Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn

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Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn
Nummer 8
16. bis 29. April 2017

                              Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau

                         Ostern
Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn
Ostern

                                                                                               Editorial                                     Wie der Holzschneider das
                                                                                               Es fällt mir dieses Jahr schwer, mich auf     In vierzehn Bildern von Ostern bis Pfingsten
                                                                                               Ostern zu freuen. Das Halleluja findet
                                                                                               irgendwie keinen Zugang zu meinem

                                                                                                                                                                                                                                            Bild: zVg
                                                                                               Herzen. Schuld daran sind die Meldun-         Seit 2001 ist die Via Lucis als kirchliche      burtstag wollte er
                                                                                               gen, die mich in diesen Tagen erreichen:      Andachtsform anerkannt. Dennoch ken-            etwas Neues schaf-
                                                                                               von unschuldigen Terroropfern in              nen viele Gläubige diese Form des Gebets        fen. Etwas, das
                                                                                               St. Petersburg, Stockholm und Ägypten;        nicht. Ein Bilderzyklus mit vierzehn Holz-      auch zur Osterzeit
                                                                                               von Menschen, die bei einem Giftgasan-        schnitten des Künstlers Peter Rottmeier         passt. Einen Kreuz-
                                                                                               griff in Syrien auf schreckliche Weise ihr    soll das ändern.                                weg zu illustrieren,
                                                                                               Leben lassen müssen – darunter sogar                                                          wäre für ihn aber
                                                                                               Kinder und Frauen; von Millionen von          Es sind kleine Formate und gedämpfte Far-       nicht in Frage ge-
                                                                                               Menschen, denen in Zentralafrika der          ben, die Peter Rottmeier für die Illustratio-   kommen. «Die Via
                                                                                               Hungertod droht.                              nen des Lichtwegs gewählt hat. Nicht grös-      Crucis ist ein         Der Künstler Peter
                                                                                               Beim Lesen des Osterevangeliums bleibe        ser als ein Blatt Schreibpapier entfalten       schwieriges, fast      Rottmeier
                                                                                               ich an einem Satz hängen. «Fürchtet euch      sie ihre Wirkung in der Reduktion von Form      erdrückendes
                                                                                               nicht!», sagt der Engel zu den beiden Frau-   und Farbe. «Das Thema ist nicht schreiend,      Thema», meint Rottmeier. Er sei dagegen
                                                                                               en, die nicht verstehen, was ihnen gerade     es soll fein und zurückhaltend daherkom-        eher ein fröhlicher Mensch.
                                                                                               geschieht (Mt 28,1-7). Ich muss an all die    men.» Kaum zu glauben, dass die subtilen
                                                                                               Fragen denken, an denen sich Politiker        Farbnuancen, die der Künstler erzeugt, mit      Peter Rottmeier fand sein Motiv schliess-
                                                                                               und Verantwortliche auf der ganzen Welt       Holzplatten geschaffen wurden. Luzide           lich im Lichtweg der Salesianer des Don
                                                                                               schon lange Zeit die Zähne ausbeissen:        Blau- und Violetttöne überwiegen, Grün und      Bosco. Eine Ordensgemeinschaft, die im
                                                                                               Wie kann erreicht werden, dass möglichst      Rot setzen sparsame Farbakzente. Gold           19. Jahrhundert gegründet wurde und sich
                                                                                               viele Menschen zu essen und zu trinken        und Silber verschaffen den Bildern, eine        seither in der Jugendarbeit engagiert. Die
                                                                                               haben? Wie können Kriege beendet und          ätherische Strahlkraft. Schematische, auf       Idee für einen Lichtweg entstand Ende der
                                                                                               verhindert werden? Was muss getan wer-        das Nötigste reduzierte Figuren lassen der      1980er-Jahre. Seine Stationen beschrei-
                                                                                               den, um den Klimawandel zu stoppen?           Betrachterin Raum für eigene Gedanken.          ben analog zum Kreuzweg den Lichtweg
                                                                                               «Fürchtet euch nicht!» – Es kommen mir        Es sind Bilder, die inspirieren, eines führt    von Ostern bis Pfingsten. Der Weg kann als
                                                                                               die Ergebnisse einer neuen Studie in den      zum nächsten, keines tanzt aus der Reihe.       Ergänzung und Fortsetzung der Via Crucis
                                                                                               Sinn, für die rund eine Million junge Men-                                                    verstanden und gebetet werden. Be-
                                                                                               schen in Europa befragt wurden: 82 Pro-       Eine Herausforderung                            sonders junge Christen fühlen sich von die-
                                                                                               zent (!) der «Generation what» hat kein       Für Peter Rottmeier war die Schaffung des       ser Andachtsform angesprochen. So wurde
                                                                                               Vertrauen mehr in die Politik, was wohl       Zyklus Via Lucis eine Herausforderung.          der Lichtweg beispielsweise im Jahre 2000
                                                                                               damit zusammenhängt, dass sie eine            Denn die unterschiedlichen Motive der vier-     an den 15. Weltjugendtage in Rom von jun-
                                                                                               wachsende soziale Ungerechtigkeit wahr-       zehn Bilder sollten eine Einheit bilden, «sie   gen Menschen aus aller Welt gefeiert. Hier
                                                                                               nimmt. Dennoch sind 55 Prozent aller Be-      müssen gleichsam eine gemeinsame Bild-          sieht Peter Rottmeier denn auch einen Zu-
                                                                                               fragten gegenüber der Zukunft eher opti-      sprache sprechen», sagt der Holzschnei-         sammenhang zu seinem Leben. «Ostern ist
Titelbild: Peter Rottmeier: Ich habe den Herrn gesehen, Holzschnitt, 2012. © Peter Rottmeier

                                                                                               mistisch gestimmt. Die überwiegende           der. Eine Herausforderung, die der Künstler     Befreiung, Auferstehung und Mysterium:
                                                                                               Mehrheit – in der Schweiz 85 Prozent –        bewusst gesucht hat. Für eine Ausstellung       Das kann ich in meinem Bildern auffan-
                                                                                               gibt an, auch ohne Glauben an Gott            im Kloster Fischingen zu seinem 70. Ge-         gen», sagt der Künstler. Er selber war 35
                                                                                               glücklich werden zu können. Wo steuert                                                        Jahre lang Lehrer und fühlt sich der Jugend
                                                                                               unsere Welt hin?                                                                              verpflichtet. «Ihr möchte ich einen Weg der
                                                                                               «Fürchtet euch nicht!» Das ruft der Engel                                                     Freude und der Hoffnung aufzeigen.»
                                                                                               auch uns zu, die wir versuchen, unseren       Inhalt
                                                                                               Beitrag zum Fortbestand und Gelingen                                                          Dass der Holzschneider die Herausforde-
                                                                                               dieser Welt zu leisten. Er möchte uns Mut     Ökumene                               4         rung, die er suchte, auch gemeistert hat,
                                                                                               machen, dabei auf eine Kraft zu ver -         Mehr als eine diplomatische Geste               erklärt er sich so: «Wenn ich arbeite, flie-
                                                                                               trauen, die grösser ist als alle Dekrete,     Stimmen zum ökumenischen Gedenkanlass           gen mir oft Gedanken und Ideen zu, die ich
                                                                                               Aktienfonds oder Waffen. Eine sanfte                                                          nur noch umsetzen muss.» Doch nicht alle
                                                                                               Kraft, die unscheinbar daherkommt, die        Bruder Klaus                               7    Motive gehen dem Künstler gleichermas-
                                                                                               sich aber unaufhaltsam entfaltet. Der         Frau und Familie verlassen                      sen von der Hand. Die Gestaltung des Bil-
                                                                                                                                             Mensch und Mystiker seiner Zeit (3)
                                                                                               Engel möchte uns die Augen dafür öffnen,                                                      des «Geistsendung» sei ihm schwer gefal-
                                                                                               dass einer der grössten Liebenden durch                                                       len. «Die Aussage ist wohl richtig, aber es
                                                                                                                                             Kirche ohne Grenzen – Polnisch           10
                                                                                               Verschwörung und Gewalt hindurch zum          «Gut wie das Brot sein»
                                                                                                                                                                                             überzeugt mich nicht ganz», gibt er zu. «Ich
                                                                                               Leben gefunden hat. In diesem Sinn            Das Leben vom heiligen Bruder Albert            bin ein gläubiger Mensch, aber ich habe
                                                                                               wünsche ich Ihnen ein frohes Osterfest!                                                       auch viele Fragezeichen.» Dennoch wolle er
                                                                                                                                             Kurse · Tagungen                         14     sich als Künstler auch Themen stellen, die
                                                                                                                                                                                             er nicht ganz erklären kann. Das könne er
                                                                                                                                             Gottesdienste an den Wochenenden         15     am besten, indem er seine Bilder sprechen
                                                                                                                                                                                             lasse. «Sie sprechen eine Sprache, die
                                                                                                                                             Kalenderblatt · Zum Schluss              16     andere verstehen.» Die Botschaften, die

                                                                                               2   forumKirche | 8-2017
Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn
Ostern

Licht sieht                                                                                                                News
                                                                                                                           ■ Imam-Ausbildung in Paris geplant
                                                                                                                           Frankreich will im September 2018 ein
                                                                                                                           neues Institut für die Ausbildung von

                                                                                                   Bild: Peter Rottmeier
                                                                                                                           Imamen eröffnen. Die Vereinigung der
                                                                                                                           Moscheen Frankreichs (UMF) habe dem
                                                                                                                           Plan zugestimmt, wird berichtet. Der
                                                                                                                           Kampf gegen die Radikalisierung von
                                                                                                                           Jugendlichen hänge von der Fähigkeit
                                                                                                                           Frankreichs ab, religiöse Persönlichkeiten
                                                                                                                           auszubilden, betonte UMF. Die Ausbildung
                                                                                                                           soll in Evry südlich von Paris stattfinden.

