildete Mediatorinnen und Mediatoren gibt, die einigungswilligen Partnern bei der Lösungsfindung behilflich sein können (siehe Adressenteil am Ende der Broschüre). In der gemeinsam erstellten Scheidungsvereinbarung müssen enthalten sein: - elterliche Autorität, Verwaltung der Güter der Kinder, Recht auf persönliche Beziehungen zu den Kindern (sowohl während als auch nach der Scheidung) - Wohnsitz beider Parteien - Regelung des Ehegattenunterhalts - Regelung des Unterhalts für die Kinder - Erbrechte im Falle des Ablebens einer Partei im Laufe des Verfahren Falls es den Eheleuten gelingt, eine Scheidungsvereinbarung miteinander zu treffen, wird der Richter dieser folgen. Der Richter kann allerdings die Parteien auf Unklarheiten, Lücken und Widersprüche hinweisen und eine Korrektur derselben 1 Ein Tipp: in diesem Fall empfiehlt es sich, die gesamten Besitzverhältnisse mit Hilfe des Notars zu regeln, da dies insgesamt kaum teurer wird als der notarielle Akt bezüglich der Immobilien. 15 - Partner Adé - Trennung tut weh
anregen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob die Rechte und Interessen der Kinder gewährleistet werden. Ist die Scheidungsvereinbarung einmal angenommen, ist sie rechts- gültig und muss von beiden respektiert werden. Wenn man Unvorhersehbares ein wenig abfedern möchte, sollte man in die Vereinbarung aufnehmen lassen, dass die vereinbarten Beträge indexiert, überprüft oder gestrichen werden können. Wenn die Indexierung des Ehegattenunterhalts nicht vorgese- hen ist, kann man später nichts mehr verändern. Was den Unterhalt für die Kinder betrifft, sind Änderungen jederzeit möglich, insofern sich die Voraussetzungen ändern. 3.2. MEIN MANN/MEINE FRAU WILL NICHT GESCHIEDEN WERDEN In diesem Fall ist eine Scheidung in gegenseitigem Einver- ständnis logischerweise nicht möglich. Hier ist zu prüfen, ob Gründe für eine Schuldscheidung vorliegen. Der eine Ehepartner wirft dem anderen vor, „Schuld“ an der Zerrüttung der Ehe zu sein. Triftige Gründe für eine Schuldscheidung lie- gen vor, wenn es zu Gewalt oder schwerer Beleidigung zwischen den Eheleuten kommt oder ein Ehebruch vorliegt. Es reicht nicht aus, diese Vorwürfe bei Gericht zu erheben, man muss sie beweisen können. In der Regel verläuft die Prozedur so: - Der/Die Antragsteller/-in kann den Partner vor den Richter (Gericht Erster Instanz) vorladen lassen. - Der/ Die Antragsteller/-in kann sich durch einen Anwalt vertreten lassen, braucht also nicht persönlich am Gerichtsverfahren teilzunehmen. - Zeitgleich mit dem Antrag zwecks Scheidung kann ein Antrag auf vorläufige und dringende Maßnahmen eingereicht werden. - Falls während des Verfahrens weitere Gründe für die Partner Adé - Trennung tut weh - 16
Schuldscheidung auftauchen, können sie noch berücksichtigt werden (sie sind in schriftlicher Form einzureichen). Bei einer Schuldscheidung entscheidet der Richter. Die Schuldscheidung kann, falls triftige Gründe und eindeutige Beweise vorliegen, relativ schnell ausgesprochen werden. Leider ist es oft so, dass die Eheleute sich einen erbitterten Kampf liefern, um zu beweisen, dass der jeweils andere „schuldig“ ist. Vor Gericht wird nicht selten „dreckige Wäsche gewaschen“. Die Dauer des Verfahrens hängt dann davon ab, wie schnell eine eindeutige Beweislage erbracht ist. Im Fall von Misshandlung sollte das Opfer Zeugenaussagen, ärztliche Atteste oder Belege von Anzeigen bei der Polizei vorlegen. Wenn ein Partner Ehebruch begeht, kann der/die andere dies durch einen Gerichtsvollzieher (unter Einhaltung gewisser Bedingungen) feststellen lassen. Die Tatsache, schuldig geschieden worden zu sein, hat zur Folge, dass man für sich keinen Ehegattenunterhalt fordern kann und der/die andere im Bedürfnisfall Unterhalt einklagen kann. Außerdem gehen die Kosten der Scheidung zu Lasten des/der schuldig Geschiedenen. Dieses Urteil hat jedoch weder einen Einfluss auf das Hauptbeherbergungsrecht und den Unterhalt für die Kinder, noch auf die Aufteilung der Güter. Was tun, wenn eine/einer nicht geschieden werden will, der/die andere jedoch keine schlimmen Verfehlungen nachweisen kann? Wenn die Eheleute seit zwei Jahren ununterbrochen getrennt leben, kann einer der beiden die Scheidung einreichen, selbst gegen den Willen des anderen. Das Getrenntleben kann z.B. durch Beibringen von Wohnsitzbescheinigungen belegt wer- den. Bei Einreichen einer Scheidung wegen zweijähriger Trennung wird gesetzlich vermutet, dass der Antragsteller am 17 - Partner Adé - Trennung tut weh
