Poststroke Depression (PSD): Diagnose, Verlauf und psychothera peutische Behandlungsmöglichkeit

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Schwerpunktthema

NeuroGeriatrie 2009; 6 (1): 9 – 18

Poststroke Depression (PSD):
Diagnose, Verlauf und psycho­thera­
peutische Behandlungsmöglichkeit
C. Mödden1, H. Hildebrandt2,3
1
  Rehabilitationszentrum Oldenburg, 2Klinikum Bremen-Ost, 3Universität Oldenburg

Zusammenfassung
Eine häufig beobachtete psychische Störung nach Schlaganfall ist die sogenannte Poststroke Depres-
sion (PSD). Gegenwärtig gibt es keine einheitliche Theorie, die das Krankheitsbild hinreichend
erklärte. Stattdessen wird die PSD hinsichtlich der Determinanten für die Entstehung, Entwicklung
und Behandlung kontrovers diskutiert. Die Schwierigkeiten der Forschungsansätze aufgrund hetero-
gener diagnostischer und methodischer Vorgehensweisen, die Unsicherheiten in der diagnostischen
Zuordnung in das psychiatrische Klassifikationssystem ICD-10 sowie entsprechende Fragestellungen
hinsichtlich der Behandlungskonsequenzen werden aufgezeigt. Aus der Gegenüberstellung der
»direkten« und »indirekten« Modellvorstellung zur Genese der PSD wird versucht, den integrativen
»multifaktoriellen Ansatz« als hilfreiche konzeptuelle Perspektive abzuleiten. Anhand ausgewählter
Publikationsergebnisse wird die Bedeutung der neuropsychologischen Disziplin mit dem Fokus
auf therapiegeleitete Diagnosekriterien und psychotherapeutische Interventionsformen aufgezeigt.
Abschließend werden schlussfolgernde Anregungen und Konsequenzen für die klinische Praxis und
für die Psychotherapieforschung nahegelegt.
Schlüsselwörter: Poststroke Depression, Erklärungsmodelle, Diagnostik, Therapie

Poststroke Depression: Differential diagnosis, course and psychotherapy
C. Mödden, H. Hildebrandt

Abstract
The so called poststroke depression (PSD) is a frequently observed mood disorder following stroke.
Currently, there exists no generally accepted model for explanation. Instead, determinants for onset,
course, and management of PSD are controversially discussed. Difficulties in research arising from
heterogeneous diagnostic and methodological procedures, diagnostic uncertainty due to a lack of
appropriate diagnostic criteria in the International Classification of Diseases (ICD-10), and conse-
quences for the management of PSD are pointed out. Concerning the etiology of PSD, direct and
indirect models are compared leading to the presentation of an integrative multifactorial approach.
The reviewed literature emphasizes the importance of the neuropsychological discipline with its focus
on diagnostic criteria as well as psychotherapeutic treatment. Finally, we propose consequences and
suggestions for clinical praxis and for psychotherapy research.
Key words: poststroke depression, explanatory models, assessment, treatment

© Hippocampus Verlag 2009

Prävalenz- und Inzidenzrate der PSD                                    Erfassung liegt die aus den Daten des Bundesgesundheits­
                                                                       surveys 1998 (BGS98) für die deutsche Bevölkerung
Der Bestand an Personen nach Schlaganfall ist abhängig                 im Alter von 30 bis 80 Jahren hochgerechnete abso-
von der Neuerkrankungs- (Inzidenz-) und Letalitäts­rate.               lute Anzahl von Personen nach Schlaganfall mit etwa
Im Rahmen von Querschnittsuntersuchungen (Surveys)                     945.000 weit über den vorherigen Gesamtschätzungen für
werden in der Regel nur Schlaganfälle erfasst, die milder              Deutschland. Davon entfallen 58.000 Schlaganfall-Fälle
oder günstiger verlaufen sind. Trotz dieser eingeschränkten            auf die Altersgruppe zwischen 30 und 50 Jahren. Inner-

                                                                                                           NeuroGeriatrie 1 · 2009 | 
Schwerpunktthema                                                                                  C. Mödden, H. Hildebrandt

   halb einer 12-monatigen Beobachtungsperiode des BGS98          Bezugnehmend auf die o.g. Problematik wird versucht, die
   (1997/98) sind insgesamt 230.000 Fälle neu aufgetreten         PSD im System der »Diagnosis Related Groups« (DRG)
   (erste und wiederholte Schlaganfälle nicht unterschieden).     zu integrieren. Auf die Notwendigkeit einheitlicher Bestim-
   Die Lebenszeit-Prävalenz in der Bevölkerung von 18 bis 79      mungskriterien der PSD als eigenständiges Krankheitsbild
   Jahren beträgt insgesamt 1,55 % bei Männern und 1,73 %         wird hingewiesen.
   bei Frauen. Altersspezifische Prävalenzraten steigen bei       Ohne Berücksichtigung einer Feindifferenzierung variieren
   Frauen jenseits des 60. und bei Männern bereits jenseits des   die in der Literatur beschriebenen Angaben zur Häufig-
   50. Lebensjahres sprunghaft an [64].                           keit und Ausprägung einer PSD zwischen 25 % und 79 %
   Eine häufige Folge des Schlaganfalls ist das Auftreten einer   [33]. Johnson et al. [26] beschreiben in ihrer Metaanalyse
   PSD. Seit der Einführung der operationalisierten Diagnose-     (1980 – 2005) unterschiedliche Inzidenzraten für die PSD
   und Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM IV werden            in Abhängigkeit vom Untersuchungszeitpunkt der Studi-
   unter »Depression«, als einer Form der »affektiven Erkran-     en. Untersuchungen mit »inpatients« geben innerhalb des
   kung«, rein deskriptiv das Vorliegen der Hauptsymptome         ersten Monats eine PSD mit 25 % an (Akutphase). In der
   wie gedrückte Stimmung, Gefühllosigkeit, Freudlosig-           postakuten Phase wird eine Rate von 25 – 50 % festgestellt
   keit bis hin zu dem Gefühl der Leere und Verzweiflung,         (Rehabilitationsphase). Bei sog. »community-samples«
   Antriebs- und Interessenlosigkeit, Schuldgefühlen, Wertlo-     werden 15 – 20% PSD beschrieben. Schöttke et al. [55]
   sigkeit, Einengung der Wahrnehmung und Suizidgedanken          fanden in der ersten deutschen Studie, dass bei ca. 31 % der
   verstanden. Im ICD-10 werden additiv somatische Sym­           Patienten sieben Wochen nach Ereignis eine PSD vorlag
   ptome u. a. wie Schlafstörungen, verminderter Appetit mit      (n = 180). Nach Lincoln et al. [37] wurde die angegebene
   Gewichtsverlust, Libidoverlust, Impotenz und Frigidität,       Prävalenz internationaler Studien im Mittel mit 30 % ein-
   Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Kraft- und Energielo-          geschätzt. Pinoit et al. [59] geben in einer Metaanalyse
   sigkeit angegeben. Als weitere Symptome werden kognitive       eine Größenordnung von 33 % in sog. »population studies«
   Beeinträchtigungen genannt.                                    (n = 2.869) und 36 % in Krankenhäusern und Rehabilitati-
                                                                  onseinrichtungen an (n = 6.036).
   Diagnostische (In-) Fragestellung
                                                                  Mess- und Klassifikationssysteme
   Bei Durchsicht der Studien wird deutlich, dass die Bestim-
   mung des Krankheitsbildes PSD und die Definition »stroke«­     In den Studien zur PSD werden unterschiedliche Rating-
   nicht einheitlich sind. So finden sich Angaben für »major      verfahren (Fragebögen, Scalen/Durchführung durch unter-
   und minor depressive disorder«, »dysthymic disorder«,          schiedliche Berufsgruppen bzw. Selbsteinschätzung) ver-
   »mood oder affective disorder«. »Most PSD studies did          wendet und es liegt eine große Heterogenität der Grup-
   not define stroke based upon consensus standards« (vergl.      penzusammensetzung vor: Ätiologie (ischämisch/hämor-
   Johnson et al. [26].                                           rhagisch, TIA, Reinfarkt oder »first-ever-stroke«), Alter,
   Die Diagnose einer PSD orientiert sich phänomenologisch        Geschlecht, prämorbide psychische Störungen und Neben-
   an den Kriterien einer Depression als affektive Störung,       diagnosen. Zudem ist die Erfassung der PSD aufgrund
   entsprechend der im ICD-10 vorgegebenen Typisierung,           zusätzlicher Störungen schwierig. Gauggel & Konrad
   legt jedoch primär die Annahme einer organischen Genese,       [20] weisen u. a. auf die allgemeine Minderbelastbarkeit,
   gebunden an spezifische Läsionslokalisationen, zugrun-         auf mögliche kognitive Störungen, auf aphasische Beein-
   de. Inwieweit die Ursache der Depression als organisch         trächtigungen und Motivationsprobleme hin, welche die
   bedingt oder als reaktiv bewertet werden kann, ist gebunden    »Validität und Reliabilität der Diagnose verhindern« und
   an die zugrundeliegende ätiologische Modellvorstellung.        somit die Erfassung des Vorhandenseins und/oder der
   Zwei konträre Vorgehensweisen wären möglich: Wird bei-         Ausprägung einer PSD beeinflussen können. Die allge-
   spielsweise eine reaktive Genese angenommen, kann ent-         meine psychische Belastung (distress) aufgrund der akuten
   sprechend ICD-10 F43 die Diagnose einer »Reaktion auf          Schlaganfallsituation könnte die Erfassung einer PSD
   schwere Belastungen und Anpassungsstörungen« gestellt          ebenfalls verfälschen. Ursache und Folge (Komorbidität
   werden. Wird eine organische Genese angenommen, so             u. a. somatische und motorische Störungen) bleiben unter
   könnte nach ICD-10 F06.32 eine »organisch depres-              diesen Erfassungsbedingungen weitestgehend ungeklärt.
   sive Störung« diagnostiziert werden. Pragmatisch kann          Es wird mit Blick auf die Konstruktvalidität der verwende-
   man sich in der Klassifikation der Verursachungsfrage          ten Messverfahren betont: »Die meisten der eingesetzten
   dadurch entziehen, dass man die Symptomatik mit einer          Verfahren sind nicht für Hirngeschädigte entwickelt und
   F32 Diagnose klassifiziert (zu der Problematik der F32         validiert worden« [20].
   Klassifikation siehe [15]. Dieses Vorgehen ist in der kli-     Es werden drei Studien angeführt, die sich explizit dem
   nischen Praxis häufig, klammert dann aber naturgemäß die       methodischen Problem der diagnostischen Erfassung stellen.
   Verursachungsfrage aus. Dohmen et al. [15] stellten einen      Aben et al. [2] untersuchten zur Überprüfung der Validi-
   »Algorithmus für ein standardisiertes diagnostisches Vor-      tät vier Screeningverfahren bei »first-ever-stroke« Pati-
   gehen« vor, mit dem »Schlaganfallpa­tienten standardisiert     enten (n = 202, vier Wochen nach Ereignis): das »Beck
   auf das Vorliegen einer PSD untersucht werden können«.         Depression Inventory« (BDI), die »Hospital Anxiety and