                                                                                                                           Mangelnder Kinderschutz in Orden
                                                                                                                           Die irische Kommission zum Schutz von
                                                                                                                           Kindern in der katholischen Kirche hat in
                                                                                                                           einem aktuellen Bericht drei Ordensge-
                                                                                                                           meinschaften für deren Umgang mit Miss-
                                                                                                                           brauchsvorwürfen kritisiert. Die Kommis-
                                                                                                                           sion vermisst beim Orden der Brüder der
                                                                                                                           christlichen Schulen, der Prämonstraten-
                                                                                                                           ser und der Nazarethschwestern eine
                                                                                                                           Umsetzung der 2009 festgeschriebenen
                                                                                                                           Kinderschutzmassnahmen.

                                                                                                                           Für Debatte über verheiratete Priester
                                                                                                                           Der emeritierte deutsche Kurienkardinal
                                                                                                                           Walter Kasper pocht auf eine offene Dis-
                                                                                                                           kussion über verheiratete Priester in der
                                                                                                                           katholischen Kirche. Konkret geht es ihm
                                                                                                                           nicht um die Abschaffung des Zölibats,
                                                                                                                           sondern um die Möglichkeit, sogenannte
                                                                                                                           «viri probati» zu Priestern zu weihen, also
                                                                                                                           in Ehe und Beruf erfahrene Männer. «Wir
                                                                                                                           können so, wie es jetzt ist, nicht weiter-
                                                                                                                           machen», sagte Kasper.

                                                                                                                           Papst entlässt Vatikan-Mitarbeiter
                                                                                                                           Ein ranghoher Schweizer Angestellter im
 Peter Rottmaier: Die Auferstehung Jesu, Holzschnitt 2012
                                                                                                                           Vatikan soll laut Medienberichten auf per-
                                                                                                                           sönliche Intervention von Papst Franziskus
                                                                                                                           hin entlassen worden sein. Es handle sich
 sie vermitteln ergeben sich aus den vier-         führt. Zudem arbeitet der Künstler mit Scha-
                                                                                                                           um Eugene Hasler, Sekretär von Bischof
 zehn Stationen des Lichtwegs. Dazu                blonen. So trägt er die Farben Gold und Sil-
                                                                                                                           Fernando Vergez Alzaga, dem zweiten
 gehören unter anderen «Die Auferstehung           ber mit Hilfe einer Schablone und eines
                                                                                                                           Mann im Governatorat des Vatikanstaats.
 Jesu», «Auf dem Weg nach Emmaus»,                 Stupfpinsels auf jedes einzelne Bild auf.
                                                                                                                           Motiv für das ungewöhnliche päpstliche
 «Im Abendmahlssaal», «Himmelfahrt» oder           «Das geht nur, weil ich kleine Auflagen ma-
                                                                                                                           Eingreifen sollen interne Spannungen
 «Die Geistsendung».                               che», sagt er. Bei der Via Lucis sind es zehn
                                                                                                                           gewesen sein.
                                                   Stück. Ein vollständiger Zyklus ist noch im
 Alte Technik                                      Besitz des Künstlers. Einer ist ganzjährig –                            Kluft zwischen Arm und Reich
 Peter Rottmeiers künstlerisches Medium ist        ausser in der Passionszeit – in der katholi-                            Papst Franziskus beklagt eine «dramati-
 der Holzschnitt. Zu dieser Technik fand der       schen Kirche in Geroldswil (ZH) ausgestellt.                            sche Kluft zwischen denen, die zu viel,
 gelernte Schriftsetzer und spätere Real-          Ein weiterer befindet sich im Kloster Bene-                             und denen, die nichts haben». Es müsse
 schullehrer über seine Liebe zum Holz. «Es        diktbeuren (D). Zudem besteht die Möglich-                              gerechtere Formen der Teilhabe geben,
 ist eine ganz alte Technik», so Rottmeier.        keit, die Bilderreihe beim Künstler auszulei-                           forderte er auf einem Kongress zu der vor
 Der Holzschnitt erlebte um 1500 mit der           hen oder in Buchform zu beziehen. «Ich                                  50 Jahren erschienenen Sozial-Enzyklika
 Erfindung des Buchdrucks eine Hochblüte.          freue mich», so Peter Rottmeier, «wenn ich                              «Populorum progressio». Nur eine Integra-
 Damals dienten die prägnanten Schwarz-            mit meinen Holzschnitten mithelfen darf,                                tion zwischen armen und reichen Gesell-
 Weiss-Bilder zur Illustration von Büchern.        die Via Lucis in die Welt hinauszutragen.                               schaften ermögliche «eine Zukunft des
 Peter Rottmeier dagegen erzeugt im Zyklus                                                                                 Friedens und der Hoffnung», so der Papst.
 Via Lucis feine Farbabstufungen. Das ge-                                Sibylle Zambon-Akeret
 lingt, weil er unterschiedliche Druckstöcke                                                                                                             kath.ch/Red.
 verwendet und mehrere Arbeitsgänge aus-           ■   Weitere Infos: www.pero.ch

                                                                                                                                              forumKirche | 8-2017       3
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Ökumene

Mehr als eine diplomatische Geste
Stimmen zum ökumenischen Gedenkanlass in Zug

                                                                                                Bild: Sibylle Kathriner
                                                                                                                          lichen Kommission Justitia et Pax, Thomas
                                                                                                                          Wallimann-Sasaki, war vom Gedenkanlass
                                                                                                                          «intellektuell und persönlich angesprochen»,
                                                                                                                          wie er auf Anfrage sagte. In Zug sei eine
                                                                                                                          Gemeinschaft aus Persönlichkeiten beider
                                                                                                                          Konfessionen und dank vieler Angebote
                                                                                                                          auch eine «Chilbistimmung» entstanden.
                                                                                                                          Dass das Zeichen der Versöhnung am
                                                                                                                          Schluss kam, empfand er als «sehr gelun-
                                                                                                                          gen». «Ein Gottesdienst kann ja erst leben-
                                                                                                                          dig werden, wenn Gemeinschaft da ist», ist
                                                                                                                          er überzeugt. Auch das gemeinsame Teilen
                                                                                                                          des Brotes sei sehr gut umgesetzt gewesen.

