PENSIONSSPLITTING IN ÖSTERREICH - EIN INSTRUMENT DER GLEICHSTELLUNG? - JKU ePUB
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Eingereicht von Katharina Hofmann Angefertigt am Institut für Legal Gender Studies Beurteiler / Beurteilerin Univ.-Prov.in Dr.in Silvia Ulrich PENSIONSSPLITTING Mitbetreuung Mag.a Dr.in Karin IN ÖSTERREICH – EIN Neuwirth Mai, 2021 INSTRUMENT DER GLEICHSTELLUNG? Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Ort, Datum Unterschrift 2
Inhaltsverzeichnis I. Einleitung .............................................................................................................................. 7 II. Altersarmut von Frauen ........................................................................................................ 8 A. Entwicklung in den letzten Jahrzehnten ................................................................................ 9 B. Status quo .......................................................................................................................... 11 C. Ursachen ............................................................................................................................ 14 1. Erwerbsunterbrechungen und Wiedereinstieg .................................................................... 15 2. Teilzeitarbeit und prekäre Arbeitsbedingungen ................................................................... 15 3. Gender Pay Gap ................................................................................................................. 16 III. Pensionssplitting ................................................................................................................. 17 A. Entstehungsgeschichte ....................................................................................................... 17 B. Modelle ............................................................................................................................... 18 1. Das freiwillige Splitting ........................................................................................................ 19 2. Das obligatorische Splitting ................................................................................................. 19 3. Partnerschaft als Voraussetzung ........................................................................................ 20 4. Gemeinsame Kinder als Voraussetzung ............................................................................. 20 IV. Pensionssplitting in Österreich ............................................................................................ 21 A. Intention der Gesetzgebung ................................................................................................ 21 1. Paradigmenwechsel ........................................................................................................... 22 2. Regierungsprogramm 2003 ................................................................................................ 22 B. Stammfassung .................................................................................................................... 23 C. Novellierung........................................................................................................................ 23 D. Geltende Rechtslage .......................................................................................................... 24 E. Kritik an der geltenden Rechtslage ..................................................................................... 25 V. Exkurs: Rentensplitting in der Schweiz ............................................................................... 26 A. Altersarmut in der Schweiz ................................................................................................. 27 B. Das Schweizer Rentensystem ............................................................................................ 28 1. Die drei Säulen ................................................................................................................... 28 a) Die erste Säule ................................................................................................................... 29 b) Die zweite Säule ................................................................................................................. 30 c) Die dritte Säule ................................................................................................................... 30 2. Das Splitting im AHVG ........................................................................................................ 31 3. Das Splitting in der beruflichen Vorsorge ............................................................................ 31 4. Kritische Betrachtung .......................................................................................................... 32 VI. Reformdebatte in Österreich ............................................................................................... 33 3
A. Geringe praktische Bedeutung der geltenden Rechtslage .................................................. 34 B. Der Weg hin zum automatischen Splitting........................................................................... 35 1. Regierungsperiode 2017-2019............................................................................................ 35 2. Regierungsprogramm 2020-2024 ....................................................................................... 36 C. Wie könnte eine neue Regelung aussehen? ....................................................................... 37 VII. Das automatische Splitting als wichtiger Schritt am Weg zur Gleichstellung ....................... 39 A. Kritikpunkte ......................................................................................................................... 39 B. Warum das Splitting trotzdem notwendig ist ....................................................................... 41 VIII. Zusammenfassung ............................................................................................................. 43 4