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Poststroke Depression: Diagnose, Verlauf und psycho­therapeutische Behandlungsmöglichkeit                Schwerpunktthema

Depression Scale« (HADS-D), die »Hamilton Depression                 ereignisses und der psychosozialen Veränderungen zuge-
Rating Scale« (HAM-D) und die »Depression subscale of                schrieben. Je nach individueller Bewertung der Folgekon-
the Symptom Check List SCL-90« (SCL-90-D). Alle vier                 sequenzen im Hinblick auf den Lebensentwurf, zeigt sich
Verfahren wurden für die Erfassung einer PSD als geeignet            die Ausprägung und der zeitliche Verlauf der depressiven
beurteilt, wobei die Spezifität der HAM-D hervorgehoben              Störung (Minor oder Major Depression). Eine psychothe-
wurde.                                                               rapeutische Behandlung wird favorisiert.
Paolucci et al. [48] verweisen auf die Notwendigkeit der
Erfassung einer PSD bei aphasischen Patienten und fordern            Anatomisch-strukturelle Modelle (direkte Erklärungsmodelle)
den Gebrauch der »Aphasic Depression Skale« (ADRS).
Darüber hinaus wird empfohlen, die »Montgomery-Asberg                In Abhängigkeit von Läsionslokalisation und Läsionsvo-
Depression Rating Scale« (MADRS) für die Erfassung der               lumen bei Schlaganfall bilden sich die Art und das Aus-
zeitlichen Entwicklung und Veränderung einer PSD zu ver-             maß einer emotionalen Störung (u. a. PSD) ab. Aus der
wenden. Mit diesem Verfahren könne eine genauere Trenn-              neuronalen Schädigung resultiert eine emotionale Dys-
schärfe zwischen somatischen, kognitiven und depressiven             regulation. Das anatomisch-strukturelle Defizit oder das
Symptomen gewährleistet werden.                                      Fehlen hinreichender zerebraler funktional-metabolischer
Gainotti et al. [17] entwickelten zur Verbesserung der Kon-          Innervation werden als ursächlich für das Auftreten einer
struktvalidität einen speziellen Fragebogen, die »Post-Stro-         Depression angenommen [51, 44]. In einer Vielzahl von
ke Depression Rating Scale« (PSDRS). Ziel des Instru-                Untersuchungen, vorrangig von der Baltimore-Arbeits-
mentes ist es, die endogene von der reaktiven Depression             gruppe, die das »Robinson Modell« favorisiert, werden
differenzieren zu können. Gainotti versucht (entsprechend            vornehmlich linksseitige anteriore Läsionen und linkssei-
seiner Überzeugung eines psychologischen Entstehungs-                tige Basalganglienstrukturen als Schädigungsursache an-
modells, s. Gainotti unter 2.2), mit seinem Untersuchungs-           geführt. Diese Läsionen würden zentrale monoaminerge
verfahren das symptomatische Profil einer PSD abzubilden,            Projektionen, welche vom ventralen Tegmentum über das
um entsprechende Konsequenzen hinsichtlich der Therapie              Striatum zum präfrontalen Kortex ziehen, unterbrechen und
ableiten zu können. Gainotti et al. (2000, 2002) unterschei-         eine Affektdysregulation bewirken. Je näher die Läsion am
den in diesem Zusammenhang »motivated« von »unmoti-                  Frontalpol liegt und je größer das Läsionsvolumen ist, de-
vated« Aspekten und ordnen die »motivated reactions« der             sto ausgeprägter zeigt sich eine depressive Störung. May-
reaktiven psychologisch determinierten PSD zu und die                berg et al. [41] konnten anhand von PET-Untersuchungen
»unmotivated reactions« einer endogenen Depression.                  bestätigen, dass ein Mangel an serotonerger Stimulation
                                                                     von S2-Rezeptoren im linken Temporallappen signifikant
Ätiologische Modelle                                                 mit der Schwere von depressiven Symptomen korreliert.
                                                                     In einer nachfolgenden Arbeit konnten Mayberg et al. [40]
Es werden in der Literatur für die Entstehung einer PSD              nachweisen, dass die Remission der PSD mit einer substan­
zwei grundsätzlich unterschiedliche Erklärungsansätze                tiellen Erhöhung der Rezeptorbindungsstellen im linken
kontrovers diskutiert.                                               PFC einherging. Greenwald et al. [21] fanden bei geria­
Der anatomisch-strukturelle Erklärungsansatz bezieht sich            trischen Patienten ohne neurologische Vorerkrankung, dass
auf neurostrukturelle und zerebral funktional-metabo-                Hyperintensitäten im Bereich des linken Putamens und des
lische Determinanten (direktes Erklärungsmodell). Je nach            linksfrontalen Marklagers auch ohne akutes Infarktgesche-
Läsions­lokalisation und Ausmaß der Schädigung tritt eine            hen mit der Ausbildung einer Major Depression korrelie-
PSD auf. Links-anteriore und linksseitige Basalganglien-             ren: »The present results in geriatric depressives without
schädigungen sind hiernach die Ursache für die Ausbildung            transient ischemic attacs or stroke implicate possible ›silent
einer Major Depression. Die Major Depression, als situa-             stroke‹ lesions (ie, hyperintensities) occuring in brain regi-
tionsübergreifende psychopathologische emotionale Stö-               ons that are remarkably similar to infarct locations reported
rung, zeigt sich im Akutstadium deutlich ausgeprägt und im           in stroke patients with poststroke depression« [21]. Da die
Verlauf rückläufig. Die Minor Depression wird als Folge              untersuchten Patienten ebenfalls häufiger an Hypertonie
einer rechtsseitigen Läsion gesehen, sie ist in der Sympto-          erkrankt waren, wird ein direkter Zusammenhang zwischen
matologie schwächer ausgeprägt, wird mit der Dysthymie               Mikroangiopathie in o.g. Hirnstrukturen und Depression
gleichgesetzt und als reaktive Symptomatik interpretiert,            vermutet. Vergleichbare Ergebnisse stammen aus der Un-
die im Verlauf persistiert. Eine Pharmakobehandlung für              tersuchung von Steffens et al. [58] für 3.236 Patienten mit
die Major Depression wird favorisiert.                               kardio-vaskulären Erkrankungen, in welcher Depres­sionen
Der zweite Ansatz bezieht sich hingegen auf ein psycho-              mit Substanzveränderungen im subkortikalen Marklager
logisches Modell, welches die Reaktion auf den Schlag-               und in den Basalganglien assoziiert waren.
anfall als krisenhaft erlebtes Ereignis mit entsprechender           Vataja et al. [61] konnten nachweisen, dass linkshemi­
Bewusstwerdung der Folgekonsequenzen sieht. Eine PSD                 sphärische präfrontal-subkortikale Strukturen und insbe-
wird unabhängig von der Läsionslokalisation gesehen. Die             sondere Läsionen im Caudatum und Pallidum mit einer
Ausbildung und die Ausprägung einer depressiven Störung              PSD einhergingen. Patienten mit homologen rechsseitigen
wird einer dysfunktionalen Verarbeitung des Schlaganfall-            Läsionen zeigten keine PSD. Als kritische Areale wer-

