Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische

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Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Dokumentation Teil 1
                     Zusammenfassung, Plenum und Fachforum 1,
                     14. November 2018

Pflegekongress 2018
Recht auf gute Pflege!
Wege aus der Dauerkrise.
am 14./15. November 2018, Berlin
Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Die Dokumentation ist aufgrund des umfangreichen Materials in vier Teile aufgeteilt:
Teil 1 beinhaltet die Einleitung und dokumentiert die Vorträge im Plenum und das Fachforum 1 am 14. November.
Teil 2 befasst sich mit den Workshops am 14. November 2018.
Teil 3 widmet sich dem Plenum und dem Fachforum 2 am 15. November.
Teil 4 dokumentiert die Workshops und das Fachforum vonm 15. November

 Impressum
 Herausgeber
 Der Paritätische Gesamtverband
 Oranienburger Str. 13-14
 10178 Berlin
 Tel.: 030 24636-0
 Fax: 030 24636-110
 info@paritaet.org
 www.paritaet.org
 Inhaltlich Verantwortlicher gemäß Presserecht: Ulrich Schneider

 Redaktion:
 Lisa Schmidt, Der Paritätische Gesamtverband, Berlin

 Gestaltung:
 Christine Maier, Der Paritätische Gesamtverband

 Bilder:
 Titel: pixabay, alle anderen © Der Paritätische Gesamtverband

 1. Auflage, Januar 2019

 Die Veranstaltung wurde:

                                                             2
Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
„Ich will eine gute Pflege und dafür braucht es Zeit“
Die jüngsten Entwicklungen in der Pflege wurden im November 2018 mit rund 200 Teilnehmenden auf dem
Paritätischen Pflegekongress diskutiert.

                                     Moderatorin Tamara Anthony,
Prof. Dr. Rosenbrock                                                           Infomappe
                                     ARD-Hauptstadtstudio, Lisa Schmidt
                                     und Thorsten Mittag, Der Paritätische
                                     Gesamtverband

Mit dem Motto: „Recht auf gute Pflege! Wege aus der          Pflegekräfte, betonte Prof. Dr. Rosenbrock in seiner Er-
Dauerkrise.“ hatte der Paritätische Gesamtverband am         öffnungsrede und verwies auf den dringenden Hand-
14. und 15. November 2018 zu seinem Pflegekongress           lungsbedarf: „Im Zentrum all unserer Kritik steht die Tat-
geladen. An beiden Kongresstagen wurden anhand von           sache, dass sich durch alle Pflegestärkungsgesetze die
Fachvorträgen und Workshops aus Praxis, Wissenschaft         finanzielle Situation der Pflegenden, der pflegenden
und Politik der Stand der Umsetzung der jüngsten Ge-         Einrichtungen und der Pflegebedürftigen kaum verbes-
setzgebungen und Reformen sowie der weitere Hand-            sert hat; dass es also wesentlich mehr Geld braucht, um
lungsbedarf in der Altenhilfe und Pflege thematisiert.       das menschenrechtlich begründete und gesellschafts-
                                                             politisch hohe Versprechen einzulösen, dass würdige
Bereits anlässlich des Anfang November 2018 verab-           Pflege für alle Menschen bis zum Tod eine öffentliche
schiedeten Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes hatte            Aufgabe ist.“ Die Veranstaltung hatte sich deshalb zum
der Paritätische verdeutlicht, dass die Maßnahmen zur        Ziel gesetzt, machbare Alternativen aufzuzeigen und ei-
Verbesserung der Situation in der Altenpflege zu kurz        nen Beitrag dazu zu leisten, dass sich die Kluft zwischen
greifen und ein Konzept zur nachhaltigen Weiterent-          diesem Anspruch und der Wirklichkeit verringert.
wicklung der Rahmenbedingungen in der Altenpfle-
ge, allen voran einen Gesamtplan zur Finanzierung der        Für das Bundesministerium für Gesundheit skizzierte Dr.
Pflege, vermissen lassen. Der Pflegenotstand ist zur         Martin Schölkopf die Zielsetzung und Wirkung der ver-
Dauerkrise geworden unter dem alle Beteiligten leiden,       gangenen und anstehenden Pflegreformen. Dem folg-
die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen sowie die         te am ersten Kongresstag die Diskussion struktureller

Prof. Dr. Rosenbrock                 Dr. Martin Schölkopf                      Blick ins Plenum

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Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Thomas Kalwitzki                      Nadine-Michèle Szepan                   Achim Uhl

Themen, wie die Neugestaltung der Pflegeversicherung       einander abgestimmten, miteinander verzahnten Bera-
sowie die Rolle der freien Wohlfahrtspflege in der kom-    tungs-, Versorgungs- und Unterstützungslandschaft in
munalen integrierten Sozialplanung. Eine machbare          der Verantwortung der Kommunen zurück geblieben.
Alternative zur Finanzierung der Pflege stellte Thomas     Achim Uhl (Der Paritätische Baden-Württemberg) stellte
Kalwitzki (Universität Bremen) aus der Studie „Alterna-    in seinem Vortrag das Konzept der integrativen koope-
tive Ausgestaltung der Pflegeversicherung“ vor. Bauli-     rativen Sozialplanung vor, das eine ressortübergreifen-
che Mängel der Pflegeversicherung könnten demnach          de Vernetzung unterschiedlicher Fachbereiche und den
durch den Abbau der Sektoren – ambulante und statio-       Einbezug von Interessen- und Anspruchsgruppen am
näre Pflege – sowie durch die Einführung einer Pflege-     Planungsprozess vorsieht. Dass eine integrierte Sozial-
vollversicherung zu mehr Verteilungsgerechtigkeit und      planung, die sich an den Lebenswelten ältere Menschen
der Realisierung innovativer Versorgungskonzepte füh-      orientiert, funktionieren kann, berichtete Birgit Schaer,
ren. Nadine-Michèle Szepan (AOK-Bundesverband),            Sachgebietsleitung Altenhilfeplanung und -fachberatung
legte den Fokus in ihrem Vortrag auf die Finanzierungs-    des Landkreises Esslingen. Dort wurde in diesem Jahr ein
zuständigkeit der medizinischen Behandlungspflege.         Prozess angestoßen, der integrierte Sozialplanung mit
Im Gegensatz zur Position des Paritätischen, die medi-     einem kreisweiten Quartiersentwicklungsprozess ver-
zinische Behandlungspflege komplett in die Finanzie-       knüpfen und zur Gestaltung lokaler Altenhilfelandschaf-
rungsverantwortung der gesetzlichen Krankenkassen          ten führen soll. Die kreisangehörigen Kommunen werden
zu legen, schlug Szepan vor, die Finanzierung in der       dabei durch den Landkreis zum Beispiel darin unterstützt
Pflegeversicherung analog den zusätzlichen Betreu-         „Kümmerer“ zu qualifizieren und Beteiligungsverfahren
ungskräften nach § 43b SGB XI zu regeln.                   in den Kommunen zu organisieren. Neben einer gelunge-
                                                           nen Vernetzungs-, Koordinations- und Kommunikations-
Mit dem dritten Pflegestärkungsgesetz wurde die Rolle      arbeit, so Schaer, zählt auch das Sonderförderprogramm
der Kommunen im Bereich der Pflege gestärkt. Dies er-      zur Quartiersentwicklung des Ministeriums für Soziales
folgte vor allem im Bereich der Beratung und ist damit     und Integration Baden-Württemberg zu den Gelingens-
hinter den Forderungen der Wohlfahrt nach einer auf-       bedingungen des Vorhabens.

