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DAAD Studien Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland ergebnisse einer qualitativen vorstudie im rahmen des sesaba-projekts
Dieses Material steht unter der Creative-Commons-Lizenz Na- mensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Herausgeber DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst Referat S 15 – Forschung und Studien Kennedyallee 50, 53175 Bonn www.daad.de Autor Dr. Jesús Pineda Gestaltung und Satz DITHO Design GmbH, Köln Auflage Dezember 2018 Ein herzliches Dankeschön an Jella Niemann, Thorben Rohwer-Kahlmann und Philipp Bläser für das hochwertige Lektorat des Textes. Simone Burk- hart, Jan Kercher, Christian Schäfer, Susanne Falk und Julia Zimmermann danke ich für ihre wertvollen Anmerkungen und inhaltliche Anregungen. © DAAD Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkenn- zeichen 01PX16016A gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.
Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland ergebnisse einer qualitativen vorstudie im rahmen des sesaba-projekts Jesús Pineda
Executive Summary
Im Jahr 2017 studierten mehr als 350.000 ausländische iskrepanz zwischen Erwartungen und D Studierende in Deutschland – ein hochschulpolitisches Lebensrealität Ziel, dessen Erreichung erst für 2020 erwartet worden Internationale Studierende werden mit Herausforde- war. Allerdings zeigen die aktuellen Zahlen des Deut- rungen konfrontiert, wenn es um die Verfügbarkeit schen Zentrums für Hochschul- und Wissenschafts- von einheitlichen und aufschlussreichen Informatio- forschung, dass bei internationalen Studierenden1 die nen zum Studium in Deutschland geht, da diese Infor- Studienabbruchraten mit 45 Prozent im Bachelorstudi- mationen im Ausland sehr unterschiedlich präsentiert um und 29 Prozent im Masterstudium besonders hoch und wahrgenommen werden. Erschwerend kommt sind (Heublein und Schmelzer, 2018). Vor diesem Hin- hinzu, dass in manchen Fällen keine Unterstützung tergrund widmet sich das Forschungsprojekt „Studie- bzw. Beratung vor und während der Bewerbung nerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländern in zur Verfügung steht. In diesen Fällen ist die Gefahr Deutschland im Bachelor- und Masterstudium“ (SeSa- groß, dass Studierende zum Zeitpunkt der Einreise Ba) der Frage nach den Ursachen des Studienabbruchs entweder wenig oder falsch informiert sind. Dies ist bzw. den Determinanten des Studienerfolgs bei dieser immer dann problematisch, wenn Erwartungen in Gruppe an deutschen Hochschulen. Auf der Basis einer Bezug auf das Studium und das Leben in Deutschland Panelbefragung von Bachelor- und Masterstudieren- nicht erfüllt werden können. Je nach Charaktertyp zog den und zusätzlichen qualitativen Methoden sollen diese Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die zur Enttäuschung, Frustration und eine erhöhte Studie- Verbesserung des Studienerfolgs der internationalen nabbruchsneigung nach sich. Studierenden beitragen können. Institutionelle Heterogenität In diesem Kontext fasst die vorliegende Publikation Neben der Heterogenität der internationalen Stu- die Ergebnisse der qualitativen Vorstudie2, die der Pa- dierenden variiert auch die Unterstützung an den nelbefragung der SeSaBa-Studie vorgeschaltet war Hochschulen sowie die diesbezügliche personelle und zwischen September und Oktober 2017 stattfand, Ausstattung. Dies hat zur Folge, dass die Wahrneh- zusammen. Auf Basis von (i) Experten-Workshops mit mung der Problematik bzw. Bewältigungsstrategien 48 Vertretern und Vertreterinnen von 34 Institutionen für Studierende unterschiedlich verfügbar sind. Per- und (ii) Fokusgruppen mit 40 internationalen Studie- sonalrotation und unzureichende Nachhaltigkeit der renden der Universität Bonn untersucht die qualitative Maßnahmen bzw. des Wissenerhalts können ebenfalls Untersuchung explorativ die Phänomene Studiener- als institutionelle Herausforderungen betrachtet folg und Studienabbruch. werden. Darüber hinaus wird an den Hochschulen über notwendige Synergien innerhalb und außerhalb Für die Auswertung der qualitativen Vorstudie wurden der Institutionen diskutiert, die effizient ausgenutzt Kategorien, die von Simon Morris-Lange (2017) im Rah- werden müssen, um die Problematik bewältigen zu men einer Studie zum Studienerfolg eingeführt wur- können. den, systematisch herausgegriffen, um die Information zu strukturieren. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass darauf basierend bei Bedarf zusätzliche Kategorien entwickelt werden konnten. Mit Hilfe dieser Herange- hensweise gelangte der hier vorliegende Forschungs- bericht zu folgenden Ergebnissen 1 Im Rahmen der SeSaBa-Studie wird der Begriff „Internationale Studierende“ wie folgt definiert: Studierende mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben (Bildungsausländer) und entweder einen Bachelor- bzw. Master-Abschluss in Deutschland anstreben. 2 Siehe „Methodische Durchführung der Vorstudie“ ab Seite 49. Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 5
Sprachprobleme Studienfinanzierung Das Sprachniveau stellt eine Grundlage des Studiener- In den Experten-Workshops wurde die Vermutung folgs dar, da die Beherrschung der deutschen Sprache geäußert, dass viele internationale Studierende nicht die Integration auf einer institutionellen, akademi- über ausreichende finanzielle Mittel für ein Studium schen und sozialen Ebene ermöglichen kann. Interna- in Deutschland verfügen. Wichtig wäre es daher, im tionale Studierende erleben eine Diskrepanz zwischen Rahmen der Informationsvermittlung und Beratung den offiziell erforderlichen und zum Studieren tat- vor dem Studienbeginn auf die unterschiedlichen sächlich benötigten Sprachkompetenzen. Die Sprache Möglichkeiten zur Studienfinanzierung hinzuweisen. stellt auch eine subjektive, relationale Realität dar, da Als zwiespältig werden Einkünfte aus Nebenjobs der Vergleich zwischen internationalen Studierenden diskutiert: Zum einen sind diese teilweise von den und deutschsprachigen Studierenden omnipräsent ist. sprachlichen Fähigkeiten der Studierenden abhängig. Ebenfalls erleben internationale Studierende teilweise Zum anderen können sie der sozialen und akademi- eine andere Behandlung durch die Lehrenden und schen Integration der Studierenden im Weg stehen, Mitstudierenden, die eine subjektive Dimension des da für andere Aktivitäten dann weniger Zeit zur Phänomens darstellt. In der Debatte um die Sprache Verfügung steht. wird eine wachsende Gruppe der Studierenden nicht genug berücksichtigt – nämlich jene, die in englisch- Berufliche Perspektiven für Studierende sprachigen Studiengängen studieren. Einige Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass hohe Studienabbruchquoten von internationa- Mangelnde Studien- und Alltagsvorbereitung len Studierenden auch darauf zurückzuführen sein Das deutsche Bildungssystem stellt internatio- können, dass gerade Studierende im Masterstudium, nale Studierende je nach akademischer Erfahrung, die bereits über einen Abschluss verfügen, häufig