Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
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Globale Gesundheitspolitik gestalten – gemeinsam handeln – Verantwortung wahrnehmen Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik gestalten – gemeinsam handeln – Verantwortung wahrnehmen Konzept der Bundesregierung
2 Globale Gesundheitspolitik gestalten Globale Gesundheitspolitik gestalten – gemeinsam handeln – Verantwortung wahrnehmen Gesundheit leistet einen grundlegenden Beitrag für Mit unserem Engagement im Rahmen der globalen ein erfülltes und zufriedenes Leben. Gesundheit ist ein Gesundheitspolitik verfolgen wir folgende Leit zentrales Menschenrecht, eines der höchsten Güter al- gedanken: ler Menschen und zugleich wesentliche Voraussetzung für soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung a) Schutz und Verbesserung der Gesundheit der Be- und Stabilität. Gesundheit kann weltweit nur sicher- völkerung in Deutschland durch globales Handeln gestellt und verbessert werden durch gemeinsames globales Handeln. Wir wollen die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland nachhaltig schützen und verbessern. Globale Gesundheitsfragen stehen in engem Zusam- Grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren, aber auch menhang mit zahlreichen anderen Politikfeldern wie die gesundheitlichen Auswirkungen von Umweltbe- Entwicklung, Sicherheit, Handel, Wirtschaft, Men- lastungen und Klimawandel machen deutlich: Viele schenrechte, Ernährung, Landwirtschaft, Forschung, Gesundheitsprobleme manifestieren sich zwar vor Ort, Beschäftigung, Bildung, Migration, Umwelt- und haben aber ihren Ursprung in komplexen globalen Klimaschutz sowie humanitärer Hilfe. Vor diesem Zusammenhängen. Deshalb müssen nationale Re- Hintergrund sind in der globalen Gesundheitspolitik gierungen international kooperieren, um gemeinsam sektorübergreifende Lösungsansätze gefragt. Dem Antworten auf gesundheitspolitische Fragen zu finden. entsprechend werden globale Gesundheitsfragen Nur wenn wir global handeln, können wir umfassen- heute nicht mehr ausschließlich unter Gesund- den gesundheitlichen Schutz vor Ort sicherstellen. heitsexperten in den für Gesundheit zuständigen Fachorganisationen diskutiert. Einerseits hat der b) Wahrnehmung globaler Verantwortung durch die Bedeutungszuwachs von Gesundheitsfragen auf der Bereitstellung deutscher Erfahrungen, Expertise internationalen Ebene zu einem erheblichen Mittel und Mittel anstieg geführt, andererseits ist die Zahl von staat- lichen, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Wir wollen Verantwortung in der globalen Gesund- Akteuren stark gewachsen, was eine Fragmentierung heitspolitik wahrnehmen, indem wir deutsche Erfah- der globalen Gesundheitsarchitektur und das Risiko rungen, Expertise und Finanzmittel zur Verbesserung einer Duplizierung von Aktivitäten mit sich bringt. Um der globalen Gesundheit bereitstellen. Zusammen die Lösung globaler gesundheitspolitischer Heraus mit unseren Partnern können wir dazu beitragen, das forderungen mitzugestalten, ist ein klares internatio Recht auf Gesundheit zu verwirklichen und damit nales Profil Deutschlands gefragt. Es bedarf eines allen Menschen Zugang zu umfassenden Gesund- gezielten und abgestimmten Vorgehens, um auf heitsdiensten zu ermöglichen. Wir kommen unseren verschiedenen Ebenen bilaterale und multilaterale internationalen Verpflichtungen nach und wollen Zusammenarbeit wirksam im Sinne der Verbesserung unseren Partnern dabei helfen, nachhaltig finanzierte der globalen Gesundheit zu nutzen. und sozial gerechte Gesundheitssysteme aufzubauen. Damit tragen wir weltweit zur Armutsbekämpfung, zu wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und zum gesell- schaftlichen Zusammenhalt bei.
Globale Gesundheitspolitik gestalten 3 c) Stärkung internationaler Institutionen der • W irksam vor grenzüberschreitenden Gesundheits- globalen Gesundheit gefahren schützen • Gesundheitssysteme weltweit stärken – Entwick- Die Bundesregierung setzt sich für ein wirkungsvolles, lung ermöglichen kooperatives und gleichberechtigtes Handeln in interna- • Intersektorale Kooperationen ausbauen – Wechsel- tionalen Foren der globalen Gesundheitspolitik ein, denn wirkungen mit anderen Politikbereichen effektives und abgestimmtes globales Handeln setzt • Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft – starke internationale Institutionen voraus. Wir können Wichtige Impulse für die globale Gesundheit setzen globale Gesundheitspolitik nur in enger Zusammenar- • Globale Gesundheitsarchitektur stärken beit mit unseren Partnern angehen. Wir wollen unsere Mittel so wirksam und effizient wie möglich einsetzen. Kapitel I stellt zunächst die Rahmenbedingungen für einen deutschen Beitrag zur globalen Gesundheitspo- litik dar. Das Konzept „Globale Gesund Kapitel II klärt, auf welchen Ebenen die Bundesregie- heitspolitik gestalten“ rung bereits heute globale Gesundheitspolitik gestal- tet. Das Konzept kann nicht das deutsche Engagement Mit dem Konzept „Globale Gesundheitspolitik ge- in seiner gesamten Vielfalt darstellen. Vielmehr gilt es, stalten“ stellt sich die Bundesregierung den neuen die wesentlichen Beiträge und Initiativen aufzuzeigen. Herausforderungen in der globalen Gesundheitspoli- Dabei werden einige wichtige Akteure und Maßnah- tik. Mit der Verabschiedung und der Umsetzung dieses men vorgestellt. umfassenden Konzepts geben wir dem deutschen Beitrag zur Lösung globaler Gesundheitsprobleme Kapitel III erläutert den wertebasierten Ansatz, der eine neue Qualität. Das vielfältige Engagement deut- Grundlage unseres Beitrags ist. scher Akteure soll besser koordiniert werden, um die Wirksamkeit des deutschen Beitrags zu erhöhen. In Kapitel IV wird erläutert, welche Ziele in diesen Schwerpunktbereichen kurz- und mittelfristig erreicht Die Zuständigkeiten sind innerhalb der Bundesregie- werden sollen. Dabei zeigt das Konzept die grundsätz- rung auf verschiedene Bundesministerien verteilt. Für liche Ausrichtung der Politik der Bundesregierung in ein klareres deutsches Profil angesichts der unüber- der globalen Gesundheitspolitik auf, beschränkt das sichtlichen globalen Gesundheitsarchitektur und be- Engagement Deutschlands aber nicht exklusiv auf grenzter nationaler Ressourcen bedarf es der langfris- diese Bereiche. Vielmehr bleibt Raum für individuelle tigen Konzentration auf ausgewählte Schwerpunkte, Ansätze, um den jeweiligen Besonderheiten und neuen in denen Deutschland komparative Stärken aufweist Herausforderungen gerecht zu werden. und nachhaltig zu einer Verbesserung der Gesundheit weltweit beitragen kann. Abschließend erläutert Kapitel V, auf welche Weise die Bundesregierung ihre Aktivitäten bündelt. Es wird dar- Nach einer realistischen Analyse und Einschätzung der gestellt, wie die Bundesregierung die Ziele in einzelnen Chancen und Potenziale unserer globalen Gesundheits- Aktionsfeldern abstimmt und kohärent umsetzt. politik konzentrieren wir uns auf fünf Schwerpunkte:
Globale Gesundheitspolitik gestalten 5 Inhaltsverzeichnis I. Gesundheit im Wandel der Globalisierung – neue Herausforderungen und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Deutschland – Verlässlicher Partner in der globalen Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Universelle Werte – Unsere Grundlage für globales Handeln . . . . . . . . . . . . 14 IV. Unsere Schwerpunkte – Gezielter Einsatz für die globale Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren wirksam bekämpfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Gesundheitssysteme weltweit stärken – Entwicklung ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Intersektorale Kooperationen ausbauen – Wechselwirkungen mit anderen Politikbereichen. . . . . . . . . . . . 25 4. Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft – Wichtige Impulse für die globale Gesundheit setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 5. Globale Gesundheitsarchitektur stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Deutsche globale Gesundheitspolitik – mit einer Stimme sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 VI. Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Globale Gesundheitspolitik gestalten 7 I. Gesundheit im Wandel der Globalisierung – neue Heraus forderungen und Chancen Der Prozess der Globalisierung hat weitreichenden Ein- auch viele neue Möglichkeiten und vielversprechende fluss auf gesundheitspolitische Fragestellungen. Neue Lösungsansätze. Die erhöhte Mobilität und neue Kom- Technologien und offene Märkte haben die Mobilität munikationsprozesse haben den Zugang zu Medika- von Menschen, Gütern und Dienstleistungen erhöht und menten, Technologien, Wissen und Forschung wesent- damit auch neue Herausforderungen an den Gesund- lich vereinfacht. Medikamente können schneller und heitsschutz geschaffen: Der zunehmende Handels- und kostengünstiger transportiert werden. Neue pharma- Reiseverkehr erleichtert die Verbreitung von Gesund- zeutische Produktionsstätten schaffen qualifizierte heitsgefahren über Länder- und Kontinentgrenzen Arbeitsplätze in Schwellen- und Entwicklungsländern. hinaus. Neue Infektionsgefahren können durch interna- Der wissenschaftliche Austausch zwischen den For- tionalen Flug- und Reiseverkehr und Handelsbeziehun- schungseinrichtungen des Nordens und Südens, aber gen nahezu jeden Erdteil innerhalb weniger Stunden und auch im Rahmen neuer Süd-Süd-Kooperationen hat Tage erreichen. Epidemien können innerhalb kurzer Zeit einen erfreulichen Aufschwung genommen. Die stär- zu lang anhaltenden gravierenden Folgen führen. kere internationale Vernetzung hat mit dazu beigetra- gen, Gesundheitsfragen als festen Bestandteil auf den Die Globalisierung befördert zugleich die weltweite internationalen Agenden, beispielsweise im Kontext Angleichung von Lebens- und Konsumgewohnheiten. der Vereinten Nationen (VN), zu verankern. Drei der Hiermit einher geht die Ausbreitung von nicht-über- Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) beziehen sich tragbaren chronischen Erkrankungen, die mittlerwei- unmittelbar auf den Gesundheitsbereich. le nicht mehr nur ein Problem in Industrieländern, sondern vermehrt auch in den Schwellen- und Entwick- Das notwendige medizinische Wissen, um weltweit lungsländern darstellen. Langanhaltende Krankheiten Gesundheit zu fördern, Krankheiten zu vermeiden und und vermeidbare Todesfälle durch Infektionskrankhei- zu bekämpfen sowie die hierfür erforderlichen tech- ten und zunehmend auch als Folge von chronischen nischen und finanziellen Mittel stehen heute in einem nicht-übertragbaren Erkrankungen beeinträchtigen größeren Maße als je zuvor zur Verfügung. Das gestei- Entwicklungschancen und wirtschaftliches Wachs- gerte internationale Engagement hat aber auch zu einer tum sowie die soziale und politische Stabilität ganzer wachsenden Anzahl von Initiativen im Gesundheitsbe- Regionen. Sie sind eine wesentliche Ursache von Armut, reich geführt. Zugleich engagieren sich vermehrt neue, verlorenen Entwicklungschancen, Ungleichheit und nicht-staatliche Akteure in der globalen Gesundheitspo- damit einhergehenden Konflikten. Die Folgen des Kli- litik und werden zu starken Akteuren. Zunehmend sind mawandels stellen eine weitere neue gesundheitspoliti- auch Stiftungen hinzugekommen, die sich mit weitrei- sche Herausforderung dar. Die Bekämpfung von Hunger chenden finanziellen Mitteln bei der Lösung globaler und Mangelernährung bleibt eine Herausforderung Herausforderungen im Gesundheitsbereich einbringen. für viele Staaten. Darüber hinaus hat der zunehmende Der Privatsektor spielt ebenfalls eine große Rolle in For- Handels- und Reiseverkehr zu einem Anstieg des illega- schung und Entwicklung, Versorgung mit Medikamen- len Handels mit Drogen, Alkohol, Tabakprodukten und ten und Medizintechnologie und in der medizinischen gefälschten Arzneimitteln geführt, mit weitreichenden Versorgung. Die wachsende Akteursvielfalt macht es gesundheitlichen und gesundheitspolitischen Folgen. zunehmend erforderlich, die Aktivitäten dieser Organi- sationen, globalen Initiativen und der bilateralen Geber Die Globalisierung stellt die Gesundheitspolitik jedoch zu koordinieren, um die Zusammenarbeit im internatio- nicht nur vor neue Herausforderungen, sondern bietet nalen Gesundheitswesen effizienter zu gestalten.