Scheitern der Ehe schuld ist. Dieser kann aber den Beweis des Gegenteils erbringen. Beide Ehepartner können auch die Scheidung aufgrund einer zweijährigen Trennung beantragen. In diesem Falle wird nicht über die Schuldfrage diskutiert. 3.3. BRAUCHE ICH EINE RECHTSVERTRETUNG? Bei einer Scheidung in gegenseitigem Einverständnis braucht man keinen Rechtsanwalt. Die Eheleute können bei einer Scheidung in gegenseitigem Einverständnis sogar einen gemeinsamen Anwalt oder Notar beauftragen. Auch für die Schuldscheidung ist ein Rechtsanwalt nicht zwingend nötig, aber doch empfehlenswert. Wichtig ist, sich vorab ausführlich beraten zu lassen, um jede Klausel der Scheidungsvereinba- rung zu verstehen. 3.4. ICH HABE KEIN EINKOMMEN UND BRAUCHE EINEN ANWALT, WAS NUN? Um jedem Bürger und jeder Bürgerin den gleichen Zugang zum Rechtssystem zu garantieren, besteht für Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, die Möglichkeit, sich durch einen so genannten Pro-Deo-Anwalt vertreten zu lassen. Dieser Pro-Deo-Anwalt wird durch das „Büro für erwei- terte Rechtshilfe“ vermittelt. Die Inanspruchnahme wird dann gewährt, wenn das durchschnittliche Nettoeinkommen des Antragstellers eine gewisse Summe nicht überschreitet. Die Familienzulagen werden nicht als Einkünfte berücksichtigt. Da diese Regelungen regelmäßigen Änderungen unterliegen, emp- fehlen wir Ihnen, sich bei Prisma, im Haus der Justiz oder an anderer Stelle die aktuelle Information über die Einkommensgrenzen zu beschaffen. Partner Adé - Trennung tut weh - 18
Falls Sie ein Einkommen beziehen, das unter dem Eingliederungseinkommen liegt, werden die Kosten für den Pro-Deo-Anwalt komplett vom Staat übernommen; wenn Ihr Einkommen zwischen dem Eingliederungseinkommen und dem unpfändbaren Minimum liegt, kann der Anwalt ein geringeres Honorar und die Rückvergütung der allgemeinen Kosten (Kopien, Telefongebühren, Briefmarken, Einschreiben....) verlangen. Um einen Pro-Deo-Anwalt zu beantragen, muss man sich an das „Büro für erweiterte Rechtshilfe“2 wenden und im Besitz folgender Dokumente sein: Personalausweis, eine Beschei- nigung über die Haushaltszusammensetzung, die durch die Gemeindeverwaltung bzw. das Meldeamt ausgehändigt wird, und eine aktuelle Einkommensbescheinigung (z.B. Lohnzettel der letzten drei Monate). 3.5. WELCHE KOSTEN KOMMEN BEI EINER SCHEIDUNG AUF MICH ZU? Es ist schwer, alle Kosten der Scheidung vorauszusehen, denn für alles muss gezahlt werden: beglaubigte Urkunden, Gerichtsvollzieher, Gerichtskosten, Anwaltshonorar... Im Prinzip gilt: Je schneller und reibungsloser der Ablauf, desto geringer die Kosten. Die Kosten für den eigenen Anwalt, die eigene Anwältin trägt man selbst. Die Gerichtskosten werden im Fall einer Schuldscheidung in der Regel von dem Ehepartner beglichen, der schuldig geschieden wurde. Eventuell anfallen- de Gerichtsvollzieherkosten, die vorgestreckt werden müssen, werden demjenigen der Ehepartner in Rechnung gestellt, der schuldig geschieden wird. 2 Das "Büro für erweiterte Rechtshilfe" hält Sprechstunden im "Haus der Justiz" in Eupen und im Friedensgericht in St. Vith ab. (siehe Adressenteil am Ende der Broschüre) 19 - Partner Adé - Trennung tut weh
4. DIE ELTERLICHE AUTORITÄT BEI TRENNUNG UND SCHEIDUNG Die Trennung der Eltern stellt für die Kinder eine starke seeli- sche Belastung dar. Sobald die Eltern den schwierigen Entschluss zur Trennung oder Scheidung gefasst haben, stehen sie vor der nächsten schweren Aufgabe, nämlich die Kinder auf die bevorstehende Trennung vorzubereiten. Dass in der letzten Zeit alles andere als „Frieden, Freude, Eierkuchen“ war, hat Ihr Kind schon lange registriert. Mit dem Wachsen der Spannung zwischen den Eltern wird die Situation für das Kind immer belastender. Seien Sie so offen wie möglich zu Ihrem Kind und widerstehen Sie der Versuchung, den Vater oder die Mutter schlecht zu machen. Suchen Sie Beispiele aus dem unmittelbaren Leben Ihres Kindes, in dem es ja auch manchen Streit mit Gleichaltrigen gibt. Sagen Sie ihm, dass es manch- mal besser ist, einander aus dem Weg zu gehen statt immer weiter zu streiten. Beruhigen Sie das Kind in seiner Angst, den Vater oder die Mutter ganz zu verlieren. Sagen Sie dem Kind in aller Deutlichkeit, dass es nicht seine Schuld ist, dass Mama und Papa sich trennen. Die meisten Kinder sind Pragmatiker. Die wenigsten Kinder oder Teenager können Ihre Motive zur Trennung nachvollzie- hen. Sie wollen aber möglichst genau wissen, was sich durch die Trennung in ihrem eigenen Leben ändert. Bleibe ich in der Wohnung? Behalte ich mein Zimmer? Werde ich auch künftig samstags mit Papa zum Schwimmen und mittwochs mit Mama zum Basteln gehen? Ihr Kind möchte wissen, was die Zukunft bringt. Partner Adé - Trennung tut weh - 20