                                                                                                                          Zeichen gesetzt
                                                                                                                          Als problematisch empfand Wallimann,
                                                                                                                          dass die Ökumene ausschliesslich aufs
                                                                                                                          Liturgische ausgerichtet war. Gerade in die-
                                                                                                                          sem Bereich werde man wohl auf höheren
                                                                                                                          Ebenen zuletzt zueinander finden, sagte er.
                                                                                                                          Und er meinte: «Das Zeichen ist gesetzt.
Eine Umarmung als Zeichen der Versöhnung: Gottfried Locher (links) und Bischof Felix Gmür                                 Jetzt muss man gemeinsam Nägel mit
                                                                                                                          Köpfen machen.» Was für ihn heisst:
                                                                                                                          Soziale, diakonische und politische The-
Der ökumenische Gedenkanlass zur Refor-           Ausdruck gebracht, die im Dialog der bei-                               men müssen auf den Tisch.
mation und zu Niklaus von Flüe am 1. April        den Konfessionen seit Jahren spürbar sei.                               Auch für Michel Müller, den Kirchenrats-
in Zug kam gut an bei den Beteiligten und         Zum gesamten Gedenkanlass meinte er:                                    präsidenten der reformierten Kirche Kanton
Besuchern. Dies zeigt eine Umfrage von            «Die Dynamik, die im Motto ‹Gemeinsam                                   Zürich, ist die Sache mit der ökumenischen
kath.ch bei Exponenten der katholischen           zur Mitte› steckt, hat sich entfaltet.» Die                             Geste am Gedenktag nicht abgeschlossen.
und reformierten Kirche, darunter Gottfried       Begegnungen, Gespräche, Vorträge und die                                «Das ökumenische Zeichen hat etwas vor-
Locher und Bischof Felix Gmür.                    Feier des ökumenischen Gottesdienstes                                   weggenommen, was noch nicht eingelöst
                                                  als Höhepunkt hätten ihn bestärkt, den                                  ist und noch nicht von allen Beteiligten
Die beiden Jubiläen zur Reformation und zu        gemeinsamen Weg weiterzugehen.                                          beider Konfessionen getragen wird», sagte
Niklaus von Flüe hätten «einander berei-          «Diese wichtigen Gesten und Bekenntnisse                                er auf Anfrage. «Alle am Gedenken Anwe-
chert» und die Kirchen über Konfessions-          von Gottfried Locher und Bischof Felix ha-                              senden haben nun die Aufgabe, innerlich
grenzen hinweg zusammengeführt, meinte            ben das Gedenken zu einer Feier werden                                  diesem Akt zu folgen.»
Gottfried Locher, Präsident des Schweize-         lassen», sagte Luc Humbel, der als Präsi-
rischen Evangelischen Kirchenbunds:               dent der Römisch-katholischen Zentralkon-                               Vor der Versöhnung das Schuldbekenntnis
«‹Zug› könnte zum Meilenstein der Schwei-         ferenz zu Gast war. «Dieses Engagement                                  Der Versöhnungsgeste und Entschuldigung
zer Ökumene werden.»                              und die damit zum Ausdruck gebrachte                                    von Locher und Gmür voran ging ein
Gottfried Locher und der Basler Bischof           Haltung haben mich tief berührt.»                                       Schuldbekenntnis. «Wir bekennen, dass
Felix Gmür leiteten den ökumenischen Got-                                                                                 wir einander Gewalt angetan haben und
tesdienst am Nachmittag, bei dem es zu            Versöhnung auch zwischen Menschen                                       gegeneinander gar in den Krieg gezogen
einer wohl historischen Entschuldigung der        «Vielen Gottesdienstteilnehmenden ist die                               sind – in die Kappelerkriege, in die
Konfessionen kam. Zu jenem Moment sag-            Entschuldigung unter die Haut gegangen»,                                Schlacht am Gubel, in die Villmergenkrie-
te Locher im Nachhinein: «Was mir Bischof         fand auch Sabine Brändlin, die bei der re-                              ge», heisst es da. Und weiter: «Dass wir
Felix gesagt hat, war echt. Offenbar ging es      formierten Kirche Kanton Aargau die Fach-                               einander als Ketzer verfolgt, aus den Dör-
ihm bei meinen Worten auch so. Nur des-           stelle «Frauen, Männer, Gender» leitet. Die                             fern vertrieben, ausgehungert, eingekerkert
halb konnten wir einander umarmen.» Das           Leute wüssten aus ihrer eigenen Familie,                                oder lebendigen Leibs verbrannt haben.»
habe ihn gerührt, wie offenbar auch viele         wie schwierig das Miteinander der beiden                                In einem Referat am Vormittag hob der
Anwesende.                                        Konfessionen lange Zeit war. «Am Samstag                                Historiker Josef Lang hervor, dass Niklaus
                                                  ist es zu einem wichtigen Schritt der Ver-                              von Flüe «als Vorläufer des Protestan-
Bestärkt auf dem gemeinsamen Weg                  söhnung gekommen – nicht nur zwischen                                   tismus» betrachtet werden könne, sagte
Die gegenseitige Bitte um Entschuldigung          Institutionen, sondern auch zwischen                                    Lang. Er habe einen Übergang vom Huma-
und Umarmung waren «mehr als eine diplo-          Menschen.»                                                              nismus seiner Zeit zur Reformation gebildet.
matische Geste», sagte Bischof Felix Gmür         Der Leiter des Instituts für Sozialethik
auf Anfrage. Sie hätten eine Haltung zum          ethik22 und Interimspräsident der bischöf-                                                      Regula Pfeifer/Red.

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Aus dem Bistum

«Sexuelle Übergriffe sind Ausnahmen»
Weiterbildung zum Thema «Nähe und Distanz in der Pastoral»

Mit einem obligatorischen Präventions-          kursen darauf hin, dass die Seelsorgenden        kommission zu sexuellen Übergriffen in der
kurs für alle Seelsorgenden will das            im persönlichen Verhalten ein Bewusstsein        Pastoral. Als Seelsorger bewege man sich
Bistum Basel sexuellen Übergriffen vor-         für mögliche Abhängigkeiten und für eine         auf einem schmalen Grat, so Kurt Grüter.
beugen. Im März fanden entsprechende            entsprechend angemessene Form von                Dem aktuellen Weiterbildungskurs attes-
Kurse im Aargau statt. Horizonte hat mit        Nähe und Distanz entwickeln», so Rita            tiert er einen guten Zugang zur Thematik.
der Kursreferentin Rita Wismann-Baratto         Wismann-Baratto, die seit drei Jahren als        Vergleiche man die Beispiele, die im aktuel-
sowie mit Teilnehmenden gesprochen.             Ansprechperson Mitglied im Fachgremium           len Kurs zur Diskussion gestellt würden,
                                                gegen sexuelle Übergriffe im Bistum Basel        mit dem, womit er und seine Kommissions-
Es sind nicht die eindeutigen Situationen,      ist. «Eine Seelsorge-Beziehung darf nie in       mitglieder seinerzeit konfrontiert gewesen
die im Kurs «Nähe und Distanz in der Pas-       eine private Beziehung uminterpretiert wer-      seien, so sei das ziemlich kongruent und
toral» zu reden geben, sondern der «Grau-       den», stellt sie klar. «Es darf nie darum ge-    nahe an der Realität. «Oft geht es ja nicht
bereich». Entsprechend gross ist auch die       hen, dass im Kontakt zum Gegenüber eige-         direkt um konkrete sexuelle Übergriffe, son-
Verunsicherung bei verschiedenen Teilneh-       ne Bedürfnisse eine Rolle spielen.» Das sei      dern um lapidare Bemerkungen oder unre-
merinnen und Teilnehmern. «Was ist zu           umso wichtiger, als in der Beziehung zur         flektiertes Verhalten, das zu Gerüchten und
viel? Was darf ich noch tun?» Solche Fra-       hilfesuchenden Person ja per se schon ein        heiklen Situationen führt.»
gen wurden im Kurs verschiedentlich ge-         Gefälle besteht, das für Abhängigkeiten          In den aktuellen Kursen gehe es darum,
äussert, erinnert sich Veronika Werder aus      anfällig sei. Sexuelle oder freundschaftli-      die Leute für das Thema zu sensibilisieren,
Windisch. «Heutzutage ist in unserer Kultur     che Beziehungen, die sich im Rahmen              erklärt Rita Wismann-Baratto. «Wir klären,
einiges bereits zu viel, das zurzeit von        kirchlicher Seelsorgetätigkeit anbahnen,         wo Abhängigkeitsverhältnisse beginnen,
Jesus unproblematisch war oder in ande-         sind ein absolutes No-Go. Für kirchliche         was Formen der sexuellen Belästigung
ren Kulturen kein Problem darstellen wür-       Mitarbeitende gelten gleich strenge Mass-        sind. Mein Ziel ist es, den Seelsorgenden
de. Gewisse Menschen erleben Handaufle-         stäbe wie für Therapeuten oder Ärzte,            Sicherheit in diesem Thema zu geben. Sie
gen als wohltuend, für andere ist es ein        bestätigt Rita Wismann-Baratto.                  sollen eine Bewusstseinsstärkung im Zu-
Übergriff.» Es gelte daher, das richtige                                                         sammenhang mit dem eigenen Verhalten
«Gspür» zu entwickeln, so Veronika Werder.      «Das Thema ist sehr aufgeladen»                  erfahren, aber auch wissen, wie sie sich
                                                Dass die Situation gerade in der Seelsorge       bei problematischen Situationen in der
223 Fälle in sechs Jahren                       schnell einmal heikel werden kann, weiss         Gemeinde zu verhalten haben.»
Genau jene «Grauzonen» sichtbar zu ma-          auch Kurt Grüter. Der Leiter des Pastoral-
chen, ist für Rita Wismann-Baratto sehr         raumes «Unteres Freiamt» war unter Bi-                                    Andreas C. Müller,
wichtig. «Sexuelle Übergriffe sind Gott sei     schof Kurt Koch Mitglied einer Experten-                  Aargauer Pfarrblatt Horizonte/Red.
Dank Ausnahmen. Umso wichtiger ist es,

                                                                                                                                                 Bild: Roger Wehrli
sich mit dem Thema ‹Nähe und Distanz› zu
befassen, um sich bewusst zu machen, wo
Grenzverletzungen entstehen können», so
die Gemeindeleiterin aus Suhr. Der Besuch
eines solchen Kurses ist für Priester und
Diakone, aber auch für Laientheologinnen,
bzw. Laientheologen sowie Katechetinnen
und Katecheten, die mit einer Missio
canonica beauftragt sind, obligatorisch.
Ein Blick in die Statistiken der Schweizeri-
schen Bischofskonferenz zeigt: Von den
223 Fällen, die im Zeitraum von 2010 bis
2015 für die ganze Schweiz gemeldet wor-
den waren, ereignete sich der grösste Teil in
den Jahren von 1950 bis 1990. Für den Zei-
traum von 2000 bis 2015 verzeichnet die
Statistik der Schweizer Bischöfe allerdings
wieder mehr gemeldete Übergriffe. 55 Fälle
waren sexuell gefärbte Äusserungen und
Gesten, alle weiteren Vorfälle erfüllten den
Tatbestand von schwereren Vergehen.

Massstäbe wie für Ärzte und Therapeuten
«Für alle Formen sexueller Übergriffe gilt im
Bistum die Nulltoleranz-Politik. Entspre-
chend arbeiten wir in den Weiterbildungs-       Rita Wismann-Baratto möchte Seelsorgende für das Thema «Nähe und Distanz» sensibilisieren.

                                                                                                                     forumKirche | 8-2017    5
Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn
Kino

«Ich habe muslimische Gebete gelernt»
Ein Film über eine junge IS-Sympathisantin

                                                                                                                                               Bild: © Agora/Filmcoopi
                                                                                                                   Noémie Merlant spielt
                                                                                                                   eine 17-Jährige, die
                                                                                                                   heimlich zum Islam
                                                                                                                   übertritt und sich
                                                                                                                   radikalisiert.

