Politische Bildung in einer digitalen Welt - Dossier

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   Politische Bildung in
   einer digitalen Welt

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Dossier: Politische Bildung in einer digitalen Welt (Erstellt am 10.09.2021)                           2

Einleitung
Die Mehrheit der Gesellschaft bewegt sich im digitalen Raum, kommuniziert, konsumiert und informiert
sich online. Die Digitalisierung und die gesellschaftlichen Veränderungen, die mit ihr einhergehen,
berühren auch die politische Bildung auf verschiedenen Ebenen und werfen die Frage auf, wie politisch
Bildende auf die digitale Transformation reagieren, sie inhaltlich aufgreifen und zu ihrer Mitgestaltung
befähigen sollten.

Verschiedene Stimmen aus Fachdidaktik, Politikwissenschaft, Pädagogik, Zivilgesellschaft und der
schulischen und außerschulischen Praxis loten hier in Beiträgen und Interviews Ansätze für die
politische Bildung in einer digitalen Welt aus und diskutieren Themen, Kompetenzen, Didaktik und
Methoden.

In Kürze folgen an dieser Stelle Unterrichtsmaterialien für die politische Bildung im Kontext
Digitalisierung.

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Inhaltsverzeichnis

 1.        Einführung                                                                                          4

 1.1              Demokratie und Digitalisierung. Ein Blick auf das politische System Deutschlands             5

 1.2              Medienkompetenz und Digital Literacy                                                         11

 1.3              Kompetenzen für die "digitale Welt" und politische Bildung                                   21

 2.        Politikdidaktik                                                                                     29

 2.1              Politikdidaktik und digitale Medien                                                          30

 2.2              "Politisches Handeln auch im digitalen Raum ermöglichen und fördern"                         35

 3.        Netzpolitik                                                                                         40

 3.1              Demokratie in Zeiten der Digitalisierung                                                     41

 3.2              "Man braucht diese Visionen und positiven Narrative"                                         48

 3.3              Wahlkampfthema Digitalisierung: Was fordern die Parteien zur Bundestagswahl?                 53

 3.4              Digitale Bundestagswahl auf einen Blick: Was ist eigentlich…?                                59

 4.        Bildungspraxis                                                                                      66

 4.1              Von der Wissensvermittlung zur produktionsorientierten politischen Bildung                   67

 4.2              "Ganz wesentlich ist der Punkt digitale Mündigkeit"                                          72

 5.        Digitale Bildung                                                                                    77

 5.1              Weniger Optimierung, mehr Reflexion: kleine Schritte zu einer kritischen digitalen Bildung   78

 5.2              "Wir unterschätzen bisweilen die langfristige Veränderung"                                   84

 6.        Redaktion                                                                                           89

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Einführung
                                                                                         23.12.2020

Bereits 2016 legte die Kultusministerkonferenz mit dem Strategiepapier „Bildung in der digitalen Welt
“ Leitlinien für die schulische Bildung im Kontext Digitalisierung vor. Weitere Ansätze aus der deutschen
und internationalen pädagogischen Debatte versuchen ebenfalls, für die schulische und
außerschulische Bildung Fähigkeiten und Fertigkeiten zu systematisieren, die im Zuge der digitalen
Transformation an Bedeutung gewinnen. Für die politische Bildung steht ein systematisches und
einheitliches „digitales Kompetenzmodell“ bisher noch aus. Mögliche Zugänge und Ansatzpunkte
diskutieren die Beiträge von Sebastian Kauer, Kristin Narr und Christian Friedrich.

Ausgehend von der Frage, welche Themen für die politische Bildung im Kontext Digitalisierung wichtig
sind, wirft Lena Ulbricht einen Blick auf politische Akteure und Organe der Bundesrepublik und zeigt,
wie stark digitale Technologien das politische System schon geprägt haben.

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Demokratie und Digitalisierung. Ein Blick auf das
politische System Deutschlands
Von Lena Ulbricht                                                                                                22.2.2021
 Dr. Lena Ulbricht ist Politikwissenschaftlerin und Leiterin der Forschungsgruppe "Quantifizierung und gesellschaftliche Regulierung"
 am Weizenbaum Institut für die vernetzte Gesellschaft. Sie forscht zum Einsatz künstlicher Intelligenz für staatliche Regulierung
 und ihren demokratischen Implikationen im Kontext von Sicherheitsbehörden, Sozialbehörden und politischen Parteien.

Formale Strukturen und Verfahren des politischen Systems in Deutschland haben sich durch
die Digitalisierung nicht radikal verändert, analysiert Politikwissenschaftlerin Lena Ulbricht.
Größere Veränderungen gibt es stattdessen bei der unmittelbaren Arbeit der Akteure, die das
politische System prägen.

Wie prägen digitale Technologien politische Systeme? Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de (Illustration: Johanna Benz
und Tiziana Beck/graphicrecording.cool)

Digitalisierung hat zahlreiche Implikationen für moderne Demokratien. Diese lassen sich mittlerweile
nicht mehr eindeutig als Chancen und Risiken klassifizieren. Stattdessen prägen digitale Technologien
politische Systeme in zahlreichen Dimensionen und können dabei sowohl positiv als auch negativ
wirken – je nachdem, welches Ziel man verfolgt. Der Beitrag zeigt in einem ersten Schritt auf, in welcher
Art digitale Technologien formale Strukturen des politischen Systems in Exekutive (http://www.bpb.de/
nachschlagen/lexika/politiklexikon/17471/exekutive), Judikative (http://www.bpb.de/nachschlagen/
lexika/politiklexikon/17675/judikative) und Legislative (http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-
politik/16480/legislative) beeinflussen. Im zweiten Schritt geht es darum, wie die Digitalisierung wichtige
politische Akteure beeinflusst – allen voran Bürger*innen, politische Parteien sowie Interessengruppen.

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Schließlich und drittens hat die Digitalisierung auch zu einer Neuordnung der digitalpolitischen
Zuständigkeiten und Akteurskonstellation geführt. Zugleich ist die Transformation des politischen
Systems im Zuge der Digitalisierung ein sehr dynamischer Prozess: Es gibt zahlreiche Kontroversen
darüber, wie digitale Technologien besser reguliert werden könnten. Der Fokus wird im Folgenden auf
Deutschland liegen, aber man muss wissen, dass es Länder gibt, in denen die Digitalisierung das
politische System bereits sehr viel stärker durchdrungen hat, wie etwa Estland und Großbritannien.

