Passt auf jeden Kopf - Ashoka
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Haben Sie heute auch schon darüber nachgedacht, etwas verändern zu wollen? Herzlich willkommen! Ihre Gewohnheiten? Ihren Alltag? Die Welt? Wir bei Ashoka fragen uns in regelmäßigen Abständen, ob es uns noch braucht. Wir finden diese Frage wichtig, um das eigene Tun immer wieder nachzuschär- fen. Meist kommen wir zu dem Schluss, dass es Dinge gibt, die wir lassen kön- Haben Sie dann aufgehört darüber nachzudenken, nen – zum Beispiel, weil sie andere mittlerweile übernommen oder in einer Form (weiter)entwickelt haben, dass sie diese besser machen als wir. Und an- weil die Aufgabe zu groß erscheint? dere Dinge, denen wir unbedingt weiterhin unsere Aufmerksamkeit und Kraft schenken sollten. Diesen Dingen ist das vorliegende Magazin gewidmet. Wo anfangen? Wie verändern? Und was überhaupt? Unsere Vision bleibt klar: Wir von Ashoka arbeiten an einer Welt, in der jede*r Mensch die Möglichkeiten und Fähigkeiten hat, zur Überwindung gesellschaft- licher Probleme beizutragen. Wir sagen: Ein Changemaker zu sein. Wir finden herausragende soziale Innovationen und die Menschen und Teams hinter ih- Ein Anfang könnte sein, uns zu unter- nen, wir bauen befähigende Netzwerke um diese Ideen und Menschen herum und schaffen Wege, dass immer mehr Menschen ihr Potenzial als Changemaker stützen. Unsere Arbeit mit Sozialunter- entdecken und entfalten können. Warum wir das tun? Weil wir überzeugt sind, nehmer*innen. Den Ashoka-Fellows. dass dies ein wirkungsvoller Weg ist, um eine resiliente Gesellschaft und eine gerechte, menschliche und nachhaltige Welt zu gestalten. Menschen, die sich nicht haben abschre- cken lassen von großen Aufgaben. Die Auf den folgenden Seiten erwarten euch und Sie viele Ashoka-Fellows mit ihren spannenden Geschichten. Wir heißen herzlich die neuen Ashoka-Fellows im angefangen haben, etwas zu verändern. globalen Netzwerk willkommen! Ab Seite 36 zeigt eine Interviewserie einige der Jeder Spendeneuro unterstützt uns, sie faszinierenden Frauen in unserem Netzwerk, illustriert von Laura Breiling – wegen Corona haben wir keine neuen Fotos für dieses Heft machen können. zu unterstützen und ein Vielfaches wei- Umso mehr danken wir der Fotografin Sarah Schimmang, die für uns durch die terer Ressourcen für sie zu mobilisieren. Linsen von Webcams einige Menschen in dieser Ausgabe zu Hause porträtierte. Ashoka bedeutet im Sanskrit »das aktive Überwinden von Missständen«. Und das ist komplex. Im Schwerpunkt Ökosystem geben wir Einblick, wie wir dieser Komplexität begegnen können – ganz konstruktiv, ab Seite 24. 83 % der Fellows sagen: Wir arbeiten nicht im luftleeren Raum und so stellt die Covid-19-Pandemie auch uns und unser Netzwerk vor Herausforderungen. Welche, das beschreiben »Durch Ashoka habe ich mehr über Wirkungsorientierung 83 % der Fellows sagen: wir im Schwerpunkt ab Seite 10. Was dort schnell ersichtlich wird, ist, wie sehr die Kombination aus Unternehmer*innengeist, Kreativität und Gemeinwohl- orientierung gerade in Zeiten wie diesen Kräfte freisetzt. erfahren.« »Durch das Ashoka-Stipendium konnte ich mich voll und ganz Erstmals kommt in dieser Ausgabe, dem Impuls unserer neuen Kommunika- tions-Kollegin Jana sei Dank, das gesamte Team zu Wort. Auf je einer Seite er- darauf konzentrieren, meine Idee klären wir die Facetten dessen, was Ashoka Deutschland (aus)macht. Das passt zu verbreiten.« gut zu uns, weil Ashoka getragen wird von Menschen – von uns und von Ihnen und von dir. Und wir freuen uns, dass viele Partner*innen und Mitgestalter*in- nen ebenfalls beigetragen haben zu dieser Ausgabe – danke! 98 % der Fellows sagen: Wenn dieses Heft in den Druck geht, wird gerade unser Podcast über »System Change« veröffentlicht, der globale Changemakers United Summit nachbereitet »Die Wahl zum Ashoka-Fellow hatte und eine neue Serie von Fallstudien gibt Einblick, wie Sozialunternehmer*in- einen positiven Einfluss auf nen gesellschaftliche Systeme vor allem dadurch zum Besseren verändern, dass sie auf dem Weg andere Menschen stark machen und befähigen, selbst Verän- meine Außenwirkung.« derungen in Gang zu setzen – mehr dazu immer aktuell in Blog, Newsletter und Social Media. Dieses Heft kann nur eine Momentaufnahme sein, denn Ashoka bleibt nicht stehen, genauso wenig wie unsere Welt. Gut so. Gestalten wir beides QUELLE gemeinsam. Kontonummer 6020126900 Umfrage unter den Ashoka-Fellows in Deutschland Bankleitzahl 430 609 67 für das Jahr 2019; Selbstauskunft/Einschätzung Wir freuen uns drauf! der Fellows; von 73 Fellows haben 45 an der IBAN DE89 4306 0967 6020 1269 00 Euer und Ihr Team von Ashoka Deutschland Umfrage teilgenommen (62%). Die Ergebnisse der BIC GENODEM1GLS nächsten globalen Fellow-Umfrage erscheinen 2021. EDITORIAL
Inhalt COMMUNITY 6 Ashoka: Was ist das? Wer sind wir? Und was wollen wir als globale Organisation erreichen? 52 Ökonomie und Natur im Einklang: Mit dem Generationenwald setzt sich Andreas Eke, neuer Ashoka-Fellow, dafür ein, dass Mensch und Natur gleichermaßen zu ihren Rechten kommen COVID-19 10 Schnelles Handeln: Wie Ashoka-Fellows auf Covid-19 reagiert haben 53 Die Fellows und das vergangene Jahr: Gedanken, Eindrücke, Erlebnisse aus dem Netzwerk 15 Covid-19 und die Folgen: Wie gehen die Fellows damit um? 56 Ashoka Deutschland und die Fellows: Wer sind sie? Und was machen sie? Ein Überblick. 16 Schnell, schneller, Changemakers United: Ein europaweites Projekt, das Fellows und ihre Arbeit zu Covid-19 stärken soll 61 Ein starkes Netzwerk: Wie Unterstützer*innen und Partner*innen mit uns gestalten 18 Was bedeutet die Krise für Ashoka als Netzwerk? Eine erste Einschätzung. 63 2019/2020 – was waren die Höhepunkte des Jahres? 20 Wie hat das Ashoka Deutschland-Team Covid-19 und die KOSMOS Auswirkungen erlebt? 69 Ashoka-Partnerin Alexandra Ioan über das »Learning and Action Center« (LAC) und wie sich die Initiative dafür einsetzt, Ashoka ÖKOSYSTEM eine wissenschaftliche Basis zu schaffen 24 Alle reden von Ökosystem – Ashoka-Fellow Jürgen Griesbeck erklärt, was es mit diesem Begriff auf sich hat. Und wie die neue Bewegung Catalyst 2030 damit zusammenhängt 70 Jede*r kann ein Changemaker sein: Ashoka-Partner Matthias Scheffelmeier im Gespräch mit den Fellows Margret Rasfeld und Jörg Richert über das Potenzial der Jugend 26 Nicht nur darüber sprechen, sondern auch Beispiele zeigen: Ashoka- Studien aus 2019/2020 zu Ökosystem und systemischem Wandel 73 Carry4Good oder auch: eine neue Partnerschaft 30 Ashoka-Partner Odin Mühlenbein erläutert, was Systemwandel bedeutet. Und weshalb wir mehr in Hasen und Füchsen denken sollten 74 Wie sieht die Welt im Jahr 2030 für Sozialunternehmer*innen aus? Wir haben andere um ihre Einschätzung gebeten 32 Von Autobahnen und gegen getrennte Klassenzimmer – oder: zwei Beispiele zum Systemwandel aus der