Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung

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Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik
gestalten – ­gemeinsam handeln –
Verantwortung wahrnehmen
Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik
gestalten – ­gemeinsam handeln –
Verantwortung wahrnehmen
Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
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Globale Gesundheitspolitik
gestalten – gemeinsam handeln –
Verantwortung wahrnehmen

Gesundheit leistet einen grundlegenden Beitrag für        Mit unserem Engagement im Rahmen der globalen
ein erfülltes und zufriedenes Leben. Gesundheit ist ein   Gesundheitspolitik verfolgen wir folgende Leit­
zentrales Menschenrecht, eines der höchsten Güter al-     gedanken:
ler Menschen und zugleich wesentliche Voraussetzung
für soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung   a)	Schutz und Verbesserung der Gesundheit der Be-
und Stabilität. Gesundheit kann weltweit nur sicher-          völkerung in Deutschland durch globales Handeln
gestellt und verbessert werden durch gemeinsames
globales Handeln.                                         Wir wollen die Gesundheit der Bevölkerung in
                                                          Deutschland nachhaltig schützen und verbessern.
Globale Gesundheitsfragen stehen in engem Zusam-          Grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren, aber auch
menhang mit zahlreichen anderen Politikfeldern wie        die gesundheitlichen Auswirkungen von Umweltbe-
Entwicklung, Sicherheit, Handel, Wirtschaft, Men-         lastungen und Klimawandel machen deutlich: Viele
schenrechte, Ernährung, Landwirtschaft, Forschung,        Gesundheitsprobleme manifestieren sich zwar vor Ort,
Beschäftigung, Bildung, Migration, Umwelt- und            haben aber ihren Ursprung in komplexen globalen
Klimaschutz sowie humanitärer Hilfe. Vor diesem           Zusammenhängen. Deshalb müssen nationale Re-
Hintergrund sind in der globalen Gesundheitspolitik       gierungen international kooperieren, um gemeinsam
sektorübergreifende Lösungsansätze gefragt. Dem­          Antworten auf gesundheitspolitische Fragen zu finden.
entsprechend werden globale Gesundheitsfragen             Nur wenn wir global handeln, können wir umfassen-
heute nicht mehr ausschließlich unter Gesund-             den gesundheitlichen Schutz vor Ort sicherstellen.
heitsexperten in den für Gesundheit zuständigen
Fachorga­nisationen diskutiert. Einerseits hat der        b)	Wahrnehmung globaler Verantwortung durch die
Bedeutungs­zuwachs von Gesundheitsfragen auf der              Bereitstellung deutscher Erfahrungen, Expertise
internationalen Ebene zu einem erheblichen Mittel­            und Mittel
anstieg geführt, andererseits ist die Zahl von staat-
lichen, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen          Wir wollen Verantwortung in der globalen Gesund-
Akteuren stark gewachsen, was eine Fragmentierung         heitspolitik wahrnehmen, indem wir deutsche Erfah-
der globalen Gesundheitsarchitektur und das Risiko        rungen, Expertise und Finanzmittel zur Verbesserung
einer Duplizierung von Aktivitäten mit sich bringt. Um    der globalen Gesundheit bereitstellen. Zusammen
die Lösung globaler gesundheitspolitischer Heraus­        mit unseren Partnern können wir dazu beitragen, das
forderungen mitzugestalten, ist ein klares internatio­    Recht auf Gesundheit zu verwirklichen und damit
nales Profil Deutschlands gefragt. Es bedarf eines        allen Menschen Zugang zu umfassenden Gesund-
gezielten und abgestimmten Vorgehens, um auf              heitsdiensten zu ermöglichen. Wir kommen unseren
verschiedenen Ebenen bilaterale und multilaterale         internationalen Verpflichtungen nach und wollen
Zusammenarbeit wirksam im Sinne der Verbesserung          unseren Partnern dabei helfen, nachhaltig finanzierte
der globalen Gesundheit zu nutzen.                        und sozial gerechte Gesundheitssysteme aufzubauen.
                                                          Damit tragen wir weltweit zur Armutsbekämpfung, zu
                                                          wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und zum gesell-
                                                          schaftlichen Zusammenhalt bei.
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                               3