Exekutive
Wenn es um die Umstellung von Verfahren auf digitale Technologien geht, hat die Exekutive die größten
Veränderungen erfahren. So werden die Daseinsvorsorge und öffentliche Dienstleistungen zunehmend
mithilfe digitaler Technologien umgesetzt und optimiert: Das betrifft insbesondere den öffentlichen
Nahverkehr und die Stromversorgung, aber auch bürgernahe Dienstleistungen und öffentliche
Sicherheit. Dabei kommen digitale Technologien ganz unterschiedlicher Art zum Einsatz: Online-
Antragsformulare in Bürgerämtern, die Optimierung von ÖPNV-Fahrplänen durch maschinelles
Lernen, anpassungsfähige Stromnetze, die die Auslastung optimieren ("smart grids"), Gesichts- und
Bewegungserkennung für die Sicherheit an Bahnhöfen und vorhersagende Polizeiarbeit, um
Einbruchsdiebstahl zu verringern, sowie viele weitere mehr. [1]

Auch wenn es hier große Unterschiede sowohl zwischen den konkreten Anwendungsbereichen als
auch zwischen Bund, Ländern und Kommunen gibt, zeigen sich übergreifend allgemeine Tendenzen:
so sollen staatliche Verwaltungsleistungen effizienter und individualisierter bereitgestellt werden, die
Bürger*innen folglich Maßnahmen in Anspruch nehmen können, die eigens auf sie zugeschnitten sind.
Allerdings können die entsprechenden Technologien auch zu übermäßigen Rationalisierungen und zu
einer Benachteiligung von sozial verletzlichen gesellschaftlichen Gruppen führen, [2] etwa in Form
von algorithmischer Diskriminierung. [3] So gab es etwa öffentliche Kontroversen zur Frage, ob
Gesichtserkennung an Bahnhöfen oder Analysen von Big Data zur Kriminalprävention rassistische
Diskriminierung durch Polizeikräfte und Sicherheitsdienste fördern.

Judikative
Auch die Justiz ist zunehmend durch digitale Technologien geprägt: So werden Unterlagen und
Verfahren auf digitale Formate und Kommunikationswege umgestellt – ein Projekt, das unter dem
Namen "digitale Akte" bekannt ist. Die Umstellung trifft allerdings auf zahlreiche Hürden, da in der
Justiz besonders große Anforderungen an Datenschutz und Informationssicherheit bestehen. Digitale
Technologien werden darüber hinaus auch für die Rechtsprechung eingesetzt – so gibt es zunehmend
Software, die zur Klärung von Rechtsstreitigkeiten eingesetzt wird ("legal tech") – insbesondere im
Bereich der Rechte von Reisenden, etwa bei Flugausfällen. Auch im Fall des VW-Dieselskandals
konnten Verbraucher*innen ihre Schadenersatzforderungen digital geltend machen. In anderen
Ländern, etwa den USA, nutzen Richter*innen bereits Software, um die Rückfallwahrscheinlichkeit
von Angeklagten einzuschätzen – in Deutschland ist dies bislang nicht üblich. Wie auch in der
Verwaltung ist das zentrale Motiv für den Einsatz digitaler Technologien in der Justiz eine
Effizienzsteigerung; hinzu kommt die Hoffnung, die Hürden zu senken für Individuen, die ihre Rechte
einfordern wollen. Kritiker*innen befürchten jedoch eine "Amerikanisierung" der Justiz, wenn
Gerichtsprozesse zunehmend zu einem Geschäft für Kanzleien werden, die sich auf digital gestützte
Massenklagen spezialisieren und sehen eine solche Tendenz bereits in Deutschland. [4]

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Legislative

Digitales kann nicht mehr eindeutig als Chance oder Risiko klassifiziert werden. Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de
(Illustration: Johanna Benz und Tiziana Beck/graphicrecording.cool)

Die Arbeit des Bundestags und des Bundesrats sowie der Länder- und Kommunalparlamente in
Deutschland hat sich bislang nicht grundlegend durch digitale Technologien verändert. Zwar werden
auch hier zunehmend digitale Dokumentationen und Kommunikationswege genutzt, doch ein Großteil
der Willensbildung und Entscheidungsfindung ist unverändert geblieben. Online-Wahlen gibt es in
Deutschland nur im Bereich der Kirchen und Sozialverbände, aber nicht für Parlamentswahlen, da
zahlreiche Probleme mit Blick auf Datenschutz und IT-Sicherheit bestehen. Vorschläge aus den frühen
2000er Jahren, parlamentarische Entscheidungsfindung stärker zu dezentralisieren und dynamischer
zu gestalten (im Sinne einer "liquid democracy" (http://www.bpb.de/apuz/149620/fluessige-
betriebssysteme-liquid-democracy-als-demokratische-machttechnologie)) haben sich nicht durchgesetzt.
Allerdings sind durch digitale Technologien neue Formate der Bürgerbeteiligung wie E-Petitionen
entstanden, die die parlamentarische Arbeit durchaus prägen.

Politische Akteure
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die formalen Strukturen und Verfahren des
politischen Systems in Deutschland nicht radikal durch die Digitalisierung verändert haben. Größere
Veränderungen gibt es stattdessen mit Blick auf die Konstellation und die Arbeit der Akteure, die das
politische System prägen. Denkt man etwa an die Bevölkerung, kann man deren stetig zunehmende
digitale Vernetzung beobachten, aber auch beständige soziale Ungleichheiten im Zugang zu digitalen
Technologien und ein großes Machtungleichgewicht zwischen Nutzer*innen und Technologiekonzernen
bzw. staatlichen Behörden, die Daten verarbeiten. Durch die zunehmende Konnektivität der
Bevölkerung und Anstrengungen, staatliche Aktivitäten transparenter zu machen, durch "Open
Government" (http://www.bpb.de/dialog/netzdebatte/158204/philipp-mueller-erklaert-im-interview-open-
government) und "Open Data" (http://www.bpb.de/gesellschaft/digitales/opendata/), können Bürger*
innen sich in ganz neuem Ausmaß politisch informieren und einbringen.

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Zugleich werden sie jedoch auch Zielscheibe von politischer Desinformation und Manipulation, etwa
durch "Fake News" (http://www.bpb.de/gesellschaft/medien-und-sport/fake-news/) oder die
sogenannten "Filterblasen" (http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-in-einfacher-sprache/303050/
filterblase) bzw. "Echokammern". Politische Parteien nutzen digitale Technologien etwa, um sich
anhand von sozialen Medien ein Bild über aktuelle Meinungstrends zu machen und um präzise Wähler*
innenprofile zu erstellen. Die Wähler*innen werden dann im Wahlkampf mit gezielten Botschaften
angesprochen – das sogenannte "Microtargeting" (http://www.bpb.de/apuz/292349/microtargeting-
persoenliche-daten-als-politische-waehrung). Im Idealfall können die Parteien auf diese Weise schnell
auf die Belange der Bevölkerung reagieren, also Responsivität zeigen. Im schlimmsten Fall zersplittert
die politische Öffentlichkeit jedoch in lauter Einzelbotschaften und fragmentierte Diskurse und Wähler*
innen werden gezielt manipuliert. Wie in vielen anderen Ländern gehört Microtargeting in Deutschland
mittlerweile zum Repertoire fast aller im Bundestag vertretenen Parteien, doch nimmt es im Vergleich
zu anderen Strategien der Wähleranalyse und -gewinnung noch eine nachgeordnete Rolle ein. Auch
Interessengruppen analysieren die sozialen Medien, um Kampagnen zielgerichtet zu entwerfen und
Abgeordnete zu beeinflussen. [5] Darüber hinaus wenden sie, wie auch manche politische Parteien,
digital gestützte Befragungen und Abstimmungen an, um die Partizipation ihrer Mitglieder zu
verbessern.