Herkunft und persönlichen Voraussetzungen vor relativ spontan einen Arbeitsplatz annehmen, sobald unterschiedlich große Anpassungsschwierigkeiten. sich die Gelegenheit hierfür ergibt. Zudem wird Die Fokusgruppen mit den Studierenden haben vermutet, dass sich einige Studierende nur pro forma gezeigt, dass das Leben auf dem Campus für die Stu- einschreiben, um weiterhin über einen Aufenthaltsti- dierenden eine wichtige Rolle für deren Wohlbefinden tel zu verfügen. spielt, auch wenn dieses Thema wenig diskutiert wird. Vielfach wird in den Expertenworkshops darüber Soziale Isolation bzw. Segregation diskutiert, ob sich die Studierenden anpassen können Einige internationale Studierende können mit sozialer und sollen oder ob die Hochschulen mehr tun sollten, Isolation und Einsamkeit aufgrund der ungewohn- um die Strukturen den Erwartungen der internatio- ten Distanz zur Familie konfrontiert werden. Viele nalen Studierenden anzupassen. Viele Erfahrungen Institutionen führen Campus Veranstaltungen durch, und Herausforderungen der Studierenden finden aber die jedoch getrennt für internationale und deutsche außerhalb der Hochschulen statt und sind folglich Studierende stattfinden können. Es wird auch über nicht direkt von diesen beeinflussbar. Aktivitäten berichtet, die die Gruppenbildungen verstärken und als ungeeignet eingeschätzt werden aufgrund religiöser oder kultureller Hintergründe der Studierenden. Weitere Themen in diesem Sinne sind die Reproduktion von Konflikten aus Herkunftsregi- onen in Deutschland sowie erlebte Diskriminierung durch andere Gruppen. 6 Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland
ufenthaltserlaubnis und andere notwendige A Prozesse Die deutsche Bürokratie stellt internationale Stu- dierende vor Herausforderungen im Hinblick auf die Organisation aufenthalts- oder alltagsrelevanter Fra- gen. Diese als Belastung wahrgenommenen adminis- trativen Verpflichtungen können zu Verunsicherung und Frustration führen, da internationale Studierende oft nicht wissen, welche Prozesse zu durchlaufen sind. Dazu zählen auch triviale Prozesse, die zum Alltagsle- ben in Deutschland gehören wie Mülltrennung, Rund- funkbeitrag, usw., für die die Hochschulen in manchen Fällen keine Unterstützung anbieten können. Stress und andere emotionale Belastungen Die Experten-Workshops haben gezeigt, dass interna- tionale Studierende besonders in der Anfangsphase des Studiums durch die Akklimatisierung höherem Stress sowie bestehender Diskriminierung (z.B. bei der Wohnungssuche) ausgesetzt sind. Die Stressfaktoren variierten offenbar im Studienverlauf. Dementspre- chend stellt sich die Frage, inwiefern Begleitmaß- nahmen im Laufe des ganzen Studiums angeboten werden könnten. Ein zentraler Befund der Analyse ist somit das offen- sichtliche Spannungsverhältnis zwischen der Ver- marktung Deutschlands als attraktives Gastland für internationale Studierende und den teilweise fehlen- den Strukturen und Angeboten zur Begleitung und Unterstützung internationaler Studierender. Dadurch gibt sie einen Überblick über Hürden institutioneller, individueller und sozialer Natur, die internationale Stu- dierende vor und während des Studiums zu bewältigen haben. Darüber hinaus konnten insbesondere durch die Einbeziehung mehrerer Akteursgruppen relevante Erklärungsfaktoren für das Forschungsvorhaben er- weitert werden. In weiteren Schritten soll nun unter- sucht werden, in welchem Verhältnis diese Hürden zu- einanderstehen und wie verschiedene Menschen diese Lebens- und Studiensituationen wahrnehmen. Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 7
inhalt
Executive Summary 4 Einleitung 10 1 Hintergrund und Forschungsrelevanz 12 1. hintergrund und forschungsrelevanz 13 2 Zentrale Ergebnisse 16 2.1. diskrepanz zwischen erwartungen und lebensrealität 17 2.2. institutionelle heterogenität 20 2.3. sprachprobleme 21 2.4. mangelnde studien-und alltagsvorbereitung 25 2.5. studienfinanzierung 27 2.6. berufliche perspektiven für studierende 28 2.7. soziale isolation bzw. segregation 29 2.8. aufenthaltserlaubnis und andere notwendige administrative prozesse 31 2.9. stress und andere emotionale belastungen 32 3 Fazit 34 4 Methodische Durchführung der Vorstudie 36 4.1. forschungsansatz 37 4.2. erhebungsmethode: gruppendiskussionen 37 4.2.1. gruppendiskussionen in form von experten-workshops 37 4.2.2. gruppendiskussionen mit der zielgruppe anhand von fokusgruppen 38 4.3. auswertung 38 Literatur 40
Einleitung
Aufgrund der internationalen Attraktivität Deutsch- sowie Fokusgruppen bzw. Interviews mit internationa- lands als Bildungs- und Wissenschaftsstandort stre- len Studierenden. Zum anderen wird ein auf drei Jahre ben immer mehr internationale Studierende3 an, an angelegtes Studienverlaufspanel mit Studierenden, einer deutschen Hochschule zu studieren. Weltweit die im WS 2017/2018 ein Bachelor- bzw. Masterstudium hat sich Deutschland in den letzten Jahrzehnten un- an einer deutschen Hochschule aufgenommen haben, ter den wichtigsten Hochschulstandorten positioniert. quantitativ ausgewertet. Aus den Ergebnissen dieser Folglich studierten im Jahr 2017 265.484 internatio- Studie sollen Handlungsempfehlungen für verschie- nale Studierende in Deutschland (DAAD und DZHW, dene Zielgruppen abgeleitet werden, die zu einer Stei- 2018). Diese wachsende Internationalisierung der gerung des Studienerfolgs von internationalen Studie- deutschen Hochschulen stellt eine Herausforderung renden beitragen können. für das deutsche Hochschulsystem dar. Die aktuellen Zahlen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Das Ziel der vorliegenden Publikation ist es, eine zu- Wissenschaftsforschung (DZHW) zeigen, dass bei in- sammenfassende Analyse der qualitativen Vorstudie ternationalen Studierenden die Studienabbruchraten zur Studienabbruchsproblematik bei internationalen mit 45 Prozent im Bachelorstudium und 29 Prozent Studierenden an deutschen Hochschulen vorzulegen, im Masterstudium im Vergleich zu anderen Studie- die der Entwicklung der Panelbefragung der SeSa- rendengruppen besonders hoch sind (Heublein und Ba-Studie vorgeschaltet wurde. Den Hauptbestandteil Schmelzer, 2018). Das Verbundprojekt SeSaBa4 be- der Vorstudie bildeten Gruppendiskussionen in Form schäftigt sich daher mit der Untersuchung des Stu- von Experten-Workshops mit praxisnahen Vertreterin- dienerfolgs und Studienabbruchs bei internationalen nen und Vertretern von Institutionen, die im Bereich Studierenden auf Grundlage eines Mixed-Method-An- der Internationalisierung der Hochschulbildung tätig satzes, bei dem qualitative und quantitative Methoden sind, sowie Fokusgruppen mit internationalen Studie- kombiniert werden. Bestandteil der Studie ist zum renden, die zum Zeitpunkt der Untersuchung an der einen die qualitative Analyse von Studienerfolg und Universität Bonn studierten. Die Untersuchung wurde Studienabbruch auf Basis von Experten-Workshops zwischen September und Oktober 2017 durchgeführt. 3 Im Rahmen der SeSaBa-Studie wird der Begriff „Internationale Studie- rende“ wie folgt definiert: Studierende mit einer ausländischen Staats- angehörigkeit, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben und entweder einen Bachelor- bzw. Master-Abschluss in Deutschland anstreben. 4 Das Verbundprojekt „Studienerfolg und Studienabbruch bei Bil- dungsausländern in Deutschland im Bachelor- und Masterstudium“ (SeSaBa) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderlinie „Studienerfolg und Studienab- bruch“ finanziell gefördert. Es wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), dem Bayerischen Staatsinstitut für Hoch- schulforschung und Hochschulplanung (IHF) und der FernUniversität in Hagen im Zeitraum vom 01.04.2017 bis 31.03.2021 durchgeführt. Weitere Informationen: www.daad.de/sesaba. Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 11