c)	Stärkung internationaler Institutionen der             • W irksam vor grenzüberschreitenden Gesundheits-
    globalen Gesundheit                                       gefahren schützen
                                                           • Gesundheitssysteme weltweit stärken – Entwick-
Die Bundesregierung setzt sich für ein wirkungsvolles,       lung ermöglichen
kooperatives und gleichberechtigtes Handeln in interna-    • Intersektorale Kooperationen ausbauen – Wechsel-
tionalen Foren der globalen Gesundheitspolitik ein, denn      wirkungen mit anderen Politikbereichen
effektives und abgestimmtes globales Handeln setzt         • Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft –
starke internationale Institutionen voraus. Wir können        Wichtige Impulse für die globale Gesundheit setzen
globale Gesundheitspolitik nur in enger Zusammenar-        • Globale Gesundheitsarchitektur stärken
beit mit unseren Partnern angehen. Wir wollen unsere
Mittel so wirksam und effizient wie möglich einsetzen.     Kapitel I stellt zunächst die Rahmenbedingungen für
                                                           einen deutschen Beitrag zur globalen Gesundheitspo-
                                                           litik dar.
Das Konzept „Globale Gesund­
                                                           Kapitel II klärt, auf welchen Ebenen die Bundesregie-
heitspolitik gestalten“                                    rung bereits heute globale Gesundheitspolitik gestal-
                                                           tet. Das Konzept kann nicht das deutsche Engagement
Mit dem Konzept „Globale Gesundheitspolitik ge-            in seiner gesamten Vielfalt darstellen. Vielmehr gilt es,
stalten“ stellt sich die Bundesregierung den neuen         die wesentlichen Beiträge und Initiativen aufzuzeigen.
Herausforderungen in der globalen Gesundheitspoli-         Dabei werden einige wichtige Akteure und Maßnah-
tik. Mit der Verabschiedung und der Umsetzung dieses       men vorgestellt.
umfassenden Konzepts geben wir dem deutschen
Beitrag zur Lösung globaler Gesundheitsprobleme            Kapitel III erläutert den wertebasierten Ansatz, der
eine neue Qualität. Das vielfältige Engagement deut-       Grundlage unseres Beitrags ist.
scher Akteure soll besser koordiniert werden, um die
Wirksamkeit des deutschen Beitrags zu erhöhen.             In Kapitel IV wird erläutert, welche Ziele in diesen
                                                           Schwerpunktbereichen kurz- und mittelfristig erreicht
Die Zuständigkeiten sind innerhalb der Bundesregie-        werden sollen. Dabei zeigt das Konzept die grundsätz-
rung auf verschiedene Bundesministerien verteilt. Für      liche Ausrichtung der Politik der Bundesregierung in
ein klareres deutsches Profil angesichts der unüber-       der globalen Gesundheitspolitik auf, beschränkt das
sichtlichen globalen Gesundheitsarchitektur und be-        Engagement Deutschlands aber nicht exklusiv auf
grenzter nationaler Ressourcen bedarf es der langfris-     diese Bereiche. Vielmehr bleibt Raum für individuelle
tigen Konzentration auf ausgewählte Schwerpunkte,          Ansätze, um den jeweiligen Besonderheiten und neuen
in denen Deutschland komparative Stärken aufweist          Herausforderungen gerecht zu werden.
und nachhaltig zu einer Verbesserung der Gesundheit
weltweit beitragen kann.                                   Abschließend erläutert Kapitel V, auf welche Weise die
                                                           Bundesregierung ihre Aktivitäten bündelt. Es wird dar-
Nach einer realistischen Analyse und Einschätzung der      gestellt, wie die Bundesregierung die Ziele in einzelnen
Chancen und Potenziale unserer globalen Gesundheits-       Aktionsfeldern abstimmt und kohärent umsetzt.
politik konzentrieren wir uns auf fünf Schwerpunkte:
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                                                                                                                      5

Inhaltsverzeichnis

I. 	Gesundheit im Wandel der Globalisierung –
     neue Herausforderungen und Chancen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