Die Landschaft der politischen Akteure in Deutschland hat sich schließlich auch dadurch verändert,
dass dezidiert digitalisierungsspezifische Posten geschaffen worden sind: Allen voran sind hier die
digital- oder netzpolitischen Sprecher*innen der Parteien zu nennen, die es etwa seit den 2000er
Jahren sowohl auf Bundes- wie auch Landesebene gibt. Diese sind innerhalb der Parlamente in
Ausschüssen organisiert, etwa im Bundestagsausschuss Digitale Agenda oder in vergleichbaren
Gremien der Länder. Auf Bundesebene gibt es kein Ministerium, das allein für alle digitalpolitischen
Themen zuständig wäre. Die Kompetenzen sind zwischen zahlreichen Ministerien aufgeteilt. Allerdings
gibt es eine Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung (https://www.bundesregierung.de/
breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-digitalisierung) und zahlreiche Koordinationskreise.
So traf sich im September 2019 erstmalig die Konferenz aller für Digitalisierung zuständigen Minister*
innen, Staatssekretär*innen und Beauftragten der Länder und des Bundes (D17).

Schon seit der Jahrtausendwende sind zahlreiche nicht-staatliche digitalpolitische Organisationen
entstanden, etwa die Verbände der Internetwirtschaft wie Bitkom (https://www.bitkom.org/)
(Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) oder eco (https://www.
eco.de/) (Verband der Internetwirtschaft) und zivilgesellschaftliche Organisationen wie zum Beispiel
DigiGes (https://digitalegesellschaft.de/) (Digitale Gesellschaft), Netzpolitik (https://netzpolitik.org/),
Digitalcourage (https://digitalcourage.de/), Wikimedia (https://www.wikimedia.de/), Wikileaks (https://
wikileaks.org/), die Open Knowledge Foundation (https://okfn.de/) und Privacy International (https://
privacyinternational.org/). Zudem haben zahlreiche bestehende nicht-staatliche Organisationen eine
starke digitalpolitische Aktivität entwickelt, etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund (https://www.dgb.
de/) (DGB) und andere Gewerkschaften im Themenfeld Arbeit 4.0, Amnesty International (https://www.
amnesty.de/) mit Blick auf Menschenrechte im digitalen Zeitalter und die Bundeszentrale für
Verbraucherschutz mit ihrer Marktbeobachtung Digitales (https://www.vzbv.de/themen/marktbeobachtung/
marktbeobachtung-digitales).

Diese Vielfalt an Gremien und Akteuren ist Ausdruck dessen, dass die politische Gestaltung der
Digitalisierung in Deutschland (und auch international) sehr dynamisch ist. Lange Zeit war der politische
Umgang eher von geringen staatlichen Eingriffen in die Regulierung digitaler Technologien geprägt,
doch mittlerweile werden digitalpolitische Fragen in ganz verschiedenen Bereichen diskutiert: Im
Datenschutz, im Verbraucherschutz, in der Wettbewerbsaufsicht, in der Cybersicherheit, in der
Antidiskriminierungspolitik etc. Die grundlegende Spannung besteht stets darin, die Möglichkeiten
digitaler Technologien für Effizienz, Effektivität, Vielfalt und Partizipation zu nutzen, ohne wichtige
demokratische Prinzipien wie Gewaltenteilung, Transparenz, sozialen Zusammenhalt und
Grundrechte wie etwa Privatheit, Meinungsfreiheit und Bewegungsfreiheit zu gefährden. [6] In welchem
Ausmaß sich das politische System Deutschlands in Zukunft weiter verändern wird, hängt stark damit

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zusammen, in welcher Form und in welchem Ausmaß eine digitalpolitische Regulierung entwickelt wird.

Weiterführende Links

•     Amnesty International’s Amnesty Tech (https://www.amnesty.org/en/tech/), Globales Kollektiv aus
      Fürsprecher*innen, Hacker*innen, Forscher*innen und Technolog*innen, das sich für die
      Durchsetzung von Menschenrechten im digitalen Zeitalter engagiert.

•     Digitale Gesellschaft (https://digitalegesellschaft.de/), eingetragener Verein mit Sitz in Berlin, der
      sich für Bürgerrechte und Verbraucherschutz im Bereich der Netzpolitik engagiert.

•     Heise Online (https://www.heise.de/), Nachrichten-Website des Heise-Zeitschriften-Verlags mit
      Schwerpunkt Informations- und Telekommunikationstechnik und ihre gesellschaftlichen
      Auswirkungen

•     Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT) (https://www.oeffentliche-it.de/),
      Analysen und Beratung zu Fragen der IT in staatlichen Einrichtungen, gefördert durch das
      Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

•     Marktbeobachtung Digitale Welt (https://www.vzbv.de/themen/marktbeobachtung/marktbeobachtung-
      digitales), Projekt, in dem die Verbraucherzentrale Bundesverband und die Verbraucherzentralen
      digitale Märkte aus Sicht der Verbraucher analysieren.

•     Netzpolitik (https://netzpolitik.org/), deutschsprachige                 Nachrichten-Website   zu   digitalen
      Freiheitsrechten und anderen netzpolitischen Themen

•     Privacy International (https://privacyinternational.org/), international tätige Menschenrechtsorganisation,
      die für die Privatsphäre von Bürger*innen gegenüber Staat und Wirtschaftsunternehmen eintritt.

•     Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft (https://weizenbaum-institut.de/)– Das
      Deutsche Internet-Institut, beforscht die gesellschaftlichen Implikationen der Digitalisierung,
      gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

                    Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by-sa/4.0/deed.
                    de/ (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de/)
                    Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by-sa/4.0/
deed.de/ Autor: Lena Ulbricht für bpb.de

Fußnoten

1.    Ulbricht, Lena (2019): Big Data und Governance im digitalen Zeitalter. In: Hofmann, Jeanette;
      Kersting, Norbert; Ritzi, Claudia; Schünemann, Wolf (Hrsg.), Politik in der digitalen Gesellschaft.
      Bielefeld: transcript Verlag, 289–307. doi: 10.14361/9783839448649-015.
2.    Dencik, Lina; Hintz, Arne; Redden, Joanna; Warne, Harry (2018): Data Scores as Governance:
      Investigating Uses of Citizen Scoring in Public Services (http://orca.cf.ac.uk/117517/). [Project
      Report]. Open Society Foundations, Cardiff University, UK; Spielkamp, Matthias (Hrsg.) (2019):
      Automating Society: Taking Stock of Automated Decision-Making in the EU (https://algorithmwatch.

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      org/wp-content/uploads/2019/01/Automating_Society_Report_2019.pdf). Berlin: Algorithm Watch
      / Bertelsmann Stiftung; Chiusi, Fabio; Fischer, Sarah; Spielkamp, Matthias (Hrsg.) (2020):
      Automating Society Report, Special Issue "Automated Decision-Making Systems in the COVID-19
      Pandemic: A European Perspective (https://algorithmwatch.org/wp-content/uploads/2020/08/
      ADM-systems-in-the-Covid-19-pandemic-Report-by-AW-BSt-Sept-2020.pdf)". Berlin: Algorithm
      Watch / Bertelsmann Stiftung.
3.    Orwat, Carsten (2019): Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von Algorithmen (https://www.
      antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/
      Studie_Diskriminierungsrisiken_durch_Verwendung_von_Algorithmen.html). Eine Studie, erstellt
      mit einer Zuwendung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Baden-Baden: Nomos.
4.    Rehder, Britta; van Elten, Katharina (2019): Mobilisierung von Recht durch Legal Technologies.
      In: Klenk, Tanja; Nullmeier, Frank; Wewer, Göttrik (Hrsg.), Handbuch Digitalisierung in Staat und
      Verwaltung. Wiesbaden: Springer VS, 1–10. doi: 10.1007/978-3-658-23669-4_31-1.
5.    Tactical Tech (2019): Personal Data: Political Persuasion. Inside the Influence Industry. How It
      Works. (https://cdn.ttc.io/s/ourdataourselves.tacticaltech.org/Personal-Data-Political-Persuasion-
      How-it-works.pdf)
6.    Schneider, Florian; Creemers, Roger (Hrsg.) (2020): How Asia Confronts COVID-19 through
      Technology (https://leidenasiacentre.nl/wp-content/uploads/2020/05/LeidenAsiaCentre-How-Asia-
      Confronts-COVID-19-through-Technology-3.pdf). Leiden: LeidenAsiaCentre.