Über junge Männer, die für den Krieg in         waren sie auf der Suche nach dem Sinn in       Gehirnwäsche. Ist das eine Hauptbotschaft
Syrien rekrutiert werden, gibt es viele         ihrem Leben.                                   des Films?
News-Beiträge und Videos. Nun themati-                                                         Viele dieser Mädchen wissen überhaupt
siert der französische Film «Der Himmel         Welche Motivation gibt es bei jungen           nichts vom Islam. Viele lernen Gebete, die
wird warten» die Rolle von jungen, west-        Frauen in Frankreich, sich für den IS zu en-   sie nicht verstehen. Sie tun einfach, was ih-
lichen Frauen in diesem Konflikt. kath.ch       gagieren?                                      nen aufgetragen wird. Sie sind in dieser re-
hat mit der katholischen Schauspielerin         Es gibt einen spirituellen oder religiösen     ligiösen Welt gefangen. Es gibt darüber hin-
Noémie Merlant über ihre Erfahrungen in         Anteil. Einige Mädchen kommen aus einer        aus auch viele, die sich verlieben. Der
der Rolle einer muslimischen Konvertitin        muslimischen Kultur, haben aber ihre kon-      IS-Mann wird zu einer Art «Prinz». Das führt
gesprochen. Der Film läuft seit Anfang          krete religiöse Praxis verloren. Andere sind   zu Träumereien. Bei anderen gibt es eine
April in den Schweizer Kinos.                   nicht-praktizierende Katholikinnen, Jüdin-     spirituelle Suche, ein Forschen nach Gott
                                                nen und Atheistinnen. Ihnen fehlen Antwor-     und einem reinen Leben, das in vollständi-
Welche Herausforderung war es für Sie, die      ten nach dem Sinn des Lebens und des To-       gem Gegensatz zu unserer modernen Ge-
Rolle von Sonia zu spielen?                     des. Das ängstigt sie. Die Welt bewegt sich    sellschaft steht. Das ist natürlich über-
Die Dreharbeiten begannen im November           zudem in grosser Geschwindigkeit: Es han-      haupt nicht das, was sie in Syrien im Krieg
2015, genau drei Tage nach dem Attentat         delt sich um ein ständiges «Zapping», mit      finden.
in Paris. Ich kannte die Rolle aus dem          der Jagd nach Anerkennung und Reichtum.
Drehbuch und war mir bewusst, dass es ei-       Da stellen sich viele junge Frauen in der      Haben Sie für die Rolle von Sonia musli-
ne komplexe Figur ist. Es geht um eine Ak-      Schule die Frage, wozu dies alles gut ist.     mische Gebete und Rituale gelernt?
tualität, die nicht einfach zu verstehen ist.                                                  Ja, aber nicht nur für die Rolle, sondern
Man spricht darüber in den Medien, aber         Wie kann es geschehen, dass sich junge         auch für mich selbst. Ich wollte auch einen
es gibt keine emotionale Annäherungs-           Frauen aus der offenen Gesellschaft            Imam treffen, der nicht diesen fundamenta-
weise an diese Mädchen, die für den IS          westlichen Stils zurückziehen und zu einer     listischen Ansatz des Islam vertritt. Ich ha-
rekrutiert werden. Mit einer guten Distanz      strengen Religiosität konvertieren?            be mir auch viel dokumentarisches Materi-
wird es möglich, den Dialog in den Mittel-      Man sieht in den Propaganda-Videos Frage-      al angeschaut.
punkt zu stellen, die Sinnfragen und die        stellungen, die sich auf wahre Probleme
Bedeutung dieser Ereignisse für die Gesell-     beziehen. Durch soziale Netzwerke werden       Welche Beziehung haben Sie zum Islam
schaft.                                         diese Videos verbreitet und verstärken die     nach diesem Film?
                                                Ängste der jungen Frauen. IS-Leute nutzen      Ich kannte den Islam vorher gar nicht. Was
War das Drehbuch festgelegt, oder konnten       die Gelegenheit und bauen Beziehungen zu       man am Fernseher sieht und hört, führt
Sie selber Aspekte und Themen in die Rolle      ihren Opfern auf. Sie verdrehen ihnen den      vielfach zu einer Konfusion. Ich selber bin
einbringen?                                     Kopf. Dies führt zu einer zunehmenden Ab-      Katholikin und meine, dass es nicht sein
Es gab Improvisationen. Die Person, die ich     hängigkeit. Die Gruppe ersetzt das Individu-   kann, die terroristischen Akte mit dem
spiele, habe ich durch viele Gespräche mit      um. Mit hunderten von Botschaften pro Tag      Islam zu vermischen. Das führt nur zur
betroffenen jungen Frauen und ihren Fami-       wird so eine eigene soziale Welt aufgebaut.    Verletzung von praktizierenden Muslimen.
lien erarbeitet. Es gibt ein gesellschaftli-    Herz und Kopf dieser Mädchen werden            An der Basis sind christliche und islami-
ches Unbehagen gegenüber dem Konsum,            durch diese Propaganda manipuliert.            sche Ansichten vergleichbar. Sie beziehen
gleichzeitig das Bedürfnis nach einer rei-                                                     sich auf Werte wie Frieden und Toleranz.
nen Liebe. Es gab Frauen, die mir von ihrer     Es gibt im Film die Unterscheidung
Spiritualität erzählt haben; in Wirklichkeit    zwischen freier Gewissensentscheidung und                              Charles Martig/Red.

6   forumKirche | 8-2017
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Bruder Klaus

Frau und Familie verlassen
Niklaus von Flüe – Mensch und Mystiker seiner Zeit (3)

                                                                                               Bild: Louis Brem, Luzern
Was stritten sich doch die Theologen und        gen waren gefragt. Warum sollte sich
Geschichtsschreiber in seiner Zeit. Darf        Dorothea nicht dazu entschieden haben,
Niklaus seine Familie und seine Kinder          zum Wohle der Familie und deren Fortbe-
einfach verlassen?                              standes, Niklaus zu unterstützen, dass
                                                sein Wegzug möglich wurde? Oder gar
Selten gab es so etwas ja nicht. War es         noch mehr, vielleicht war es ja auch not-
doch so, dass viele Männer auf Wallfahr-        wendig, dass er ging? Nichts mehr als die
ten gingen, um das Heil zu suchen, viel-        Ordnung stand auf dem Spiel. Mit dem
leicht auch um aus den Umständen aus-           Abschied war sie wieder da. Die Ordnung.
zubrechen. Aber nichtsdestotrotz, einfach       Und so stellt der Abschied im ersten nicht
zu gehen, und alles zurückzulassen – war        einfach eine Abwendung von der Familie
dies ein akzeptabler Weg?                       dar, sondern eine Perspektive für die
                                                Zukunft. Er selbst sah seine in der Hin-
Schwer zu verstehen                             wendung zu Gott.
Petrus Numagen von Trier wollte es bewei-
sen, dass es juristisch rechtens war. In        Heiligmässige Frau
scholastischer Manier überzeugte er 1483        Dorothea war wohl eine anständige, starke
seine Nachwelt. Ja, um ein gotterfülltes        Frau. Und nicht selten gingen die Besucher
Leben zu führen darf man sie verlassen –        zuerst zu ihr, bevor der steile Weg in die
die Frau. Heinrich Wölfin, erster offizieller   nahe gelegene Klause unter die Füsse ge-
Biograf, der im Auftrag des Standes Obwal-      nommen wurde. «Eyne suberliche junge
den die Lebensgeschichte des Heiligen im        Frawe» mit einem «suberlich angesichte
Ranft 1501 aufschrieb, machte es schon          und eyn glat vel» sei sie gewesen, so be-
sensibler. Eine intakte Beziehung sei es        richten die Quellen. Sprache ändert sich,
gewesen, die Ehe zwischen Klaus und             aber Schönheit bleibt wohl.
Dorothea, und die Trennung fand unter
dem Einverständnis seiner Gattin statt. Ein     In der Wirkungsgeschichte wurde Dorothea
einvernehmlicher Entscheid sei es gewe-         selbst zu einer heiligmässigen Frau. Ja, sie
sen. Trotzdem, die Nachwelt, gerade jene        war und ist selbst als Heilige zu sehen.
des 21. Jahrhunderts, bekundete trotzdem        Gedanken, die Papst Johannes Paul II. bei
Mühe. Die Mühe ist zu verstehen, wenn           seinem Besuch im Ranft 1984 auch
man das bürgerliche Familienideal des           aufnahm.
19. Jahrhunderts zur Folie nimmt. Aber die
Sache lässt sich nicht so einfach sehen.        Gefragter Berater
                                                Niklaus von Flüe wurde zum Ratgeber sei-
Niklaus von Flüe, so moderne Interpreten,       ner Zeit. Menschen gingen zu ihm, baten
lebte in einer ganz anderen Zeit. Die Fami-     um Rat. 1467, nach irrigen Wegen bis nach
lie war nicht per se – nur – eine Liebes-       Liestal, fand er wieder zurück. Zuerst im
gemeinschaft, vielmehr eine auch von wirt-      Stall versteckt, im Wald herumirrend, lebte
schaftlichen Interessen geprägte. Und der       er fortan in einer eigens für ihn gebauten
Vater hatte seine Rolle zu spielen. Er war      Klause. Weit herum wurde bekannt, dass
Oberhaupt der Familie, Garant dafür, dass       hier ein Mann lebte, den man um Rat fra-
das System «Familie» funktionierte.             gen konnte. Von Abgeschiedenheit also kei-
                                                ne Spur, durchaus reges Kommen und Ge-
Ausweg aus einer Krise                          hen. Alltag in der Einsamkeit sieht anders
Und dann dies: Die Krise des Niklaus. Er        aus. Und dann noch mehr: Niklaus, Bruder
war zeitweise – vielleicht gar sehr lange –     Klaus, wurde ungewollt in theologische
nicht mehr ansprechbar. Er versank in tiefe     Debatten verstrickt, deshalb auch die Bitte
Depressionen, in heutigen Bildern ausge-        von den Standesherren, man möge ihn
drückt. Er schwieg am oberen Ende des           doch schützen und schauen, dass nicht
Tisches, seine Rolle spielte er nicht mehr.     jeder Dahergelaufene – sei er nun gescheit
Unerträglich für ein System, wenn jener,        oder dumm – ihn belästige.
der es repräsentiert und am Laufen hält,                                                                                  Dorothea von Flüe mit drei ihrer Kinder vor der
nichts mehr tut. Ökonomisch gesichert –                                   Guido Estermann                                 Villa Foresta, Mendrisio – Skulptur von Rolf
der älteste Sohn war ja bereits 20 Jahre –,                                                                               Brem (Meggen, 1926–2014)
musste das System wieder in die Ordnung
gebracht werden. Einvernehmliche Lösun-

