Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau

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Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
Potenziale von Industrie 4.0
im Großanlagenbau

Ergebnisse einer Gemeinschaftsstudie von maexpartners und der
VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau – September 2017
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Inhalt

         1 Ausgangssituation und Fragestellung                            4

         2 Das Wichtigste in Kürze                                        7

         3 Studiendesign: Rücklauf und Struktur der Befragung             8

         4	Globaler Kampf um Marktanteile –
            Aktuelle Situation im Großanlagenbau                          9

         5 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017   15

         6 Industrie 4.0: Potenziale und Trends                           28

         7 Was kann der Anlagenbau von anderen Branchen lernen?           50

         8 Ausblick                                                       53

         9 Profil und Ansprechpartner                                     54
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 Ausgangssituation und Fragestellung

1 Ausgangssituation und Fragestellung

Die von der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanla-           Aufgrund der auch international sehr dynamischen
genbau und maexpartners im Jahr 2015 herausgege-         Weiterentwicklung von Industrie 4.0 greift die
bene Studie „Industrie 4.0 im Industrieanlagenbau        vorliegende Studie in erster Linie Fragen zu den
- Revolution oder Evolution?“ stand bereits unter dem    Digitalisierungs- und Servicestrategien auf. Das
Eindruck der zunehmenden Digitalisierung der Unter-      zukunftsentscheidende Thema „Geschäftsmodelle“
nehmen des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus.         konzentriert sich auf Fragen zu bestehenden und
Die hier vorgestellte Nachfolge-Studie soll Aufschluss   neuen Geschäftsmodellen und den bereits realisierten
über die bereits vollzogenen und noch zu erwartenden     Aspekten. Ein besonderer Fokus wurde auf die aktuellen
Veränderungen im Großanlagenbau geben. Neben den         Herausforderungen gelegt, mit denen die Industrie in
verschiedenen Digitalisierungsstrategien, die dem sich   der gegenwärtigen Phase konfrontiert wird.
ständig ändernden Umfeld angepasst werden, stehen
vor allem die Perspektiven für neue Geschäftsmodelle     Darüber hinaus werden zahleiche weitere Aspekte
im Mittelpunkt der aktuellen Untersuchung.               der aktuellen Diskussion zu Industrie 4.0 im Industrie-
                                                         anlagenbau konkretisiert und speziell die Frage des
Der im Jahre 2015 begonnene Einstieg in die ver-         bereits realisierten und zukünftigen Nutzens erörtert.
schiedenen Fragestellungen, etwa zu den Chancen          Anlagenbauer im Sinne dieser Studie sind Unternehmen,
und Risiken von Industrie 4.0 im Anlagenbau, wird im     die auf der Basis umfassender Kenntnisse des ver-
Rahmen der aktuellen Befragung fortgeschrieben und       fahrenstechnischen Prozesses ein- oder mehrmals
auf den neuesten Stand gebracht.                         jährlich kundenspezifische Industrieanlagen bauen.
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Die derart vom VDMA definierten Großanlagenbauer         Unter Industrie 4.0 verstehen die Autoren die Anwen-
sind beispielsweise die Hersteller von Kraftwerken,      dung des Internets der Dinge und Dienste im industri-
Chemieanlagen, Hütten- und Walzwerken, Zement­           ellen Prozess. Kernelement ist dabei die echtzeitfähige
anlagen, Zellstoff- und Papierfabriken sowie die         Erfassung und Verarbeitung von Daten. Daraus resultiert
Anbieter von Anlagen für die Elektroindustrie, für die   die Möglichkeit, Prozesse echtzeitnah zu optimieren.
holzverarbeitende Industrie und für die Förderung von    Im Anlagendesign setzt sich zunehmend die intelligente
Rohstoffen. Insgesamt liefert die Branche Anlagen an     Anlage und der digitale Zwilling (Digital Twin) durch.
über zwanzig unterschiedliche Industriebereiche.         Im Betrieb einer Anlage führt die intelligente Ausrüstung
Charakteristisch ist hierbei eine arbeitsteilige und     zu Produktionsoptimierungen, sowohl im Bereich der
globale Leistungserbringung, die sich nicht zuletzt in   Wartung und Instandhaltung als auch im unerwarteten
einer Exportquote von rund 80 Prozent niederschlägt.     Stillstand.
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 Ausgangssituation und Fragestellung

Industrie 4.0 ist somit ein Baustein für den Erfolg zu-   Die vorliegende Studie, die die VDMA Arbeitsgemein-
künftiger Geschäftsmodelle, der sich in den Strategien    schaft Großanlagenbau und die Unternehmensberatung
der Unternehmen niederschlägt. Für den Anlagenbau         maexpartners gemeinsam erstellt haben, liefert Ant-
sind Erfolg versprechende Anwendungsgebiete zu identi-    worten auf diese Fragen und zeigt mögliche Wege
fizieren und Auswirkungen auf Prozesse, Organisation      der strategischen Ausrichtung auf.
und Design der Anlage zu beleuchten.
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2 Das Wichtigste in Kürze

Die Ergebnisse der Studie sind teilweise überraschend.        eine engere Zusammenarbeit mit dem Kunden erwartet.
So schätzen die Anlagenbauer die Chancen für ihre             Die Umsetzung dieser strategischen Neuausrichtung
Unternehmen am Markt und im Wettbewerb aufgrund               in den Unternehmen wird allerdings als schwierig
des zunehmenden Industrie 4.0-Trends höher ein als            angesehen.
noch vor zwei Jahren. Gleichzeitig werden aber auch
neue Herausforderungen gesehen: Diese bestehen                Die Entwicklung und Nutzung neuer Geschäftsmodel-
nach Auffassung der Teilnehmer vor allem in der               le, deren Möglichkeit sich durch die fortschreitende
Erwartung eines zunehmenden Wettbewerbs mit                   Digitalisierung immer klarer abzeichnen, rückt stärker
branchenfremden Unternehmen.                                  in den Fokus des Anlagenbaus. Dies wird vermutlich
                                                              auch Implikationen auf die Nutzungsmodelle- und die
Diese Erkenntnis bedeutet auch, dass die Unternehmen          Preisgestaltung haben. So könnten neue Vertrags-
heute mehr individuellen Handlungsbedarf sehen als            modelle wie das Pay per Use zukünftig eine besondere
im Jahr 2015. Trotz dieses klaren Blicks für die Realitäten   Rolle einnehmen.
konnten sich erst etwa die Hälfte der teilnehmenden
Unternehmen entschließen, aktiv zu werden, um                 Die Mehrzahl der Studienteilnehmer sieht jedenfalls
Maßnahmen zur Nutzung des erkannten Potenzials                gute Chancen zur Kostensenkung sowie für Umsatz-
und zur Beherrschung der Risiken zu ergreifen.                und Gewinnsteigerungen durch den Einsatz von
                                                              Industrie 4.0-Technologien. Immerhin 14 Prozent der
Beim Thema Digitalisierungsstrategien sieht die Indust-       Befragten erwarten einen Gewinnzuwachs von mehr
rie den aktuellen Handlungsbedarf derzeit relativ gleich-     als 10 Prozent bis 2021 im bestehenden Geschäfts-
mäßig über alle organisatorischen und technologischen         modell. Dieser Wert verdeutlicht das mit der Digi-
Arbeitsfelder verteilt und räumt ein, dass es in Bezug        talisierung verbundene große Potenzial für weiteres
auf die „Digital Readiness“ noch Nachholbedarf gibt.          Wachstum im Industrieanlagenbau.

Dem anhaltenden Trend zu einer stärkeren Service-
orientierung möchten sich die meisten der Befragten
anschließen, auch wenn es größere Veränderungen
sowohl in organisatorischer Hinsicht als auch bei den
eingesetzten Technologien bedeutet. Generell wird
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3 Studiendesign: Rücklauf und Struktur der Befragung

Die Online-Umfrage zu der vorliegenden Studie wurde                       außergewöhnlich groß. 26 Prozent der angeschrie-
von April bis Mai 2017 durchgeführt. Befragt wurden                       benen Unternehmen haben sich an der Umfrage
hochrangige Manager des (Groß-)Anlagenbaus, der                           beteiligt. Besonders stark vertreten waren sowohl
Betreiberindustrien sowie ausgewählte Lieferanten.                        kleinere Unternehmen bis 500 Mitarbeiter als auch
Die Ergebnisse können dabei zumindest für die erste                       Großunternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten
Gruppe als repräsentativ angesehen werden. Die                            (siehe Abbildung 1).
Reso­nanz der Teilnehmer auf die Studienthematik war

                Teilnehmer                                               Zahl der Mitarbeiter weltweit 2016
                                                                43 %
                 Anlagenbau                                                                                                                            27 %
                                                                                                            17 %                  10 %
                                                                                       3%
                              26 % der befragten
                                                               bis 500            500 – 1.000           1.000 – 5.000            5.000 –            über 10.000
    Ohne Feedback               Unternehmen                                                                                      10.000
                              haben geantwortet
                37
              (28 %)                                                                       Gesamtumsatz 2016