Abkürzungsverzeichnis A = Antrag ABGB = Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Abs = Absatz AHV = Alters- und Hinterlassenenversicherung AHVG = Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung APG = Allgemeines Pensionsgesetz Art = Artikel ASVG = Allgemeines Sozialversicherungsgesetz ATSG = Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts BDG = Beamten-Dienstrechtsgesetz BGBL = Bundesgesetzblatt BFS = Bundesamt für Statistik BlgNR = Beilage zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrats BMNT = Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus BSV = Bundesamt für Sozialversicherungen BSVG = Bauern-Sozialversicherungsgesetz BV = Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft BVG = Bundesgesetz über die berufliche Alters-. Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge B-VG = Bundes-Verfassungsgesetz BVV 3 = Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeeinrichtungen bzw = beziehungsweise ca = circa E = Entschließung ECHP = European Community Household Panel ErläutRV = Erläuterungen zur Regierungsvorlage EU = Europäische Union EU-SILC = European Community Statistics on Income and Living Conditions FZG = Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge GGP = Gender Gap in Pensions GP = Gesetzesperiode GPG = Gender Pay Gap GSVG = Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz Hrsg = Herausgeber 5
idgF = in der geltenden Fassung idF = in der Fassung IHS = Institut für Höhere Studien iVm = in Verbindung mit MschG = Mutterschutzgesetz PK = Parlamentskorrespondenz RdW = Recht der Wirtschaft (Zeitschrift) SozSi = Soziale Sicherheit (Zeitschrift) SR = Systematische Rechtssammlung SVÄG = Sozialbersicherungs-Änderungsgesetz vgl = vergleiche VKG = Väter-Karenzgesetz WrZ = Wiener Zeitung WuG = Wirtschaft und Gesellschaft (Zeitschrift) ZAS = Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht zB = zum Beispiel ZGB = Schweizerisches Zivilgesetzbuch 6
I. Einleitung Als vor einiger Zeit in einer Runde von Frauen das Thema auf die zu erwartenden Pensionsbezüge kam, wurde sofort deutlich merkbar, dass es fast allen der anwesenden Frauen unangenehm war, sowohl darüber zu sprechen, als auch sich damit auseinander zu setzen. Sofort argumentierten einige, sie seien noch zu jung, um sich darüber Gedanken zu machen. In der Gruppe waren zwar durchwegs gut ausgebildete Frauen, die wenigsten von ihnen hatten bis dato aber einen normalen Erwerbsverlauf vorzuweisen. Nach teilweise längeren Studienzeiten hatten die meisten Kinder und auf Grund dessen ihre Erwerbstätigkeit zumindest vorübergehend aufgegeben oder stark eingeschränkt. Es stellte sich heraus, dass kaum eine wirklich gut über das geltende Pensionsrecht informiert war. Dass die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern nach wie vor relativ groß ist, wird zumindest einmal jährlich zum Equal Pay Day von den Medien aufgegriffen und ist allgemein bekannt. Dass der Unterschied in den Pensionen – die Bruttodurchschnittspension 2018 belief sich für Frauen auf 982 Euro für Männer auf 1953 Euro monatlich -1 noch größer ist, spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle. Als eine der Frauen erzählte, sie hätte einen Artikel über Pensionssplitting gelesen, konnte niemand mit diesem Begriff etwas anfangen. Auch ich wusste nicht, dass es dieses Institut, das mir zwar aus Ländern wie Deutschland und der Schweiz bekannt war, in Österreich schon eine Weile gibt. Angeregt durch die politische Diskussion, die sich auch in der mehrfachen Befassung mit dem Thema Pensionssplitting im Regierungsprogramm 2020-2024 widerspiegelt, möchte ich in meiner Arbeit, ausgehend von einer kurzen Analyse der Entwicklung und der Ursachen von Altersarmut von Frauen, einen tieferen Einblick in die verschiedenen Möglichkeiten des Splittings geben und die momentan geltende Rechtslage erläutern und kritisch betrachten. Des Weiteren soll ein Exkurs ins Schweizer Rentensystem, ein System in dem vor allem die staatliche Rente zwischen Männern und Frauen kaum Höhenunterschiede aufweist, zeigen, wie sich diese Art des Rentensplittings auf Altersarmut von Frauen sowie generell auf deren Lebensentwürfe auch in Bezug auf andere Gleichstellungskriterien auswirken kann. 1 Vgl Statistik Austria, Gender-Statistik Pensionen, https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/genderstatistik/pensionen/index.html# Top (abgefragt am 20.11.2020). 7
Da es sich beim Sozialrecht, zu dem auch das Pensionsrecht zu zählen ist, um vergleichsweise junges Recht handelt, wird auch von politischer Seite ein Rechtsvergleich mit Staaten, die bereits länger Erfahrung mit vergleichbaren Rechtsinstituten haben, stets angestrebt, um auf Grund bereits vorhandener Daten effektivere Regeln bereitstellen zu können.2 So ließ auch Minister Anschober Anfang des Jahres 2020 wissen, dass er sich vor allem das Schweizer Modell näher ansehen wolle.3 Gestützt auf die Reformüberlegungen der letzten Jahre möchte ich versuchen, mögliche Lösungen herauszuarbeiten und darlegen, warum ein verbindliches Splitting von Pensionsanwartschaften trotz berechtigter Kritik ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung ist. II. Altersarmut von Frauen Um die Notwendigkeit der Debatte über das Pensionssplitting zu verstehen, ist es wichtig, zuerst aufzuzeigen, dass Armut nach wie vor einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung Österreichs trifft und – wie noch dargelegt wird - Frauen wesentlich häufiger betroffen sind als Männer. Da der Sozialstaat über diverse Instrumentarien verfügt, um in Notlagen finanzielle Hilfe zu gewähren, geht es heute weitgehend nicht mehr um ein Armutsverständnis im elementarsten Sinn, sprich um die Unmöglichkeit, Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel zu decken. Vielmehr haben sich in der wissenschaftlichen Armutsforschung verschiedene Systeme herausgebildet, die Armut in ihrer Multidimensionalität begreifen wollen und auch nicht-materiellen Ressourcen hohe Bedeutung beimessen. Der Begriff der sozialen Ausgrenzung soll dieser Verschränkung der unterschiedlichen Faktoren wie Zugang zum Arbeitsmarkt oder auch zu bestimmten Gütern und Sozialleistungen sowie finanziellen Mitteln mehr gerecht werden und wird auch in der politischen Debatte gerne verwendet.4 Die folgenden Überlegungen stellen in erste Linie auf die Betrachtung von finanzieller Armut aufgrund von geringer Pension ab, die Ursachen berühren aber natürlich auch andere Faktoren wie zB den Zugang zum Arbeitsmarkt oder zu ausreichender Kinderbetreuung. 2 Vgl Jaenecke, Gesetzliche Grundlagen der Hinterbliebenenversicherung im europäischen Rechtsvergleich (2011) 33. 3 Vgl Redaktion, Pensionssplitting: Anschober will internationale Modelle anschauen, Kurier, 21.01.2020, https://kurier.at/politik/inland/pensionssplitting-anschober-will-internationale-modelle-anschauen/400732113 (abgefragt am 20.11.2020). 4 Vgl Eiffe, Konzepte der Armut im europäischen Kontext – ein geschichtlicher Überblick, in Dimmel/Schenk/Stelzer- Orthofer (Hrsg), Handbuch Armut in Österreich (2014) 100 (106). 8