1 Hintergrund und Forschungsrelevanz
Die Analyse und Erklärung des Studienabbruchs bei tische Relevanz hat, wie Hüther und Krücken (2016) er- internationalen Studierenden hat im englischsprachi- läutern. Eine Frage, die sich stellt, ist die Rolle der Politik gen Raum eine lange Tradition, wobei die Forschung und der Hochschulen im Rahmen der internationalen in hohem Maße normativ und meist institutionell Vermarktung Deutschlands als Studienziel für inter- orientiert ist (Behroozi-Bagherpour, 2010; Kwai, 2009; nationale Studierende5. Heublein (2009 S. 6) reflektiert Naghdi, 2015; Smith, 2015; Wong Davis, 2012). Interes- über diese Tatsache folgendermaßen: santerweise zeigt der Blick in einige Gastländer, die mit Deutschland im Bereich der Internationalisierung der „„Nicht vergessen werden darf auch, dass diese Hochschulbildung konkurrieren, dass internationale jungen Leute nicht nur aus Studieninteresse Studierende häufig erfolgreicher sind als inländische kommen, sondern auch, weil sie eingeladen Studierende, wenn man die Erfolgsquoten und – in wurden. Sie haben im Internet, auf Flyern und in manchen Fällen – auch die Studienzeiten vergleicht Broschüren gelesen, dass sie willkommen sind, (Kercher, 2018). Im Fall Deutschlands fällt dagegen auf, dass sich die deutschen Hochschulen über ihre dass die Studienabbruchsforschung nicht auf die spe- Bewerbung freuen. Sie haben Bilder gesehen zifische Studien- bzw. Lebenssituation dieser Gruppe von glücklichen Studierenden und von modern ausgerichtet ist, obwohl das Thema regelmäßig so- ausgestatteten Instituten, diese kommen ihnen wohl im öffentlichen als auch im akademischen Dis- vor wie ein Glücksversprechen.“ kurs präsent ist. Aus einer bildungssoziologischen Perspektive kann die Rech (2012) identifiziert vier Perspektiven, die die ver- Entwicklung in den Zahlen von internationalen Studie- schiedenen Dimensionen der Diskussion zu Studiener- renden nicht nur als Folge einer proaktiven Bildungs- folg und Studienabbruch bei internationalen Studie- bedarfsplanung und eines internationalen Bildungs- renden in Deutschland ausmachen. Erstens betont er marketings Deutschlands erklärt werden. Individuelle die Relevanz, Studienerfolge bei diesen Studierenden Gründe, wenn auch weniger gut messbar, sind eben- nachweisen zu können, da dies die Attraktivität und falls Teil einer sozialen Entwicklung im Rahmen der den Ruf der einzelnen Hochschulen steigert. Weiter- weltweiten Breitenorientierung und Universalisierung hin betont Rech die Wichtigkeit, Studienabbrüche der Hochschulbildung (Trow, 1970; 1973). Im Sinne von zu vermeiden, um ein adäquates Bildungserlebnis in Trow kann davon ausgegangen werden, dass in den Deutschland zu gewährleisten, welches aufgrund der letzten Jahrzehnten eine bildungsbezogene Ausland- hohen Kosten, die mit der Finanzierung eines Studi- serfahrung zu einer Selbstverständlichkeit geworden enplatzes verbunden sind, auch volkswirtschaftliche ist, da eine moderne Differenzierung in Form von Soft Konsequenzen hat. Darüber hinaus erläutert Rech zwei Skills, Fremdsprachen und internationalen Erfahrun- weitere Perspektiven, die ein Scheitern der Ausbildung gen notwendig sein kann, um sich gegen die sogen- von internationalen Studierenden als hochschulpoliti- nante Inflation der Bildungsabschlüsse (Bourdieu und sches Problem einordnen. Die Argumentation von Rech Passeron, 1990) durchsetzen zu können. zeigt, wie komplex die Analyse des Phänomens ist, da es mehrere Akteure gibt, die unterschiedliche Ziele ver- Es ist unabstreitbar, dass Deutschland im globalen folgen, häufig widersprüchliche Erwartungen haben „Kampf um die besten Köpfe“ beteiligt ist und das und Studienerfolg unterschiedlich definieren. Hüther Interesse verfolgt, hochqualifizierte Individuen zu und Krücken (2016 S. 208) beschreiben das Dilemma motivieren, nach Deutschland zu kommen. Allerdings der Debatte um Studienabbruch in folgender Weise: kann grundsätzlich zwischen zwei unterschiedlichen Strömungen differenziert werden: Zum einen gibt es „„Hierbei wird häufig der Studienabbruch ent- eine Reihe von Institutionen und Maßnahmen, die weder den einzelnen Studierenden angelastet, eine erfolgreiche Ausbildung von Studierenden aus die nicht studierfähig oder -willig seien, oder dem Ausland anstreben, damit diese nach ihrem Stu- aber der Studienabbruch wird als Versagen der dium in ihr Heimatland zurückkehren können. Hier Hochschulen angesehen, die nicht die für ein er- kann die Ausbildung von ausländischen Studierenden folgreiches Studium nötigen Strukturen schaffen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder aber sich nicht ausreichend um ihre Studie- renden kümmern – ein im Sinne der britischen 5 Mehrere Indikatoren, an denen die Internationalität der Hochschul- Kulturanthropologin Mary Douglas typischer bildung in Deutschland gemessen wird, berücksichtigen die Anzahl von internationalen Studierenden sowie ausländischen Fachkräften Fall von sozialer „blame attribution“ (Douglas an deutschen Hochschulen. Darüber hinaus werden immer mehr 1992) und damit der Versuch einer einseitigen sogenannte „internationale Studiengänge“ auf der Webseite des HRK-Hochschulkompasses beworben, die mittlerweile auch komplett Schuldzuweisung.“ auf Englisch angeboten werden. Zu dieser Entwicklung gehört unter anderem die Auslandsmobilität bzw. die Bemühungen, mehr deutsche Studierende ins Ausland zu schicken und internationale Kooperatio- Es steht außer Frage, dass dieses Thema eine hohe poli- nen weltweit abzuschließen (siehe DAAD, 2010). Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 13