                Rückläufer                                                 40 %                         10 % 3% 10 %                           37 %

              140 Teilnehmer                                                bis             100           500 Mio. –
                                                                         100 Mio. €        – 500           1 Mrd. €          1–2           über 2 Mrd. €
  Zeitraum der Befragung: April - Mai 2017                                                 Mio. €                           Mrd. €

  Produkt-
                              15                     10                    9                        9                   6              4        3          6
  spektrum*
                        Energie                 Chemie/             Metallurgie                Elektro-          Öl und Gas        Bau- Papier Sonstiges
                                                Pharma                                         technik                            stoffe
  Kompe-
                       22                 19                   18                     16                  14                13                11           11
  tenzen*
                Technologiegeber       Inbetrieb-            Basic               Services             Detail           Bau und             Einkauf    Fertigung/
                                         nahme            Engineering                               Engineering        Montage                        Produktion
  Relevante
                         18                     17                        14                    10                 8              8             6          8
  Märkte*
                       Europa            Mittlerer Osten/                China                Indien            Nord-            GUS          Süd- Sonstiges
                                           Nordafrika                                                          amerika                       amerika

Abbildung 1                                                 * Wenn unter den wichtigsten zwei von acht genannt (Mehrfachnennungen möglich)

Die auf Produkte für die Abnehmerbranchen Energie-                        Die meisten Studienteilnehmer bieten Industrieanlagen
erzeugung, Prozessindustrie (Öl und Gas, Chemie,                          schlüsselfertig an. Das bedeutet, dass sie auch in der
Pharmazie, Metallurgie) und Elektrotechnik speziali-                      Lage sind, komplette Anlagen zu planen, die notwen-
sierten Anlagenbauer haben die meisten Antworten                          digen Lieferungen und Leistungen einzukaufen bzw.
gegeben. Unterteilt man nach Kompetenzen, bilden                          zu fertigen sowie anschließend zu montieren. Die
in erster Linie die Technologiegeber, die Anbieter von                    Befragten sind mithin zu qualifizierten Aussagen über
Basic Engineering und von Inbetriebnahmeleistungen                        das Potenzial von Industrie 4.0 in allen wesentlichen
einen Schwerpunkt der Stichprobe.                                         Kompetenzbereichen des Anlagenbaus fähig.
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
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4 Globaler Kampf um Marktanteile – Aktuelle Situation im Großanlagenbau

Die Marktstruktur im Großanlagenbau ist seit rund zehn
Jahren von einer kontinuierlich steigenden Anbieterzahl bei
einem tendenziell konstanten, in einigen Branchen sogar
rückläufigen Projektvolumen gekennzeichnet. Dabei treten
neben den etablierten Anlagenbauern aus Europa, Nord-
amerika und Japan vor allem technologieungebundene,
häufig lokal agierende Generalunternehmer aus Asien als
neue Konkurrenten auf. Folglich haben sich die Kräfte-
verhältnisse zwischen den Anbietern von Großanlagen und
deren Kunden nachhaltig verschoben. Der Wettbewerbs-
druck im Anlagenbau hat signifikant zugenommen und da-
bei in zahlreichen Segmenten einen Käufermarkt etabliert.

Diese Schlussfolgerung legen jedenfalls die vom VDMA            damit deutlich verschoben: 2015 waren erst 31 Prozent
und dem Beratungsunternehmen maexpartners seit 2011             der Befragten der Meinung, der Wettbewerbsdruck werde
regelmäßig durchgeführten Panel-Befragungen unter               sich sehr stark erhöhen, 2014 vertraten sogar nur knapp
Führungskräften des deutschen Großanlagenbaus nahe.             ein Viertel der Befragten diese Ansicht. Damals gingen
Demnach erwarten derzeit 68 Prozent der Top-Manager             noch 15 Prozent der Manager von einem mittelfristig gar
einen in den kommenden drei Jahren sehr stark steigenden        nicht oder nur leicht steigenden Wettbewerbsdruck aus –
Wettbewerbsdruck, 32 Prozent gehen von einer immer-             ein Standpunkt, der im Großanlagenbau inzwischen nicht
hin spürbaren Erhöhung des Druckes aus. Im Vergleich            mehr vertreten wird (vgl. Abbildung 2).
zu den Vorjahren hat sich die Einschätzung der Experten

                                 Wettbewerbsdruck
              100 %                           100 %                          100 %
                        3%                               8%
     10 %                           11 %
                       12 %
                                                                                      32 %

                                                                    54 %

     60 %                           56 %                 61 %
                       61 %

                                                                    46 %
                                    33 %                 31 %                         68 %
     30 %
     21 %              24 %

    Letzte            Nächste      Letzte             Nächste      Letzte            Nächste
    3 Jahre           3 Jahre      3 Jahre            3 Jahre      3 Jahre           3 Jahre

         Studie 2014                       Studie 2015                  Studie 2017

     Gar nicht         Schwach   Spürbar          Sehr stark

Abbildung 2
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Globaler Kampf um Marktanteile – Aktuelle Situation im Großanlagenbau

Und auch der Rückblick auf die tatsächlich eingetre-                        Förderung unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen
tene Entwicklung fällt heute kritischer aus als in der                      angestoßenen Projekte zur Rohstoffverarbeitung, was
Vergangenheit. So stellen aktuell 46 Prozent der Be-                        sich bereits im Bau von Düngemittelfabriken, Gaskraft-
fragten fest, dass sich der Wettbewerbsdruck zwischen                       werken sowie LNG-Exportterminals niedergeschlagen
2014 und 2017 sehr stark erhöht habe. In den Analysen                       hat (vgl. Abbildung 3).
aus den Jahren 2014 (30 Prozent) und 2015 (33 Prozent)
lagen die Werte für die entsprechenden Dreijahres-                          Doch auch international sind die amerikanischen
Zeiträume noch wesentlich niedriger.                                        Großanlagenbauer wieder zunehmend präsent. Dies
                                                                            zeigen u.a. Entwicklungs-Partnerschaften mit global
Anbieter aus den Industrieländern dominieren                                agierenden Chemiekonzernen sowie der Zukauf von
Dennoch wird der Weltmarkt für Großanlagen nach                             mittelständischem Engineering Know-how in Europa.
wie vor von Anbietern aus Westeuropa, Nordamerika                           Dieser Trend spiegelt sich auch in der Panel-Erhebung
und Japan dominiert. Im Jahr 2016 addierten sich deren                      wider. So meldeten in den Jahren 2012 und 2014
gemeinsame Marktanteile auf gut 60 Prozent. Mit einer                       lediglich 17 Prozent der Befragten zunehmenden
Quote von ca. 20 Prozent am globalen Markt sind die                         Wettbewerbsdruck aus den Vereinigten Staaten.
USA weiterhin die am Umsatz gemessen wichtigste                             Mittlerweile hat sich dieser Wert auf 33 Prozent nahezu
Anlagenbaunation weltweit. US-Anbieter profitieren                          verdoppelt und in den kommenden drei Jahren er-
zum einen von der enormen Größe ihres Heimatmark-                           warten sogar 37 Prozent der Großanlagenbauer einen
tes, zum anderen von den im Zuge der vermehrten                             stärker werdenden US-Wettbewerb (vgl. Abbildung 4).

                                                                            Unternehmen aus Westeuropa und insbesondere aus
          Weltmarktanteile im Groß-                                         Deutschland sind seit Jahrzehnten Innovations- und
        anlagenbau nach Lieferländern                                       Technologieführer auf dem Markt für Großanlagen.
                                                                            Dieser Befund wird von einer Anfang 2017 durchge-
                                                         325,0 Mrd. €
                                                                            führten Umfrage unter den Mitgliedern der VDMA
                                                    .      (100 %)          Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau zur allgemeinen
                                               p. a
                                           %              39,0 Mrd. €
                                      +4
                                                             (12 %)
                                                                            Wettbewerbssituation gestützt.
                                                        26,0 Mrd. € (8 %)
                    225,0 Mrd. €
                       (100 %)                            58,5 Mrd. €
    Übrige Welt   11,3 Mrd. € (8 %)                         (18 %)
      Südkorea    11,3 Mrd. € (5 %)
         China    11,3 Mrd. € (5 %)                       35,8 Mrd. €
                     33,8 Mrd. €                             (11 %)
         Japan
                        (15 %)
                                                          61,8 Mrd. €
                    49,5 Mrd. €
           USA                                               (19 %)
                      (22 %)

                   101,3 Mrd. €                          104,0 Mrd. €
    Westeuropa                                              (32 %)
                      (45 %)