Birgit Schaer                         Achim Uhl und Birgit Schaer diskutieren „Mensch du hast recht!” Kugelschreiber
                                      mit Tamara Anthony
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Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Thomas Kalwitzki                      Dr. Tobias Viering                         Dr. Christiane Panka

Weitere reformbedürftige Themen in der Altenpflege             einheitliche Verfahren Korridore aufweisen und Substi-
standen im Zentrum der Workshops und des Fachfo-               tution im Sinne eines Professionenmixes ermöglichen.
rums nach den Vorträgen im Plenum. In Kleingruppen
diskutierten die Teilnehmenden zu den Fragen: Wie              Einen weiteren Wendepunkt im Bereich der Pflege stellt
können Pflegebedürftige Menschen in selbstverant-              die neue Pflegeausbildung dar, nach der im Jahr 2020
worteten „neuen“ Wohnformen leben und gepflegt                 die Pflegeschulen Auszubildende zu Pflegefachfrauen
werden? Welche Chancen und Herausforderungen                   und Pflegefachmännern qualifizieren. Gesonderte Ab-
bringt die Digitalisierung und Technisierung in die            schlüsse in der Altenpflege oder der Gesundheits- und
stationäre und ambulante Altenpflege? Wie kann die             Kinderkrankenpflege werden weiterhin möglich sein. Die
Prävention und Gesundheitsförderung bei pflegebe-              Umsetzung nannte Dr. Tobias Viering (Bundesministe-
dürftigen Menschen noch stärker in den Pflegealltag            rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) ein Groß-
integriert werden? Wie kann gelungene offene Senio-            projekt und skizzierte in seinem Vortrag die Ausbildungs-
renarbeit aussehen und welche Wege können bei der              abläufe, die Veränderungen für die Pflegeschulen und die
Schnittstelle von Eingliederungshilfe und Pflege ge-           Eckpunkte der Finanzierung. Eine geplante „Ausbildungs-
gangen werden?                                                 offensive Pflege“, deren Konzept in einer der Arbeitsgrup-
                                                               pen der Konzertierten Aktion Pflege erarbeitet wurde, soll
Für eine gute Pflege braucht es viele Hände, die ge-           die Umsetzung der Pflegeausbildungen begleiten.
planten Maßnahmen der neuen Bundesregierung sind,
nach Auffassung des Paritätischen, nicht ausreichend,          Die vergangenen Entwicklungen in der Altenpflege,
um den Pflegenotstand wirksam zu beheben. Mittel-              wie die Maßnahmen zur Entbürokratisierung durch das
fristig müssen deshalb 100.000 zusätzliche Pflegekräfte        Strukturmodell und die Einführung des Pflegebedürf-
gewonnen werden, um die Arbeitsverdichtung spür-               tigkeitsbegriffs haben zu einer Steigerung der Fachlich-
bar zu reduzieren. Zusätzliche Pflegekräfte können             keit in der Pflege geführt, die das zum Teil in der Praxis
nur durch verbesserte Arbeitsbedingungen und eine              bereits gelebte Pflegeverständnis auch gesetzlich ver-
bessere Bezahlung für den Beruf gewonnen werden.               ankerten. Dr. Christiane Panka (Der Paritätische Berlin)
Der zweite Kongresstag widmete sich deshalb vorran-            stellte die Rahmenbedingungen vor, die zur Entwick-
gig den Themen Personal und Ausbildung. Einblick in            lung und Förderung der Fachlichkeit notwendig sind,
die künftige Personalbemessung in der Langzeitpflege           dazu gehören sowohl die Anpassung der Vertrags-
gab Thomas Kalwitzki, der mit Prof. Heinz Rothgang             grundlagen in den Ländern (Rahmenverträge, Vergü-
(Universität Bremen und SOCIUM) derzeit den gesetz-            tungssysteme, Personalschlüssel, Qualifikationsmix) als
lichen Auftrag zur Entwicklung eines wissenschaftlich          auch eine gezielte Nachwuchsförderung. Letztendlich,
fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des          so Panka, zeige das Strukturmodell, dass sich die Wei-
Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen, erarbeitet. Das        terentwicklung der Pflegefachlichkeit lohnt und davon
Verfahren hält demnach viele Chancen bereit: regio-            alle profitieren: Pflegekräfte, Pflegebedürftige, ihre An-
nale Unterschiede in der Personalausstattung könnten           und Zugehörigen sowie die Pflegeeinrichtungen.
abgebaut, eine ausreichende Mindestpersonalausstat-
tung sichergestellt werden. Anstatt punktgenauen Wer-          Gelegenheit für Diskussionen und einen intensiven
ten, wie etwa bei der Fachkraftquote, könnte das neue          Austausch zu den Schwerpunkten des zweiten Kon-

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Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Diskussionsrunde mit Joachim Hagelskamp, Moderatorin Tamara Anthony,
 Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt
                                          Staatssekretär Andreas Westerfellhaus Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt und Jens
                                          Kaffenberger

gresstages gaben die vertiefenden Workshops zum                 der pflegenden Angehörigen verstärkt in den Blick
Personalmanagement, der Umsetzung des „neuen“                   zu nehmen, indem beispielsweise die Leistung zur
Pflegebedürftigkeitsbegriffs in der Praxis, zu Umset-           Kurzzeitpflege im kommenden Jahr verbessert
zungsfragen der neuen Pflegeausbildung sowie das                werden sollen. Nicht alles, was aktuell notwendig und
Fachforum zu dem neuen Verfahren zur Qualitätsbe-               wünschenswert ist, kann sofort umgesetzt werden,
urteilung in stationären Einrichtungen der Langzeit-            aber der rote Faden ist da und mit dem Pflegepersonal-
pflege.                                                         Stärkungsgesetz (PpSG) wurde ein Startpunkt gesetzt.
                                                                Joachim Hagelskamp, Bereichsleiter für Gesundheit,
In seiner Keynote referierte Prof. Dr. Frank Schulz-Nies-       Teilhabe und Dienstleistungen beim Paritätischen Ge-
wandt (Universität zu Köln, Kuratorium Deutsche Al-             samtverband, stellte eindringlich fest, dass es in der
tershilfe) zum Gestaltwandel der Pflege als Teil der            Pflegeversicherung nicht mehr mit Stückwerk getan
Sozialpolitik als Teil der Gesellschaftspolitik und lud         ist, sondern der ganze Motor gewechselt werden muss.
die Zuhörenden ein, die Pflege vor dem Hintergrund
der Megatrends, wie dem demographischen und epi-                Die Beiträge und Diskussionen auf dem Kongress zeig-
demiologischen Wandel, dem siedlungsstrukturellen               ten unverkennbar, dass die angeschobenen Verbesse-
und auch dem digitalen Wandel, der Globalisierung               rungen noch längst nicht durchgängig den Weg in die
und dem Sozialstrukturwandel, auf der Makroebene                Praxis gefunden haben und deren Umsetzung teilwei-
zu betrachten. Aufgabe sei es, aus dem Konstrukt der            se durch strukturelle, finanzielle oder personelle Eng-
Lebensqualität heraus, in dem jeder Mensch als Teil des         pässe erschwert werden. Die Rahmenbedingungen für
Gemeinwesens wahrgenommen wird, einen gelingen-                 die Altenpflege nachhaltig weiterzuentwickeln, wird
den Wachstumsprozess im Älterwerden zu gestalten.               die Hauptaufgabe der kommenden Jahre bleiben. Da-
Als wichtigsten Grundsatz stellte Schulz-Nieswandt              bei spielt die Neuordnung der Finanzierung der Pflege
dabei die Schaffung flächendeckender, dezentraler               eine grundlegende Rolle. Davon wird es auch abhän-
und lokaler Angebote im Sinne von lokal sorgenden               gen, ob die Arbeitsbedingungen im geeigneten Um-
Gemeinschaften heraus. Auf der institutionellen Ebene           fang verbessert werden können. Die auf dem Kongress
würde dies unter anderem eine Reform des SGB XI hin             präsentierten Überlegungen zur Neustrukturierung
zu einer echten Teilkaskoabsicherung bedeuten.                  der Pflegeversicherung bildeten damit den Anstoß zu
                                                                einer breiten Diskussion und weiteren Vertiefung der
Auch in der sich anschließenden Diskussionsrunde                Thematik.
stand die Frage nach der Zukunft der Pflegeversiche-
rung im Mittelpunkt. Jens Kaffenberger (Sozialver-
band VdK Deutschland) stellte die Reformnotwendig-
keit der Pflegeversicherung heraus und betonte die                                      Lisa Schmidt, Thorsten Mittag,
sich sonst verschärfende finanzielle Situation für Pfle-                                 Referat Altenhilfe und Pflege,
gebedürftige und ihre Angehörigen. Auch der Pflege-                            Der Paritätische Gesamtverband, Berlin
bevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär
Andreas Westerfellhaus kündigte an, die Bedürfnisse