Die gemeinsame elterliche Autorität Während es früher so war, dass einem Elternteil (meist der Mutter) das Sorgerecht und dem anderen Elternteil das Besuchsrecht zugesprochen wurde, wird heute in der Regel beiden Elternteilen die gemeinsame elterliche Autorität zuge- sprochen - es sei denn, es gäbe schwerwiegende Gründe, die den Richter veranlassen, die elterliche Autorität einem Elternteil allein zuzusprechen. Grundlage dieser Überlegung ist das Wohl des Kindes. Durch die gemeinsame elterliche Autorität sollen die Eltern ihrem Kind als Bezugsperson erhal- ten bleiben und gemeinsam Verantwortung tragen. Konkret bedeutet das, dass alle wichtigen und vorhersehbaren bzw. planbaren Entscheidungen im Leben des Kindes gemeinsam gefällt werden müssen (Wahl der Schule, Festlegen der Wahlfächer, Taufe, Operationen,...) 4.1. WO SOLLEN DIE KINDER LEBEN? Es gibt mehrere Möglichkeiten. Finden die Eltern eine Einigung, die dem Kindeswohl entspricht, ist dies sehr begrü- ßenswert. Einigen die Eltern sich nicht, entscheidet der Richter von Fall zu Fall. Das Belgische Parlament hat im Juni 2006 ein Gesetz verab- schiedet, das vorsieht, dass der Richter bei fehlendem Einvernehmen der Eltern bezüglich der Beherbergung ihrer Kinder vorrangig die gleichmäßig verteilte Beherbergung ins Auge fasst. Damit wird die gleichmäßig verteilte Beherbergung zwar nicht zum absolut verpflichtenden Modell, aber zum Referenzmodell. Wenn der Richter der Überzeugung ist, dass diese Beherbergungsregelung nicht die angemessene Lösung ist, kann er im Interesse des Kindes eine andere Regelung festlegen. 21 - Partner Adé - Trennung tut weh
Domizilmodell: Das Kind wohnt bei einem Elternteil (Hauptbeherbergungsrecht), während der andere das Kind regelmäßig zu Besuch abholt und vielleicht einige Ferienwochen mit dem Kind verbringt. Spagatmodell: Das Kind lebt sozusagen mit dem einen Bein in der mütterlichen, mit dem anderen in der väterlichen Wohnung, wohnt und schläft mal hier, mal dort und hat in den Haushalten beider Elternteile eine feste Bleibe mit dem Sockelbedarf an Hausrat (Bett, Schreibtisch, Bücher, Spielzeug, Kleidung und Hygienegrundausstattung). Wechselmodell: Das Kind lebt abwechselnd eine längere Zeit beim Vater, dann bei der Mutter (Wochen, Monate oder Schuljahre). Nestmodell: Das Kind bleibt immer in derselben Wohnung und wird dort abwechselnd von beiden Elternteilen betreut, wobei zumindest ein Elternteil noch eine eigene Wohnung hat. 4.2. WER IST BEIM DOMIZILMODELL ZUSTÄNDIG FÜR DRINGENDE FRAGEN DES ALLTAGS? Es liegt auf der Hand, dass das Domizilmodell den Regelfall darstellt. Die anderen Modelle setzen ein Hin- und Herpendeln des Kindes, überdurchschnittlich günstige Einkommensver- hältnisse und/oder eine große Flexibilität der Eltern voraus. Wenn die Entscheidungsnotwendigkeit ebenso dringlich wie alltäglich ist, entscheidet der, der den Erstzugriff auf die Kinder hat, also bei dem die Kinder gerade leben. Sind Entscheidungen von großer Tragweite zu fällen (Auslandsaufenthalt, Schulwahl, Ferienarbeit, Drogenproble- me...) müssen sie, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Autorität von beiden Elternteilen getroffen werden. Partner Adé - Trennung tut weh - 22
4.3. WERDEN DIE KINDER GEFRAGT, BEI WEM SIE LEBEN MÖCHTEN? Der Richter hat die Möglichkeit, die Kinder zu befragen, muss dies aber nicht tun. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass ein Kind ab dem 10.-11. Lebensjahr über die nötigen intellek- tuellen Fähigkeiten verfügt. Das Kind kann selbst darum bit- ten, gehört zu werden. Wenn das Kind 12 Jahre alt ist, muss der Richter darauf eingehen. Umgekehrt ist das Kind nicht ver- pflichtet, auf den Wunsch des Richters einer Anhörung einzu- gehen. Das Kind kann bei der Anhörung durch einen Psychologen, Arzt, Freund... begleitet werden, nicht aber durch die Eltern oder deren Anwalt. 4.4. WER ZAHLT FÜR DIE KINDER UND WIE VIEL? Grundsätzlich sind beide Elternteile verpflichtet, für den Unterhalt der minderjährigen Kinder aufzukommen, gleichgül- tig, ob sie zusammen leben, getrennt leben oder geschieden sind. Die Höhe der Alimente für die Kinder richtet sich nach den Einkünften beider Eltern. Leider verfügen belgische Gerichte nicht über eine Tabelle (wie beispielsweise die Düsseldorfer Tabelle in Deutschland), sondern müssen jeden Einzelfall prüfen. Seit einigen Jahren gibt es jedoch die so genannte Renard- Methode, eine Berechnungsmethode, mit der man anhand der Einkünfte beider Elternteile, der Höhe der Kinderzulage, des Alters der Kinder und der Aufenthaltszeiten der Kinder bei jedem Elternteil den Unterhalt berechnen kann. Diese Methode hat jedoch, neben dem Vorteil, zumindest eine ansatzweise objektive Rechtsgrundlage zu bieten, mehrere Nachteile. Einige Richter wenden diese Methode an. 23 - Partner Adé - Trennung tut weh