                       2006                                  2016

Abbildung 3
10|11

Demnach haben mehr als 90 Prozent der Mitglieds-            Maßnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit –
unternehmen zumindest einen bedeutenden Markt-              etwa der verstärkte Einsatz digitaler Methoden bei der
begleiter mit Sitz in Westeuropa. Die im Rahmen             Projektplanung und -abwicklung – zeigen zuneh-
dieser Studie durchgeführte Panelerhebung weist             mend Wirkung.
in eine ähnliche Richtung. Demnach verspürten in
den vergangenen drei Jahren mehr als 80 Prozent             Auch Japan unternimmt derzeit alles, um wieder
der Befragten zunehmenden Wettbewerbsdruck aus              aufzuholen. Der Erfolg lässt sich bereits an aktuellen
Westeuropa, für den Zeitraum bis 2020 gehen sogar           Projektzahlen nachvollziehen. So hat die japanische
87 Prozent der Anlagenbauer von wachsender Kon-             Anlagenbauindustrie ihre Marktposition in jüngster
kurrenz aus. Der Trend der vergangenen Jahre, der           Vergangenheit insbesondere durch Kooperationen und
westeuropäischen Anlagenbauer eine nachlassende             Unternehmenskäufe in Europa in einigen Branchen
Wettbewerbsfähigkeit attestierte, hat sich damit offenbar   spürbar gestärkt.
gedreht und die von den Unternehmen ergriffenen
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Globaler Kampf um Marktanteile – Aktuelle Situation im Großanlagenbau

China auf dem Weg zum Weltmarktführer?
Dennoch sinken die Weltmarktanteile der etablierten                      Folgekosten, wie etwa Wartungs- und Betriebsauf­
Anbieter kontinuierlich. Dies geschieht hauptsächlich                    wendungen sowie Verfügbarkeiten unterschlagen.
zu Gunsten Chinas. Die Anlagenbauer aus der Volks-                       Ferner werden die Anbieter aus dem Reich der Mitte
republik haben ihre globale Präsenz in den vergangenen                   durch ihre Regierung mit günstigen Finanzierungen
Jahren deutlich ausgebaut, was nicht zuletzt eine                        und politischer Flankierung bei ihren Projekten
Reaktion auf die Sättigung des Inlandsmarktes war.                       effektiv unterstützt. Die erwähnte VDMA-Befragung
Mittlerweile erreicht China im Großanlagenbau einen                      stützt diese Einschätzung: Betrachteten vor zehn
Weltmarktanteil von 18 Prozent und kommt damit den                       Jahren erst 30 Prozent der Mitgliedsfirmen China als
USA immer näher.                                                         einen bedeutenden Konkurrenten, waren es vor fünf
                                                                         Jahren schon mehr als 40 Prozent. 2016 ist der Anteil
Gründe hierfür sind zum einen die, insbesondere von                      nochmals auf 65 Prozent gestiegen. Auch im Hinblick
Kunden in Schwellenländern geschätzten, niedrigen                        auf den Wettbewerbsdruck liegt China vorn: In den
Anschaffungspreise chinesischer Anlagen, die allerdings                  vergangenen drei Jahren verspürten 88 Prozent der an
                                                                         der Panel-Erhebung beteiligten Unternehmen zuneh-
                                                                         menden Wettbewerbsdruck aus der Volksrepublik, mit
     Zunehmender Wettbewerbsdruck                                        Blick auf 2020 gehen sogar 91 Prozent der Befragten
            nach Ländern                                                 von einem wachsenden chinesischen Wettbewerb aus –
                                                                         mehr als aus jedem anderen Land.
                     0%            50 %            100 %
                                                       91 %              Hingegen hat der Druck aus Südkorea infolge von
                                                      88 %               Marktbereinigungen und Umstrukturierungen weiter
       China                                        82 %         +4 %
                                                       90 %              nachgelassen. Derzeit verspüren nur noch halb so viele
                                                       91 %
                                                                         Unternehmen wie 2012 starken Wettbewerbsdruck
                                                      86 %
                                                    81 %
                                                                         aus dem ostasiatischen Land (vgl. Abbildung 4).
    Westeuropa                                    74 %           +6 %
                                                   78 %
                                               66 %                      Dennoch wäre es verfehlt, in Südkorea keinen ernst-
                                     41 %                                zunehmenden Konkurrenten auf dem Weltmarkt zu
                                      43 %                               sehen. Noch immer erwarten 41 Prozent der Panelteil-
     Südkorea                          47 %                      -4 %
                                        50 %                             nehmer in den kommenden drei Jahren zunehmenden
                                                    83 %
                                                                         Wettbewerbsdruck aus Südkorea – mehr als etwa aus
                                    37 %
                                   33 %                                  Japan und den USA. Gleichzeitig ist die Zahl der
        USA                          40 %                       + 10 %   Unternehmen, die ein südkoreanisches Unternehmen
                           17 %
                           17 %                                          als ihren wichtigsten außereuropäischen Wettbewerber
                                  37 %                                   betrachtet, von sechs (2015) auf zehn (2017) gestiegen.
                                 35 %
       Japan                    30 %                             +5 %
                            18 %
                             22 %

     Nächste 3 Jahre Studie 2017          Letzte 3 Jahre Studie 2014
     Letzte 3 Jahre Studie 2017           Letzte 3 Jahre Studie 2012
     Letzte 3 Jahre Studie 2015

Abbildung 4
12|13

Trefferquote sinkt weiter –
Optimierung der Angebotsprozesse
Die Trefferquote im Anlagenbau – die sogenannte                   von 30 Prozent auswies, ist die Hitrate 2015 auf 26
Hitrate – spiegelt das Verhältnis von erhaltenen                  Prozent abgerutscht und liegt aktuell bei 25 Prozent.
Aufträgen zu abgegebenen Angeboten wider. Diese                   Das bedeutet, dass Anlagenbau-Unternehmen im
Kennzahl hat sich in den letzten Jahren deutlich ver-             Schnitt mittlerweile vier Angebote legen müssen, um
schlechtert. Während die Panelerhebung für die Jahre              einen einzigen Auftrag zu erhalten (vgl. Abbildung 5).
2012 und 2014 noch Werte in einer Größenordnung

    Hitrate – Studie 2014                       Hitrate – Studie 2015                     Hitrate – Studie 2017

 Durchschnittliche                             Durchschnittliche                         Durchschnittliche
 Hitrate* (Aufträge/Angebote)                  Hitrate* (Aufträge/Angebote)              Hitrate* (Aufträge/Angebote)

     31 %                          31 %                                                    29 %
                   29 %                          29 %                         28 %                                      28 %
                                                               26 %                                      25%

  Vor 3 Jahren    Heute         In 5 Jahren   Vor 3 Jahren    Heute       In 5 Jahren   Vor 3 Jahren    Heute       In 5 Jahren

Abbildung 5                                                                                                *Arithmetisches Mittel
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Globaler Kampf um Marktanteile – Aktuelle Situation im Großanlagenbau

Deutlich manifestiert sich in dieser Entwicklung die                   Angebotsprozesse zu optimieren und die damit einher-
zuvor beschriebene Zunahme des Wettbewerbsdrucks                       gehenden, zum Teil enormen Kosten der Angebotser-
im Großanlagenbau. Angesichts einer geringeren Zahl                    stellung spürbar zu senken. Die Umfrageergebnisse
an Projekten und zunehmender Käufermacht gelingt                       zeigen, dass damit ein erhebliches Effizienzpotenzial
es den befragten Unternehmen immer seltener, ihre                      verbunden ist. So lagen die durchschnittlichen An-
Trefferquoten konstant zu halten. Immerhin rechnet                     gebotskosten im Jahr 2012 bei ca. 1,2 Prozent des
die Branche damit, diese Kennzahl bis 2022 wieder                      Auftragswertes. Mittlerweile ist dieser Wert auf 1,4
auf einen Wert von 28 Prozent anheben zu können.                       Prozent gestiegen. Von den bereits eingeleiteten
                                                                       Gegenmaßnahmen – etwa der verstärkten Modu-
Hinter dieser Erwartung steht zu einem die Hoffnung                    larisierung von Anlagenkomponenten oder ganzer
auf ein verbessertes konjunkturelles Umfeld, insbe-                    Baugruppen – und den zukünftig geplanten Schrit-
sondere in den Schwellenländern, verbunden mit                         ten erhoffen sich die befragten Unternehmen einen
wieder deutlich mehr zur Vergabe stehenden Pro-                        Rückgang der durchschnittlichen Angebotskosten auf
jekten. Gleichzeitig planen viele Unternehmen, ihre                    1,3 Prozent bis 2022 (vgl. Abbildung 6).