Praxis 77 New Work oder: das Innere nach außen kehren. Organisationsentwicklerin Bettina Rollow im Interview über diese neue Form des Arbeitens und worin die Herausforderungen liegen FRAUEN 36 Mit Fußball fördern: Steffi Biester, seit diesem Jahr Ashoka-Fellow, WIRKUNGSBERICHT spricht über KICKFAIR und weshalb Fußball und Bildung so gut zusammen wirken 81 40 Jahre Ashoka 82 Vision und Ansatz 38 Für mehr Frauen in der Politik: Die neue Ashoka-Fellow Kristina Lunz erklärt, weshalb Frauen in der politischen Arbeit so wichtig sind – und wie sie sich mit ihrer Organisation dafür einsetzt 83 Das gesellschaftliche Problem und unser Lösungsansatz 93 Ressourcen, Leistungen und Wirkungen im Berichtszeitraum 40 Gegen das Vergessen: Sarah Hüttenberend, neue Ashoka-Fellow, spricht darüber, wie wichtig es ist, den Holocaust und seine Überlebenden nicht zu vergessen – und welche Rolle Schüler*innen dabei einnehmen können 97 Planung und Ausblick 98 Unsere Organisation 42 Für mehr Verständnis: Die neue Ashoka-Fellow Lisanne Knop erzählt, wie sie als Ärztin darauf kam, Sprachbarrieren gegenüber Patient*innen abbauen zu wollen – und daraus ein Dolmetscherdienst entstanden ist 100 Ein starkes Netzwerk 102 Finanzen 44 Ohne Hürden: Ashoka-Fellow Katja Urbatsch, selbst ein Arbeiterkind, setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Herkunft nicht der Grund sein sollte, eine Hochschule zu besuchen oder nicht 108 Impressum 46 Gleicher Start für alle: Ashoka-Fellow Silke Mader setzt sich dafür ein, dass Frühgeborene und deren Eltern den bestmöglichen Start ins Leben haben. + DAS TEAM STELLT SICH VOR quer durchs Heft, illustriert von Clara Juliano 48 Mehr Weiblichkeit: Wie Ashoka weltweit Frauen sichtbar macht 4 INHALT INHALT 5
Das ist Ashoka »EVERYONE A CHANGEMAKER« Seit 40 Jahren unterstützen wir Menschen bei der Umsetzung von Ideen, Die Vision: Eine Gesellschaft, in der jede*r Ein- die unser gesellschaftliches Miteinander neu denken. Unsere Über- zelne ermutigt und unterstützt wird, zur Lösung zeugung ist: Veränderung braucht Menschen, die mutig und mit unter- gesellschaftlicher Probleme beizutragen und nehmerischem Geist vorangehen und als Pionier*innen Bilder einer Gemeinsam mit Mitgestalter*innen aus diversen positiven Wandel zu gestalten. Jede*r soll die lebenswerten Zukunft entwerfen. Menschen, die nicht nur Symptome Organisationen und Netzwerken arbeiten Ashoka- Möglichkeit haben, ein Changemaker zu sein, von Problemen sehen, sondern die Wurzeln dieser erkennen und dort Fellows und wir in einer Vielzahl von Themenfel- um miteinander eine befähigende, gerechte und ansetzen. Wir sagen: Die systemisch arbeiten und wirken. Menschen, die dern an konkreten Veränderungen. nachhaltige Welt zu gestalten. so vorangehen, begeistern und mobilisieren das eigene Umfeld. Sie bauen kluge Netzwerke um Visionen herum und setzen auf die (indirekte) Ver- breitung ihrer Ideen. Ihr Ziel ist es, ganze gesellschaftliche Bereiche zum Besseren zu verändern: ein neuer gesellschaftlicher Status quo entsteht. Egal, in welchem Themenfeld – sie eint, dass sie auf ihrem Weg immer mehr Menschen stark machen und befähigen, selbst als Changemaker GESELLSCHAFT aktiv zu werden. Und das ist unsere Vision: Eine Welt, in der jede*r aktiv zu positivem gesellschaftlichen Wandel beitragen kann und möchte. UMFELD / Was wir tun: NETZWERKE FINDEN Als Innovationsscout erkennen wir wirkungsvolle gesellschaftliche Innova- tionen in mehr als 90 Ländern früh und begleiten die Gründer*innen und Teams hinter ihnen – ein Leben lang. ASHOKA- BEGLEITEN Wir bauen eine globale Gemeinschaft von Menschen auf, die soziale In- COMMUNITY novationen voranbringen. Wir schaffen Rahmenbedingungen dafür, dass / wirkungsvolle soziale Innovationen erfolgreich(er) werden können. ICH VERBINDEN Wir arbeiten dafür, dass immer mehr Menschen die Fähigkeiten, Kom- petenzen und Erfahrungen sammeln können, die sie brauchen, um ihre Talente für gesellschaftliche Innovationen und das Gemeinwesen einzu- setzen – um in einer vernetzten und schnellen Welt die Gesellschaft stark und resilient zu machen. UMFELD / NETZWERK VERÄNDERN So unterschiedlich die Ideen all der Menschen sind, die Ashoka um sich versammelt, so sehr vereint sie eines: Sie glauben an eine Welt, in der es ihre Arbeit nicht mehr geben muss. GESELLSCHAFT Ashoka wurde vom NGO Advisor 2019 als #13 unter die führenden inter- nationalen Nichtregierungsorganisationen gelistet – entlang der Kriterien gesellschaftliche Wirkung, Innovation und Unternehmensführung. re Unse ng Weil Veränderung immer beim Ich beginnt, du Einla steht im Kern unseres Tuns die Ashoka-Commu- Gesellschaftliche Veränderung gelingt nur gemeinsam. Unser Dank gilt nity. Eine Gemeinschaft, die trägt, ein Netz- all jenen, die sich bereits mit uns auf den Weg gemacht haben – und wir werk, das sich vertraut, miteinander lernt und möchten herzlich einladen: Wirken wir doch miteinander! möglich macht. Ashoka-Fellows, Mitglieder im Ob als Partner*in, Unterstützer*in, Expert*in oder Multiplikator*in – Ashoka Support Network, Partner*in, Coaches wir freuen uns, von Ihnen zu hören! und Berater*innen, Ashoka-Team 6 WAS IST ASHOKA? WAS IST ASHOKA? 7
»aufgrund der momentanen Lage« »um die Gefahr einer erneuten massenweiten Ausbreitung des Coronavirus zu begegnen« »wegen der herrschenden Umstände« »um das allgemeine Ansteckungsrisiko im »wegen Virus« Interesse aller zu verringern« »wegen Corona-Krise« »aus gegebenem Anlass« »aufgrund des sich ausbreitenden Coronavirus« »in diesen Zeiten« »in Zeiten von Corona« »aufgrund der momentanen Situation« »aufgrund der bekannten Situation« »aufgrund der aktuellen Situation in Sachen Corona-Virus« »in der momentanen Situation« »aufgrund der Corona-Krise« »aufgrund der Zweiten Verordnung zur Änderung der »aufgrund der Pandemie« SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung« »um eine Eindämmung der Weiterverbreitung »wegen der Coronavirus-Krankheit und des Corona-Virus zu unterstützen« der Entscheidung der Bundesregierung« »um den Corona-Virus einzudämmen« »um einer weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Coronavirus entgegenzuwirken« … mussten auch wir uns umstellen, »um die Ansteckungsgefahr durch das neue umplanen, anders arbeiten. Coronavirus für Menschen zu minimieren« 8 AUS DEM TEAM COVID-19 9