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Medienkompetenz und Digital Literacy
Von Kristin Narr, Christian Friedrich                                                                           22.2.2021
 Kristin Narr ist Medienpädagogin. Ihre Arbeitsschwerpunkt liegen im Bereich der offenen, kreativen und partizipativen Lernsettings
 mit digitalen Medien und Open Educational Resources (OER). Sie ist Mitglied des Vorstands der Gesellschaft für Medienpädagogik
 und Kommunikationskultur e.V. (GMK) und Redaktionsmitglied im Medienpädagogik Praxisblog.
 https://twitter.com/la_fool?lang=de(https://twitter.com/la_fool?lang=de)

 Als Berater und als Referent für Bildung und Wissenschaft bei Wikimedia Deutschland hat Christian Friedrich sich für offenes,
 kollaboratives und partizipatives Lernen im Netz eingesetzt, Lehrformate konzipiert und umgesetzt. Er moderiert den Podcast
 "Hamburg hOERt ein HOOU" und gemeinsam mit Markus Deimann den Podcast "Feierabendbier Open Education".

Was ist Digital Literacy und was unterscheidet sie vom Modell der Medienkompetenz? Kristin
Narr und Christian Friedrich nähern sich beiden Konzepten mit einem interdisziplinären Ansatz,
der Digital Literacy und Medienkompetenz im Rahmen von politischer Bildung betrachtet und
in Zusammenhang mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen setzt.

Unterschiedlichste Ansätze nähern sich Kompetenzen in einer mediatisierten Gesellschaft an. Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/
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Was ist eigentlich Medienkompetenz?
Auch wenn viele verschiedene Definitionen und Modelle von Medienkompetenz (http://www.bpb.de/
lernen/digitale-bildung/medienpaedagogik/medienkompetenz-schriftenreihe/) existieren, drehen sich
die meisten um ein Wissen über Medien und ihre Funktionsweisen sowie um ein kompetentes,
selbstbestimmtes Handeln mit Medien. Auch dem kritischen Umgang mit Medien wird Beachtung
geschenkt, unter anderem im weit verbreiteten Medienkompetenzmodell von Dieter Baacke. [1] Nicht
zuletzt bezieht dieser Bereich der Medienkritik gesellschaftliche Dimensionen in die
Auseinandersetzung mit Medien ein, indem gesellschaftliche Entwicklungen (in Bezug auf Medien)
und deren Auswirkungen für das Zusammenleben sowie Chancen und Herausforderungen einer
mediatisierten (Lebens-)Welt abgewogen werden.

Durch die zunehmende Digitalisierung vieler Lebensbereiche unterliegt der Medienbegriff einem
Wandel. Ein "Ausschalten" des medialen Einflusses ist nur noch schwer möglich. Medien sind
allumfassend und präsent, auch wenn dies nicht immer sichtbar ist. Es geht schon lange nicht mehr
nur um "Medien" im kommunikationswissenschaftlichen Sinn (z. B. Zeitung oder Fernsehen) oder um
Geräte, da auch das Internet Einfluss nimmt und aus "Medien" digitale Medien werden, worunter z. B.
auch soziale Medien (Plattformen im Internet) gefasst werden. Medien sind dabei nicht nur
Kommunikationsmittel: Die Welt und Gesellschaft werden durch und mit Medien gestaltet.

Medienkompetenz und politische Bildung
Der Zusammenhang zwischen politischer Bildung und Medienkompetenz wird im Rückblick auf das
20. Jahrhundert deutlich. In ihrem Buch "It’s Complicated" [2] beschreibt die Medienwissenschaftlerin
danah boyd die gesellschaftlichen Anstrengungen, die "Media Literacy" [3] der Bevölkerung zu stärken.
Häufig seien diese Bemühungen auf vorherige Krisen in der öffentlichen Meinungsbildung
zurückzuführen. So wurde beispielsweise in Großbritannien schon in den 1930er Jahren im Kontext
kontinentaleuropäischer Propaganda und der damals aufkommenden Massenmedien über kritisch-
analytisches Denken in der Schule, in Kultur und anderen Umgebungen gesprochen und erste
Unterrichtsmaterialien wurden erstellt.

Auch in den 1960er Jahren bekam das Feld der Media Literacy einen weiteren Schub, damals im
Kontext von zusehends größer und sichtbarer werdenden Werbekampagnen in den USA. Diese
Überlegungen und Anstrengungen hatten zum Ziel, dass Menschen sich vor einer Einflussnahme und
Indoktrination schützen könnten, sich kritisch mit den Inhalten und den Medien auseinandersetzen
mögen und eigene Schlüsse ziehen würden. Eine Motivation also, die sich nicht sonderlich von heute
wünschenswerten Kompetenzen im Kontext von Medienkompetenz und politischer Bildung
unterscheidet.

Dass eine Verbindung von Medienkompetenz und politischer Bildung gezogen werden kann, begründet
nicht nur ein Blick zurück, sondern auch die Auseinandersetzung mit einer der Zieldimensionen von
Medienkompetenz: Die gesellschaftliche Teilhabe (eben auch) durch die souveräne Nutzung und
Gestaltung von Medien. [4]

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                                       Medienpädagogische Angebote können per se interdisziplinär und
                                       in Richtung politischer Bildung gedacht werden – können
                                       deswegen, weil dafür ein ganz bestimmtes Verständnis von
                                       Medienpädagogik vorausgesetzt wird. Inhalte und Formate der
                                       Angebote sind in diesem Verständnis verschränkt: Ist in einem
                                       Workshop das Produkt vorgegeben (z. B. Film, Hörspiel, Comic),
                                       bieten die verschiedenen Formate trotzdem unterschiedliche
                                       Möglichkeiten für die Beschäftigung mit vielfältigen, gesellschaftlich
                                       relevanten Themen, wie z. B. ein Trickfilm über Umweltschutz oder
                                       ein Podcast über anstehende Wahlen. Gleichzeitig setzt die
                                       Beschäftigung mit bestimmten gesellschaftsrelevanten Inhalten
                                       (vor allem "digitalen Themen" wie Datenschutz (http://www.bpb.de/
 Kristin Narr. Lizenz: cc by/4.0/deed.
 de (Christiane Gundlach)              gesellschaft/digitales/datenschutz/) oder Algorithmen (http://www.
                                       bpb.de/mediathek/265398/algorithmisches-denken-verstehen)) nicht
nur die Thematisierung von (digitalen) Medien voraus, sondern auch deren Nutzung. Einfacher gesagt:
Wenn ich mich mit dem Thema Datenschutz beschäftige, ist es hilfreich, das Smartphone mit seinen
Apps genauer zu betrachten und sich aktiv damit auseinanderzusetzen.