                                                                                                             NeuroGeriatrie 1 · 2009 | 11
Schwerpunktthema                                                                                   C. Mödden, H. Hildebrandt

   den darüber hinaus das Putamen, die posteriore Corona           hinaus unberechtigterweise qualitativ in »Major Depres-
   radiata und der linke Okzipitallappen genannt. Weiterhin        sion« und »Minor Depression« unterteilen. Entsprechend
   werden Läsionen im Frontallappen, in der Amygdala und           dem »Robinson Modell« wird die Major Depression läsi-
   in der präfrontal-subkortikalen Schleife gefunden. In einer     onsgebunden als organisch bedingte Depression verstanden.
   Regressionsanalyse wird die Läsion im Pallidum als unab-        Die »Minor Depression« wird als psychologische Reaktion
   hängige und meist prominente Schädigung für die Entwick-        auf durch andere Läsionen bedingte Beeinträchtigungen
   lung einer PSD beschrieben.                                     bewertet. Es gibt nach Gainottis Auffassung keine wissen-
   Direkt entgegengesetzte Resultate werden in einer Publika-      schaftliche Evidenz für diese Unterscheidung. Hauptkri-
   tion von MacHale et al. [39] angeführt, welche eine rechts-     tikpunkt ist die fehlende diagnostische Unterscheidung der
   hemisphärische Läsionslokalisation mit PSD in Verbindung        PSD zwischen »motivated symptoms« (reactive determi-
   bringen.                                                        ned) und »unmotivated symptoms« (biologically determi-
   Whyte & Mulsant [63] vertreten ebenfalls ein direktes           ned). Gainotti et al. entwickelten aus diesem Grund (s. Pkt
   Erklärungsmodell. Sie führen den Vergleich mit Patient­en       2) die »Post-Stroke Depression Rating Scale (PSDRS)«. In
   an, die ähnliche körperliche Handicaps (u. a. Paresen) auf-     ihren Untersuchungen konnten die Autoren belegen, dass
   grund anderer, nicht zentraler Erkrankungsursachen erlei-       das Symptomprofil von Patienten mit Major und Minor
   den, bei denen jedoch keine klinisch relevanten Depres-         PSD identisch war und sich im Kontrast zu Patienten mit
   sionen festgestellt werden konnten. Weiterhin machen die        endogener Depression deutlich unterschied »Furthermore,
   Autoren auf Patienten mit einer Anosognosie aufmerksam,         unmotivated aspects of depression were in the foreground
   die das Ausmaß der Konsequenzen nicht adäquat einschät-         only for patients with endogenous depression, whereas
   zen können, aber eine PSD entwickeln.                           motivated aspects prevailed in patients with both major and
   Andere Autoren konnten o. g. strukturelle Entstehungsde-        minor forms of PSD«. Die Selbstbewertung der Patienten
   terminanten nicht bestätigen [1, 2, 3, 6, 9, 10, 12, 18, 19,    hinsichtlich des Ausmaßes ihrer »Disabilities« scheint
   46, 57], sie fanden keine signifikante Korrelation zwischen     entscheidend für die Entstehung, die Ausprägung und die
   PSD und einer spezifischen Läsionslokalisation.                 Aufrechterhaltung einer PSD. »From the theoretical point
   Paolucci et al. [48] nennen einen entscheidenden Punkt          of view, it has been observed, that the relation between
   hinsichtlich der widersprüchlichen Beantwortung der Frage       functional impairment and severity of PSD is not direct, but
   nach Lateralisierung bei PSD. Sie betonen, dass der Ein-        mediated by the meaning that the patient attributes to this
   schluss oder Ausschluss von aphasischen Patienten in            impairment« [18].
   bedeutsamem Maße darüber entscheidet, inwieweit eine            Chemerinski et al. [14] vermuten ebenfalls einen psy-
   Korrelation zwischen Hemisphärenläsion und dem Folge-           chologischen Hintergrund hinsichtlich der Entstehung und
   symptom einer PSD existiert bzw. nachgewiesen wird, und         Aufrechterhaltung einer PSD: »Cognitive recovery appears
   fordern für zukünftige Untersuchungen die Verwendung der        to be aligned with the mechanism of major depression,
   ADRS (Aphasic Depression Rating Scale). Es werden wei-          whereas physical recovery appears to be aligned more
   tere, mit Robinsons Modell inkonsistente Untersuchungen         broadly with an improvement in depression, thus sug-
   angeführt, die anhand größerer und unselektierter Gruppen       gesting perhaps a psychologically mediated mechanism«.
   ebenfalls keine Korrelation zu linkshemisphärischen (oder       Die Korrelation depressiver Symptomatik mit Läsionen in
   linksfrontalen) Läsionen herstellen konnten (u. a. [17]). Es    bestimmten Hirnarealen wird ebenfalls von Carota et al.
   werden zusätzlich Studien erwähnt, die belegen können,          [10] kritisch gesehen: »However, post-stroke depression
   dass eine PSD mit nicht-basalganglienassoziierten Hirn-         and anxiety, which have a more variable clinical presenta-
   strukturen einherging [54].                                     tion and might be assimilated, for several aspects, to post-
   Vataja et al. [61] führen Unterschiede und Diskrepanzen der     traumatic or adaptive disorders, are disorders less charac-
   Untersuchungen auf ein unterschiedliches methodisches           terized in their neural correlates«.
   Vorgehen zurück. Es sei u. a. von erheblicher Bedeutung,        Thomas & Lincoln [60] untersuchten die Frage, inwie-
   zu welchem Zeitpunkt eine Untersuchung durchgeführt             weit psychosoziale Faktoren einen maßgeblichen Einfluss
   wurde, ob eine CCT- oder MRT- Auswertung zugrunde               auf das Erleben der Patienten haben und inwieweit die
   gelegen hat, ob sichergestellt war, dass »first-ever-stroke«    veränderte Repräsentation der eigenen Person (Kontroll-
   Patienten untersucht wurden, und ob die Läsionslokalisa-        verlust, Hoffnungslosigkeit etc.) die Hauptursache für
   tion differenziert erfasst wurde: »if neuroanatomical sub-      die Ausbildung einer PSD ist. Die Gruppen wurden nach
   structures are not taken into consideration, the significance   dem BDI (Beck Depression Inventory) in leicht: BDI < 18
   of lesion laterality remains concealed«.                        und in schwer depressiv, BDI > 19 eingeteilt. Es wurden
                                                                   bei den stark depressiven Patienten signifikant niedrigere
   Psychologische Modelle (indirekte Erklärungsmodelle)            Werte im RLOC (Recovery Locus of Control Scale) und
                                                                   somit ein hoher Kontrollverlust sowie signifikant stärkere
   Gainotti et al. [18, 19] kritisieren die rein anatomische       Kommunikationsprobleme im SST (Sheffield Screening
   Erklärung der PSD inkl. der daraus resultierenden Behand-       Test for Acquired Language Disorder) gefunden als bei
   lungskonsequenz. Die Vertreter würden zu stark auf neu-         Patienten, die eine milde Depression aufwiesen. Die Mes-
   roanatomische Modelle fokussieren und die PSD darüber           sungen konnten vorhersagen, dass eine mild ausgeprägte