Im April wollten wir mit Menschen aus dem Ashoka-Netzwerk und anderen in Digitale Fernbeziehung Seit Beginn der Krise vermitteln wir kaum Gast- geber an anreisende Eltern, reservieren aber natürlich die Plätze, damit es für Eltern und Berlin zusammenkommen. Um sich wiederzusehen. Sich auszutauschen. Und, ganz Die Pädagogin Annette Habert gründete 2012 die Flechtwerk 2+1 gGmbH, Kinder nach der Pandemie in gewachsenen wichtig, unsere neuen Fellows zu feiern. Daraus wurde leider nichts. Wie aus so zu der die Initiative »Mein Papa kommt« gehört. Annette und ihr Team Strukturen weitergehen kann. Unser Besuchs- organisieren, dass Väter und auch Mütter aus Trennungsfamilien bei programm wurde quasi einmal umgekrempelt: vielen persönlichen Treffen. Doch Covid-19 bringt nicht nur soziale Distanz mit sich. Ehrenamtlichen übernachten können, wenn sie ihre Kinder besuchen. Alleinlebenden älteren Gastgebern haben wir die Mit einem Mal entstehen wirtschaftliche Probleme – und auch neue Ideen. Die Zusätzlich vermitteln sie für den Tag an Wochenenden freistehende unterstützende Vernetzung mit Flechtwerk-El- Räume in Kindergärten und bieten pädagogische Elternberatung zur tern an ihrem Wohnort angeboten. Inzwischen einen brauchen plötzlich Hilfe – andere wollen helfen. Die Krise setzt negative wie qualitätsvollen Umgangsgestaltung an. verweisen wir primär auf nebenan.de. positive Kräfte frei. Vor allem aber wird deutlich, wie wertvoll Netzwerke sind. Wir haben unser Angebot der pädagogischen Wochenlang war soziales Miteinander nur inner- Elternbegleitung sofort erheblich intensiviert. halb der Kernfamilie möglich – man war also Unser pädagogischer Newsletter erreicht im mit den Menschen zusammen, mit denen man Rhythmus der gängigen Umgangstermine mehr knapp 4.000 bei uns angemeldeten Kinder ihre sich eine Wohnung teilt. Was ist dein Eindruck: als 1.300 Eltern. Zusätzlich bieten wir erste digi- cosinus-Lernpakete nach Hause geschickt be- Wie erlebten getrennt lebende Familien die tale Elternabende an. Es geht um pädagogische kommen. Mithilfe der ausgedruckten Materialien Situation? Anregungen zur qualitätsvollen elterlichen Für- konnte jedes Kind die Aufgaben bearbeiten und Das Umgangsrecht des Kindes mit beiden Eltern sorge für Bindungssicherheit aus der räumlichen an seinen Wissenslücken arbeiten. Gamification- wurde durch die Ausgangsbeschränkungen nicht Distanz. Elemente sollten zur Motivation anregen und gemindert. Umgangsbesuche waren weiterhin Alle reden von Solidarität – Sozialunterneh- machten das Lernpaket attraktiver. möglich. De facto entfielen sie jedoch trotzdem mer*innen wie du leben Gemeinsinn und In eurem Arbeitsalltag setzt ihr euch für Chancen gehäuft, wenn der beim Kind lebende Elternteil Zusammenhalt schon seit Jahren, teils Jahr- und Perspektiven für Jugendliche ein. Welche sein Kind in einer Zeit erheblicher allgemeiner zehnten. Wie empfindest du den derzeitigen Chancen und Perspektiven könnt ihr seit Aus- Verunsicherung und potentiell existentieller Ge- Stimmungswandel? Und was erhoffst du dir bruch von Covid-19 erkennen? fahr ausgerechnet dem Menschen hätte anver- davon? Tausende Kinder und Jugendliche saßen zu Hause trauen müssen, zu dem er das Vertrauen verloren In der aktuellen Notlage begleiten wir unsere und bearbeiteten Schulaufgaben, die sie von ihrer hat. Bisher begleitete Umgänge entfielen eben- Zielgruppe unabhängig von wirtschaftlichem Schule erhalten hatten. Diese wurden von vielen falls, ohne dass es mit dem Kind eine angemes- Nutzen. Dies ist für eine begrenzte Zeit mög- Schulen in digitaler Form geliefert. Doch nicht sene Vorbereitung auf diesen Einschnitt gegeben lich, da wir Ende vergangenen Jahres Spenden alle Schüler*innen hatten und haben Zugriff auf hätte. Umgangsbegleiter fühlen sich bisher im erhalten haben von Menschen, die genau das PC oder WLAN. Wir sahen die Gefahr, dass für digitalen Raum einer Beziehungsgestaltung nicht wertschätzten, was nun mehr denn je gebraucht Murat Vural diese Kinder die Schere am Ende der aktuellen zuständig. wird: Erfahrungen von Verbundensein eröffnen, Situation noch ein Stückchen weiter auseinander Was bedeutete die Situation für die Kinder ge- wo bisherige Strukturen nicht mehr tragfähig »Wir wollten den gegangen sein wird. Mit cosinus@home wollten wir diesen Kindern auch weiterhin die Chan- trennt lebender Eltern? Die Kinder trifft die Umgangsunterbrechung un- sind. Ich erhoffe mir Wagemut und Vertrauen in das Potenzial solcher Krisenerfahrungen. Denn Kindern zu Hause ce geben, an ihrem Bildungserfolg zu arbeiten. Deshalb haben sie durch uns die Möglichkeit vorbereitet und ohne Möglichkeit, sich außerhalb der Familiendynamik darüber auszutauschen. Sie Systemwandel ist systemrelevant. weiterhin helfen« erhalten, auch zu Hause ihr Basiswissen mithilfe gedruckter Lernmaterialien aufzufüllen. Sie soll- sind zum Teil in großer Sorge um den anderen Elternteil: Ist Papa alleine? Ist er ansteckend? ten mit dem Lernstoff am Ball bleiben können, Darf ich den nie mehr umarmen? Traumatisie- Mit Chancenwerk e.V. setzt sich Murat Vural damit ihnen der Wiedereinstieg in den Schulall- rende Trennungserfahrungen aus der vergange- dafür ein, dass insbesondere Kinder aus bil- tag gelingt. nen Zeit der auseinanderfallenden Kernfamilie dungsfernen Familien im deutschen Bildungs- Was nimmst du für dich aus der Krise mit? werden reaktiviert. Die Erfahrung, dass ange- system bessere gesellschaftliche und berufliche Ich bin beeindruckt von der großen Hilfsbereit- sichts von Corona nichts bleibt, wie es war, löst Perspektiven haben. Aufgrund von Covid-19 schaft, die von vielen Menschen ausgeht. Wir für Kinder erhebliche Verunsicherung aus, ob, blieben Schulen wochenlang geschlossen – wel- dürfen die Alten und Schwachen unserer Gesell- wann und in welcher Weise es ein Wiedersehen che Ideen hatte und hat Murat? Wie kann man schaft in dieser schwierigen Zeit nicht allei- geben wird. Es fehlen konstruktive kindge- die Kinder weiterhin unterstützen? ne lassen. Für mich und uns als Chancenwerk rechte Handlungsmuster im Umgang mit einer gehören da auch die Schulkinder hinzu. Sie sind »Fernbeziehung« zwischen Erwachsenen und In Deutschland waren Schulen über Wochen auf unsere Unterstützung und Hilfe angewiesen. Am 27. März 2020 erschien Kindern im digitalen Raum. Zugleich hören die hinweg geschlossen, ihr konntet nicht mehr an Deshalb war es für uns sehr wichtig, dass wir ih- im Spiegel ein Interview Eltern, dass der mit dem Kind zusammenlebende nen schnell Unterstützung in Form von gedruck- mit Annette Habert: »Wie euren Partnerschulen und ChancenSCHULEN Elternteil mit der Versorgung des Kindes aktuell getrennte Eltern zu ihren tätig sein. Wie seid ihr mit der Situation umge- ten Lernmaterialien für zu Hause geben können, erheblich gefordert ist. Im Falle von Home Office Kindern jetzt am besten gangen? denn wir möchten auch weiterhin für die Kinder Kontakt halten« (zum Lesen für den Alleinerziehenden wird offensichtlich, Durch die Schulschließungen konnte auch unse- und deren Familien da sein. unten stehenden QR-Code dass das Kind dort nicht adäquat versorgt werden re Lernförderung nicht mehr stattfinden. Wir Ich erhoffe mir für die Zeit nach der Corona-Kri- scannen). kann. Das ist für den anderen Elternteil von der wollten den Kindern zu Hause aber weiterhin se, dass etwas von der Rücksichtnahme auf Mit- Ferne aus schwer zu ertragen. helfen. Deshalb haben wir binnen weniger Tage menschen und der Solidarität bleibt. In unserer Deine Organisation ermöglicht es, dass getrennt aus unserem in den Lernförderungen erfolgreich schnelllebigen Welt kann es nicht schaden, auch lebende Eltern auch über Hunderte Kilometer laufenden Lernsystem cosinus das Projekt »cosi- mal inne zu halten und sich auf wirklich wichtige Entfernung hinweg Kontakt zum Kind halten nus@home« entwickelt. Anschließend haben die Dinge zu konzentrieren und anderen zu helfen. können. Wie lässt sich das jetzt aufrechterhalten? Annette Habert 10 COVID-19 COVID-19 11