Globale Gesundheitspolitik gestalten 9 II. Deutschland – Verlässlicher Partner in der globalen Gesundheitspolitik Deutschland ist Initiator und zuverlässiger Partner Bilaterale Zusammenarbeit bei der Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Herausforderungen in der globalen Gesundheitspolitik. im Gesundheitsbereich Die Bundesregierung beteiligt sich durch zahlreiche Initiativen an der Weiterentwicklung der globalen Ge- Die Bundesregierung arbeitet in ihren verschiedenen sundheitsarchitektur und engagiert sich in verschiede- Politikfeldern partnerschaftlich mit einer Vielzahl von nen Internationalen Organisationen und multilateralen Ländern weltweit im Gesundheitsbereich zusammen. Foren zur Förderung der globalen Gesundheit. Deutschland hat mit über einem Dutzend Partnerlän- dern und Regionen einen Gesundheitsschwerpunkt in Deutschland übernimmt in finanzieller Hinsicht globa- der bilateralen EZ vereinbart. Ziele sind die Stärkung der le Verantwortung. Seit 2000 hat die Bundesregierung Gesundheitssysteme, die Reduzierung der Mütter- und die Ausgaben für bi- und multilaterale Entwicklungs- Kindersterblichkeit sowie die Bekämpfung von HIV/AIDS zusammenarbeit (EZ) im Gesundheitssektor mehr als und anderer übertragbarer Krankheiten. Ebenso ist die verdreifacht. Sie belaufen sich derzeit auf mehr als 700 Unterstützung von bilateralen Projekten in der Gesund- Mio. Euro jährlich. heitsforschung langjährige Praxis der Bundesregierung. Deutsch-chinesische Kooperation im Gesundheitsbereich Die Zusammenarbeit im Gesundheitssektor zwischen Deutschland und China blickt auf eine über 30-jährige erfolgreiche Geschichte zurück. Das 1980 von den Gesundheitsministerien geschlossene Abkommen zur Förderung der Zusammenarbeit im Gesundheitssektor schafft die Voraussetzungen für einen vertrauensvollen Erfahrungsaustausch in zahlreichen Bereichen der medizinischen Versor- gung, über Strukturen und Finanzierungsformen von Gesundheitssystemen bis hin zu Aspekten der Qualitätssicherung und des Krankenhausmanagements. Augenblicklicher Schwerpunkt ist die Weiterbildung chinesischer Lungenfachärzte beim Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose im Bereich moderner Kontroll-, Diagnostik- und Behandlungsmethoden der Tuberkulose. Die Bundesregierung unterstützt den Erfahrungsaustausch insbesondere durch Hospitationen. China gehört zu den 22 am höchsten mit Tuberkuloseinfektio- nen belasteten Ländern und zugleich zu den fünf am stärksten von multiresistenten Tuberkulosen betroffenen Ländern der Welt. Darüber hinaus unterstützt Deutschland den Aufbau modellhafter Einrichtungen von Mammografie- einheiten bzw. interdisziplinären Brustzentren an chinesischen Unikliniken. In China ist die Mam- mographie bisher nur rudimentär entwickelt, die Brustkrebsfallzahlen steigen allerdings seit einigen Jahren stark an. Der deutsch-chinesische Know-How-Transfer setzt bei der patientenschonenden Diagnostik und Therapie an und bezieht sowohl Ärzte, medizinisch-technische Berufe als auch Pflege- personal ein. Im Mittelpunkt steht die Stärkung des interdisziplinären Ansatzes.
10 Globale Gesundheitspolitik gestalten Die Verwirklichung des Menschenrechts auf Gesund- und koordinierende Rolle in der globalen Gesundheits- heit sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter architektur ein. Deutschland zahlt unter den 194 Mit- sind zentrale Ziele aller Gesundheitsprogramme, die gliedstaaten nach den USA und Japan den drittgrößten von Deutschland unterstützt werden. Die Bundesre- Regulärbeitrag. Die Bundesregierung tritt für eine gierung arbeitet in Gesundheitsfragen intensiv mit den Stärkung der WHO ein und nutzt ihre Mitgliedschaft unmittelbaren Nachbarn Deutschlands zusammen. in den Verwaltungsgremien, um die Reform der WHO Darüber hinaus besteht im Rahmen der Gesundheits- tatkräftig mitzugestalten. politik ein besonderer partnerschaftlicher Austausch mit vielen neuen Akteuren aus dem osteuropäischen, Deutschland ist aktives Mitglied des Verwaltungsrates arabischen, zentralasiatischen und asiatischen Raum. von UNAIDS. UNAIDS hat das Mandat, einen gemein- Wichtiges Ziel dieser Partnerschaften ist die dauer samen und komplementären Ansatz in der HIV/AIDS- hafte Stärkung der Gesundheitssysteme. Bekämpfung auf internationaler und nationaler Ebene zu fördern. Es ist die erste VN-Organisation, die seit ihrer Gründung Nichtregierungsorganisationen (NROs) Die Vereinten Nationen einbindet und damit beispielhaft für andere VN-Orga- nisationen steht. Deutschland fördert insbesondere das Die Bundesregierung fördert eine multilateral und Bestreben, die Effektivität und inhaltliche Fokussierung global ausgerichtete Gesundheitspolitik auf der von UNAIDS und seiner Ko-Sponsoren zu erhöhen. Grundlage legitimierter und effektiver internationaler Institutionen. Deutschland leistet einen umfassenden Deutschland ist einer der fünf Gründungsstaaten Beitrag an multilaterale Organisationen im Gesund- und drittgrößter Beitragszahler des Internationalen heitsbereich. Die VN sind die einzige internationale Krebsforschungszentrums (IARC) mit Sitz in Lyon. Das Institution, die aufgrund ihrer weltumspannenden IARC ist ein Institut der WHO, das zur Erforschung der Mitgliedschaft universelle politische Legitimation ge- Ursachen von Krebserkrankungen weltweit epidemio- nießt. Deutschlands Mitgliedschaft in den VN ist und logische Studien über Krebs durchführt bzw. auswertet bleibt der zentrale und universale Bezugsrahmen der und Präventionsstrategien erarbeitet. multilateralen Politik Deutschlands. Im System der VN steht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Im Drogenbereich ist Deutschland aktives Mitglied in Mittelpunkt des Engagements der Bundesregierung in der jährlich tagenden Suchtstoffkommission (Commis- der globalen Gesundheitspolitik. sion on Narcotic Drugs – CND) und arbeitet eng mit dem VN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämp- Die WHO ist als Sonderorganisation der VN für Ge- fung (UNODC) in Wien zusammen. sundheit unverzichtbar. Sie nimmt eine übergeordnete Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Die Weltgesundheitsorganisation ist eine Sonderorganisation der VN. Sie wurde am 7. April 1948 mit dem Ziel gegründet, für alle Völker das höchstmögliche Gesundheitsniveau zu erreichen. Die WHO hat heute 194 Mitgliedstaaten. Sie ist federführend in globalen Gesundheitsfragen. Zu ihrem Mandat gehören die Festlegung weltweit gültiger Normen und Standards, die Formulierung evidenzbasierter gesundheitspolitischer Grundsätze sowie die Ausgestaltung der Forschungsagenda für Gesundheit. Die WHO unterstützt ihre Mitgliedstaaten bei der fachlichen Umsetzung von Gesundheitsprogram- men, sie überwacht und bewertet gesundheitliche Trends, fördert die medizinische Forschung und leistet Soforthilfe bei Katastrophen. Sie hat ihren Hauptsitz in Genf und ist aufgeteilt in 6 Regionen, die jeweils von einem Regionalbüro gesteuert werden. Darüber hinaus verfügt sie über 150 Länderbüros und beschäftigt über 7.000 Mit arbeiter weltweit. Der Zweijahreshaushalt sieht derzeit fast 4 Milliarden USD vor.