Generell kann man sagen, dass sich in Österreich, wo das Pensionssystem auf männliche Erwerbsverläufe zugeschnitten ist, prekäre Arbeitsbedingungen, finanzielle und ökonomische Abhängigkeit und Unsicherheit während des Erwerbslebens - Umstände, die nach wie vor die Realität vieler Frauen prägen - besonders stark auf die finanzielle Situation im Alter niederschlagen.5 A. Entwicklung in den letzten Jahrzehnten Historisch betrachtet entstanden in Österreich bereits Ende des 19. Jahrhunderts für einzelne Berufsgruppen und staatlich Bedienstete Systeme der Altersversorgung, wobei Alter zunächst als Sondertatbestand der Invalidität galt.6 Eine materielle Absicherung älterer Menschen nach der Erwerbstätigkeit stand dann im Mittelpunkt der sozialpolitischen Überlegungen des 20. Jahrhunderts, diese gipfelten im 1955 beschlossenen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz.7 Die Altersabsicherung der verheirateten Frau war bis in die 1970er Jahre dem herrschenden familienrechtlichen Rollenbild unterworfen, das im Kern noch auf Regelungen des ABGB in seiner Stammfassung aus dem Jahr 18118 zurückging. Dieses stellte die Familie als gesellschaftliches Normalkonstrukt des Zusammenlebens in den Mittelpunkt der Diskussion und beruhte auf der Annahme, dass der Mann als deren Oberhaupt, Entscheidungsgewalt in allen Lebensbereichen gegenüber der Frau und den Kindern auszuüben berechtigt war und so beispielsweise auch der Frau verbieten konnte, einem Beruf nachzugehen. Er selbst war im Gegenzug verpflichtet, für den Unterhalt aller Familienmitglieder aufzukommen, die Frau war somit in vielen Fällen sowohl in jungen Jahren als auch im Alter vom Mann finanziell abhängig. Bei dessen Tod blieb ihr ein von ihm und seinem Gehalt abgeleiteter Anspruch auf Witwenpension.9 Konkrete Reformüberlegungen wurden vor allem von Frauen vorangetrieben, so brachten die Abgeordneten Adelheid Popp und Gabriele Proft bereits im Jahr 1925 einen Initiativantrag ein, der 5 Vgl Angel/Kolland, Armut und soziale Benachteiligung im Alter, in Verwiebe (Hrsg), Armut in Österreich (2011) 185 (203); Schlager, Soziale Ungleichheit und Armut aus Geschlechterperspektive, in Dimmel/Schenk/Stelzer-Orthofer (Hrsg), Handbuch Armut in Österreich (2014) 158 (159). 6 Vgl Diethart, Armut im Alter, in Knapp (Hrsg), Armut, Gesellschaft und Soziale Arbeit (2008) 568; Amann, Ist ein neuer Sozialvertrag denkbar? Überlegungen aus gerontologischer Interessiertheit, in Amann (Hrsg), Kurswechsel im Alter (2000) 32 (36). 7 ASVG BGBl 1955/189. 8 ABGB JGS 1811/946. 9 Vgl Wirth, Familienrechtsreform, www.demokratiezentrum.org/themen/demokratieentwicklung/1968ff/familienrechtsreform.html (abgefragt am 27.11.2020). 9
das Familienrecht im Sinne der Gleichstellung der Geschlechter ändern sollte. Bis zur großen Familienrechtsreform dauerte es jedoch bis in die 1970er Jahre.10 Die Familienrechtsreform brachte in ihrer Änderung der §§ 89 - 97 ABGB11 die festgeschriebene Gleichstellung der Eheleute und - in § 94 ABGB – die Anerkennung der Haushaltspflichten als gleichwertigen Beitrag zur Deckung des gemeinsamen Unterhalts. Sozialversicherungsrechtlich war die Frau in einer arbeitsteiligen Ehe aber nach wie vor nur Mitversicherte und es führten weder Kindererziehung noch Pflege von Angehörigen oder generell Haushaltsführung zu Ansprüchen aus der Pensionsversicherung. Sie war somit im Alter weiterhin vom Gehalt des Mannes oder einer Witwenpension abhängig, Scheidung führte zudem nur zu pensionsrechtlichen Ansprüchen, wenn zuvor auch ein Anspruch auf Unterhalt bestand, dieser fiel jedoch bei Wiederverheiratung weg. Bei der neu eingeführten unbedingten Möglichkeit der Scheidung nach 6-jähriger Heimtrennung musste (in der Regel) die Frau bis zum Schluss dem Scheidungsbegehren widersprechen, um ihre Ansprüche sowohl auf Unterhalt als auch auf Witwenpension abzusichern. Dies zeigt, dass die theoretische Gleichstellung im Familienrecht nicht ausreichend auf das Sozialversicherungsrecht übertragen wurde, da der als gleich proklamierte Beitrag zum Unterhalt im Sinne der Haushaltsführung eben nicht auch automatisch zu gleichen Ansprüchen in der Sozialversicherung führte. Somit offenbarte sich ganz klar der politische Wille, an der Hausfrauenehe festzuhalten.12 An der pensionsrechtlichen Auswirkung einer arbeitsteiligen Ehe hat sich auch in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Dass Ehe somit nicht nur aus Gleichstellungssicht sondern auch rein finanziell betrachtet keine geeignete Absicherung gegen Altersarmut von Frauen darstellt, zeigt auch die Scheidungsrate, die seit Mitte der 70er Jahre von ca 20% auf beeindruckende 40% angewachsen ist.13 Die Tatsache, dass Menschen immer älter werden und eine niedrige Geburtenrate hatten zur Folge, dass die Finanzierung des Pensionssystems immer schwieriger wurde. Dem sollte mit der Pensionsreform 2005, die unter anderem den Durchrechnungszeitraum von Pensionen kontinuierlich auf 40 Jahre erhöht, begegnet werden.14 Dadurch wird es für Frauen aufgrund ihrer 10 Vgl Zach, Familienrechtsreform der 70er Jahre, https://frauenmachengeschichte.at/familienrechtsreform-der-70er- jahre/ (abgefragt am 27.11.2020). 11 ABGB idF BGBl 1975/412. 12 Vgl Neuwirth, Die sozialversicherungsrechtlichen Folgen der Ehescheidung: Historische Entwicklung, gegenwärtige Rechtslage und Reformüberlegungen (1998) 202. 13 Vgl Statistik Austria, Ehescheidungen, Scheidungsrate und Gesamtscheidungsrate seit 1946, www.statistik.at/web_de/statistik/ehescheidungen_scheidungsrate_und_gesamtscheidungsrate_seit _1946_022913pdf (abgefragt am 27.11.2020). 14 Vgl Sozialministerium, Pensionen - Pensionskonto NEU und Durchrechnungszeiträume, https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationld=339 (abgefragt am 27.11.2020). 10