4.5. UND BEI UNVORHERSEHBAREM MEHRBEDARF? Nicht alles im Leben lässt sich voraussehen. Es kann durchaus vorkommen, dass für das Kind Kosten entstehen, die das nor- male Budget sprengen, z.B. Arzt- und Arzneikosten, Zahnersatz, Operationskosten, Kosten für Logopädie, kieferor- thopädische Behandlungen, Klassenfahrten ins Ausland, Schüleraustausch usw. Für diese unvorhersehbaren Kosten soll- te zwischen den Eltern vereinbart werden, dass die Kosten gemeinsam getragen werden (bzw. gestaffelt nach den Einkommensverhältnissen). Auch wenn dies nicht vereinbart wurde, ordnen die meisten Richter eine Aufteilung dieser Kosten im Verhältnis zu den Einkommen an. 4.6. KANN DER KINDESUNTERHALT ANGEPASST WERDEN? Falls sich herausstellen sollte, dass der Kindesunterhalt nicht mehr ausreicht oder sich erhebliche Veränderungen in der Einkommenssituation der Eltern ergeben, kann die Höhe des Kindesunterhalts abgeändert werden. Beispiel: Der arbeitslose Vater oder die arbeitslose Mutter findet einen gut bezahlten Job, oder aber ein Elternteil verliert die Arbeitsstelle. 4.7. WER ERHÄLT DAS KINDERGELD? In der Regel erhält der Elternteil das Kindergeld, bei dem die Kinder leben. Setzen Sie sich mit der zuständigen Kasse für Familienzulagen in Verbindung. Teilen Sie die veränderte fami- liäre Situation mit und bitten Sie darum, die Familienzulage (falls bisher noch nicht so geschehen) auf Ihr Konto zu über- weisen bzw. die Postanweisung an Ihre Adresse zu schicken. Partner Adé - Trennung tut weh - 24
5. AUFTEILUNG DER GÜTER Neben den Fragen, die die Kinder betreffen, bietet vor allem die Aufteilung der Güter jede Menge Konfliktstoff. „Beim Geld hört die Freundschaft auf“, sagt der Volksmund, und das gilt auch am Ende einer Ehe. Auf diesem Schauplatz werden oft die angestauten Rache- und Ohnmachtsgefühle ausgetragen; nicht selten wird um den Fernseher ebenso erbittert gestritten wie um den Hund. 5.1. WIE WIRD DER HAUSRAT AUFGETEILT? Sofern Sie sich noch nicht während der Trennungszeit über die Aufteilung des gemeinsamen Hausrats geeinigt haben, müssen Sie dies spätestens bei der Scheidung tun. Zum Hausrat gehö- ren alle Sachen, die von der Familie benutzt werden. Hausrat sind z.B. Küchengeräte, Wohnungseinrichtung, Wäsche, Radio, Fernseher, Musikinstrumente, Gartenmöbel, Vorräte usw. Nicht zum Hausrat gehören - Gegenstände, die von einem Ehepartner beruflich genutzt werden (z.B. das Klavier der Klavierlehrerin) - die persönlichen Dinge der Eheleute wie Kleider, Schmuck, Familienandenken - die Gegenstände, die ein Ehepartner als Geschenk oder durch Erbschaft erhalten hat. Überlegen Sie gemeinsam, wie Sie die Aufteilung durchführen wollen. Gibt es keine Einigung, entscheidet das Gericht. 25 - Partner Adé - Trennung tut weh
5.2. WER ERHÄLT WELCHE HAUSRATSGEGENSTÄNDE? Wer welche Hausratsgegenstände erhält, hängt zunächst von den Eigentumsverhältnissen ab. Auch in einer Ehe bleibt jeder Ehepartner Eigentümer der Gegenstände, die er in die Ehe mitgebracht hat. Die Hochzeitsgeschenke werden als gemeinsames Eigentum betrachtet, es sei denn, es handelt sich um ein persönliches Geschenk (z.B. ein Schmuckstück vom Vater der Braut für seine Tochter). Wenn die Eheleute Gütertrennung miteinander vereinbart haben, ist derjenige Eigentümer, der beweisen kann, dieses oder jenes Gut allein gekauft zu haben. Wurde keine Gütertrennung vereinbart, gilt der in der Ehezeit angeschaffte Hausrat als gemeinschaftliches Eigentum. 5.3. WAS WIRD AUS VERMÖGEN UND SCHULDEN? HYPOTHESE 1: SIE HABEN KEINEN EHEVERTRAG ABGESCHLOSSEN a) Vermögen Mit der Heirat begründen Sie den gesetzlichen Stand der Gütergemeinschaft, wenn Sie nicht mit Ihrem Partner vor einem Notar ein anderes Gütersystem (z.B. Gütertrennung) vereinbaren. Die Gütergemeinschaft soll dazu dienen, wäh- rend der Ehe erwirtschaftete Vermögensvorteile beiden Ehepartner zugute kommen zu lassen. Klassischer Fall: Der Mann geht einem Beruf nach und erwirbt Einkommen, die Frau versorgt Haushalt und Kinder. Der gesamte Lohn gehört zum gemeinsamen Vermögen. Dies gilt auch für alle Gegenstände, die von diesem Lohn angeschafft wurden. Bei der Scheidung wird überprüft, was jedem Ehepartner bei der Heirat gehörte (Anfangsvermögen) und was am Ende der Ehe an Vermögen Partner Adé - Trennung tut weh - 26
