Depression - Schweizerische Multiple Sklerose ...

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Depression - Schweizerische Multiple Sklerose ...
Depression
Menschen mit Multipler Sklerose trauern oft ihren verlorenen Fähigkeiten nach und
durchleben dabei seelische Tiefs und traurige Momente. Dieser Zustand ist aber noch
keine Depression. Von Depression spricht man dann, wenn eine psychische Erkrankung
vorliegt. Sie kann im Zusammenhang mit Multipler Sklerose relativ häufig auftreten.

                                                   ches Versagen nach, wertet sich selber ab und
Das Wichtigste in Kürze                            hat gleichzeitig massive Schuldgefühle, dass sie
                                                   sich und ihr Leben nicht mehr im Griff hat. Gutes
– Nicht jede traurige Gemütslage ist eine          Zureden hilft nicht weiter, im Gegenteil, Simona
                                                   igelt sich dadurch immer mehr ein. Ihr Zustand
  Depression.                                      bleibt, sie gerät in eine Abwärtsspirale. An Stel-
– Eine Depression ist eine Erkrankung und          le von Wut und Verzweiflung tritt eine bleierne
  behandelbar.                                     Leere. Sie leidet an einer Depression.
– Zur Behandlung werden Psychotherapie
  und/oder Antidepressiva eingesetzt.              Depressionen sind verbreitet
– Das Verständnis und die Unterstützung
  durch Angehörige sind sehr wichtig.              Viele MS-Betroffene machen ähnliche Erfah-
                                                   rungen. Eine Depression ist eines der häufigs-
                                                   ten Symptome bei Multipler Sklerose. Studien
                                                   schätzen, dass bei etwa der Hälfte aller MS-
So beschreibt Simona B., eine junge Frau mit       Betroffenen irgendwann eine Depression dia-
Multipler Sklerose (MS), ihre Gefühle in der       gnostiziert wird. Depressionen gehören in der
Depression: «Es ist schwierig, Worte zu finden
für das, was ich empfinde. Es ist vor allem die-
se Leere in mir. Ich kann nichts fühlen, keine
Freude, keine Tränen. Meine Gedanken kreisen
immer nur darum, dass ich nichts kann, nichts
wert bin. Ich habe Schuldgefühle, weil ich an-
deren zur Last falle. Bei jedem Schub überlege
ich mir, was ich wieder falsch gemacht habe. Ich
kann mir nicht vorstellen, dass es irgendetwas
gibt, was mir helfen könnte. Es macht doch alles
keinen Sinn.»

Die dreissigjährige Simona B. steht mitten im
Leben, ist ehrgeizig in ihrem Beruf, plant Wei-
terbildungen und liebt es, sich mit Freunden zu
treffen, die Welt zu entdecken. Das war bis zu
ihrem ersten MS-Schub so. Mit der Diagnose
hört die alte Zeit auf einen Schlag auf. Simona
hat keinen Appetit mehr, kann nicht schlafen.
Sie grübelt stundenlang über ihr vermeintli-

                                              MS–Info
Depression - Schweizerische Multiple Sklerose ...
Gesamtbevölkerung zu den häufigsten Krank-         on von Symptomen, die das Verhalten und die
heiten überhaupt. Nach Schätzungen der Welt-       Leistungsfähigkeit eines Menschen wesentlich
gesundheitsorganisation erkranken fast 20 %        beeinträchtigen und über eine längere Zeit an-
aller Menschen irgendwann im Leben an einer        dauern. Es gibt unterschiedliche Formen und
Depression.                                        Schweregrade der Depression.