                                                                                                                                               forumKirche | 8-2017     7
Pfarreiblatt der Bistumskantone Schaffhausen und Thurgau - Katholische Pfarrei Romanshorn
Kirche Schweiz · Diverses

                                                                        Bild: © Zentrum Ranft
                                                                                                Dachverband gegründet
                                                                                                Schweizer Hindus treten mit vereinter Stimme auf

                                                                                                In der Schweiz gibt es 50’000 Hindus. Bis vor Kurzem hatten sie
                                                                                                noch keine gemeinsame Stimme. Am 2. April haben sich jedoch
                                                                                                verschiedene Vereine zusammengeschlossen und den Schweizeri-
                                                                                                schen Dachverband für Hinduismus gegründet.

                                                                                                Mit dem Schweizerischen Dachverband für Hinduismus haben die
                                                                                                verschiedenen Gruppen und Gemeinschaften «einen gerechten,
                                                                                                offiziellen Platz in der multireligiösen Schweiz» – und damit «end-
                                                                                                lich eine gemeinsame Stimme» erhalten, heisst es in der Medien-
Das Dorothea-Haus in Flüeli-Ranft                                                               mitteilung des neuen Dachverbands.

                                                                                                Dieser soll die Zusammenarbeit unter den verschiedenen Hindu-
Neues spirituelles Zentrum                                                                      Gemeinschaften stärken, wie Vorstandsmitglied Krishna
                                                                                                Premarũpa Dasa gegenüber kath.ch sagte. «Wir wünschen uns
Dorothea-Haus mit neuer Ausrichtung                                                             aber auch, dass wir den Hinduismus somit in der Öffentlichkeit
                                                                                                sichtbarer machen können.» Der interreligiöse Dialog könne nur
In Flüeli-Ranft soll unter dem Namen «Zentrum Ranft» ein                                        stattfinden, wenn diese Religion «für Aussenstehende verständ-
spirituelles Bildungshaus entstehen. Eine neue Trägerschaft hat                                 licher und zugänglicher wird», so Premarũpa Dasa weiter. Dazu
dazu das Dorothea-Haus erworben, wie einer Mitteilung des                                       werde der Dachverband in Zukunft Veranstaltungen organisieren,
Vereins Zentrum Ranft zu entnehmen ist.                                                         eine Website aufschalten und auch Publikationen veröffentlichen.

«Flüeli braucht ein spirituelles Haus», sagt Ursula Bründler Stadler,                           Gründung war nicht einfach
Präsidentin des neuen Vereins Zentrum Ranft, gegenüber kath.ch.                                 Von den 50’000 Schweizer Hindus seien jedoch noch nicht alle un-
Sie umschreibt das geplante Angebot mit den Worten «Stille,                                     ter einem Dach. Das Bedürfnis nach einer gemeinsamen Stimme
Spiritualität und Solidarität».                                                                 habe zwar schon lange bestanden, so das Vorstandsmitglied. Doch
                                                                                                der Kontakt unter den Vereinen war eher dürftig. Denn der Hinduis-
Angebote für Jugendliche und Langzeitgäste                                                      mus in der Schweiz ist laut Premarūpa Dasa vielfältig. Es gibt
Nebst den Kontemplationskursen, die auch bisher im Via Cordis-                                  tamilische Hindus aus Sri Lanka, oder aus Indien, Nepal oder
Haus St. Dorothea (so der bisherige Name) stattfanden, will der                                 Hindus mit Schweizer Wurzeln. «Erst als wir gemerkt haben, dass
Verein drei neue Schwerpunkte setzen: Den Aufbau einer betreuten                                mehrere Vereine und Vertreter ein gemeinsames Ziel hatten,
Wohngruppe für Jugendliche über 16 Jahren, die auch den Garten                                  entstand der Kontakt untereinander», sagt Premarūpa Dasa.
bewirtschaften soll, ein Angebot für Langzeitgäste, das eine «kur-
hausmässige Betreuung» mit therapeutischer Begleitung beinhal-                                  Erst ein Anfang
tet, sowie den Aufbau einer spirituellen Lebensgemeinschaft vor                                 Bei der Gründung am 2. April seien rund 60 Privatpersonen und
Ort, erklärt Bründler. Das Angebot soll laut Mitteilung auf Einzel-                             etwa ein Dutzend Vereine und Tempel in Winterthur anwesend
und Langzeitgäste sowie auf Menschen aus der Umgebung aus-                                      gewesen, so Premarūpa Dasa. Darunter ein paar tamilische Tem-
gerichtet sein, mit einer «vegan-vegetarischen Gastronomie».                                    pel aus dem Raum Zürich, wie Adliswil, Glattbrugg und Dürnten, so
Mit den drei genannten Werten soll das Vermächtnis von Niklaus                                  wie aus St. Margrethen und Chur. Hinduistische Vereine wie die
von Flüe, Bescheidenheit und Friedensvermittlung, zum Ausdruck                                  Ramakrishna Mission in Genf, Omkarananda Ashrama aus Winter-
kommen. Die soziale Verantwortung werde durch ein «einfaches,                                   thur und die Krishna Gemeinschaft Schweiz in Zürich sowie Nepale-
gutes, aber bewusst bescheidenes Angebot realisiert, gerade auch                                sische Hinduisten waren ebenso vertreten. Mit weiteren Tempeln
für Leute mit beschränktem Budget», heisst es in der Mitteilung.                                aus Trimbach, Basel und Bern und anderen stehe der Dachverband
                                                                                                schon in Kontakt. Diese müssten die Mitgliedschaft jedoch unter
                                                        kath.ch/Red.                            sich noch besprechen. «Wir stehen also noch am Anfang, sind
                                                                                                jedoch optimistisch», meint das Vorstandsmitglied. Ein wichtiger
                                                                                                Schritt sei mit der Gründung jedoch gemacht, ist er sich sicher.

Filme zu «Laudato si»                                                                                                                                  kath.ch/Red.

2015 veröffentlichte Papst Franziskus seine Enzyklika «Laudato si».
Darin ruft er zu einem besonnenen und gerechten Umgang mit den
zur Verfügung stehenden Ressourcen und der Umwelt auf.
Die Mediendienststelle der Erzdiözese München und Freising hat
nun eine Liste von Filmen veröffentlicht, die die Themen der Enzy-
klika aufgreifen. Die Filme eignen sich zum Einsatz in der Kateche-
se und Erwachsenenbildung. Die Filmempfehlungen können unter
www.bit.ly/2jEL35v eingesehen und heruntergeladen werden.                                                                           Besuchen Sie uns auf
                                                                                                                                    www.forumkirche.ch
                                                                 Red.

