Patricia Brück Gebärdensprachdolmetschen im universitären Bereich - VÖGS März 2015
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Gebärdensprachdolmetschen im universitären Bereich Patricia Brück VÖGS März 2015
Allgemeines Gebärdensprachdolmetschen • ÖGSDV *1998 • Nach WFD Kongress 1995 • ~ 130 geprüfte Dolmetscher • Ausbildung • BA oder MA an der Universität Graz (Zweitsprache neben einer ersten Lautsprache) • GESDO – 3 jährige Vollausbildung in Linz • AFL – 1,5 Jahre Wochenendseminare und Praktika (für ÖGS kompetente hörende StudentInnen) + Berufseignungsprüfung
Dolmetschverfügbarkeit Berufstätigkeit (nach Bedarf) Privatleben (2.720-2.800 €/y) Primar/Sekundarbereich (sehr eingeschränkt) Universität/HS: GESTU (Wien) • ~13 Deaf students • Information center for students using SL • Support for Deaf/HH students
Der Dolmetschprozess Eigentlich 5 zeitlich parallel ablaufende Schritte: Aufnahme des Textes in Quellsprache Analyse des Textes Dekodierung der Botschaft (Entfernen der Form) Formulierung in der Zielsprache (Komposition) Kontrolle des Ergebnisses
Der Dolmetschprozess ANALYSE KOMPOSITION Nachricht in Nachricht Nachricht in Quellsprache (Visualisierung) Zielsprache Kontext Kontext Sprecher Prozesstechnik Prozesstechnik Zuhörer/ Prozesssteuerung Prozesssteuerung Zuseher Sprachkompetenz Sprachkompetenz Kulturwissen Kulturwissen Hintergrundwissen Hintergrundwissen Vorbereitung Vorbereitung Situation Situation Filter Filter
Dolmetschen bedeutet also GLEICHZEITIG Hören/Sehen Verstehen Sinn herausnehmen (Vokabel und Grammatik wegnehmen!) In die Zielsprache formulieren Sich selbst kontrollieren Verständnis beim Kunden kontrollieren Quellsprache merken
Warum Teamdolmetschung? Physische und psychische Belastung • Gefahr von RMI (Repetitive Movement Injury) Aufmerksamkeitsspanne: ca. 20 min. • Konstant steigende Fehlerrate nach 30 Min. durchgehendem Dolmetschen (Vidal 1997) Grafiken/Bilder an der Leinwand (hinter der produzierenden Dolmetscherin) Buchstabieren von Eigennamen/Zahlen Monitoring und Korrektur/Einsagen Unterstützung und Management der Umgebungsstörungen
Definitionen (Hoza 2010) Aktive/r DolmetscherIn/Ko-DolmetscherIn ‘Verstehen’ (Ver) = Botschaft verstehen, ‘Vorstellen' (Vor) = mentales Bild erzeugen, ‘Formulieren' (F) = Botschaft in der Zielsprache formulieren Teamdolmetschen unabhängig überwachend zusammenarbeitend
Dolmetschen auf der Uni: Probleme beim Vortrag Redner (Napier et al 2006) • Meist keine rhetorische Ausbildung • Viele non-native Speakers • Text wird gelesen, nicht frei gesprochen => sehr schnell Stark strukturierte Fachtexte (monologisch) • e.g. Molekularbiologie, Französische Literatur • Drucktexte: längere Sätze, komplexer, weniger redundant als gesprochender Text • Fachvokabular • Eigennamen, die die Dolmetscher nicht kennen
Dolmetschen auf der Uni: Gehörlose StudentInnen Mangel an Hintergrundwissen (Bildung!) • Prozesswissen • Allgemeinbildung Zum Teil geringere Sprachkenntnisse • in Schriftsprache • in Gebärdensprache
Dolmetschen auf der Uni: Rahmenbedingungen Platzmangel in den Hörsälen • Positionierung, Augenkontakt Lautstärke der Redner zu gering • Hintergrundgeräusche • Schlechte Qualität der Technischen Ausstattung Kein/wenig Vorbereitungsmaterial Keine visuelle Unterstützung • Vorlesung ohne Präsentation Mangel an Fachvokabular in ÖGS • Buchstabieren unbekannter Wörter
Studie Teamdolmetschen (Brück 2011) TeilnehmerInnen von GESTU • 8 gehörlose StudentInnen/8 DolmetscherInnen Methode • Interviews mit offenen Fragen (ÖGS, Deutsch) • Auswertung der Antworten (Farb Kode) • Auswertung in einer Tabelle
n=8 0 1 2 3 4 5 6 1 tardiness 1 low motivation 2 clothing with patterns personal 1 low neckline 1 big jewelry 5 dissimilar signing 2 change of rhythm 1 different syntax 1 different handshapes 3 difference in quality 1 summing up competence 2 loss of thread 1 long pauses for processing 1 D must adapt to interpreter 3 two interpreters 2 different attitudes 1 complaining 1 lack of neutrality attitude 2 competition/conflict 2 interpreters talking 1 breaking of eye contact Störungen Teamdolmetschen I GL Studie Teamdolmetschen
0 1 2 3 5 6 7 4 3 slow switching 1 premature switching 1 two interp in small room 1 too much feeding clarification from speaker 1 1 fingerspelling team work monitoring interpreter 6 leaving room 1 doing other things 1 lack of preparation 1 lack of info on setting n=8 Studie Teamdolmetschen Modell der Teamarbeit Störungen Teamdolmetschen II GL Unabhängiges
0 1 2 3 4 5 6 8 9 7 Charakter Fitness Aussehen Kompetenz Persönliches Einstellung Dolmetschen Einstellung Team Einstellung gl Kunde Wechsel Kontrolle Unterstützung, Einsagen Teamarbeit Zusammenarbeit Vor- und Nachbereitung Vergleich nach Kategorien Logistik Logistik GL Dolmetscher Vergleich GL und Dolmetscherinnen Studie Teamdolmetschen Störungen Teamdolmetschen III