in Deutschland oder in von Deutschland im Ausland Die dargestellte Definition von Studienabbruch bringt eingerichteten Institutionen als Teil der Entwicklungs- eine Vielzahl an Messproblemen mit sich. Deshalb stel- zusammenarbeit mit einigen entwickelten Ländern len die Zahlen zum Studienabbruch, die vom DZHW angesehen werden. Ziel ist es dabei, entwicklungspo- (früher Hochschul-Informations-System HIS) vorge- litische Wirkungen zu realisieren (Fromm, 2017; Alesi legt werden, nur Schätzungen und keine objektiven und Kehm, 2010). Zum anderen wird mit der Ausbil- Messungen dar (Vgl. Hüther und Krücken, 2016; Wis- dung internationaler Studierender auch die Hoffnung senschaftsrat, 2018). Da die vorliegende Publikation verbunden, den Fachkräftemangel in Deutschland eine qualitative Analyse darstellt, wird weder auf die lindern zu können (Lokhande, 2017; Morris-Lange und Messprobleme, noch auf die Debatte über mögliche Brands, 2015; Dömling und Pasternack, 2015; BMWi und methodische Probleme der Quotenberechnung im De- Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, 2017). tail eingegangen6. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die SeSaBa-Stu- Die Frage nach dem weiteren Werdegang der Studie- die, da das Forschungsprojekt Ergebnisse für Studie- renden, die ihr Studium abbrechen, beschäftigt zahl- rende, Institutionen, Politik und die Wissenschaft lie- reiche Studien des DZHW. Seit Jahren sind diese Studi- fern soll. Unabhängig davon, aus welcher Perspektive en darauf fokussiert, den Umfang und die Motive des die Problematik des hohen Studienabbruchs bei inter- Studienabbruchs von deutschen Studierenden und nationalen Studierenden betrachtet wird, muss zu- Studierenden mit Migrationshintergrund (siehe Heu- erst die Messung des Studienabbruchs definiert wer- blein et al., 2017; Ebert und Heublein, 2017) nachzuvoll- den. Heublein und Wolter (2011 S. 216) weisen darauf ziehen. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich hin, dass Studienabbruch „als eine spezielle Form von die Problemlagen bei diesen Studierenden von denen Schwund definiert (wird), die nur diejenigen umfasst, internationaler Studierender deutlich unterscheiden. die das Hochschulsystem ohne (ersten) Abschluss ver- Trotzdem blieb die Gruppe der internationalen Studie- lassen und ihr Studium nicht zu einem späteren Zeit- renden, deren Anteil an der Gesamtstudierendenzahl punkt wieder aufnehmen“. Studienabbruch wird „als in den letzten Jahren auf fast 10 % gestiegen ist (DAAD ein mehrdimensionaler Prozess, der in verschiedenen und DZHW, 2018), bislang mehr oder weniger unbe- Phasen durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst rücksichtigt7. wird“ (Ebert and Heublein, 2017 S. 5) verstanden. Ge- mäß dieser Interpretation ist davon auszugehen, dass Aus Sicht der sozialwissenschaftlichen Hochschul- der Studienabbruch nicht auf nur einen Grund zurück- forschung kann argumentiert werden, dass die Er- zuführen ist, sondern dass er als das Resultat einer Ku- forschung des Studienabbruchs bei internationalen mulation von Faktoren, die in komplexer Wechselwir- Studierenden in Deutschland als wichtiges Untersu- kung stehen, betrachtet werden muss. Heublein et al. chungsthema der nationalen Hochschulforschung an- (2017) argumentieren, dass Studienabbruch das Ergeb- gesehen werden muss. Zum Stand der aktuellen For- nis eines komplexen und langfristigen Überlegungs- schung ist festzustellen, dass fundierte Schätzungen prozesses darstellt, der zur Entscheidung führt, das zu den Abbruchquoten internationaler Studierender Studium ohne Abschluss zu beenden. Diese Entschei- vorliegen (Heublein et al., 2014, 2017), es jedoch bislang dung, die die Studierenden zwar letzlich selbst treffen, keine Untersuchungen zu den Ursachen des Studi- wird also von externen Faktoren auf Hochschul- bzw. enabbruchs dieser Gruppe gibt. Im Fokus der Längs- Gesellschaftsebene beeinflusst. schnittstudie SeSaBa steht die interdisziplinäre Ana- lyse unterschiedlicher Faktoren, die den Studienerfolg bzw. Studienabbruch bei internationalen Studierenden beeinflussen (z.B. individuelle Merkmale, institutionel- les Umfeld, soziale, akademische und kulturelle Integ- ration etc.). 6 Es gibt zahlreiche Publikationen, die sich mit dem Thema auseinan- dersetzen (Heublein und Wolter, 2011; acatech, 2017; Kercher, 2018; Sanaa und Kasper, 2017; Burkhart und Kercher, 2014). 7 Im Rahmen der Förderlinie „Studienerfolg und Studienabbruch“ werden seit 2017 drei Projekte, die sich mit dieser Gruppe beschäfti- gen, durchgeführt, nämlich die Projekte SeSaBa, SpraStu und WeGe. Weitere Informationen zu den einzelnen Projekten befinden sich auf der Webseite der Förderlinie https://www.wihoforschung.de/de/stu- dienerfolg-und-studienabbruch-620.php. 14 Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland
Aufgrund der Tatsache, dass es in Deutschland nur Fragebogens der Panelbefragung berücksichtigt wer- wenige Studien gibt, die sich mit dem Studienerfolg den sollten. In den Fokusgruppen mit internationalen bzw. Studienabbruch von internationalen Studieren- Studierenden wurden emotionale und motivationale den befassen, wurde zu Beginn der Projektlaufzeit eine Aspekte eines Studiums im Ausland, individuelle Ein- explorative Vorstudie durchgeführt. Im September und drücke über das Leben und das Studium in Deutsch- Oktober 2017 fanden drei Experten-Workshops mit land, institutionelle Bedingungen aus Sicht der Studie- insgesamt 48 Mitarbeitenden aus 34 SeSaBa-Partner- renden sowie interkulturelle Erfahrungen betrachtet. hochschulen8 und anderen Einrichtungen sowie drei Außerdem konnten während der Fokusgruppen einzel- Fokusgruppen (2x in deutscher und 1x in englischer ne Teile des ersten Entwurfs des Fragebogens mit Hilfe Sprache) mit 40 internationalen Studierenden, die an eines Pretests überprüft werden. der Universität Bonn eingeschrieben waren, statt. Die Experten-Workshops dienten in erster Linie der Erkun- Der hier vorliegende Forschungsbericht ist wie folgt dung, Erhebung und Analyse relevanter Einflussfakto- aufgebaut: Zunächst werden die zentralen Ergebnisse ren sowie verschiedener Ansichten und Erfahrungen dargestellt und diskutiert. Abschließend wird die me- zum Thema, die sowohl für die Vorbereitung der explo- thodische Durchführung der Vorstudie zusammenge- rativen Fokusgruppen als auch für die Entwicklung des fasst. 8 125 Hochschulen kooperieren deutschlandweit mit dem Projekt SeSa- Ba. Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 15
2 Zentrale Ergebnisse 2.1. d iskrepanz zwischen erwartungen und Lebensrealität 2.2. institutionelle heterogenität 2.3. sprachprobleme 2.4. mangelnde studien-und alltagsvorbereitung 2.5. studienfinanzierung 2.6. berufliche perspektiven für studierende 2.7. soziale isolation bzw. segregation 2.8. aufenthaltserlaubnis und andere notwendige administrative prozesse 2.9. stress und andere emotionale belastungen