vorhanden ist (Endvermögen). Von der sich daraus ergebenden Differenz erhält jeder die Hälfte. Dabei ergibt sich die Schwierigkeit, dass viele nicht wissen, welche Vermögenswerte ihr Partner hat. Im Scheidungsfall ist er/sie verpflichtet, seine/ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen. b) Schulden Wenn zwischen den Eheleuten kein Ehevertrag abgeschlossen wurde, haften beide zu gleichen Teilen für die Schulden, die aus der gemeinsamen Lebensführung entstanden sind. Eine Ausnahme besteht bei gewissen Schulden, z.B. für die Ausübung teurer Hobbys eines Partners oder allein verbrachte Urlaube. Für diese Verpflichtungen braucht der andere Partner nicht einzustehen. HYPOTHESE 2: SIE HABEN GÜTERTRENNUNG VEREINBART a) Vermögen Wurde Gütertrennung vereinbart, gilt die Grundregel, dass jedem Ehepartner das gehört, was er alleine gekauft oder finanziert hat. Vor Gericht wird geprüft, auf wessen Namen die Rechnung der Vermögenswerte ausgestellt ist oder wer die Anschaffung bezahlt hat. Liegt kein Beweis des einen oder anderen vor, geht man davon aus, dass die Vermögenswerte gemeinsam erwirtschaftet wurden. b) Schulden Grundsätzlich haftet derjenige, der die Schulden gemacht hat. Im Fall einer Gütertrennung haftet z.B. die Ehefrau nicht für alleinige Schulden ihres Mannes. Sollte ein Ehepartner jedoch, was leider häufig der Fall ist, für die Schulden des anderen 27 - Partner Adé - Trennung tut weh
gebürgt haben oder gemeinsam mit dem Partner/der Partnerin einen Kreditvertrag abgeschlossen haben, kann die Bank sich im Fall der Nichtzahlung an jeden Schuldner wenden. Für gemeinsame Schulden für den gemeinsamen Haushalt haften beide, außer es wurde vor oder während der Ehe eine anders lautende Vereinbarung bei einem Notar unterzeichnet. 5.4. WAS GESCHIEHT MIT VORHANDENEN IMMOBILIEN? Hypothese 1: Keine Gütertrennung Ein Haus, das einer von beiden bereits vor der Eheschließung besaß, gehört diesem nach der Ehe auch weiterhin alleine. Ein während der Ehe auf einem gemeinsamen Grundstück gebau- tes Haus gehört zum gemeinsamen Vermögen. Die diesbezügli- chen eventuellen Kreditverpflichtungen sind ebenfalls gemein- same Schulden. Ein Haus, das auf einem Grundstück gebaut wurde, das nur einem Ehegatten gehört, bleibt weiterhin im Besitz des Grundstückeigentümers. Sollte der andere Ehepartner mit in dieses Haus investiert haben, kann ein Recht auf Entschädigung entstehen. Hypothese 2: Gütertrennung Hier gilt ebenfalls die Grundregel, dass jedem Ehepartner das Haus gehört, das er alleine gekauft und finanziert hat. Hat der andere Ehepartner Investitionen in diesem Haus getätigt, kann ein Recht auf Entschädigung entstehen. Im Falle einer gemein- samen Anschaffung gehört das Haus beiden. Partner Adé - Trennung tut weh - 28
6. AUF EIGENEN FÜSSEN STEHEN Die Scheidung liegt hinter Ihnen. Eigentlich sollte sich jetzt ein Gefühl der Erleichterung einstellen. Seltsam... Irgendwie scheint es sich nicht einstellen zu wollen. Die Scheidung war ein notwendiger Schritt, dennoch hinterlässt sie meist ein schales Gefühl. Es ist ein Verlust entstanden, eine Wunde, die noch schmerzt. Jetzt, wo der eigentliche Kampf vorbei ist, empfinden Sie vielleicht Schwäche und Verletzlichkeit. Wenn man verlässt oder verlassen wird, fühlt man sich zutiefst einsam. Einsamkeit kann Menschen in die Verzweiflung trei- ben. Die Furcht vor dieser Einsamkeit nach der Trennung führt viele Menschen dazu, in einer unglücklichen Beziehung zu ver- harren. Beide empfinden diese Einsamkeit, weil sich hier etwas abspielt, das das Paar und den Einzelnen ganz elemen- tar betrifft. Allerdings wird derjenige, der verlassen wird, häu- figer von diesem abgrundtiefen Gefühl des Alleinseins in der Welt betroffen sein, zumal sich oft noch das Gefühl der Minderwertigkeit dazugesellt. In einer solchen Krise gibt es Seelentrost bei der anonymen Telefonhilfe, die rund um die Uhr unter der Nummer 108 zu erreichen ist. Der Anruf ist gebührenfrei. Manche Organisationen machen gezielt Angebote für allein lebende und allein erziehende Frauen, z.B. die Frauenliga, die Solidarischen Frauen und die Arbeitsgemeinschaft für Suchtvorbeugung und Lebensbewältigung. Ein spezielles Angebot für Männer gibt es derzeit nicht. Allgemeine Rechtsinformationen erteilen die Büros für erweiterte Rechtshilfe in Eupen und St. Vith. Das Sozial-Psychologische Zentrum bietet u.a. psychologische Hilfe an. 29 - Partner Adé - Trennung tut weh