1 2 3 4 5 6 7 0 1 motivation 1 similar character personal 1 fitness 1 matching clothing 1 balanced performance 1 knowledge of topic competence 1 no involvement of D for signs attitude 2 knowledge of teamer 5 smooth/regular switching 2 monitoring 6 mutual support 3 feeding 1 visual orientation 2 unobtrusive communication team work uninterrupted interpretation 2 (support) 2 taking feed 1 consult Erfolgreiche Teamarbeit GL 1 pre session Studie Teamdolmetschen 1 note taking/discussion
0 1 2 3 4 5 2 punctuality 1 balanced competence personal 2 non-verbal communication 1 shared concept of interpreting 4 mutual trust 3 regular teaming attitude 1 attentiveness 2 good terms 3 agreement on switching 3 smooth switching 2 shared lexicon/spatial arrangement team work 2 active collaboration 3 team preparation Erfolgreiche Teamarbeit D Studie Teamdolmetschen
Studie Teamdolmetschen Zitate aus den Interviews “Ich habe einer Dolmetscherin schon einige Zeit zugeschaut und mich praktisch an ihren Stil gewöhnt. Nach dem Wechsel gebärdet die zweite Dolmetscherin ganz anders, was ihren Stil betrifft oder auch welche Gebärden sie verwendet. Am Anfang ist es sehr schwierig die “neue" Dolmetscherin zu verstehen. Ich brauche eine Zeit, bis ich mich an ihren Stil gewöhnt habe. Aber dann ist wieder ein Wechsel und alles beginnt von neuem. Für mich wäre es besser, nur eine Dolmetscherin zu haben. Oder zwei Dolmetscherinnen, die wirklich gut aufeinander abgestimmt sind und denselben Stil haben, diesselben Gebärden verwenden, damit ich sie besser verstehe.” “Ich habe überwachende Dolmetscherinnen korrigieren gesehen. Aber es ist nicht sicher, dass die produzierende Dolmetscherin den Feed nehmen kann, manchmal kommt der Feed zu spät und kann nicht mehr eingebaut werden. Er kann nicht verwendet werden. Ich habe schon gesehen, dass Dolmetscherinnen die fehlende Information nicht mehr am richtigen Platz einfügen konnten. Nicht oft, aber es kommt vor.”
Studie Teamdolmetschen Zusammenfassung GL Gehörlose Kunden wünschen sich • Gute Teams (Zusammensetzung, Harmonie) • Gut vorbereitete Teams (Thema, Dolmetschsituation) • Eingespielte Teams (Zusammenarbeit) • Gute Qualität der Zielsprache • Elegantes Auftreten • Unauffällige DolmetscherInnen • Ungestörtes Aufnehmen der Botschaft
Studie Teamdolmetschen Zusammenfassung D DolmetscherInnen kennen • Problem der fehlenden Homogenität DolmetscherInnen wollen • Gutes Teamklima (Konzentration auf die Arbeit) • Gute Beziehungen zur/m Teampartner, um nicht Energie an den Teamprozess zu verlieren • Regelmässige Teampartner • Zusammenarbeit, Unterstützung, Einsagen, gemeinsame Vorbereitung DolmetscherInnen klagen über • fehlende Nachbereitung (Zeit- und Energiemangel)
Studie Teamdolmetschen Vorschläge für GL Wahl der Dolmetscherinnen-Teams • Teamarbeit/Vertrauen • Harmonie in der Produktion • Hintergrundwissen Vorbereitung der Dolmetscherinnen • Fachvokabular • Fachtexte Feedback und Nachbereitung
Studie Teamdolmetschen Vorschläge für D Regelmäßige (Team)supervisionen Versuchen, zu einem Dolmetscher zu werden Während der Dolmetschung Probleme mitschreiben Nachbereitung der Dolmetschung Mit den regelmäßigen TeampartnerInnen üben!
Literatur Brück, Patricia (2011) Austrian Perspectives of Team Interpreting. The Views of Deaf University Students and their Sign Language Interpreters, unpublished MA thesis, EuMaSLI, Magdeburg: University of Applied Sciences Magdeburg – Stendal, http://www.dolmetschserviceplus.at/sites/default/files/Patricia Brück_MA_Teaminterpreting%20complete.pdf. Brück, Patricia (2012) “Power and Responsibility in Interpreting Situations. The Views of Austrian Deaf Customers”, Presented at the 20th efsli conference in Vienna, Austria, 14th – 16th September 2012, http://www.dolmetschserviceplus.at/sites/default/files/BrueckPatricia_Power %20and%20Responsibility%20in%20Interpreting%20Situations%20final.pdf. Hoza, Jack (2010) Team interpreting as collaboration and interdependence. Alexandria, VA: Registry of Interpreters for the Deaf, Inc. Napier, Jemina, Locker McKee, Rachel, and Goswell, Della (2006) Sign language interpreting: theory and practice in Australia and New Zealand. Annandale/Leichhardt: The Federations Press. Vidal, Mirta (1997) “New study on fatigue confirms need for working in teams”. Proteus, Winter 1997 Vol VI, No 1, 1,4-8.
Kontakt Patricia Brück patricia.brueck@dolmetschserviceplus.at http://www.dolmetschserviceplus.at DolmetschServicePlus
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