Positionspapier Die Wiedereinführung der Vermögensteuer schadet Handwerk und Mittelstand - Abteilung Steuer- und Finanzpolitik

 
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Positionspapier

Die Wiedereinführung der Vermögensteuer
schadet Handwerk und Mittelstand

Abteilung Steuer- und Finanzpolitik

Das Positionspapier beleuchtet die negativen Folgen der Wiedereinführung einer
Vermögensteuer

Berlin, 15. Juni 2021
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Keine Revitalisierung der Vermögen-            Tatsächlich ist primär das Betriebsvermögen
steuer                                         betroffen, so dass nach einer Prognose des
                                               DIW für 2014 rund 90 % des Aufkommens
Auf der Suche nach potenziellen Einnahme-      auf die Unternehmen entfallen wäre. Der
quellen ist, insbesondere auch zur Finanzie-   Entzug von Liquidität durch die Vermögen-
rung der Corona-Kosten, eine allgemeine        steuer verbietet sich insbesondere aufgrund
Vermögensteuer wieder verstärkt in den Fo-     der anstehenden tiefgreifenden Transforma-
kus der politischen Diskussion geraten. Im     tionsprozesse bei Digitalisierung und Dekar-
Rahmen ihrer Wahlprogramme haben sich          bonisierung der Wirtschaft, die erhebliche
die Grünen, SPD und Linkspartei für die Wie-   betriebliche Investitionen erfordern. Auch vor
dererhebung der Vermögensteuer ausge-          dem Hintergrund der gerade erst rückläufi-
sprochen. Die Pläne sollen im Wesentlichen     gen Corona-Krise dürfte die Wiedereinfüh-
das Gerechtigkeitsempfinden weiter Teile       rung der Vermögensteuer dem Wirtschafts-
der Bevölkerung reflektieren, aus dem sich     standort Deutschland schaden.
nach dem Verständnis des linken Parteien-
spektrums ein Wunsch nach mehr Vermö-          Zudem ist Deutschland ohnehin schon ein
gensumverteilung ergibt. Zur Lösung des        Hochsteuerland für Unternehmen. Die
Problems schlagen sie eine Revitalisierung     zusätzliche Einführung einer Vermögen-
der Vermögensteuer vor. Die wenig konkre-      steuer würde Deutschland im Standortwett-
ten Eckpunkte für die erneute Vermögensbe-     bewerb weiter zurückwerfen und kann dazu
steuerung lassen allerdings erahnen, wer ne-   führen, dass Investitionsentscheidungen
ben den gern zitierten Multimillionären und    zugunsten eines ausländischen Standorts
Milliardären zur Kasse gebeten werden soll.    fallen. So liegt Deutschland mittlerweile im
Gerade über die Heranziehung des Betriebs-     OECD-Vergleich auf dem Spitzenplatz bei
vermögens werden auch etliche gut aufge-       der Besteuerung von Unternehmen. Insoweit
stellte Handwerksunternehmen von der Ver-      ist dringend eine Modernisierung des Unter-
mögensteuer betroffen sein, da die bisher      nehmenssteuerrechts angezeigt, die eine
bekannten Freigrenzen für das Betriebsver-     Begrenzung der Steuerbelastung auf
mögen auch bei zahlreichen Unternehmen         maximal 25 % auf Ebene der Gesellschaft
des handwerklichen Mittelstands schnell er-    vorsieht.
reicht sein werden.

Vermögensteuer schadet dem Standort
Deutschland und trifft insbesondere den
Mittelstand hart