Emotionale Die Zeit (Nr. 16 / 2020, Allerdings sei angemerkt, Unterstützung 8. April 2020) veröffent- dass sich in den Text ein lichte einen Text über die paar Fehler eingeschlichen Herausforderungen, vor haben: 17.000 Unterneh- denen Sozialunternehmen mer*innen hat TEAM U nicht Mit TEAM U gründete Attila von Unruh das erste und gemeinnützige Vereine allein 2019 beraten, sondern Sozialunternehmen für Re-Start und Turnaround- durch Covid-19 stehen. Attila seit seiner Gründung. Und Beratung in Deutschland. TEAM U befähigt von Unruh kommt dort eben- wenn von Tagessätzen von Selbstständige und Unternehmer*innen, sicher falls zu Wort, vgl. »Wer hilft unter 200 Euro die Rede ist, den Helfern?« (zum Lesen ist der Stundensatz gemeint. mit Veränderungen und Krisen umzugehen und neben stehenden QR-Code bietet Unterstützung für einen erfolgreichen scannen). Neustart. Sein Ziel ist, 50 % aller Firmeninsolven- zen in Deutschland zu verhindern. Die weltweite Corona-Krise ist nicht nur eine Be- lastung fürs Gesundheitssystem – auch wirt- Was brauchen Unternehmer*innen vor allem? Und schaftlich kommen viele Unternehmer*innen wie kannst du helfen? an ihre (Existenz-) Grenzen. Wie erlebst du die Wir erwarten eine Welle von Insolvenzen kleiner Situation? Unternehmen und Selbstständiger von noch nie TEAM U unterstützt Unternehmer*innen in Krisen. da gewesenem Ausmaß. Mit TEAM U beraten Seit dem Frühjahr erleben wir einen Tsunami an und begleiten wir Unternehmer*innen – sie verzweifelten Hilferufen – von Selbstständigen, brauchen nicht nur betriebswirtschaftliche Be- Attila von Unruh Freiberuflern, kleinen und mittelständischen ratung, sondern auch emotionale Unterstützung. Unternehmen. Die Bundesregierung handelt. Das Existenzbedrohende Krisen sind eine emotionale ist vorbildlich! Allerdings hapert es an der Um- Ausnahmesituation. Als erfahrene Krisenlotsen setzung der Beschlüsse, hier braucht es gezieltere zeigen wir Wege aus der Krise auf und helfen Ein Corona-Schutzkonzept Weiterleitung der Mittel, besonders für Sozial- beim Re-Start. Wie konnte und kann GESINE da helfen? unternehmen. für Frauenhäuser Wir haben ein Corona-Schutzkonzept für Frauen- häuser entwickelt, das wir seitdem regelmäßig updaten. Seit März versuchen wir außerdem, Dass jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens körperliche Lösungen für Problemanzeigen aus der Unter- Wenn Nähe mit und / oder sexuelle Gewalt durch ihren Partner erlebt, will Marion Steffens stützungspraxis zu finden. Wir haben ein digita- nicht hinnehmen. Seit mehr als 25 Jahren unterstützt Marion mit GESINE les Tool entwickelt – eine browserbasierte App sollten sich vorerst in Selbstisolation begeben. Ärzt*innen sowie andere Gesundheitsberufe dabei, häusliche Gewalt der Post kommt –, das Frauen, die versuchen ihren gewalttätigen Viele fühlten und fühlen sich einsam. Welche frühzeitig zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. Partner zu verlassen, unterstützt. Leider fehlt Potenziale seht ihr in der Generationsbrücke, uns noch das Geld. Wir haben Hotels organi- um dem entgegenzuwirken? Sozialer Rückzug, Isolation, ein Leben mit der siert und mit den Betreibern über die Nutzung Die »Generationsbrücke Deutschland« war hier- Da die ältere Zielgruppe der Generationsbrücke Kernfamilie – all das sollte helfen, das Virus als Schutzunterkünfte verhandelt. Nach wie vor zulande das erste Sozialunternehmen, das Jung ausschließlich in Pflegeheimen lebende Men- einzudämmen. Andererseits, das wurde etwa an akquirieren wir Unterstützung, wo wir können. und Alt zusammengebracht hat. Seit mehr als schen sind, gab es aufgrund gesetzlicher Vor- Zahlen aus Wuhan deutlich, steigen in solchen Es gibt auch eine neue Webseite, auf der wir ein zehn Jahren werden regelmäßige langfristige gaben wochenlang keinerlei Möglichkeiten des Extremsituationen Fälle von häuslicher Gewalt. Hilfspaket speziell für die Situation unter Co- und gut vorbereitete Begegnungen zwischen direkten Kontakts. Deshalb haben wir die Kinder Wie siehst du das? vid-19 eingebaut haben. alten pflegebedürftigen und jungen Menschen ermutigt, ihren »neuen alten Freunden« Briefe Tatsächlich wissen wir noch nicht, wie sich die Si- So eine Krise bedeutet auch, mit verschiedenen organisiert. Gründer Horst Krumbach will damit und Postkarten zu schicken. Wenn dieser Zustand tuation entwickeln wird. Ob Männer, die nie ge- Gefühlen umgehen zu müssen – mehr als ge- ein bewusstes, gesellschaftliches Zusammen- noch lange anhält, müssen wir definitiv weitere walttätig waren, nun unter dem Stress gewalttä- wohnt. Mal ist man wütend, mal traurig, mal leben der Generationen fördern. Wege der Kommunikation finden wie virtuelle tig werden, ist noch nicht verifizierbar. Da Gewalt positiv gestimmt. Wie erging und ergeht es dir? Kontakte per Skype, zum Beispiel. Zwar können sehr stark mit gesellschaftlichen, kulturellen und Einerseits bin ich sehr, sehr berührt von der Welche Auswirkungen hatte und hat die Corona- diese den direkten Kontakt nicht ersetzen, aber politischen Rahmenbedingungen zusammen- Bereitschaft zu handeln. Der Ideenreichtum der Krise auf eure Arbeit mit Kindern und älteren den Schmerz des Vakuums lindern helfen. hängt, können wir Wuhan nicht auf Wuppertal Ashokis und von vielen, vielen anderen begeis- Menschen? Was nimmst du für dich aus dieser Krise mit? Marion Steffens übertragen. Ziemlich sicher ist allerdings: Die Si- tert mich. Andererseits bin ich entsetzt über Horst Krumbach Leider, aber auch verständlicherweise, ließ die In diesen für uns alle herausfordernden Zeiten tuation der Frauen, die von Gewalt bedroht oder politische Entwicklungen. In Nordrhein-West- Situation die üblichen Generationsbrücke-Be- werden wir ohne Solidarität kaum (über)leben betroffen sind, wird sich verschlechtern. Private falen beispielsweise wurde im März ein Hilfs- gegnungen zwischen den Kindern und pflege- können. Jede Krise birgt auch eine Chance, und Unterstützung geht wegen der sozialen Distanz- paket für von Gewalt betroffene Frauen und bedürftigen alten Menschen nicht zu, weder aus nun haben wir die Chance zu begreifen, dass nahme zurück, die Polizei wird im Quarantänefall Frauenhäuser abgelehnt. Auch für unser Tool gesetzlichen