Jeder Verlust birgt auch eine Chance! Jeder von beiden hat jetzt die Möglichkeit, sein Leben neu zu ordnen. Den eigenen Lebensraum zu gestalten, neue Möglichkeiten bei sich zu ent- decken und sich vielleicht selbst erst richtig kennen zu lernen, das ist vielleicht erst jetzt, da Ruhe in die Seele einkehrt, mög- lich. Trennung und Scheidung können auch eine Chance zur Weiterentwicklung sein. Nur wer sie nutzt, kann irgendwann wieder frei durchatmen und sich vielleicht wieder frei fühlen für eine neue Liebe. Um einen anderen lieben zu können, muss man sich erst selbst lieben - das bedeutet in einem ersten Schritt, Verantwortung für sich und das eigene Leben zu über- nehmen. Auf der Suche nach dem eigenen neuen Weg lassen sich Fehler, Schmerzen und Verletzungen nicht vermeiden. Wir lernen auch und vor allem durch Fehler. Wenn wir sie uns selbst verzeihen, mit uns selbst verständnisvoll umgehen, ist ein Neuanfang mög- lich. Bei dieser tiefen Auseinandersetzung mit der eigenen Person kann eine Begleitung sinnvoll sein. Vielen ist es eine große Hilfe, sich unabhängig von der Beratung bei einem Anwalt/ einer Anwältin mit anderen zusammenzutun und ihre Situation zu besprechen. Neben Verwandten und Freunden sind Beratungseinrichtungen wichtig, um Entlastung von dem seelischen Druck zu finden. Adressen von einigen Beratungs- und Hilfseinrichtungen finden Sie am Ende der Broschüre. Da Adressen und Angebote einzelner Organisationen ständigen Veränderungen unterliegen, schlagen wir Ihnen vor, sich bei Nachfragen entweder an Prisma, Neustraße 53, 4700 Eupen, Tel. 087 744 241 oder an den Jugendhilfedienst, Hostert 22, 4700 Eupen, Tel. 087 744 959 zu wenden oder den Website des Ministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu konsultie- ren, www.dglive.be Partner Adé - Trennung tut weh - 30
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Eltern bleiben Eltern Im zweiten Teil der Broschüre geht es hauptsächlich darum, wie Kinder eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erleben, und was Sie als Eltern tun können, um den Kindern soweit wie möglich zu helfen. Dabei kann es sein, dass spezielle Probleme, die gerade in Ihrer Familie eine große Rolle spielen, nur kurz oder gar nicht ange- sprochen werden. Unsere Absicht war es, häufig wiederkehrende Fragen darzustellen, und zwar aus der Sicht der Kinder und ihrer Ansprüche und Bedürfnisse, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht finden Sie, dass Ihre eigenen Probleme und Konflikte, die Sie als Erwachsener mit der Trennung haben, zu wenig zur Sprache kommen. Es ist verständlich, wenn diese Fragen für Sie im Vordergrund stehen und wenn es Ihnen deshalb schwer fällt, sich auf die Kinder einzustellen. Möglicherweise gewinnen Sie beim Lesen den Eindruck, als gehe es hier um die idealen Eltern, die alles richtig machen sollen, während Sie selbst sich eher unsicher und überfordert fühlen. Lassen Sie sich nicht entmutigen. Betrachten Sie den Inhalt die- ser Broschüre als Angebot, allein oder mit Hilfe einer der zahlrei- chen Beratungsstellen über Ihre Familiensituation nachzudenken und eigene Lösungen für Ihre Probleme zu finden. Die Trennung mit ihren unterschiedlichen Folgen für alle Beteiligten ist nicht nur ein Einschnitt im Leben der Familie, son- dern ein langer Weg zu einer veränderten Familie, ein Ziel, das Sie mit vielen kleinen Schritten (und wahrscheinlich auch einigen Rückschlägen) ansteuern können. Was Ihnen zum jetzigen Partner Adé - Trennung tut weh - 32