8   forumKirche | 8-2017
Kinder fragen …

Zeichnung:
Furkan, 11 Jahre

                     Die 4b-Klasse der Volksschule Hasenfeld in Lustenau, Vorarlberg, hat bereits Erfahrung
                     im Philosophieren. Seit November letzten Jahres setzen sie sich regelmässig im Kreis
                     zusammen, um gemeinsam über ihre Fragen nachzudenken. Heute haben sich die
                     19 Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren für Amelys Frage entschieden:

Warum machen die Menschen
die Welt kaputt?     Ich eröffne das Gespräch, indem ich darauf hinweise,      Auch vom Palmöl haben die Kinder schon gehört, für
                     dass sich in dieser Frage eine Annahme versteckt.         das Regenwald abgeholzt wird und das sich in vielen
                     Die Kinder stellen jedoch klar, dass die Aussage «Die     Produkten befindet, leider auch in Nutella. Es drängt
                     Menschen machen die Welt kaputt» stimme und somit         sich die Erkenntnis auf, dass, obwohl wir es nicht
                     keine Annahme, sondern eine Tatsache sei. Dies            wollen, auch wir die Welt kaputt machen, indem wir
                     belegen sie mit einigen Beispielen:                       diese Produkte essen.
                     «Die Abgase der Menschen verschmutzen die Umwelt.»        Plötzlich kommt den Kindern der Biber in den Sinn.
                     «Die Menschen wollen die Erde für sich selbst haben       Der fällt auch Bäume und zwar viele in kürzester Zeit,
                     und fällen Bäume.»                                        wie sie selbst an einer Wasserstelle in der Nähe
                     Darauf eingehend meint ein Junge, die Menschen ma-        beobachten können. Dennoch, der Biber macht die
                     chen Krieg und zerstören dabei viele Bäume. Erst durch    Welt nicht kaputt. «Warum?», frage ich nach. «Weil er
                     erstauntes Nachfragen ergänzt er: «Und Menschen.»         die Bäume für seine Kinder braucht und wir für Geld.»
                     Auch die zweite Aussage wird genauer beleuchtet: «Die     Ich will es genauer wissen: «Ihr seid doch auch Kinder,
                     Länder mit dem meisten Geld wollen die Erde für sich      eure Eltern brauchen doch für euch Geld?» – «Ja, aber
                     haben.» «Wie zum Beispiel Donald Trump, er will die       nicht so viel.» – «Menschen kaufen unnütze Dinge, wie
                     ganzen USA für sich allein haben und baut Türme mit       zum Beispiel Alkohol», «…oder Zigaretten», «…oder
                     seinem Namen drauf.»                                      Playstation», ergänzen die Kinder.
                     Ein Junge erzählt von einer Frau, die zwei Jahre in       An dieser Stelle war die Schulstunde beinahe zu Ende,
                     einem Mammutbaum gelebt hat, um zu verhindern,            etwas war einem Kind jedoch noch wichtig: «Jeder
                     dass der Wald abgeholzt wird. Schlussendlich musste       Mensch will angeben, deswegen kauft er Dinge, die er
                     sie wegziehen. Der Grund waren Überraschungseier,         nicht braucht.»
                     erklärt der Schüler, der dies von seiner Mutter wusste.
                     Gemeint war eine Kakaoplantage, die nach der Rodung                             Maria Rüdisser, Kinderphilosophin
                     angepflanzt wurde.

                                                                                                              forumKirche | 8-2017   9
Schaffhausen · Kirche ohne Grenzen – Polnisch

Der Menschen-glücklich-Macher                                                                                                         «Gut wie das
Biblische Geschichten als Spiegel der Seele                                                                                           Das Leben vom heiligen Bruder

                                                                                                   Bild: www.profile-productions.ch
                                                                                                                                      Ein bekanntes Bild: Obdachlose in zer-
                                                                                                                                      schlissenen Kleidern liegen auf der Stras-
                                                                                                                                      se und betteln. Viele Menschen schauen
                                                                                                                                      einfach weg. Es gibt aber auch solche, die
                                                                                                                                      in Notleidenden ein hilfsbedürftiges Ge-
                                                                                                                                      schöpf Gottes erkennen. Zu ihnen gehörte
                                                                                                                                      der heilige Bruder Albert. Kirche ohne
                                                                                                                                      Grenzen hat sich auf Spurensuche ge-
                                                                                                                                      macht und einen Barmherzigen entdeckt,
                                                                                                                                      der besonders für polnische Gläubige
                                                                                                                                      wichtig ist.

                                                                                                                                      Er wurde im Jahr 1845 unter den Namen
                                                                                                                                      Adam Hilarius Chmielowski als Sohn adeli-
Carlos Martínez tritt am 6. Mai in Schaffhausen auf (www.profile-productions.ch).                                                     ger Eltern in Polen geboren. Schon früh
                                                                                                                                      lernte er die schwierigen Seiten des Le-
                                                                                                                                      bens kennen. Mit elf Jahren wurde er Wai-
Einen Magier ohne Trickkisten, nannte ihn          Martínez in einem Interview mit dem deut-                                          se und mit siebzehn verlor er durch eine
die NZZ; als einen Menschen-glücklich-             schen Fernsehsender Hope Channel, «aber                                            Kampfverletzung bei einem Volksaufstand
Macher bezeichnete ihn einmal ein Zu-              ihre Perspektive.» Er wolle in seinen Pro-                                         ein Bein. Als in der Heimat der Aufstand ge-
schauer. Nun kommt der preisgekrönte               grammen einen Gott zeigen, der die Welt in                                         gen die zaristischen Unterdrücker miss-
Mime Carlos Martínez nach Schaffhausen.            seinen Händen hält und auf sie aufpasst.                                           glückte, musste Adam ins Ausland fliehen.
                                                   «Ich erzähle einfach die Geschichten der                                           Im Jahr 1887 schloss er sich dem «Dritten
Ob in der Schweiz, irgendwo in Europa oder         Bibel mit viel Menschlichkeit und Humor.»                                          Orden» der Franziskaner an. Unter dem Or-
an andern Orten auf der Welt: Carlos                                                                                                  densnamen Albert gründete er die «Alberti-
Martínez berührt sein Publikum. Aber nicht         Leute zum Lachen bringen                                                           ner», die Diener der Armen. Seine Maxime
mit lauten Töne, sondern mit der Stille.           Seit über 30 Jahren steht Martínez nun auf                                         war: «Gut wie das Brot sein, das für alle auf
Denn der 62-jährige Spanier ist Mime. Die          der Bühne und bereist die ganze Welt.                                              dem Tisch bereit liegt, wenn sie Hunger ha-
Pantomime ist seine Kunstform, die Stille          «Gesten sind international», sagt der Mime.                                        ben.» Er organisierte Hilfswerke verschie-
sein Medium. Bei Martínez wird sie beredt.         Das hat den Vorteil, dass seine Programme                                          denster Art: zum Beispiel Heime für die Ar-
Auf der Bühne, vor schwarzem Hintergrund           überall verstanden werden. Sein Ziel sei                                           men und Körperbehinderten, Volksküchen,
spricht allein die Mimik seines weiss ge-          es, Menschen mit seinen Geschichten zu                                             Asyle und Waisenhäuser sowie Unterkünfte
schminkten Gesichts, begleitet von seinen          berühren. Geschichten erzählen ohne                                                für obdachlose Jugendliche. Jeder konnte
weiss behandschuhten Händen.                       Worte, geht das? «Ja», sagt Martínez. «Ein                                         auf seine Hilfe zählen, ohne Unterschied
                                                   Pantomime tut es, indem er Gefühle,                                                von Konfession oder Nationalität. Doch
«My Bible»                                         Charaktere und Gegenstände darstellt.»                                             Albert wusste auch: Ohne auszuruhen kann
Nun kommt auch das Schweizer Publikum              Der mimische Ausdruck von Gefühlen wie                                             man den Menschen nicht lange dienen.
in den Genuss seiner poetischen Geschich-          Angst, Glück oder Traurigkeit werde von al-                                        Deshalb zog sich der Heilige regelmässig in
ten. Im Mai beginnt er seine Tournee in            len Menschen gleichermassen verstanden.                                            seine Einsiedelei in den südpolnischen
Schaffhausen mit seinem Programm «My               Bei den Gegenständen dagegen, sei es                                               Bergen zurück, um mit Gott alleine zu sein.
Bible». Ein Programm, in welchem er The-           wichtig, solche zu verwenden, die das                                              An diesem Ort konnte er Körper und Geist
men wie die Schöpfungsgeschichte oder              Publikum kennt. Da gebe es kulturelle und                                          erneuern und Kraft, Ausdauer und Hingabe
biblische Personen aufgreift. Wer etwas im         altersbedingte Unterschiede. Telefonappa-                                          für seine Aufgaben empfangen.
Netz recherchiert, findet Programmtrailer,         rate mit Wählscheibe beispielsweise seien
die einen Vorgeschmack auf Carlos                  einem jüngeren Publikum nicht mehr ver-                                            Vorbild auch für den polnischen Papst
Martínez Bibelinterpretation geben. Da ist         traut. «Es ist also wichtig, dass ich mich                                         Schon zu Lebzeiten war Albert ein grosses
Abraham, der sich anschickt, seinen Sohn           dem Publikum anpasse», so Martínez. Das                                            Vorbild. Später inspirierte sein Leben auch
Isaak auf dem Altar zu opfern. In sich ge-         kann auch bedeuten, dass er in einer Num-                                          den polnischen Papst Johannes Paul II.
kehrt und ohne Pathos trifft der Vater alle        mer den Elektroherd durch einen Feuerherd                                          Dieser beschrieb die turbulente Geschichte
nötigen Vorkehrungen. Da ist der Weise aus         austauscht, je nachdem, vor wem er spielt.                                         von Adam Chmielowski im Theaterstück
dem Morgenland, der sein Fernrohr aus-             «Mein Ziel ist, dass sich die Leute mit dem                                        «Bruder unseres Gottes». Im Jahr 1989
fährt und seinen Augen nicht traut. Da ist         identifizieren, was sie auf der Bühne                                              wurde Bruder Albert dann von Johannes
auch Jesus beim letzten Mahl mit seinen            sehen», schreibt der Künstler auf seiner                                           Paul II. kanonisiert. Der Heilige war ein
Jüngern. Martínez versteht es, die bibli-          Website. «Ich bringe sie zum Lachen, weil                                          sensibler und einfühlsamer Mann. Zornig
schen Figuren zum Leben zu erwecken. Sie           Lachen etwas ist, das jeder braucht.»                                              machte ihn aber Gleichgültigkeit gegenüber
werden greifbar und menschlich. «Biblische                                                                                            Hilfsbedürftigen. Trotz seiner körperlichen
Geschichten sind nicht veränderbar», sagt                                  Sibylle Zambon-Akeret                                      Behinderung lebte er standhaft vor, was es

10 forumKirche | 8-2017
Kirche ohne Grenzen – Polnisch

Brot sein»
Albert

                                                                                                    Bild: zVg
                                                                                                                Być dobrym jak chleb
                                                                                                                życie Świętego Brata Alberta
                                                                                                                Obraz leżących na ulicy żebraków
                                                                                                                zna każdy. Większość wybiera nie-
                                                                                                                stety odwracanie wzroku od niewy-
                                                                                                                godnej konfrontacji z nędzą. Na
                                                                                                                szczęście są również tacy, którzy w
                                                                                                                obdartych kloszardach dostrzegają
                                                                                                                stworzenie Boże. Nie jest to łatwe,
                                                                                                                ale Bratu Albertowi się udało.