                                                   Von einer Depression spricht man, wenn einige
Wann wird aus Traurigkeit eine Depression?         der folgenden Symptome über mindestens zwei
                                                   Wochen vorliegen und so ausgeprägt sind, dass
Nicht jede traurige Gemütslage ist eine De-        die betroffene Person nur unter Schwierigkeiten
pression. Dass eine chronische Krankheit Angst     soziale, häusliche und berufliche Aktivitäten
und Traurigkeit auslöst, ist natürlich und nach-   fortsetzen kann oder – in einer schweren Form –
vollziehbar. MS-Betroffene erleben den Verlust     dazu gar nicht mehr in der Lage ist:
am eigenen Körper, sie müssen sich nach ei-
nem Schub an die Einschränkungen anpassen,         – Gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit
manchmal gar Zukunftspläne aufgeben. Nach          – Weniger oder kein Antrieb mehr
einer Phase der Trauer geht es aber vielleicht     – Unkonzentriertheit, Unaufmerksamkeit
schrittweise wieder aufwärts.                      – Interessensverlust
                                                   – Schnelle Ermüdbarkeit
Eine klinische Depression hält länger an und       – Schlafstörungen
nimmt die ganze Person ein. Ein depressiver        – Essstörungen, Appetitverlust oder zuviel Es-
Mensch fühlt sich niedergeschlagen, hoffnungs-       sen
und wertlos. Er entwickelt pessimistische Zu-      – Weniger Selbstwertgefühl und Selbstvertrau-
kunftsperspektiven und extreme Ängste, die bis       en
hin zu Suizidgedanken und -handlungen führen       – Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit
können.                                            –Ruhelosigkeit
                                                   – Pessimistische Zukunftsperspektiven
Die Antriebslosigkeit ist ein zentrales Symp-      – Körperliche Beschwerden, die keine körperli-
tom der Depression. Eine depressive Person ist       che Ursache haben
schnell erschöpft, hat kaum Reserven, fühlt sich   – Suizidgedanken oder -handlungen
energielos und kann die Dinge, die sie norma-
lerweise ohne Probleme erledigen kann, nicht       Dabei muss man aufpassen: Einige Symptome,
mehr bewältigen. Sie zieht sich oft zurück und     die zur Depression gehören, sind auch typisch
verliert das Interesse an anderen Menschen. Die    für die MS. Dazu gehören die starke Ermüd-
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsleistun-        barkeit, Schwierigkeiten bei der Handlungspla-
gen können abnehmen, Entscheidungen fallen         nung, reduzierte Konzentrationsfähigkeit oder
schwerer.                                          körperliche Beschwerden. Umso wichtiger ist
                                                   es, dass Sie sich bei vorhandenen Symptomen
Auch auf den Körper schlägt sich die Depression    an eine Fachperson wenden und Abklärungen
nieder: mit Appetitverlust, Müdigkeit, Schlaf-     machen lassen. Eine Depression ist eine Krank-
störungen, Verminderung des Sexualtriebes,         heit – sie sollte, wie jede andere Krankheit auch,
Gewichtsabnahme oder -zunahme oder körper-         professionell behandelt werden.
lichen Schmerzen. Meistens ist es nicht möglich,
diesen Zustand ohne Behandlung zu überwin-
den.                                               Fragen zur Selbsteinschätzung

                                                   Die folgenden Fragen sollen Ihnen Anstoss ge-
Kriterien für eine Depression                      ben, sich über Ihre eigene Befindlichkeit Gedan-
                                                   ken zu machen. Wenn Sie oft mit «Ja» geantwor-
Die vom Arzt gestellte Diagnose Depression         tet haben, sollten Sie sich an eine Ärztin oder
beschreibt eine genau definierte Konstellati-      eine psychotherapeutische Fachperson wenden.