Globale Gesundheitspolitik gestalten 11 Das multilaterale Engagement der Bundesregierung in Wichtige weitere Partner sind die Weltbank (WB) und der globalen Gesundheitspolitik ist vielschichtig. Die regionale Entwicklungsbanken. Darüber hinaus arbei- Bundesregierung unterstützt neben der WHO und UN- ten wir mit NROs, kirchlichen Entwicklungsorganisati- AIDS u. a. das VN-Entwicklungsprogramm (UNDP), den onen, Stiftungen und privatwirtschaftlichen Akteuren VN-Bevölkerungsfonds (UNFPA), das VN-Kinderhilfs- im Gesundheitsbereich zusammen. werk (UNICEF) sowie UN Women. Daneben engagiert sich die Bundesregierung zur Bekämpfung von Hunger und Unterernährung in besonderem Maße bei der „G“-Formate und VN-Ernährungs- und Agrarorganisation (FAO), dem Welternährungsausschuss (CFS), dem Welternährungs- internationale Kooperation programm (WFP) sowie dem Codex Alimentarius. Die Bundesregierung beteiligt sich an neuen Initiati- ven zur Stärkung der globalen Gesundheitspolitik im Neue Initiativen und Bündnisse Rahmen der „G“-Formate (G7/G8/G20). Diese Formate stellen eine wichtige Ergänzung zu bewährten Struk- in der globalen Gesundheit turen, wie den VN, dar. Die Bundesregierung fördert global ausgerichtete Gesundheitsinitiativen wie die G8 Deutschland kann auf vielen internationalen Initia Muskoka-Initiative, zu deren Umsetzung die Bundes- tiven aufbauen. Wir wollen durch strategische Bünde- regierung bis 2015 zusätzliche 400 Millionen Euro für lung unserer Beiträge wichtige Synergien erzielen und die Bereiche Familienplanung und Müttergesundheit globale Gesundheitsthemen voranbringen. bereitstellt, oder die unter deutscher G8-Präsident- schaft 2007 in Heiligendamm gegründete „Providing Deutschland ist Mitglied der Global Health Security for Health“-Initiative (P4H), die Partnerländer bei der Initiative (GHSI). Das informelle Netzwerk der G7- Gestaltung einer nachhaltigen und sozial gerechten Staaten und Mexikos unter Beteiligung der Europä Gesundheitssystemfinanzierung unterstützt. ischen Kommission und der WHO wurde nach den Ter- roranschlägen vom 11. September 2001 gegründet, um Deutschland hat sich kontinuierlich für die Social im Gesundheitsbereich besser auf biologische, chemi- Protection Floor-Initiative der Internationalen Arbeits sche oder radionukleare Bedrohungen – insbesondere organisation (ILO) eingesetzt. Die diesbezüglich von der durch den internationalen Terrorismus – vorbereitet zu ILO im Jahr 2012 verabschiedete Empfehlung hat den sein und im Ereignisfall reagieren zu können. Auf- und Ausbau von sozialen Sicherungssystemen in Schwellen- und Entwicklungsländern zum Ziel. Die Bundesregierung ist seit der Gründung im Jahr 2002 ein wichtiger und verlässlicher Förderer des Glo- Die Bundesregierung beteiligt sich an der Arbeit der Or- balen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose ganisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- und Malaria (GFATM). Die Bundesregierung sieht den wicklung (OECD) mit Sitz in Paris. Die wissenschaftlich GFATM als ein zentrales Finanzierungsinstrument der fundierten, komplexen Analysen zu Gesundheitsthemen, internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitsbe- insbesondere Systemvergleiche zwischen OECD-Län- reich, beispielgebend für eine enge, koordinierte und dern und Länderstudien zu Gesundheitsthemen, bilden vertrauensvolle Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, eine wertvolle Grundlage für politische Entscheidungen. Privatsektor und Regierungen. Die Bundesregierung arbeitet intensiv mit, um die Wirkungen, Resultate und Als Mitglied des Europarats tritt Deutschland dafür die Effizienz des Fonds zu steigern. ein, dass in der Sozial- und Gesundheitspolitik Maß- stäbe gesetzt werden, die über die Europäische Union Im Kampf gegen Kindersterblichkeit hat sich die Bundes- (EU) hinaus greifen. Das im Europarat angesiedelte Eu- regierung mit starken Partnern verbündet und gemein- ropäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln sam mit der Bill & Melinda Gates Stiftung das deutsche (EDQM) befasst sich u. a. mit Fragen zur Bluttransfu Engagement bei der Globalen Impfallianz (GAVI Alliance) sion und zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen. verstärkt. Dadurch tragen wir dazu bei, auch in armen Ländern die Gesundheit von Kindern durch Impfungen Im Ostseeraum engagiert sich Deutschland als gegen vermeidbare Krankheiten zu schützen. Mitglied der Partnerschaft für öffentliche Gesund-
12 Globale Gesundheitspolitik gestalten heit und soziales Wohlergehen gemeinsam mit den zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und Ostseeanrainerstaaten in der Nördlichen Dimension vielen weiteren Instituten verfügt die Bundesregierung (NDPHS). Diese zielt auf die Reduzierung der Aus- über international herausragende Einrichtungen, die breitung übertragbarer Krankheiten, Prävention von durch den fachlich-inhaltlichen Austausch die inter- nicht-übertragbaren Krankheiten und Verbesserung nationale Zusammenarbeit befördern. Das RKI ist u. a. des Gesundheitszustandes der Bevölkerung durch eine durch den Sitz regionaler Referenzlabore der WHO, bessere Gesundheitsversorgung ab. bei der Analyse von Epidemieausbrüchen und durch zahlreiche Forschungskooperationen in der globalen Gesundheitspolitik ein gesuchter Partner. Experten des Langjährige Erfahrungen, PEI sind in den Arbeitsgruppen verschiedener interna- tionaler Organisationen im Rahmen der Zulassung und besondere Werte und Potenziale Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Unbe- denklichkeit von Impfstoffen und biomedizinischen Grundlage unserer Aktivitäten in der globalen Ge- Arzneimitteln (z. B. Blutprodukten, Arzneimitteln für sundheitspolitik sind unsere Werte und Erfahrungen. neuartige Therapien) eingebunden. Die BZgA wirkt am Deutschland kommt in der globalen Gesundheitspolitik internationalen Erfahrungsaustausch mit zur ständi- nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen Leistungs gen Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung, fähigkeit, sondern auch aufgrund seiner Erfahrungen Prävention von Krankheiten und dem internationalen mit dem weltweit ältesten Sozialversicherungssystem Austausch, insbesondere in den Bereichen sexuelle eine besondere Rolle zu. Das leistungsfähige Sozial- und reproduktive Gesundheit sowie zu den sozialen versicherungssystem hat wesentlich zu Wohlstand, Determinanten von Gesundheit. Wachstum und sozialem Frieden in Deutschland bei getragen. Soziale Sicherheit, Solidarität und universeller Mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zu- Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdiensten sind sammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wieder- Werte, die Deutschland aufgrund eigener Erfahrungen aufbau (KfW) verfügt die Bundesregierung über zwei besonders glaubwürdig im globalen Kontext geltend höchst innovative, effektive und international in über machen kann. Deutschland wird gerade aufgrund die- 130 Ländern vertretene Durchführungsorganisationen, ser spezifischen Erfahrungen als Partner in der globa- denen sich die Bundesregierung zur Umsetzung ihrer len Gesundheitspolitik gesucht. Ziele in der globalen Gesundheitspolitik bedient. Die GIZ und die KfW werden international aufgrund ihrer Deutsche Gesundheitsexpertise wird weltweit ge- besonderen Fachexpertise geschätzt und tragen in we- schätzt und gesucht. Mit dem Robert Koch-Institut sentlicher Hinsicht zum Erfolg des deutschen Beitrags (RKI), dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), der Bundes- zur globalen Gesundheitspolitik bei. WHO-Kollaborationszentren Der besondere Beitrag des Wissens- und Forschungsstandorts Deutschland wird durch die hohe Anzahl an WHO-Kollaborationszentren in Deutschland bestätigt. Die Bundesregierung fördert einige WHO-Kollabo- rationszentren finanziell. Die WHO-Kollaborationszentren sind universitäre Fakultäten und Forschungs- einrichtungen, aber auch Behörden, die von der WHO benannt werden, um sie bei der Durchführung ihres globalen Mandats zu unterstützen. Sie ermöglichen der WHO den Zugriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die weit über die eigentlichen WHO-Ressourcen hinausgehen. Die WHO hat über ihre Kol- laborationszentren Zugang zu den weltweit renommiertesten Gesundheitsinstitutionen und Forschungs- instituten und kann so die wissenschaftliche Validität ihrer Aktivitäten sicherstellen. Durch dieses globale wissenschaftliche Netzwerk kann die WHO ihre globale Führungsrolle wissenschaftlich untermauert ausüben. Die deutschen WHO-Kollaborationszentren decken eine Vielzahl an Themen ab, u. a. Jugendge- sundheit, Strahlenschutzunfallmanagement, Luftreinhaltung, Trinkwasser, Tabakkontrolle, Blutprodukte, Gesundheitssystemstärkung sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit. Damit leisten sie einen wichti- gen Beitrag zur globalen Gesundheit.