Auf Basis der Aussagen und Überlegungen, die zwi- Für die Auswertung der Gruppendiskussionen wur- schen September und Oktober 2017 im Rahmen von den Themen auf Basis der Kategorien, die von Simmon Gruppendiskussionen9 in Form von Experten-Work- Morris-Lange (2017) im Rahmen der Studie „Allein shops und Fokusgruppen, gesammelt wurden, konnte durch den Hochschuldschungel: Hürden zum Studie- eine Reihe von Themenbereichen identifiziert werden, nerfolg für internationale Studierende und Studieren- die als relevant für die Erforschung der Problematik de mit Migrationshintergrund“ eingeführt wurden, angesehen werden können. Die qualitative Vorstudie ausgewählt, um die Informationen zu strukturieren. wurde durchgeführt, um die Vielfalt der Problemla- Andere Kategorien, die vorgestellt werden, wurden im gen bei internationalen Studierende aufzuzeigen und Rahmen der Analyse ergänzt. Im Folgenden werden die Anhaltspunkte für die Schwerpunktsetzung der quan- Erkenntnisse aus den Experten-Workshops und den Fo- titativen Analysen zu geben. Die weitere Forschung kusgruppen thematisch zusammengefasst und einan- sowohl des qualitativen Teils10 als auch der quantita- der gegenübergestellt. Eine Unterscheidung zwischen tiven Teilprojekte wird sich der Adressierung vieler der Studierenden und Teilnehmerinnen bzw. Teilnehmer im Folgenden angeführten Überlegungen widmen. In der Experten-Workshops wird kenntlich gemacht11. diesem Zusammenhang werden die folgenden Ergeb- Nach Durchführung der qualitativen Vorstudie konn- nisse als Anregungen und Überlegungen für die weite- ten die in den folgenden Unterkapiteln aufgeführten re Erforschung des Themas vorgestellt. Themen identifiziert werden: 9 Detallierte Informationen zur Untersuchungsmethode können dem Methodenbericht auf www.daad.de/sesaba entnommen werden. 11 Das Material wurde mit Hilfe eines einfachen Transkriptionssystems 10 Im Laufe der Projektlaufzeit sind weitere Fokusgruppen bzw. Inter- transkribiert. Ein herzliches Dankeschön an Frau Sandra Buban für ihre views mit internationalen Studierenden sowie Experten-Workshops Hilfe bei der Transkription der Experten-Workshops und Fokusgrup- geplant, um eine qualitative Begleitung der (Weiter-)Entwicklung der pen. Die Zitate wurden an einigen Stellen sprachlich geglättet, um das Panelbefragung gewährleisten zu können. Lesen zu erleichtern. 2.1. diskrepanz zwischen erwartungen und lebensrealität Die Fokusgruppen12 begannen mit einer offenen Frage Prozess der Informationsvermittlung über das Studi- darüber, was die Studierenden über das Hochschul- um wird oft aus einer institutionellen Perspektive dis- system Deutschlands wussten, als sie überlegten, in kutiert (Zawacki-Richter und Bedenlier, 2015). Aus einer Deutschland zu studieren sowie die Frage nach den individuellen Perspektive ist es wichtig zu erforschen, Informationsquellen, die verwendet worden sind. Die- ob sich Studierende entweder wenig oder falsch infor- se Fragen hatten das Ziel, die Diskussion langsam und miert haben oder ob ihr Deutschlandbild auf Stereoty- allmählich einzuführen, bevor tiefere und persönliche- pen basiert war. re Erfahrungen thematisiert werden würden. In uner- warteter Weise wurden an dieser Stelle Erfahrungen Ein Problem der Informationsvermittlung ist die Tatsa- und Meinungen geäußert, die deutlich machten, wie che, dass sich viele Studierende im Internet informie- wenig einige Studierende wussten, was sie in Deutsch- ren müssen, was bedeutet, dass es schwierig ist, die land erwarten würde. Deshalb sollen zwei zusammen- zahlreichen verfügbaren Informationen zu differen- hängende Ergebnisse kurz erwähnt werden, die zeigen, zieren oder einzuordnen. Studierende, die sich richtig dass das Problem vor der Ankunft bzw. im Ausland be- informieren konnten, berichten auch über die Grenzen ginnt: Sie betreffen die Informationsquellen, die den der Online verfügbaren Information: Studierenden zur Verfügung standen, und das Bewer- bungsverfahren. „„Ja, ich weiß, wir leben im digitalen Leben, aber die Informationen aus dem Internet sind total In den Diskussionen wurde über Diskrepanzen zwi- anders.“ schen Erwartungen und Lebensrealität in Deutschland berichtet, was nicht nur eine Bedeutung für die SeS- Auch wenn Informationen vollständig sind, fehlt ihnen aBa-Studie aus einer wissenschaftlichen Perspektive oft eine Ansprechperson, um Rückfragen zu beantwor- hat, sondern auch für eine Diskussion der Strategien ten oder die Möglichkeit ausführlichere Informationen der Informationsvermittlung für die Gewinnung von zu erhalten, die tiefer erklären können, was die Be- internationalen Studierenden hilfreich erscheint. Der sonderheiten sind, die in Deutschland oder an unter- schiedlichen Orten Deutschlands zu erwarten sind. Ein Teilnehmer erinnert sich: 12 Siehe Methodenbericht auf www.daad.de/sesaba für eine detaillierte Erläuterung der methodologischen Durchführung der Studie. Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 17
„„Die Website des DAAD war sehr hilfreich. „„Ich kann mich da nur anschließen, Ich finde xxx Ich meine durch diese Website konnte ich die ist echt ein schlechtes System. Es ist gar nicht Studiengänge xxx suchen und mitbekommen, flexibel und es ist so, man kann gar keinen in welchen Universitäten es diese Möglichkeiten Kontakt mit der Uni knüpfen. Und zu meiner gibt. Also dieses Studium zu studieren. Ich hatte persönlichen Erfahrung, ich habe mich einmal eine Zulassung von der Universität Freiburg, über xxx beworben und es ist so, dass man echt der Universität Bonn und auch der Universität alle Dokumente, echt schon alles, abgeben muss, Erlangen-Nürnberg, und dann habe ich Bonn dann wird xxx die nächste Bewerbung für dich ausgewählt. Ein Nachteil der DAAD-Website: Es durchführen. Aber wenn dir ein Dokument fehlt, gibt auf der Website keine Information darüber, dann wird xxx dir das Geld nicht zurückgeben. was der Unterschied zwischen zwei Fächern, die xxx sagt dann einfach, dein Bewerbungsprozess vom Namen her gleich sind, ist.“ wird nicht weitergeführt und dann sind siebzig Euro weg. Ich finde es ist echt nicht so gut.“ Ebert und Heublein (2017) gehen davon aus, dass die Unterstützung bei der Studienentscheidung von Stu- In manchen Fällen sind Studierende offenbar auf sich dierenden mit Migrationshintergrund eine besondere selbst gestellt, bis sie sich an der Hochschule einschrei- Rolle spielt. Sie sollen die Entscheidung auf Basis von ben können. In dieser Phase werden eventuell falsche präzisen Informationen und unter Berücksichtigung oder zumindest unvollständige Informationen einge- ihrer spezifischen Fähigkeiten, Interessen und Potenzi- holt, die nicht von den Institutionen selbst vermittelt ale treffen können. Ähnliches ließe sich auf internati- werden, was wiederum problematisch für die Hoch- onale Studierende übertragen – allerdings lassen sich schulen ist. Jana Berg (2018) hat im Rahmen von Exper- diese Prinzipien schwer umsetzen, da es für die Phase ten-Interviews herausgefunden, dass sich geflüchtete vor der Bewerbung der ausländischen Studierenden Studierende oft durch persönliche Kontakte, Netzwer- in der Regel keine spezifische Ansprechperson gibt, ke oder außerhochusliche Einrichtungen informieren. die auf Aspekte wie falsche Erwartungen eingehen Um dieser Herausforderung entgegenzuwirken, ha- oder eine Art Studienberatung anbieten könnte. Wie ben viele Hochschulen in den letzten Jahren Welcome während der Fokusgruppen deutlich wurde, können Zentren o.