Passivrauchen - ein unterschätztes Gesundheitsrisiko - Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle - Band 5 Deutsches Krebsforschungszentrum ...

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Passivrauchen - ein unterschätztes Gesundheitsrisiko - Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle - Band 5 Deutsches Krebsforschungszentrum ...
Band 5_Umschlag 2_Aufl   10.07.2006   13:30 Uhr   Seite 4

                                                            Rote Reihe
                                                            Tabakprävention und Tabakkontrolle

                                                            Passivrauchen –
                                                            ein unterschätztes Gesundheitsrisiko

                                                            Band 5
                                                            Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
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Band 5_Umschlag 2_Aufl   10.07.2006   13:30 Uhr   Seite 2

                                                                                 Autorenverzeichnis

                                                                                 Prof. Dr. Heiko Becher                     Dr. Martina Pötschke-Langer
                                                                                 Hygiene-Institut, Universitätsklinikum     Deutsches Krebsforschungszentrum,
                         Rote Reihe Tabakprävention und Tabakkontrolle Band 5:   Heidelberg                                 Heidelberg
                         Passivrauchen – ein unterschätztes Gesundheitsrisiko    e-mail:                                    e-mail: m.poetschke-langer@dkfz.de
                                                                                 heiko.becher@urz.uni-heidelberg.de
                         © 2005, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg                                               Dr. Katrin Schaller
                                                                                 Dr. Barbara Bertram                        Deutsches Krebsforschungszentrum,
                         2. Auflage 2006: 5000                                   Deutsches Krebsforschungszentrum,          Heidelberg
                                                                                 Heidelberg                                 e-mail: k.schaller@dkfz.de
                         Zitierweise:                                            e-mail: b.bertram@dkfz.de
                         Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.):                                                          Dipl.-Soz. Alexander Schulze
                         Passivrauchen – ein unterschätztes Gesundheitsrisiko    Katharina Ehrmann                          Deutsches Krebsforschungszentrum,
                         Heidelberg, 2005                                        Deutsches Krebsforschungszentrum,          Heidelberg
                                                                                 Heidelberg                                 e-mail: a.schulze@dkfz.de
                         Umschlagfoto:                                           e-mail: k.ehrmann@dkfz.de
                         komplus GmbH, Heidelberg                                                                           Prof. Dr. Dr. Heinz W. Thielmann
                                                                                 Dr. med. Jan Heidrich                      Deutsches Krebsforschungszentrum,
                         Gestaltung, Layout und Satz:                            Institut für Epidemiologie und Sozialme-   Heidelberg
                         komplus GmbH, Heidelberg                                dizin, Universität Münster, UKM            e-mail: h-w.thielmann@dkfz.de
                                                                                 e-mail: heidricj@uni-muenster.de
                         Verantwortlich für den Inhalt:                                                                     Dr. med. Mechtild Vennemann
                         Deutsches Krebsforschungszentrum                        Dr. med. Peter Heuschmann                  Institut für Epidemiologie und Sozialme-
                         Stabsstelle Krebsprävention und                         Institut für Epidemiologie und Sozialme-   dizin, Universität Münster, UKM
                         WHO Kollaborationszentrum                               dizin, Universität Münster, UKM            e-mail: vennemam@uni-muenster.de
                         für Tabakkontrolle                                      e-mail: heuschma@uni-muenster.de
                                                                                                                            Dr. rer. nat. Jürgen Wellmann
                         Leiterin:                                               Prof. Dr. Ulrich Keil                      Institut für Epidemiologie und Sozialme-
                         Dr. med. Martina Pötschke-Langer                        Institut für Epidemiologie und Sozialme-   dizin, Universität Münster, UKM
                         Im Neuenheimer Feld 280                                 dizin, Universität Münster, UKM            e-mail: wellmann@nwz.uni-muenster.de
                         69120 Heidelberg                                        e-mail: keilu@uni-muenster.de

                         Telefon: 06221 - 42 30 07                               Dr. med. Klaus Kraywinkel
                         Telefax: 06221 - 42 30 20                               Institut für Epidemiologie und Sozialme-
                         E-mail: who-cc@dkfz.de                                  dizin, Universität Münster, UKM
                         Internet: http://www.tabakkontrolle.de                  e-mail: kraywink@uni-muenster.de

                                                                                                                                                                       69
Rote Reihe
Tabakprävention und Tabakkontrolle
Band 5

Passivrauchen –
ein unterschätztes Gesundheitsrisiko

Autoren (in alphabetischer Reihenfolge):

Prof. Dr. Heiko Becher, Heidelberg         Dr. Martina Pötschke-Langer, Heidelberg
Dr. Barbara Bertram, Heidelberg            Dr. Katrin Schaller, Heidelberg
Katharina Ehrmann, M.A., Heidelberg        Dipl.-Soz. Alexander Schulze, Heidelberg
Dr. Jan Heidrich, Münster                  Prof. Dr. Dr. Heinz W. Thielmann, Heidelberg
Dr. Peter Heuschmann, Münster              Dr. Mechtild Vennemann, Münster
Prof. Dr. Ulrich Keil, Münster             Dr. Jürgen Wellmann, Münster
Dr. Klaus Kraywinkel, Münster

Vorliegende Publikation wurde erstellt von Wissenschaftlern
des Deutschen Krebsforschungszentrums, Heidelberg, des Instituts
für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster und
des Hygiene-Instituts des Universitätsklinikums Heidelberg

Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
Inhalt

   Deutschland muss handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

A Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch. . . . . . . . . . . . . . . . 9
  (Thielmann H. W., Schulze A., Pötschke-Langer M.,
  Schaller K., Bertram B.)
  1. Inhaltsstoffe des Passivrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
  2. Messung des Tabakrauchs in der Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
  3. Mangelnde Wirksamkeit lüftungstechnischer Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . 14

B Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland .                             . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
  (Schulze A.)
  1. Tabakrauchbelastungen bei Erwachsenen . . . . . . .                       . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
  2. Orte der Passivrauchexposition bei Erwachsenen.                           . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
  3. Passivrauchen und soziale Unterschiede. . . . . . . .                     . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
  4. Tabakrauchbelastungen bei Kindern . . . . . . . . . . .                   . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

C Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland . . . . . . . . . . 20
  (Keil U., Becher H., Heidrich J., Heuschmann P.,
  Kraywinkel K., Vennemann M., Wellmann J.)
  1. Passivrauchen und Lungenkrebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
  2. Passivrauchen und koronare Herzkrankheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
  3. Passivrauchen und Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
  4. Passivrauchen und chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen . . . . . . . 30
  5. Passivrauchen und plötzlicher Kindstod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
  6. Mortalität durch Passivrauchen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

D Maßnahmen zum Nichtraucherschutz in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
  (Schaller K., Pötschke-Langer M., Schulze A., Ehrmann K.)
  1. Rechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
  2. Deutschland im internationalen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
  3. Auswirkungen rauchfreier Arbeitsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
  4. Rauchfreie Gastronomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
  5. Rauchfreie Züge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
  6. Rauchfreie Schulen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Methodischer Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Autorenverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Deutschland muss handeln

Tabakrauch in Innenräumen ist keine Be-    als auch das Ausmaß der Tabakrauchex-
lästigung, sondern eine Gesundheitsge-     position und die passivrauchbedingte
fährdung mit Todesfolge. Dies wird in      Morbidität und Mortalität werden erst-
der vorliegenden Publikation deutlich      mals für Deutschland umfassend darge-
zum Ausdruck gebracht. Sowohl die im-      stellt.
mense Gesundheitsgefährdung durch          Die vorliegende Publikation enthält fol-
giftige und krebserregende Inhaltsstoffe   gende Kernaussagen:

 Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch

   Tabakrauch ist der bedeutendste und gefährlichste vermeidbare Innenraum-
   schadstoff und die führende Ursache von Luftverschmutzung in Innenräumen,
   in denen geraucht wird.
   Tabakrauch enthält über 4800 verschiedene Substanzen. Bei über 70 dieser
   Substanzen ist nachgewiesen, dass sie krebserregend sind oder im Verdacht
   stehen, Krebs zu erzeugen.
   Für die im Passivrauch enthaltenen Kanzerogene können keine Wirkungs-
   schwellen als Dosismaß definiert werden, unterhalb derer keine Gesundheits-
   gefährdung zu erwarten wäre. Auch kleinste Belastungen mit den im
   Tabakrauch enthaltenen gentoxischen Kanzerogenen können zur Entwicklung
   von Tumoren beitragen.
   Die chemische Zusammensetzung von Passivrauch gleicht qualitativ der des
   Tabakrauchs, den Raucher inhalieren. Neben giftigen Substanzen wie Blau-
   säure, Acetonitril, Ammoniak und Kohlenmonoxid enthält Passivrauch auch
   eine Vielzahl kanzerogener Stoffe wie polyzyklische aromatische Kohlen-
   wasserstoffe, N-Nitrosamine, aromatische Amine, Benzol, Vinylchlorid, Arsen,
   Cadmium, Chrom und das radioaktive Isotop Polonium 210.
   Die Verweildauer einzelner Komponenten des Passivrauchs in der Raumluft ist
   beträchtlich. Tabakfeinstaubpartikel lagern sich an Wänden, Decken, Böden und
   Gegenständen ab und werden von dort wieder emittiert. Innenräume, in denen
   Rauchen erlaubt ist, stellen somit eine kontinuierliche Expositionsquelle für die
   im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe dar, selbst wenn dort aktuell nicht
   geraucht wird.
   Auch „kalter“ Tabakrauch gefährdet die Gesundheit.
   Lüftungstechnische Anlagen schützen nicht wirksam vor den Schadstoffen des
   Tabakrauchs, da selbst die modernsten Ventilationssysteme die gefährlichen
   Inhaltsstoffe des Tabakrauchs nicht vollständig aus der Raumluft entfernen
   können.