Erwerbsverläufe immer schwieriger, eine ausreichende Pension zu erwirtschaften. Pensionssplitting ist ein Ansatz, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Nachdem in Europa auf nationaler Ebene seit Beginn der 1970er Jahre davon ausgegangen wurde, dass, - durch die Entwicklung der Wohlfahrtsstaaten - Armut sozusagen keinen Boden mehr habe, erwies sich dies in den folgenden Jahrzehnten jedoch als Irrtum. Vielmehr änderte die Armut ihr Gesicht und fand neue Erscheinungsformen wie zB das Phänomen der „working poor“. Weil dies von Seiten der einzelnen Staaten nicht oder zu wenig aufgegriffen wurde, entstanden auf europäischer Ebene seit 1975 Programme, die sich die Bekämpfung von Armut zum Ziel setzten. Diese wurden im Laufe der Zeit immer differenzierter und mündeten in konkreten Strategien wie zuletzt in der Strategie Europa 2020, die sich zum Ziel setzte, bis 2020 die Zahl der Menschen, die armuts- und ausgrenzungsgefährdet sind, um 20 Millionen zu senken.15 Gleichzeitig richtete die EU Befragungsprogamme wie ECHP (European Community Household Panel) und später EU-SILC (European Community Statistics on Income and Living Conditions) ein, die in den letzten Jahrzehnten gut vergleichbare Daten zur Armutsgefährdung lieferten und aus denen einmal mehr hervor geht, dass das Risiko von Frauen – und das speziell im Alter – prozentuell wesentlich höher ist als das von Männern.16 Die aus ECHP und EU-SILC bereitgestellten Daten ergeben für Österreich folgendes Bild: Während sich zwischen 1995 und 2001 der Anteil an armutsgefährdeten Personen, welche älter als 65 Jahre waren, zwischen 20% und 25% bewegte, verringerte sich dieser im Zeitraum von 2003 bis 2009 auf ca 15%. In beiden Zeitspannen war das Risiko von Frauen größer; so belief sich der Anteil der armutsgefährdeten Männer zwischen 2003 und 2009 auf 9% bis 13%, bei Frauen lag er zwischen 16% und 20%. Im Jahr 2000 hatten 40% der Frauen keinen eigenen Pensionsanspruch.17 B. Status quo Alleinlebende Pensionistinnen sind nach wie vor in einem überdurchschnittlichen Maß armutsgefährdet und obwohl sich die Armutsgefährdung für Pensionistinnen, die in einer Partnerschaft leben, als wesentlich geringer erweist, so ist doch die ökonomische Abhängigkeit 15 Vgl Eiffe in Dimmel/Schenk/Stelzer-Orthofer 100 (111). 16 Vgl Eurostat, Haushaltspanel der Europäischen Gemeinschaft (ECHP), https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/microdata/european-community-houshold-panel (abgefragt am 24.11.2020). 17 Vgl Angel/Kolland in Verwiebe 185 (191). 11
vom Mann hoch, da die Eigenpension aufgrund der engen Koppelung an Erwerbstätigkeit oft nicht existenzsichernd ist.18 Ein von der EU kofinanziertes Projekt, das im Juli 2020 veröffentlicht wurde, zeigt, dass – unabhängig von Bildung – bei vielen Frauen große Unwissenheit bezüglich des geltenden Pensionsrechts herrscht. Die Pension wird bei den befragten Frauen, die zwischen 30 und 55 Jahre alt sind, als sehr weit weg empfunden und soweit vorauszudenken als Überforderung gesehen. Gleichzeitig ist auch das Vertrauen auf die Beständigkeit der Normen relativ gering.19 Um mehr Gleichstellung von Frauen in der Altersabsicherung zu erreichen hat jeder Staat grundsätzlich die Möglichkeit, diese durch Lenkungsziele und Verteilungsziele zu beeinflussen. Da die Höhe der Pensionen primär von der Anzahl der Einzahlungsjahre und der Höhe des Gehalts abhängt, könnten diese Ziele in lenkungspolitischer Hinsicht darin liegen, einen Anreiz für Frauen zu schaffen, in Vollzeitbeschäftigung zu arbeiten und möglichst wenige Unterbrechungen im Erwerbsleben zu haben. In Österreich deuten jedoch viele sozialpolitische Ausgestaltungen darauf hin, dass man am Modell „Mann als Ernährer, Frau als Haushaltskraft und Mutter“ festhalten will. Dies äußert sich beispielsweise in steuerlichen Erleichterungen für Überstunden in Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen oder im Alleinverdienerabsetzbetrag.20 EU-SILC, eine europäische Statistik, die seit 2003 neben Erhebungen über Einkommen und Lebensbedingungen auch Daten zur Messung von Armut und sozialer Eingliederung bereitstellt, liefert auch für Österreich jährlich stichprobenbasierte, auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnete Zahlen. Um die Werte vergleichbar zu machen, orientiert sich die EU an einer Armutsgefährdungsschwelle, die 60% des Medianeinkommens des jeweiligen Landes entspricht. Für Österreich lag die Armutsgefährdungsschwelle im Jahr 2019 bei 15 437 Euro im Jahr, das sind 1286 Euro im Monat oder 1102 Euro, 14-mal im Jahr. Diese Berechnung gilt für einen Ein- Personen-Haushalt. Im Mehr-Personen-Haushalt wird für die erste Person ein Konsumäquivalent von 1 angenommen. Jede weitere erwachsene Person wird mit 0,5 bemessen, jedes Kind unter 14 Jahren mit 0,3. Insgesamt lag die Zahl armutsgefährdeter Personen 2019 bei ca 13,3%, was in etwa 1 161 000 Menschen entsprach, die Armutsgefährdungslücke lag bei 23,9%, das heißt, 18 Vgl Statistik Austria, Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung, https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender- statistik/armutsgefaerdung/index.html (abgefragt am 03.12.2020). 19 Vgl Mairhuber, Geschlechtsspezifische Pensionsunterschiede in Österreich: Wissen, Sichtweisen und Bedarfe der Frauen, https://www.trapez-frauen-pensionen.at/documents/TRAPEZ_Analyse-FORBA_Mairhuber_29072020.pdf (abgefragt am 01.12.2020). 20 Vgl Lachmayer, Genderspezifische Lenkungspotentiale im Abgabenrecht, in Ulrich/Neuwirth (Hrsg), Zum Verhältnis von Reproduktion, Erwerbsarbeit und fairer Budgetpolitik (2015) 174 (176). 12
dass das durchschnittliche Einkommen aller armutsgefährdeten Menschen 23,9% unter der Armutsgefährdungsschwelle lag.21 Für Frauen ab 65 sahen die Zahlen im Jahr 2019 folgendermaßen aus: Insgesamt 17% dieser Frauen waren armutsgefährdet, im Gegensatz dazu nur 10% der Männer. In Ein-Personen- Haushalten mussten 26% der Frauen mit finanziellen Mitteln unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle auskommen, bei Männern waren es 14%.22 Dass der Unterschied im Ein-Personen-Haushalt deutlich größer war, liegt auch daran, dass in der EU-SILC, so wie in den meisten Studien, als Messgröße nicht das Individualeinkommen herangezogen wird, sondern auf das Haushaltseinkommen abgestellt wird. Über die tatsächliche Aufteilung des Einkommens oder der Pension innerhalb des Haushalts sagt dies jedoch relativ wenig aus, vor allem, weil zu befürchten ist, dass die Person – in der Regel der Mann -, die den Großteil des Geldes erwirtschaftet, auch mehr Entscheidungsgewalt über Anschaffungen und dergleichen hat. Besonders betroffen sind hier sicher Haushalte, deren Gesamteinkommen sich nahe an der Armutsgefährdungsgrenze bewegt.23 Die statistisch vereinfachte Betrachtungsweise des Haushaltseinkommens führt auch dazu, dass Frauen zunächst häufig aus der Betrachtung herausfallen, die Armutsgefährdung nach einer Trennung aber plötzlich messbar wird.24 Menschen, die über eine nur geringe Pension verfügen, haben in Österreich Anspruch auf eine Ausgleichszulage. Diese stockt die Pension 14-mal im Jahr auf die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes auf. Im Jahr 2019 betrug der Richtsatz 933,06 Euro, was deutlich unter dem Betrag lag, den die EU für Österreich als Armutsgefährdungsgrenze annahm.25 Der GGP (Gender Gap in Pensions) lag in Österreich im Jahr 2018 bei den 64–79-Jährigen weit über dem EU Durchschnitt von 30,3% und betrug 39,5%. Keine Eigenpension hatten 18,4%, keine Eigen- oder Hinterbliebenenpension 13,6%, keine Pension und auch keine sonstigen Leistungen 21 Vgl Tabellenband EU-SILC 2019 und Bundesländertabellen mit Dreijahresdurchschnitt (2020), C:/User/Downloads/tabellenband_eu-silc_2019_und_bundeslaendertabellen_mit_dreijahresdurchsch%20(1).pdf (abgefragt am 03.12.2020). 