ä. etabliert. Es ist möglich, dass, trotz aller Bewerberinnen und Bewerber einen ersten Schock er- Bemühungen, viele der Herausforderungen, mit denen leben, wenn Sie mit einem standardisierten System der die Studierenden rechnen müssen, nicht direkt von Bewerbung zu tun haben, welches Studierende nach den Hochschulen adressierbar sind, wie Grüttner et al. Ländern gruppiert und Informationen auf Basis von (2018) erläutern. Tabellen verteilt. Zu diesem Thema äußerte sich eine Studierende wie folgt: Das Hochschulsystem sieht sich mit dem Problem kon- frontiert, dass viele wichtige Fragen, die doch einfach „„Es war dann doch ein bisschen schwer, weil ich zu lösen wären, nicht rechtzeitig adressiert werden dann auf Hochschulstart gegangen bin und können, da ausländische Studierende nicht ausrei- da musste ich dann eine deutsche Abi-Note chend mit den Anforderungen des deutschen Hoch- eingeben und ich hatte keine deutsche Abi-No- schulsystems vertraut sind, um die richtigen Fragen te, ich hatte nur meine aus xxx. Es war dann bei der richtigen Beratungsstelle zu stellen. Außerdem ein bisschen schwierig sich anzumelden und ist die Adressierung von externen Herausforderungen herauszufinden was man da machen muss. Dann des Auslandsaufenthaltes so komplex, dass einige Stu- musste ich in xxx jemanden aus den Ministerien dierende zu spät den Weg in die Beratung finden, wie anrufen und keiner wusste es so richtig. Es war ein Experte kommentiert: ein bisschen schwer sich damals zu informieren.“ „„Eine Grunderkenntnis war, aus den Beratungs- Aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbungen kann gesprächen für schwierige Studiensituationen, sehr gut nachvollzogen werden, dass nicht jede Per- dass die Studierenden durch Visafragen spät son telefonisch oder per E-Mail individuell unterstützt rein kamen, dann haben sie sich die Hälfte des werden kann. Dennoch zeigt die vorliegende Untersu- Semesters erstmal damit befasst überhaupt vor chung, dass für einige Studierende der erste Eindruck, Ort anzukommen, das heißt, bis sie jemals im den das deutsche Hochschulsystem vermittelt, den Er- Vorlesungsbetrieb zugehört haben, waren wir im wartungen des Bildungsmarketings nicht entspricht: letzten Drittel des Semesters und bei Studien- gängen, die dann mal im ersten Semester einen Erfolg erwarten, als Indikator für „er bringt die Kompetenzen mit“, brachte das praktisch so einen Salto mortale ein.“ 18 Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland
Eine weitere relevante Dimension des Problems ist, wie Weil, für mich Zuhause in den USA ist alles sehr Studierende mit unerfüllten Erwartungen umgehen. interaktiv, man sollte in einer Konversation, in ei- Ein Student erzählt: ner Diskussion mitmachen. Hier ist es eher, man ist an Vorlesungen gewöhnt und dass man alle „„Die ersten Tage in Deutschland waren total Informationen kriegt, die schreibt man auf und super bei mir, weil es immer mein Traum war in das wars, vielleicht noch ein bisschen Diskussion Deutschland zu studieren und ich war so: ‚wow, im Tutorium. Aber das ist eine Fähigkeit, die an- ich bin hier und es hat geklappt‘. Das hat so ders gefördert wird in Deutschland im Bachelor. ungefähr eineinhalb Monate gedauert und ich Und wenn man dann in den Master kommt, war wirklich aufgeregt, aber später kam schon wenn man schon daran gewöhnt ist, ist das die Enttäuschung.“ schon okay, [unverständlich]. Und dann warte ich und warte ich, aber vielleicht lerne ich dann Aber wer ist verantwortlich für diese Enttäuschung? am Ende von der Masterarbeit mehr als von dem Könnte man behaupten, dass Studierende falsche Vor- ganzen Studium. Aber ich glaube das liegt auch stellungen entwickelt hatten oder waren diese falsch einerseits daran, dass ich mich nicht richtig infor- übermittelt worden? Ist diese Enttäuschung nur bei in- miert habe und andererseits auch an kulturellen ternationalen Studierenden präsent? Wie lässt sie sich Unterschieden, dass das so anders ist.“ beeinflussen? Die Beantwortung dieser Fragen könnte relevante Befunde für die Praxis liefern. Dennoch zeigt Möglicherweise gibt es bestimmte Persönlichkeitsty- die qualitative Untersuchung, dass die Erwartungen pen, die besser und sogar pragmatischer mit diesen einer heterogenen Gruppe aus so vielen Ländern, Al- Erfahrungen umgehen können, wie ein Student argu- tersgruppen und mit diversen Bildungserfahrungen mentiert: schwer zu verallgemeinern sind. Ein Student berichtet: „„The most important thing is just to identify „„Ich hatte eine andere Vorstellung. Ich war ein with what you do. I mean, also this complaining bisschen älter, ich dachte, okay ich mache eine and all these stereotype of the first semester is Pause und ich könnte dann nochmal in diese the hardest, of course it is hard, but once you akademische Welt gehen und ein bisschen Spaß just accept the rules as they are and once you haben. Aber enttäuschend, im Endeffekt ist es accept that as a challenge, then it becomes just nicht so. Es ist immer alles klipp und klar, der Stu- a task, too and it is nothing difficult, it’s just diengang, und man muss selber Raum finden, für okay that people are not that friendly in this etwas Spaß oder etwas Leichtes. Aber ich glaube country and maybe not as friendly as in my es liegt an meiner Perspektive, da ich schon ein country, but that’s how it is. So, I should maybe bisschen älter bin und andere Vorstellungen learn something else from them, for example habe.“ how to organise my time better, how to be more efficient. So, I think it’s just about being open to In den Fokusgruppen wurden Aussagen getroffen, die changes and accept things as they are and then zeigen, dass je nach individuellen Zielen eine Enttäu- completing it as a task and even if some are schung optimistisch verarbeitet werden kann. Eine an- going to realize it’s not what you expected, it’s dere Person reflektiert: also a gain.“ „„Ich glaube auch meinerseits habe ich mich nicht Ein weiteres Thema ist die Zeit, die vergeht, während super gut über den Masterstudiengang xxx internationale Studierende lernen, sich in Deutsch- informiert, aber für mich war es keine Heraus- land zu etablieren. Diese Herausforderungen, die so- forderung. Ich habe [unverständlich] und dafür wohl außerhalb als auch innerhalb der Institutionen habe ich dann Fähigkeiten gesammelt, die dann erlebt werden, können eine Verzögerung der Ziele des besser für meine Jobchancen sind und das, das Studiums mit sich bringen. Das Resultat ist eine neue habe ich schon gesammelt. Aber alles an reines Diskrepanz zwischen der Erwartung eines Bachelorab- Forschungswissen und neuen gelernten Metho- schlusses innerhalb von drei Jahren bzw. eines Master- den, das ist ein großer Mangel… Die Erwartungen abschlusses innerhalb von zwei Jahren und der Reali- an die Studenten sind sehr gering. Ich glaube tät, da diese Zeitvorgaben nur schwer zu erfüllen sind. wir waren teilweise in Kursen zusammen wo wir Die Frage, ob internationale Studierende in der Tat eine und noch zwei andere Studenten, von zwanzig längere Studienzeit als deutsche Studierende haben, Leuten, an dem Gespräch teilgenommen haben. wird kontrovers diskutiert. Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 19