Es ist ein Irrtum, dass durch die Vermögen-
steuer nur wenige „reiche“ Privatpersonen
belastet werden.
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Die zusätzliche Einführung einer Vermögen-   von 2 Mio. € beträgt die Vermögensteuer
steuer würde hingegen in die entgegenge-     19T € (1% von 1,9 Mio. € (2 Mio. SchonVer)
setzte Richtung weisen. Denn die Steuerbe-   = 19.000 €)
lastung von Unternehmen kann durch die
Vermögensteuer deutlich steigen, wie das     Die Steuerbelastung des Unternehmens
folgende Beispiel zeigt:                     steigt von 262T € ESt um weitere 19T €
                                             VermSt auf insgesamt 281T €.
Belastung durch Vermögensteuer am
Beispiel einer Zimmerei                      Das entspricht einer Erhöhung der Ertrag-
                                             steuern von 7,25 Prozentpunkten.
Der Unternehmenswert beträgt 3,9 Mio. €,
der Gewinn vor Steuern beläuft sich auf      Das Beispiel zeigt, dass die effektive Steuer-
584T €.                                      erhöhung für die Unternehmen deutlich spür-
                                             bar ist und immer dann zu existenziellen
Die Steuern vom Gewinn betragen bei einem    Problemen führen kann, wenn die Vermö-
angenommenen Steuersatz von 45 %             gensteuer nicht aus dem laufenden Unter-
ca. 262T €.                                  nehmensgewinn gezahlt werden kann. Denn
                                             dann bewirkt sie eine Vernichtung der Unter-
Bei einer Vermögensteuer in Höhe von nur     nehmenssubstanz.        Vermögen         muss
1 % auf das Betriebsvermögen unter Berück-   veräußert werden, um die fälligen Steuern zu
sichtigung eines Schonvermögens in Höhe      bezahlen,     mit     der     Folge      einer
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Substanzbesteuerung. Dies hat unmittelbare              verkehrswertnahe Bewertung des Vermö-
Auswirkungen auf die zukünftige Wirtschafts-            gens ersetzt werden. Die periodische Ermitt-
kraft des betroffenen Unternehmens und                  lung von Verkehrswerten bedeutet aber so-
damit auch Folgen für die Einkommen und                 wohl für die Finanzverwaltung als auch für
Vermögen aller Anspruchsgruppen; hier sind              die Steuerpflichtigen einen erheblich größe-
neben den Eigentümern insbesondere die                  ren Aufwand als die Bewertung zu Einheits-
Beschäftigte zu nennen. Aber auch im Fall               werten. 2 So benötigt man zur Erhebung einer
ausreichender Gewinne hemmt die Vermö-                  Vermögensteuer schätzungsweise an die
gensteuer die unternehmerische Eigenkapi-               10.000 Finanzbeamte, die auf absehbare
talbildung. Dies wirkt negativ auf die Investi-         Zeit gar nicht zur Verfügung stehen. 3
tionstätigkeit, wenn sich der Eigenkapital-
rückgang nicht durch eine Fremdkapitalauf-              Eine exakte Bewertung des Gesamtvermö-
nahme kompensieren lässt. Auch hier                     gens ist darüber hinaus mit einigen Schwie-
mindern sich zukünftige Einkommens- und                 rigkeiten verbunden. Da die Vermögensteuer
Vermögenspotenziale. Eine Verringerung                  nach herrschender Meinung lediglich als
der Eigenkapitalbasis erhöht zudem die                  Sollertragsteuer verfassungskonform ist,
Krisenanfälligkeit eines Unternehmens, weil             muss die Bemessungsgrundlage auf die Er-
Eigenkapital als Verlustpuffer fehlt. 1                 tragsfähigkeit des Vermögens bezogen sein.
                                                        Da die Entwicklungen der Erträge berück-
Insoweit würde die Vermögensteuer insbe-                sichtigt werden müssen, ist eine periodische
sondere auch den erfolgreichen kleinen und              Bewertung des Gesamtvermögens notwen-
mittelständischen Handwerksunternehmen                  dig. Eine hinreichend genaue und zeitnahe
schaden, weil schlichtweg Kapital für erfor-            Vermögensbewertung ist aber selbst bei
derliche Investitionen fehlen würde. In der             dem noch vergleichsweise einfach zu erfas-
Folge büßen diese Unternehmen erheblich                 senden Grundvermögen kompliziert. Es ist
an Wettbewerbsfähigkeit ein.                            also damit zu rechnen, dass sich bei einer
                                                        Wiedererhebung das Bewertungsproblem
Zusätzliche Bürokratie                durch       die   einstellt, das der Grund für die Entscheidung
Vermögensteuer                                          des Bundesverfassungsgerichts im Jahr
                                                        1995 war. Die periodische Bewertung der
Ein wichtiger Aspekt, der darüber hinaus ge-            Ertragsfähigkeit des beweglichen und unbe-
gen eine Vermögensteuer spricht, sind die               weglichen Privatvermögens sowie des
damit verbundenen administrativen Prob-                 Betriebsvermögens dürfte sich noch komple-
leme. Sie ist diejenige Steuer mit den mit Ab-          xer gestalten. Beispielsweise müsste der
stand höchsten Erhebungskosten. So                      Ertragswert eines Grundstücks unterschied-
müsste die Einheitsbewertung des land- und              lich beurteilt werden. Während bei einem
forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grund-             Mietgrundstücks vor allem die Ausstattung
vermögens und des Betriebsvermögens, wie                der Gebäude und die Lage des Grundstücks
sie im Rahmen der alten Vermögensteuer                  relevant sind, kommt es bei gewerblich
vorgenommen wurde, durch eine laufende,