Gründen noch aus der Vernunft Solidarität keine leere Worthülse sein darf. Das eventuell keine Wegweisung des gewalttätigen wurde kein Geld bereitgestellt. Seit Wochen ver- heraus. Das ist zutiefst bedauerlich, denn die Miteinander der Sozialunternehmerinnen und Mannes durchsetzen oder erst gar keinen Einsatz bringe ich also viel Zeit mit so etwas Überflüssi- – natürlich notwendige – Schutzatmosphäre Sozialunternehmer empfinde ich schon als sehr fahren. Die Gesundheitsversorgung bricht eh gem wie Finanzakquise – obwohl Geld in Hülle für unsere Pflegeheimbewohner*innen bedingt gut. Nun aber sind auch Stiftungen, Sponsoren mehr und mehr ein – eine angemessene Ver- und Fülle da ist. Was mich täglich motiviert ist eine nahezu komplette soziale Isolation, in der und die Politik in noch größerem Maße gefragt, sorgung von Gewaltopfern wird da eher unwahr- der Gedanke, dass es in unserer Hand liegt, die Glücksmomente zwangsläufig ausbleiben. an unserem gesellschaftlich wichtigen Überleben scheinlich. Psychische Krisen werden zunehmen. Welt zu gestalten. Ältere Menschen gehören zur Risikogruppe und mitzuwirken. 12 COVID-19 COVID-19 13
Was Covid-19 mit Fellows und deren Unternehmen (ge)macht (hat) Im April haben wir unsere Fellows gefragt, wie sie mit den Folgen der Corona-Krise umgehen. Die Antworten fielen unterschiedlich aus – drei Stimmen. »Resilienz und sozial-emotionale Kompetenzen zu fördern ist von zentraler Wichtigkeit, wie wir derzeit erleben können. So viel Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme können wir gerade erleben, aber auch egoistisches Verhalten und Rücksichtslosigkeit. Die Politiker*innen, die Entscheider*innen in der Wirtschaft und in den Ministerien müssen wissen, dass es genau auf die positiven Eigen- schaften und Fähigkeiten ankommt. Und dass es mehr als wert ist, diese zu fördern und im System zu etablieren.« Raúl Krauthausen Heidi Scheer / Papilio »Ich übe auch Selbstkritik an »Erkenntnisse aus der Krise sollten wir für ein generelles Überden- 11 / 25 uns Sozialunternehmern« ken von Förderungs- und Finanzierungsgestaltung nutzen: Sozial- müssen ihre unternehmer*innen lösen von unten soziale Probleme und entwi- Organisationen Durch den täglichen Gebrauch seines Elektro-Rollstuhls kennt Raúl Krauthausen die Probleme, signifikant mit denen sich Menschen mit Gehbehinderungen im Alltag konfrontiert sehen. Seine Idee: ckeln auch in der Krise ein hohes Maß an Bewältigungsstrategien. Eine Onlinekarte, die weltweit rollstuhlgerechte Orte aufzeigt. Wheelmap.org lebt von der herunterfahren Gemeinschaft – jede*r kann mitmachen und öffentlich zugängliche Orte entsprechend ihrer Unsere medizinisch-taktilen Unter-sucherinnen in Ausbildung kön- oder sogar Rollstuhlgerechtigkeit markieren. nen den Lehrbetrieb ohne Einschränkung weiterführen, unseren temporär operativen medizinisch-taktilen Untersucherinnen können wir trotz schließen Sich physisch zu distanzieren ist seit dem Früh- Du warst auch schon vor Covid-19 in den Medien jahr für alle sehr wichtig – wie bewertest du die präsent. Bemühst du dich nun, noch lauter zu Kurzarbeit das Gehalt auf 80% aufstocken. Der Erfolg von sozial- Situation für Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind? sein? Ja. Weil wir heute auch schon an die Zeit nach unternehmerischer Kreativität wird sich hoffentlich nach Corona auch in Zahlen belegen lassen.« 21 / 25 Es ist schwer, da ein pauschales Urteil zu treffen. Corona denken sollten. Wir müssen uns fragen, sind sehr Viele Menschen mit Behinderung haben Erfah- wie wir den Sozialstaat, in dem wir alle leben, ge- Frank Hoffmann / discovering hands besorgt, dass rung mit sozialer Distanz. Dass sie wochenlang stalten wollen. Es ist höchste Zeit, um ernsthaft zuhause bleiben sollten, weil sie zur Risikogrup- über ein bedingungsloses Grundeinkommen zu es schwieriger pe gehören, war für viele keine neue Erfah- diskutieren und über eine Aufwertung der Pflege werden wird, rung. Was mich mehr umtreibt: Wir drohen, die – da reicht es nicht, applaudierend auf den Bal- in Zukunft an Schwächsten zu ignorieren. Beispiel Triage: Es konen zu stehen. Ich übe jedoch auch Selbstkritik gab Entwürfe, in denen hieß es, dass Menschen an uns Sozialunternehmern: Zu lange haben wir »Liebe Politik und liebe Gesellschaft: unterstützt uns endlich ins- Finanzierung zu In den Medien ist Raúl mit Behinderung schlechtere Chancen haben, an uns vereinzeln lassen. Wir haben uns viel zu oft titutionell! Denn nach der Krise braucht ihr uns mehr als je zuvor. kommen – weil Krauthausen sehr präsent. ein Beatmungsgerät zu kommen. Da klingelten mit Ministern fotografieren lassen, Schnittchen Selbst wenn unsere Unternehmen das laufende Jahr überleben philanthropische Die Berliner Zeitung etwa bei mir alle Alarmglocken. gegessen, alles, um die eigene Finanzierung zu Gelder für interviewte ihn im April zum Thema Covid-19, vgl. Hast du Angst, dass in dieser Ausnahmesituation sichern – dabei haben wir vergessen, zusam- werden, heißt das nicht, dass wir 2021 noch existieren werden. andere Felder die Starken gegen die Schwachen ausgespielt menzustehen, gemeinsam eine starke Stimme zu »Wir sind kein Risiko« (zum Lesen unten stehenden werden könnten? entwickeln. Wir hätten längst sagen können: Ge- Und dann wird man uns besonders dringend brauchen, da die oder kurzfristiger QR-Code scannen). Wenn der Staat Milliarden in die Wirtschaft pumpt, meinsam wollen wir dies und das, und wenn wir sozialen Probleme erst nach und nach in ihrer ganzen Breite spür- eingesetzt um dieses System aufrecht zu erhalten, dann das nicht bekommen, stellen wir unsere Dienste bar werden.« beziehungsweise können wir uns leicht ableiten, woher dieses Geld ein. Wir müssen aktivistischer werden. Aggressi- kommen wird. Es wird am Sozialstaat gespart ver auch. Rose Volz-Schmidt / wellcome insgesamt werden. Und das müssen wir verhindern. knapper werden 14 COVID-19 COVID-19 15