                                                                                                                Urodził się jako Adam Chmielowski w
                                                                                                                1845 r. Szybko poznał smak cierpienia,
                                                                                                                gdy jako nastolatek stał się sierotą, a
                                                                                                                w walkach powstańczych stracił nogę.
                                                                                                                Podczas carskich represji studiował
                                                                                                                sztuki piękne w Paryżu i Monachium,
                                                                                                                po czym wrócił do Ojczyzny. W 1887 r.
                                                                                                                chęć służenia potrzebującym wzięła
                                                                                                                jednak górę nad polotem artystycz-
                                                                                                                nym. Przywdziawszy szary habit ter-
                                                                                                                cjański u ojców kapucynów, przyjął
                                                                                                                imię Albert. Rok później założył Zgro-
                                                                                                                madzenie Braci Albertynów i później
                                                                                                                Albertynek, posługujące ubogim.

                                                                                                                Pracował z wielkim poświęceniem w
    Bruder Albert gemalt von Leon Wyczółkowski, einem Freund, im Jahr 1902.                                     przekonaniu, że w wyniszczonych i od-
                                                                                                                rzuconych osobach spotykamy same-
                                                                                                                go Chrystusa. Mimo wielu trudności,
    heisst, in den Ärmsten Christus selbst zu       schiedenen albertinischen Einrichtungen                     własnego kalectwa, a później ciężkiej
    begegnen.                                       und ist seither von der Ruhe und Ausdauer                   choroby, pozostał wierny swemu po-
                                                    der Brüder bei ihrer schwierigen Arbeit mit                 wiedzeniu: «Trzeba być dobrym jak
    Polnische Kirche feiert                         Obdachlosen begeistert.                                     chleb, który leży na stole, dla głod-
    Genau 100 Jahre nach seinem Tod zele-                                                                       nych.» Jego wrażliwa natura i nieugię-
    briert die polnische Kirche ein Jahr des                             Interview & Übersetzung:               ta wola działania stały się inspiracją dla
    heiligen Bruder Albert. Dieses begann am                               Monika Freund Schoch                 wielu ludzi, np. dla polskiego papieża
    25. Dezember 2016 mit dem Namenstag                                                                         Jana Pawła II., który za młodu opisał
    des Heiligen. Auch hierzulande ist der Heili-   ■    Die Jubiläumsgottesdienste finden wie                  burzliwe dzieje Brata Alberta w sztuce
    ge vielen Polen bekannt. Im Gespräch mit             folgt statt:                                           teatralnej pt. «Brat naszego Boga.» W
    Mitgliedern der Gebets- und Evangelisa-              – 2. Juli, 17.00 Uhr                                   1989 r. jego osoba została oficjalnie
    tionsgruppe Mörschwil wurde deutlich,                – Bruder Klaus Kirche Eschlikon                        włączona do kanonu Świętych. Dokład-
    dass viele Gläubige ihn als Versorger den            – 23. Juli, 11.00 Uhr                                  nie sto lat po jego śmierci, 25.12.2016
    Ärmsten und als Beispiel absoluter Barm-             – Herz-Jesu-Kapelle St. Gallen                         r., polski Kościół ogłosił rok 2017 ro-
    herzigkeit bewundern. Auch soll sein Bild                                                                   kiem Brata Alberta. W ośrodkach mi-
    «Ecce Homo» in Krakau als wundervollbrin-                                                                   syjnych Eschlikon i St. Gallen również
                                                                                                    Bild: zVg

    gend verehrt werden.                                Monika Freund Schoch (35)                               planowana jest celebracja obchodów
    Die polnischen Missionen in St. Gallen              ist Soziologin polnischer                               roku św. Brata Alberta. Usłyszymy
    und Eschlikon wollen nun auch zusammen              Herkunft. Sie spezialisierte                            wtedy więcej nt. jego osoby, by za
    einen festlichen Gottesdienst zum Jubi-             sich auf Internationale                                 przykładem świętego uczyć się, mimo
    läumsjahr vorbereiten. Pfarrer Gregor               Beziehungen, Diversity-                                 brudu, odoru i nędzy kochać bliźnigo,
    Syska wird dann als Gast predigen. Der              und Integrationsmanagement. Seit zehn                   przywracając w ten sposób godność
    junge Geistliche ist seit seiner Kindheit von       Jahren lebt sie mit ihrem Mann und zwei                 człowieka, nie tylko jemu, ale również
    Albert als Vorbild inspiriert. Im Priester-         Kindern in Schwellbrunn (AR).                           sobie.
    seminar machte er zudem Praktika bei ver-

                                                                                                                                  forumKirche | 8-2017 11
Interreligiöser Dialog

                  Verschiedene Pfade zum Heil
                  Ein Bildvortag über die indische Grossstadt Varanasi
Bilder: Mark Keller

                                                                                                                 Spinozas erinnere. Auch im Gespräch mit
                                                                                                                 gläubigen Muslimen habe er immer wieder
                                                                                                                 eine gewisse Nähe zu deren Glauben ge-
                                                                                                                 spürt.

                                                                                                                 Wasser, das reinigt
                                                                                                                 In seinem Bildvortrag möchte Mark Keller
                                                                                                                 auch auf die Vielfalt der Gottesvorstellun-
                                                                                                                 gen und auf die grosse Bedeutung des
                                                                                                                 Ganges eingehen, dessen Wasser die Men-
                                                                                                                 schen innerlich rein machen soll. Er wird
                                                                                                                 Sadhus (Asketen) vorstellen, die auch lust-
                                                                                                                 voll am hinduistischen Frühlingsfest Holi
                                                                                                                 teilnehmen. Frauen meiden in dieser Zeit
                                                                                                                 die Öffentlichkeit, um nicht von Männern
                                                                                                                 begrapscht zu werden. Ausserdem wird
                                                                                                                 Keller einen Blick auf Formen von Religio-
                                                                                                                 sität werfen, die einem auf Strassen und
                                                                                                                 Plätzen begegnen, z. B. religiösen Rituale,
                  Eine Ähnlichkeit in der Darstellung von Shiva                                                  Gottesdienste im Freien oder Kremationen
                  und Maria ist nicht zu übersehen.                                                              an den Ufern des Ganges.