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Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Dokumentation Mittwoch, 14. November 2018
Plenum

Begrüßung und Einführung
  Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender, Der Paritätische Gesamtverband
 
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Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Begrüßung und Einführung
  Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender, Der Paritätische Gesamtverband
 

Mit den Pflegestärkungsgesetzen (PSG) I – III und dem                         Im Zentrum all unserer Kritik steht die Tatsache, dass
Pflegeberufegesetz sind in den Jahren 2015, 2016 und                          sich durch alle Pflegestärkungsgesetze die finanzielle
2017 eine Reihe von Gesetzen mit großem Anspruch                              Situation der Pflegenden, der pflegenden Einrichtun-
verabschiedet worden. Die Leistungsbeträge sind zum                           gen und der Pflegebedürftigen kaum verbessert hat,
Teil erheblich angehoben und die Leistungen und die                           dass es also wesentlich mehr Geld braucht, um das
Inanspruchnahme sind ein gutes Stück erweitert und                            menschenrechtlich begründete und gesellschaftspoli-
flexibilisiert worden. Insbesondere wurde mit den Ge-                         tisch hohe Versprechen einzulösen, dass würdige Pfle-
setzen Schritt für Schritt ein neues Konzept der Pflege-                      ge für alle Menschen bis zum Tod eine öffentliche Auf-
bedürftigkeitsbegriff und damit auch der Pflege einge-                        gabe ist. Erst wenn wir über mehr Finanzen verfügen,
führt. Die Pflege soll sich nun stärker als bisher auf die                    können wir auch mehr Personal finden und einstellen.
Förderung der Fähigkeiten zum Erhalt der Selbststän-                          Und erst dann sind auch auf den anderen Reformbau-
digkeit und die Verbesserung der Selbstpflegekompe-                           stellen wesentliche Fortschritte zu erzielen. Wir glau-
tenzen ausrichten. Zudem ist das neue Pflegeverständ-                         ben, dass das möglich ist, wir arbeiten daran, und dem
nis deutlich teilhabeorientierter und die pflegerischen                       soll auch unser diesjähriger Pflegekongress dienen.
Problemlösungen sollen die gesamte Lebenswelt ein-                            Mehr Geld, das klingt weder modern noch originell,
beziehen. Auch werden kognitiv eingeschränkte Men-                            aber manchmal ist die Wahrheit altbacken und nahezu
schen besser einbezogen. Damit kommt die Jahrhun-                             trivial.
dertinnovation der sozialen Arbeit nun auch offiziell
in der Pflege an: der Wandel von der paternalistischen                        Der Paritätische Gesamtverband hatte bereits im Ge-
Fürsorge hin zur Unterstützung der Selbstbestimmung.                          setzgebungsverfahren zum PSG II darauf hingewiesen,
                                                                              dass im Zuge der besseren Versorgung von Personen
Mit diesen Reformen wurde auch der Beitragssatz ins-                          mit eingeschränkter Alltagskompetenz alleine mindes-
gesamt um 0,55 Prozentpunkte angehoben, was circa                             tens 30.000 zusätzliche Pflegekräfte in Pflegeheimen
sechs Milliarden € mehr pro Jahr in die Pflegekassen                          zum Einsatz kommen müssten2. Dabei wäre es noch
bringt.1 Die Erwartungen sind entsprechend groß:                              nicht einmal um die eigentliche Anhebung der Per-
Alle Pflegebedürftigen sollen eine bessere Versorgung                         sonalschlüssel gegangen, die für eine dem Stand des
erhalten, niemand sollte im Zuge der Änderungen                               Wissens entsprechende Versorgung immer noch abso-
schlechter gestellt werden. Dies ist das politische Ge-                       lut notwendig ist. Lediglich die auch von uns begrüß-
neralversprechen. Und mit dem PSG III wurde sogar –                           te Verpflichtung der Pflegeheime, zusätzliche Betreu-
endlich – die Refinanzierung „tarifähnlicher“ Bezahlung                       ungskräfte nach § 87b SGB XI3 grundsätzlich für alle
von Pflegekräften durch die SPV eingeführt.                                   Heimbewohner vorzuhalten, stellt eine wichtige Ent-
                                                                              lastung dar. Da diese Kräfte aber nicht für die reguläre
Lauter Entwicklungen also, die auch vom Paritätischen                         Pflege eingesetzt und auch nicht mit Fachkräften ver-
immer wieder gefordert wurden, lauter gute Nachrich-                          wechselt werden dürfen, lässt sich mit ihnen das neue
ten also. Trotzdem redet der Paritätische in seinen Stel-                     Pflegeverständnis auch kaum umsetzen.
lungnahmen immer wieder von Stückwerk, von sym-
bolischer Politik, von dringendem Handlungsbedarf. Ist                        Die Einführung des neuen Konzepts der Pflegebedürf-
es vielleicht so, dass wir gar nicht zufrieden sein kön-                      tigkeit und der Pflege ist ein zivilisatorischer Meilen-
nen oder wollen? Ich möchte zeigen, dass das nicht so                         stein, ändert aber nichts am Pflegenotstand. Er vergrö-
ist, dass unsere Kritik berechtigt ist und dass es mach-                      ßert derzeit allenfalls die Kluft zwischen Anspruch und
bare Alternativen gibt.
                                                                              2 Siehe Paritätischer Gesamtverband: „Personalschlüssel in Pflegehei-
                                                                              men: Paritätischer warnt vor prekärer Versorgungslage und fordert 30.000
                                                                              zusätzliche Pflegekräfte“, Pressemeldung vom 12.11.2015.
1 Jüngst wurde eine weitere Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegever-        3 Zusätzliche Betreuungskräfte werden durch die Pflegekassen zusätzlich
sicherung zum 01.01.2019 um 0,5 Prozentpunkte angekündigt. Die letzte         finanziert und gehen finanziell nicht zu Lasten des Heimbewohners. Mittler-
bis zum Jahre 2022 festgeschriebene Erhöhung reicht jetzt schon nicht         weile werden insgesamt 60000 zusätzliche Betreuungskräfte in Pflegeheimen
mehr aus und die nächste Erhöhung dient lediglich der „Stabilisierung“.       tätig sein. Damit hat sich die Anzahl seit Umsetzung des PSG II verdoppelt.

                                                                          8
Pflegekongress 2018 Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise - Dokumentation Teil 1 - Der Paritätische
Wirklichkeit. Wir sehen nicht, wie das neue Pflegever-                       ab. DeStatis ist da eindeutig. Es gibt vier Quellen, um
ständnis unter den geltenden Rahmenbedingungen                               das Erwerbspersonenpotenzial zu erhöhen: Gewinnung
richtig umgesetzt werden kann. Und zwar vor allem                            zusätzlicher InteressentInnen durch verbesserte Arbeits-
deshalb nicht, weil die Reformen nicht zu einer nach-                        bedingungen und bessere Bezahlung, Verlängerung des
haltigen Personalsteigerung in den Heimen führen                             Verbleibs im Beruf durch bedürfnisgerechte Arbeitsor-
konnte. Außerdem gilt: in der SPV, die ihrer Anlage                          ganisation, Erleichterung des Wiedereinstiegs nach der
nach eine Teilleistungsversicherung, also keine Teilkas-                     salopp so genannten Kinderpause und Gewinnung von
koversicherung ist, gehen alle Verbesserungen zu Las-                        Auszubildenden bzw. BewerberInnen aus dem Ausland.
ten der Betroffenen.                                                         Ich komme darauf zurück.