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14 Globale Gesundheitspolitik gestalten III. Universelle Werte – Unsere Grundlage für globales Handeln Der Beitrag Deutschlands zur globalen Gesundheits- Deutschland wirkt mit politik ist von universellen Werten geleitet. Die deut- sche Politik bekennt sich zu den Menschenrechten und durch Europa als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt (Artikel 1 Deutschland gestaltet seine Beiträge zur globalen Absatz 2 Grundgesetz). Gesundheitspolitik im Einklang mit europäischer Politik. Der EU kommt eine maßgebliche Rolle bei Gesundheit ist gemäß der Satzung der WHO „ein der Bewältigung der globalen Herausforderungen im Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen Gesundheitsbereich zu. Wir setzen uns auf europä- Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krank- ischer Ebene gemeinsam dafür ein, das Recht eines heit und Gebrechen. Es ist eines der Grundrechte jedes jeden Menschen auf ein Höchstmaß an physischer Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion, und psychischer Gesundheit zu schützen und zu der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen fördern. Die EU-Gesundheitssysteme basieren auf oder sozialen Lage, sich einer möglichst guten Ge- einem klaren Wertegerüst: sundheit zu erfreuen“. • Universalität Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der VN • Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von 1948 legt fest, dass jeder das Recht hat auf einen von guter Qualität Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesund- • Gleichbehandlung und heit und Wohl gewährleistet, einschließlich ärztlicher • Solidarität. Versorgung und notwendiger sozialer Leistungen. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und Als Mitgliedstaat der EU werben wir für unsere ge- kulturelle Rechte von 1966 (WSK-Pakt) erkennt das meinsamen europäischen Werte, Interessen und Posi- Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchst- tionen. Deutschland bringt sich zu Fragen der globalen maß an körperlicher und geistiger Gesundheit an. Ge- Gesundheitspolitik aktiv in den EU-Gremien ein. sundheit ist ein wesentlicher Aspekt in allen einschlä- gigen menschenrechtlichen Konventionen der VN. Auch dem Menschenrecht auf Nahrung kommt eine Prinzipien der besondere Bedeutung zu. Nach der Allgemeinen Bemerkung Nr. 12 des Ausschusses für wirtschaftliche, guten Regierungsführung soziale und kulturelle Rechte der VN zum WSK-Pakt ist das Recht auf angemessene Nahrung dann ver- Lösungen für globale Gesundheitsfragen verspre- wirklicht, „wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, chen nur dann langfristigen Erfolg, wenn sie auf einzeln oder gemeinsam mit anderen, jederzeit physi- einem konstruktiven Austausch mit allen Beteiligten schen und wirtschaftlichen Zugang zu angemessener aufbauen und die Prinzipien der Legitimität, Trans- Nahrung oder Mitteln ihrer Beschaffung haben.“ parenz und Rechenschaftspflicht bei der politischen Entscheidungsfindung beachten.
Globale Gesundheitspolitik gestalten 15 Die Bundesregierung setzt sich deshalb für politi- Gewährleistung individueller und kollektiver Rechte sche Teilhabe im gesundheitspolitischen Prozess als einzufordern und zu überwachen, eine besondere wesentliches Element von Demokratieförderung, Rolle zu. Das Engagement der Zivilgesellschaft bei Staatsentwicklung und guter Regierungsführung Fragen der globalen Gesundheit ist vielfältig und (Good Governance) ein. trägt in wesentlichem Umfang zur Lösung globaler gesundheitlicher Probleme bei. Die Bundesregierung Der Ausschluss vom Zugang zu angemessener Ge- begrüßt das starke Engagement der Zivilgesellschaft sundheitsversorgung geht häufig einher mit unzu- in der globalen Gesundheitspolitik, setzt sich für eine reichenden demokratischen Strukturen, fehlender Stärkung der Teilhabe der Zivilgesellschaft bei inter- Gleichstellung der Geschlechter, mangelnder politi- nationalen Prozessen ein und sucht den Austausch mit scher Teilhabe oder Diskriminierung von besonders der Zivilgesellschaft. verletzlichen Bevölkerungsgruppen wie Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen. Alle Bevölke- Dem Staat kommt wiederum eine wichtige Rolle in rungsgruppen müssen die Möglichkeit haben, ihre der Regulierung des Gesundheitssektors zu, um allen Interessen zu artikulieren und gesundheitspolitische Bevölkerungsschichten den Zugang zu qualitativ Prozesse mitzugestalten. guten und bezahlbaren Gesundheitsdienstleistungen zu ermöglichen, Qualitätsstandards einzuführen und Der Zivilgesellschaft kommt aufgrund ihrer Funk durchzusetzen und eine effektive Kooperation öffent- tion, gesellschaftliche Interessen zu bündeln und sie licher und privater Akteure zum Wohl der Bevölkerung gegenüber staatlichen Stellen und internationalen zu ermöglichen. Institutionen zu vertreten sowie Achtung, Schutz und Weltgesundheitsversammlung (WHA), Genf
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Globale Gesundheitspolitik gestalten 17 IV. Unsere Schwerpunkte – Gezielter Einsatz für die globale Gesundheit 1. Grenzüberschreitende Gesund- Wir setzen uns für eine stärkere internationale, sektor übergreifende Vernetzung aller Akteure bei der Be- heitsgefahren wirksam bekämpfen reitschaftsplanung zur Bewältigung grenzüberschrei- tender Gesundheitsbedrohungen ein. Die betroffenen Grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren verlangen Akteure aus verschiedenen Politikbereichen müssen eine verstärkte strategische und situative Zusammenar- auf internationaler Ebene noch enger miteinander ko- beit auf globaler Ebene sowie effiziente Präventions- und operieren. Dadurch wird das Risiko von Doppelarbeit Schutzmechanismen bei uns und unseren Partnerlän- verringert und die im Krisenfall oft besonders knappen dern. Hierfür bilden die Internationalen Gesundheitsvor- Ressourcen werden bestmöglich eingesetzt. schriften (IGV) das völkerrechtliche Fundament. Die Bundesregierung setzt sich für die Vernetzung und den effektiven Informationsaustausch durch gut Stärkung der Bereitschaftsplanung strukturierte, miteinander verbundene oder integrierte Meldesysteme ein. Die Kommunikation mit den