22 Vgl Statistik Austria, https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender- statistik/armutsgefaehrdung/index.html (abgefragt am 03.12.2020). 23 Vgl Schlager in Dimmel/Schenk/Stelzer-Orthofer 158 (160). 24 Vgl Lamei/Skina-Tabue, Armut und Gender. Eine aktuelle Analyse ökonomischer Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, in Verwiebe (Hrsg), Armut in Österreich (2011) 125 (140). 25 Vgl Arbeiterkammer, Mindestpension, https://www.arbeiterkammer.at/beratung/arbeitundrecht/pension/pensionshoehe/Mindestpension.html#:~:text=„Ausglei chszulage%20Plus“%3A,Sie%20erhalten%20eine&text=Der%20Richtsatz%20beträgt%201.048%2C57%20€%20(Sta nd%202019). (abgefragt am 03.12.2020). 13
hatten 11,4% der Frauen über 65 Jahre im Jahr 2017. Bei Männer lagen die Vergleichswerte bei maximal 1%.26 C. Ursachen Eine der Hauptursachen für die erhöhte Altersarmut von Frauen liegt in der Konzeption der österreichischen Alterssicherung begründet. Diese ist, anders als in anderen europäischen Ländern, an die Erwerbstätigkeit geknüpft. Nur wer arbeitet, ist in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Um den Lebensstandard auch im Alter annähernd halten zu können, bedarf es eines durchgehenden Erwerbsverlaufs von mindestens 40 Jahren in Vollzeit. Zusätzlich muss das vorgeschriebene Pensionsalter erreicht werden, dieses liegt für Männer bei 65 Jahren, für Frauen momentan noch bei 60, es findet jedoch eine sukzessive Erhöhung in den kommenden Jahren statt, bis auch für Frauen das Alter von 65 Jahren maßgeblich ist. Der Staat gewährt zwar in Form sogenannter Teilversicherungszeiten zusätzliche Beiträge, wie zB für Familienzeitbonusbeziehende oder für die ersten vier Jahre der Kindererziehung. Um den Beitrag für die Zeiten der Kindererziehung zu bemessen, wird bezeichnender Weise das – wesentlich niedrigere - Durchschnittseinkommen von Frauen herangezogen.27 Kennzeichnend für die erwerbsbezogene Absicherung ist des Weiteren, dass ein Pensionsanspruch überhaupt erst ab 15 Beitragsjahren entsteht.28 Weibliche Erwerbsbiographien sind nach wie vor geprägt von Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen, was der Arbeit im Haushalt, der Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen geschuldet ist. Dieser Arbeit wird jedoch, obwohl sie für das Funktionieren der Gesellschaft und der Wirtschaft von allergrößter Wichtigkeit ist, weder im Erwerbsleben noch in der Sozialversicherung ein Geldwert beigemessen.29 Um nicht auf abgeleitete Ansprüche wie Witwenpension, Unterhaltsansprüche in und nach der Ehe oder soziale Leistungen vom Staat angewiesen zu sein, wäre ein verpflichtendes Pensionssplitting eine Möglichkeit, die Pensionsanwartschaften gerechter zu verteilen. 26 Vgl Mairhuber/Mayrhuber, TRAPEZ.Analyse Geschlechtsspezifische Pensionsunterschiede in Österreich: Quantitative und Qualitative Befunde, https://www.trapez-frauen- pensionen.at/documents/TRAPEZ_Analyse_Bericht_2020.pdf (5, abgefragt am 04.12.2020). 27 Vgl Sozialministerium, Grundlagen im österreichischen Pensionssystem, https://broschuerenservice.sozialministerium.at/Home/Download?publicationld=652 (abgefragt am 02.12.2020). 28 Vgl Pensionsversicherung, https://www.pv.at/cdscontent/?contentid=10007.707664&portal=pvaportal (abgefragt am 02.12.2020). 29 Vgl Schlager in Dimmel/Schenk/Stelzer-Orthofer 158 (158). 14
1. Erwerbsunterbrechungen und Wiedereinstieg Durch die Koppelung der Pensionsversicherung an Erwerbstätigkeit geben die Versicherungsjahre Aufschluss über die durchschnittlichen Erwerbsjahre von Frauen und Männern. Bei den neuzuerkannten Alterspensionen im Jahr 2017 ergab sich für Frauen ein Durchschnitt von 24,4 Jahren, bei Männern waren es 36,5 Jahre. Rechnet man die Teilversicherungszeiten der Kindererziehung, die statistisch im Übrigen nur bei Frauen relevant sind, hinzu, bleibt immer noch eine Lücke von 7,2 Jahren.30 Während sich die Erwerbsquoten von Frauen und Männern bis zum 30. Lebensjahr zunächst eher wenig unterscheiden, klaffen diese danach oft weit auseinander, weil es nach wie vor Realität ist, dass sich vorwiegend Frauen um Kinderbetreuung und Haushalt kümmern, während die Erwerbsquote der Männer weiter ansteigt.31 Zusätzlich sind Frauen beim Wiedereinstieg in die bezahlte Erwerbstätigkeit häufig mit verschiedenen Hürden konfrontiert. So ist in Österreich in weiten Teilen der Gesellschaft noch ein sehr konservatives Rollenbild zementiert, das suggeriert, dass Kinder nur glücklich sind, wenn sie in einem hohen zeitlichen Ausmaß von der Mutter betreut werden. Ist diese berufstätig, soll dies auf keinen Fall zu Lasten der Kinder gehen, diese sollen eine Berufstätigkeit, wenn möglich, gar nicht wahrnehmen. Diesem Stereotyp gerecht werdend, gibt es in Österreich - Wien ausgenommen - nach wie vor viel zu wenig qualitativ hochwertige und zeitlich flexible Kinderbetreuung. Das hat zur Folge, dass Frauen nach einem längeren Ausstieg aus ihrem Beruf oft nur noch Jobs finden, die unter ihrer ursprünglichen Qualifikation liegen. Gekoppelt mit Teilzeitarbeit führt das durch die vielfältige Benachteiligung von Teilzeitkräften vermehrt zu keinem oder geringerem Zugang zu Fortbildung, deutlich geringeren Aufstiegschancen, schlechterem Stundenlohn und daraus resultierend, oft auch zu keiner Möglichkeit, wieder in die Vollzeitbeschäftigung zu wechseln.32 2. Teilzeitarbeit und prekäre Arbeitsbedingungen Die Erwerbstätigkeitsquote der 15 – 64-jährigen Frauen lag im Jahr 2019 bei 69,9%, die der Männer war mit 78% um gute 9% höher. Noch deutlicher zeigt sich der geschlechtsspezifische Unterschied in der Teilzeitbeschäftigungsquote. Im Jahr 2019 waren 47,7% der Frauen in Teilzeit 30 Vgl Mairhuber/Mayrhuber, TRAPEZ.Analyse, https://www.trapez-frauen- pensionen.at/documents/TRAPEZ_Analyse_Bericht_2020.pdf (6, abgefragt am 04.12.2020). 31 Vgl Schlager in Dimmel/Schenk/Stelzer-Orthofer 158 (162). 32 Vgl Breiter, Armutsgefährdung von Frauen in Österreich, in Rosecker/Schmitner (Hrsg), Armut und Reichtum (2011) 308 (312). 15