12 | NeuroGeriatrie 1 · 2009
Poststroke Depression: Diagnose, Verlauf und psycho­therapeutische Behandlungsmöglichkeit                Schwerpunktthema

Depression sich nach sechs Monaten rückläufig zeigt. Das             Verlauf der PSD
Vorhandensein oder Fehlen von Coping-Strategien und
sozialer Unterstützung für die betroffenen Patienten wird            Die Angaben zum Verlauf der PSD schwanken in Abhän-
als bedeutsames Einflusskriterium auf die Auswertungen               gigkeit der Untersuchungszeitpunkte, der Zusammenset-
bei der Eingangs- und Ausgangsuntersuchung diskutiert                zung von Patientengruppen, der Untersuchungsdesigns
(multifaktorielles Ursachenmodell). Es bestand insgesamt             und -methoden ebenfalls erheblich. Dabei spielen auch
zu beiden Testzeitpunkten kein Zusammenhang zwischen                 die beiden Erklärungsmodelle der PSD eine erhebliche
der PSD und der Läsionslokalisation, Alter und Geschlecht.           Rolle. Nach dem direkten Erklärungsmodell sollte die PSD
Weiterhin bestand kein signifikanter Unterschied in den              infolge der Läsion unmittelbar nach dem Ereignis auftreten
Einschränkungen hinsichtlich der ADL. Der entscheidende              und in Abhängigkeit von der Läsionsseite eine spezifische
Faktor für die Ausbildung der PSD war nach Auffassung                Rückbildungstendenz zeigen. Nach dem psychologischen
der Autoren der wahrgenommene Unterschied zum prä-                   Modell tritt die PSD dann auf, wenn Copingstrategien und
morbiden Zustand der Betroffenen. Unterstützt wird dieses            individuelle Ressourcen erschöpft sind.
Ergebnis und damit der psychologische Erklärungsansatz               Robinson et al. [53] stellen in Abhängigkeit von linkshemi-
durch eine Arbeit von Palmer & Glass [47]. Der Grad der              sphärischen Läsionen eine initial auftretende Major Depres-
Ausprägung und das zeitliche Andauern einer PSD war mit              sion fest (»structural impairment«), die innerhalb von 12
den vorhandenen Unterstützungsmöglichkeiten der Ange-                Monaten remittiert. Rechtshemisphärische Läsionen haben
hörigen assoziiert. Die Autoren betonen den bedeutsamen              eine Minor Depression zur Folge (»reactive symptoms«),
Effekt des familiären Einflusses und verweisen auf entspre-          die sich im Verlauf in Abhängigkeit von der prämorbiden
chenden Forschungsbedarf mit der Frage nach psychothera-             Vulnerabilität zu einer chronischen Major Depression ent-
peutischer Intervention in Form von Angehörigenarbeit.               wickeln kann. Kauhanen et al. [28] untersuchten 101 Pati-
Inwieweit sich auch prämorbide psychische Störungen auf              enten ohne psychiatrische Vorgeschichte nach drei und
die Entwicklung einer PSD auswirken, haben Storor et al.             nach 12 Monaten (nach einem Jahr n = 96). Zum ersten
[59] untersucht. Sie fanden heraus, dass individuelle Dispo-         Untersuchungszeitpunkt hatten 44 % eine Minor- und 9 %
sitionen in der Persönlichkeit das Risiko einer PSD erhöhen          eine Major Depression entwickelt. Nach 12 Monaten wur-
bzw. vermindern. Unabhängig von der Läsionslokalisation              den bei 42 % persistierende Depressionen gefunden (26 %
zeigten 61 untersuchte Personen mit prämorbiden mentalen             Minor- und 16 % Major Depression). Die Prävalenzrate für
oder neurotischen Störungen ein erhöhtes Risiko für die              die Minor Depression zeigte sich im Gegensatz zur Major
Entwicklung einer PSD. Nach Hacket et al. [22] könnten               Depression gut rückläufig. Diese Entwicklung wird durch
prämorbide Charakteristika für das Vorkommen, das Aus-               psychosoziale Ursachen, vorrangig durch eine anfängliche
maß und für das Andauern einer PSD eine entscheidende                Depressionsverleugnung, interpretiert und steht im Wider-
Rolle spielen.                                                       spruch zum o. g. »Robinson Modell«. Gainotti et al. [19]
Die psychologischen Erklärungsansätze weisen entge-                  stellen ebenfalls fest, dass das Symptomprofil einer Major
gen der rein biologisch orientierten PSD-Forschung auf               Depression sich nicht nur im postakuten Sta­dium, sondern
die Relevanz intrapsychischer und psychosozialer Ein-                darüber hinaus noch chronisch zeigt, und zwar unabhängig
flussfaktoren hin, ignorieren jedoch weitestgehend den               von der Wiederherstellung der vorhandenen »Disabilities«
Symptomkomplex neuropsychologischer Störungen, der                   der Patienten: »... our data allow us to conclude that no qua-
in Abhängigkeit von der Läsionslokalisation als wesent-              litative difference exists either between minor and major
licher Einflussfaktor gelten dürfte. So könnten sich gerade          forms of PSD or between forms of major PSD that arise at
im Hinblick auf Patienten mit rechtsseitigen Läsionen                various time intervals from stroke ...«.
durch vorhandene Aufmerksamkeits- und Antriebsvermin-                In einer italienischen prospektiven Untersuchung [48] wurde
derungen (auch Apathie, fehlende intrinsische Motivation,            unabhängig von der Läsionsseite nach sechs Monaten bei
Anosognosie), verzerrte Aussagen aufgrund eines Selbst-              383 (33,6 %) von insgesamt n = 1.074 untersuchten Patienten
einschätzungsinstrumentes ergeben. Ebenso kritisch ist das           noch eine PSD diagnostiziert. 51 Patienten erkrankten erst
mangelnde Urteils- und Abstraktionsvermögen oder die                 nach dem vierten und sechsten Monat und weitere 25 erst
verminderte Fähigkeit des divergenten und konvergenten               nach sechs und neun Monaten. Die Ausprägung der PSD
Denkens bei Patienten mit Frontalhirnläsionen sowie der              wurde ebenfalls differenziert (DSM-IV): Dysthymie (n = 309
Selbsteinschätzung zu sehen (auch mögliche bewusstseins-             [81 %]), Major Depression (n = 11 [3 %]), Anpassungsstö-
ferne oder bewusstseinsnahe Dissimulation).                          rung (n = 32 [8 %]), 31 Patienten konnten nicht eindeutig
Eine weitere Limitierung der Aussagekraft ergibt sich                klassifiziert werden. Die Studie konnte einen qualitativ und
aufgrund der bereits oben erwähnten Diskussion bezüglich             quantitativ unterschiedlichen Verlauf der PSD feststellen,
der Erhebungsinstrumente, die anhand psychiatrischer                 wobei die Ursachen für diese Entwicklungen nicht näher
Patientengruppen konstruiert und evaluiert wurden und                untersucht wurden. Es werden komplexe Einflussfaktoren
zur Erfassung einer PSD nur bedingt aussagekräftig sein              wie der psychosoziale Hinter­grund und die prämorbide Per-
könnten (allerdings stellt sich die aus dem Kontext einer            sönlichkeitsstruktur der Untersuchungsgruppe genannt.
psychologischen Erklärung entwickelte PSDRS gerade                   Bogousslavsky [7] sieht ebenfalls in der Läsionslokalisation
diesem Problem).                                                     keinen ausschließlich bestimmenden Faktor für unterschied-