II.	Deutschland – Verlässlicher Partner in der
     globalen Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

III.	Universelle Werte – Unsere Grundlage für globales Handeln . . . . . . . . . . . . 14

IV.	Unsere Schwerpunkte – Gezielter Einsatz
     für die globale Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
           1. Grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren wirksam bekämpfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                      17
           2. Gesundheitssysteme weltweit stärken – Entwicklung ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                      19
           3. 	 Intersektorale Kooperationen ausbauen – Wechselwirkungen mit anderen Politikbereichen. . . . . . . . . . . .                                                                          25
           4. 	Gesundheitsforschung und Gesundheitswirtschaft –
                 Wichtige Impulse für die globale Gesundheit setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                  33
           5. Globale Gesundheitsarchitektur stärken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                         37

V.	Deutsche globale Gesundheitspolitik –
    mit einer Stimme sprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

VI. 	Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
           Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
6   Globale Gesundheitspolitik gestalten
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                              7

I. 	Gesundheit im Wandel der
     Globalisierung – neue Heraus­
     forderungen und Chancen

Der Prozess der Globalisierung hat weitreichenden Ein-    auch viele neue Möglichkeiten und vielversprechende
fluss auf gesundheitspolitische Fragestellungen. Neue     Lösungsansätze. Die erhöhte Mobilität und neue Kom-
Technologien und offene Märkte haben die Mobilität        munikationsprozesse haben den Zugang zu Medika-
von Menschen, Gütern und Dienstleistungen erhöht und      menten, Technologien, Wissen und Forschung wesent-
damit auch neue Herausforderungen an den Gesund-          lich vereinfacht. Medikamente können schneller und
heitsschutz geschaffen: Der zunehmende Handels- und       kostengünstiger transportiert werden. Neue pharma-
Reiseverkehr erleichtert die Verbreitung von Gesund-      zeutische Produktionsstätten schaffen qualifizierte
heitsgefahren über Länder- und Kontinentgrenzen           Arbeitsplätze in Schwellen- und Entwicklungsländern.
hinaus. Neue Infektionsgefahren können durch interna-     Der wissenschaftliche Austausch zwischen den For-
tionalen Flug- und Reiseverkehr und Handelsbeziehun-      schungseinrichtungen des Nordens und Südens, aber
gen nahezu jeden Erdteil innerhalb weniger Stunden und    auch im Rahmen neuer Süd-Süd-Kooperationen hat
Tage erreichen. Epidemien können innerhalb kurzer Zeit    einen erfreulichen Aufschwung genommen. Die stär-
zu lang anhaltenden gravierenden Folgen führen.           kere internationale Vernetzung hat mit dazu beigetra-
                                                          gen, Gesundheitsfragen als festen Bestandteil auf den
Die Globalisierung befördert zugleich die weltweite       internationalen Agenden, beispielsweise im Kontext
Angleichung von Lebens- und Konsumgewohnheiten.           der Vereinten Nationen (VN), zu verankern. Drei der
Hiermit einher geht die Ausbreitung von nicht-über-       Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) beziehen sich
tragbaren chronischen Erkrankungen, die mittlerwei-       unmittelbar auf den Gesundheitsbereich.
le nicht mehr nur ein Problem in Industrieländern,
sondern vermehrt auch in den Schwellen- und Entwick-      Das notwendige medizinische Wissen, um weltweit
lungsländern darstellen. Langanhaltende Krankheiten       Gesundheit zu fördern, Krankheiten zu vermeiden und
und vermeidbare Todesfälle durch Infektionskrankhei-      zu bekämpfen sowie die hierfür erforderlichen tech-
ten und zunehmend auch als Folge von chronischen          nischen und finanziellen Mittel stehen heute in einem
nicht-übertragbaren Erkrankungen beeinträchtigen          größeren Maße als je zuvor zur Verfügung. Das gestei-
Entwicklungschancen und wirtschaftliches Wachs-           gerte internationale Engagement hat aber auch zu einer
tum sowie die soziale und politische Stabilität ganzer    wachsenden Anzahl von Initiativen im Gesundheitsbe-
Regionen. Sie sind eine wesentliche Ursache von Armut,    reich geführt. Zugleich engagieren sich vermehrt neue,
verlorenen Entwicklungschancen, Ungleichheit und          nicht-staatliche Akteure in der globalen Gesundheitspo-
damit einhergehenden Konflikten. Die Folgen des Kli-      litik und werden zu starken Akteuren. Zunehmend sind
mawandels stellen eine weitere neue gesundheitspoliti-    auch Stiftungen hinzugekommen, die sich mit weitrei-
sche Herausforderung dar. Die Bekämpfung von Hunger       chenden finanziellen Mitteln bei der Lösung globaler
und Mangelernährung bleibt eine Herausforderung           Herausforderungen im Gesundheitsbereich einbringen.
für viele Staaten. Darüber hinaus hat der zunehmende      Der Privatsektor spielt ebenfalls eine große Rolle in For-
Handels- und Reiseverkehr zu einem Anstieg des illega-    schung und Entwicklung, Versorgung mit Medikamen-
len Handels mit Drogen, Alkohol, Tabakprodukten und       ten und Medizintechnologie und in der medizinischen
gefälschten Arzneimitteln geführt, mit weitreichenden     Versorgung. Die wachsende Akteursvielfalt macht es
gesundheitlichen und gesundheitspolitischen Folgen.       zunehmend erforderlich, die Aktivitäten dieser Organi-
                                                          sationen, globalen Initiativen und der bilateralen Geber
Die Globalisierung stellt die Gesundheitspolitik jedoch   zu koordinieren, um die Zusammenarbeit im internatio-
nicht nur vor neue Herausforderungen, sondern bietet      nalen Gesundheitswesen effizienter zu gestalten.
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
8   Globale Gesundheitspolitik gestalten
Globale Gesundheitspolitik gestalten - gemeinsam handeln - Verantwortung wahrnehmen - Konzept der Bundesregierung
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II.	Deutschland – Verlässlicher
     Partner in der globalen
     Gesundheitspolitik