                                              MS–Info
Sie wird mit Ihnen prüfen, ob Sie an einer De-      Hirnorganische Veränderungen
pression leiden.                                    Depressionen treten bei MS-­    Betroffenen mit
                                                    Entzündungsherden im Gehirn häufiger auf als
– Kann ich mich noch freuen?                        bei Betroffenen mit Entzündungen ausschliess-
– Fällt es mir schwer, Entscheidungen zu tref-      lich im Rückenmark. Dies lässt vermuten, dass
  fen?                                              diese Veränderungen im Gehirn an der Entste-
– Habe ich noch Interesse an etwas?                 hung einer Depression beteiligt sind. Eine be-
– Neige ich in letzter Zeit vermehrt zum Grü-       sondere Rolle könnten dabei die vorderen Berei-
  beln?                                             che der linken Hirnhälfte spielen.
– Plagt mich das Gefühl, dass mein Leben sinn-
  los geworden ist?                                 Hormonelle Störungen
– Fühle ich mich müde und schwunglos?               Als weitere Ursachen von Depression bei MS
– Habe ich Schlafstörungen?                         werden hormonelle Störungen und eine Beein-
– Spüre ich irgendwelche Schmerzen oder einen       trächtigung des Immunsystems vermutet.
  Druck auf der Brust?
– Habe ich wenig Appetit oder Gewicht verlo-        Medikamente
  ren?                                              Bestimmte Medikamente, beispielsweise Inter-
– Habe ich Schwierigkeiten in sexueller Hin-        ferone, können teilweise bei depressiver Vorbe-
  sicht?                                            lastung stimmungsverändernde Eigenschaften
                                                    haben. Vereinzelte Medikamente, die bei der
                                                    Behandlung von MS­-Symptomen (z. B. Spasti-
MS und Depression: Wie hängen sie zusam-            ken) eingesetzt werden, können Stimmungs-
men?                                                änderungen hervorrufen (sogenannter «drug-
                                                    induced low mood»).
In der Forschung zu Depressionen wird vermu-
tet, dass unterschiedliche Faktoren wie Verer-      Stress
bung, organische Veränderungen des Gehirns,         Das Auftreten und die Intensität von depres-
hormonelle Störungen, ein gestörtes Immun-          siven Symptomen scheinen davon abhängig
system oder soziale Komponenten Depressio-          zu sein, wie viel subjektiven Stress die Betrof-
nen begünstigen. Wie MS und Depression genau
zusammenhängen, ist dagegen unklar.

Depressionen bei MS haben verschiedene
Ursachen und Einflussfaktoren.

Genetische Faktoren
Bisher gibt es keinen Beleg dafür, dass ein gene-
tischer Zusammenhang zwischen MS und De-
pression besteht. Dennoch ist die Depressions-
rate unter MS-Betroffenen deutlich höher als
bei Patienten mit anderen neurologischen oder
chronischen Erkrankungen. Eine Depression bei
MS ist deshalb möglicherweise nicht nur eine
Reaktion auf die Erkrankung.