       Angebotskosten –                                Angebotskosten –                          Angebotskosten –
         Studie 2014                                     Studie 2015                               Studie 2017

  Durchschnittliche                               Durchschnittliche                         Durchschnittliche
  Angebotskosten*                                 Angebotskosten*                           Angebotskosten*
  (in % des Auftragswerts)                        (in % des Auftragswerts)                  (in % des Auftragswerts)

                                                                               1,56 %
                  1,38 %       1,40 %                                                                       1,41 %        1,36 %
     1,28 %                                                       1,36 %                       1,30 %
                                                     1,18 %

  Vor 3 Jahren    Heute      In 5 Jahren          Vor 3 Jahren    Heute      In 5 Jahren    Vor 3 Jahren    Heute      In 5 Jahren

Abbildung 6                                                                                                   *Arithmetisches Mittel
14|15

5 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

Eine wichtige Erkenntnis der Studie aus dem Jahr 2015                   sehen sogar 72 Prozent der Befragten hierin Potenzial
war, dass die Herausforderungen, die der Anlagenbau im                  (vgl. Abbildung 7).
Kontext von Industrie 4.0 zu bewältigen hat, komplex und
anspruchsvoll sind. Die stärksten Änderungen wurden                     Industrie 4.0 bietet ferner Möglichkeiten zur Verkürzung
damals beim Engineering und in der Zusammenarbeit                       der Time-to-Market, also der Dauer von der Produkt­
zwischen Betreibern und Ausrüstern erwartet. Für diese                  entwicklung bis zur Platzierung des Produkts am
Herausforderungen war der Anlagenbau 2015 offenbar                      Markt. Dieser für den Anlagenbau wichtigen Kennzahl
nur unzureichend gerüstet. Die Branche hat sich seitdem                 wird gegenüber der Befragung 2015 inzwischen ein um
intensiv mit den Themen Industrie 4.0 und Digitalisierung               14 Prozent höheres Potenzial zugeordnet.
beschäftigt und entsprechende Maßnahmen zur Steige-
rung der Wettbewerbsfähigkeit eingeleitet. Im Folgenden                 Aber auch die Möglichkeit, den Umsatz im bestehenden
werden die aktuellen Studienergebnisse somit auch in                    Geschäftsmodell zu erhöhen, wird jetzt deutlich stärker
Relation zur Vorgängerstudie gestellt und bewertet.                     wahrgenommen als noch 2015. Konnten sich damals nur
                                                                        sieben Prozent der Teilnehmer entschließen, diesen Punkt
Industrie 4.0 bietet Chancen zur Umsatzsteigerung,                      als sehr relevant zu bezeichnen, so sind es heute bereits
vor allem mit neuen Produkten und Dienstleistungen                      31 Prozent. Diese Entwicklung verdeutlicht eindrucksvoll
2017 hat sich die Wahrnehmung der Digitalisierung im                    die Erwartungen, die der Industrieanlagebau mittlerweile
Anlagenbau deutlich verändert: Die Branche sieht durch                  mit der Digitalisierung verknüpft.
Industrie 4.0 mittlerweile erheblich größere Chancen
für ihr Geschäft als noch 2015. Dies gilt sowohl für die                Neben dem erheblichen Potenzial für Umsatzstei-
Möglichkeiten, den Umsatz zu steigern als auch Kosten zu                gerungen werden verstärkt auch Möglichkeiten zur
senken und Zeit bei der Projektabwicklung zu sparen.                    Kostenreduzierung gesehen. 19 Prozent der Teilnehmer
Als wichtigste Chance werden in diesem Zusammenhang                     bewerteten diesen Punkt 2017 als sehr relevant;
Umsatzsteigerungen durch neue Produkte und Dienst-                      2015 waren nur etwa halb so viele Teilnehmer dieser
leistungen gesehen. Dieser Möglichkeit waren sich 2015                  Meinung.
schon 53 Prozent der Teilnehmer bewusst. Mittlerweile

                         Welche Chancen bietet Industrie 4.0 dem Anlagenbau?

                                                                 2017                                           2015

                Umsatzsteigerung durch                                                                                               14 %
                                                       72 %                20 %     8%               53 %                30 %
     neue Produkte und Dienstleistungen                                                                                                  2%

             Verkürzung Time-to-Market      33 %              30 %       26 %      11 %       19 %           43 %             24 %    14 %

                   Umsatzsteigerung in
                                            31 %          23 %           30 %       4%       7%       44 %                44 %          5%
          bestehendem Geschäftsmodell

                     Kostenreduzierung    19 %             52 %             26 %    4%       10%      38 %             31 %          21 %

                                                 Sehr relevant          Relevant          Weniger relevant          Nicht relevant

Abbildung 7
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

                                                                            Auch der Anlagenbetrieb sieht mittlerweile deutlich
                                                                            größere Chancen durch Industrie 4.0 als noch 2015.
                                                                            Wie auch beim Anlagenbau werden im Anlagenbetrieb
                                                                            Kostenreduzierungen und Umsatzsteigerungen durch
                                                                            neue Produkte und Dienstleistungen erwartet.

                                                                            Kostensenkungen werden in der aktuellen Studie
                                                                            von 67 Prozent der Antwortenden als sehr relevant
                                                                            angesehen. Das ist mehr als eine Verdoppelung
                                                                            gegenüber dem Wert von 2015. Gleiches gilt für
                                                                            mögliche Umsatzsteigerungen durch neue Produkte
                                                                            und Services: 2017 sind 65 Prozent der Teilnehmer
                                                                            überzeugt, dass hier große Chancen für Betreiber
                                                                            bestehen (2015: 38 Prozent, vgl. Abbildung 8).

                      Welche Chancen bietet Industrie 4.0 dem Anlagenbetrieb?

                                                                  2017                                                    2015

                                                                                                                                            10 %
                    Kostenreduzierung                    67 %                      29 %    5%         28 %                  58 %
                                                                                                                                                5%

               Umsatzsteigerung durch
                                                         65 %               10 %    20 % 5 %              38 %             31 %       23 %    8%
                       neue Produkte

            Verkürzung Time-to-Market             43 %              29 %           19 %   10%       20 %           39 %             37 %       5%

                   Umsatzsteigerung in
                                              37 %                   42 %             21 %         13 %          44 %                44 %
          bestehendem Geschäftsmodell

                                                  Sehr relevant              Relevant           Weniger relevant             Nicht relevant

Abbildung 8
16|17

Auch die Anlagenausrüster erkennen in der Digitalisie-              erzielen, für diese Gruppe im Fokus. Neue Services,
rung mittlerweile deutlich größere Chancen als noch                 vor allem zur Analyse großer Datenmengen („Big
2015. Dabei stehen die Möglichkeiten, Umsatzsteige-                 Data“) spielen hierbei eine besondere Rolle (vgl.
rungen durch neue Produkte und Dienstleistungen zu                  Abbildung 9).

                   Welche Chancen bietet Industrie 4.0 dem Anlagenausrüster?

                                                          2017                                                      2015

              Umsatzsteigerung durch           53 %                     42 %       5%              41 %                    51 %             8%
                      neue Produkte

                  Umsatzsteigerung in
                                          37 %                   53 %             11 %      13 %                 64 %                    23 %
         bestehendem Geschäftsmodell

           Verkürzung Time-to-Market    25 %           40 %                35 %             15 %             51 %                 23 %     10 %

                  Kostenreduzierung     25 %          30 %              40 %       5%       8%            46 %               36 %          10 %

                                          Sehr relevant             Relevant             Weniger relevant               Nicht relevant

Abbildung 9
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

                                                               „Digital Readiness“
                                                               Der Anlagenbau sieht sich heute deutlich besser auf
                                                               die Herausforderungen der Digitalisierung vorbereitet
                                                               als noch vor zwei Jahren. Das gilt sowohl für das eigene
                                                               Unternehmen als auch für die Branche insgesamt (vgl.
                                                               Abbildung 10).

                                                               Die Bündelung verschiedener Aktivitäten (z.B. Auto-
                                                               matisierung, Service) und das zunehmende Verständnis
                                                               des Themas Industrie 4.0 können möglicherweise zu
                                                               dieser neuen Wahrnehmung beigetragen haben.

                                                               Offensichtlich haben aber auch die konkreten Aktivi-
                                                               täten der Unternehmen zugenommen, etwa bei der
                                                               Schaffung adäquater Strukturen (Etablierung von Chief
                                                               Digital Officers und ganzer Abteilungen für Industrie
                                                               4.0) oder bei der Verbandsarbeit. Dies deckt sich
                                                               auch mit den Erkenntnissen aus Abbildung 7, wonach
                                                               Umsatzsteigerungen auf Basis von digitalen Produkten
                                                               heute eher für möglich gehalten werden als in der
                                                               Vergangenheit.

                                                               Einen Wermutstropfen gibt es bei der Einschätzung
                                                               der „Digital Readiness“ auf Seiten der Anlagenausrüster.
                                                               Diese sehen sich heute weniger gut vorbereitet als
                                                               noch 2015. Ein Grund hierfür könnte in der zuneh-
                                                               menden technologischen Komplexität liegen, die
                                                               es insbesondere den Zulieferern schwer macht, alle
                                                               im Kontext von Industrie 4.0 relevanten Aspekte zu
                                                               bedienen.
18|19

             Wie gut ist die Anlagenbranche derzeit auf Industrie 4.0 vorbereitet?