Deutschland ist Initiator und zuverlässiger Partner        Bilaterale Zusammenarbeit
bei der Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger
Herausforderungen in der globalen Gesundheitspolitik.
                                                           im Gesundheitsbereich
Die Bundesregierung beteiligt sich durch zahlreiche
Initiativen an der Weiterentwicklung der globalen Ge-      Die Bundesregierung arbeitet in ihren verschiedenen
sundheitsarchitektur und engagiert sich in verschiede-     Politikfeldern partnerschaftlich mit einer Vielzahl von
nen Internationalen Organisationen und multilateralen      Ländern weltweit im Gesundheitsbereich zusammen.
Foren zur Förderung der globalen Gesundheit.               Deutschland hat mit über einem Dutzend Partnerlän-
                                                           dern und Regionen einen Gesundheitsschwerpunkt in
Deutschland übernimmt in finanzieller Hinsicht globa-      der bilateralen EZ vereinbart. Ziele sind die Stärkung der
le Verantwortung. Seit 2000 hat die Bundesregierung        Gesundheitssysteme, die Reduzierung der Mütter- und
die Ausgaben für bi- und multilaterale Entwicklungs-       Kindersterblichkeit sowie die Bekämpfung von HIV/AIDS
zusammenarbeit (EZ) im Gesundheitssektor mehr als          und anderer übertragbarer Krankheiten. Ebenso ist die
verdreifacht. Sie belaufen sich derzeit auf mehr als 700   Unterstützung von bilateralen Projekten in der Gesund-
Mio. Euro jährlich.                                        heitsforschung langjährige Praxis der Bundesregierung.

     Deutsch-chinesische Kooperation im Gesundheitsbereich

     Die Zusammenarbeit im Gesundheitssektor zwischen Deutschland und China blickt auf eine über
     30-jährige erfolgreiche Geschichte zurück. Das 1980 von den Gesundheitsministerien geschlossene
     Abkommen zur Förderung der Zusammenarbeit im Gesundheitssektor schafft die Voraussetzungen
     für einen vertrauensvollen Erfahrungsaustausch in zahlreichen Bereichen der medizinischen Versor-
     gung, über Strukturen und Finanzierungsformen von Gesundheitssystemen bis hin zu Aspekten der
     Qualitätssicherung und des Krankenhausmanagements.

     Augenblicklicher Schwerpunkt ist die Weiterbildung chinesischer Lungenfachärzte beim Deutschen
     Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose im Bereich moderner Kontroll-, Diagnostik- und
     Behandlungsmethoden der Tuberkulose. Die Bundesregierung unterstützt den Erfahrungsaustausch
     insbesondere durch Hospitationen. China gehört zu den 22 am höchsten mit Tuberkuloseinfektio-
     nen belasteten Ländern und zugleich zu den fünf am stärksten von multiresistenten Tuberkulosen
     betroffenen Ländern der Welt.