Ein Experte kommentiert besipielsweise: Vergleich zu deutschen Studierenden war die Abbruchquote im Masterstudium, eigentlich „„Also wir haben an der TU die Möglichkeit bei bei allen Masterstudiengängen, um die 15 % der Exmatrikulation, dass man Gründe ange- höher. Und wir haben aber auch festgestellt: der ben kann. So vier allgemeine Gründe: Familie, Abbruch ist vielleicht gar nicht mal das Prob- Gesundheit, Schwangerschaft und Sonstiges und lem – die graduieren nicht. Die haben unendlich die Meisten, haben wir festgestellt – wir haben lange Studienzeiten und bleiben da dranhängen das gerade erhoben – vor allem im Masterbe- und sind dann schon am Arbeiten und machen reich, haben eher „Sonstiges“ oder „Familie“ tausend andere Dinge und kriegen das gerade angegeben. Also familiäre und weitere Gründe. irgendwie nicht hin“ Und was wir aber festgestellt haben: gerade im 2.2. institutionelle heterogenität Eine klassische Aussage in Bezug auf internationa- „„Ich würde gern die Frage zwei zuerst beantwor- le Studierende ist, dass diese Gruppe sehr heterogen ten, ob die Problematik thematisiert wird, ich zusammengesetzt ist. Doch die qualitative Vorstudie würde sagen ja, aber ungern, aber wir reden hat gezeigt, dass die institutionellen, politischen (z.B. nur über mehr Akquise und wie kann ich noch je nach Bundesland) und sozialen (z.B. mit oder ohne mehr Studierende rekrutieren und in welchen Fluchterfahrung, EU oder Nicht-EU) Rahmenbedin- Projekten lässt sich noch irgendwo was machen, gungen, unter denen sie sich bewegen, ebenfalls sehr als wie helfe ich den bestehenden Studierenden unterschiedlich sind. In anderen Worten stellt das eigentlich zum Abschluss.“ deutsche Hochschulsystem eine starke horizontale Differenzierung dar, die Herausforderungen für die Er- „„Die Universität xxx thematisiert das durch- forschung des Phänomens mit sich bringt. Das theore- aus auf einer operativen Ebene. Das heißt, wir tische Sampling, welches für die Rekrutierung von Ex- nehmen an, oder wir wissen, dass im Studienab- perten und Expertinnen fortgesetzt wurde, zeigte, dass bruch und wir überlegen mit welchen Maßnah- nach Monaten immer noch neue Akteure, Einrichtun- men können wir schauen, dass diejenigen, die gen und Institutionen, die mit dem Thema zu tun ha- bei uns angefangen haben zu studieren, es auch ben, gefunden werden konnten. Darüber hinaus wer- [unverständlich] beenden. Das Thema Studie- den die Personalrotation und die Nachhaltigkeit der nabbrecher wird jetzt von der Universität xxx Maßnahmen bzw. der neuen Strukturen häufig disku- das erste Mal wirklich systematisch in Angriff ge- tiert. Diese Herausforderungen wurden auch deutlich, nommen und ich glaube es wird nicht ausdrück- nachdem viele Ansprechpartner und Ansprechpartne- lich ausgewiesen auf den Unterschied zwischen rinnen, mit denen die Projektkoordination in Kontakt Internationalen und Bildungsinländern.“ war, nach wenigen Monaten entweder innerhalb der Institutionen oder in andere Institutionen gewechselt Während der Diskussionen wurden fehlende Synergi- sind. en innerhalb der Institutionen und der Zusammenar- beit mit anderen Einrichtungen thematisiert: Als die Studienabbruchquoten im Rahmen der Exper- ten-Workshops vorgestellt wurden, konnten verschie- „„Wir sind ja eine relativ große Universität und dene Definitionen, Erwartungen und Rollen diskutiert natürlich kann man die Zahlen messen, der werden. Dabei wurde deutlich, dass der Stand des Studienabbrecher, aber man weiß dann doch die Wissens stark institutionell bedingt ist, da viele von Gründe nicht so genau, das geht uns halt so. Als den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Exper- große Universität liegt’s vielleicht auch daran, ten-Workshops nicht über ausreichend Zahlen oder dass natürlich viele Stellen zuständig sein könn- Fakten verfügten, um die Belastbarkeit der präsentier- ten, wir haben ja eine psychologische Beratungs- ten Studienabbruchquoten für ihre eigene Hochschule stelle, wir haben selbst bei uns in der Abteilung einzuordnen. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass eine Rechts- und Konsularberatung für inter- das Phänomen des Studienabbruchs an einigen Hoch- nationale Studierende, wir haben da natürlich schulen nur ungern thematisiert oder problematisiert die Abteilung für Studium und Lehre, wir haben wird. Wie einige Experten kommentieren: die einzelnen Fächer, Fachbereiche, und eigent- lich ist nirgends so richtig klar, wenn man sich dann auch mit den Kollegen austauscht, woran 20 Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland
liegt es denn nun? Es sind natürlich immer eine „„Ich hatte ein, für mich zumindest und für den Pluralität von Gründen, aber es fehlt eigentlich Studierenden, relativ traumatisches Erlebnis so dieser Gesamtüberblick. Also ich würde sagen gehabt. Ein Studierender der verzweifelt bei uns die Quantität ist vielleicht irgendwie feststellbar, im Fachbereich rumlief und eine Abschlussar- aber dann die Gründe für den Studienabbruch, beit suchte. Ein Kollege rief mich an und sagte: das ist doch so ein grauer Bereich über den wir „Mensch, kümmere du dich mal um den, der halt doch gerne mehr wissen wollen.“ sucht was“. Was ich dann auch getan habe. Und in seinem formalen siebten Semester, es waren Eine Expertin wünscht sich eine Berücksichtigung bzw. schon einige mehr, so eklatante Sprachschwierig- Einbettung des eigenen Bereichs: keiten und Verständnisschwierigkeiten, Lücken im Studienverlauf, ich eigentlich festgestellt „„Für mich war überraschend, dass die Hochschu- habe, dass ich das sehr dramatisch fand da len sehr für sich denken, aber ich bin ja jetzt auch wirklich die Maßnahme zu ergreifen und auch eine Studentenwerksvertreterin und ich zu sagen, innerhalb dieser Bachelorarbeit, das musste immer fragen: und gibt’s nicht auch klappt so nicht und es war sein zweiter Versuch, Schnittstellen? Und diese Schnittstelle außerhalb der dann natürlich zum vollständigen Scheitern der Hochschule, aber die Schnittstelle innerhalb geführt hatte. Das war für uns beide eine sehr der Hochschule, das war da. Also das war okay, dramatische Situation. Ich habe mir daraufhin aber als Studentenwerksvertreterin wünschen geschworen das soll so bitte nicht nochmal sein, wir uns natürlich auch, dass wir mitgenommen das möchte ich nicht. Das jemand probiert zu werden.“ studieren, es aber vielleicht nicht schafft, das kann passieren, das ist auch normal und richtig Einige Studierende erleben diese Herausforderung in so; man soll was ausprobieren, aber bitte nicht in ihrer alltäglichen Realität, dass viele Institutionen sie einem solch hohen Semester.