                                                                                                             NeuroGeriatrie 1 · 2009 | 13
Schwerpunktthema                                                                                    C. Mödden, H. Hildebrandt

   liche Verlaufsformen und weist auf seine Ergebnisse der        [23] beschreibt einen Verlauf der PSD in drei Phasen. In
   »Lausanne Emotion in Stroke Study« hin. Nur 10 % derje-        der ersten Phase werden läsionsbedingte Veränderungen
   nigen Patienten, die nach einem Jahr noch eine Depression      als Ursache einer primären Depression gesehen: »Besides
   vorwiesen, zeigten depressive Störungen in der Akutphase.      factors of premorbid disposition... lesion localization and
   Hackett et al. [22] berichten, dass eine PSD nicht nur akut    configuration contribute to PSD pathogenesis«. In einer
   in den ersten Wochen und Monaten festgestellt wird, son-       zweiten Phase (stationäre Rehabilitation) würde über die
   dern dass von einer anhaltend persistierenden Depression       Konfrontation und Bewusstwerdung der Defizite eine
   nach Schlaganfall auszugehen ist. Die rein strukturell-ana­    sekundäre Depression verursacht: »Patients primarily hoped
   tomisch orientierte Theorie wird bezweifelt: »Our review       for rapid restitution and reintegration and who realize now
   showed consistency in the overall frequency of depression      that they may suffer from their disabilities for a long period
   ... in relation to the time periods from stroke onset, thus    of time«. In der dritten Phase (ambulante Nachsorge) würde
   raising doubts about specific biological theories related to   über das Bewusstwerden der psychosozialen Auswirkungen
   an acute stroke lesion as the major cause of depression in     eine tertiäre (psychoreaktive) Depression ausgelöst: »The
   this condition«.                                               patient’s social role changes from that of ›patient‹ to that of
   Nach Huff et al. [25] tritt eine PSD mit einer Häufigkeit      ›disabled‹, with all its negative connotations«.
   von ca. 20 – 25 % als Major- und in weiteren 10 – 20 % als     Ergebnis: die Tatsache, dass PSD gehäuft auch noch etli-
   Minor-Variante nach dem Akutereignis auf: »Ein Häu-            che Wochen und Monate nach Ereignis auftritt, legt eine
   figkeitsgipfel der PSD wird nach drei bis sechs Monaten        multifaktorielle Genese nahe und dokumentiert, dass die
   erreicht. Ein Viertel der PSD-Patienten verbleibt unbehan-     isolierte Betrachtung der direkten und indirekten Erklä-
   delt auch nach zwei Jahren depressiv«.                         rungstheorie das komplexe Phänomen der PSD nicht hin-
   Carota et al. [11] zeigen in ihrer Übersichtsarbeit den Ver-   reichend erklärt. Pathophysiologische Veränderungen sind
   lauf einer diagnostizierten PSD. Nach zwei Wochen lag bei      aufgrund o. g. Publikationen anzunehmen. Auf der Basis
   6– 41 % der untersuchten Patienten eine Depression vor,        veränderter struktureller Systeme bilden mögliche prä-
   die innerhalb des nachfolgenden Jahres zwischen 21 und         morbide intrapsychische Vorbelastungen in der Persönlich-
   47 % lag, nach drei Jahren eine Ausprägung von 9 – 14 %        keitsstruktur und psychosoziale Problemkonstellationen
   zeigte und noch nach sieben Jahren eine Prävalenz von          eine komplexe Interaktion. Günstige oder auch ungünstige
   19 % aufwies.                                                  Bewältigungsstrategien prägen das Bild der PSD. Zukünf-
   In der bereits zitierten Studie von Thomas & Lincoln [60]      tige Forschungsansätze sollten sich dem multifaktoriellen
   wurde untersucht, ob Faktoren voraussagen können, inwie-       Ansatz durch Längsschnittstudien annähern.
   weit eine festgestellte PSD noch sechs Monate nach Ereig-
   nis persistiert. Dabei wurde deutlich, dass Patienten, die     PSD und funktionelles Outcome
   zum postakuten Messzeitpunkt T1 schwer depressiv waren
   (n = 46, T1 = 37 %), eine persistierende starke Depression     Unabhängig von Kontroversen hinsichtlich der Entste-
   zum Testzeitpunkt T2 zeigten (n = 28, T2 = 25 %). Zum          hungsmechanismen besteht eine Übereinstimmung der
   Messzeitpunkt T1 gaben 63 % der Patienten (n = 77) eine        o. g. Publikationen hinsichtlich der Bedeutsamkeit der
   milde Depression und zum Messpunkt T2 75 % (n = 84)            PSD bezüglich der negativen Auswirkungen auf den indi-
   keine oder eine milde Depression an. Die Untersuchung          viduellen Rehabilitationsverlauf und der nachfolgenden
   zeigte weiter, dass sich eine anfänglich mildere Form          Lebensqualität (erhebliche Verzögerungen der physischen
   der Depression rückläufig zeigte und dass bei Personen,        Wiederherstellung der kognitiven Funktionen, der beruf-
   bei denen früh eine stärker ausgeprägte Depression dia-        lichen und alltagsrelevanten Kompetenzen, Teilhabe am
   gnostiziert wurde, eine 7 bis 13 Monate andauernde PSD         sozialen Leben). Aufgrund des negativen Einflusses einer
   persistierte. Die Autorinnen verweisen auf psychologische      PSD auf die Wiedererlangung von Alltagsfertigkeiten wird
   Kriterien, die die Stärke und das Andauern einer PSD           einheitlich die Notwendigkeit einer frühzeitigen Diagnostik
   beeinflussen. In Anlehnung an Untersuchungen von Mor-          und Behandlung gefordert.
   rison et al. [43] wird auf die Bedeutung der subjektiv         Im Rahmen einer großen Anzahl von Studien wurde gezeigt,
   wahrgenommenen »Kontrolle über sein eigenes Leben« als         dass depressive Störungen mit einer Vielzahl von kogni-
   Einflussfaktor auf die Zeitdauer einer PSD verwiesen.          tiven Leistungseinschränkungen verbunden sind (Zusam-
   Nach Robinson et al. [52] wurde aufgrund einer Longitu-        menfassung bei Hildebrandt et al. [24]). Die Aussagen
   dinalstudie der Begriff des »späten Depressionsausbruchs«      hinsichtlich der PSD als Ursache für kognitive Leistungs-
   beschrieben. Einerseits würde durch verzögerte physiolo-       einschränkungen sind aufgrund bereits o. g. methodischer
   gische Reaktionen, aufgrund spezifischer Läsionen, eine        Einflussfaktoren recht heterogen. Einige Studien zeigten
   verzögerte Depression auftreten oder andererseits könnte       bei 70 %, andere lediglich bei 20 % der untersuchten Pati-
   eine psychische Reaktion im Zusammenhang mit mangeln-          enten mit PSD neuropsychologische Defizite.
   der sozialer Unterstützung die Ursache für eine verzögerte     Kimura [30] konnte in einer Doppelblindstudie mit Pla-
   Depression erklären.                                           cebobehandlung und Verum bei PSD (mit der Frage
   Das Integrationsmodell einer »mehrfaktoriellen und mehr-       nach positiven Effekten durch Nortryptilin auf kognitive
   zeitigen Depressionsgenese« nach Herrmann & Wallesch           Leistungen) nachweisen, dass mit abnehmender Depres­