     Darüber hinaus unterstützt Deutschland den Aufbau modellhafter Einrichtungen von Mammografie-
     einheiten bzw. interdisziplinären Brustzentren an chinesischen Unikliniken. In China ist die Mam-
     mographie bisher nur rudimentär entwickelt, die Brustkrebsfallzahlen steigen allerdings seit einigen
     Jahren stark an. Der deutsch-chinesische Know-How-Transfer setzt bei der patientenschonenden
     Diagnostik und Therapie an und bezieht sowohl Ärzte, medizinisch-technische Berufe als auch Pflege-
     personal ein. Im Mittelpunkt steht die Stärkung des interdisziplinären Ansatzes.
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Die Verwirklichung des Menschenrechts auf Gesund-          und koordinierende Rolle in der globalen Gesundheits-
heit sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter         architektur ein. Deutschland zahlt unter den 194 Mit-
sind zentrale Ziele aller Gesundheitsprogramme, die        gliedstaaten nach den USA und Japan den drittgrößten
von Deutschland unterstützt werden. Die Bundesre-          Regulärbeitrag. Die Bundesregierung tritt für eine
gierung arbeitet in Gesundheitsfragen intensiv mit den     Stärkung der WHO ein und nutzt ihre Mitgliedschaft
unmittelbaren Nachbarn Deutschlands zusammen.              in den Verwaltungsgremien, um die Reform der WHO
Darüber hinaus besteht im Rahmen der Gesundheits-          tatkräftig mitzugestalten.
politik ein besonderer partnerschaftlicher Austausch
mit vielen neuen Akteuren aus dem osteuropäischen,         Deutschland ist aktives Mitglied des Verwaltungsrates
arabischen, zentralasiatischen und asiatischen Raum.       von UNAIDS. UNAIDS hat das Mandat, einen gemein-
Wichtiges Ziel dieser Partnerschaften ist die dauer­       samen und komplementären Ansatz in der HIV/AIDS-
hafte Stärkung der Gesundheitssysteme.                     Bekämpfung auf internationaler und nationaler Ebene
                                                           zu fördern. Es ist die erste VN-Organisation, die seit
                                                           ihrer Gründung Nichtregierungsorganisationen (NROs)
Die Vereinten Nationen                                     einbindet und damit beispielhaft für andere VN-Orga-
                                                           nisationen steht. Deutschland fördert insbesondere das
Die Bundesregierung fördert eine multilateral und          Bestreben, die Effektivität und inhaltliche Fokussierung
global ausgerichtete Gesundheitspolitik auf der            von UNAIDS und seiner Ko-Sponsoren zu erhöhen.
Grundlage legitimierter und effektiver internationaler
Institutionen. Deutschland leistet einen umfassenden       Deutschland ist einer der fünf Gründungsstaaten
Beitrag an multilaterale Organisationen im Gesund-         und drittgrößter Beitragszahler des Internationalen
heitsbereich. Die VN sind die einzige internationale       Krebsforschungszentrums (IARC) mit Sitz in Lyon. Das
Institution, die aufgrund ihrer weltumspannenden           IARC ist ein Institut der WHO, das zur Erforschung der
Mitgliedschaft universelle politische Legitimation ge-     Ursachen von Krebserkrankungen weltweit epidemio-
nießt. Deutschlands Mitgliedschaft in den VN ist und       logische Studien über Krebs durchführt bzw. auswertet
bleibt der zentrale und universale Bezugsrahmen der        und Präventionsstrategien erarbeitet.
multilateralen Politik Deutschlands. Im System der
VN steht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im          Im Drogenbereich ist Deutschland aktives Mitglied in
Mittelpunkt des Engagements der Bundesregierung in         der jährlich tagenden Suchtstoffkommission (Commis-
der globalen Gesundheitspolitik.                           sion on Narcotic Drugs – CND) und arbeitet eng mit
                                                           dem VN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämp-
Die WHO ist als Sonderorganisation der VN für Ge-          fung (UNODC) in Wien zusammen.
sundheit unverzichtbar. Sie nimmt eine übergeordnete

     Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)

     Die Weltgesundheitsorganisation ist eine Sonderorganisation der VN. Sie wurde am 7. April 1948 mit
     dem Ziel gegründet, für alle Völker das höchstmögliche Gesundheitsniveau zu erreichen. Die WHO
     hat heute 194 Mitgliedstaaten. Sie ist federführend in globalen Gesundheitsfragen. Zu ihrem Mandat
     gehören die Festlegung weltweit gültiger Normen und Standards, die Formulierung evidenzbasierter
     gesundheitspolitischer Grundsätze sowie die Ausgestaltung der Forschungsagenda für Gesundheit.