                                                                2017                                                   2015

                       Ihr Unternehmen    8%             62 %                    31 %                    39 %                 44 %    17 %

                                                                                                  10%
                  Anlagenbau allgemein         32 %                    64 %              4%                            83 %             7%

               Anlagenbetrieb allgemein        28 %                61 %                 11 %        23 %                       78 %

            Anlagenausrüster allgemein     18 %                   76 %                   6%             28 %                   67 %      5%

                                                  Sehr gut             Gut          Weniger gut            Gar nicht

Abbildung 10

Welche Risiken sehen die Unternehmen im Zusam-                               Mitarbeiter gesehen. Der Kampf um hochqualifiziertes
menhang mit Industrie 4.0? Grundsätzlich lässt sich                          Personal wird nicht zuletzt dadurch verstärkt, dass
sagen, dass das Risikobewusstsein im Anlagenbau                              neben dem Anlagenbau viele andere Branchen um
generell gestiegen ist, die möglichen Risiken der Digi-                      digitale Talente konkurrieren. Die Attraktivität des
talisierung werden im Vergleich zu 2015 mittlerweile                         Großanlagenbaus im Allgemeinen und der einzel-
deutlich stärker wahrgenommen. Dies gilt für alle                            nen Unternehmen im Speziellen ist daher weiterhin
abgefragten Themenfelder, wobei den Sicherheitsrisiken                       sicherzustellen (vgl. Abbildung 11).
nach wie vor die höchste Relevanz beigemessen wird.
Die Erkenntnis, dass neue Geschäftsmodelle durchaus                          Das alles deutet darauf hin, dass die Branche sich in
scheitern können, ist klarer als bisher ins Bewusstsein                      den letzten 18 Monaten intensiver als zuvor mit dem
der Unternehmen getreten. Eine große Herausforde-                            Thema Digitalisierung und auch mit den damit ver-
rung wird ferner in der Verfügbarkeit qualifizierter                         bundenen Risiken auseinandergesetzt hat.
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

                                   Wo ergeben sich Risiken durch Industrie 4.0?

                                                                   2017                                                           2015

    Sicherheitsrisiken (z.B. IT-Sicherheit)                 64 %                 28 %          8%                   51 %                    41 %        7%

                      Fehlende Standards                56 %                  24 %      16% 4 %                37 %                  41 %           22 %

                                                                                                                                                      17 %
   Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter             52 %                    28 %            4%           31 %                    52 %

        Rechtliche Rahmenbedingungen /
                                                     40 %              36 %             24 %              25 %                43 %             28 %        5%
                          Datenschutz

   Ablauf und Aufbauorganisation passen          32 %                44 %               24 %            16 %               45 %             29 %       11 %
                   nicht zu Industrie 4.0

     Misserfolg neuer Geschäftsmodelle           32 %              36 %                32 %            10%            45 %                   40 %          5%

              Investitionsbedarf ist unklar   16 %                   72 %                     12 %     10%                   71 %                   20 %

                                                     Sehr relevant             Relevant              Weniger relevant                 Nicht relevant

Abbildung 11
20|21

Generell werden in allen Wertschöpfungsstufen des                        2015 (vgl. Abbildung 12). Aktuelle Beispiele aus der
Anlagenbaus die Möglichkeiten von Wettbewerb durch                       Logistik- und Mobilitätsbranche verdeutlichen, wie
Branchenfremde stärker wahrgenommen als in der Ver-                      schnell aus einer potenziellen eine tatsächliche Be-
gangenheit. Besonders wird dies im Bereich der Dienst-                   drohung werden kann. Ob solche Entwicklungen den
leistungen (z.B. Datenanalyse und Wartung) deutlich.                     Anlagenbau mittelfristig in ähnlicher Weise bedrohen,
                                                                         bleibt abzuwarten. Einen Einblick über die aus Sicht
Aber auch im klassischen Anlagenbau wird das                             des Anlagenbaus wichtigsten Digitalisierungstrends in
Auftreten branchenfremder Wettbewerber im Markt                          relevanten Branchen liefert das Kapitel 7: Was kann
mittlerweile für wahrscheinlicher gehalten als noch                      der Anlagenbau von anderen Branchen lernen?

          Wie schätzen Sie die Chancen ein, dass branchenfremde Unternehmen
                              den Markt verändern werden?

                                                                2017                                                   2015

                                                                                                                                         13 %
               Als weiterer Dienstleister          45 %                 41 %           14%           28 %                 56 %
                                                                                                                                             3%

                     Im Anlagenbetrieb        33 %             29 %             38 %                 26 %          33 %           28 %    13 %

                   Als Anlagenausrüster     21 %             42 %              26 %    11 %     13 %            41 %              36 %     10 %

                         Im Anlagenbau      21 %      21 %               54 %           4%      7%       32 %              41 %          20 %

                                               Sehr gut                Gut             Gering          Sehr gering

Abbildung 12
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Schaffung                         Mobilfunkverbindungen ist dabei eine notwendige
technischer, rechtlicher und organisatorischer Voraus-                      Voraussetzung, wenn sich Unternehmen entlang der
setzungen für Industrie 4.0 hat im Anlagenbau deutlich                      Wertschöpfungskette vernetzen wollen. Gerade die
zugenommen (vgl. Abbildung 13). Diese Aussage gilt                          Maschinen- und Anlagenbauer benötigen eine moderne
für nahezu alle abgefragten Bereiche – mit Ausnahme                         digitale Infrastruktur, um sich weiterhin erfolgreich
der Aus- und Weiterbildung, die aber von allen Be-                          am Weltmarkt behaupten zu können. Der Bedarf an
fragten als zumindest relevant bewertet wird.                               hohen Übertragungsgeschwindigkeiten wird weiterhin
                                                                            stark zunehmen – gerade auch im ländlichen Raum.
Als wichtigste Voraussetzung für die Umsetzung von                          Deswegen führt auf mittlere Sicht kein Weg an flächen-
Industrie 4.0 im Maschinen- und Anlagenbau wird                             deckenden Glasfaseranschlüssen vorbei.
von den Unternehmen nach wie vor die Einrichtung
einer funktionierenden digitalen Infrastruktur gesehen                      Vor diesem Hintergrund gewinnt die aktuelle VDMA-
und somit staatliches Handeln angemahnt. Die flächen-                       Forderung, den Breitbandausbau in Deutschland
deckende Versorgung mit schnellen Breitband- und                            umfassend voranzutreiben, besonderes Gewicht.

             Welche Voraussetzungen müssen für die Umsetzung von Industrie 4.0
                                   geschaffen werden?

                                                                  2017                                                  2015

                                                                                           15%
     Infrastruktur (z. B. Breitbandausbau)             67 %                      19 %                        44%               34%         22%

                                                                                           15%
             Sicherheitsaspekte (z.B. SIL)           56 %                   30 %                              Nicht Teil der Studie 2015

        Rechtliche Rahmenbedingungen                 54 %                       42 %         4%             37%          29%            34%

                                                                                        19 %                                               15%
                 Industrieweite Standards           52 %                  30 %                         27 %               56 %
                                                                                                                                                 2%

                                                                                                                                              10 %
                 Aus- und Weiterbildung             48 %                        52 %                          51%                 39%

           Arbeitsorganisation, Prozesse                                                     4%                                            15%
                                             26 %                        70 %                        17 %               66 %
                         und Strukturen                                                                                                          2%

                                                  Sehr relevant                 Relevant          Weniger relevant             Nicht relevant

Abbildung 13
22|23

Maßnahmen zur Nutzung des Potenzials
von Industrie 4.0
Stärker als um mögliche Kostenreduzierungen haben                   Zudem können die eigenen Produkte mit Industrie 4.0-­­
sich die Unternehmen des Anlagenbaus bislang um                     ­Technologien ausgestattet werden, um beispielsweise
die Potenziale, die Umsätze zu steigern, gekümmert.                  neue Dienstleistungen anzubieten. Schließlich besteht
Das heißt, dass kostenwirksame Maßnahmen nur von                     die Möglichkeit, die weltweit verteilten Produktions-
13 Prozent der Befragten mit hoher Priorität imple-                  stätten nach dem Motto „Plug and Produce“ einfacher
mentiert worden sind, während Umsatzsteigerungen                     einzurichten und bei Bedarf anzupassen.
durch neue Produkte und Services von 42 Prozent der
Studienteilnehmer als prioritäre Maßnahme verfolgt                  Beispiele für neue Produkte und Dienstleistungen
werden (vgl. Abbildung 14).                                         können sein:
                                                                    • Digitalisierung der Anlagen
Industrie 4.0 kann somit zu einem entscheidenden                    •S chaffung eines digitalen Abbilds („Digital Twin“),
Hebel für Umsatzsteigerungen werden. Im Anlagenbau                    sowohl von neuen als auch von bereits existierenden
können die Unternehmen auf große Datenmengen                          Anlagen
zugreifen, was sowohl für die Betreiber als auch für                • Augmented-Reality-Lösungen
die Ausrüster und Anlagenbauer selber gilt. Somit                   •B uilding Information Modeling (4D- und 5D-An-
kann auf Basis der Analyse von Betriebs-, Zustands-                   wendungen)
und Umfelddaten effizienter produziert werden.                      • GPS-Anwendungen

                   Für welche Chancen, die Industrie 4.0 dem Anlagenbau bietet,
                       wurden Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergriffen?