Kri- Übertragbare und lebensmittelbedingte Krankhei- senstäben anderer Staaten, der WHO und der EU muss ten können sich rasch verbreiten. Sie haben in der gesichert sein, um koordinierte Gegenmaßnahmen Regel einen natürlichen Ursprung, können aber auch und Hilfeleistung zu gewährleisten. Deshalb unter- durch das absichtliche Freisetzen gefährlicher Erreger stützen wir den internationalen Austausch und setzen verursacht werden. Genauso wie Naturkatastrophen uns für effektive Früh- und Schnellwarnsysteme im können sie große Schäden zur Folge haben und stellen Gesundheitsbereich auf europäischer und internatio- eine globale gesundheitspolitische Herausforderung naler Ebene ein, insbesondere im Rahmen der IGV und dar. Sie zeigen, dass gesundheitlicher Bevölkerungs- der GHSI. schutz auf nationaler und internationaler Ebene Informationsaustausch durch Schnell- und Früh- warnsysteme, gemeinsame Konzepte sowie Koope- Schutz vor Antibiotikaresistenzen ration und Koordinierung erfordert. Gesundheitliche Großschadenslagen wie beispielsweise die Influenza Antibiotika stellen eines der wichtigsten Instrumente pandemie A (H1N1) im Jahre 2009 oder bioterroristi- der Bekämpfung von bakteriellen Infektionen dar. Die sche Anschläge können nicht allein durch den Gesund- Behandlung solcher Erkrankungen wird jedoch zuneh- heitsbereich überwunden werden, denn sie betreffen mend durch die weltweit steigende Zahl resistenter eine Vielzahl von Sektoren. Eine etablierte vertrauens- Erreger erschwert oder sogar unmöglich gemacht. volle und sektorübergreifende Zusammenarbeit bei Dies führt zu einer erhöhten Sterblichkeit, längerer der Identifizierung von und im Umgang mit biologi- Behandlungsdauer und höheren Behandlungskos- schen Gefahren ist ein tragendes Fundament, um in ten. Hauptursachen der zunehmenden Resistenz von Krisenzeiten eine transparente Kommunikation, einen bakteriellen Erregern sind der unsachgemäße Einsatz offenen Erfahrungsaustausch sowie ein international von Antibiotika sowie die oft inkonsequente Anwen- koordiniertes Vorgehen auch in sensiblen Bereichen zu dung notwendiger Hygienemaßnahmen. Während gewährleisten und leistet dadurch einen wesentlichen Infektionen mit multiresistenten Erregern zunehmen, Beitrag zur multilateralen Gesundheitssicherstellung befinden sich derzeit nur wenige neue Antibiotika in bei grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren. der fortgeschrittenen klinischen Entwicklung, auf die
18 Globale Gesundheitspolitik gestalten Internationale Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) Am 23. Mai 2005 beschloss die Weltgesundheitsversammlung (WHA) eine überarbeitete Fassung der IGV. Die IGV sind das zentrale, für die Vertragsparteien verbindliche Rechtsinstrument im Zuständig- keitsbereich der WHO, um eine grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Zweck der IGV ist es, „die internationale Verbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen, davor zu schützen und dagegen Gesundheitsschutzmaßnahmen einzuleiten, und zwar in einer Weise, die den Gefahren für die öffentliche Gesundheit entspricht und auf diese beschränkt ist und eine un- nötige Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs und Handels vermeidet“. Die IGV stellen unter den Bedingungen einer globalisierten Welt eine angemessene Balance zwischen dem Gesundheits- schutz und der Freiheit des Handels- und Reiseverkehrs her. Herzstück der IGV ist ein internationales Meldesystem. Jeder Vertragsstaat hat nach den Vorgaben eine rund um die Uhr erreichbare nationale Anlaufstelle eingerichtet, die mit einer für die jeweilige WHO- Region zuständigen Kontaktstelle in Verbindung steht. Mithilfe der IGV wird bestimmt, welche Ereig- nisse eine sogenannte „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ darstellen können und deswegen an die WHO zu melden sind. Neben Gefahren aufgrund von übertragbaren Krankheiten fal- len seit 2005 auch Gefahren chemischen oder radionuklearen Ursprungs in den Anwendungsbereich. Mit dem 2009 von der Bundesregierung initiierten Vorhaben „Förderung der Pandemievorsorge in Entwicklungsländern“ wurde die Erstellung und Umsetzung von Pandemievorsorge und -be kämpfungsstrategien in Partnerländern bis 2013 unterstützt. Das Vorhaben in 16 Partnerländern (Burkina Faso, Ghana, Guinea, Kambodscha, Kenia, Indonesien, Malawi, Nepal, Pakistan, Senegal, Tansania, Tadschikistan, Togo, Ukraine, Usbekistan, Zentralafrikanische Republik) diente der Ausbil- dung von Kernkapazitäten, die für die Umsetzung der IGV notwendig sind. Mit dem Vorhaben konnte ein wichtiger Beitrag geleistet werden, die Partnerländer in die Lage zu versetzen, unvorhergesehene Infektionsgeschehen mit Epidemie- und Pandemiepotenzial frühzeitig zu erkennen und zeitnah, adäquat und koordiniert auf sie zu reagieren. bei fortschreitender Resistenz herkömmlicher Antibio- Wir fördern den Ausbau von Systemen zur Überwa- tika zurückgegriffen werden kann. chung von Antibiotikaresistenzen und des Antibioti- kaverbrauchs, die Aus-, Weiter- und Fortbildung von Antibiotikaresistenzen stellen ein globales Problem dar. medizinischen Berufsgruppen in Bezug auf Antibioti- Ihre Ausbreitung wird durch den zunehmenden Han- karesistenzen sowie die Stärkung der Zusammenarbeit dels- und Reiseverkehr weiter gefördert. Maßnahmen in innerhalb des Gesundheitssystems u. a. durch die Einzelstaaten haben deshalb unmittelbare Auswirkungen Stärkung regionaler Netzwerke. Die Bundesregierung auf Nachbarstaaten und auf globaler Ebene. unterstützt besonders betroffene Partnerländer beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen, indem wir den Die Bundesregierung unterstützt mit der sektorüber- Aufbau leistungsfähiger Laborkapazitäten zur Diag- greifenden Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie nostik von multiresistenten Erregern vor Ort fördern. (DART) auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene Maßnahmen, die den rationalen Einsatz von Antibiotika und die Beachtung von Hygieneregeln zum Ziel haben. Um den Ursachen der Resistenzentwick- lung entgegenzuwirken, halten wir an der DART fest und passen die darin vorgesehenen Maßnahmen an neue Gegebenheiten an.