     Die WHO unterstützt ihre Mitgliedstaaten bei der fachlichen Umsetzung von Gesundheitsprogram-
     men, sie überwacht und bewertet gesundheitliche Trends, fördert die medizinische Forschung und
     leistet Soforthilfe bei Katastrophen.

     Sie hat ihren Hauptsitz in Genf und ist aufgeteilt in 6 Regionen, die jeweils von einem Regionalbüro
     gesteuert werden. Darüber hinaus verfügt sie über 150 Länderbüros und beschäftigt über 7.000 Mit­
     arbeiter weltweit. Der Zweijahreshaushalt sieht derzeit fast 4 Milliarden USD vor.
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                            11

Das multilaterale Engagement der Bundesregierung in       Wichtige weitere Partner sind die Weltbank (WB) und
der globalen Gesundheitspolitik ist vielschichtig. Die    regionale Entwicklungsbanken. Darüber hinaus arbei-
Bundesregierung unterstützt neben der WHO und UN-         ten wir mit NROs, kirchlichen Entwicklungsorganisati-
AIDS u. a. das VN-Entwicklungsprogramm (UNDP), den        onen, Stiftungen und privatwirtschaftlichen Akteuren
VN-Bevölkerungsfonds (UNFPA), das VN-Kinderhilfs-         im Gesundheitsbereich zusammen.
werk (UNICEF) sowie UN Women. Daneben engagiert
sich die Bundesregierung zur Bekämpfung von Hunger
und Unterernährung in besonderem Maße bei der             „G“-Formate und
VN-Ernährungs- und Agrarorganisation (FAO), dem
Welternährungsausschuss (CFS), dem Welternährungs-
                                                          internationale Kooperation
programm (WFP) sowie dem Codex Alimentarius.
                                                          Die Bundesregierung beteiligt sich an neuen Initiati-
                                                          ven zur Stärkung der globalen Gesundheitspolitik im
Neue Initiativen und Bündnisse                            Rahmen der „G“-Formate (G7/G8/G20). Diese Formate
                                                          stellen eine wichtige Ergänzung zu bewährten Struk-
in der globalen Gesundheit                                turen, wie den VN, dar. Die Bundesregierung fördert
                                                          global ausgerichtete Gesundheitsinitiativen wie die G8
Deutschland kann auf vielen internationalen Initia­       Muskoka-Initiative, zu deren Umsetzung die Bundes-
tiven aufbauen. Wir wollen durch strategische Bünde-      regierung bis 2015 zusätzliche 400 Millionen Euro für
lung unserer Beiträge wichtige Synergien erzielen und     die Bereiche Familienplanung und Müttergesundheit
globale Gesundheitsthemen voranbringen.                   bereitstellt, oder die unter deutscher G8-Präsident-
                                                          schaft 2007 in Heiligendamm gegründete „Providing
Deutschland ist Mitglied der Global Health Security       for Health“-Initiative (P4H), die Partnerländer bei der
Initiative (GHSI). Das informelle Netzwerk der G7-        Gestaltung einer nachhaltigen und sozial gerechten
Staaten und Mexikos unter Beteiligung der Europä­         Gesundheitssystemfinanzierung unterstützt.
ischen Kommission und der WHO wurde nach den Ter-
roranschlägen vom 11. September 2001 gegründet, um        Deutschland hat sich kontinuierlich für die Social
im Gesundheitsbereich besser auf biologische, chemi-      Protection Floor-Initiative der Internationalen Arbeits­
sche oder radionukleare Bedrohungen – insbesondere        organisation (ILO) eingesetzt. Die diesbezüglich von der
durch den internationalen Terrorismus – vorbereitet zu    ILO im Jahr 2012 verabschiedete Empfehlung hat den
sein und im Ereignisfall reagieren zu können.             Auf- und Ausbau von sozialen Sicherungssystemen in
                                                          Schwellen- und Entwicklungsländern zum Ziel.
Die Bundesregierung ist seit der Gründung im Jahr
2002 ein wichtiger und verlässlicher Förderer des Glo-    Die Bundesregierung beteiligt sich an der Arbeit der Or-
balen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose          ganisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
und Malaria (GFATM). Die Bundesregierung sieht den        wicklung (OECD) mit Sitz in Paris. Die wissenschaftlich
GFATM als ein zentrales Finanzierungsinstrument der       fundierten, komplexen Analysen zu Gesundheitsthemen,
internationalen Zusammenarbeit im Gesundheitsbe-          insbesondere Systemvergleiche zwischen OECD-Län-
reich, beispielgebend für eine enge, koordinierte und     dern und Länderstudien zu Gesundheitsthemen, bilden
vertrauensvolle Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft,     eine wertvolle Grundlage für politische Entscheidungen.
Privatsektor und Regierungen. Die Bundesregierung
arbeitet intensiv mit, um die Wirkungen, Resultate und    Als Mitglied des Europarats tritt Deutschland dafür
die Effizienz des Fonds zu steigern.                      ein, dass in der Sozial- und Gesundheitspolitik Maß-
                                                          stäbe gesetzt werden, die über die Europäische Union
Im Kampf gegen Kindersterblichkeit hat sich die Bundes-   (EU) hinaus greifen. Das im Europarat angesiedelte Eu-
regierung mit starken Partnern verbündet und gemein-      ropäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln
sam mit der Bill & Melinda Gates Stiftung das deutsche    (EDQM) befasst sich u. a. mit Fragen zur Bluttransfu­
Engagement bei der Globalen Impfallianz (GAVI Alliance)   sion und zum Schutz vor Arzneimittelfälschungen.
verstärkt. Dadurch tragen wir dazu bei, auch in armen
Ländern die Gesundheit von Kindern durch Impfungen        Im Ostseeraum engagiert sich Deutschland als
gegen vermeidbare Krankheiten zu schützen.                Mitglied der Partnerschaft für öffentliche Gesund-
12                                                                                     Globale Gesundheitspolitik gestalten