Schnell, schneller, nen sind ausschließlich in der Sprachstufe C1 verfügbar. Ashoka- Fellow Klaus Candussi und Walburga Fröhlich haben daher capito Changemakers United entwickelt, eine App, die helfen soll, Kommunikationsbarrieren zwischen Menschen und Organisationen abzubauen. Als Covid-19 Europa erreichte, wurde capito so umgebaut, dass nun alles Wichtige rund um die Corona-Krise in Österreich direkt Mit der Corona-Pandemie befand sich die Welt von Mit Changemakers United unterstützen Ashoka, Za- angezeigt wird – in einer leicht verständlichen Sprache. einem auf den anderen Tag inmitten dessen, was lando und weitere Partner*innen europaweit 20 Doch bei capito allein blieb es nicht. Auch die Assistenz-Vermitt- nun als »größte Krise seit dem zweiten Weltkrieg« ausgewählte Sozialunternehmer*innen aus unse- lungsplattform atempo wurde zu einem Notfall-Tool, ava heißt es. bezeichnet wird. Diese Krise betrifft nicht nur die rem Netzwerk, sogenannte Fellows, die sich in der Denn viele Menschen mit Behinderung und deren Familien frag(t) medizinische Versorgung – sie wirft auch große Corona-Krise engagieren. Zum Beispiel Ana Bella SPANIEN en sich: Was ist, wenn meine Assistenzkette reißt? Wer kann mir Mehr Masken Fragen auf: Wie bewahren wir ältere Menschen da- Estévez aus Spanien, die mit einem Peer-to-Peer- jetzt in der Krise schnell und unbürokratisch helfen? »Wir haben, vor, in der Isolation zu vereinsamen? Wie können Netzwerk weltweit Frauen dabei hilft, häuslicher damit möglichst jede*r leicht Zugang hat, den Registriervorgang wir der steigenden Anzahl von Opfern häuslicher Gewalt zu entkommen. Oder Klaus Candussi aus stark vereinfacht und stellen die Plattform in der Krise allen Ak- Gewalt helfen? Wie unterstützen wir besonders Österreich, der via App aktuelle Informationen zu Als deutlich wurde, dass Covid-19 keine einfache Grippe ist und teuren kostenfrei zur Verfügung«, sagt Klaus Candussi. »atempo schutzbedürftige Gruppen, etwa Menschen mit Be- Corona für Menschen mit Lernschwierigkeiten be- sich nicht allein auf China beschränkt, taten sich Hunderte von ist dabei übrigens eine Art Marktplatz für selbstständige Assis- hinderungen oder Geflüchtete? Schnell wird deut- reitstellt. Oder Volker Baisch aus Deutschland, der spanischen Ingenieur*innen, Tekkies und Designer*innen zu- tent*innen, für professionelle Anbieterorganisationen und de- lich: Antworten auf diese Fragen können diejenigen mit einem speziellen Online-Angebot Väter und da- sammen, um zu beratschlagen, wie man in der Krise helfen kann. ren Kundinnen und Kunden.« ava wurde zwar für österreichische geben, die sich bereits – schon vor der Corona-Kri- mit auch Familien in Zeiten des Lockdowns stärkt. Mitte März entstand daraus die Open-Source-Plattform Corona- Verhältnisse entworfen, ist aber auch überregional einsatzbereit. se – für diese Menschen eingesetzt haben: Sozial- Dank des schnellen Engagements unseres Projekt- virus Makers Forum. Ashoka-Fellow David Cuartiellies und César unternehmer*innen. partners Zalando und der großen Agilität unserer García Sáez koordinieren das Forum maßgeblich. Die Zahl derer, europäischen Kolleg*innen konnten wir Mitte April die mithelfen, steigt stetig: Mehr als 17.000 Mitglieder – über innerhalb weniger Tage ein Projektteam ins Leben verschiedene Bezirke, Städte und Stadtteile verteilt – zählt das rufen. Unsere gemeinsamen Ziele: 1. Sichtbar ma- Forum inzwischen. Per 3D-Druck werden Mundschutzmasken, chen, mit welchen Lösungen Ashoka-Fellows der Atemschutzgeräte und Kabinen für Krankenhäuser produziert. Corona-Krise begegnen. 2. Ausgewählte Fellows Der spanische Premierminister Pedro Sánchez erwähnte das Pro- dabei unterstützen, ihre Lösungen zu verbreiten. jekt in einer seiner Reden an die Nation. 3. Ein Ökosystem von Menschen aufbauen, die ge- Wer ist Teil eurer Community? meinsam mehr erreichen können als allein – united César García Sáez: »Open Source heißt ja schon, dass jede*r eben. Jetzt, Mitte Mai, während dieser Text entsteht, mitmachen kann. Und so ist es auch. Es gibt Ingenieure, Stu- haben wir die 20 teilnehmenden Fellows bereits mit dierende, Väter, Mütter, Töchter, Söhne, Leute, die in Unter- knapp 100 Unterstützer*innen aus dem Ashoka- nehmen arbeiten, Lehrpersonal, Handwerker ... Anfangs waren TÜRKEI Netzwerk zusammengebracht, die ihre Expertise, auch Ärzte aus Ländern wie Mexiko und Argentinien dabei, die ihre Kontakte oder Finanzierung beitragen möch- ten. Neben Europa haben sich nun auch Ashoka- verstehen wollten, was da auf sie zukommen wird. Im Gegen- satz zu den Ärzten in Spanien mussten sie im März noch nicht Weniger Fake News Büros in anderen Regionen auf den Weg gemacht, 24/7 arbeiten.« Untersuchungen von Medienwissenschaftlern zufolge hat die um Changemakers United lokal umzusetzen. David Cuartiellies: »Die Mitglieder unserer Community haben Verbreitung von Falschnachrichten und Verschwörungstheo- Höhepunkt des Projekts war der »Changemakers alle etwas gemein: Sie sind bereit, ihre Energie zu bündeln, rien ein bislang ungekanntes Ausmaß erreicht. Im Internet, vor United Online Summit« am 20. Mai, an dem 1400 um etwas Positives zu schaffen. Hier in Spanien durften wir allem in sozialen Netzwerken, ist beispielsweise zu lesen, dass Menschen aus fünf Kontinenten teilnahmen. Sie alle wochenlang nicht unsere Wohnungen und Häuser verlassen – Covid-19 aus dem Biowaffenlabor komme. Oder, dass der Ver- wollten die Projekte der Fellows kennenzulernen. warum nicht von Zuhause aus anderen helfen?« zehr von Knoblauch immun gegen das Virus mache. Solche Ver- Viele konkrete Unterstützungsangebote und Spen- schwörungstheorien und zweifelhaften Alltagstipps – ebenso wie den für die Fellows haben uns während des Summits Verharmlosung (das neuartige Coronavirus sei vergleichbar mit erreicht. Der indische Kinderrechts- und Bildungs- einer »herkömmlichen Grippe«) und Panikmache (zum Beispiel rechtsaktivist, Ashoka-Fellow und Friedensnobel- gefälschte und kontextentleerte Videos von extremen Hamster- preisträger Kailash Satyarthi sprach das Schluss- käufen) werden auch als Kettenbriefbotschaften über Messenger- wort unserer bislang größten Online-Konferenz. Interview auf forbes.com dienste wie WhatsApp und Telegram verbreitet. Satyarthi betonte, wie wichtig es in diesen Tagen Der Journalist und Ashoka-Fellow Mehmet Atakan Foça erkannte 1400 sei, zusammen für Menschenrechte einzustehen und über Grenzen hinweg gemeinsam an einer re- silienten, fairen und nachhaltigen Gesellschaft zu schnell die Gefahr, die – gerade in einer Krisensituation wie dieser – in solchen Falschnachrichten liegt. Bereits 2016 hat er teyit.org gegründet, eine unabhängigen Organisation, die Fakten prüft und Menschen aus arbeiten. damit Fake News widerlegt; übersetzt bedeutet teyit bestätigen, fünf Kontinenten Changemakers United hat uns, wieder einmal, die beweisen. In diesem Jahr beschloss Mehmet Atakan Foça, sich nahmen an dem Kraft unseres globalen Netzwerks gezeigt. Danke an ÖSTERREICH auch auf Falschmeldungen rund um Covid-19 zu konzentrieren. Changemakers Screenshot Online Summit alle, die Teil dieses Netzwerks sind. Was beunruhigt dich gerade am meisten? United Online Gleiches Recht »Fakten zu prüfen ist eine noch recht junge Methode. Meine größte Sorge ist, dass politische Parteien und der Staat die Summit Mitte Der deutschen LEO-Studie 2018 zufolge verstehen 60 Prozent der Methode zu ihren Gunsten ausnutzen. Fakten zu überprüfen Mai teil deutschen Bevölkerung Informationen nur bis zur Sprachstufe B1. darf jedoch nicht zu einem politischen Instrument werden, Lediglich sieben Prozent beherrschen die Sprachstufen C1 oder C2. denn das würde dem Journalismus und den Medien allgemein Das Problem: 68 Prozent der Firmen- und Behördeninformatio- schaden.« 16 COVID-19 COVID-19 17