Globale Gesundheitspolitik gestalten 19 2. Gesundheitssysteme weltweit bezahlen müssen. Der Zugang zu bezahlbarer Gesund- heitsversorgung ist wirksamer Schutz vor Verarmung stärken – Entwicklung ermöglichen und gleichzeitig eine Grundvoraussetzung für nachhal- tige wirtschaftliche Entwicklung, sozialen Frieden und Gesundheit ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis globale Sicherheit. Die Verbesserung des Zugangs zu von Entwicklung. umfassender Gesundheitsversorgung hat deshalb heute Priorität auf internationalen Agenden. Deutschland ist Das Ziel des universellen Zugangs zu Gesundheitsver- nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen mit dem äl- sorgung kann nur dann erreicht werden, wenn nationale testen Sozialversicherungssystem weltweit eine treiben- Gesundheitssysteme ihre Dienstleistungen kompetent, de Kraft bei der Verbesserung der sozialen Absicherung effektiv, effizient und für alle gleichermaßen zugänglich im Krankheitsfall: So wurde der Weltgesundheitsbericht anbieten. Daher ist der zentrale Förderansatz der deut- 2010 der WHO zu universeller Absicherung im Krank- schen Entwicklungspolitik die Stärkung der nationalen heitsfall mit dem Titel „Health Systems Financing – The Gesundheitssysteme. Sektorübergreifenden Ansätzen Path to Universal Coverage“ erstmals in Berlin vorge- sowie integrierten Maßnahmen im Bereich der Kinder- stellt. Deutschland unterstützt diesen Prozess durch und Müttergesundheit und der Bekämpfung von HIV/ eigene Resolutionsinitiativen zu sozialer Absicherung im AIDS wird dabei besonderes Gewicht zugemessen. Krankheitsfall. Maßnahmen, die auf sexuelle und reproduktive Ge- sundheit und Rechte zielen sowie auf selbstbestimmte Unser Ziel ist es, weltweit zur Verbesserung des Familienplanung, ermöglichen nachhaltige Entwicklung Zugangs der Bevölkerung zu Gesundheitsdiensten, und haben einen positiven Einfluss auf das Bevölke- gesundheitsbezogenen Informationen und gesun- rungswachstum. den Lebensbedingungen beizutragen. Besonders berücksichtigt wird dabei die Versorgung armer und benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Die Regie- Stärkung von rungen aller Länder haben die Pflicht, das Recht auf Gesundheit zu achten, zu schützen und zu gewähr- Gesundheitssystemen leisten. Sie müssen eine Gesundheitsversorgung sicherstellen, die den von der WHO empfohlenen Weltweit haben über 1 Milliarde Menschen keinen allgemeinen Qualitätsstandards entspricht. Deutsch- Zugang zu einer ausreichenden und bezahlbaren Ge- land unterstützt seine Partnerländer intensiv dabei, sundheitsversorgung. Mehr als 100 Millionen Menschen dieser Verpflichtung nachzukommen. Gemeinsamer fallen jährlich unter die Armutsgrenze, weil sie ihre Handlungsrahmen sind die universal gültigen Men- medizinische Behandlung aus eigenen Mitteln direkt schenrechte und die acht MDGs. P4H – Netzwerk für Soziale Absicherung im Krankheitsfall Deutschland initiierte 2007 das P4H-Netzwerk, in dem Deutschland, Frankreich, die Schweiz und Spa- nien gemeinsam mit der WB, der WHO, der ILO und der Afrikanischen Entwicklungsbank Länder beim Aufbau von Systemen der sozialen Absicherung im Krankheitsfall koordiniert unterstützen. Ziel der Initiative ist es, Direktzahlungen im Krankheitsfall zu reduzieren und somit den Zugang zu Gesundheitsleistungen – vor allem für die ärmere Bevölkerung – zu verbessern. Über soziale Absiche- rung im Krankheitsfall kann ein entscheidender Beitrag zur Armutsreduzierung und einer gerecht gestalteten Finanzierung von Gesundheitssystemen geleistet werden. Zur Zeit werden etwa zwanzig Länder vorwiegend in Asien und Afrika von Partnern des Netzwerkes darin beraten, wie sie den Zu- gang der gesamten Bevölkerung zu Gesundheitsdienstleistungen verbessern können.
20 Globale Gesundheitspolitik gestalten Systeme der sozialen Sicherung im Krankheitsfall er- fung rechtlicher Rahmenbedingen und eines geeigne- möglichen der gesamten Bevölkerung eines Landes den ten Arbeitsumfelds, Personalmanagementstrategien Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Deutschland und Umsetzung des WHO-Verhaltenskodex gegen die fördert in seinen Partnerländern die soziale Sicherung unethische internationale Anwerbung von Gesund- im Krankheitsfall durch Beratung und Fortbildung, Er- heitspersonal entgegen. Wie von dem freiwilligen fahrungsaustausch sowie durch Finanzierung von Struk- Verhaltenskodex gefordert, wirbt die Bundesregierung turreformen im Gesundheitssystem. Im Rahmen der keine Gesundheitsfachkräfte aktiv aus Ländern ab, in „P4H“-Initiative wirbt die Bundesregierung für einen denen bereits laut WHO eine Fachkräftekrise herrscht. harmonisierten Dialog der verschiedenen Geber mit den Deutschland bringt das Thema der Personalressour- Partnerländern, um eine koordinierte Unterstützung auf cen als essentiellen Baustein der Gesundheitssystem- dem Weg zu universeller Absicherung im Krankheitsfall stärkung aktiv in die fachliche und politische Diskus- zu gewährleisten. sion ein. Im Rahmen des umfangreichen Beitrags der Bundesregierung zum Auf- und Ausbau von Gesund- Dem teilweise krisenhaften Mangel an Gesundheits- heitssystemen in zahlreichen Partnerländern ist die fachkräften in ihren Partnerländern, vor allem in Unterstützung von Strategien zum Management von Afrika und Asien, wirkt die Bundesregierung durch Gesundheitsfachkräften wichtiger Bestandteil. Aus- und Weiterbildung, Unterstützung bei der Schaf- Globaler Verhaltenskodex der WHO für die Internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften Die gezielte Anwerbung von Gesundheitsfachkräften aus Entwicklungsländern mit einem akuten Per- sonalengpass führt zu schwerwiegenden Versorgungsengpässen in den Herkunftsländern, die sogar die Erreichung der MDGs verhindern können. Vor diesem Hintergrund verabschiedeten die Mitgliedstaaten der WHO am 21. Mai 2010 den freiwilligen globalen Verhaltenskodex für die Internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften. Der Kodex ist freiwillig und somit ein rechtlich nicht verbindliches Instrument. Er legt jedoch ethische Grundsätze fest, die bei der Rekrutierung von Gesundheitspersonal beachtet werden sollen. Er fordert eine angemessene Balance zwischen den Rechten und Pflichten der Herkunfts- und Zielländer sowie der abwandernden Gesundheitsfachkräfte. Wichtigste Empfehlung ist, dass Arbeitgeber und Personal- rekrutierungsagenturen die aktive Anwerbung von Gesundheitspersonal aus Entwicklungsländern mit einem entsprechenden Personalnotstand unterbinden sollen. Der Verhaltenskodex fördert die Zusam- menarbeit zwischen den Ziel- und Herkunftsländern. Er regt an, dass sich die WHO-Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis an einem Bericht über den Stand der Umsetzung des Kodex beteiligen. Pakistan: Personalentwicklung im Gesundheitssektor In Pakistan hat die Bevölkerung nur eingeschränkten Zugang zu qualitativ angemessenen Basisleistun- gen der Gesundheitsfürsorge. Ein wesentlicher Grund hierfür ist das Fehlen qualifizierter medizinischer Fachkräfte. Deutschland unterstützt seine pakistanischen Kooperationspartner auf nationaler und Provinzebene mit gezielter Beratung zu Personalentwicklung und Personalressourcenmanagement im Gesundheitssektor: Wichtigstes Ergebnis ist bisher der Aufbau der unabhängigen „Health Services Aca- demy“ (HSA). Die HSA bietet als erste Einrichtung der Region ein Postgraduierten-Studium im Bereich Personalmanagement für das Gesundheitswesen an. Zudem konnte in Pakistan die Ausbildung von Krankenpflegern und Medizintechnikern mit deutscher Unterstützung wesentlich verbessert werden.