                                                                                   Deutschland muss handeln   5
Deutschland muss handeln

                           Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland

                               Über 170 000 Neugeborene jährlich werden bereits im Mutterleib den Schad-
                               stoffen des Tabakrauchs ausgesetzt.
                               Die Hälfte aller Kinder unter sechs Jahren und etwa zwei Drittel aller Sechs- bis
                               Dreizehnjährigen leben in einem Haushalt, in dem mindestens eine Person
                               raucht.
                               Schätzungsweise über acht Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
                               leben in einem Haushalt mit mindestens einem Raucher.
                               In der Erwachsenenbevölkerung werden mehr als 35 Millionen Nichtraucher zu
                               Hause, am Arbeitsplatz, in ihrer Freizeit oder gleichzeitig an mehreren dieser
                               Orte häufig mit den Schadstoffen des Passivrauchs belastet.
                               Allein am Arbeitsplatz sind noch immer etwa 8,5 Millionen nichtrauchende
                               Erwerbstätige Passivrauch ausgesetzt.

                           Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland

                               Passivrauch reizt akut die Atemwege und kann zu Kurzatmigkeit bei körper-
                               licher Belastung, erhöhter Infektanfälligkeit, Kopfschmerzen und Schwindel
                               führen. Diese Symptome können bereits bei kurzzeitigem Passivrauchen auftre-
                               ten.
                               Passivrauchen ist verantwortlich für die Entwicklung zahlreicher chronischer
                               Krankheiten mit Todesfolge.
                               Passivrauchen kann bei Säuglingen zum plötzlichen Kindstod (SIDS) führen.
                               Etwa 60 Säuglinge versterben jährlich durch Passivrauch im Haushalt sowie
                               durch vorgeburtliche Schadstoffbelastungen, weil die Mutter während der
                               Schwangerschaft rauchte.
                               Über 260 Nichtraucher sterben jährlich an passivrauchbedingtem Lungenkrebs.
                               Über 2140 Nichtraucher versterben jährlich an einer koronaren Herzkrankheit,
                               die durch Passivrauchen hervorgerufen wird.
                               Über 770 Nichtraucher versterben pro Jahr an einem passivrauchbedingten
                               Schlaganfall.
                               Über 50 Nichtraucher versterben jährlich an durch Passivrauchen bedingten
                               chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen.
                               Passivrauchen ist zudem verantwortlich für die Entwicklung zahlreicher nicht
                               tödlicher Fälle von koronarer Herzkrankheit, Schlaganfall und chronisch-ob-
                               struktiven Lungenerkrankungen.
                               An den Folgen des Passivrauchens versterben in Deutschland jährlich mehr als
                               3300 Nichtraucher; das sind mehr Todesfälle als durch illegale Drogen, Asbest,
                               BSE und SARS zusammen.

6   Deutschland muss handeln
Deutschland muss handeln

 Maßnahmen zum Nichtraucherschutz in Deutschland

   Die Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Prüfung
   gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe stufte bereits 1998 Passivrauchen am
   Arbeitsplatz in die höchste Gefahrenklasse aller Schadstoffe ein und begründe-
   te die Notwendigkeit eines vollständigen Nichtraucherschutzes auch in
   Deutschland.
   Das Bundesverfassungsgericht stellte 1997 fest, dass Rauchen auch die
   Gesundheit der nichtrauchenden Mitmenschen gefährdet.
   Die Gefahren des Passivrauchens wurden wiederholt von der Bundesregierung
   anerkannt, jedoch regelt die gegenwärtige Arbeitsstättenverordnung nicht den
   öffentlichen Bereich und schließt Betriebe mit Publikumsverkehr aus.
   Rauchfreie Arbeitsplätze schützen nicht nur die Nichtraucher, sondern sie
   bewahren auch Ex-Raucher vor einem Rückfall und bewirken einen Konsum-
   rückgang bei Rauchern.
   Immer mehr europäische Länder entscheiden sich für vollständig rauchfreie
   öffentliche Einrichtungen und eine rauchfreie Gastronomie. Dagegen besteht in
   der deutschen Gastronomie ein völlig unzureichender Nichtraucherschutz und
   die Gastronomiemitarbeiter sind einer besonders hohen Belastung durch
   Passivrauch ausgesetzt.
   Eine rauchfreie Gastronomie verringert die Gesundheitsbelastung durch
   Tabakrauch und bessert bei den Mitarbeitern tabakrauchbedingte Krankheits-
   symptome.
   Nichtraucherabteile in Zügen werden wegen der unzureichenden Abtrennung
   von Raucherbereichen auch mit Passivrauch belastet. Die Mitarbeiter der Bahn
   sind hohen Gesundheitsbelastungen durch Passivrauch ausgesetzt.
   Rauchfreie Schulen, Ausbildungsstätten, Kindergärten und Sportstätten sind
   notwendig, da in diesen Einrichtungen auch der Grundstein für gesundheits-
   bezogene Verhaltensweisen gelegt wird.

Die gegenwärtige Situation der Tabak-     den Nichtraucherschutz im öffentlichen
rauchbelastung von Nichtrauchern in       Raum umfassend regelt und eine drasti-
Deutschland ist inakzeptabel. Jährlich    sche Informationskampagne zu den Ge-
über 3300 Todesopfer und ungezählte       fahren des Passivrauchens im privaten
Kranke aufgrund des Passivrauchens zu     Umfeld könnten maßgeblich dazu beitra-
Hause, am Arbeitsplatz, in öffentlichen   gen, dass Passivrauchopfer in Deutsch-
Einrichtungen und in der Gastronomie      land der Vergangenheit angehören.
sind untragbar. Ein Bundesgesetz, das     Deutschland muss handeln.

                                                                                Deutschland muss handeln   7
A Giftige und krebserregende
Inhaltsstoffe im Passivrauch
Heinz Walter Thielmann, Alexander Schulze, Martina Pötschke-
Langer, Katrin Schaller, Barbara Bertram

 Kernaussagen
   Tabakrauch ist der bedeutendste und gefährlichste vermeidbare Innenraum-
   schadstoff und die führende Ursache von Luftverschmutzung in Innenräumen,
   in denen geraucht wird.
   Tabakrauch enthält über 4800 verschiedene Substanzen. Bei über 70 dieser
   Substanzen ist nachgewiesen, dass sie krebserregend sind oder im Verdacht
   stehen, Krebs zu erzeugen.
   Für die im Passivrauch enthaltenen Kanzerogene können keine Wirkungs-
   schwellen als Dosismaß definiert werden, unterhalb derer keine Gesundheits-
   gefährdung zu erwarten wäre. Auch kleinste Belastungen mit den im Tabak-
   rauch enthaltenen gentoxischen Kanzerogenen können zur Entwicklung von
   Tumoren beitragen.
   Die chemische Zusammensetzung von Passivrauch gleicht qualitativ der des
   Tabakrauchs, den Raucher inhalieren. Neben giftigen Substanzen wie Blau-
   säure, Acetonitril, Ammoniak und Kohlenmonoxid enthält Passivrauch auch
   eine Vielzahl kanzerogener Stoffe wie polyzyklische aromatische Kohlen-
   wasserstoffe, N-Nitrosamine, aromatische Amine, Benzol, Vinylchlorid, Arsen,
   Cadmium, Chrom und das radioaktive Isotop Polonium 210.
   Die Verweildauer einzelner Komponenten des Passivrauchs in der Raumluft ist
   beträchtlich. Tabakfeinstaubpartikel lagern sich an Wänden, Decken, Böden
   und Gegenständen ab und werden von dort wieder emittiert. Innenräume, in
   denen Rauchen erlaubt ist, stellen somit eine kontinuierliche Expositionsquelle
   für die im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe dar, selbst wenn dort aktuell
   nicht geraucht wird.
   Auch „kalter“ Tabakrauch gefährdet die Gesundheit.
   Lüftungstechnische Anlagen schützen nicht wirksam vor den Schadstoffen des
   Tabakrauchs, da selbst die modernsten Ventilationssysteme die gefährlichen
   Inhaltsstoffe des Tabakrauchs nicht vollständig aus der Raumluft entfernen
   können.