14 | NeuroGeriatrie 1 · 2009
Poststroke Depression: Diagnose, Verlauf und psycho­therapeutische Behandlungsmöglichkeit               Schwerpunktthema

sion kognitive Leistungsverbesserungen einhergingen, dass            so analysierten Casacalenda et al. [13] in einer Metaana-
jedoch auch die Placebobehandlung eine Verbesserung der              lyse (Datenbasis: MEDLINE und PsychINFO) sechs ran-
Stimmungslage zur Folge hatte. Daraus kann abgeleitet                domisierte, kontrollierte, »double-blind« Untersuchungen
werden, dass psychologische Mechanismen die Basis für                (Herceg-Baron et al., 1979, Elkin et al.,1989; Scott et al.,
kognitive Leistungsverbesserungen bildeten: »Cognitive               1992; Mynors-Wallis et al., 1995; Schulberg et al., 1996;
impairment was associated with the mechanism of depres-              Jarrett et al., 1999, in [13]). Es wurde ein signifikanter
sion and was not a parallel phenomenon of depression with            Behandlungseffekt nach psychotherapeutischer und phar-
a separate mechanism. In other words, nortriptyline could            makologischer Therapie bei Patienten mit einer mittelgradig
have effected two different neurophysiological mecha-                ausgeprägten Depression gefunden. Der Drop-out-Anteil
nisms: one related to depression and one related to cogni-           der Patienten betrug für die Kontrollgruppen 54,4 %, für die
tive impairment. The fact, that mood improved with pla-              pharmakologische Behandlung 37,1 % und für die Gruppe
cebo was associated with the same cognitive improvement              Psychotherapie 22,2 %. Casacalenda betont die Gleichwer-
as nortriptyline suggests that the mechanism of depression,          tigkeit der beiden Therapieansätze und fordert eine größere
not the mechanism of nortriptyline was responsible for the           Akzeptanz für Psychotherapie.
cognitive improvement«.                                              Auch in der Metaanalyse von De Maat et al. [38], die die
Chemerinski et al. [14] konnten anhand von 55 Patienten              Effektivität von Pharmako- und Psychotherapie für Pati-
mit einer PSD und vergleichbarer Einschränkungen in                  enten mit einer allgemeinen Depression untersuchten (10
den ADL (Activities of Daily Living) nachweisen, dass                randomisiert kontrollierte Studien), wird kein Unterschied
unabhängig von der Läsionsseite oder dem Ausmaß der                  zwischen Psycho- (35 %) und Pharmakotherapie (38 %)
Schädigung, unabhängig von pharmakologischer Behand-                 gefunden. Allerdings scheinen die katamnestisch erfassten
lung und unabhängig von dem Vorliegen einer Major oder               Rezidivraten etwas höher bei Pharmako- (57 %) als bei Psy-
Minor Depression eine rückläufige PSD mit einer Ver-                 chotherapie (27 %).
besserung der ADL Funktionen einherging: »… the fact,                Kneebone & Dunmoore [31] geben in ihrer Übersichts-
that both major and minor depression showed an equal                 arbeit zur PSD Hinweise auf erfolgreiche Interventi-
degree of recovery might lead to an alternative speculation          onsmöglichkeiten wie kognitive Verhaltenstherapie und
that the effect of depression on physical impairment may             Familientherapie. In dem Cochrane-Review von Anderson
be mediated by psychological rather than physiological               et al. [5] wurden pharmakologische und psychologische
mechanisms«.                                                         Interventionsformen bei Patienten nach Schlaganfall analy-
Morris et al. (1993) geben eine erhöhte Mortalitätsrate              siert. Elf pharmakologische und drei psychotherapeutische
bei Patienten mit PSD nach zehn Jahren an. Die Sterb-                Studien genügten den Einschlusskriterien für die Analyse
lichkeitsrate wird als 3.4-mal höher als bei Patienten               (randomisierte und quasirandomisierte Designs, n = 1.245).
ohne PSD angegeben. Unabhängig von Geschlecht, Alter,                Es konnte insgesamt kein eindeutiger pharmakologischer
sozio-ökonomischem Status, Infarkttyp und Läsionsloka-               Behandlungserfolg bezüglich der Depressionsprävention
lisation starben nach zehn Jahren mehr als 90 % der Pati-            gezeigt werden. Dasselbe galt für die psychotherapeutische
enten mit erheblichen Einschränkungen in der Teilhabe                Behandlung, wobei die niedrige Zahl der Untersuchungen
am so­zialen Leben.                                                  die Aussagekraft stark einschränkte. Beide Verfahren füh-
                                                                     ren allerdings zu einer signifikant verbesserten Stim-
Therapie und Behandlungsmöglichkeiten                                mungslage (»improvement in mood«). Es wird aufgrund
                                                                     der Häufigkeit der Erkrankung und der unbefriedigenden
Angesichts der hohen Bedeutung der PSD als Einflussfak-              Datenlage weitere Forschung gefordert.
tor auf den Genesungsverlauf und in Anbetracht der meist             Zwei Arbeiten aus dem Zeitraum bis 2005 sind beson-
noch jahrelang anhaltenden behandlungsbedürftigen Sym-               ders hervorzuheben. Lincoln et al. [36] konnten bei Pati-
ptomatik (und hohem Kostenaufwand in der Nachsorge)                  enten mit PSD in einer Pilotstudie einen positiven Effekt
ist es überraschend, dass es nur wenige evidenzbasierte              nach psychotherapeutischer Intervention bei 10 von 19
Studien gibt, die eine fundierte Aussage zur Prophylaxe              untersuchten Patienten feststellen. In einer nachfolgenden
und Behandlung ermöglichen.                                          randomisierten kontrollierten Studie [37] konnten die
Die vorliegende Literatur zur pharmakologischen Behand-              Autoren jedoch keinen Effektivitätsnachweis nach CBT
lung wurde von Kronenberg et al. [34] und kürzlich                   (cognitive behavioral therapy vs. Placebogruppe, vs. unbe-
von Paolucci [49] gesichtet. Im Folgenden wird deshalb               handelte Gruppe, Untersuchungen drei und sechs Monate
der Fokus auf neuropsychologische/psychotherapeutische               nach Ereignis, n = 123) nachweisen. Es konnte eine leichte
Behandlungskonzeptionen gelegt.                                      Stimmungsverbesserung in allen drei untersuchten Gruppen
                                                                     gezeigt, jedoch kein interventionsspezifischer Effekt abge-
Psychotherapeutische Behandlung                                      bildet werden. Die Aussagekraft und Generalisierbarkeit
                                                                     dieser Ergebnisse wird kritisch hinterfragt (Stichproben-
Was die allgemeine Behandlungseffektivität von psycho-               größe, Komorbidität, Reflektionsfähigkeit der Patienten,
therapeutischer und pharmakologischer Behandlung bei                 Therapiefrequenz, Zeitpunkt der Behandlung Erhebungs-
Patienten mit einer allgemeinen Major Depression angeht,             und Selektionsinstrumentarium).