“ auf andere Institutionen oder Einrichtungen verwei- sen, ohne dass sich jemand verantwortlich fühlt, das Problem zu adressieren oder zu garantieren, dass auf die Probleme der Person eingegangen wird. Hier wurde in den Experten-Workshops deutlich, dass die eigene Initiative von Mitarbeitenden eine Rolle spielt, die die Grenzen ihrer Rollen oft überwinden müssen, um Stu- dierende auf einer persönlichen Ebene zu unterstüt- zen. Ein Experte erzählt: 2.3. sprachprobleme Dass die Sprache von großer Bedeutung für den Bil- darstellt, da ohne die Beherrschung der Sprache des dungserfolg ist, ist eine klassische These der Bildungs- Ziellandes eine Integration weder auf einer institutio- soziologie. Pierre Bourdieus (1991) Überlegungen auf- nellen oder akademischen noch der sozialen Ebene ge- greifend, ist Sprache als Mittel symbolischer Macht währleistet werden könne. Dies hätte auch zur Folge, nicht nur im Bildungsbereich relevant, sondern im dass klare Perspektiven einer Erwerbstätigkeit entwe- gesellschaftlichen Leben. Zahlreiche Studien unter- der während oder nach dem Studium nicht gegeben streichen die Rolle, welche Sprachschwierigkeiten für wären, was sowohl eine emotionale Auswirkung in die verminderten Bildungschanchen von Individuen Form mangelnder Motivation zum Abschluss, als auch aus bildungsfernen Familien und benachteiligten Auswirkungen in Form finanzieller Unsicherheiten Millieus spielen. In Bezug auf den Bildungserfolg von hätte. Nicht-Muttersprachlern im Hochschulbildungsbereich gibt es eine Reihe von Analysen und Diskussionen, die Doch die Problematik der Sprache stellt sogar eine He- auf die Frage eingehen, welche Rolle die Schwierigkei- rausforderung dar, wenn es um die Erforschung des zu ten der deutschen Sprache im Alltag und im Studium untersuchenden Phänomens an sich geht, da die Be- für die Bildungserfahrung spielen könnte (Bärenfänger herrschung der Sprache notwendig ist, um Daten mit et al., 2016; Wisniewski, 2018; Moll, 2015; Inozemtseva, Hilfe eines Fragebogens oder Interviews zu erheben. 2016; Ehlich und Steets, 2003). Eine mögliche These Während der Rekrutierung und der Durchführung der ist, dass das Sprachniveau eine Grundlage zum Erfolg Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland 21
Fokusgruppen13 wurde deutlich, wie viele Studierende „„Persönlich finde ich, dass dieser DAF-Test und sich nicht zutrauten oder nicht in der Lage waren, eine C1 und so, wenn man nicht länger hier lebt oder Meinung zu äußern. Es kann davon ausgegangen wer- wohnt, für das Studium nichts bringt. Es ist wun- den, dass Individuen mit starken Deutsch- oder Engli- derbar mit Leuten auf der Straße zu kommuni- schdefiziten die Teilnahme an den Gruppendiskussio- zieren und so weiter, aber tiefsinnig zu diskutie- nen gar nicht zusagen würden. ren oder zu schreiben, das geht nicht, finde ich. Also ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe Berg (2018) erläutert die Regularien in Bezug auf die auf Englisch zu schreiben, dann kann man sich sprachliche Voraussetzung, bevor eine Zulassung an besser äußern. Aber ich denke, dass wenn man einer deutschen Hochschule möglich ist: An vielen sich auf ein Studium in Deutschland vorbereitet, deutschen Hochschulen wird der Nachweis der Sprach- man ein bisschen tiefer als C1 gehen muss. Die kenntnisse auf Niveau B2 (Selbstständige Sprachver- sollten ein höheres Niveau haben.“ wendung) oder C1 (Kompetente Sprachverwendung) nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrah- Ein anderer Student fügt hinzu: men für Sprachen vorausgesetzt. Wie die qualitative Analyse zeigt, ist der Erwerb der Sprachkompentenz „„Bei meinem Deutschkurs hat eine Dozentin im- auf der Basis von Sprachzertifikaten, in manchen Fällen mer gesagt: Wenn man den DAF-Test bestanden nicht ausreichend, um eine adäquate Lebens- bzw. Bil- hat, sagt es nicht, dass man studieren kann. Man dungserfahrung in Deutschland zu ermöglichen. Wie sitzt in einem Seminar und man versteht nichts. ein Student berichtet: Und sie hat Recht. Ich war ganz langsam mit der Sprache, aber weil ich Zeit hatte, Gott sei Dank.“ „„Ich möchte auch über Sprache sprechen. Also in Korea als ich in Korea Deutsch gelernt habe habe Wie die Aussage zeigt, werden einige Studierende mit ich nur von Koreanern gelernt und sie sprechen einer Diskrepanz zwischen den Voraussetzungen, die eine ganz andere Sprache. Das habe ich in der nachzuweisen sind, und den eigentlichen Kompeten- Bahn gemerkt in Deutschland. Ein Deutscher zen, die notwendig sind, konfrontiert. Damit bestätigt kam zu mir und hat einen sehr kurzen Satz sich die Sicht einiger Experten, die darauf verweisen, gesagt und ich habe es nicht verstanden. Ich dass die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache habe damals schockiert gesagt: ‚Können Sie das wesentlich komplexer sind als vermutet. Einige inter- nochmal sagen?‘ und das immer wieder und er nationale Studierende befinden sich in einer kompli- hat dann irgendwann gesagt: *Seufzer* und war zierten Situation, wenn bürokratisch gesehen alle Vor- dann weg. Und das war wirklich schockierend für saussetzungen erfüllt worden sind, aber trotzdem eine mich, die Sprache ist ganz anders.“ differenzierte Wahrnehmung bzw. Behandlung von au- ßen stattfindet. Wie die folgende Aussage zeigt, wer- Ähnliche Erfahrungen wurden sowohl von Studie- den Erwartungen den Professoren und Professorinnen renden als auch von Hochschul-Expertinnen und -Ex- gegenüber nicht-Muttersprachlern thematisiert. Ein perten geäußert. Ein Bericht zu Sprachbiografien von Student fragt sich, ob es nur sein Eindruck sei, oder ob ausländischen Studierenden des Goethe-Instituts und er tatsächlich anders wahrgenommen und behandelt der CHE Consult unterscheidet zwischen vier deutlich werde: erkennbaren bildungsbiographischen Deutschlernpfa- den bei internationalen Studierenden14 (Bischof et al., „„Und ein anderes Ding ist ich finde es ist jetzt 2016). Diese Wege zeigen, wie unterschiedlich die Erfah- nur meine persönliche Erfahrung, aber ich finde rung mit der deutschen Sprache sein kann, was einen Professoren denken immer direkt, dass ich nicht Vergleich zwischen den Studierenden auf Basis eines so gut Deutsch kann. Der Professor wird immer Sprachnachweises problematisch macht. Es kann da- fragen: Möchtest du deine Hausarbeit auf Eng- von ausgegangen werden, dass die Sprachkompetenz, lisch schreiben? Ich habe nur gesagt: Ich möchte die im Rahmen eines Deutsch als Fremdsprache-Kurses versuchen das auf Deutsch zu schreiben und erworben wird, ungenügend als Vorbereitung auf eine dann sagte der Professor: Ja, okay, du kannst das Auseinandersetzung mit der Fachsprache eines spezifi- machen. Aber ich habe das schon drei Mal ge- schen Fachbereichs oder einer wissenschaftlichen Dis- hört, von drei verschiedenen Dozenten oder so.” ziplin ist. Ein Student reflektiert selbstkritisch über die unrealistische Erwartung, eine Fremdsprache innerhalb Man könnte aber auch annehmen, dass der Professor von Monaten oder wenigen Jahren zu beherrschen: bzw. die Professorin der Studierende helfen wollte, in- dem er/sie annimmt, es wäre leichter, wenn die Aufga- be auf Englisch erledigt werden könnte. Hier könnte es 13 Siehe Methodenbericht auf www.daad.de/sesaba. sich um ein interkulturelles Kommunikationsproblem 14 Deutschlernen vor jeglichem Studium, Erststudium im Ausland ohne handeln. Auch die Tatsache, sich mit einem bestimm- Deutschlernen, Erststudium im Ausland mit Deutschlernen, Kein Deutschlernen vor jeglichem Studium (Bischof et al., 2016 S. 5). ten Thema bislang nur auf einer anderen Sprache be- 22 Problemlagen und Herausforderungen internationaler Studierender in Deutschland
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