Von Wandel und einer neuen Normalität Als die Pandemie begann, intensivierten wir den Kontakt zu unserem Netzwerk: Was braucht ihr?, fragten wir. Wie können wir helfen? Doch auch wir als Ashoka Deutschland mussten uns mit einem Mal fragen: Was brauchen wir denn eigentlich? Und was sind wir imstande zu tun? Ein Einblick in unsere Arbeit in Zeiten von Covid-19. »Während wir alle so beschäftigt damit sind, zum tik, Verwaltung und auch Presse auf die Schließung Normal zurückzukehren – vielleicht halten wir derer gedrängt. Unternehmen ohne Profitorien- kurz inne, um zu überlegen, zu welchen Teilen tierung und gemeinnützig tätigen Organisationen von Normal es sich zurückzukehren lohnt.« Es war müssen wir mindestens genauso zur Seite stehen, einer dieser Sprüche, die einem in den vergangenen wie auch der profitorientierten Wirtschaft. Weil wir Wochen im Internet begegneten. Und er blieb hän- überzeugt sind, dass wir Sozialunternehmer*innen gen. Was wäre es für dich? Wie würdest du die Frage schmerzlich vermissen würden, ließen wir sie in für dich beantworten? der Krise hängen. Und: Die Investition jetzt rechnet Werden wir gefragt, was Covid-19 und die – noch sich mit Sicherheit mehr als das wieder aufzu- so schwer abzusehenden – Folgen für Ashoka bauen, was potenziell kaputt ginge. bedeuten, gibt es Antworten auf mindestens drei International ist Ashoka an einer Allianz von 40 Ebenen. Und sie alle haben damit zu tun, zu wel- Organisationen beteiligt, die insgesamt 15.000 So- chen Teilen von Normal wir zurückkehren wollen – zialunternehmer*innen in 190 Ländern begleiten, oder besser: Welches neue Normal wir mitgestalten die wiederum 1,5 Milliarden Menschen mit ihren möchten. Leistungen erreichen – um koordinierte Mobilisie- Die erste Antwort, natürlich: Unsere akute Reaktion rung von Mitteln, guten Informationsfluss und das auf die Krise, der Blick in unser Netzwerk von So- gemeinsame (öffentlichkeitswirksame) Gespräch zialunternehmer*innen und denjenigen, mit denen über die Gestaltung einer gerechteren, nachhalti- sie arbeiten. Wer ist wie betroffen? Wer braucht gen Welt nach dieser Pandemie soll es hier gehen. Arbeitsplatz von Jana Gioia Baurmann welche Hilfe? Bei regelmäßigem Austausch im Netz- Gleichzeitig schauen wir auf Ashoka als Organisa- werk bleiben wir in dieser Zeit Sparringpartnerin tion und darauf, wie uns die Situation jetzt betrifft wo wir stehen als Organisation – in Deutschland, Im Gegenteil, denn diese Situation zeigt auch ganz und Vermittlerin, mobilisieren und verknüpfen, wo und betreffen kann. Sollten Spielräume unserer Europa und auch global – und wie wir uns auch deutlich das so kraftvolle Alleinstellungsmerkmal wir können. Partner*innen schrumpfen und Budgets für das in herausfordernden Zeiten so aufstellen, dass von Ashoka als globalem Netzwerk: Eine Ansamm- In Deutschland haben wir in enger Zusammen- nicht offensichtlich Notwendige gestrichen werden wir weiterhin gesellschaftlich wirken können auf lung außergewöhnlicher Menschen – Fellows, arbeit mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk – was macht das mit uns? Gut denkbar, dass die anspruchsvollem Niveau – das sind die Gespräche Partner*innen, Teammitglieder, Unterstützer*in- Deutschland (SEND) Bedarfe verstanden, Lücken in größere Herausforderung für uns erst noch kommt. und Umstrukturierungen, die jetzt intern passieren. nen, Multiplikator*innen und vielen mehr – und Hilfsmaßnahmen aufgedeckt und in Richtung Poli- Hier schnell in Szenarien zu denken, zu verstehen, Auch ganz praktisch hat sich unser Arbeiten natür- Ideen mit einem gemeinsamen Ziel: Probleme zu lich verändert: Teil unserer gemeinsamen Kultur ist überwinden und eine gerechte, nachhaltige Gesell- es, mit unserem ganzen Selbst zur Arbeit kommen schaft zu schaffen, in der immer mehr Menschen zu können (mehr zu New Work auf S. 77) – und aktiv mitgestalten können. wow, das hat nochmal eine neue Dimension be- Welche Möglichkeiten, welche Rolle und vielleicht kommen. Zwölf Kinder zwischen anderthalb und auch welche Verantwortung tragen wir also als 15 waren mehr oder weniger sichtbar zu Gast in Netzwerk von Vorreiter*innen gesellschaftlichen Besprechungen, wir kennen unsere Wohnzimmer Wandels? Wie geht die Balance, jetzt besonders auf und Mitbewohner*innen. Ist das immer leicht? systemische Missstände hinzuweisen, beispiels- Nein, keineswegs. Sind wir ein bisschen verrückt, weise im Bereich Bildungs(un)gerechtigkeit, und trotzdem Tempo halten zu wollen? Vielleicht. Wir gleichzeitig konzertiert und so konstruktiv laut wie wissen jetzt mehr denn je zu schätzen, welche möglich auf Aus- und Lösungswege hinzuweisen? Teamkultur wir uns erarbeitet haben: Uns immer Welche Türen sind jetzt vielleicht schneller geöff- wieder herauszufordern und auch nachsichtig zu net als sie es bislang waren? Wie gelingt es uns, in sein. Uns zu unterstützen, aufzubauen, Tiefs sicht- unsicheren Zeiten andere trotzdem zu motivieren, bar sein zu lassen und Hochs miteinander zu feiern. selbst aktiver Teil von Wandel zu sein? Gerade in Zeiten wie diesen trägt uns das und lässt In den kommenden Monaten sind wir gefragt – alle uns effektiv bleiben. miteinander: Unsere Perspektiven zu bündeln, den Eines aber fehlt uns allen sehr: Der persönliche Blick über das eigene Tun, die eigene Organisation Kontakt. Unsere DNA sind persönliche Beziehun- hinaus zu weiten, Netzwerke zusammen zu span- gen. Wie geht Netzwerken ohne Netzwerke, wie be- nen und miteinander Wirkungsvolles umzusetzen. rührt man, ohne zu berühren und begeistert, ohne Immer mit dem Blick auf die Frage: Zu welchem live zu erleben? Was uns bestärkt: Das Feedback Normal wollen wir voran gehen? unserer Partner*innen und Unterstützer*innen. Es Dieser Blick ist einer, der Freude bereitet und Lust zeigt sich, wie sehr vertrauensvolle Beziehungen auf Gestalten macht. Auch im Angesicht großer tragen und wie krisenfest gemeinsame Ziele sind. Herausforderungen bleibt er ein optimistischer, ein Das ermutigt uns, auch in dieser Zeit dranzubleiben unternehmerischer, einer, der sagt: Wandel geht. Schreibtisch von Julia Kloiber und nicht stillzustehen. Wandel geht gemeinsam. Jetzt erst recht. 18 COVID-19 COVID-19 19