                                                                                                            NeuroGeriatrie 1 · 2009 | 15
Schwerpunktthema                                                                                 C. Mödden, H. Hildebrandt

   In der »FINNSTROKE Study« [32], die der Frage nach            verglichen (n = 207). Die Therapeuten (Psychologische
   psychosozialen Determinanten für die Entstehung, Auf-         Assistenten) wurden durch einen klinischen Psychothera-
   rechterhaltung und Remission einer PSD nachging, wurde        peuten ausgebildet und supervidiert. Nach drei Monaten
   untersucht, inwieweit ein »after-discharge rehabilitation     wurden die Interventionsgruppe und die Kontrollgruppe
   program« einen Einfluss auf die Rückbildung einer PSD         anhand des »General Health Questionnaire« (GHQ-28), der
   haben kann. Dafür wurden Patienten und »caregivers«, die      »Depression Screening Scale« (Yale), des Barthel-Index
   ebenfalls depressiv auf das kritische Lebensereignis rea-     (BI) und der »SEQ« (Beliefs and expectations of recovery)
   gierten, gleichermaßen behandelt (Untersuchungen nach         untersucht. Es konnte ein signifikanter Effekt für die Inter-
   drei und zwölf Monaten mit dem BDI [cut-off = 10]). Das       ventionsgruppe hinsichtlich der Stimmungslage (»mood«/
   Programm, durchgeführt von einem »study coordinator«,         GHQ-28) nachgewiesen werden. Ein signifikanter protek-
   bestand aus einer gezielten Förderung der sozialen Akti-      tiver Effekt anhand der Depressions Screening Scale wurde
   vitäten, orientiert an lokalen Angeboten, in diesem Falle     ebenfalls gefunden. Keine Effekte wurden hinsichtlich der
   unterstützt durch die sog. »Finnish Heart Association«. In    Funktionsverbesserungen (Barthel-Index) und hinsichtlich
   das Programm einbezogene Patienten wiesen im Vergleich        der Wiederherstellung (Beliefs/Expectations-Scale) nach-
   zur unbehandelten Gruppe einen deutlichen Rückgang            gewiesen. Die Autoren vergleichen den gezeigten posi-
   depressiver Symptome vor. Nach drei Monaten zeigten           tiven Effekt mit anderen Studien, die keinen eindeutigen
   41 % der Patienten noch depressive Symptome, die unbe-        signifikant-positiven Effekt für psychosozial ausgerichtete
   handelte Gruppe dagegen noch zu 54 %. Die Differenz           Interventionen feststellen konnten (Leathley, 2003; Dennis,
   zugunsten der behandelten Gruppe betrug noch nach zwölf       1997; Forster, 2005, in [62]). Der große Vorteil der eigenen
   Monaten 42 % zu 55 %. Die Studie untermauert die Rele-        Studie wird darin gesehen, dass innerhalb der ersten vier
   vanz von psychosozialer Intervention unter Einbeziehung       Wochen nach Schlaganfall mit dem »Motivational Inter-
   der nächsten Angehörigen.                                     viewing« begonnen wurde und damit die Entwicklung und
   Eine aktuelle Untersuchung von Williams et al. [65] gibt      Manifestation der PSD besser beeinflusst werden konnte.
   Hinweise darauf, wie ausschlaggebend psychologische           Weiterhin wird auf die Intensität und die Frequenz der Sit-
   Aspekte im Hinblick auf die Akzeptanz einer empfohlenen       zungen aufmerksam gemacht.
   pharmakologischen Behandlung bei Patienten mit PSD            In Anbetracht der postulierten klinischen Vergleichbarkeit
   sein können. Das Ziel des Programms ist die systematische     der Symptome einer PSD und der reaktiven Depression
   Aufklärung der Patienten bezüglich ihrer Depression,­         [18] stützt eine Arbeit von Alexopoulos et al. [4] die Wirk-
   um so die Einsichtsfähigkeit und Nachvollziehbarkeit          samkeit psychotherapeutischer Interventionen, insbeson-
   bezüglich einer Medikamentengabe zu fördern. Die Pati-        dere bei vorhandenen neuropsychologischen Störungen.
   enten, welche das »Care Management« durchliefen, zeigten      Die Autoren verglichen den Effekt von »problem-solving
   signifikant weniger depressive Symptome als die nicht         therapy« (PST) mit einer »supportive therapy« (ST) bei 25
   einbezogene Gruppe, obwohl beide Gruppen pharmakolo-          älteren Patienten (> 65 Jahre). Das Ergebnis dieser Studie
   gisch behandelt waren: »Both depression response (51 %        belegt die Effektivität der PST bei älteren Patienten mit
   versus 30 %, p = 0.005) and remission (39 % versus 23 %,      Major Depression und Exekutivfunktionsstörungen. Die
   p = 0.01) were more likely in the Activate-Initiate-Monitor   Autoren weisen auf die Bedeutsamkeit und Generalisier-
   intervention than in the usual care group«. Offensichtlich    barkeit der Untersuchung hin. Nicholl et al. [45] fanden in
   hat die edukativ ausgerichtete »Activate-Initiate-Monitor     einer Untersuchung mit Schlaganfall-Patienten signifikant
   intervention« einen förderlichen und präventiven Einfluss     mehr negative als positive Kognitionen bei depressiven
   auf medikamentös behandelte Pa­tienten. Sicherlich ist        Patienten als bei nicht depressiven Patienten und verwei-
   das »Care-Management« nicht mit einer psychotherapeu-         sen auf die »cognitive-behavioural therapy« als geeignete
   tischen Behandlung der PSD gleichzusetzen. Das Ergeb-         Behandlungsmethode: »The study suggests that PSD does
   nis dieser randomisierten kontrollierten Studie bestätigt     not differ qualitatively from general depression and that
   aber den positiven psychologischen Einflussfaktor auf die     general theories and thus treatments for depression may be
   Depressionsbehandlung.                                        valid within this population«.
   Watkins et al. [62] untersuchten in einer randomisiert kon-
   trollierten Studie mit 411 Patienten mit PSD (»consented      Zusammenfassung und Ausblick
   from 1388 patients«) den Effekt einer patientenzentrierten
   Counseling Strategie als psychologisch orientiertes »Moti-    Prävalenz
   vational Interviewing«. Die Interventionsgruppe (n = 204)
   erhielt einmal wöchentlich eine Einzelsitzung von 30 – 60     Eine präzise Angabe zur Auftretenshäufigkeit von PSD
   Minuten. Aufbauend auf die ersten Sitzungen wurden ent-       liegt bislang nicht vor. Die Angaben variieren um den Wert
   sprechend der individuellen Erkrankungsfolgen realistische    von 30 %, die eine klinisch relevante und therapiebedürf-
   Zielsetzungen und notwendige Schritte zur Erreichung die-     tige Depression ausbilden. Eine Klassifikation hinsichtlich
   ser Ziele erarbeitet (lösungszentrierte Gesprächstechniken    der F-Diagnosen des ICD-10 ist aufgrund der strittigen
   zur Förderung der Selbstwirksamkeit). Die Kontrollgruppe      Frage einer organisch bedingten oder reaktiven depressiven
   wurde als »care as usual« mit der Interventionsgruppe         Störung problematisch.