heit und soziales Wohlergehen gemeinsam mit den              zentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und
Ostseeanrainerstaaten in der Nördlichen Dimension            vielen weiteren Instituten verfügt die Bundesregierung
(NDPHS). Diese zielt auf die Reduzierung der Aus-            über international herausragende Einrichtungen, die
breitung übertragbarer Krankheiten, Prävention von           durch den fachlich-inhaltlichen Austausch die inter-
nicht-übertragbaren Krankheiten und Verbesserung             nationale Zusammenarbeit befördern. Das RKI ist u. a.
des Gesundheitszustandes der Bevölkerung durch eine          durch den Sitz regionaler Referenzlabore der WHO,
bessere Gesundheitsversorgung ab.                            bei der Analyse von Epidemieausbrüchen und durch
                                                             zahlreiche Forschungskooperationen in der globalen
                                                             Gesundheitspolitik ein gesuchter Partner. Experten des
Langjährige Erfahrungen,                                     PEI sind in den Arbeitsgruppen verschiedener interna-
                                                             tionaler Organisationen im Rahmen der Zulassung und
besondere Werte und Potenziale                               Überwachung der Qualität, Wirksamkeit und Unbe-
                                                             denklichkeit von Impfstoffen und biomedizinischen
Grundlage unserer Aktivitäten in der globalen Ge-            Arzneimitteln (z. B. Blutprodukten, Arzneimitteln für
sundheitspolitik sind unsere Werte und Erfahrungen.          neuartige Therapien) eingebunden. Die BZgA wirkt am
Deutschland kommt in der globalen Gesundheitspolitik         internationalen Erfahrungsaustausch mit zur ständi-
nicht nur wegen seiner wirtschaftlichen Leistungs­           gen Weiterentwicklung der Gesundheitsförderung,
fähigkeit, sondern auch aufgrund seiner Erfahrungen          Prävention von Krankheiten und dem internationalen
mit dem weltweit ältesten Sozialversicherungssystem          Austausch, insbesondere in den Bereichen sexuelle
eine besondere Rolle zu. Das leistungsfähige Sozial-         und reproduktive Gesundheit sowie zu den sozialen
versicherungssystem hat wesentlich zu Wohlstand,             Determinanten von Gesundheit.
Wachstum und sozialem Frieden in Deutschland bei­
getragen. Soziale Sicherheit, Solidarität und universeller   Mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zu-
Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdiensten sind              sammenarbeit (GIZ) und der Kreditanstalt für Wieder-
Werte, die Deutschland aufgrund eigener Erfahrungen          aufbau (KfW) verfügt die Bundesregierung über zwei
besonders glaubwürdig im globalen Kontext geltend            höchst innovative, effektive und international in über
machen kann. Deutschland wird gerade aufgrund die-           130 Ländern vertretene Durchführungsorganisationen,
ser spezifischen Erfahrungen als Partner in der globa-       denen sich die Bundesregierung zur Umsetzung ihrer
len Gesundheitspolitik gesucht.                              Ziele in der globalen Gesundheitspolitik bedient. Die
                                                             GIZ und die KfW werden international aufgrund ihrer
Deutsche Gesundheitsexpertise wird weltweit ge-              besonderen Fachexpertise geschätzt und tragen in we-
schätzt und gesucht. Mit dem Robert Koch-Institut            sentlicher Hinsicht zum Erfolg des deutschen Beitrags
(RKI), dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI), der Bundes-          zur globalen Gesundheitspolitik bei.