Die geplanten Maßnahmen der neuen Bundesregie-                               Es vergeht keine Woche, in der nicht ein Fachverband,
rung sind nicht ausreichend, um den Pflegenotstand                           ein Politiker, ein Patientenvertreter oder eine Einrich-
wirksam zu beheben. Es muss ein stimmiger Plan auf-                          tung neben mehr Personal eine bessere Bezahlung der
gestellt werden, mit dem mittelfristig 100.000 zusätz-                       Pflegekräfte fordert. Dabei sind nach einer aktuellen Stu-
liche Pflegekräfte gewonnen werden können. Dazu                              die des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
gehören u.a. auch bessere Arbeitsbedingungen, eine                           (IAB) und der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Löhne in
bessere Bezahlung der Pflegekräfte und mehr Zeit für                         der Altenpflege in jüngster Zeit sogar überdurchschnitt-
Pflege, Betreuung und Gespräche – also eine Arbeits-                         lich gestiegen, der Verbesserungsbedarf ist aber wei-
entdichtung. Für die Pflegebedürftigen muss es gut                           terhin sehr hoch5. Während eine Altenpflegefachkraft
ausgeschilderte und miteinander verknüpfte Leistun-                          durchschnittlich 2621 € Brutto verdient, sind es bei Kran-
gen der Gesundheitsförderung, Aktivierung und der                            kenpflegefachkräften durchschnittlich: 3239 € Brutto –
komplementären Leistungen (z.B. Tagespflege) geben.                          also immer noch fast 25 % mehr. Es wird nicht einfach
Erst wenn dies alles gegeben ist, kann auch das neue                         werden, aber die Tarifverträge, die gem. Koalitionsver-
Pflegeverständnis richtig umgesetzt werden. Die Krux                         trag flächendeckend in der Altenpflege zur Anwendung
dabei ist, dass diese Verbesserungen nicht zu Lasten                         kommen sollen, müssen sich diesem Unterschied stel-
der Pflegebedürftigen gehen dürfen und das kostet                            len – zum Wohle aller. Bis die Unterschiede irgendwann
Geld aus den Pflegekassen.                                                   durch die neue und gemeinsame Ausbildung des Pfle-
                                                                             geberufs aufgehoben werden, ist es zu spät.
Mit 13.000 zusätzlichen Fachkraftstellen für die medizi-
nische Behandlungspflege in Pflegeheimen, die aus den                        Gleichzeitig wird es für die Betroffenen auch ohne die
Mitteln der Krankenversicherung finanziert werden sol-                       hehren Forderungen nach mehr Personal und besserer
len, will die neue Bundesregierung zu Beginn der Legis-                      Bezahlung immer schwieriger, eine bedürfnisorientierte
latur ein Zeichen setzen: Wir kümmern uns und haben                          und bedarfsgerechte Pflege aus den Teilleistungen der
verstanden – mehr Personal, dafür keine Zusatzkosten                         Pflegeversicherung und aus Direktzahlungen finanziell
für die Versicherten und die Pflegekassen. Angesichts                        sicherzustellen. D.h., der Zugang zu einer selbstbestimm-
der Tatsache, dass der Personalmangel und dass die Kos-                      ten umfassenden guten pflegerischen Versorgung ist
ten zum Hauptproblem geworden sind, ist aber dabei                           maßgeblich abhängig vom Einkommen und Vermögen
niemandem zum Jubeln zumute. Denn es gibt auch die                           der Pflegebedürftigen und Angehörigen. Der relative
andere Seite: Derzeit sind 17.000 Stellen in Pflegehei-                      Anteil der Direktzahlungen an den rein pflegebedingten
men und 21.000 Stellen in Ambulanten Pflegediensten                          Aufwendungen in vollstationären Einrichtungen ist in
unbesetzt. Die Arbeitsbelastung steigt immer weiter an.                      den letzten Jahren kontinuierlich stark gestiegen: in PS
Über 50 % der Pflegekräfte geben an, dass die Arbeits-                       1 von 1999 bis 2013 um 16 % auf 28%, in PS 2 um 21 %,
verdichtung und der Druck in allen Bereichen seit 2015                       nämlich von 11 % auf 32 %, in PS 3 um 7 % von auch
nochmal zugenommen haben4. Das sind genau die Jah-                           schon beachtlichen 28 % auf nunmehr 35 %.
re der großen Pflegegesetze, die eigentlich Entlastung
bringen sollten. Es herrscht also Fachkraftmangel und                        Der Deckungsgrad der Pflegeversicherungsleistungen
das Erwerbspersonenpotential im Gesundheits- und                             hat also stark abgenommen. Das Bild würde noch dra-
Sozialbereich nimmt ceteris paribus ab 2020 drastisch
                                                                             5 Siehe Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): Entgelte
4 Siehe Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP): Pfle-       von Pflegekräften – weiterhin große Unterschiede zwischen Berufen und
ge-Thermometer 2018                                                          Regionen, 2018.

                                                                         9
matischer ausfallen, wenn es eine den Notwendigkei-                                wird ergänzend Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ge-
ten entsprechende Erhöhung bei den Personalschlüs-                                 leistet. Für den ambulanten Bereich bedeutet dies eine
seln gegeben hätte und wenn die Entwicklung der                                    Veränderung der Finanzierungslogik, weil immer Ei-
Löhne in den letzten 20 Jahren mit der Preisentwick-                               genanteile anfallen würden und nicht erst dann, wenn
lung Schritt gehalten hätte. Der Mittelwert der Selbst-                            die Sachleistungen ausgeschöpft sind. Der Eigenanteil
zahlungen von Pflegeheimbewohnern liegt laut Bar-                                  vermindert sich oder soll komplett wegfallen, wenn
mer-BEK-Pflegereport 2012 mittlerweile bei deutlich                                Angehörige weiterhin Pflege und Betreuung sicher-
über 50 % der Gesamtkosten6.                                                       stellen. Dies würde im ambulanten Bereich ein völlig
                                                                                   neues Zusammenspiel aus familialer und professionel-
Wer die Mittel nicht selber aufbringen kann, muss auf                              ler Pflege ermöglichen, welches sich eher am Bedarf
Sozialhilfe im Sinne der Hilfe zur Pflege nach dem SGB                             und weniger an einer fixen Geld- oder Sachleistungs-
XII zurückgreifen. Auf diese subsidiären Mittel ist be-                            höhe orientiert. Das Prinzip wäre auch im vollstationä-
reits heute jeder Sechste, der Pflege erhält, angewie-                             ren Bereich denkbar. Insgesamt würden damit Grenzen
sen. Pflege stellt also zunehmend ein Armutsrisiko dar7.                           zwischen ambulant und stationär aufgebrochen, Über-
                                                                                   gänge erleichtert. Die Möglichkeiten der Tages- und
                                                                                   Kurzzeitpflege könnten und sollten dabei weiterhin
1. Finanzierung                                                                    in gewissem Umfang neben der „ambulanten“ Ver-
                                                                                   sorgung erhalten bleiben. Ebenso sollte es weiterhin
Die Belastung der Pflegebedürftigen muss also deut-                                möglich sein, ausschließlich Pflegegeld zu beziehen.
lich und sie muss schnell gesenkt werden. Sie muss                                 Der Einzug eines Deckungsgrades von 85% wäre auch
solidarisch, zukunftsfest und gerecht gestaltet werden.                            finanzierbar, wie mehrere im Kern unstrittige Gutach-
Aus unserer Sicht ist deshalb der Ausbau der Pflegever-                            ten von Heinz Rothgang u.a. gezeigt haben. Rothgang
sicherung zu einer solidarischen Bürgerversicherung                                hat jüngst die Beitragssatzeffekte und Verteilungswir-
unumgänglich, unter Einbeziehung aller Einkommens-                                 kungen der Einführung einer „solidarischen Gesund-
arten und unter Einbeziehung der Beamten und der                                   heits- und Pflegeversicherung“ erforscht und kommt
Selbständigen. Zudem wäre eine Anhebung der Bei-                                   zum Ergebnis, dass es sogar zu einer Reduktion der
tragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Beitragsbe-                               Beitragssätze käme, wenn alle Einkommensarten bei
messungsgrenze in der Gesetzlichen Rentenversiche-                                 der Beitragsbemessung berücksichtigt würden. Eine so
rung möglich und angemessen. Das wäre die Abkehr                                   finanzierte Solidarische Pflegeversicherung würde so-
von der bestehenden, lohneinkommensfixierten und                                   gar Spielräume für Leistungsausweitungen eröffnen8.
deshalb konjunkturabhängigen Beitragsbemessung                                     Wenn man nicht den Weg der Rentenversicherung mit
und eine Orientierung an der einkommenssteuerlichen                                ihren hohen und wachsenden Steueranteilen gehen
Leistungsfähigkeit: Damit würde dem wachsenden                                     will, ist der Übergang der SPV in eine echte Bürgerver-
Stellenwert zusätzlicher Einkommensquellen neben                                   sicherung in unserer Sicht der einzig gangbare Weg,
Lohn und Rente und damit dem real stattfindenden                                   um die enorme menschenrechtliche und gesellschaft-
Wandel in der Arbeitswelt Rechnung getragen. Auf die-                              liche Herausforderung der Pflege in einer Gesellschaft
se Weise wird die Pflegefinanzierung auf eine breitere                             des längeren Lebens zu bewältigen. Diese Herausfor-
und gleichzeitig stabilere Basis gestellt. Das generiert                           derung bleibt auch dann gewaltig, wenn es gelingt,
die dringend benötigten Mehreinnahmen und durch                                    durch eine gesellschaftsweite Strategie der Gesund-
diesen Schritt wird der solidarische Charakter der so-                             heitsförderung die Anzahl der Pflegebedürftigen, ins-
zialen Pflegeversicherung zusätzlich betont.                                       besondere bei sozial Benachteiligten, substanziell zu
                                                                                   senken. Nur zur Erinnerung: jedes Jahr CoM bedeutet
Die Pflegeversicherung soll nach Auffassung des Pa-                                400.000 Pflegebedürftige weniger. Aber das ist eine an-
ritätischen grundsätzlich 85% der Kosten für pfle-                                 dere Baustelle, auf der kaum weniger Handlungsbedarf
gebedingte Aufwände – ambulant und stationär –                                     besteht als in der Pflege. In der Perspektive würde die
übernehmen, so dass die Eigenanteilsquote in allen                                 8 Siehe Rothgang: Beitragssatzeffekte und Verteilungswirkungen der
Pflegegraden 15 % beträgt. Je nach Einkommensstärke                                Einführung einer „solidarischen Gesundheits- und Pflegeversicherung“,
                                                                                   2017. Der gleiche Autor kommt in einer weiteren Studie für die Initiative
6 Siehe BARMER-GEK Pflegereport 2012.                                              Pro Pflegereform zum Ergebnis, dass selbst eine Vollversicherung mit einer
7 Betrachtet man nur die Pflegeheimbewohner, sind dort 30 % auf Hilfe              Erhöhung von 0,7 Prozentpunkten Beitragssatz möglich wäre (Rothgang:
zur Pflege aus der Sozialhilfe angewiesen. Quelle: https://www.destatis.de/        „Alternative Ausgestaltung der Pflegeversicherung, Abbau von Sektoren-
DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Pflege/Pflege.html                    grenzen und bedarfsgerechte Leistungsstruktur“, 2017).