beschäftigt, bei den Männern waren es gerade mal 10,7%. Umgerechnet bedeutet dies, dass 2019 ca 80% der Teilzeitbeschäftigten weiblich waren.33 Auch die Zahl der atypisch Beschäftigten ist bei den Frauen besonders hoch und lag im Jahr 2019 bei rund 53%. Der Begriff der atypischen Beschäftigung umfasst neben Teilzeiterwerbstätigkeit auch freie Dienstverträge, Leih- und Zeitarbeitsverhältnisse, geringfügige Beschäftigung unter 12 Stunden pro Woche und Befristungen.34 Bei den Frauen kam es außerdem im Zeitraum von 2008 bis 2018 zu einem signifikanten Anstieg der atypischen Beschäftigungsverhältnisse, so stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten um 29%, die Zahl der geringfügig Beschäftigten um 17,8%, die Zahl der neuen Selbständigen um 47,8% und die Zahl der überlassenen Arbeitskräfte um 38,1%. Gerade diese Beschäftigungsverhältnisse führen besonders häufig zu prekären finanziellen Situationen, das Risiko einer Mutter, Geringverdienerin zu sein, ist beispielsweise um das Fünffache erhöht.35 Der Hauptgrund für diese Zahlen besteht darin, dass Frauen nach wie vor den weitaus größeren Teil der Care-Arbeit erledigen. So geht aus der Zeitverwendungserhebung 2008/2009 hervor, dass, obwohl die Männerbeteiligung deutlich gestiegen ist, immer noch ca zwei Drittel der unbezahlten Arbeit von Frauen übernommen wird, während bezahlte Arbeit in einem annähernd umgekehrten Verhältnis von Männern erbracht wird.36 3. Gender Pay Gap Als Gender Pay Gap (GPG) wird der Indikator bezeichnet, der die Differenz zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern in privatwirtschaftlichen Unternehmen mit zehn oder mehr Angestellten misst. 2018 belief sich der GPG in Österreich auf 20,4% und lag somit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 15%. Wie aus einer Untersuchung der Statistik Austria aus dem Jahr 2014 hervorgeht, ist einer der wichtigsten erklärenden Faktoren, dass Frauen nach wie vor häufiger in schlechter bezahlten Branchen mit geringeren Verdienst- und Aufstiegsmöglichkeiten arbeiten, Männer hingegen häufiger gut bezahlten technischen Berufen nachgehen und Führungspositionen innehaben. Des 33 Vgl Statistik Austria, Erwerbstätigkeit, https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender- statistik/erwerbstaetigkeit/index.html (abgefragt am 04.12.2020). 34 Vgl Statistik Austria, https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender- statistik/erwerbstaetigkeit/index.html (abgefragt am 04.12.2020). 35 Vgl Mairhuber/Mayrhuber, TRAPEZ.Analyse, https://www.trapez-frauen- pensionen.at/documents/TRAPEZ_Analyse_Bericht_2020.pdf (23, abgefragt am 04.12.2020); Mokre, Ausnahmezustand Geringverdienst? Ursachen der Beschäftigungsverhältnisse unter der Steuergrenze, WuG 2019, 203 (223). 36 Vgl Statistik Austria, Zeitverwendung 2008/09 Ein Überblick über geschlechtsspezifische Unterschiede, www.statistik.at/web_de/static/zeitverwendung_200809__ein_ueberblick_ueber_geschlechtsspezifische_untersc_052 108.pdf (abgefragt am 04.12.2020). 16
Weiteren ist der Stundenlohn in der Teilzeitbeschäftigung meist niedriger. Weitere Faktoren sind beispielsweise Alter, Bildungsniveau und Dauer der Unternehmenszugehörigkeit. Werden die genannten Faktoren rechnerisch mitberücksichtigt, bleibt jedoch nach wie vor ein nicht erklärbarer GPG von 13,6%, der auf unmittelbare Diskriminierung in der Bezahlung von Frauen hindeutet, was sich wieder unmittelbar auf die Pensionshöhe auswirkt.37 Neben Lenkungszielen, die die Erwerbspartizipation von Frauen mittel- und langfristig fördern, wäre ein obligatorisches Pensionssplitting eine Möglichkeit, rasch mehr Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen. III. Pensionssplitting Pensionssplitting, in anderen Ländern auch Rentensplitting, Versorgungsausgleich oder Vorsorgeausgleich genannt, ist das Teilen von Pensionsansprüchen zwischen zwei Personen – (Ehe-)Partnern*innen, Eltern - über einen bestimmten Zeitraum. Um von einem Splitting im engeren Sinn sprechen zu können, müssen, im entsprechenden Altersvorsorgesystem, Anwartschaften auf die Pensionsbezüge direkt vom Ausgleichspflichtigen zum Begünstigten übertragen werden.38 Dabei gibt es die Möglichkeit, Pensionsgutschriften des Besser- oder Alleinverdienenden zu einem gewissen Prozentsatz zu übertragen, wie das in Österreich beim fakultativen Splitting der Fall ist,39 oder die Anwartschaften zusammenzurechnen und dann jeweils die Hälfte den entsprechenden Konten zuzuschreiben, wie es beispielsweise die Schweizer Altersvorsorge vorsieht.40 A. Entstehungsgeschichte Als neues Rechtsinstitut wurde das Splitting von Pensionsanwartschaften in den 70er Jahren in Deutschland und Kanada eingeführt. Grundgedanke war, die geschiedene Frau nach einer arbeitsteiligen Ehe abzusichern und damit das bisherige Modell der Hinterbliebenenpension zu ergänzen. 41 37 Statistik Austria, Einkommen, http://www.statistik,at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/einkommen/index.html (abgefragt am 07.12.2020). 38 Vgl Hohnerlein, Rentensplitting statt Witwenrente - Europäische Erfahrungen mit der Aufteilung von Rentenansprüchen zwischen Ehepartnern, Vortragsmanuskript 14.11.2014, http://www.provincia.bz.it/pariopportunita/download/Hohnerlein_Rentensplitting_Rev.18.11.14.pdf (abgefragt am 10.12.2020). 39 Vgl §14 APG, Allgemeines Pensionsgesetz BGBl I 2004/142 idgF. 40 Vgl Jaenecke, Hinterbliebenenversicherung 96. 41 Vgl Hohnerlein, http://www.provincia.bz.it/pariopportunita/download/Hohnerlein_Rentensplitting_Rev.18.11.14.pdf. 17
In den letzten vierzig Jahren stieg jedoch nicht nur die Scheidungsrate massiv an, sondern es wurden auch die Formen des Zusammenlebens immer vielfältiger, was unter anderem in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften oder Patchwork-Familien seinen Ausdruck fand. Gleichzeitig nahm die Erwerbsquote von Frauen stark zu und die klassische Hausfrauenehe stellte langsam auch politisch gesehen ein Auslaufmodell dar. Trotzdem übernahmen Frauen – und tun dies bis heute - nach wie vor den größten Teil der unbezahlten Arbeit und trugen damit auch die Folgen der häufig zu geringen sozialen Absicherung.42 Um dieser Entwicklung auch sozialpolitisch gerecht zu werden, wurden in Europa teilweise sehr unterschiedliche Modelle der Altersabsicherung implementiert, welche von vollständig individuellen Regelungen ohne abgeleitete Ansprüche - wie in Schweden - bis hin zu Systemen, in denen - wie beispielsweise in der Schweiz - sowohl die klassischen Hinterbliebenenrenten als auch Splittingmodelle nebeneinander bestehen, reichen.43 B. Modelle