                Umsatzsteigerung durch
                                                         42 %                             21 %               33 %               4%
     neue Produkte und Dienstleistungen

         Verkürzung der Time-to-Market              36 %                        18 %                 23 %             23 %

                  Umsatzsteigerung im
                                                  32 %                             32 %                     27 %             9%
          bestehenden Geschäftsmodell

                     Kostenreduzierung    13 %               22 %                          39 %                     26 %

                                           Maßnahme mit             Maßnahme mit                 Maßnahme   Keine Maßnahme
                                           hoher Priorität          niedriger Priorität          geplant    geplant/ Nicht relevant

Abbildung 14
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

Um das Potenzial von Industrie 4.0 zu nutzen, haben               auf die Möglichkeit der Nachrüstbarkeit von Anlagen
Anlagenbetreiber – im Gegensatz zum Anlagenbau –                  mit intelligenter Sensorik zurückzuführen. Dadurch
bislang vor allem Maßnahmen zur Umsatzsteigerung                  erschließen sich Potenziale im Bereich der Datenana-
im bestehenden Geschäftsmodell sowie zur Kosten-                  lyse, wodurch Instandhaltung und Wartung zustands­
reduzierung ergriffen (vgl. Abbildung 15). Dass im                orientiert durchgeführt werden können (Predictive
Anlagenbetrieb eine leicht höhere Chance besteht, im              Maintenance).
existierenden Geschäftsmodell erfolgreich zu sein, ist

                 Für welche Chancen, die Industrie 4.0 dem Anlagenbetrieb bietet,
                      wurden in Ihrem Unternehmen Maßnahmen ergriffen?

                   Umsatzsteigerung im
                                                          42 %                         17 %                42 %
           bestehenden Geschäftsmodell

                     Kostenreduzierung                    42 %                  8%               25 %               25 %

                Umsatzsteigerung durch
                                                      33 %                      25 %              8%           33 %
     neue Produkte und Dienstleistungen

          Verkürzung der Time-to-Market            27 %                18 %               18 %               36 %

                                              Maßnahme mit       Maßnahme mit                 Maßnahme   Keine Maßnahme geplant/
                                              hoher Priorität    niedriger Priorität          geplant    Nicht relevant

Abbildung 15
24|25

Die Anlagenausrüster haben vor allem Maßnahmen
ergriffen, um Umsatzsteigerungen durch neue Pro-
dukte und Dienstleistungen zu erreichen und zwar in
einem stärkeren Maße, als das im Anlagenbau und im
Anlagenbetrieb der Fall ist (vgl. Abbildung 16).

Beispiele für diese neuen Produkte und Dienstleis-
tungen sind:
• Neue Produkte mit Zusatznutzen (z.B. Pumpe mit
  intelligenter Sensorik)
• Nachrüstungen im Bestand (z.B. Ersatz konventio-
  neller Armaturen durch intelligente Armaturen)
• Predictive Maintenance auf Grundlage von Big
   Data-Analysen

               Für welche Chancen, die Industrie 4.0 den Anlagenausrüstern bietet,
                     wurden Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergriffen?

                Umsatzsteigerung durch
                                                         45 %                         9%          18 %             27 %
     neue Produkte und Dienstleistungen

                  Umsatzsteigerung im
                                                     36 %                      18 %               18 %             27 %
          bestehenden Geschäftsmodell

                     Kostenreduzierung    10 %         20 %                   30 %                          40 %

         Verkürzung der Time-to-Market    9%                    45 %                         9%              36 %

                                            Maßnahme mit        Maßnahme mit               Maßnahme      Keine Maßnahme geplant/
                                            hoher Priorität     niedriger Priorität        geplant       Nicht relevant

Abbildung 16
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Vergleich der Studienergebnisse 2015 und 2017

Von herausragender Bedeutung bei der Risikoprävention                       Anlagenbau, im Betrieb als auch von Seiten der
sind Maßnahmen zur Abwehr von Sicherheitsrisiken,                           Ausrüster bereits ergriffen. Bei den übrigen abgefragten
vor allem bei der IT-Sicherheit (vgl. Abbildung 17).                        Maßnahmen ist keine klare Prioritätensetzung zu
Entsprechende Maßnahmen wurden sowohl im                                    erkennen.

                        Gegen welche Risiken, die sich durch Industrie 4.0 ergeben,
                          wurden Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergriffen?

     Sicherheitsrisiken (z. B. IT-Sicherheit)                       50 %                         10 %                 25 %              15 %

                       Fehlende Standards               25 %                       25 %                 20 %                    30 %

       Misserfolg neuer Geschäftsmodelle               22 %                17 %                         44 %                           17 %

         Rechtliche Rahmenbedingungen /                21 %            17 %                             44 %                           21 %
                           Datenschutz

    Verfügbarkeit qualifizierter Mitarbeiter       19 %                           33 %                         29 %                    19 %

           Ablauf- und Aufbauorganisation          19 %                      29 %                          33 %                        19 %
              passen nicht zu Industrie 4.0

               Investitionsbedarf ist unklar    11 %                 32 %                               37 %                        21 %

                                                  Maßnahme mit             Maßnahme mit           Maßnahme               Keine Maßnahme geplant/
                                                  hoher Priorität          niedriger Priorität    geplant                Nicht relevant

Abbildung 17
26|27

Eine zentrale Voraussetzung für die Digitalisierung ist
die Schaffung einer digitalen Infrastruktur (vgl. Abb. 13).
Dies ist zum einen eine Aufgabe des Staates (Breit-
bandausbau). Doch auch die befragten Unternehmen
gehen diesen Punkt – im Rahmen der betrieblichen
Möglichkeiten – mit hoher Priorität an. Beispiele sind
die Einrichtung sogenannter Cloud Offerings (z.B.
die Schaffung einer Netzwerkinfrastruktur), von Data
Center Services (alle Unterstützungsfunktionen eines
Rechenzentrums, speziell das Management der Cloud-
Lösungen) oder die Erledigung klassischen IT-Sicher-
heitsaufgaben.

Überraschend ist, dass nur 18 Prozent der Befragten
die Aus- und Weiterbildung als Maßnahme mit hoher
Priorität bewerten (vgl. Abbildung 18). Dieser Punkt ist
auch deswegen bemerkenswert, weil die Verfügbarkeit
qualifizierter Mitarbeiter als kritischer Erfolgsfaktor
im R­ ahmen der Digitalisierung angesehen wird. Eine
nachhaltige Bewertung und Einschätzung kommt für
den Anlagenbau aber möglicherweise noch zu früh.
Die Anforderungen an die Qualifikation und Kompe-
tenz der Mitarbeiter im Rahmen der Digitalisierung
unterliegen aktuell und sicherlich auch zukünftig noch
starken Veränderungen.

       Für welche für die Umsetzung von Industrie 4.0 notwendigen Voraussetzungen
                   wurden Maßnahmen in Ihrem Unternehmen ergriffen?

       Infrastruktur (z. B. Cloud Offerings)                     48 %                           22 %           17 %          13 %

             Arbeitsorganisation, Prozesse
                                                       30 %                             35 %                   26 %            9%
                           und Strukturen

                   Aus- und Weiterbildung       18 %                       32 %                        36 %                  14 %

                  Industrieweite Standards     15 %                     30 %                   25 %                   30 %

                                               Maßnahme mit             Maßnahme mit           Maßnahme       Keine Maßnahme geplant/
                                               hoher Priorität          niedriger Priorität    geplant        Nicht relevant

Abbildung 18
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Potenziale und Trends

6 Industrie 4.0: Potenziale und Trends

Die Digitalisierung als einer der Mega-Trends der                             Digitalisierungsstrategien: Vor dem Einsatz liegt
vergangenen Jahre rückt immer stärker in den Fokus                            die Vorbereitung
des Anlagenbaus. Allerdings besteht in der Industrie                          Die Mehrheit der an der Studie teilnehmenden Firmen
weiterhin Bedarf, sich mit dem Thema zielgerichtet ­                          sieht sich noch nicht gut auf die Digitalisierung vorbe-
auseinander zu setzen und die vorhandenen Poten­                              reitet – nur bei einem Aspekt („Existieren Werkzeuge
ziale stärker als bisher zu nutzen. Von einer durch­                          oder Prozesse, mit deren Hilfe die Wirkungszusammen-
gehenden digitalen Reife kann daher im Anlagenbau                             hänge im Unternehmen dargestellt werden?“) sind 10
(noch) nicht gesprochen werden.                                               Prozent der Befragten der Ansicht, bereits sehr gut da zu
                                                                              stehen. Es sind also aus Sicht fast aller Teilnehmer noch
Servicestrategien stehen in einem engen Zusammen-                             erhebliche Anstrengungen notwendig, bis das Poten-
hang mit der Digitalisierung und erste Erfolge mit                            zial der Digitalisierung im Anlagenbau zur Entfaltung
digi­­talen Services konnten im Anlagenbau bereits                            kommt. Mit Blick auf diese Details erweist sich die Ab-
erzielt werden. Allerdings stehen viele neue Geschäfts­                       bildung 10 zu entnehmende allgemeine Einschätzung,
modelle, die das Thema Service stärker in den Fokus                           dass der Anlagenbau relativ gut und vor allem deutlich
nehmen, kurzfristig noch nicht zur Implementierung an.                        besser als 2015 auf die Digitalisierung vorbereitet ist,
                                                                              wohl als etwas zu optimistisch. Diese generelle Be-
                                                                              wertung sollte zumindest hinterfragt werden.