                                                                              10
Pflegeversicherung als Bürgerversicherung den Über-                            wie es jetzt mit dem Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz
gang von der Teilleistungsversicherung zu einer ech-                           (PpSG) beabsichtigt ist.
ten Teilkaskoversicherung, je nach Ausgestaltung auch
Vollversicherung bedeuten. Das wäre zugleich ein so-                           Für den Anfang könnte die Bundesregierung deut-
lides Fundament, um auch die anderen Probleme der                              lich größere Maßnahmen mit ihrem Sofortprogramm
Pflege zu lösen. Die Begrenzung auf einen Eigenanteil                          zur Verbesserung der Personalschlüssel ermöglichen,
von 15 % ist in diesem Sinne eine Übergangslösung,                             wenn sie auf Mittel aus dem von uns stets kritisierten
um schnell die Direktzahlungen zu begrenzen, Das                               Pflegevorsorgefonds zurückgreift, der mittlerweile ein
würde nebenbei auch die Kommunen entlasten.                                    angespartes Fondvolumen von über 3,7 Mrd. € auf-
                                                                               weist und im Falle einer Bürgerversicherung ohnehin
Ein weiterer Zwischenschritt in dieser Richtung ist die                        obsolet würde.
Übernahme der Finanzierung der Behandlungspflege
in stationären Einrichtungen durch die Krankenkassen.                          Die “Konzertierte Aktion Pflege“ der Bundesregierung
Rund 70% der Pflegebedürftigen im Heim sind auf Leis-                          muss darüber hinaus die vorhandenen unterschiedli-
tungen der Behandlungspflege angewiesen. Schät-                                chen Möglichkeiten aufgreifen, die kurz und langfristig
zungsweise wird dabei ein Betrag von rd. 3 Mrd. € für                          helfen können, dem Fachkraftmangel zu begegnen:
Behandlungspflege durch die Pflegeversicherung und
die Heimbewohner, statt durch die Krankenversiche-                             •   Entzerrung der Arbeitsverdichtung. Es muss wieder
rungen getragen9. Das ist ein Vielfaches dessen, was                               mehr Zeit für Pflege, Betreuung und Gespräche vor-
die 13.000 Stellen kosten.                                                         handen sein.

Zudem muss es eine verbindliche Übernahme der In-                              •   Vollzeitstellen müssen die Regel, Teilzeitstellen die
vestitionskosten durch die Länder geben. Mit Einfüh-                               Ausnahme sein, auch wenn das die Versorgungs-
rung der Pflegeversicherung haben die Länder das                                   planung vor neue Herausforderungen stellt.
Versprechen abgegeben, dass sie im Gegenzug zur
Entlastung bei der Sozialhilfe, die Investitionskosten                         •   Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Be-
der Einrichtungen finanzieren. Dieses Versprechen ist                              ruf. Hierzu wird es mit dem Sofortprogramm, dem
nicht eingehalten worden, ganz ähnlich wie im Kran-                                PpSG, Fördermittel geben, doch ist abzuwarten,
kenhausbereich. Würde es endlich umgesetzt, erhiel-                                wie diese tatsächlich ausgestaltet werden.
ten die Länder ihrerseits dadurch Instrumente zur Ent-
wicklung und Steuerung der Versorgungsstrukturen.                              •   Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive: Das
                                                                                   Schulgeld in der Pflegeausbildung muss sofort
                                                                                   bundesweit abgeschafft werden, also echt jetzt.
2. Bessere Arbeitsbedingungen für mehr und                                         Für das Gelingen der Umsetzung des Pflegeberu-
   besser bezahltes Pflegepersonal                                                 fereformgesetzes ist eine Anschubfinanzierung
                                                                                   der Schulen erforderlich und die Arbeitsleistung
Nur mit verbesserten Arbeitsbedingungen in der Pfle-                               der PflegeschülerInnen darf nicht angerechnet
ge kann es gelingen, den Pflegenotstand abzuwenden.                                werden. Auch hierzu sieht die Bundesregierung in
Dazu zählt – das ist trivial, muss aber immer wieder                               ihrem Sofortprogramm eine zeitlich befristete Aus-
gesagt werden - eine nachhaltige Personalsteigerung,                               nahmeregelung vor. Es muss aber dauerhaft und
und das kostet richtig Geld. Ohne eine angemessene                                 für alle drei Lehrjahre gelten. Für die im Pflegebe-
Vergütung nach tariflichen oder tarifähnlichen Be-                                 rufegesetz vorbildlich verankerten vertikale und
dingungen wird das angesichts des Arbeitsmarktes                                   horizontale Durchlässigkeit müssen Fördermittel
nicht gehen, auch der Koalitionsvertrag enthält ent-                               zur gezielten Umschulung und Weiterbildung be-
sprechende Aussagen. Es muss allerdings sicherge-                                  reitgestellt werden.
stellt sein, dass dies nicht nur in der Stationären Pflege,
sondern auch für die Häusliche Krankenpflege gilt, so                          •   Betriebliche Gesundheitsförderung: Zur Stärkung
                                                                                   der Verweildauer der Beschäftigten und zur Stei-
9 Siehe Leopold, David: „Medizinische Behandlungspflege Erhebung des
Bedarfs beim Übergang in die stationäre Altenpflege“, Forschungsbericht
                                                                                   gerung der Berufszufriedenheit braucht es mehr
des Verbandes der Katholischen Altenhilfe Deutschland (VKAD), 2017.                als Rückenschulen, Yoga und Stressbewältigungs-