Tabakrauch ist mit Abstand der bedeu-     glimmen der Zigarette zwischen den
tendste und gefährlichste vermeidbare     Zügen entsteht, sowie aus den vom
Innenraumschadstoff und er ist die füh-   Raucher wieder ausgeatmeten Bestand-
rende Ursache von Luftverschmutzung       teilen des Hauptstromrauchs 51,124,214
in Innenräumen, in denen geraucht wird.   (Abb. 1).
Wird Tabakrauch über die Atemluft vom     Die ausgeatmeten Partikel des Haupt-
Menschen aufgenommen, spricht man         stromrauchs fügen dem gesamten
von Passivrauchbelastung oder Passiv-     Passivrauch – je nach gemessener Kom-
rauchen 124. Passivrauch besteht aus      ponente – einen Anteil von 1 bis 43 Pro-
dem Nebenstromrauch, der beim Ver-        zent der Bestandteile hinzu 21. Der größte

                                                      Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch   9
Nebenstromrauch
                                 Nebenstromrauch
                                                               Asche

                                                                 Glutzone

Abbildung 1:                        Poren-Papier                                                 Ausgeatmete
                                                                                                Bestandteile des
Schema der Tabakrauch-                                                                         Hauptstromrauches
verteilung einer Zigarette;                            Kondensatzone
Quelle: linker Teil der
Abbildung: Lüth 2002 166;
rechter Teil der Abbildung:
eigene Darstellung 2005;
Bearbeitung: Deutsches
Krebsforschungszentrum,         Hauptstromrauch
                                                                             Hauptstromrauch
Stabsstelle Krebspräven-
tion, 2005.

                              Teil des Tabakrauchs in der Raumluft           gefährdung zu erwarten wäre 170,264,268.
                              besteht jedoch aus den Substanzen des          Zwar sinkt mit abnehmender Dosis das
                              Nebenstromrauchs 271. Der Nebenstrom-          Risiko proportional, es wird jedoch auch
                              rauch enthält fast alle gasförmigen und        unterhalb des experimentell zugäng-
                              über die Hälfte der partikelförmigen           lichen Nachweisbarkeitsbereiches nicht
                              Komponenten des Passivrauchs 51,84.            null 74,268. Denn auch geringe Mengen
                                                                             gentoxischer Kanzerogene können die
                                                                             DNA schädigen. Diese Schädigungen
                              1. Inhaltsstoffe des                           führen zwar noch nicht zu einem Tumor,
                              Passivrauchs                                   sind aber irreversibel, da sie bereits
                              Die Zusammensetzung des Tabakrauchs            nach der ersten Zellverdopplung als
                              ist weitgehend bekannt. Eine Zigarette         DNA-Mutation „festgeschrieben“ sind
                              enthält eine Vielzahl zellgiftiger und         und folglich an sämtliche Tochter-
                              krebserregender Stoffe, die zum Großteil       zellgenerationen weitergereicht werden
                              erst während des Verbrennungspro-              74,272.

                              zesses (Pyrolyse) des Tabaks entstehen         Im Experiment konnte nachgewiesen
                              77,108,114,115. Von den über 4800 bekann-      werden, dass sich solche irreparablen
                              ten Substanzen, die ein Raucher durch          Erbgutschäden bei wiederholter Einwir-
                              den Hauptstromrauch der Zigarette inha-        kung des Kanzerogens aufaddieren.
                              liert 124,223, ist bei über 70 nachgewiesen,   Somit können auch kleinste Belastungen
                              dass sie krebserregend sind oder im            mit den im Tabakrauch enthaltenen gen-
                              Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen             toxischen Kanzerogenen zur Entwicklung
                              108,124. Hierzu zählen vor allem die poly-     von Tumoren führen. In mehreren
                              zyklischen aromatischen Kohlenwasser-          Studien wurde nachgewiesen, dass im
                              stoffe, die aromatischen Amine und die         Blut oder Urin von Nichtrauchern, die
                              tabakspezifischen N-Nitrosamine.               Passivrauch ausgesetzt sind, Kanzero-
                              Für die im Tabakrauch enthaltenen              gene wie polyzyklische aromatische
                              Kanzerogene können keine Wirkungs-             Kohlenwasserstoffe, aromatische Amine
                              schwellen als Dosismaß definiert wer-          und Nitrosamine zumeist in erhöhter
                              den, unterhalb derer keine Gesundheits-        Konzentration vorliegen (Abb. 2).

10   Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch
Studie             Kanzerogen oder                    Mittlere oder      Mittlere oder  Verhältnis von
                    Kanzerogen-Addukt                    mediane            mediane      exponierten zu
                                                       Konzentration      Konzentration nicht exponierten
                                                                                          Nichtrauchern

                                                       nicht exponierte     exponierte
                                                         Nichtraucher      Nichtraucher

 Maclure et al.     4-Aminobiphenyl (pg/g Hb) *             40,0               43,0            1,1
 1989 167           3-Aminobiphenyl (pg/g Hb) *             1,0                1,4             1,4

 Bartsch et al.     4-Aminobiphenyl (pg/g Hb) *             16,0               34,4            2,2
 1990 26

 Hammond et al. 4-Aminobiphenyl (pg/g Hb) *                 15,0               20,0            1,3
 1993 104
                                                                                                            Abbildung 2:
 Crawford et al. Polyzyklische aromatische                  0,31               0,49            1,6          Studien zur Bestimmung
 1994 61         Kohlenwasserstoffe-Albumin                                                                 der durchschnittlichen
                 (fmol/mg) **                                                                               Menge von Kanzerogenen
                                                                                                            oder Folgeprodukten im
 Scherer et al.     Benzo[a]pyren-Hb (fmol/mg) *            0,083             0,049            0,6
                                                                                                            Blut oder Urin von expo-
 2000 216           Benzo[a]pyren-Albumin                   0,019             0,021            1,1
                                                                                                            nierten und nicht exponier-
                    (fmol/mg) *
                                                                                                            ten Nichtrauchern; Quelle:
                                                                                                            Royal College of Physicians
 Anderson et al. 4-(Methylnitrosamino)-1-(3-                0,007             0,045            6,4
                                                                                                            of London, 2005 212;
 2001 14         pyridyl)-1-butanol +
                                                                                                            Bearbeitung: Deutsches
                 4-(Methylnitrosamino)-1-(3-
                 pyridyl)-1-butanol-Glucuronid                                                              Krebsforschungszentrum,
                 (pmol/mg) ***                                                                              Stabsstelle Krebsprävention,
                                                                                                            2005.

 *im Blut, ** im Plasma, *** im Urin; Hb: Hämoglobin

Die chemische Zusammensetzung von                          Nebenstromrauch höher als diejenigen
Passivrauch gleicht qualitativ der des                     im Hauptstromrauch84,115,125. Die Unter-
Tabakrauchs, den Raucher inhalieren                        schiede können ein Vielfaches betragen.
84,115,125. Neben zahlreichen toxischen                    So übersteigt zum Beispiel die Kon-
Substanzen wie Ammoniak, Stickstoff-                       zentration des krebserregenden Stoffes
oxiden und Schwefeloxid, welche die                        N-Nitrosodimethylamin im Nebenstrom-
Augen und die oberen Atemwege reizen,                      rauch die im Hauptstromrauch um den
enthält Passivrauch auch die kanzeroge-                    Faktor 20 bis 100.
nen Stoffe, die im Hauptstromrauch
einer Zigarette identifiziert wurden. Zu                   Ein weiteres gravierendes Problem stel-
diesen kanzerogenen Substanzen gehö-                       len die zahlreichen Zusatzstoffe im Tabak
ren nicht nur organische Stoffe wie Ben-                   dar 73. Erst in jüngster Zeit rückten diese
zol und Vinylchlorid, sondern auch anor-                   Stoffe, deren giftige Produkte zumeist
ganische Stoffe wie Arsen, Cadmium,                        erst beim Verbrennen des Tabaks entste-
Chrom und das radioaktive Isotop Polo-                     hen, in den Fokus der öffentlichen
nium 210 74.                                               Aufmerksamkeit. So entstehen beispiels-
Quantitativ weisen Haupt- und Neben-                       weise aus dem Tabakzusatzstoff Zucker
stromrauch jedoch erhebliche Unter-                        beim Verbrennen des Tabaks die krebser-
schiede auf (Abb. 3). In der Regel sind                    regenden Substanzen Acetaldehyd und
die Konzentrationen dieser Stoffe im                       Formaldehyd 74.