Grundsätzlich gibt es zwei Anknüpfungspunkte, die zu einem Splitting führen können. Dies ist zum einen die Ehe oder eine Lebensgemeinschaft, zum anderen die Elternschaft. Die Inanspruchnahme der Modelle kann obligatorisch oder fakultativ erfolgen, die Anwartschaften können genau halbiert werden oder zu einem anderen, von den Parteien selbst zu bestimmenden, Prozentsatz geteilt werden. Auch der Zeitrahmen kann unterschiedlich sein, so kann er sich beispielsweise auf das Alter gemeinsamer Kinder oder auf die Dauer einer Ehe beziehen. Unterschiede gibt es weiters bezüglich des Zeitpunkts zu dem der Anspruch entsteht. Es kann zu einer fortlaufenden Übertragung kommen, die bereits bei der Entstehung bezifferbar ist, oder zu einer Berechnung im Anlassfall, also bei Scheidung oder bei Pensionsantritt. Weitere regelbare Elemente sind die Möglichkeit eines Opting-Out, das heißt, die Partner*innen wählen einvernehmlich, auf ein Splitting zu verzichten, sowie Ausschlussgründe bei geringer Ehedauer und Billigkeits- und Härtefallregelungen, sollte es zB zu grobem Fehlverhalten der begünstigten Person kommen. Auch nachträgliche Korrekturen oder Rückübertragungen können im Einzelfall ermöglicht werden.44 Des Weiteren gibt es bezüglich der Effizienz der Absicherung, hinsichtlich eines Entgegenwirkens von Altersarmut von Frauen, nicht unerhebliche Unterschiede, die auf der Grundstruktur des jeweiligen Pensionssystems basieren. Diese betreffen beispielsweise die Voraussetzung von 42 Vgl Sardadvar/Mairhuber/Neuwirth, Zwischen Absicherung, Abhängigkeit und Autonomie, Österreichische Zeitschrift für Soziologie 2017, 301. 43 Vgl Jaenecke, Hinterbliebenenversicherung 96, 172. 44 Vgl Hohnerlein, http://www.provincia.bz.it/pariopportunita/download/Hohnerlein_Rentensplitting_Rev.18.11.14.pdf. 18
Beitragsjahren um überhaupt Pensionsansprüche zu haben oder die Höhe und Dauer der Anrechnung von Kindererziehungszeiten, sowie generelle Fragen wie die Bereitstellung einer Mindestpension oder einer allgemeinen Versicherungspflicht.45 1. Das freiwillige Splitting Um bei der Variante des freiwilligen Splittings eine Aufteilung von Anwartschaften auf die Pension zu erreichen, müssen beide Partner*innen einvernehmlich dazu optieren. In Österreich wurde diese Möglichkeit für Eltern mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 in § 14 APG geschaffen. Die Gesetzgebung gibt hier zwar bis ins Detail die nötigen Voraussetzungen vor, das Eintreten der rechtlichen Konsequenzen erfolgt jedoch auf freiwilliger Basis.46 Da die Auswirkungen einer solchen Vereinbarung nicht unerheblich sind und beide im Vertrauen auf das einmal Festgelegte disponieren, ist ein Widerruf des Opt-In nicht möglich.47 Die deutsche Rechtslage sieht ein freiwilliges Rentensplitting als Alternative zur Hinterbliebenenrente vor, zu dem frühestens sechs Monate vor Rentenantritt optiert werden kann. Weitere Voraussetzung ist die aufrechte Ehe oder Partnerschaft.48 2. Das obligatorische Splitting Obligatorisches Splitting meint das zwingende Aufteilen von Rentenanwartschaften zwischen den Partner*innen. Am konsequentesten umgesetzt wird diese Variante in der Schweiz, wo die Rechtslage sowohl in aufrechter Partnerschaft als auch bei Scheidung eine Zusammenrechnung und Teilung der erworbenen Ansprüche beider vorsieht.49 Auch das deutsche Recht kennt mit dem Versorgungsausgleich ein obligatorisches Splitting, dessen Rechtsfolgen im Zuge eines Scheidungsverfahrens vom Gericht ausgesprochen werden und das sowohl Ehen als auch Lebenspartnerschaften betrifft. Ein Abweichen bzw Absehen vom Ausgleich ist hier jedoch möglich und zwar bei kurzer Ehedauer, bei Geringfügigkeit der Ansprüche oder der Höhe, sowie bei Inkrafttreten von Ehegatt*innen- oder Lebenspartner*innenvereinbarungen, in denen anderes bestimmt wurde.50 45 Vgl Neuwirth, Folgen 225. 46 Pensionsharmonisierungsgesetz BGBl I 2004/142 idgF; Allgemeines Pensionsgesetz BGBl I 2004/142 idgF. 47 Vgl ErläutRV 653 BglNR 22.GP 13. 48 Vgl Deutsche Rentenversicherung, Rentensplitting – partnerschaftlich teilen, https://www.deutsche- rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/national/rentenspltting_partnerschaftlich_teilen.html (abgefragt am 03.02.2021). 49 Vgl Hohnerlein, http://www.provincia.bz.it/pariopportunita/download/Hohnerlein_Rentensplitting_Rev.18.11.14.pdf. 50 Vgl Deutsche Rentenversicherung, Versorgungsausgleich - faires Teilen bei der Rente, https://www.deutsche- rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Familie-und-Kinder/Scheidung/versorgungsausgleich.html (abgefragt am 03.02.2021). 19
Die Einführung eines obligatorischen Splittings wird in Österreich schon seit einigen Jahren heftig diskutiert und findet auch im aktuellen Regierungsprogramm ausführlich Beachtung.51 3. Partnerschaft als Voraussetzung Partnerschaft als Voraussetzung für ein Splitting von Pensionsanwartschaften ist, wie aus der Entstehungsgeschichte ersichtlich, die ursprüngliche Form und darauf ausgerichtet, dem Teil, der sich innerhalb einer Ehe hauptsächlich dem Haushalt und der Kindererziehung gewidmet hat, im Falle einer Scheidung unterhaltsunabhängig pensionsrechtliche Ansprüche zuzuerkennen. Zum einen äußert sich in diesem Konstrukt der Gedanke, dass eine einvernehmlich arbeitsteilig geführte Ehe nicht zu Kosten für die Allgemeinheit führen soll. Zum anderen soll der ehelichen Solidarität Tribut gezollt werden und zwar in dem Sinn, dass sich eine einvernehmliche Rollenverteilung und eine damit verbundene unterschiedliche Vorsorgefähigkeit zumindest bis zu einem gewissen Grad in der Altersabsicherung beider Partner*innen niederschlägt.52 Sowohl die obligatorische als auch die fakultative Form ist in dieser Variante denkbar, wie beispielsweise die Rechtslage in Deutschland erkennen lässt, die bei aufrechter Ehe ein freiwilliges, bei Scheidung jedoch ein automatisches Splitting vorsieht.53 Außerhalb einer Ehe oder einer eingetragenen Partnerschaft ist meines Erachtens nur eine Opt- In-Variante denkbar. Dies würde auch unverheirateten Paaren, deren Lebensgestaltung von finanziellen Ungleichheiten gekennzeichnet ist, eine Altersabsicherung des schlechter gestellten Teils ermöglichen, ohne dafür eine Ehe, mit allen anderen rechtlichen Konsequenzen eingehen zu müssen. Im Regierungsprogramm 2020–2024 wird diese Form des Splittings angedacht.54 4. Gemeinsame Kinder als Voraussetzung Einen anderen Ansatz, als die dem Grundgedanken der Absicherung der geschiedenen Frau dienenden in Europa vorherrschenden Splittingsysteme, bildet das Splitting von Anwartschaften bei dem die Elternschaft Voraussetzung ist. Seit 2004 beschreitet Österreich diesen Weg, der die Möglichkeit des Splittings bis zum vollendeten siebten Lebensjahr eines gemeinsamen Kindes vorsieht. Weder Ehe noch andere Formen der Partnerschaft oder auch nur das Wohnen im gemeinsamen Haushalt sind 51 Vgl Die neue Volkspartei/Die Grünen-Die Grüne Alternative, Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020-2024 (2019). 