                                                                          11
training. Zielführend ist es, mit Gesundheitszir-            •   Es ist sicherlich ein richtiges und gutes Zeichen,
    keln und anderen partizipativen Methoden den                     dass mit dem Sofortprogramm eine Ko-Finanzie-
    Pflegenden selbst die Möglichkeit zu geben, ihre                 rung digitaler Anwendungen zur Entlastung der
    Lebenswelt ‚Pflegeheim‘ auch nach ihren Bedürf-                  Pflegekräfte bereitgestellt wird. Es bedarf aber ins-
    nissen zu gestalten – also auf bewährte Methoden                 gesamt einer gemeinsamen Strategie für eine gute
    der Verhältnisprävention zurückzugreifen, wie sie                Digitalisierung in der Pflege. Unsere Hoffnung ist,
    auch das PrävG intendiert. Ich bin nicht sicher, ob              dass die Konzertierte Aktion sich auch dieser Auf-
    die im Sofortprogramm der Bundesregierung be-                    gabe annimmt.
    nannten Schritte nicht doch weder bei den ach so
    beliebten, aber eben nicht nachhaltig wirkenden              •   Auch die Anwerbung von Pflegekräften aus Dritt-
    Gesundheitskursen bleiben.                                       staaten ist unter Einhaltung ethischer Grundwerte
                                                                     sinnvoll und sie wird genauso Thema der Konzer-
•   Managementoffensive: Heim- und Pflegedienstlei-                  tierten Aktion. In der FW gibt es dazu viel Expertise,
    tungen sollen ihre Möglichkeiten in der Mitarbei-                die zu nutzen wäre.
    terführung und Personalentwicklung ausüben und
    vertiefen können. Hierfür sind mehr Ressourcen –
    auch zum Erwerb weiterer Qualifizierungen – not-             3. Pflegende Angehörige unterstützen
    wendig.
                                                                 Angehörige und vergleichbar Nahestehende leisten
•   Fachlichkeit der Pflegenden fördern: Im Vorgriff auf         einen wesentlichen Beitrag bei der Pflege und Betreu-
    das Pflegeberufegesetz braucht es Ressourcen zur             ung pflegebedürftiger Menschen. Immer noch werden
    Umsetzung des neuen Pflegeverständnisses. Der                ca. 60 % der Pflegeleistungen im familialen Kontext
    Pflegeberuf muss endlich auch in der Praxis als voll-        erbracht. Nur durch den tagtäglichen Einsatz dieser
    wertiger Heilberuf anerkannt und behandelt wer-              Menschen ist es möglich, dass der Wunsch der meisten
    den, einschließlich der Übertragung von ärztlichen           pflegebedürftigen Menschen, trotz der persönlichen
    Tätigkeiten. Pflege ist kein medizinischer Assistenz-        Einschränkungen weiter zu Hause leben zu können,
    beruf, das sagt der G-BA, aber in der Praxis muss            erfüllbar ist. Pflegende Angehörige bedürfen besserer
    es sich noch herumsprechen. Dazu braucht es den              fördernder und unterstützender Rahmenbedingun-
    fachlich nicht bezweifelten Anteil von mindestens            gen, um den sich aus der Pflegesituation ergebenden
    10% akademisch ausgebildeter Pflegefachkräfte,               Belastungen gewachsen zu sein. Aus Sicht des Paritäti-
    auch um hier nicht völlig den Anschluss an die uns           schen ist es deshalb u. a. erforderlich individuelle und
    umgebenden Länder zu verlieren. Das alles schafft            unabhängige Beratungsleistungen flächendeckend si-
    Luft für andere und bessere Organisationsmodelle.            cherzustellen. Der Leistungsberechtigte muss sich den
                                                                 Anbieter der Beratungsleistung aussuchen und bei Be-
•   Entbürokratisierung und Digitalisierung – auch so            darf auch jeweils noch eine andere Perspektive, eine
    eine Dauerbaustellung mit viel Ankündigung und               Zweitmeinung, einholen können z. B. mit einem Gut-
    weniger Umsetzung. Der ehemalige Ein-STEP-Len-               scheinsystem. Trotz der Vorschrift in § 7a SGB XI wissen
    kungsausschusses hat hier einige Zeichen ge-                 viele Pflegeversicherte nicht, wie sie an gute und un-
    setzt, Machbar und nötig erscheinen etwa: Paral-             abhängige Information und Beratung herankommen.
    lele Prüfverfahren vom Medizinischen Dienst der
    Krankenkassen/dem Prüfdienst der PKV und den                 Zudem muss es flexiblere Möglichkeiten der Inan-
    Heimaufsichten; Vereinfachung der Verordnungs-,              spruchnahme von Entlastungsangeboten geben,
    Bewilligungs- und Abrechnungsverfahren in der                wie etwa der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege
    Häuslichen Krankenpflege und bei der Vertrags-               sowie der Tagespflege. Hier sieht der Koalitionsver-
    gestaltung und Verfahren im Kontext der Hilfsmit-            trag ein jährliches Entlastungsbudget vor, wie vom
    tel gemäß SGB V, elastische Gestaltung der Inan-             Paritätischen ursprünglich gefordert. Ob es reicht, wird
    spruchnahme und Finanzierung von Leistungen                  sich zeigen.
    an den Schnittstellen zwischen den Geltungsbe-
    reichen der Sozialgesetzbücher SGB V, SGB XI und             Auch die soziale Sicherung der pflegenden Angehöri-
    SGB XII.                                                     gen muss verbessert werden, um das Engagement an-