                                                                          Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch        11
Menge im                Mengenverhältnis der
                                                                                         Hauptstromrauch          Substanzen im Neben- und
                                                                                          (Einheit je m 3)           Hauptstromrauch a)

                                 Verbindungen in der Gasphase
                                 Kohlenmonoxid                                                10–23 mg                         2,5–4,7
                                 Kohlendioxid                                                 20–40 mg                            8–11
                                 Formaldehyd                                                  70–100 µg                        5,6–8,3
                                 Aceton                                                      100–250 µg                            2–5
                                 Ammoniak                                                     50–130 µg                        40–170
                                 N-Nitrosodimethylamin                                         10–40 µg                        20–100
                                 Acrolein                                                     60–100 µg                          8–15
                                 Hydrazin                                                         32 ng                              3
Abbildung 3:                     Benzol                                                        12–48 µg                          5–10
Ausgewählte Inhaltsstoffe
des Hauptstromrauchs filter-     Verbindungen in der Partikelphase
loser Zigaretten und deren       2-Toluidin                                                      160 ng                             19
Mengenverhältnis zu durch        Phenol                                                       60–140 µg                        1,6–3,0
Tabakrauch verunreinigter        Anilin                                                          360 ng                            30
Innenraumluft; Quelle:           Benzo[a]pyren                                                 20–40 ng                        2,5–3,5
IARC, 1986 125, EPA, 1993 84,    4-Aminobiphenyl                                                  4,6 ng                            31
NRC, 1986 181; Bearbeitung:
                                 N-Nitrosodiethanolamin                                        20–70 ng                            1,2
                                 Cadmium                                                         100 ng                            7,2
Deutsches Krebsfor-
                                 Nickel                                                        20–80 ng                         13–30
schungszentrum, Stabsstelle
                                 Polonium 210                                               0,04–0,1 pCi                       1,0–4,0
Krebsprävention, 2003 72.
                                 a)   Die Zahlen geben an, um welchen Faktor die Konzentrationen der Stoffe im Nebenstromrauch die im Hauptstromrauch
                                      übersteigen. Krebserregende Stoffe sind kursiv gedruckt.

                                2. Messung des Tabakrauchs                                       das Ausmaß der Passivrauchbelastung
                                in der Umgebung                                                  durch Personenauskünfte mittels münd-
                                Es existieren verschiedene Messmetho-                            licher Interviews oder Fragebögen zu
                                den und Indikatoren, um eine Exposition                          erheben (indirekte Messverfahren). Eine
                                von Nichtrauchern abzuschätzen oder                              weitere Möglichkeit bietet die unmittel-
                                um die Quantität der Schadstoffe zu er-                          bare Ermittlung von passivrauchassozi-
                                mitteln, die von ihnen unter bestimmten                          ierten Schadstoffen in der Raumluft oder
                                Bedingungen aufgenommen werden 12.                               im Biomaterial von Probanden (direkte
                                Grundsätzlich besteht die Möglichkeit,                           Messverfahren) (Abb. 4).

                                 Messmethoden                          Indikatoren

Abbildung 4:                     Indirekte Messverfahren               • Selbstauskünfte über das Ausmaß von Passivrauchbelastungen am
Messmethoden und                                                         Arbeitsplatz, zu Hause und in der Freizeit
Indikatoren zur Ermittlung                                             • Angaben zum Rauchverhalten von Schwangeren, Müttern und Vätern
des Ausmaßes von Passiv-                                               • Anzahl der Raucher, mit denen ein regelmäßiger Kontakt besteht
rauchbelastungen; Quelle:
                                 Direkte Messverfahren                 • Messung der Konzentration von tabakrauchspezifischen Schadstoffen
Samet et al., 2001 214 und
                                                                         oder lungengängigen Partikeln in der Atemluft („air monitoring“)
Heinrich, 2003 109;
                                                                       • Messung der Konzentrationen von Biomarkern (Schadstoffe oder deren
Bearbeitung: Deutsches
                                                                         Abbauprodukte) im Blut, Speichel oder in Haaren der exponierten
Krebsforschungszentrum,
                                                                         Personen („biological monitoring“)
Stabsstelle Krebsprävention,
2005.

12      Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch
Bei indirekten Verfahren werden neben                  tration von Schadstoffen des Tabak-
selbst berichteten Expositionen gegen-                 rauchs oder von lungengängigen Parti-
über Tabakrauch und der Beschreibung                   keln in der Atemluft ermittelt („air moni-
von Quellen dieser Passivrauchbelastun-                toring“). Die Konzentration einzelner In-
gen auch Befragungen über den Rauch-                   haltsstoffe des Tabakrauchs (zum Bei-
status von Schwangeren, Personen mit                   spiel Nikotin) kann anhand von Luftpro-
Kindern sowie Freunden und Arbeitskol-                 ben ermittelt werden, die in Räumen
legen vorgenommen. Aus diesen An-                      über Stunden oder Tage entnommenen
gaben lässt sich ableiten, ob Personen,                werden 130,190. Eine weitere direkte Mög-
die sich in einer tabakrauchbelasteten                 lichkeit, die Exposition durch Passiv-
Umgebung aufhalten oder die in regel-                  rauch zu erfassen, besteht im Nachweis
mäßigem Kontakt mit Rauchern stehen                    von Biomarkern im Blut, Speichel, Urin
(zum Beispiel eigene Kinder im Haus-                   oder in den Haaren von Nichtrauchern
halt), passivrauchbelastet sind. Oftmals               („biological monitoring“) 9,31,39,130. Ge-
bieten solche Angaben aus Fragebögen                   messen werden hierbei die im Biomate-
oder telefonischen Interviews die einzige              rial enthaltenen Schadstoffe oder deren
Möglichkeit, das Ausmaß von Passiv-                    Abbauprodukte (im Fall von Nikotin zum
rauchbelastungen zu erfassen. Aussagen                 Beispiel Cotinin), die während eines be-
über die Quantität – also die Menge der                stimmten Zeitraumes in tabakrauch-
aufgenommenen Schadstoffe – lassen                     belasteter Umgebung von einem Nicht-
sich mit dieser Messmethode jedoch nur                 raucher aufgenommen beziehungsweise
bedingt treffen.                                       nach der Aufnahme durch Verstoffwech-
Eine präzise Quantifizierung der Passiv-               selung gebildet werden 31 (Abb. 5). Es
rauchbelastungen wird am besten mit                    besteht eine deutliche Dosis-Wirkungs-
direkten Messungen erforscht. Bei die-                 beziehung zwischen der Exposition
sen Verfahren wird entweder eine Ex-                   durch Passivrauch und der Nikotinauf-
position durch die Messung der Konzen-                 nahme.

                                                     Cotinin im Urin in ng/ml

 Studie                       Land            nicht     exponierte Raucher Verhältnis von
                                            exponierte Nichtraucher        exponierten zu
                                           Nichtraucher                   nicht exponierten
                                                                            Nichtrauchern

 Jarvis et al., 1984 134      UK               1,6               7,6         1391,0        4,8
 Matsukura et al., 1984 171   Japan            0,5               0,8           8,6         1,6
 Wald et al., 1984 251        UK               3,0              14,1         2005,6        4,7
 Wall et al., 1988 253        USA             6,0                9,2         1017,0        1,5
 Coultas et al., 1989 60      USA             2,5               11,3            –          4,5
                                                                                                        Abbildung 5:
 Haley et al., 1989 102       USA             5,3                7,2            –          1,4
                                                                                                        Ausgewählte Studien mit
 Cummings et al., 1990 62     USA             6,2                9,7         1245,0        1,6
                                                                                                        Nachweis von Cotinin im
 Thompson et al., 1990 238    UK              11,0              28,0         1691,0        2,5
                                                                                                        Urin (ng/ml) von Nicht-
 Riboli et al., 1990 207      Europa           2,7               7,9            –          2,9
 Willers et al., 1992 269     Schweden        2,3               6,2          2554,0        2,7          rauchern, Passivrauchern
 O’Connor et al., 1995 187    USA             2,0                2,3            –          1,2          und Rauchern; Quelle:
 Foundas et al., 1997 92      Australien      9,5               14,8         2455,0        1,6          Royal College of Physicians
 Forastiere et al., 2000 91   Italien         6,5                9,4            –          1,4          of London, 2005 212;
 Scherer et al., 2000 216     BRD             2,3               12,3         2060,0        5,3          Bearbeitung: Deutsches
 Kuo et al., 2002 155         Taiwan          16,2              27,9         2784,6        1,7          Krebsforschungszentrum,
 Kim et al., 2004 150         Korea            7,5              10,0            –          1,3          Stabsstelle Krebsprävention,
                                                                                                        2005.