Medienpädagogische Angebote können in diesem Sinne einen Raum für politische Bildung öffnen. Es
geht nicht nur um die Beschäftigung mit Medien, sondern darum, was Menschen mit Medien machen
und wie sie Medien aktiv und für sich und ihre Bedürfnisse in den Gebrauch nehmen (können). Vier
Kriterien für die Praxis können helfen, das beschriebene Verständnis zu stützen und mit Leben zu
füllen: Offenheit, Partizipation, Gesellschaftsrelevanz und Lebensweltorientierung. [5]

Offenheit
Das Prinzip "Offenheit" ist aus zwei Perspektiven zu verstehen: Zum einen tauschen sich (medien-)
pädagogisch Aktive viel aus und zeigen, was sie machen, wie sie Dinge angehen und lösen. Dies trägt
zur Interdisziplinarität der Medienpädagogik mit verschiedenen Einflüssen aus verwandten Disziplinen
und Themen bei, u. a. der politischen Bildung. Wissen und Ressourcen werden verstetigt und
weitergegeben, da Medienpädagog*innen in einem sehr dynamischen Feld arbeiten, in dem sich vieles
(Zielgruppen, Themen, Inhalte, Formate, Methoden) schnell wandelt. Hinzu kommt, dass es mittlerweile
gängig geworden ist, in Veröffentlichungen auch auf Offenheit zu setzen und durch den Einsatz offener
Lizenzen deutlich zu machen, dass die Nutzung, Veränderung oder Anpassung der Materialien explizit
möglich und gewünscht sind.

Zum anderen beschäftigen sich viele Kolleg*innen auch auf einer praktischen Umsetzungsebene mit
Offenheit, etwa indem sie Zugänge für verschiedene Zielgruppen schaffen: z. B. zu Programmen
(beispielsweise durch die Nutzung freier, kostenloser Software) oder auch in der praktischen
Projektarbeit zu alternativen Tools (beispielsweise durch die Nutzung von Open Source).

Partizipation
Der Großteil der medienpädagogischen Angebote beinhaltet einen starken partizipativen Anteil und
stellt Anliegen, Bedürfnisse und Themen ihrer Teilnehmer*innen in den Vordergrund bzw. macht sie
mit medienpädagogischen Methoden sichtbar. Dies sind u. a. themen- oder/und ergebnisoffene
Angebote oder solche, bei denen die Erstellung eines eigenen Produktes oder die Umsetzung einer
eigenen Idee im Vordergrund steht. Mit diesen Angeboten sollen Menschen befähigt werden, selbst
gestalterisch aktiv zu sein und Dinge einfach auszuprobieren. In der heutigen Informationsgesellschaft
ist Wissen – mit der Betonung nicht auf Faktenwissen, sondern auf Wissen über Prozesse und
Kompetenzen – eine kritische Ressource. Damit werden Grundsätze wie Demokratie und
Selbstbestimmung zu Bildungsfragen, für die es Kompetenzen und Lernfähigkeit braucht. [6]

Junge Menschen müssen deshalb dazu befähigt werden, digitale Geräte nicht nur zu nutzen, sondern
die ihnen zugrundeliegende Kultur zu gestalten. Dafür braucht es vor allem Räume und Gelegenheiten
zum Kennenlernen und Ausgestalten. Wenn Partizipation gelingen soll, ist auch der Zugang zur

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Zielgruppe entscheidend: Der Alltag und die Kommunikation junger Menschen sind heute digital und
medial geprägt, weswegen eine lebensweltbezogene Partizipation junger Bürger*innen, sprich
Jugendbeteiligung, auch digital sein sollte. [7]

Gesellschaftsrelevanz
Die Medienpädagogik strebt einen kritischen Umgang mit Medien und Informationen zur souveränen
Meinungsbildung und Teilhabe an der Gesellschaft an. Gleichzeitig bietet medienpädagogische Arbeit
für alle Ziel- und Altersgruppen Anknüpfungspunkte und -möglichkeiten – wir alle nutzen Geräte und
Anwendungen und sind tagtäglich mit gesellschaftlichen Themen rund um die Digitalisierung
konfrontiert (z. B. Big Data-Analysen, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz). Bei der
Konzeption von (medienpädagogischen) Angeboten stellt sich deshalb immer die Frage, wie man vor
allem mit schwierigen gesellschaftlichen Themen umgeht und daraus passende und relevante
Angebote für eine Zielgruppe schafft.

Dabei kann es beispielsweise um die Vermittlung von Wissen und Informationen gehen: Denn
Menschen beziehen ihre Informationen aus den verschiedensten Medien, müssen also die Funktions-
und Arbeitsweisen hinter diesen Medien verstehen, damit Aspekte wie Manipulation oder Quellenkritik
verinnerlicht und zur Meinungsbildung herangezogen werden können.

Lebensweltorientierung
Medienpädagogische Angebote zeichnen sich oft durch Lebensweltnähe und einen zeitgemäßen
Zugang aus, besonders unter Berücksichtigung der (Haupt-)Zielgruppe Kinder und Jugendliche. Die
Angebote wollen an ihre Lebenswelt anknüpfen und sie sind darauf ausgelegt, einen Bezug zu ihnen
deutlich zu machen und ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Dynamische Methoden ermöglichen
beispielsweise den Zugang zu komplexen und schwierigen Themen. Dieser didaktische Ansatz ist mit
dem fachdidaktischen Prinzip der Adressatenorientierung ebenfalls in der politischen Bildung zu finden:
Angebote werden ausgehend von der Lebenssituation und den Voraussetzungen der Zielgruppe
konzipiert und umgesetzt, sodass Reflexionen (auf einer übergeordneten gesellschaftspolitischen
Ebene) angestoßen werden.

Diese Kriterien helfen nicht nur dabei, Fähigkeiten zur Gestaltung und Veränderung von Medien und
Gesellschaft in den Fokus medienpädagogischer Angebote zu setzen; sie verdeutlichen außerdem,
dass die Kompetenzen, die solche Angebote zum Gegenstand haben und die für eine Teilhabe an der
Gesellschaft notwendig sind, derart komplex sind, dass sich die Frage stellt: Ist Medienkompetenz als
Begriff hier noch passend? Oder greifen die medialen Entwicklungen und die anknüpfenden
Kompetenzen weiter und braucht es einen neuen Begriff, um souveränes Handeln in und Teilhabe an
der digital geprägten Gesellschaft zu beschreiben?

Einen solchen Ansatz präsentiert das Konzept der "Digital Literacy", das allerdings noch selten im
deutschsprachigen Diskurs auftaucht. Dabei ist das Konzept – ganz besonders in Verbindung mit
politischer Bildung – vielversprechend.

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Was ist Digital Literacy?
Den verschiedenen Modellen und Konzepten zur Einordnung von Digital Literacy ist mit
Medienkompetenzmodellen gemein, dass sie sich der Interaktion von Individuen in einer medialisierten
Erlebenswelt widmen. Einen besonderen Blick legen sowohl Medienkompetenz als auch Digital
Literacy darauf, wie Individuen sich die Bedingungen dieser Welt aneignen können. Dies geschieht in
der Regel, indem Methoden, Kompetenzen, Skills oder auch Aktivitäten sortiert und geclustert werden.
Diesen Methoden und Kompetenzen werden dann verschiedene Wirksamkeiten und Prägungen
zugeschrieben. Die eine Definition von Digital Literacy ist kaum zu beschreiben. Zwei verschiedene
Konzepte, die sich aus ihren jeweiligen Positionen heraus einer Begriffsklärung verschreiben, sollen
hier umrissen werden.