Zeitpunkt verwirrend und unlösbar erscheint, kann sich für Sie und die Kinder als neuer Anfang herausstellen. 1. SIE GEHEN ALS PAAR AUSEINANDER - ABER SIE WERDEN IHR LEBEN LANG ELTERN BLEIBEN Die wichtigste Hilfe, die Sie Ihrem Kind in der Trennungssituation und danach bieten können, besteht darin, als Vater und Mutter weiterhin verfügbar zu bleiben, und zwar unabhängig von der Sorgerechts- und Umgangsregelung. Ihr Kind hat ein Recht auf beide Eltern, und es braucht beide; tun Sie alles, was in Ihren Kräften liegt, dass Ihr Kind Sie beide als Eltern behalten kann - auch nach Ihrer Trennung als Paar. Es wird für Sie oft schwer sein, trotz der Kränkungen, die Sie durch Ihren Partner/ Ihre Partnerin erfahren haben, gerade diese Person weiterhin als den anderen Elternteil Ihres Kindes anzuerkennen und mit ihr zusammenzuarbeiten. Fest steht aber, dass Kinder dann am ehesten eine Trennung ver- kraften können, wenn diese Zusammenarbeit gelingt und beide Eltern weiterhin an der Betreuung und Erziehung beteiligt sind. Vielleicht denken Sie, dass eine solche Zusammenarbeit in Ihrem Fall unmöglich sein wird. So geht es vielen Eltern in der schwierig- sten Zeit ihrer Trennung. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Konflikte mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin im Laufe der Zeit an Heftigkeit verlieren und es wieder leichter wird, sachlich miteinan- der zu reden, wenn es um Ihr(e) Kind(er) geht. 33 - Partner Adé - Trennung tut weh
2. MIT DEN KINDERN DARÜBER SPRECHEN Die Auflösung Ihrer Partnerschaft ist auch für Ihre Kinder ein ein- schneidendes Erlebnis. Sagen Sie beide Ihren Kindern, dass Sie sich trennen werden. Versuchen Sie, so deutlich wie möglich zu sein, ohne den anderen Elternteil zu beschuldigen. Mit welchen Worten Sie das tun, hängt auch vom Alter der Kinder ab. Viele Eltern meinen, dass Sie kleinen Kindern noch keine Erklärungen geben müssen, weil sie die Zusammenhänge ohne- hin noch nicht begreifen können. Es hat sich aber gezeigt, dass gerade Kinder, denen Erklärungen vorenthalten werden, beson- ders heftig auf die Trennung reagieren. Ihre Kinder haben die wachsende Spannung und die Auseinandersetzungen zwischen Ihnen längst mitbekommen, meist ohne sie begreifen und einordnen zu können. Sie haben ein Recht darauf, dass beide Eltern ihnen gegenüber die Dinge beim Namen nennen. Es kommt dabei nicht darauf an, dass Kinder alle Zusammenhänge, die zur Trennung geführt haben, erfassen kön- nen, sondern dass sie mit beiden Eltern im Kontakt bleiben und von beiden jeweils soviel erfahren und erfragen können, wie es ihrem Alter und ihrer Situation entspricht. Erklären Sie Ihrem Kind, was in Zukunft anders sein wird und wie die Regelungen aussehen, die Sie vereinbart haben. Partner Adé - Trennung tut weh - 34
Erzählen Sie Ihren Kindern aber auch, was sich nicht verändern wird, wie z. B. das eigene Zimmer, der Kindergarten oder die Besuche bei den Großeltern. Dazu gehört auch, dass die Kinder selbst Stellung beziehen und sagen können, wie ihnen zwischen den streitenden Eltern zumute ist, was sie befürchten und was sie sich wünschen. Dies alles wird natürlich nicht in einem einmaligen Gespräch geschehen, sondern wird immer wieder von neuem notwendig. Auch werden sich mit jeder neuen Entwicklungsstufe des Kindes die Fragen verändern. Wenn Sie mehrere Kinder haben, werden Sie sehr deutlich mer- ken, dass beim Gespräch über dasselbe Thema ganz unter- schiedliche Schwerpunkte eine Rolle spielen. All diese Gespräche werden oft schwer für Sie sein, besonders dann, wenn Sie selbst die Trennung noch nicht verkraftet haben und viele drängende Fragen der Umgestaltung Ihres Alltags zu lösen sind. Möglicherweise sind Sie auch voller Zorn auf den Partner/Ihre Partnerin, wenn diese(r) in Ihren Augen all dies ins Rollen gebracht hat. In jedem Fall ist es schwer, die Trauer und den Zorn Ihrer Kinder über das Auseinandergehen der Eltern zu spüren und auszuhalten und sich mitschuldig daran zu fühlen. Wenn es Ihnen beiden als Eltern aber gelingt, trotz der eigenen verletzten Gefühle Ihren Kindern immer wieder Fragen und Stellungnahmen zum Thema Trennung zu ermöglichen, dann geben Sie ihnen eine wichtige Hilfe zur Bewältigung dieser gro- ßen Veränderung. 3. WIE KINDER AUF DIE TRENNUNG IHRER ELTERN REAGIEREN Trennung oder Scheidung sind zunächst Ausdruck von Erwachsenenkonflikten, in die Kinder unfreiwillig hineingezogen und verwickelt werden. Je jünger ein Kind ist, desto begrenzter 35 - Partner Adé - Trennung tut weh