                                                                       Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch     13
Bei allen angewendeten Verfahren ist zu                                     fährdenden Schadstoffen des Tabak-
                                berücksichtigen, dass die gesundheitli-                                     rauchs, da selbst die modernsten Venti-
                                chen Auswirkungen des Passivrauchens                                        lationssysteme die gefährlichen Inhalts-
                                auch von verschiedenen Umweltpara-                                          stoffe des Tabakrauchs nicht vollständig
                                metern abhängig sind, zum Beispiel der                                      aus der Raumluft eliminieren können
                                Zahl der gerauchten Zigaretten, der Be-                                     12,204 (Abb. 6).

                                schaffenheit des Raumes (Größe, Tem-
                                peratur, Belüftung etc.) und der Aufent-                                    Bei fortgesetzter Rauchbelastung, wie
                                haltsdauer in dem Raum, in dem die                                          sie beispielsweise in Gaststätten und
                                Exposition erfolgt 84,1824. Darüber hinaus                                  Restaurants üblich ist, führt nicht ein-
                                spielt die persönliche Konstitution (Lun-                                   mal ein Luftaustausch mit Windstärken
                                genvolumen, Alter etc.) des Passivrau-                                      eines Tornados zu einer vollständigen
                                chenden und die Art des Rauchs eine                                         Elimination der Schadstoffe des Tabak-
                                Rolle.                                                                      rauchs 153,206. Da für die im Passivrauch
                                                                                                            enthaltenen krebserregenden Stoffe
                                                                                                            kein gesundheitsunbedenklicher unterer
                                3. Mangelnde Wirksamkeit                                                    Schwellenwert angegeben werden kann,
                                lüftungstechnischer Anlagen                                                 existiert auch keine Handlungsgrund-
                                Da die Verweildauer einzelner Kompo-                                        lage, nach der Ventilationssysteme ein-
                                nenten des Passivrauchs in der Raumluft                                     gesetzt werden könnten, um die Gefah-
                                beträchtlich ist 153,204 und sich die Par-                                  ren des Passivrauchens zu vermeiden.
                                tikel des Tabakrauchs auch an Wänden,                                       Deshalb ist es unabdingbar, rauchfreie
                                auf Böden und an Gebrauchsgegen-                                            öffentliche Einrichtungen und eine
                                ständen ablagern und von dort wieder in                                     rauchfreie Gastronomie auf gesetzlicher
                                die Raumluft abgegeben werden 141, sind                                     Grundlage festzuschreiben.
                                Innenräume, in denen Rauchen erlaubt
                                ist, eine kontinuierliche Expositionsquel-
                                le, selbst wenn dort aktuell nicht ge-
                                raucht wird 141. Auch dieser so genannte
                                kalte Rauch stellt eine Gesundheits-
                                gefährdung dar.
                                Lüftungstechnische Anlagen schützen
                                nicht wirksam vor den gesundheitsge-

                                                                         erster                          zweiter
Abbildung 6:                                                             Rauch-    60-minütige           Rauch-
Schadstoffbelastung durch                                                durchgang Rauchpause            durchgang
                                                                                                                                                 Konzentration Kohlenmonoxid [ppm]

Stickoxide (rote Linie) und                                        450                                                                      16
                                  Konzentration Stickoxide [ppb]

Kohlenmonoxid (schwarze                                            400                                                                      14
Linie) in einem geschlosse-                                        350
nen Raum von 30 m 3 bei
                                                                                                                                            12
                                                                   300
einer Luftaustauschrate von                                                                                                                 10
60 m 3 pro Stunde nach dem                                         250
                                                                                                                                            8
Rauchen von 10 Zigaretten,                                         200
einem Rauchstopp von                                                                                                                        6
                                                                   150
60 min. und dem erneuten                                                                                                                    4
                                                                   100
Rauchen von 10 Zigaretten;
Quelle: Kotzias et al., 2005                                       50                                                                       2
153;   Bearbeitung: Deutsches                                       0                                                                       0
Krebsforschungszentrum,                                                  0      20       40      60    80        100   120     140    160
Stabsstelle Krebsprävention,                                                         Minuten nach Anzünden der ersten Zigarette
2005.

14      Giftige und krebserregende Inhaltsstoffe im Passivrauch
B Ausmaß der
Tabakrauchexposition
in Deutschland
Alexander Schulze

 Kernaussagen
   Über 170 000 Neugeborene jährlich werden bereits im Mutterleib den
   Schadstoffen des Tabakrauchs ausgesetzt.
   Die Hälfte aller Kinder unter sechs Jahren und etwa zwei Drittel aller Sechs- bis
   Dreizehnjährigen leben in einem Haushalt, in dem mindestens eine Person
   raucht.
   Schätzungsweise über acht Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
   leben in einem Haushalt mit mindestens einem Raucher.
   In der Erwachsenenbevölkerung werden mehr als 35 Millionen Nichtraucher zu
   Hause, am Arbeitsplatz, in ihrer Freizeit oder gleichzeitig an mehreren dieser
   Orte häufig mit den Schadstoffen des Passivrauchs belastet.
   Allein am Arbeitsplatz sind noch immer etwa 8,5 Millionen nichtrauchende
   Erwerbstätige Passivrauch ausgesetzt.

1. Tabakrauchbelastungen bei                 in dieser Altersgruppe sind passivrauch-
Erwachsenen                                  belastet. In den mittleren Altersgruppen
Nach Angaben des Bundesgesundheits-          (30 bis 59 Jahre) liegt der Anteil tabak-
surveys aus dem Jahr 1998 (BGS98)            rauchbelasteter Männer zwischen 58 und
werden in Deutschland 55 Prozent aller       70 Prozent, bei Frauen zwischen 55 und
Nichtraucher zwischen dem 18ten und          60 Prozent. Erst bei den 70- bis 79-Jähri-
79ten Lebensjahr häufig zu Hause, am         gen sinkt dieser Anteil sowohl bei Män-
Arbeitsplatz oder in der außerhäuslichen     nern als auch bei Frauen deutlich auf
Freizeit mit Passivrauch belastet 146,218.   29 Prozent ab 218, was unter anderem
Damit sind in dieser Altersgruppe mehr       auf den Wegfall von Passivrauchbelas-
als 20 Millionen Nichtraucher den Ge-        tungen am Arbeitsplatz in dieser Alters-
fahren des Passivrauchens ausgesetzt.        gruppe zurückzuführen ist.
Wie beim aktiven Zigarettenkonsum
besteht ein deutlicher Zusammenhang
zwischen dem Geschlecht und dem              2. Orte der Passivrauch-
Alter der Nichtraucher und der Exposi-       exposition bei Erwachsenen
tion gegenüber Tabakrauch (Abb. 7).          Nach den Angaben des Epidemiologi-
Insgesamt sind nichtrauchende Männer         schen Suchtsurveys aus dem Jahr 2003
aller Altersgruppen häufiger als Frauen      sind Nichtraucher vor allem in der au-
Tabakrauchbelastungen ausgesetzt. Für        ßerhäuslichen Freizeit und am Arbeits-
beide Geschlechter gilt jedoch: Je jün-      platz gegenüber Tabakrauch exponiert
ger der Nichtraucher ist, umso wahr-         17 (Abb. 8). 42 Prozent aller nichtrau-

scheinlicher ist er Passivrauchbelastun-     chenden Erwerbstätigen berichten über
gen ausgesetzt 218. Im Alter von 20 bis      häufige (mindestens wöchentliche) Pas-
29 Jahren sind die Belastungen am            sivrauchbelastungen am Arbeitsplatz,
höchsten: 86 Prozent aller nichtrauchen-     26 Prozent sind sogar täglich Passiv-
den Männer und 69 Prozent der Frauen         rauch am Arbeitsplatz ausgesetzt 17.

                                                             Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland   15
Abbildung 7:
Anteile durch Tabakrauch
belasteter Nichtraucher im
Jahr 1998, differenziert
nach Alter und Geschlecht;
Quelle: Schulze et al.,
2005 218.

                                Etwa ein Drittel aller Nichtraucher zwi-               Ein ähnliches Ausmaß der Belastungen
                                schen 18 und 59 Jahren wird zudem in                   wurde auch im Bundesgesundheitssur-
                                der außerhäuslichen Freizeit mit Passiv-               vey von 1998 ermittelt. Bei dieser Be-
                                rauch belastet 17. Zu Hause ist die unfrei-            fragung gaben 22 Prozent der 18- bis
                                willige Tabakrauchbelastung niedriger:                 79-Jährigen Passivrauchbelastungen am
                                Nach den Angaben des Suchtsurveys                      Arbeitsplatz an: Männer mit 30 Prozent
                                sind 13 Prozent aller 18- bis 59-jährigen              häufiger als Frauen mit 16 Prozent 146,
                                Nichtraucher hier exponiert, Frauen mit                218. In der eigenen Wohnung sind 13 bis

                                14 Prozent häufiger als Männer mit                     14 Prozent gegenüber Tabakrauch ex-
                                einem Anteil von 12 Prozent 17.                        poniert (Männer: 12 Prozent; Frauen:

Abbildung 8:
Anteil der nichtrauchenden
Bevölkerung zwischen
18 und 59 Jahren, der min-
destens einmal pro Woche
an den genannten Orten
Tabakrauch ausgesetzt ist,
differenziert nach Ge-
schlecht für das Jahr 2003;
Quelle: Augustin et al., 2005
17;   Bearbeitung: Deutsches
Krebsforschungszentrum,
Stabsstelle Krebsprävention,    *** Belastungen am Arbeitsplatz beziehen sich ausschließlich auf nichtrauchende Erwerbstätige und
2005.                               Auszubildende und nicht auf die nichtrauchende Gesamtbevölkerung.