4K-Modell
Im "Framework for 21st Century Learning” werden Kreativität, Kritisches Denken, Kollaboration und
Kommunikation als die Kompetenzen beschrieben, die für die ungewissen beruflichen Anforderungen
im 21. Jahrhundert bedeutsam seien. Das 4K-Modell baut darauf auf und hat es in den letzten Jahren
durch seine handliche und gut zu beschreibende Kategorisierung von Kompetenzen und Fähigkeiten
geschafft, internationale und nationale Bildungsdiskurse zu prägen. Als ein Modell, das sich Fragen
zum Lernen in einer mediatisierten Welt verschreibt, kann es dem Feld der Digital-Literacy-Konzepte
zugeordnet werden, auch wenn der Begriff "Digital Literacy" dabei selbst nicht im Vordergrund steht.
Im Vergleich zu manch anderen Digital-Literacy-Konzepten wird hier mit einer überschaubaren Anzahl
von Begriffen gearbeitet. Diese Stärke ist gleichzeitig auch seine Schwäche: Denn das Konzept ist
durch Handlungsorientierung geprägt, bietet aber wenig Bezüge zu einem Verständnis politischer
Bildung.

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Mit Kommunikation, kritischem Denken, Kollaboration und Kreativität zu Digital Literacy. Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.
de (Illustration: Johanna Benz und Tiziana Beck/graphicrecording.cool)

Die Kritik an einer zu starken Prägung des 4K-Modells durch Wirtschaftsinteressen wird unter
deutschsprachigen Bildungsakteur*innen oder -institutionen, Stiftungen, Trainer*innen und
Einrichtungen zur Fortbildung von Lehrkräften, aber auch Landesministerien bisher selten aufgegriffen.
[8] Das ist umso bemerkenswerter, wenn man sich verdeutlicht, wie groß die Skepsis gegenüber dem
zunehmenden Einfluss großer Internet-Konzerne im Kontext von Bildung und Digitalisierung sonst ist.

Die OECD (http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17968/organisation-fuer-wirtschaftliche-
zusammenarbeit-und-entwicklung-oecd) (Organisation für Wirtschaft und Zusammenarbeit) ist eine
der bekanntesten Fürsprecherinnen der 4Ks und scheint die Grundannahmen des Modells zu
bestätigen, etwa dass die Art der Jobs der Zukunft nicht vorhergesagt werden kann. [9] Dass diese
Argumentation fragwürdig ist, legt Benjamin Doxtdator, ein kanadischstämmiger Lehrer und Autor in
Belgien, eindrucksvoll dar und analysiert die Prägung des Modells durch ökonomische Interessen.
[10] Der Beitrag von Doxtdator beschreibt, wie die Argumentation, die Zukunft des Arbeitsmarkts sei
unvorhersehbar, in einer scheinwissenschaftlichen Argumentation genutzt wird, um politische und
gesellschaftliche Änderungen insbesondere im Bildungsbereich zu forcieren. In "A Field Guide to Jobs
that don’t exist yet” beschreibt er Narrative des "future proofing” von Bildung, mit dem eine vermeintliche
Zukunftssicherheit verbunden wird, sowie deren durchökonomisiertes Verständnis von Bildung.

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Insbesondere der politischen Bildung, der es um die Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen
Leben und nicht nur um die Teilnahme an Märkten geht, ist mit der oft unterkomplexen Reduktion des
Lernens auf Kompetenzen und Handlung nicht viel geholfen. Das 4K-Modell eignet sich dennoch
gerade wegen dieser Defizite als Türöffner und Gesprächseinstieg, um sich Fragen um Digital Literacy
anzunähern.

8 Cs of Digital Literacy
Ein Modell, das die Vieldeutigkeit und Ambiguitäten rund um den Begriff Digital Literacy gut verständlich
aufbereitet, liefert Doug Belshaw, Lehrer, ehemaliger Mitarbeiter der Mozilla Foundation und inzwischen
Berater für organisationales Lernen, in seiner Dissertation von 2012. [11] In diesem nicht mehr
taufrischen, aber nach wie vor zeitgemäßen Modell leitet Belshaw acht Elemente von Digital Literacy
her: "Cultural", "Creative", "Constructive", "Communicative", "Confident”, "Cognitive”, "Critical” und
"Civic”. [12]

Ähnlich wie chemische Elemente sind auch die Elemente als Perspektiven von Digital Literacy nach
Belshaw selten in Reinform zu finden oder zu verorten: Ein Denkprozess, eine Handlung, eine
bestimmte Art bzw. Vorgang der Kommunikation bedingt oder umfasst immer verschiedene Elemente
von Digital Literacy. Damit wird deutlich, dass es unweigerlich Überschneidungen in den Elementen
geben muss, sie nicht trennscharf voneinander abgrenzbar sind.

Acht Elemente von Digital Literacy. Erstellt von Christian Friedrich mit dem Remixer (https://remixer.visualthinkery.
com/) der Visual Thinkery (https://visualthinkery.com/), der unter CC-BY-SA 4.0 lizenziert ist. Lizenz: cc by-sa/4.0/
deed.de

Die sprachliche Übertragung der Elemente ins Deutsche geht oft schief: Manche*r übersetzt das
Element "Critical” mit "kritisch”. Damit greift die Übersetzung aber zu kurz. Lisa Rosa hat kritisches
Denken als "das Hauptelement der Literacy des digitalen Zeitalters” [13] ausgemacht, warnt aber auch
ausdrücklich davor, in kritischem Denken vor allem "rumnörgeln” zu verstehen. Vielmehr sei kritisches
Denken ein eigener Analysevorgang, der weit mehr umfasst als bloße Beschwerden.

Ein ähnliches Schicksal widerfährt häufig auch Belshaws Element "Civic”. Das liegt an den
verschiedenen Deutungen: Gesellschaftlich, bürgerlich, staatsbürgerlich, zivilgesellschaftlich,
städtisch - alles gängige Übersetzungen, die im Deutschen unter Umständen speziell konnotiert sein
können. Festzuhalten ist, dass mit "Civic" wohl ein Wirken des Individuums in die Gesellschaft und in
der Gesellschaft zu verstehen ist - wohlgemerkt ohne künstlich zwischen einer analogen
Kohlenstoffwelt und einer digitalen Welt zu unterscheiden.

Mit dem Element "Civic" offeriert Belshaw damit im Vergleich zu dem 4K-Modell ein weiteres, für

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politische Bildung entscheidendes Teilstück: was Menschen mit digitalen Tools, in digitalen
Ökosystemen, auf Plattformen und anderswo im Netz tun, ist nicht nur das Produkt gesellschaftlicher
Sozialisation, sondern es formt unmittelbar gesellschaftliches Zusammenleben.