       Wo steht der Anlagenbau beim Thema Digitalisierung (Digital Readiness) heute?

  Existieren Werkzeuge oder Prozesse, mit
 deren Hilfe die Wirkungszusammenhänge          10 %                  29 %                                   52 %            10 %
      im Unternehmen dargestellt werden?

  Existieren Werkzeuge oder Prozesse, mit
    deren Hilfe umfassend und zuverlässig
  Auskunft über den aktuellen Zustand der      5%                     38 %                                      52 %              5%
 wertschöpfenden Prozesse des Unterneh-
   mens in Echtzeit geliefert werden kann?

       Existieren Werkzeuge oder Prozesse,
   die die wirtschaftliche Bedeutung dieser    5%      15 %                                    65 %                        15 %
                    Änderungen aufzeigen?

 Existieren IT-Systeme, die diese Wirkungs ­
       zusammenhänge im Sinne der Single                       37 %                                     47 %              16 %
       Source of Truth eindeutig darstellen?

 Wurde eine sinnvolle Mischung aus zentral
  und dezentral gesteuerter Aktivitäten im               28 %                                         61 %                  11 %
            Engineeringumfeld gefunden?

   Existieren Werkzeuge oder Prozesse, die
die Auswirkungen von Änderungen entlang              19 %                                    62 %                        19 %
       der Wertschöpfungskette aufzeigen?

                                                    Sehr gut            Gut         Gering            Sehr gering

Abbildung 19
28|29

Alle genannten organisatorischen Handlungsfelder
werden als überwiegend sehr relevant oder relevant
bewertet, wobei die Bereiche „Customer Experience“
sowie „Produkt- und Serviceinnovationen“ als wich-
tigste Felder identifiziert werden (siehe Abbildung 20).
Unter Customer Experience wird die Schaffung einer
positiven Kundenerfahrung zwischen Anwender und
Produkt oder Anbieter verstanden. Erste Erfolge bei
der Umsetzung der Digitalisierung im Unternehmen
und die damit verbundene Steigerung der Akzeptanz
hat bereits zu weiteren Aktivitäten geführt. So haben
manche Unternehmen Digitalisierungsprojekte in
Kooperationen mit externen Partnern, z.B. Start-ups,
durchgeführt, auch um von deren technologischem
Wissen und innovativen Arbeitsweisen zu profitieren.

       Was sind die größten organisatorischen Handlungsfelder für Ihr Unternehmen?

                     Customer Experience                           56 %                                      39 %                        6%

          Produkt- und Serviceinnovation                          52 %                                       48 %

                    Know-how und Kultur                    43 %                                       52 %                               5%

                          Datensicherheit                  42 %                                    47 %                            11 %

                         Zusammenarbeit               35 %                                         60 %                                  5%

                     Digitale Infrastruktur           35 %                                    55 %                                   10 %

      Rechtliche Risiken (z.B. Datenbesitz)         30 %                             45 %                                  25 %

                 Aufbau der Organisation           29 %                                     62 %                                     10 %

                       Geschäftsprozesse         25 %                                  60 %                                       15 %

                                              Sehr relevant              Relevant   Weniger relevant                Nicht relevant

Abbildung 20
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Potenziale und Trends

Auch bei den technologischen Handlungsfeldern                                Themen sind im Kontext von Big Data-Analysen und
werden alle Parameter überwiegend als sehr relevant                          Predictive Maintenance als zwingende Voraussetzung
oder relevant bewertet. Allerdings liegt eine deutlich                       der Digitalisierung zu sehen. Daten müssen kontinu-
stärkere Staffelung als bei den organisatorischen                            ierlich erfasst und online ausgewertet werden, um
Handlungsfeldern vor (vgl. Abbildung 21).                                    eine zustandsbasierte Instandhaltung zu ermöglichen.

Echtzeitsimulationen und Sensorik scheinen die
derzeit wichtigsten Handlungsfelder zu sein. Diese

                           Was sind die größten technologischen Handlungsfelder
                                 für die Weiterentwicklung Ihrer Produkte?

                     Echtzeit-Simulation /
                                                                            60 %                                       25 %                   15 %
                Decision Support Systeme

                                  Sensorik                           50 %                                     27 %                     18 %          5%

              Sicherheitsaspekte (z.B. SIL )                    43 %                                            48 %                            10 %

  Tools zur Datenverarbeitung und -analyse                      43 %                                            48 %                            10 %

               Übertragungstechnologien                       38 %                                     43 %                            10 %     10 %

                        Softwarelösungen                      36 %                                            55 %                              9%

                                    Aktorik                   35 %                        15 %                         45 %                          5%

       Cloud-Plattformen / Industrial Apps             23 %                                        64 %                                       14 %

                           Mobile Devices           18 %                             41 %                                32 %                   9%

                 Cyber-physische Systeme
                                                10 %                               52 %                                   29 %                  10 %
                   und Internet of Things

                        Augmented Reality      5%                             55 %                                              40 %

                                                    Sehr relevant            Relevant            Weniger relevant             Nicht relevant

Abbildung 21
30|31

Für die erfolgreiche Umsetzung einer Digitalisierungs-
strategie müssen alle Aspekte der Wertschöpfungskette
im Anlagenbau betrachtet werden. Das Zusammenspiel
zwischen Anlagenbauer, Ausrüster und dem späteren
Betreiber ist somit ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Wie
steht es um diese Zusammenarbeit?

Die Antworten in Abbildung 22 zeigen, dass es
insbesondere dann zu Problemen in der Zusammen-
arbeit kommen kann, wenn der Kunde digital reifer
ist als der Lieferant.

Die Antworten legen somit nahe, dass der Lieferant
grundsätzlich digital fortgeschrittener sein sollte als
der Kunde, damit die Zusammenarbeit zwischen den
Partnern gut funktioniert. Der Komponentenlieferant
sollte also an der Spitze der Entwicklung stehen.
Vergleicht man diese Aussagen zu der vorab unter-
suchten „Digital Readiness“ (siehe Abbildung 10),
haben vor allem die Anlagenausrüster digitalen Nach-
holbedarf, da diese offenbar am wenigsten gut auf die
Digitalisierung vorbereitet sind.

              Was bedeuten unterschiedliche Reifegrade in der Digitalisierung für die
                         Zusammenarbeit mit Kunden und Lieferanten?

  Kunde digital reifer als der Anlagenbauer                30 %                                      60 %                            10 %

                 Anlagenbauer digital reifer
                                                       24 %                            38 %                             33 %            5%
             als der Komponentenlieferant

  Anlagenbauer digital reifer als der Kunde    5%                   38 %                                      52 %                      5%

       Komponentenlieferant digital reifer
                                               5%             33 %                                    52 %                           10 %
                  als der Anlagenbauer

                                                    Sehr                                      Weniger                Nicht
                                                                           Problematisch
                                                    problematisch                             problematisch          problematisch

Abbildung 22
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Potenziale und Trends

Aktuell werden vielfältige Themen im Umfeld der                               und Anlagenbetreibern müssen komplexe Schnitt-
Digitalisierung bei den Unternehmen bearbeitet.                               stellen gemanagt und auch datentechnisch abgesichert
Nach den grundlegenden Digitalisierungsstrategien im                          werden. Einer neuen Gestaltung der Arbeitsorgani-
Einzelnen befragt, stellt sich heraus, dass die teilneh-                      sation und der Prozesse wird ebenso wenig sehr hohe
menden Unternehmen sich mit einigen Aspekten der                              Relevanz eingeräumt wie der dringend erforderlichen
Digitalisierung noch wenig beschäftigt haben und bis-                         Aus- und Weiterbildung des Personals.
lang vor allem auf die Optimierung der klassischen
IT-Bereiche setzen.                                                           Im Rahmen des diesjährigen Engineering Summits
                                                                              berichteten viele Unternehmen von der Notwendig-
Deshalb haben die Beherrschung komplexer Systeme                              keit, eine umfassende Digitalisierungsstrategie zu
und die (Daten-)Sicherheit derzeit auch die höchste                           ent­wickeln. Unternehmen, die dieses Ziel bereits
Relevanz für die Studienteilnehmer (vgl. Abbildung 23).                       verfolgen, sind in der Erstellung und Umsetzung einer
Die Fokussierung auf diese Themenfelder ist sicher-                           entsprechenden Strategie überwiegend sehr pragma-
lich auch der Wertschöpfungskette im Anlagenbau                               tisch vorgegangen, haben Leuchtturmprojekte definiert
geschuldet. Zwischen den Anlagenbauern, Ausrüstern                            und in kleinen, agilen Teams schrittweise umgesetzt.