16      Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland
Abbildung 9:
                                                                                        Anteile durch Tabakrauch
                                                                                        belasteter Nichtraucher im
                                                                                        Jahr 1998, differenziert
                                                                                        nach Schulbildung; Quelle:
                                                                                        Schulze et al., 2005 218.

15 Prozent). Die stärkste Passivrauch-      Betrachtung der Alterstruktur, der beruf-
belastung erfahren Nichtraucher aller-      lichen Stellung und des Familienstandes
dings in der außerhäuslichen Freizeit,      wird zudem deutlich, dass in einigen
zum Beispiel in Cafés, Restaurants, öf-     Hochrisikogruppen, die mehrere Risiko-
fentlichen Einrichtungen, bei Freunden      merkmale auf sich vereinen, der Anteil
oder Bekannten (Männer: 50 Prozent;         tabakrauchbelasteter Personen fast dop-
Frauen: 41 Prozent).                        pelt so hoch ist wie in den Gruppen mit
                                            den günstigsten sozialen Faktoren 218.
                                            Sehr hohe Passivraucheranteile finden
3. Passivrauchen und                        sich in diesem Zusammenhang sowohl
soziale Unterschiede                        bei Männern als auch bei Frauen vor
Die Passivrauchbelastung variiert deut-     allem bei (i) Arbeitern und Angestellten
lich mit dem Bildungsniveau der Nicht-      bis zum 60sten Lebensjahr und (ii) Per-
raucher (Abb. 9). Vor allem im mittleren    sonen jeden Alters, die in einer festen
Lebensalter zeigen sich Unterschiede zu     nichtehelichen Partnerschaft leben. Be-
Ungunsten von Personen mit niedriger        sonders niedrige Anteile weisen (i) Ver-
Schulbildung. Fast 70 Prozent der 40-       heiratete (ausgenommen Arbeiter) bis
bis 49-jährigen Hauptschulabsolventen       zum 60sten Lebensjahr, (ii) Beamte und
sind häufig Tabakrauch ausgesetzt.          (iii) geschiedene Frauen aller Alters-
Demgegenüber sind es nur 60 Prozent         klassen auf 218.
derjenigen mit mittlerer Reife und 50
Prozent derjenigen mit Abitur. Nur bei
den 70- bis 79-Jährigen ist die             4. Tabakrauchbelastungen
Passivrauchbelastung bei allen Perso-       bei Kindern
nen unabhängig vom Bildungsniveau           Zwar spielt der Haushalt in der Erwach-
etwa gleich hoch.                           senenbevölkerung im Vergleich zu ande-
Insgesamt werden vor allem junge            ren Expositionsorten nur eine unterge-
Erwachsene, Männer, Arbeiter, Personen      ordnete Rolle, jedoch ist der elterliche
mit niedriger Schulbildung sowie Perso-     Raucherhaushalt die Hauptquelle für die
nen, die in einer nichtehelichen Lebens-    Tabakrauchexposition von Kindern. Da
gemeinschaft leben, überproportional        Kleinkinder den überwiegenden Teil des
häufig belastet 218. Bei der kombinierten   Tages in Innenräumen und in der Nähe

                                                            Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland           17
Abbildung 10:
Anteile durch Tabakrauch
belasteter Nichtraucher,
differenziert nach Alter und
Geschlecht im Jahr 1998;
Quelle: Schulze et al.,
2005 218.

                               ihrer Eltern verbringen, werden sie in       drigem Sozialstatus als bei Kindern mit
                               einem Raucherhaushalt häufig Tabak-          höherem Sozialstatus 111,250.
                               rauch ausgesetzt. Schätzungen aus den        Die unfreiwillige Exposition gegenüber
                               1990er Jahren legen nahe, dass rund 50       Tabakrauch kann bereits vor der Geburt
                               Prozent der Kinder unter sechs Jahren        durch mütterliches Rauchen während
                               45,110 und etwa zwei Drittel aller Sechs-    der Schwangerschaft beginnen. Ins-
                               bis Dreizehnjährigen in einem Haushalt       gesamt geben etwa 60 Prozent der
                               leben, in dem mindestens eine Person         schwangeren Raucherinnen ihren Kon-
                               raucht 45. In zwei von drei Haushalten       sum zwischen dem Bekanntwerden der
                               mit einem Raucher ist dies der Vater 110.    Schwangerschaft und der Geburt auf,
                               Der mütterliche Tabakkonsum ist aller-       die Mehrzahl davon (82 Prozent) im
                               dings aufgrund der Exposition während        ersten Trimester der Schwangerschaft
                               der Schwangerschaft sowie der Tat-           240. Nach aktuellen Angaben rauchen

                               sache, dass die meisten Kleinkinder          demnach in Deutschland 18 bis 25 Pro-
                               nach der Geburt deutlich mehr Zeit mit       zent aller Schwangeren noch zum
                               der Mutter als mit dem Vater verbrin-        Zeitpunkt der Geburt 111,157,240. Von den
                               gen, als schwerwiegender einzustufen         derzeit jährlich rund 705 000 Lebend-
                               59.                                          geborenen in der Bundesrepublik sind
                               Sowohl international als auch national       somit durch den aktiven Tabakkonsum
                               zeigt sich, dass Kinder, deren Eltern der    der werdenden Mutter bis zu 170 000
                               unteren Sozialschicht angehören, zu          Neugeborene bereits im Mutterleib
                               einem höheren Prozentsatz Tabakrauch-        Rauchschadstoffen ausgesetzt.
                               belastungen ausgesetzt sind als Kinder       Das Rauchverhalten Schwangerer vari-
                               der oberen Sozialschichten 45,196,217,262.   iert dabei erheblich nach Alter, sozialer
                               Allein der Raucheranteil von sozial          Schicht und Familienstatus. Der Anteil
                               schwachen Müttern mit Kindern von bis        der Raucherinnen zu Beginn einer
                               zu fünf Jahren ist doppelt so hoch wie       Schwangerschaft ist bei unter 25-jähri-
                               der Raucheranteil von Müttern aus den        gen Schwangeren am höchsten (50 Pro-
                               oberen Gesellschaftsschichten (Abb. 10).     zent) 158. Hohe Raucherraten weisen
                               Dies führt zu einem doppelt so hohen         zudem werdende Mütter aus der Unter-
                               Ausmaß der Tabakrauchbelastung bei           schicht auf (40 Prozent) 111. Die Raucher-
                               Kindern aus Herkunftsfamilien mit nie-       anteile lediger und geschiedener schwan-

18    Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland
gerer Frauen (62 Prozent) übersteigen                           Hause, am Arbeitsplatz, in ihrer Freizeit
die Anteile der Verheirateten (17 Pro-                          oder gleichzeitig an mehreren dieser
zent) um das Dreifache 111.                                     Orte häufig gegenüber Passivrauch ex-
Unter Berücksichtigung der genannten                            poniert. Allein am Arbeitsplatz werden
Zahlen ist damit zu rechnen, dass in                            in Deutschland bei circa 38,5 Millionen
Deutschland über sechs Millionen                                Erwerbstätigen 228 immer noch etwa
Kinder bis zum dreizehnten Lebensjahr                           8,5 Millionen Erwerbstätige während
in Haushalten mit mindestens einem                              der Arbeit unfreiwillig mit den Schad-
Raucher leben (Abb. 11). Hinzu kommen                           stoffen des Tabakrauchs belastet. Damit
schätzungsweise zwei Millionen Ju-                              ist ein Großteil der Bevölkerung den ver-
gendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren.                        meidbaren Gesundheitsgefahren durch
In der Erwachsenenbevölkerung werden                            die giftigen und kanzerogenen Stoffe
mehr als 35 Millionen Nichtraucher zu                           des Passivrauchs ausgesetzt.