Digital Literacy und politische Bildung
Politische Bildung im engeren Sinne hat das Ziel, "Jugendliche und Erwachsene mit den zur Teilnahme
am politischen und gesellschaftlichen Leben notwendigen Voraussetzungen auszustatten”. [14]
Spätestens mit dem Brexit-Referendum und den US-Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020, aber
auch schon 2008 mit der Wahl Barack Obamas ins Weiße Haus hat sich auch in Print, Radio und
Fernsehen die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Netz und Plattformen wie Facebook oder Twitter
eine erhebliche Auswirkung auf das "echte Leben” haben. Diskurse, Effekte, Meinungs- und
Willensbildung finden heute auch online statt und haben einen realen Einfluss auf die Welt der Wahlen,
Abstimmungen und Parlamente. Entsprechend muss eine Bildung, die das Ziel hat, Menschen auf die
Teilnahme am politischen und gesellschaftlichen Leben vorzubereiten, zwangsläufig entsprechende
Konzepte vorsehen.

Dass politische Bildung und Digital Literacy einander bedingen, lässt sich auch abseits der oft zitierten
politischer Großereignisse verfolgen: 99 Prozent der in der JIM-Studie 2019 befragten Jugendlichen
gaben an, dass ihr Haushalt mit einem Smartphone ausgestattet sei. 98 Prozent verfügen über einen
Computer oder Laptop. [15] Dies haben nicht nur die Herausgeber*innen der JIM-Studie seit Jahren
zuverlässig erkannt, sondern auch diejenigen, die mit populistischer und gruppenbezogener
Menschenverachtung insbesondere um junge Schichten von Wähler*innen bemüht sind.

Die Autorin Karolin Schwarz beschreibt in ihrem Buch "Hasskrieger - Der neue globale
Rechtsextremismus" ausführlich, wie sich beispielsweise rechte und rechtsextreme Gruppen im Netz
versammeln, dort Nachwuchs rekrutieren, Diskurse beeinflussen und zuvor unsagbares als wieder
sagbar etablieren. Welche Auswirkungen diese Diskursverschiebung nach rechts erst in einzelnen
Regionen, Bevölkerungsgruppen oder ‘Orten’ im Internet, später aufgegriffen von Politiker*innen und
Journalist*innen, auf Gesellschaft und Politik hat, schildert auch Matthias Quent in seinem Buch
"Deutschland rechts außen” sehr anschaulich. Beide Autor*innen beschreiben das Internet als eine
Art Ökosystem, in dem politisch extreme Positionen und ihre Formulierungen getestet, auf bestimmte
Menschen und Zielgruppen angepasst, immer weiter wiederholt und multipliziert werden, um sich so
früher oder später in den etablierten Formaten der Meinungs- und Willensbildung wiederzufinden.

Die Argumente für eine Verknüpfung von Digital Literacy und politischer Bildung sind aber nicht nur in
negativ und dystopisch konnotierten Betrachtungen zu finden. Auch die emanzipatorische Leistung
von Technologie und Internet ist an dieser Stelle hervorzuheben. So sind Hackathons wie Jugend
Hackt (https://jugendhackt.org/) – Claim: "Mit Code die Welt verbessern” –, die EU Code Week (https://
codeweek.eu/), aber auch das 2019 beendete Projekt Demokratielabore (https://demokratielabore.
de/) seit langer Zeit einem anderen Narrativ auf der Spur: durch besseres Verstehen von Technologie,
durch Selbstermächtigung und Aneignung, durch Zusammenarbeit und gemeinsames Lernen lässt
sich Gesellschaft besser verstehen und verändern bzw. hacken. Es werden Zusammenhänge zwischen
Gesellschaft und Plattformen, zwischen Nachrichten und Propaganda im Netz und Meinungsbildung
ersichtlich. Die Funktionsweisen des Internets und seiner zugrundeliegenden Technologien werden
ebenso deutlich wie die kulturellen Techniken, die Menschen sich erarbeiten, um sich im Netz und mit
Technologie für eine bessere Welt zu engagieren – von Fridays for Future über Hashtags und
Bewegungen wie #Aufschrei und #metoo bis hin zu gesellschaftlichen Debatten um die EU-
Urheberrechtsreform (http://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/287108/eu-urheberrechtsreform)
im Jahr 2019.

All diese Beispiele zeigen, dass es zumindest einer Erweiterung, wenn nicht Erneuerung bestehender
Konzepte im Kontext von Digital Literacy bedarf. Die Vermittlung der Fähigkeit, sich in einer in ihren
Machtverhältnissen vollkommen anders gestalteten Welt von Information, Nachrichten und ihrer
Verbreitung und Teilhabe zu verhalten, ist eine Herausforderung für die politische Bildung. Gleichzeitig

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ist festzuhalten, dass diese Herausforderung an sich zwar groß, aber nicht vollkommen neu ist. Denn
schon immer war politische Bildung von sich ändernden Medien- und Nachrichtenwelten
herausgefordert.

Was nun?
Der Text will keine eindeutige Antwort präsentieren, er möchte den Impuls geben, über Begriffe
nachzudenken und zu einer Debatte über diese Begriffe anregen. Mit Blick auf Medienkompetenz:
Greift der Begriff mittlerweile zu kurz und beschreibt er noch das, was wir meinen? In Bezug auf Digital
Literacy: Ist das Konzept treffend? Oder gibt es andere, treffendere Begriffe?

Was sagen Sie? Die Autorin und der Autor freuen sich auf den Austausch mit Ihnen.

                      Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz veröffentlicht. by/4.0/deed.
                      de/ (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de/)
                      Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: by/4.0/deed.
de/ Autoren: Kristin Narr, Christian Friedrich für bpb.de

Fußnoten

1.    Vgl. Baacke, Dieter (1996): Medienkompetenz – Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: von Rein,
      Antje (Hrsg.): Medienkompetenz als Schlüsselbegriff. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 112-124.
2.    Boyd, Danah (2014): It’s Complicated: The Social Lives of Networked Teens. 1. Auflage, New
      Haven: Yale University press.
3.    Der englische Begriff "Media Literacy" hat zwar Schnittmengen zum deutschen Konzept der
      Medienkompetenz, ist aber nicht damit gleichzusetzen (Vgl. Benjamin Jörissen (2010): Medien…-
      bildung? -kompetenz? -literacy? -didaktik? -erziehung? (https://joerissen.name/medienbildung/
      bildungskompetenzliteracyerziehung/)).
4.    Vgl. Schorb, Bernd (2017): Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd/Hartung-Griemberg, Anja/
      Dallmann, Christine (Hrsg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 254-261.
5.    Diese Kriterien werden hier ausführlich beschrieben: Narr, Kristin (2020): Bildung und Medien
      gehören zusammen! In: Journal Politische Bildung, Heft 2/2020 Räume und Orte, S. 28-33.
6.    Vgl. Weisband, Marina (2019): 5 Thesen zur digitalen Bildung (https://marinaweisband.de/5-
      thesen-zur-digitalen-bildung/).
7.    Vgl. Ertelt, Jürgen (2017): Wie digitale Jugendbeteiligung gelingen kann: (https://kurzelinks.de/
      ertelt-digitalejugendbeteiligung) Ein Gastbeitrag von Jürgen Ertelt vom Beteiligungsprojekt jugend.
      beteiligen.jetzt.
8.    Vgl. Wikipedia (2020): 4K-Modell des Lernens (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=4K-
      Modell_des_Lernens&oldid=203756931).
9.    Vgl. Schleicher, Andreas (o.A.): The Case for 21st-Century Learning – OECD (https://www.oecd.
      org/general/thecasefor21st-centurylearning.htm).
10.   Doxtdator, Benjamin (2017): "A Field Guide to ‘Jobs That Don’t Exist Yet.’” Long View on Education
      (http://linkextern url=).
11.   Belshaw, Douglas (2012): What Is "Digital Literacy”? A Pragmatic Investigation (http://etheses.dur.
      ac.uk/3446/). Durham University.
12.   Eine Übersetzung seiner Arbeit liegt bis heute leider nicht vor, im Blog von Wikimedia Deutschland
      hat Christian Friedrich eine kurze Deutung der acht Elemente versucht. Diese Art der Übertragung
      ist nicht immer passgenau. Vgl. Friedrich, Christian (2019): Digital Literacies und Offenheit: Was
      wir tun, damit Menschen das Freie Netz formen können (https://blog.wikimedia.de/2019/06/27/
      digital-literacies-und-offenheit-was-wir-tun-damit-menschen-das-freie-netz-formen-koennen/).
13.   Rosa, Lisa (2017): Kritisch Denken Lernen für Alle – Kern der Literacy von heute und morgen
      (https://shiftingschool.wordpress.com/2017/02/17/kritisch-denken-lernen-fuer-alle-kern-der-literacy-