                                                            12
zuerkennen und die anrollende Welle von Altersarmut                                 die Situation, dass nur relativ wohlhabende Kommunen
nicht noch mehr zu verstärken. Es ist zum Haare raufen,                             hierfür Geld ausgeben dürfen, die ärmeren Kommunen
wie verschwindend gering die erzielbaren Rentenan-                                  mit dem regelmäßig viel höheren Problemdruck aber
sprüche derzeit sind: wer einen Angehörigen mit Pfle-                               nicht, weil ihre Ressourcen mit den Pflichtausgaben be-
gegrad 5 de facto fulltime zuhause pflegt, erwirbt pro                              reits ausgeschöpft sind.
Pflege-Jahr eine Rentenleistung von 29.90 € im Westen
und im Osten von 28,60 €10.
                                                                                    5. Die Pflegereform nach vorne bringen
Wie Großzügigkeit richtigerweise aussieht, sieht man
an der Absicht der großen Koalition, die Heranziehung                               Ich habe versucht, die Vorstellungen des Paritätischen
unterhaltspflichtiger Kinder zum Elternunterhalt in                                 zu den Eckpunkten einer Pflegereform anzudeuten. Als
der Sozialhilfe analog zu den Regelungen der Grund-                                 Fundament braucht es eine bessere Finanzierung, also
sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung so aus-                                 am besten die Pflege-Bürgerversicherung mit streng
zugestalten, dass das Einkommen des Kindes nur noch                                 begrenzten Direktzahlungen für die Versicherten, auf
oberhalb von 100.000 € pro Jahr einbezogen wird.                                    dieser Basis können auch die Leistungen sowie die ma-
                                                                                    teriellen, physischen und psychosozialen Arbeitsbedin-
                                                                                    gungen so verbessert werden, dass gute Chancen ent-
4. Kommunen befähigen und stärken                                                   stehen, mehr und gut qualifiziertes Pflegefachpersonal
                                                                                    zu gewinnen. Das brauchen wir, um das neue Konzept
Die Kommunen haben eine herausragende Verant-                                       der Pflege und der Pflegebedürftigkeit mit Leben zu
wortung für die Sicherung und Ausgestaltung der Da-                                 erfüllen. Dieses Konzept braucht zu seiner Realisierung
seinsvorsorge, insbesondere auch für ihre vulnerablen                               im Sozialraum finanziell handlungsfähige Kommunen.
Bürgerinnen und Bürger wie z. B. ältere Menschen. Sie
haben die Möglichkeit vor Ort passgenaue Lösungen                                   Manches daran mag utopisch klingen, das verliert sich
zu organisieren, um allen Menschen ein gutes Leben                                  aber, wenn deutlich wird, dass es eigentlich anders gar
eigenständig und selbstbestimmt zu ermöglichen, in                                  nicht geht. Die Zeit des Löcher stopfens geht zu Ende.
Selbst- und Mitverantwortung am gesellschaftlichen                                  Auch noch mal 0,5 % Prozentpunkte Beitragserhöhung
Leben teilzuhaben und dieses mitzugestalten. Hier-                                  verschaffen allenfalls eine Atempause. Es muss sozial-
für müssen die Kommunen jedoch befähigt werden,                                     reformerisch neu und groß und über die Legislaturpe-
indem sie neben dem politischen Willen ausreichend                                  riode hinaus gedacht und gehandelt werden. Eine gute
Mittel und Expertise zur Sozialraumgestaltung zur Ver-                              alte Losung mahnt uns: Seid realistisch, fordert das Un-
fügung haben. Für Qualität, Wirksamkeit und Nach-                                   mögliche. Das heißt ja nicht zu fordern, dass der Mond
haltigkeit der Sozialraumgestaltung braucht es die                                  aus Käse sein soll. Sondern es heißt, dass unsere politi-
Partizipation der NutzerInnegruppen und die Koordi-                                 schen Programme nicht einfach klein-klein und inkre-
nation mit anderen Akteurgruppen, wie z.B. dem Quar-                                mental bleiben dürfen, sondern dass sie in der Lage
tiersmanagement, den Präventionsprojekten aus dem                                   sein müssen, unsere Probleme zu lösen.
Präventionsgesetz, den Programmen zur Flüchtlings-
integration und v.a. mit der lokalen Wirtschaft und der                             Dazu soll unser Pflegekongress einen bescheide-
Zivilgesellschaft vor Ort.                                                          nen, aber hoffentlich verständlichen und unüberhör-
                                                                                    baren Beitrag leisten.
Dazu braucht es auf Seiten der Kommune Handlungs-
fähigkeit, v. a. auch finanzielle Handlungsfähigkeit. Das
setzt voraus, dass die Altenhilfe in § 71 SGB XII wieder
als Pflichtaufgabe ausgestaltet wird. Derzeit haben wir                             Berlin, den 14. November 2018
10 Das Bündnis für gute Pflege rechnet vor: „Wird zum Beispiel ein Pflege-
bedürftiger im neuen Pflegegrad 5 ein Jahr zu Hause ausschließlich durch
ein Familienmitglied gepflegt und betreut, so liegt im Westen die maximal
erreichbare monatliche Rentenleistung für die Pflegeperson aktuell bei 29,90
Euro (Ost 28,60 Euro). Wird zur Entlastung und zur Qualitätssicherung in der
Pflege ein professioneller Pflegedienst ergänzend hinzugenommen, reduziert
sich dieser monatliche Rentenbetrag auf 20,90 Euro im Westen (20,01 Euro
Ost).“ Quelle: http://www.buendnis-fuer-gute-pflege.de/

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Zielsetzung und Wirkung der Pflegestärkungsgesetze und die Ausrichtung der neuen Reform
  Dr. Martin Schölkopf, Leiter der Unterabteilung 41 – Pflegesicherung im Bundesministerium für Gesundheit
 

         Zielsetzung und Wirkung der Pflegestärkungsgesetze und die
         Ausrichtung der neuen Reformen

         Inhalt:

         1. Ziele und Wirkungen der Gesetzgebung in der letzten
         Legislaturperiode
         2. Umsetzung der Pflegestärkungsgesetze in der 19. Legislaturperiode
         3. Reformvorhaben in der 19. Legislaturperiode

         Vortrag auf dem „Pflegekongress 2018: Recht auf gute Pflege! Wege aus der Dauerkrise“ des
         Paritätischen Gesamtverbands, Berlin, 14. November 2018

         Dr. Martin Schölkopf
         Leiter Unterabteilung Pflegesicherung
         Bundesministerium für Gesundheit
                   www.bmg.bund.de

          Pflegegesetzgebung in der letzten Legislaturperiode
             PSG I: Umfangreiche Leistungsverbesserungen ambulant/stationär, Stärkung
              tariflicher Bezahlung, Pflegevorsorgefonds, erste Beitragssatzanhebung - 1.1.2015
             Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf: Pflegeunter-
              stützungsgeld, Verbesserungen bei Pflegezeit und Familienpflegezeit – 1.1.2015
             Präventionsgesetz – 25.07.2015
             Hospiz- und Palliativgesetz – 8.12.2015
             Krankenhausstrukturgesetz – 1.1.2016
             PSG II: Qualitätssicherung/-transparenz, Pflegeberatung – 1.1.2016, Einführung
              neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, NBA, neues Leistungsrecht – 1.1.2017
             PSG III: Stärkung der Kommunen, Hilfe zur Pflege, Abrechnungsbetrug etc.
             Pflegeberuferegesetz: generalistische Ausbildung, Direktbeteiligung der
              Pflegeversicherung an der Ausbildungsfinanzierung, Umlagefinanzierung, kein
              Schulgeld mehr
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Erstes Pflegestärkungsgesetz

 Umfassende Leistungsverbesserungen:
  Dynamisierung der Leistungsbeträge (ambulant und stationär) um + 4 Prozent,
   neue Leistungen (PNG) um + 2,67 Prozent
  Bessere und flexiblere Kombination der Leistungsansprüche auf Kurzzeit- und
   Verhinderungspflege (6 bzw. 8 Wochen)
  Flexibilisierung bei der Tages- und Nachtpflege in Kombination mit dem Sach-
   bzw. Geldleistungsanspruch in der ambulanten Pflege, Verzicht auf 50%-
   Anrechnung
  Öffnung aller ambulanter Leistungen auch für PEA
  Höhere Zuschüsse zur Verbesserung des Wohnumfelds (von 2.557 auf 4.000
   Euro je Maßnahme) + Verbesserungen beim Anspruch auf Pflegehilfsmittel
  Ausweitung Betreuung und Entlastung (ambulant und stationär)

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  Zweites Pflegestärkungsgesetz
  Stärkung der Beratung
 Deutlicher Ausbau der Beratungsansprüche für Betroffene und ihre
Angehörigen
 Zeitnahe Pflegeberatung: Pflegekassen bieten automatisch einen
Beratungstermin innerhalb von zwei Wochen nach Antragsstellung auf
Leistungen an (bis Ende 2015      galt diese Frist nur bei Erstanträgen)
 Bei Beratung nach § 7a SGB XI muss auch über die Angebote zur Entlastung
  pflegender Angehöriger informiert werden.
 Verbesserung der Qualität der Pflegeberatung durch Richtlinien für Verfahren,
  Durchführung und Inhalte einschließlich Versorgungsplan
 Neue Bundesempfehlungen bis 31.07.2018 zu Anzahl, Qualifikation und
  Fortbildung von Pflegeberatern

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Zweites Pflegestärkungsgesetz
  Stärkung der sozialen Absicherung pflegender Angehöriger

 Die Pflegeversicherung entrichtet nun für einen deutlich größeren
  Personenkreis Rentenbeiträge.

 Der Schutz wird für Pflegepersonen gewährt, die Pflegebedürftige ab Pflegegrad
  2 pflegen. Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson mindestens 10 Std.
  wöchentlich, an mindestens zwei Tage/Woche aufwendet (früher: 14 Std).