1
  Hoppe/Maiterth/Sureth-Sloane in Schmalenbach-         3
                                                          Maiterth/Houben, „Vermögensbesteuerung aus
Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. 2016, S. 7f.   ökonomischer Sicht“, in „In Zukunft der Vermögens-
2
  Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministe-         besteuerung“, Institut für Finanzen und Steuern,
rium der Finanzen, 2013, S. 51f.                        IFSt Schrift, Nr. 483.
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genutzten Grundstücken eher auf              die   so hoch, dass der Einnahmesaldo deutlich
unternehmerische Tätigkeit an sich an.             negativ ausfällt, d. h. das Gesamtsteuerauf-
                                                   kommen des Staates fällt infolge der Einfüh-
Doch nicht nur auf Seite der Verwaltung            rung einer Vermögensteuer langfristig gerin-
würde die Vermögensteuer zu einem erheb-           ger aus als ohne Vermögensteuer. 4
lichen Aufwand führen, sondern auch bei den
Steuerpflichtigen, die mit zusätzlichen Erklä-     Die Einnahmeausfälle müssten dann wiede-
rungs- und Mitwirkungspflichten konfrontiert       rum bei denjenigen Unternehmen kompen-
wären. Vor dem Hintergrund, dass Steuerbü-         siert werden, die solche Ausweichreaktionen
rokratie abgebaut werden sollte und nicht          nicht leisten können oder leisten wollen.
zusätzliche Erklärungspflichten etabliert          Insoweit dürfte insbesondere auch das
werden sollten, ist die Wiedereinführung der       Handwerk von der Wiedereinführung der
Vermögensteuer abzulehnen.                         Vermögensteuer       empfindlich     getroffen
                                                   werden. Zudem gefährden sie Beschäftigung
Vermögensteuer international kaum noch             und damit weiteres Steueraufkommen. Es ist
verbreitet                                         bekannt, dass eine Steuer, die durch Kapital-
                                                   verlagerungen umgangen werden kann, im
Da die Vermögensteuer international kaum           Ergebnis nicht die Vermögensbesitzer belas-
noch verbreitet ist und die deutschen Doppel-      tet. Sie wird vielmehr auf andere Personen,
besteuerungsabkommen            ausländisches      wie zum Beispiel auf Beschäftigte im Wege
Betriebsvermögen regelmäßig freistellen,           sinkender Löhne oder Entlassungen, über-
können deutsche Unternehmen die Vermö-             wälzt. Um die hier gezeigten Ausweichreak-
gensteuer durch Auslandsengagements                tionen zu mildern, müssten die bestehenden
vollkommen legal umgehen. So wird die              Doppelbesteuerungsabkommen für Zwecke
Vermögensteuer derzeit nur noch in fünf eu-        der Vermögensbesteuerung grundlegend
ropäischen Staaten (Frankreich, Luxemburg,         geprüft und überarbeitet werden, was zumin-
Norwegen, Schweiz, Spanien) erhoben,               dest auf kurze bis mittlere Sicht unrealistisch
wobei die Vermögensteuer in Frankreich             erscheint. 5
bereits 2018 zu einer reinen Immobilien-
steuer reduziert wurde, mit dem Ziel, nur den
Immobilienbesitz, der nicht einer wirtschaftli-
chen Tätigkeit dient, zu besteuern.

Ausländische Unternehmen wiederum kön-
nen der deutschen Vermögensteuer durch
den Verzicht auf Investitionen im Inland
ausweichen. Solche Ausweichreaktionen
mindern nicht nur das Vermögensteuer-,
sondern auch das Umsatz- und Ertrag-
steueraufkommen. Tatsächlich ist der Rück-
gang im Aufkommen aus anderen Steuern
4
 Ernst & Young GmbH / ifo-Institut, „Ökonomische   5
                                                    Hoppe/Maiterth/Sureth-Sloane in Schmalenbach-
Bewertung verschiedener Vermögensteuerkon-         Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. 2016, S. 8.
zepte“, 2017, S. 85.
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