16 | NeuroGeriatrie 1 · 2009
Poststroke Depression: Diagnose, Verlauf und psycho­therapeutische Behandlungsmöglichkeit                             Schwerpunktthema

Erklärungsmodelle                                                    (Supervisionen, Arbeitskreise und Qualitätszirkel der Fach-
                                                                     verbände wie GNP, Psychotherapeutenkammer, etc.). Akut­
Es liegen widersprüchliche Hinweise bezüglich der Entste-            kliniken und Rehabilitationseinrichtungen arbeiten eben-
hung und des Verlaufs einer PSD vor. Dieser Review zeigt,            falls prozessorientiert an der Leistungsverbesserung und
dass psychische Faktoren in jedem Fall eine bedeutsame               an der Entwicklung von Leistungsstandards (entsprechend
Rolle spielen [10, 14, 18, 32, 47 59, 60].                           dem SGB V: Wirksamkeit, Notwendigkeit, Zweckmäßig-
                                                                     keit und Wirtschaftlichkeit). Die Einrichtungen sollten sich
Diagnostik                                                           als Netzwerke zusammenschließen, um dadurch größere
                                                                     Patientengruppen erfassen zu können. Dringend notwendig
Es besteht ein dringender Bedarf eines einheitlichen Vorge-          wäre angesichts der psychosozialen Bedeutung der PSD ein
hens bei der Diagnostik der PSD, welches den Einschrän-              von den Trägern der Rehabilitationseinrichtungen finanziell
kungen dieser Krankengruppe gerecht wird. Weiterhin                  ausgestattetes Forschungsschwerpunktprogramm, um den
ist eine frühzeitige Diagnostik bei einem Verdacht auf               Behandlungseffekt abbilden und nachweisen zu können.
eine PSD sinnvoll, für die in entsprechenden Kliniken                An dieser Stelle sei abschließend, im Sinne der richtungs-
entsprechende zeitliche Ressourcen zur Verfügung stehen              weisenden Intention der vorliegenden Übersichtsarbeit,
sollten. Zur Zeit als Screeningverfahren zu empfehlen sind:          eine Aussage von Pinoit et al. [50] genannt: »Post-stroke
PSDRS, HAM-D, HADS-D-d, MADRS, SCL-90-D, BDI.                        depression is a serious obstacle to effective post-stroke
                                                                     rehabilitation. Early diagnosis is essential for effective
Therapie                                                             psychotherapy and pharmacological treatment, for reinte-
                                                                     gration into the family and work, and to prevent cognitive
Generell ist die Wirksamkeit von Interventionen bei der              decline. Rehabilitation must take into account this psycho-
PSD bis heute nicht hinreichend evaluiert, dies gilt ins-            logical dimension and help patients to accept their handi-
besondere für psychotherapeutische Interventionen. Die               caps and regain self-esteem and self-confidence«.
Studien von Kotila [32], Kneebone & Dunmoore [31], Wat-
kins [62], Williams [65] zeigen jedoch die beachtenswerte
                                                                     Literatur
Relevanz psychotherapeutischer Interventionsformen.
Es gibt bedeutsame Hinweise auf die Vergleichbarkeit der               1. Aben I, Denollet J, Lousberg R, Verhey F, Wojciechowski F, Honig A: Persona-
Symptome bei PSD und einer reaktiven Depression. Daraus                   lity and vulnerability to depression in stroke patients: a one-year prospektive
                                                                          follow-up study. Stroke 2002; 33:2391-2395
würde folgen, dass Techniken der Neuropsychologie und                  2. Aben I, Verhey F, Lousberg R, Lodder J, Honig A: Validity of the Beck De-
Verhaltenstherapie wie Problemaktualisierung, Ressourcen­                 pression Inventory, Hospital Anxiety and Depression Scale, SCL-90, and Ha-
                                                                          militon Depression Rating Scale as Screening Instruments for Depression in
aktivierung, self-awareness, Selbstinstruktionstraining und               Stroke Patients. Psychosomatics 2002; 43:386-393
edukative Techniken einen entsprechenden Benefit auch                  3. Aben I, Verhey F, Strik J, Lousberg R, Lodder J, Honig A: A comparative study
bei der PSD erzielen, da ihre Effektivität bereits bei nicht              into the one year cumulative incidence of depression after stroke and myocar-
                                                                          dial infarction. J Neurology, Neurosurg Psych 2003; 74:581-585
organischen Depressionen und bei Patienten mit SHT und                 4. Alexopoulos GS, Raue P, Arean P: Problem-Solving Therapy Versus Suppor-
MS nachgewiesen werden konnte (u. a. Nicholl et al. [45],                 tive Therapy in Geriatric Major Depression With Executive Dysfunction. Am
Khan-Bourne [29], Judd et al. [27], Bryant et al. [8], Siegert            J Geriatr Psychiatry 2003; 11:46-52
                                                                       5. Anderson CS, Hackett ML, House AO: Interventions for preventing depressi-
& Abernethy [56], Lamers et al. [35].                                     on after stroke (Review).The Cochrane Collaboration. The Cochrane Library
Der nachgewiesene Einfluss der psychosozialen Situation                   2005; Issue 3
                                                                       6. Berg A, Palomäki H, Lehtihalmes H, Lönnqvist J, Kaste M: Poststroke depres-
auf den Verlauf der PSD erfordert eine enge Zusammen­                     sion: An 18-month follow-up. Stroke 2003; 34:138-143
arbeit mit den Angehörigen. Deshalb sollte in der Nachsor-             7. Bogousslavsky J: William Feinberg Lecture 2002: Emotions, Mood, and Be-
ge neuropsychologische und psychotherapeutische Fach-                     havior After Stroke. Stroke 2003; 34:1046-1050
                                                                       8. Bryant RA, Moulds ML, Guthrie R, Nixon RDV: Cognitive behaviour therapy
kunde zur Anwendung kommen.                                               of acute stress disorder: a four-year follow-up. Am J Psychiatry 2003; 160:585-
Die Interventionen sollten sich an dem individuellen                      587
                                                                       9. Burvill PW, Johnson GA, Chakera TM, Stewart-Wynne EG, Anderson CS &
Krankheitserleben der Patienten unabhängig von der Gene-                  Jamrozik KD: The place of side of lesion in the aetiology of post-stroke de-
se (Erklärungsmodelle) orientieren. Im klinischen und im                  pression. Cerebrovascular Diseases 1996; 6:208-215
wissenschaftlichen Sinne sollte die individuelle Bedeutung            10. Carota A, Dieguez S, Bogousslavsky J: Psychopathology of stroke. Psychol
                                                                          Neuropsych Vieil. 2005; 4:235-249
der Erkrankung die Basis der Behandlungsansätze bilden!               11. Carota A, Staub F, Bogousslavsky J: Emotions, behaviours and mood changes
                                                                          in stroke. Curr Opin Neurol 2002; 15:57-69
Forschung                                                             12. Carson AJ, MacHale S, Allen K, Lawrie SM, Dennis M, House A, Sharpe M:
                                                                          Depression after stroke and lesion location: a systematic review. Lancet 2000;
                                                                          356:122-126
Generell wird ein großer Forschungsbedarf gesehen. Kli-              13. Casacalenda N, Perry JC, Looper K: Remission in Major Depressive Disorder:
                                                                          A Comparison of Pharmacotherapy, Psychotherapy, and Control Conditions.
nische Neuropsychologen sollten verstärkt ihre Behand-                    Am J Psychiatry 2002; 159:1354-1360
lungskompetenzen in evidenzbasierten Untersuchungen                  14. Chemerinski E, Robinson RG, Kosier T: Improved Recovery in Activities of
abbilden. Viele Kliniker arbeiten zur Zeit leider abgekop-                Daily Living Associated With Remission of Poststroke Depression. Stroke 2001;
                                                                          32:113-117
pelt von Universitäten und Forschungseinrichtungen.                  15. Dohmen C, Garlip G, Sitzer M, Siebler M, Malevani J, Kessler KR, Huff W: Post-
Es besteht ein hoher Anspruch hinsichtlich der Qualifi-                   Stroke-Depression, Algorithmus für ein standardisiertes diagnostisches Vorgehen
zierung und des Qualitätsmanagements klinischer Arbeit                    in der klinischen Routine. Fortschr Neurol Psychiat 2006; 74:257-262

                                                                                                                           NeuroGeriatrie 1 · 2009 | 17
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