Globale Gesundheitspolitik gestalten 21 Selbstbestimmung über Sexuali Weltweit möchten mehr als 220 Millionen Frauen und Mädchen, die aktuell keinen Kinderwunsch tät und Familienplanung fördert haben und überwiegend in den ärmsten Ländern der nachhaltige Entwicklung Welt leben, mit modernen Methoden verhüten, haben aber keinen Zugang zu diesen Methoden. In Ent- Während einige Industriestaaten mit sinkenden Ein- wicklungsländern wurden im Jahr 2012 Schätzungen wohnerzahlen und der zunehmenden Alterung ihrer zufolge 80 Millionen Frauen ungeplant schwanger. Bevölkerung konfrontiert sind, haben viele Staaten in Diese Schwangerschaften ließen sich zum Großteil Afrika und Asien eine sehr junge Bevölkerung und erle- verhindern, wenn die betroffenen Mädchen und Frau- ben ein rasches Bevölkerungswachstum. Prognosen der en angemessen über Möglichkeiten von Verhütung Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung und Familienplanung informiert wären und Zugang von derzeit 7 Milliarden bis 2050 auf 9,3 Milliarden zu modernen Methoden der Schwangerschaftsverhü- Menschen anwachsen. Große Ungleichheiten in der tung hätten. Ungewollte Schwangerschaften führen Einkommensstruktur, den Entscheidungsmöglichkei- oftmals zu unsicheren Abtreibungen, die mit schwe- ten von Männern und Frauen, dem Zugang zu sozialen ren Komplikationen und Tod einhergehen. Noch Dienstleistungen, einschließlich der sexuellen und immer sterben weltweit jährlich über 287.000 Frauen reproduktiven Gesundheit, und Bildung verschärfen die und Mädchen in Folge von Schwangerschaft und Bevölkerungsdynamiken. Dies stellt die betroffenen Geburt trotz erheblicher Fortschritte in der medizini- Länder sowie die gesamte Weltgemeinschaft vor enor- schen Vorsorge und Betreuung. 40 % aller Todesfälle me Herausforderungen in Bezug auf eine nachhaltige der unter 5-jährigen Kinder ereignen sich in der Neu- Entwicklung. Deutschland unterstützt daher Maßnah- geborenenphase. Deshalb spielen nutzerfreundliche, men, die Frauen und Männern die Möglichkeit geben, effiziente Gesundheitsdienste für eine angemessene über den Zeitpunkt einer Schwangerschaft und die Betreuung während Schwangerschaft, Geburt und Familiengröße selbstbestimmt entscheiden zu können. Nachsorge eine wesentliche Rolle, um die Mütter- und Neugeborenensterblichkeit zu senken. Gewichtskontrolle eines Kleinkindes, Nicaragua
22 Globale Gesundheitspolitik gestalten Gesundheitsvoucher in Kenia: Sichere Geburten auch für arme Schwangere ermöglichen Auf dem Weg zu einer langfristigen Gesundheitsfinanzierung unterstützt Deutschland seit einigen Jahren nachfrageorientierte Finanzierungssysteme mittels Gutscheinen. So werden in Kenia staatliche, private oder kirchliche Kliniken qualitätsgeprüft und unter Vertrag genommen, um sichere Entbindungen ein- schließlich Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen und die Behandlung bei möglichen Komplikationen sicher zu stellen. Während eine Entbindung in einer Klinik ca. 250 Euro kostet, erwerben arme Schwangere einen Gutschein für umgerechnet zwei Euro. Ebenfalls werden Gutscheine für Beratung zu Familien- planung und Verhütungsmitteln, sowie zur Behandlung der Folgen sexueller Gewalt angeboten. Nach erbrachter Leistung und Rechnungsstellung wird die Klinik durch das Voucherprogramm vergütet. Bisher wurden über 270.000 Gutscheine an arme Frauen ausgegeben. Die Nachfrage ist gewaltig. Jeden Monat kommen dank Gesundheitsgutscheinen über 1.500 Kinder sicher zur Welt. Auch in anderen Ländern fördert Deutschland, oft im Verbund mit anderen Gebern, Gutscheinvorhaben im Gesundheitsbereich, etwa in Uganda und Kambodscha. Weitere Vorhaben sind in der Planung. Ca. 90 % der weltweit mit dem HI-Virus infizierten 400 Mio. Euro zur Förderung der Mütter- und Kin- schwangeren Frauen leben in Ländern des südlichen dergesundheit bereitzustellen. Die für die bilaterale Afrika. Wenn sie rechtzeitigen Zugang zu antiretro- Umsetzung ins Leben gerufene „Initiative zur Selbst- viralen Medikamenten haben, kann das Risiko der bestimmten Familienplanung und Müttergesundheit“ Übertragung des HI-Virus von der Mutter zum Kind der Bundesregierung verfolgt dabei drei Ziele: auf bis zu 5 % reduziert werden. Aus diesem Grund ist es gerade in Ländern mit hohen HIV-Raten besonders 1. Wir wollen das Wissen über moderne Familien wichtig, Angebote der Familienplanung, der geburts- planungsmethoden und deren Akzeptanz steigern. hilflichen Betreuung sowie der Mutter- und Kind- Versorgung mit HIV-Präventionsmaßnahmen und 2. Wir wollen den Zugang zu modernen Familienpla- antiretroviraler Behandlung zu verknüpfen. nungsmethoden und -dienstleistungen verbessern. Die Bundesregierung hält an ihrer Zusage fest, im 3. Wir wollen die Zahl der medizinisch professionell Rahmen der G8 Muskoka-Initiative bis 2015 zusätzlich begleiteten Geburten erhöhen. Aufklärungsveranstaltung zur AIDS-Problematik in einem Krankenhaus, Ruanda
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