Wie erging / ergeht Laura Haverkamp es dem Team? Eigentlich sollte im April unser Ashoka-Fest statt- Home Office war bislang (und wenn überhaupt) für finden. Wir steckten mitten in der Planung, als sich viele Arbeitgeber ein Mittel, den Job attraktiver zu »Bin ich zufrieden mit dem Status quo? abzeichnete, dass größere Veranstaltungen wegen machen. Seit Corona ist das Heimbüro für die meis- COVID-19 wohl abgesagt werden müssen. Aus ten zu einer Notwendigkeit geworden. Unser Team In meinem ersten Job habe ich mal gelernt, dass man nach zwei Nein. Wir haben noch immer so Verantwortung gegenüber unserem Netzwerk und arbeitete schon vor diesem Ausnahmezustand von Jahren anfangen kann, sich nach etwas Neuem umzuschauen. viel zu tun: Dafür zu werben, mehr unseren Mitmenschen, haben wir verhältnismäßig zuhause aus, oder anders gesagt: Jede*r arbeitet Nach drei Jahren sollte man das, nach vier Jahren muss man. Ich früh beschlossen, kein Risiko einzugehen und das dort, wo es ihm oder ihr am besten gefällt. Heu- bin jetzt im neunten Jahr bei Ashoka und nach wie vor überzeugt Orientierung an gesellschaftlicher Fest zu verschieben. Da es uns wichtig war, trotz- te Morgen habe ich im Deutschlandfunk Christian von unserem Ziel: Eine Welt, in der immer mehr Menschen die Wirkung zu wagen« dem in engem Kontakt und Austausch mit unserem Ernst zugehört, er ist Professor an der Technischen Fähigkeiten und Möglichkeiten haben, gesellschaftlichen Wandel Netzwerk zu bleiben und unsere neuen Fellows Hochschule Köln. Ernst und sein Team haben im in Richtung einer nachhaltigen, fairen, menschlichen Welt mit- vorzustellen, haben wir ein Online-Meeting orga- April eine Ad-hoc-Studie durchgeführt, die Frage: zugestalten. nisiert. 63 Personen haben daran teilgenommen Wie zufrieden und produktiv ist man zuhause Gut zwanzig Ashoka-Fellows habe ich durch den Auswahlprozess mer so viel zu tun: Dafür zu werben, mehr Orientierung an gesell- und in sieben Workshops miteinander aktuelle arbeitend eigentlich? Ein paar der Ergebnisse ent- begleiten dürfen. Sie und alle anderen Fellows begeistern mich schaftlicher Wirkung zu wagen. Diese noch besser zu beschreiben Themen besprochen und an neuen Konzepten sprechen meiner eigenen Wahrnehmung, so zum zutiefst: Ihre unternehmerische Kraft, das nicht Zufriedensein und zu kommunizieren. Transparenz zu leben. Förderung weg zu getüftelt. Es war schön, viele bekannte, aber auch Beispiel, dass fast die Hälfte der Befragten angab, mit aktuellen Umständen, ihre Kreativität und der positive Blick entwickeln von Einzelprojekten hin zu Initiativen, die systemisch neue Gesichter zu sehen, und sich gemeinsam aus- nun mehr zu schaffen. Ich muss jedoch auch sagen, nach vorn. Ich habe das Netzwerk der Fellows koordiniert und das etwas verändern können. Einen Innovationsbegriff zu prägen, der zutauschen. Trotz der tollen Online-Runde freuen dass sich notwendiges Home Office anders anfühlt der Unterstützer*innen, habe zwischendurch zwei Kinder be- gesellschaftliche Innovationen eindeutig (und gleichwertig) ein- wir uns aber ungemein darauf, alle bald offline als freiwilliges – schlechter, leider. Dadurch, dass kommen (und gemerkt, wie sehr man auch als Unternehmen Vor- bezieht – und die entsprechende Infrastruktur dafür aufzubauen. wiederzusehen. mein Sohn nicht in den Kindergarten gehen kann bild für Vereinbarkeit sein kann) und fun- Noch bessere Brücken zwischen Sozial- und auch mein Partner von zuhause aus arbeiten giere jetzt an der Schnittstelle von Ashoka unternehmer*innen und klassischer Wirt- Julia Kloiber muss, wird das Heimbüro an vielen Tagen zu einer und dem Social Entrepreneurship Netz- schaft (die ja große Transformationsauf- Zerreißprobe. Dass man ausschließlich telefoniert, werk Deutschland, kurz SEND. Die Frage, gaben vor sich hat), Philanthropie, Politik Emails schreibt und sich mit den Kolleg*innen in Vi- die mich vor allem umtreibt seitdem: Wie und Verwaltung zu bauen, um noch stärker deokonferenzen trifft, macht die Sache nicht besser. schaffen wir miteinander ein Umfeld, in entlang gemeinsamer Ziele aktiv zu werden. Seit Covid-19 unser aller Alltag beherrscht und ja, Schmunzeln musste ich, als Christian Ernst sagte, dem soziale Innovationen entstehen und Und dann steht über alldem die Überzeu- auch beschränkt, arbeiten wir alle von zuhause dass viele Unternehmen – wenn Corona irgend- erfolgreich gemacht werden können? gung, dass wir – wollen wir unsere Zu- aus. Und so belastend die Situation oftmals ist: Ich wann vorbei sein wird – »ihre Hausaufgaben ma- Wenn ich Ashoka beschreiben muss, ver- kunftsfähigkeit stärken – in unserer kom- merke, wie sehr wir uns als Team unterstützen und chen müssen«. Hybrides Arbeiten sei die Zukunft, stehe ich uns im besten Sinne als eine plexen und sehr vernetzen Welt immer als Netzwerk zusammenstehen. Und es gibt diese also eine Mischung aus Tagen im Home Office Plattform. Oder, noch bildlicher gespro- mehr Menschen stark machen müssen, Momente, in denen ich zum Briefkasten gehe und und Tagen im Unternehmen. Ashoka Deutschland chen: Als ein Boden, auf dem man tanzen sich nicht nur zurechtzufinden, sondern eine Karte des Teams vorfinde. Einfach so. In die- hat die Hausaufgaben längst erledigt. Vor Corona kann. Wir finden, begleiten, vernetzen. aktiv zu gestalten. Mit Empathie, der Fä- sen Momenten fühle ich mich nicht mehr einsam habe ich zwei Tage in der Woche von zuhause aus Und verändern gemeinsam. Wir mögen, higkeit in unterschiedlichsten Teams zu und bin froh, ein Teil eines Teams von Weltverb- gearbeitet – an den restlichen Tagen saß ich im wenn Menschen sich nicht nur zuständig arbeiten und dem (Selbst-) Bewusstsein, esser*innen zu sein. Berliner Büro. Ich freue mich schon sehr darauf, die fühlen, sondern auch machen; wenn wir etwas verändern zu können. Um das zu Kolleg*innen endlich wieder live zu sehen. miteinander um Lösungen ringen; wenn wir Weiterentwicklung schaffen, brauchen wir Vorbilder wie die Sozialunternehmer*in- Anne Korinth in den Fokus stellen. Was mich an Ashoka motiviert, ist, dass wir nen – und wir brauchen viele, die sich anstecken lassen und mit- Jana Gioia Baurmann nie stillstehen und uns immer wieder hinterfragen: Schaffen wir wirken. Und wir brauchen neue Wege der (Selbst-) Führung und (noch) Wert? Braucht es uns (noch)? Dass wir im Kern unseres Zusammenarbeit: Weg vom Ego. Hin zum Zuhören, zum Verbin- Tuns schlank und schlagkräftig bleiben und im besten Sinne eines den und Vermitteln. Veränderung fängt am Ende eben doch bei Inkubators immer wieder Initiativen entwickeln, starten, voran- einem selbst an. Und große Veränderungen schafft keine*r allein. treiben und loslassen. Und so Stück für Stück Hürden für die Ver- Und dann sind wir wieder beim Boden, auf dem man tanzen kann. breitung wirkungsvoller sozialer Innovationen abzubauen. Mit Ashoka immer wieder neue Wege zu gehen und stets lernen zu Bin ich zufrieden mit dem Status quo? Nein. Wir haben noch im- können, erfüllt mich nach wie vor mit Freude. SOZIALE INNOVATION Umfassen neue soziale Praktiken (Verhaltens- änderungen) und Organisationsmodelle. Das Ziel: Tragfähige und nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen unserer Gesellschaft zu finden. Beispiele für soziale Innovationen: Ein- führung der Sozialversicherung (1880er Jahre), Mikrokredite (1980er Jahre) oder Open University Schreibtisch von Katharina Hinze (2000er Jahre). 20 COVID-19 AUS DEM TEAM 21
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