    Anzahl von Kindern, die in einem Haushalt mit mindestens einem Raucher leben

    Kinder bis zu 5 Jahren                                             ≥    2 200 000
    Kinder zwischen 6 und 13 Jahren                                    ≥    4 200 000
    Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren ***                          ≥    2 000 000                                 Abbildung 11:
                                                                                                                      Anzahl tabakrauchbelasteter
    Zusammen                                                           ≥    8 400 000
                                                                                                                      Kinder, Jugendlicher und
                                                                                                                      erwachsener Nichtraucher
                                                                                                                      in Deutschland; Quellen:
    Anzahl passivrauchbelasteter Erwachsener in Deutschland
                                                                                                                      Statistisches Bundesamt,
                                                                                                                      2005 228, Statistisches
    Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr
                                                                                                                      Bundesamt, 2005 226,
    Zu Hause                                                           ≥ 8 000 000
                                                                                                                      Helmert, 1997 110, Brenner,
    Am Arbeitsplatz a                                                  ≥ 8 500 000
    In der Freizeit                                                    ≥ 28 500 000                                   1993 45; Bearbeitung:
                                                                                                                      Deutsches Krebsforschungs-
    Insgesamt an mindestens einem der Orte belastet        b           ≥ 35 000 000                                   zentrum, Stabsstelle
                                                                                                                      Krebsprävention, 2005.

a   Diese Angabe bezieht sich ausschließlich auf nichtrauchende Erwerbstätige und Auszubildende.
b   Entspricht nicht der Summe der Einzelortexpositionen, da Mehrfachbelastungen von Personen bestehen.
*** Diese Angabe basiert auf einer eigenen Schätzung, die davon ausgeht, dass der Anteil Jugendlicher, die in einen
Haushalt mit einem Raucher leben, dem Anteil von sechs- bis dreizehnjährigen Kindern entspricht. Empirische Angaben
hierzu liegen für Deutschland bislang nicht vor.

                                                                                        Ausmaß der Tabakrauchexposition in Deutschland              19
C Passivrauchbedingte
                            Morbidität und Mortalität
                            in Deutschland
                            Ulrich Keil, Heiko Becher, Jan Heidrich, Peter Heuschmann,
                            Klaus Kraywinkel, Mechtild Vennemann, Jürgen Wellmann

                              Kernaussagen
                                Passivrauch reizt akut die Atemwege und kann zu Kurzatmigkeit bei körper-
                                licher Belastung, erhöhter Infektanfälligkeit, Kopfschmerzen und Schwindel
                                führen. Diese Symptome können bereits bei kurzzeitigem Passivrauchen auf-
                                treten.
                                Passivrauchen ist verantwortlich für die Entwicklung zahlreicher chronischer
                                Krankheiten mit Todesfolge.
                                Passivrauchen kann bei Säuglingen zum plötzlichen Kindstod (SIDS) führen.
                                Etwa 60 Säuglinge versterben jährlich durch Passivrauch im Haushalt sowie
                                durch vorgeburtliche Schadstoffbelastungen, weil die Mutter während der
                                Schwangerschaft rauchte.
                                Über 260 Nichtraucher sterben jährlich an passivrauchbedingtem Lungenkrebs.
                                Über 2140 Nichtraucher versterben jährlich an einer koronaren Herzkrankheit,
                                die durch Passivrauchen hervorgerufen wird.
                                Über 770 Nichtraucher versterben pro Jahr an einem passivrauchbedingten
                                Schlaganfall.
                                Über 50 Nichtraucher versterben jährlich an durch Passivrauchen bedingten
                                chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen.
                                Passivrauchen ist zudem verantwortlich für die Entwicklung zahlreicher nicht-
                                tödlicher Fälle von koronarer Herzkrankheit, Schlaganfall und chronisch-ob-
                                struktiven Lungenerkrankungen.
                                An den Folgen des Passivrauchens versterben in Deutschland jährlich mehr als
                                3300 Nichtraucher; das sind mehr Todesfälle als durch illegale Drogen, Asbest,
                                BSE und SARS zusammen.

                            Ein Zusammenhang zwischen Passiv-           chronischen Erkrankungen wie Raucher
                            rauchen und negativen gesundheitli-         erleiden können – wenn auch in geringe-
                            chen Konsequenzen wurde bereits Ende        rem Ausmaß und mit geringerer Häufig-
                            der 1960er Jahre nachgewiesen 56,80,93.     keit. Dies ist nicht verwunderlich, da
                            Die ersten Publikationen, die einen Kau-    Nichtraucher unter Alltagsbedingungen
                            salzusammenhang zwischen Passivrau-         täglich giftige und krebserregende Sub-
                            chen und Lungenkrebs bestätigten, er-       stanzen einatmen, die von Rauchern be-
                            schienen Mitte der 1980er Jahre 125,181,    reits beim Konsum von ein bis zwei Zi-
                            245. Mittlerweile belegen zahlreiche epi-   garetten aufgenommen werden 26,104,167.
                            demiologische und toxikologische Über-      Die meisten Nichtraucher fühlen sich un-
                            sichtsarbeiten das gesamte Ausmaß der       wohl, wenn sie Tabakrauch ausgesetzt
                            gesundheitsschädigenden Auswirkun-          sind, denn Passivrauch verursacht Au-
                            gen des Passivrauchens 52,84,125,129,138,   genbrennen und -tränen sowie Schwel-
                            247,263. Diese Arbeiten zeigen überdeut-    lungen und Rötungen der Schleimhäute
                            lich, dass Personen, die Tabakrauch aus-    136,279. Neben Reizungen des Atem-

                            gesetzt sind, die gleichen akuten und       traktes 66,84,181,246 und akuten respiratori-

20   Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland
Passivrauchen und akute Beschwerdebilder      Passivrauchen und chronische Krankheiten
 bei Erwachsenen                               und Todesursachen bei Erwachsenen

 Atemwegsbeschwerden                           Atemwegserkrankungen
 verringerte Lungenfunktionswerte              Asthma (Entstehung und Verschlimmerung)            Abbildung 12:
 Reizung der Atemwege mit der Folge von        Lungenentzündung (Entstehung und                   Passivrauchbedingte akute
 Husten und Auswurf                            Verschlimmerung)                                   und chronische Beschwer-
 Kurzatmigkeit bei körperlicher Belastung      Bronchitis (Entstehung und Verschlimmerung)        den und Krankheiten
 Reizung der Nase                              Verschlimmerung der Mukoviszidose                  bei Erwachsenen; Quelle:
                                               Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen           International Agency for
 Sonstige Beschwerdebilder                                                                        Research on Cancer, 2004 125,
 Augenbrennen und -tränen                      Herz- und Gefäßerkrankungen                        California Environmental
 Schwellungen und Rötungen der Schleimhäute    Koronare Herzkrankheit, insbesondere Herzinfarkt   Protection Agency, 1997 51,
 erhöhte Infektanfälligkeit                    Schlaganfall
                                                                                                  Environmental Protection
 Kopfschmerzen                                 Periphere arterielle Verschlusskrankheit
                                                                                                  Agency, 1993 84;
 Schwindelanfälle
                                                                                                  Bearbeitung: Deutsches
                                               Krebserkrankungen
                                                                                                  Krebsforschungszentrum,
                                               Lungenkrebs
                                                                                                  Stabsstelle Krebsprävention,
                                               Gebärmutterhalskrebs (mutmaßlich)
                                                                                                  2005.

schen Symptomen wie Auswurf, Hus-             Ersterkrankungen und Todesfälle in
ten, Atembeschwerden oder Kurzatmig-          Deutschland beziehen sich ausschließ-
keit bei körperlicher Belastung 58,126,133,   lich auf Lungenkrebs (ICD 10 C34), chro-
163,273 ist die Exposition mit Tabakrauch     nisch-obstruktive Lungenerkrankungen
auch für das Auftreten von Kopf-              (COPD, ICD 10 J41–J44), den plötzlichen
schmerzen, Schwindelanfällen, Atem-           Kindstod (SIDS, ICD 10 R95) und Herz-
losigkeit und Müdigkeit verantwortlich        Kreislauf-Erkrankungen, wobei koronare
182. Die akuten Wirkungen auf die emp-        Herzkrankheit (KHK, ICD 10 I20–I25) und
findlichen Schleimhäute der Augen und         Schlaganfall (genauer: zerebrovaskuläre
des Atemtraktes sind überwiegend auf          Erkrankungen, ICD 10 I60–I69) getrennt
die Reizwirkung verschiedener reaktiver       betrachtet werden. Die Berechnungen
Stoffe in der Gasphase des Tabakrauchs        beziehen sich auf die nichtrauchende
wie Ammoniak, Formaldehyd oder                deutsche Bevölkerung, da davon ausge-
Stickoxid zurückzuführen 115,265. Selbst      gangen wird, dass die Gesundheits-
kurzzeitiges Passivrauchen kann daher         risiken von Rauchern durch ihr eigenes
bereits zu einer akuten Einschränkung         Rauchverhalten dominiert werden. Die
der Körperfunktionen der Betroffenen          meisten epidemiologischen Studien zum
führen 106,144,185.                           Passivrauchen verfolgen einen entspre-
Passivrauchen ist aber vor allem ein          chenden Ansatz und untersuchen krank-
Grund für die Entwicklung zahlreicher         heitsspezifisch nur die Wirkung des
und häufig auftretender chronischer           Passivrauchens bei Nichtrauchern (Ex-
Krankheiten und Todesursachen bei Er-         Raucher und Nie-Raucher) oder sogar
wachsenen. Hierzu gehören in erster           ausschließlich bei Personen, die nie in
Linie Lungenkrebs, koronare Herzkran-         ihrem Leben geraucht haben (Nie-
heit (KHK), Schlaganfall und chronisch-       Raucher). Die Vorgehensweisen zur Er-
obstruktive Lungenerkrankungen (COPD)         mittlung der krankheitsspezifischen Erst-
sowie der plötzliche Kindstod bei Säug-       erkrankungshäufigkeiten und der krank-
lingen (SIDS). Für weitere Beschwerde-        heitsspezifischen Mortalität, die in
bilder ist ein Zusammenhang mit dem           Deutschland durch Passivrauch verur-
Passivrauchen belegt oder wird vermu-         sacht werden, sind ausführlich im
tet (Abb. 12).                                methodischen Anhang in diesem Band
Die im Folgenden vorgenommenen                dargestellt (vgl. „Methodischer An-
Berechnungen für passivrauchbedingte          hang“, S. 61– 68).