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    von-heute-und-morgen/).
14. Peter Massing (2013): Politische Bildung. In: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.):
    Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 7., aktual. Aufl.
    Heidelberg: Springer VS.
15. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest (mpfs) (2020): JIM-Studie 2019 (https://www.
    mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2019/JIM_2019.pdf).

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Kompetenzen für die "digitale Welt" und politische
Bildung
Zahlreiche Kompetenzkonzepte gliedern das Themenfeld Digitalisierung und bieten eine
Orientierung für die Entwicklung von Konzepten für die Bildungspraxis. Doch aus Sicht der
politischen Bildung sind noch viele Fragen offen. Gastautor Sebastian Kauer geht der Frage
nach, wie politische Bildung in der "digitalen Welt" aussehen kann.

Worauf soll politische Bildung im Kontext Digitalisierung vorbereiten? Lizenz: cc by-nc-sa/4.0/deed.de (Illustration:
Johanna Benz und Tiziana Beck/graphicrecording.cool)

Welche Rolle soll die Digitalisierung im Bildungssystem spielen? Einige grundlegende Leitlinien lassen
sich in der Strategie "Bildung in der digitalen Welt" finden (https://www.kmk.org/themen/bildung-in-der-
digitalen-welt/strategie-bildung-in-der-digitalen-welt.html), die die Kultusministerkonferenz (KMK) im
Dezember 2016 vorgelegt hat.

Sie umfasst unter anderem einen Kompetenzrahmen. Gegliedert in verschiedene Kompetenzbereiche
schlüsselt er auf (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/KMK_Kompetenzen_-
_Bildung_in_der_digitalen_Welt_Web.html), über welche Kompetenzen Lernende verfügen müssen,
um den Anforderungen der sogenannten "digitalen Welt" zu genügen. In den allgemeinbildenden
Schulen gelten diese Kompetenzen als verbindlich und müssen nun in die verschiedenen Fächer
integriert werden.

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Kompetenzen für die "digitale Welt" und politische Bildung
In der KMK-Strategie wird die Digitalisierung als gesamtgesellschaftliche Transformation verstanden,
die entsprechend grundlegende Veränderungen in allen Bereichen der Bildung erfordert.
Es geht hier also um weit mehr als darum, Verständnis für bestimmte Technologien oder Anwendungen
zu vermitteln. Ziel ist vielmehr, die Lernenden auf das "Leben in der derzeitigen und künftigen
Gesellschaft vorzubereiten und sie zu einer aktiven und verantwortlichen Teilhabe am kulturellen,
gesellschaftlichen, politischen, beruflichen und wirtschaftlichen Leben zu befähigen", so die KMK. [1]
Dies umfasse auch die Reflexion und aktive Gestaltung der transformativen Prozesse, die mit der
Digitalisierung einhergehen. Somit werden auch Grundfragen der politischen Bildung berührt.

Kompetenzkonzepte als Werkzeug für die Unterrichtsgestaltung
Die Schulen haben nun die Aufgabe, eigene Curricula zu entwickeln, die den Zielen der Strategie
gerecht werden. Das KMK-Kompetenzkonzept und seine Varianten in den verschiedenen
Bundesländern können dabei als Raster verwendet werden, in dem die Schulen gewissermaßen
"abhaken", welche Kompetenzen mit welchen Unterrichtsinhalten verknüpft werden. [2]

Damit kommt auch im Politikunterricht vieles in Bewegung, denn auch hier sind viele Bezüge zum
KMK-Kompetenzraster offensichtlich. Sie reichen von methodischen Kompetenzen (1.2 Auswerten
und Bewerten: Informationsquellen analysieren und kritisch bewerten) bis hin zu komplexen Inhalten
(6.2.5 Die Bedeutung von digitalen Medien für die politische Meinungsbildung und die
Entscheidungsfindung kennen und nutzen; 6.2.6 Potenziale der Digitalisierung im Sinne sozialer
Integration und sozialer Teilhabe erkennen, analysieren und reflektieren). (Eine Abbildung des KMK-
Kompetenzrasters finden Sie hier. (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/
KMK_Kompetenzen_-_Bildung_in_der_digitalen_Welt_Web.html))

Die Ansätze unterschiedlicher Kompetenzkonzepte
Das KMK-Kompetenzkonzept ist nicht der einzige Versuch, systematisch zu erfassen, was Bildung
angesichts der digitalen Transformation leisten muss. Es ist allerdings in Deutschland von besonderer
Bedeutung, weil es für den größten Teil des Bildungssystems einen verbindlichen Rahmen schafft und
die Entwicklung entsprechend prägt.

Es gibt weitere Kompetenzkonzepte, unter anderem auf EU-Ebene das Digital Competence Framework
for Citizens (DigComp) (https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1315&langId=en). Die meisten
knüpfen an eine längere Vorgeschichte an: die Auseinandersetzung mit den Begriffen der
Wissensgesellschaft beziehungsweise Informationsgesellschaft. International werden in diesem
Zusammenhang häufig die Begriffe Media Literacy, Digital Literacy und Information Literacy verwendet.

In manchen Ansätzen wird hervorgehoben, dass die digitale Transformation qualitative Veränderungen
mit sich bringt und dass entsprechend neue Sichtweisen auf Bildung nötig sind: Informationen seien
im Überfluss vorhanden, während sich Technologien und Werkzeuge rasant veränderten. Darum seien
vor allem die Kompetenzen wichtig, die es ermöglichen, sich in diesem Umfeld zurechtzufinden, heißt
es etwa im "Framework for 21st Century Learning" (http://www.battelleforkids.org/networks/p21/
frameworks-resources). Es wird als Konzept verstanden, um Bildungssystem und -inhalte grundlegend
neu auszurichten.

Auf das "Framework for 21st Century Learning" gehen auch die sogenannten 4K-Kompetenzen zurück
(bzw. englisch four Cs oder kurz 4C). Laut diesem Modell sind die vier wichtigsten Kompetenzen für
das Lernen im 21. Jahrhundert [3]: kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität
(critical thinking, communication, collaboration, creativity (https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/
werkstatt/297360/unterrichten-nach-dem-4k-modell)).

bpb.de
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