                                                                                                                 Das letzte Ziel
                  Für Hindus ist Varanasi die heiligste           Um 1200 n. Chr. geriet die Region unter        Ein besonderes Anliegen ist es Mark Keller,
                  Stadt. Doch auch andere Religionen sind         muslimische Vorherrschaft. In dieser Zeit      auf Vorstellungen zu Tod und Erlösung hin-
                  hier beheimatet. Mark Keller, Dozent an         wurden auch Hindutempel zerstört.              zuweisen, die ihm in Indien begegnet sind.
                  der Pädagogischen Hochschule Thurgau,           «Danach haben die Religionen friedlich         Sowohl aus Sicht des Hinduismus als auch
                  kennt Varanasi von vielen Besuchen her.         koexistiert bis zu den Auseinandersetzun-      des Buddhismus steckt der Mensch im
                  In einer Foto-Reportage zeigt er, was man       gen im Zusammenhang mit den Unabhän-           Strom der Wiedergeburt. Sein Ziel erreicht
                  an diesem Ort über das Zusammenleben            gigkeitsbestrebungen», so Keller.              er im Eingehen in die All-Seele (Hindu-
                  von Religionen lernen kann.                                                                    ismus) bzw. im Nirwana, im Verlöschen sei-
                                                                  Parallelen                                     ner Lebensenergie (Buddhismus). Bildlich
                  Varanasi liegt an einer Biegung des heili-      Wenn er heute durch die Strassen von           gesprochen führen verschiedene Pfade zu
                  gen Flusses Ganges im Bundesstaat Uttar         Varanasi gehe, erlebe er das Verhältnis der    dem einen Ziel, zu dem einen Gipfel, z. B.
                  Pradesh im nordöstlichen Teil Indiens. Laut     Religionen als ein Nebeneinander, so der       über die Liebe zu Gott oder über die Er-
                  einer Volkszählung von 2011 leben hier          Indienkenner. Mithilfe von Fotos macht er      kenntnis oder über die Pflicht ethischen
                  etwa 1,2 Millionen Menschen. Etwa 69            deutlich, wie sich die verschiedenen Rich-     Handelns. Wer anfängt zu streiten, welches
                  Prozent von ihnen sind Hindus, etwa 30          tungen des Hinduismus durch ihre Stirnzei-     der richtige Weg ist, tritt auf der Stelle und
                  Prozent Muslime. Varanasi gilt als eine der     chen unterscheiden. Viele Muslime erken-       kommt nicht weiter. Das sei aus indischer
                  heiligsten Stätten des Hinduismus. Seit         ne man auf der Strasse leicht an ihren         Sicht unsinnig, so Keller. Das einzige, was
                  mehr als 2500 Jahren ist sie das Ziel gläu-     Kopfbedeckungen. In seinem Vortrag wird        zählt, ist, den einmal eingeschlagenen Weg
                  biger Pilger. Nach hinduistischer Vorstel-      Mark Keller aufzeigen, wie die Bildsprache     konsequent weiterzugehen.
                  lung soll ein Bad im Ganges von Sünden          des Hinduismus auf Darstellungen des
                  reinigen. Wer hier stirbt und wessen Asche      Christentums abgefärbt hat: «Der Strahlen-                                        Detlef Kissner
                  im Fluss verstreut wird, kann – der hin-        kranz um die Madonna hat seinen Ur-
                  duistischen Mythologie zufolge – aus dem        sprung möglicherweise in einer Darstellung
                  ständigen Kreislauf der Wiedergeburt            von Shiva.» Parallelen entdeckt er nicht nur     Der Bildvortrag «Varanasi – oder: Was
                  ausbrechen.                                     in den Bildern, sondern auch in der Vor-         man auf Reisen für das interreligiöse Zu-
                  Aber auch für Buddhisten hat der Ort eine       stellung, mit dem Göttlichen in eine lieben-     sammenleben lernen kann» findet am
                  besondere Bedeutung. «Nur wenige Kilome-        de Beziehung zu treten: «‹Ich liebe Krishna›     Freitag, 5. Mai, um 19.00 Uhr an der Pä-
                  ter von hier soll Buddha das Rad der Leh-       bedeutet ähnlich wie ‹Ich liebe Jesus›, dass     dagogischen Hochschule in Kreuzlingen
                  ren angedreht haben, das heisst zum ers-        man sich auf den Weg der liebenden Hin-          statt. Veranstalter ist der Interreligiöse
                  ten Mal seine Ideen verkündet haben»,           gabe an Gott macht.»                             Arbeitskreis im Kanton Thurgau, der
                  erzählt Mark Keller. Zahlenmässig spielen       Faszinierend findet Keller die monistisch-       Interessierte herzlich dazu einlädt. An-
                  Buddhisten hier – ähnlich wie Dschainas         pantheistische Lehre der indischen Ved-        ■ schliessend    findetwww.thurgau-interreligioes.ch
                                                                                                                     Nähere Infos unter  die Mitgliederver-
                  (Anhänger des Jainismus) oder Christen –        anta-Philosophie, die das Göttliche in der       sammlung des Vereins statt.
                  eine zu vernachlässigende Rolle.                Natur entdecke und ihn an die Gedanken

                  12 forumKirche | 8-2017
Schaffhausen

Auf den Spuren der Reformation
Ein frommer Schaffhauser als Augenzeuge der religiösen Umwälzung

Vom Umbruch zur Reformation in Schaff-        Weggefährte Zwinglis. Als er 1522 in seine        seines antiken Motivs. Auch eine Marien-
hausen berichtet der Chronist Hans            Heimatstadt zurückkehrt, beeindruckt er           statue, die hoch über der Stadt in einer Ni-
Stockar (1490–1556). Obwohl in vielen         durch seine reformatorischen Predigten,           sche des St. Johann-Kirchturms thront,
politischen Ämtern tätig, wird er als from-   die besonders gegen die kirchlichen Miss-         überlebt den Bildersturm. Bei Restaurie-
mer Altgläubiger Opfer des Bildersturms.      bräuche zielen. Das ist den Schaffhauser          rungsarbeiten von 1900 befreit man sie
Das Museum zu Allerheiligen bietet einen      Ratsherren ein Dorn im Auge. Sie nehmen           wieder aus ihrer Einmauerung. Im Museum
dreiteiligen Stationenpfad «Auf den Spu-      die Zunftunruhen der Fischer und Rebleute,        kann man ihre Replik in Augenschein neh-
ren der Reformation mit Hans Stockar»         den Aufstand der Bauern sowie die radikal-        men. Daneben hilft ein Fernrohr, das
innerhalb seiner Sammlung an.                 reformatorische Täuferbewegung im Klett-          Original in der Turmnische zu entdecken.
                                              gau zum Anlass, Sebastian Hofmeister
Nach seinen Kriegszügen im eidgenössi-        1525 als Anstifter zu beschuldigen und ver-       Einzigartige Chronik
schem Söldnerheer begibt sich der betuch-     bannen ihn aus der Stadt. Die Bevölkerung         Dank der Aufzeichnung des Augenzeugens
te Kaufmann Hans Stockar auf drei grosse      ist in altgläubige und reformfreudige Grup-       Hans Stockar, der Mitglied des Grossen
Pilgerreisen: nach Santiago de Compostela,    pen gespalten. Erst auf Druck der bereits         Rates ist, kennen wir das entscheidende
nach Rom und ins Heilige Land. Zurückge-      reformierten eidgenössischen Städte aner-         Datum in der Geschichte der Reformation in
kehrt nach Schaffhausen wirkt er neben        kennen die Ratsherren 1529 den neuen              Schaffhausen: den 29. September 1529.
seinem Wein- und Salzhandel in öffent-        Glauben. Es ist eher eine aussenpolitische        Nach dem Ratsbeschluss enden die Chro-
lichen Ämtern wie Richter, Säckelmeister,     Berechnung als eine religiöse Überzeu-            niken, die viele Informationen zum Zeitge-
Obervogt und Mitglied im Grossen und Klei-    gung.                                             schehen liefern. Ob Hans Stockar die neue
nen Rat. Von 1520 bis 1529 macht er sich                                                        Konfession annimmt, ist nicht überliefert.
private Notizen zum vorreformatorischen       Reformatorischer Bildersturm                      Seine öffentlichen Ämter führt er bis zu sei-
Tagesgeschehen, nur mit der Absicht «alles    Während der reformatorischen Umwälzung            nem Lebensende 1556 fort. Nach seinem
für mein Gedächtnis auf(zu)schreiben».        werden Stadtklöster aufgehoben sowie reli-        Tod folgt seine Frau ihrem jüngsten Sohn,
                                              giöses Inventar vernichtet. «In der Zeit ward     der den alten Glauben behält, ins katholi-
Vor der Reformation                           mir mein Vesperbild zerschlagen in drei           sche Solothurn, während der älteste Sohn
Bis ins 16. Jahrhundert fühlen sich die       Stücke in meiner Trotte im Ölberg. Ich war        sich zum neuen Glauben bekennt.
Menschen von vielen Kriegen, Missernten,      der erste, den man die Bilder zerschlug,
Hungersnöten, Pest-Epidemien und uner-        hier fing es an, an mir», schildert Hans                                          Judith Keller
klärlichen plötzlichen Toden konfrontiert.    Stockar. Verschont bleibt der berühmte
Die Betroffenen versuchen diese Schick-       «Onyx von Schaffhausen» aus dem Kirchen-          ■   Stationenpfad noch bis 19. November,
salsschläge als Strafe Gottes zu erklären.    schatz des Klosters Paradies wohl wegen               nähere Infos unter www.allerheiligen.ch
Grosse Angst herrscht vor dem Jüngsten
Gericht Gottes. Es urteilt über ihr Seelen-

                                                                                                                                                Bild: Judith Keller
leben und ihr weiteres Dasein, sei es im
ewigen Himmel, im qualvollen Fegefeuer
oder in der grausamen Hölle. Sünden min-
dern oder den Aufenthalt im Fegefeuer ver-
kürzen kann jeder durch «Gute Werke» im
Diesseits tun, wie beten, Messe lesen las-
sen, Almosen geben, Kircheninventar stif-
ten und wallfahrten. Seit dem 11. Jahrhun-
dert «befreien» Päpste durch Ablassbriefe
die zahlungswilligen Christen von den Sün-
denstrafen. Papst Leo X. missbraucht die-
sen Ablasshandel, um sein ausschweifen-
des, kostspieliges Leben zu finanzieren. Er
tilgt alle Sünden des Käufers sowie dessen
verstorbenen Verwandten, um dem gefürch-
teten Fegefeuer ganz entgehen zu können.
Auch der gottesfürchtige Stockar erwarb ei-
nen Ablass. Eine solche Ablassurkunde ist
im Museum zu entdecken.

Reformation in Schaffhausen
Der erste Reformator von Schaffhausen
wird Sebastian Hofmeister (um 1494–
1533), ein hochgebildeter Theologe und        Bildnis des Chronisten Hans Stockar (Öl auf Leinwand, Museum zu Allerheiligen)

                                                                                                                     forumKirche | 8-2017 13
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