 Ergebnis: Deutlich mehr Pflegepersonen erhalten einen Anspruch, und dieser
  Anspruch fällt zum Teil deutlich höher als bisher aus (bis zu 100 % der
  Bemessungsgrundlage, vgl. RV-Beiträge für Kindererziehung)

 Auch der Schutz pflegender Angehöriger im Bereich der
  Arbeitslosenversicherung wurde deutlich erweitert.
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  Zweites Pflegestärkungsgesetz
  Leistungsverbesserungen

 Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs als zentrale Weiterentwicklung

 Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten: Mit dem neuen Pflegegrad 1
  leistet die Pflegeversicherung deutlich früher als bisher; bis zu 500.000 neue
  Anspruchsberechtigte  mit Anspruch auf wohnumfeldverbessernde Maßnahmen

 Betreuung ist Regelleistung der Pflegeversicherung und damit von allen
  ambulanten Pflegediensten anzubieten.

 Faktisch werden die Geld- und Sachleistungen deutlich erhöht und damit gerade
  auch die Angehörigen gestärkt

 Stationäre Pflege: Umstellung auf einheitlichen Eigenanteil als zentrale Neuerung
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Wirkungen der Pflegestärkungsgesetze

PSG I: Hinweise auf die Wirksamkeit der Verbesserungen
(BMG-Evaluation)
   Der Zeitaufwand der Hauptpflegepersonen ist zwischen 1998 und 2016 in allen
    Pflegestufen gesunken
   Anteil der Hauptpflegepersonen, die gleichzeitig erwerbstätig sind, nimmt zu
   18 % der Pflegebedürftigen bzw. ihrer Angehörigen meinen, die Pflege sei sehr
    gut zu bewältigen, 61 % meinen, sie sei „noch zu bewältigen“
   Der Anteil der Hauptpflegepersonen, die die Pflege als sehr stark belastend
    empfinden, ist seit 1998 um 14 Prozentpunkte zurückgegangen
   Fast 80 % der Pflegebedürftigen oder ihrer Angehörigen gaben an, mit dem
    Umfang der Leistungen der Pflegeversicherung zufrieden oder sehr zufrieden
    zu sein.
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Wirkungen der Pflegestärkungsgesetze

   Deutlicher Anstieg der Leistungsbezieher, Jahresende 2017: Ca. 3,5 Mio.
    (BMG)
   PSG II ist leistungsmäßig „eine sehr großzügige Reform“ (Pflegereport 2016).
   Erhebliche Leistungssteigerungen gleichen den gesamten Kaufkraftverlust
    aus, der seit Einführung der Pflegeversicherung durch fehlende (bis 2008)
    und begrenzte (ab 2008) Leistungsdynamisierung entstanden war
    (Pflegereport 2016)
   Die Soziale Pflegeversicherung hat im Jahr 2017 über 7 Mrd. Euro mehr für
    Leistungen ausgegeben als in 2016 (2013: 23 Mrd. Euro, 2017: 35,5 Mrd.
    Euro)
   Besonders hohe Ausgabensteigerungen 2017 zu 2016:
         die rd. 2,5 Mio. ambulant versorgten Pflegebedürftigen haben rd. 4,5 Mrd. Euro
          mehr für Pflegegeld und Pflegesachleistungen erhalten (+ 37 %),
         die Zahlung von Rentenbeiträgen für Pflegepersonen ist um rd. 600 Mio. Euro8
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          gestiegen (+ 56 %).

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Wirkungen der Pflegestärkungsgesetze

    Einführung der einheitlichen Eigenanteile: sozialpolitisch wichtige Maßnahme,
     erhöhte Preistransparenz, Planbarkeit für die Betroffenen und die Einrichtungen
    Reformbedingte Mehrausgaben stationär lt. Pflegereport 2017: 2 Mrd. Euro,
     kommen zu 1/3 direkt den Heimbewohner zugute, reduzieren dort die
     Eigenanteile (v.a. für ehemalige PS 3, mehrheitlich auch für frühere PS 2) ->
     Entlastung HzP
    Rd. zwei Drittel der Mehrausgaben fließen den Pflegeeinrichtungen zu 
     durchschnittliche Einnahmensteigerung von 8 Prozent (Vergleich 12/2015 zu
     5/2017)  Ausgleich „Zwillingseffekt“, Personalverbesserungen
    Zusätzliche Betreuungskräfte: von 2013 bis heute Verdoppelung (60.000)
    Anpassung Personalausstattung stationär: in 7 Ländern bereits 2017
     hochrechenbar auf zusätzl. 10.400 VZ-Stellen (GKV-SV) + BMG evaluiert
     Gesamtergebnis
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  Umsetzungsaufgaben aus der letzten
  Legislaturperiode
 (Begleitung der) Umsetzung der
  Pflegestärkungsgesetze
   neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff: Begleitung der Umsetzung,
    vertragliche und leistungsrechtliche Folgen („lernendes System“ –
    Umsetzung Länderebene, Beirat § 18c SGB XI)
   Qualität: Entwicklung und Einführung des neuen Systems der
    Qualitätssicherung, -messung und –darstellung; + gesetzlicher
    Änderungsbedarf (im Verfahren zum PpSG)
   Personalbemessungsverfahren gem. § 113c SGB XI: Entwicklung,
    Erprobung, Umsetzung (!)

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Umsetzungsaufgaben aus der letzten
  Legislaturperiode
 noch: (Begleitung der) Umsetzung der
  Pflegestärkungsgesetze
   Umsetzung der Regelungen an den Schnittstellen SGB XI –
    Eingliederungshilfe (SGB IX/SGB XII) – ambulant: Leistungen wie aus
    einer Hand (§ 13 Abs. 4 SGB XI – Empfehlung liegt vor), stationär:
    Definition der Räumlichkeiten wg. § 43a SGB XI – Richtlinie GKV-SV
    zum 1. Juli 2019, Genehmigung BMG
   Wissenschaftliche Evaluation der Pflegestärkungsgesetze – Aufträge
    vergeben, Begleitung und Koordination der Forschung, Bericht der
    Wissenschaft Ende 2019/Anfang 2020

       www.bmg.bund.de    * Erarbeitung gesetzlicher Regelungen in 2018 erforderlich   11

   Umsetzung weiterer gesetzlicher Aufgaben
 Erarbeitung des 7. Pflegeberichts der Bundesregierung - im Jahr 2020
  vorzulegen (§ 10 Abs. 1 SGB XI)
 Dynamisierung der Leistungsbeträge (§ 30 SGB XI)
   Prüfung von Notwendigkeit und Höhe der Anpassung in 2020, Bericht
    an Bundestag und Bundesrat
   Ggf. Anpassung der Leistungsbeträge durch Rechtsverordnung zum
    1.1.2021 (zustimmungspflichtig)

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Umsetzung von Aufgaben aus der
  Koalitionsvereinbarung
 Sofortprogramm Pflege – Pflegepersonal-Stärkungsgesetz
 Konzertierte Aktion Pflege bis Juni 2019, in der Folge Begleitung der
  Umsetzung der dort beschlossenen Maßnahmen; ggf. Gesetzgebung
 Kontinuierliche Anpassung der Sachleistungen an die Personalentwicklung
 „Entlastungsbudget“, das flexibel in Anspruch genommen werden kann
  (genannt werden: Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Tages- und
  Nachtpflege, daher Klärung des Umfangs erforderlich)
 Stärkung der Kurzzeitpflege durch wirtschaftlich tragfähige Vergütung

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   Umsetzung von Aufgaben aus der
   Koalitionsvereinbarung
 Einführung von Mitgestaltungsmöglichkeiten für Kommunen (bei
  Versorgungsverträgen)
 Weiterentwicklung der Allianz für Menschen mit Demenz (Initiative im
  Rahmen der Demografiestrategie der BReg, zusammen mit BMFSFJ und
  Deutscher Alzheimer Gesellschaft) zu einer nationalen Demenzstrategie
 Stärkung der Verbraucherrechte bei Verträgen mit ambulanten
  Pflegediensten (BMG ist zu beteiligen; ff.: BMJV/BMFSFJ)
 Präventiver Hausbesuch zur Vermeidung von Pflegebedürftigkeit „aus
  Mitteln des Präventionsgesetzes“

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