52 Vgl Hohnerlein, http://www.provincia.bz.it/pariopportunita/download/Hohnerlein_Rentensplitting_Rev.18.11.14.pdf. 53 Vgl Deutsche Rentenversicherung, https://www.deutsche- rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/national/rentenspltting_partnerschaftlich_teilen.html (abgefragt am 03.02.2021); Deutsche Rentenversicherung, https://www.deutsche- rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Familie-und-Kinder/Scheidung/versorgungsausgleich.html (abgefragt am 03.02.2021). 54 Vgl Die neue Volkspartei/Die Grünen-Die Grüne Alternative, Regierungsprogramm 2020-2024, 251. 20
Voraussetzung, um dieses Institut nutzen zu können.55 Mit dieser Regelung wich die Gesetzgebung nicht nur vom eigenen Regierungsprogramm ab, sondern auch von der Grundidee, Frauen im Falle einer Scheidung besser abzusichern und stellte die generelle Förderung einer eigenen Alterssicherung von Frauen in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen.56 IV. Pensionssplitting in Österreich Das zurzeit in Österreich implementierte Pensionssplittingsystem ermöglicht Eltern gemeinsamer Kinder eine Übertragung von Gutschriften vom Pensionskonto des Besserverdienenden auf das Konto der*desjenigen, die*der sich vorwiegend der Erziehung der Kinder widmet und zwar für die ersten sieben Lebensjahre des Kindes. Es vereint somit die Voraussetzung gemeinsamer Kinder mit der Voraussetzung der Freiwilligkeit.57 Die Einführung des Splittings in der Zeit der schwarzblauen Koalition wurde oft kritisch gesehen und – da es mit dem Streichen von Geldern für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen in dieser Regierungsperiode einherging58 – als ein Instrument verstanden, welches Frauen wieder mehr zurück in die klassische Betreuungsrolle drängen sollte. Hinzu kommt, dass sich die Gesetzgebung dem Thema insofern halbherzig näherte, als sie das Splitting nur als Opt-In– Variante zuließ, deren Konsequenz eine sehr geringe Inanspruchnahme des Instituts war und ist.59 A. Intention der Gesetzgebung Das Thema Pensionssplitting fand schon lange vor 2004 Einzug in die politische Debatte. Neben konservativen Überlegungen, die von einem Festhalten an der Hausfrauenehe und einer Absicherung allein durch Witwenpension geprägt waren, war jedoch auch das bis zur Pensionsreform 2004 geltende Pensionsrecht in seiner Ausgestaltung ungeeignet, eine laufende Übertragung von Anwartschaften zu ermöglichen, da es erst zu Pensionsantritt eine Berechnung der Pensionshöhe über einen bestimmten Bemessungszeitraum vorsah.60 55 Vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 14 APG Rz 13 (Stand 01.09.2016, rdb.at); Allgemeines Pensionsgesetz BGBl I 2004/142 idgF. 56 Vgl Österreichische Bundesregierung, Regierungsprogramm der Österreichischen Bundesregierung für die XXII. Gesetzgebungsperiode (2003) 18; ErläutRV 653 BglNR 22.GP 13. 57 Vgl APG BGBl I 2004/142 idgF. 58 Vgl Zach, https://frauenmachengeschichte.at/familienrechtsreform-der-70er-jahre/ (abgefragt am 06.02.2021). 59 Vgl Die Presse, Pensionssplitting: Langer Weg zum sanften Zwang, Die Presse 05.03.2019, https://www.diepresse.com/5591802/pensionssplitting-langer-weg-zum-sanften-zwang (abgefragt am 04.02.2021); Preglau, Geschlechterpolitik & geschlechterpolitisch relevante Sozialpolitik in Österreich, aep, Feministische Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 2018, 11 (13). 60 Vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil § 14 APG Rz 4. 21
Wie aus den Materialien zum APG hervorgeht, sah die Gesetzgebung in der Schaffung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Übertragung von Gutschriften vom Pensionskonto des einen Elternteils auf das Pensionskonto des anderen, einen wichtigen Schritt in Richtung der eigenständigen Altersabsicherung von Frauen.61 1. Paradigmenwechsel Mit der Pensionsreform im Jahr 2004 entschied sich die damalige Regierung für einen Paradigmenwechsel in der Pensionsversicherung. Die Intention der Gesetzgebung war nicht mehr die Aufrechterhaltung des erreichten individuellen Lebensstandards, sondern das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit, unabhängig vom Geschlecht, gemäß dem im Laufe der gesamten Erwerbstätigkeit Beiträge auf ein Pensionskonto eingezahlt werden.62 Durch diese Einführung eines Pensionskontos wurde eine Übertragung von Gutschriften erst möglich.63 Die sukzessive Erhöhung des Durchrechnungszeitraums für Pensionen auf 40 Jahre traf – und trifft bis heute - in der Realität Frauen besonders hart. Das deshalb, weil Frauen, vor allem, wenn sie Kinder haben, wesentlich häufiger nicht, oder über längere Zeiträume nur in Teilzeit arbeiten. Aus einer Studie des IHS geht beispielsweise hervor, dass im Jahr der Pensionsreform insgesamt 38% der Frauen in Teilzeit beschäftigt waren, bei Frauen, die Kinder im Alter zwischen 3 und 6 Jahren hatten, waren es sogar 70%.64 2. Regierungsprogramm 2003 Im Regierungsprogramm 2003 fand sich unter der Agenda „Frauen“ das Ziel einer eigenständigen Alterssicherung für Frauen. Im Kapitel „Pensionen“ wurde ein freiwilliges Pensionssplitting als Maßnahme zur Existenzabsicherung nach Scheidung erwähnt.65 Dies macht deutlich, dass man selbst im Jahr 2003 noch davon ausging, dass es in einer Ehe üblich ist, dass im überwiegenden Fall die Frau ihre Erwerbstätigkeit niederlegt oder reduziert, um dem Mann ein unbeschwertes Erwerbsleben zu ermöglichen. Die Grundidee war somit eine Existenzabsicherung der Frau, die im Falle einer Scheidung eigenständige Ansprüche auf eine Pension hätte, die nicht vom erstrittenen Unterhalt abhängen.66 Eine Anknüpfung an gemeinsame Kinder war hier nicht angedacht. 61 Vgl ErläutRV 653 BglNR 22.GP 13. 62 Vgl Tomandl, Paradigmenwechsel in der Pensionsversicherung ZAS 2006, 104. 63 Vgl Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil § 14 APG Rz 5. 64 Vgl Felderer/Gstrein/Hofer/Mateeva, Kinder, Arbeitswelt & Erwerbschancen (2006) 43. 65 Vgl Österreichische Bundesregierung, Regierungsprogramm XXII. Gesetzgebungsperiode 18, 31. 66 Vgl Schmid/Ivansits, Eine zeitgemäße Alterssicherung für alle Frauen, SozSi 1999, 972. 22
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