      Welche grundsätzlichen Strategien zur Digitalisierung verfolgt Ihr Unternehmen?

         Beherrschung komplexer Systeme                                50 %                                        36 %                    9%   5%

   Sicherheit als erfolgskritischer Faktor für
                                                                    41 %                               27 %                      27 %           5%
                                 Industrie 4.0

                  Datenkonsolidierung und
                                                             27 %                                     55 %                               14 %   5%
                     Datendurchgängigkeit

             Standardisierung und offene
                                                        19 %                                 52 %                                 24 %          5%
    Standards für eine Referenzarchitektur

                        Ressourceneffizienz           14 %                            52 %                                   29 %               5%

   Aus- und Weiterbildung für Industrie 4.0       10 %                         48 %                                       38 %                  5%

 Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung
                                                 5%                            57 %                                        33 %                 5%
             im digitalen Industriezeitalter

                                                      Sehr relevant           Relevant              Weniger relevant        Nicht relevant

Abbildung 23
32|33

Im Zuge der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie                 Der 3D-Druck wird von den Befragten als Service-
werden generell Veränderungen in zahlreichen be­­­                    angebot überwiegend als weniger relevant bewertet.
stehenden Serviceangeboten erwartet. Das Haupt­                       Das vorrangige Geschäftsmodell der meisten Anlagen-
augenmerk liegt dabei auf Maintenance Offerings und                   bauer liegt nicht in der Maschinen- bzw. Komponen-
Big Data-Analysen (vgl. Abbildung 24).                                tenfertigung und deshalb ist die Produktion von Ersatz-
                                                                      teilen mit einem 3D-Drucker zumeist nicht lohnend.
Die erfassten und ausgewerteten Daten können zum                      Die hohen Investitionen und die globalen Standorte der
Beispiel bei der Bewertung des Anlagenzustands genutzt                Anlagen sprechen ebenfalls gegen eine entsprechende
werden. Die Wahrscheinlichkeit und die Konsequenzen                   Investition. Die Einschätzung einiger Anlagenausrüster
des Ausfalls einzelner Anlagenkomponenten können somit                fällt allerdings anders aus. Für sie stellen 3D-Drucker in
relativ leicht und vor allem frühzeitig ermittelt werden.             einem globalen Netzwerk eine gute Möglichkeit dar, um
Mit Hilfe dieser Risikobewertung kann die entsprechende               Ersatzteilbedarfe kurzfristig bedienen zu können.
Instandhaltungsstrategie (z.B. Run to failure, Optimierung,
Ersatz u.a.) abgeleitet werden. Eine Optimierung der lang-
fristigen Instandhaltungsbudgets ist somit zu erwarten.

        Welche Veränderungen wird es in den bestehenden Serviceangeboten geben?

                 Maintenance Offerings                              59 %                                27 %           5%         9%

                      Big Data Analysis                            55 %                            27 %                    18 %

                     Customer Service                       45 %                                    50 %                           5%

                   White Collar Service               38 %                             33 %                         29 %

                             3D-Druck      14 %                    29 %                          48 %                         10 %

                                            Sehr relevant             Relevant       Weniger relevant          Nicht relevant

Abbildung 24
Potenziale von Industrie 4.0 im Großanlagenbau
 Industrie 4.0: Potenziale und Trends

                                                                       Die Analyse großer Datenmengen ist eine wesentliche
                                                                       Methode, um die Digitalisierung im Anlagenbau
                                                                       voranzutreiben (vgl. Abbildung 25). Big Data ist somit
                                                                       vielleicht als die wichtigste Kompetenz und das ent-
                                                                       scheidende Handlungsfeld im Rahmen von Industrie
                                                                       4.0 anzusehen. Da die dafür notwendigen Kompetenzen
                                                                       bei den Unternehmen noch nicht überall in ausreichen-
                                                                       dem Maß vorhanden sind, erscheinen Kooperationen
                                                                       mit spezialisierten Dienstleistern sinnvoll zu sein. Der
                                                                       Anlagenbau erhält dadurch dringend benötigtes,
                                                                       externes Know-how.

                                                                       Daher spielen auch Kooperationen zwischen eta­
                                                                       blierten Großanlagenbauern und aufstrebenden Start-
                                                                       ups eine zunehmend wichtige Rolle. Die Gleichung
                                                                       ist hierbei denkbar einfach: Aus Alt und Neu wird
                                                                       Modern. Der Anlagenbau konzentriert sich auf sein
                                                                       Kerngeschäft, während die junge Firma die digitale
                                                                       Zukunft mitgestaltet und kreative Ideen einbringt.

          Welche Methoden und Vorgehensweisen gibt es, um die Digitalisierung im
                        Anlagenbau erfolgreich voranzutreiben?

                                Big Data                        50 %                                   32 %               18 %

                         Kooperationen                      41 %                                  41 %                    18 %

              Agiles Projektmanagement                   38 %                                       52 %                         10 %

              Offene Datenarchitekturen                  38 %                                   43 %                      19 %

                        Design Thinking              29 %                                  52 %                           19 %

    Schlüsselfertige End-to-End Lösungen          20 %                                   65 %                                 15 %

                         Track and Trace          20 %                            55 %                                 25 %

                     Augmented Reality       14 %                      38 %                                   48 %

                                              Sehr relevant            Relevant      Weniger relevant           Nicht relevant

Abbildung 25
34|35

Servicestrategien: Neue Kompetenzen im Einsatz für den
Kunden sind gefragt und erfordern Zusammenarbeit
Die Erwartungen, mit Industrie 4.0 das Servicean-                       Im Investitionsgütergeschäft gibt es bereits Beispiele,
gebot zu vergrößern und die Durchführung von                            die die erfolgreiche Nutzung einer durchgängig
Services im Anlagenbau zu verbessern, sind umfas-                       digitalen Servicestrategie zeigen. So statten immer
send. Die höchste Relevanz (47 Prozent) wird dabei                      mehr Investitionsgüterhersteller Teile ihres Service-
der Verringerung der Vorlaufzeiten, die z. B. durch                     personals mit Augmented Reality-Brillen aus. Damit
medienbruchfreie Datenerhebung und -verarbeitung                        verfügen die Mitarbeiter bei Kundeneinsätzen über
möglich wird, zugesprochen (vgl. Abbildung 26).                         eine Vielzahl technischer Optionen. Sie können
Aber auch von der generellen Verbesserung der                           mit der Servicezentrale Kontakt aufnehmen und alle
Kundenzufriedenheit (45 Prozent) und der Flexi-                         erforderlichen Information durch eine Kamera bereit-
bilisierung der Geschäfts- und Fertigungsprozesse                       stellen. Parallel dazu kann die Servicezentrale dem
(37 Prozent) wird sehr hohes Potenzial erwartet. Eine                   Mitarbeiter alle notwendigen Informationen über die
direkte Verbesserung der Kostenposition wird von                        Brille liefern. Durch solch eine schnelle und effiziente
der Mehrheit der Studienteilnehmer zwar nicht als                       Abwicklung sollte sich die Kundenzufriedenheit
sehr relevant, immerhin aber als relevant eingestuft.                   nach Einschätzung der Studienteilnehmer langfristig
Da durch Industrie 4.0-Aktivitäten im Service nicht                     deutlich erhöhen lassen.
alle Kosten eines Unternehmens optimiert werden
können, verwundert diese Einschätzung nicht.

                     Welche direkten Verbesserungen können durch I4.0 im Bereich
                                     der Services erzielt werden?

      Verringerte Vorlaufzeiten (z. B. durch
                                                                 47 %                                    37 %               16 %
        medienbruchfreie Datenerhebung)

    Verbesserung der Kundenzufriedenheit                       38 %                                       57 %                    10%

   Flexibilisierung von Geschäftsprozessen
                                                          37 %                                    47 %                      16 %
                     und Fertigung/Montage

    Kostensenkung (z. B. Kapital-, Energie-,           29 %                                      62 %                           5% 5%
                          Personalkosten)

                 Verbesserung der Qualität        24 %                             43 %                             33 %

 Leichtere Anpassung an den Kundenbedarf        19 %                                57 %                                 24 %

                                               Sehr relevant            Relevant          Weniger relevant       Nicht relevant

Abbildung 26
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