                                               MS–Info
fenen erleben und wie viel soziale Unterstüt-       Antidepressiva müssen im Allgemeinen wäh-
zung sie erfahren. Das Gefühl von Hilflosigkeit     rend mehrerer Monate täglich eingenommen
angesichts des unvorhersagbaren Verlaufs der        werden, auch wenn keine Symptome da sind. Es
Erkrankung ist vermutlich ein wichtiger Faktor      kann Wochen dauern, bis eine Besserung ein-
in der Entstehung einer Depression. Der Zusam-      tritt. Es ist wichtig, das Medikament nicht ein-
menhang zwischen einer Depression und dem           fach selbst abzusetzen, wenn vermeintlich keine
Auftreten von Schüben ist bislang noch unklar.      Wirkung eintritt oder Nebenwirkungen auftre-
                                                    ten, sondern Rücksprache mit dem Arzt zu neh-
                                                    men. Neuere Antidepressiva, so genannte selek-
Depression – gute Aussichten bei Behandlung         tive Serotonin Wiederaufnahmehemmer (SSRI),
                                                    wirken gleich stark wie die älteren, haben jedoch
Die Depression ist eine Krankheit. An erster        weniger Nebenwirkungen. Sie machen nicht
Stelle steht dabei die Diagnose durch eine Fach-    süchtig und senken auch das Reaktionsvermö-
person und die Suche nach möglichen Ursachen.       gen nicht, so dass sie über längere Zeit hinweg
Ist die Depression erkannt, kann man sie be-        und in einer höheren Dosis eingenommen wer-
handeln, lindern oder sogar heilen Zuerst müs-      den können. Eine der häufigsten Nebenwirkun-
sen Nebenwirkungen von Medikamenten aus-            gen der SSRI ist jedoch ein Nachlassen des se-
geschlossen werden, dann wird die Fachperson        xuellen Verlangens.
das ganze Lebensumfeld der betroffenen Person
genau betrachten. In einigen Fällen ist die De-
pression zum Beispiel Ausdruck eines Erschöp-       Was Angehörige wissen müssen
fungssyndroms, weil sich jemand permanent
selbst überfordert und nicht realisiert, dass er    Die Psychotherapie und medikamentöse Be-
durch die MS gar nicht so viel leisten kann, wie    handlung alleine können die Depression nicht
er will.                                            heilen, zentral ist dabei auch die Unterstützung
                                                    durch die Angehörigen.
Grundsätzlich helfen Psychotherapie und spezi-
elle Medikamente. Wichtig für jede Behandlung       Die Depression eines Familienmitglieds hat
ist das Vertrauen zur Therapeutin. Eine Psycho-     Auswirkungen auf die Partnerschaft und die
therapie ist bei leichten bis mittelschweren For-   Beziehung zu den Kindern. Angehörige fühlen
men der Depression ebenso wirksam wie eine          sich jedoch oft sehr hilflos und werden mit der
medikamentöse Behandlung. Bei schwereren            Zeit ungeduldig oder verärgert. Sie können nur
Formen werden begleitend Antidepressiva ein-        schwer verstehen, warum sich der Betroffene
gesetzt. Häufig macht es Sinn, beide Behand-        nicht einfach zusammenreisst und etwas gegen
lungsansätze zu kombinieren.                        die belastende Situation unternimmt. Aussen-
                                                    stehende können häufig nicht nachempfinden,
                                                    dass eine Depression eine echte Erkrankung ist
                                                    und kein «Nicht-Wollen».

                                                    Weil depressive Personen oft nur indirekt um Un-
                                                    terstützung bitten, ist es für Angehörige schwer
                                                    zu verstehen, was ihr Gegenüber braucht. Sie
                                                    stossen häufig auf Ablehnung, wenn sie Hilfe
                                                    anbieten. Auch professionelle Hilfe wird häufig
                                                    zurückgewiesen. Leisten Sie Unterstützung, in-
                    MS-Infoline
                                                    dem Sie das Befinden Ihres Gegenübers so ak-
            0844 674 636                            zeptieren, wie sie es schildert. Damit zeigen Sie
                                                    Verständnis und bekräftigen Ihr Vertrauen. Ihr
           Mo – Fr von 9.00 bis 13.00 Uhr
                                                    Gegenüber davon überzeugen zu wollen, dass es
                                                    ihr objektiv doch besser geht, kann sehr verlet-
                                                    zend sein.

                                               MS–Info
Fühlen Sie sich selber mit der Situation überfor-
dert oder sind verunsichert, ist es legitim, dass
Sie sich mit einer Fachperson auszutauschen
und sich unterstützen lassen.

Die Schweiz. MS-Gesellschaft hilft

Es ist normal, im Leben mit Multipler Sklerose
Phasen zu erleben, in denen man sich deprimiert
fühlt, traurig ist oder sogar eine Depression ent-
wickelt. Umso wichtiger ist es, solche Symptome
gemeinsam mit einer Fachperson einzuordnen,
nach Ursachen zu suchen und sie angemessen
zu behandeln. Das erfahrene Beraterteam der
Schweiz. MS-Gesellschaft steht Ihnen über die
MS-Infoline für kostenlose Beratung telefo-
nisch, persönlich oder per Video zur Verfügung.

                                                             04/2021

         Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft
         Josefstrasse 129, Postfach, 8031 Zürich
         T 043 444 43 43, PK 80-8274-9
         info@multiplesklerose.ch,     multiplesklerose.ch
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