                                                   Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland              21
Rate pro 100 000
                                         16
                                         15
                                                   Frauen
                                         14
                                         13                                            Inzidenz, Saarland

                                         12
                                         11
                                         10
                                          9
                                          8                   Mortalität, BRD
                                          7                                                                   Mortalität, Deutschland
                                          6
                                          5
                                          4                                               Mortalität, DDR

                                          3
                                           1960             1970                     1980                   1990                   2000
                                                                                      Jahr

                                     Rate pro 100 000
                                         90

                                                   Männer
                                         80
                                                            Inzidenz, Saarland

                                         70

Abbildung 13:
Lungenkrebsinzidenz und
                                         60
Mortalität in Deutschland,                                   Mortalität, DDR
altersstandardisierte Raten                                                                                  Mortalität, Deutschland
im Zeitverlauf, getrennt                 50
nach Geschlechtern;
Quelle: Arbeitsgemeinschaft                                                      Mortalität, BRD
Bevölkerungsbezogener                    40
Krebsregister in Deutsch-                 1960              1970                     1980                   1990                   2000

land,   2004 15.                                                                      Jahr

                               1. Passivrauchen                                         betroffen. Die altersspezifische Mortali-
                               und Lungenkrebs                                          tätsrate erreicht ihr Maximum um das
                                                                                        80ste Lebensjahr und fällt im höheren
                               Hintergrund: Das Lungenkarzinom ist in                   Alter wieder ab. Bei Männern sind die
                               Deutschland die mit Abstand häufigste                    Inzidenz und die Mortalität seit den
                               Krebstodesursache 227: Im Jahr 2003                      1980er Jahren rückläufig, bei Frauen
                               starben daran 39 286 Menschen (28 652                    hingegen ist ein stetiger Anstieg zu
                               Männer und 10 634 Frauen). Lungen-                       beobachten (Abb. 13).
                               krebs entsteht meist im mittleren bis
                               hohen Lebensalter, also etwa ab dem                      Aktueller Wissensstand: Nach gegen-
                               50sten Lebensjahr, Menschen unter 35                     wärtigem Kenntnisstand können je nach
                               Jahren sind ausgesprochen selten                         Rauchprävalenz in der Bevölkerung bis

22      Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland
zu 85 Prozent der Todesfälle infolge von        genden Berechnung auf Grundlage
Lungenkrebs durch das aktive Rauchen            aktueller Zahlen sind in Deutschland et-
erklärt werden 15,30 – bei keiner anderen       wa 7,5 Prozent aller Lungenkrebstodes-
Tumorart könnte eine wirksame Tabak-            fälle bei Nie-Rauchern auf das Passiv-
prävention so viele Todesfälle vermei-          rauchen im eigenen Haushalt oder bei
den. Ein kausaler Zusammenhang zwi-             der Arbeit zurückzuführen. Dies ent-
schen Passivrauchen und Lungenkrebs             spricht 263 Lungenkrebstodesfällen pro
gilt ebenfalls als nachgewiesen 37,84,124,      Jahr, wobei die meisten Todesfälle (rund
125,137,263. Dementsprechend stufte eine        30 Prozent) in der Altersgruppe von
Reihe nationaler und internationaler            65 bis 74 Jahren auftreten, gefolgt von
Gremien und Organisationen das Pas-             der Altersgruppe von 75 bis 84 Jahren
sivrauchen als beim Menschen krebs-             (rund 28 Prozent). Die geschätzte Anzahl
erregend ein 51,66,68,84,124.                   der jährlichen Neuerkrankungen an Lun-
An der Entstehung von Lungenkrebs               genkrebs durch Passivrauchen im eige-
durch Passivrauchen sind verschiedene           nen Haushalt oder bei der Arbeit beträgt
Substanzen des Tabakrauchs beteiligt.           283 Fälle (Abb. 14). Dabei ist die Alters-
So aktiviert der Haupt- und Nebenstrom-         gruppe der 65- bis 74-Jährigen mit
rauch einer Zigarette in der Lunge zwei         einem Anteil von etwa 31 Prozent aller
Enzymsysteme, die an der Verstoffwech-          durch Passivrauch bedingten Neuer-
selung der chemischen Kanzerogene im            krankungen am stärksten betroffen,
Tabakrauch beteiligt sind, wie an Ratten        etwa 28 Prozent der Neuerkrankungen
gezeigt wurde 19. Die dabei entstehen-          treten in der Altergruppe von 75 bis
den Stoffwechselprodukte wirken letzt-          84 Jahren auf.
endlich krebserregend.                          Die Differenz zwischen den beiden
Seit Beginn der 1980er Jahre liegen             Abschätzungen der passivrauchbeding-
zahlreiche Studien zur krebserregenden          ten Lungenkrebssterblichkeit lässt sich
Wirkung von Tabakrauch vor, die in              vor allem auf folgende veränderte Para-
mehreren Metaanalysen zusammenfas-              meter zurückführen: (1) 1994 wurde ein
send analysiert wurden 36,42,101,165,237,280.   relatives Risiko von 1,35 angenommen
Diesen Studien zufolge ergibt sich für          29. Die aktuellsten Studien und Meta-

passivrauchbelastete Personen in Ab-            analysen ergeben jedoch für das anzu-
hängigkeit vom Geschlecht und von               nehmende relative Risiko einen niedri-
der Quelle der Tabakrauchexposition ein         geren Wert in Höhe von 1,25. (2) In der
relatives Risiko von 1,2 und höher an           Arbeit von 1994 wurde eine Prävalenz
Lungenkrebs zu erkranken, das heißt ein         der Passivrauchexposition von 60 Pro-
um 20 Prozent höheres Risiko im Ver-            zent bei Männern beziehungsweise
gleich zu unbelasteten Nichtrauchern.           70 Prozent bei Frauen zugrunde gelegt.
Wie beim Aktivrauchen steigt auch beim          Diese Zahlen umfassen sowohl Ex-
Passivrauchen das Lungenkrebsrisiko             positionen zu Hause, am Arbeitsplatz
mit der Dauer und der Quantität der             und in der Freizeit. Die in den aktuellen
Exposition an 124,125. Das Risiko nimmt         Berechnungen verwendeten Passivrau-
ab, sobald die Exposition endet und es          cheranteile aus dem Bundesgesund-
verringert sich zunehmend, je länger die        heitssurvey 1998 und aus aktuellen Fall-
letzte Exposition zurückliegt 101.              Kontroll-Studien 140 liegen demgegen-
                                                über deutlich niedriger, da die Analyse
Passivrauchbedingte Morbidität und              bewusst auf die Exposition zu Hause
Mortalität durch Lungenkrebs: Für               und am Arbeitsplatz beschränkt wurde.
Deutschland liegen bereits aus dem              Denn nur für diese Expositionsorte lie-
Jahr 1994 Zahlen zur passivrauchbe-             gen gesicherte Erkenntnisse über den
dingten Mortalität vor. Die hierzu vorge-       Einfluss des Passivrauchens auf das
nommene Abschätzung ergab eine Ge-              Erkrankungs- und Sterberisiko für Lun-
samtzahl von jährlich 400 Lungenkrebs-          genkrebs vor. Die präsentierten Daten
todesfällen, die auf das Passivrauchen          basieren damit auf einer konservativen
zurückzuführen sind 29. Nach der vorlie-        Schätzung der passivrauchbedingten

                                                    Passivrauchbedingte Morbidität und Mortalität in Deutschland   23
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