sind sein Erfahrungsschatz und seine Erlebniswelt. Seine Familie, mit all den Mängeln, die Sie als Erwachsener wahrnehmen, ist die einzige, die es sich vorstellen kann, und sie birgt neben allem Unerfreulichen für das Kind auch viel Gutes. Jedes Kind ist anders, und jede Familie, die eine Trennung bewäl- tigen muss, unterscheidet sich von anderen Familien. Ihr Kind wird also seinen eigenen Lebensbedingungen entsprechend rea- gieren. Jungen zeigen häufig deutlichere Verhaltensveränderungen als Mädchen, die oft sehr “vernünftig“ wirken. Da solches Verhalten der Mädchen von der Umwelt nicht als störend empfunden wird, wird leicht übersehen, dass Jungen und Mädchen gleichermaßen unter der Trennung ihrer Eltern leiden - sie zeigen es eben nur anders. Trotz aller individuellen Unterschiede gibt es jedoch alterstypi- sche Reaktionen, die bei fast allen Kindern zu beobachten sind: Sehr kleine Kinder reagieren häufig mit Angstzuständen und Schlafstörungen. Sie wirken irritiert und sind häufig sehr aggres- siv. Meist zeigen sie Rückschritte in ihrer Entwicklung. So kann es z. B. sein, dass sie wieder einnässen, obwohl sie schon länge- re Zeit trocken waren. Ganz ähnlich zeigen auch Kinder im Kindergartenalter ihren Kummer. Empfindungen des Verlassenseins und der Trauer sind aber deutlicher wahrnehmbar. Ihr Verlangen nach dem Vater oder der Mutter geben sie offen zu verstehen. Da sich Kinder die- ses Alters noch als Mittelpunkt ihrer Welt erleben, kommt es oft vor, dass sie die Schuld für das Weggehen von Vater oder Mutter bei sich selbst suchen. Partner Adé - Trennung tut weh - 36
Mit dem Schulalter fangen Kinder an, die Trennung der Eltern besser zu verstehen -aber Verstehen und Fühlen sind zweierlei. Die Trennung macht die Kinder traurig, hilflos und zornig. Manche schämen sich auch vor ihren Freunden, Klassenkameraden, Lehrern und Nachbarn. Es ist nicht verwun- derlich, wenn unter diesen Umständen die Leistungen in der Schule nachlassen oder die Kinder auffällig reagieren. Die etwas älteren Kinder machen sich oft auch große Sorgen um beide Eltern und übernehmen bereitwillig Verantwortung, für die sie eigentlich zu jung sind. Sie kümmern sich um den Haushalt oder die jüngeren Geschwister, aber auch um das Wohlergehen der Erwachsenen. Das Verhalten dieser Kinder wird kaum als auf- fällig wahrgenommen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass dadurch die Kontakte zu Gleichaltrigen und die eigenen Interessen des Kindes zu kurz kommen. Jugendliche im Teenageralter verunsichern ihre Umgebung nicht selten durch widersprüchlich erscheinende Reaktionen und Handlungen. Die älteren sind zwar bereits in der Lage, die Probleme in der Beziehung ihrer Eltern nachzuvollziehen und gehen oft schon nach kurzer Zeit einfühlsam auf die Schwierigkeiten ihrer Eltern ein, indem sie sich zum Beispiel aktiv an der Lösung praktischer Probleme beteiligen. Andererseits rea- gieren sie häufig mit überraschender Heftigkeit, in der die Enttäuschung über den Verlust der intakten Familie immer wie- der spürbar wird. Im Teenageralter beginnen sich die Kinder von ihrer Familie zu lösen. Das Erleben der Elterntrennung kann dazu führen, dass diese Ablösung nicht gelingt, weil die Jugendlichen in die Familienprobleme verwickelt bleiben. Es kann aber auch passie- ren, dass sich Jugendliche sehr abrupt und damit auch konflikt- reich von ihrer Familie zu lösen versuchen. Viele Jugendliche, die 37 - Partner Adé - Trennung tut weh
eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erlebt haben, gaben an, dass sie schneller erwachsen werden mussten, als sie eigent- lich wollten. Als betroffene Eltern befinden Sie sich in einer doppelt schwierigen Lage: Die Auseinandersetzung mit Ihren eigenen Problemen kostet Sie viel Kraft, und Sie haben - mit großer Wahrscheinlichkeit - ein “schwieriges“ Kind. Versuchen Sie, sich in seine Lage hineinzuversetzen und die Situation mit seinen Augen zu sehen. Sie werden dann leichter verstehen, warum es Ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung jetzt ganz besonders braucht. 4. WAS DIE REAKTIONEN DER KINDER BEDEUTEN Die meisten Eltern macht das “Problemverhalten“ ihres Kindes hilflos. Es verstärkt ihre Schuldgefühle und die Angst vor lang anhaltenden Entwicklungsschäden. Die Reaktionen der Kinder sind aber nicht unbedingt Störungen, sondern zunächst einmal Ausdruck des Bemühens, mit der veränderten Situation fertig zu werden, Verluste zu überwinden und eine aus den Fugen gerate- ne Welt wieder zu ordnen. Diese auffälligen Verhaltensweisen verschwinden in der Regel innerhalb von 1-2 Jahren nach der Trennung. Veränderungen und Auffälligkeiten im Verhalten von Kindern nach einer Trennung der Eltern können also in gewissem Sinne als normal bezeichnet werden, nämlich als “normale“ Reaktion auf eine “schwierige“ Situation. Dennoch sind sie deutliche Signale kindlicher Bedürfnisse, denen die Regelungen nach der Trennung so weit wie möglich gerecht werden sollten. Partner Adé - Trennung tut weh - 38
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