     WHO-Kollaborationszentren

     Der besondere Beitrag des Wissens- und Forschungsstandorts Deutschland wird durch die hohe Anzahl an
     WHO-Kollaborationszentren in Deutschland bestätigt. Die Bundesregierung fördert einige WHO-Kollabo-
     rationszentren finanziell. Die WHO-Kollaborationszentren sind universitäre Fakultäten und Forschungs-
     einrichtungen, aber auch Behörden, die von der WHO benannt werden, um sie bei der Durchführung
     ihres globalen Mandats zu unterstützen. Sie ermöglichen der WHO den Zugriff auf wissenschaftliche
     Erkenntnisse, die weit über die eigentlichen WHO-Ressourcen hinausgehen. Die WHO hat über ihre Kol-
     laborationszentren Zugang zu den weltweit renommiertesten Gesundheitsinstitutionen und Forschungs-
     instituten und kann so die wissenschaftliche Validität ihrer Aktivitäten sicherstellen. Durch dieses globale
     wissenschaftliche Netzwerk kann die WHO ihre globale Führungsrolle wissenschaftlich untermauert
     ausüben. Die deutschen WHO-Kollaborationszentren decken eine Vielzahl an Themen ab, u. a. Jugendge-
     sundheit, Strahlenschutzunfallmanagement, Luftreinhaltung, Trinkwasser, Tabakkontrolle, Blutprodukte,
     Gesundheitssystemstärkung sowie sexuelle und reproduktive Gesundheit. Damit leisten sie einen wichti-
     gen Beitrag zur globalen Gesundheit.
Globale Gesundheitspolitik gestalten   13
14                                                                                 Globale Gesundheitspolitik gestalten

III.	Universelle Werte –
      Unsere Grundlage
      für globales Handeln

Der Beitrag Deutschlands zur globalen Gesundheits-        Deutschland wirkt mit
politik ist von universellen Werten geleitet. Die deut-
sche Politik bekennt sich zu den Menschenrechten
                                                          und durch Europa
als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des
Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt (Artikel 1     Deutschland gestaltet seine Beiträge zur globalen
Absatz 2 Grundgesetz).                                    Gesundheitspolitik im Einklang mit europäischer
                                                          Politik. Der EU kommt eine maßgebliche Rolle bei
Gesundheit ist gemäß der Satzung der WHO „ein             der Bewältigung der globalen Herausforderungen im
Zustand völligen körperlichen, seelischen und sozialen    Gesundheitsbereich zu. Wir setzen uns auf europä-
Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krank-       ischer Ebene gemeinsam dafür ein, das Recht eines
heit und Gebrechen. Es ist eines der Grundrechte jedes    jeden Menschen auf ein Höchstmaß an physischer
Menschen ohne Unterschied der Rasse, der Religion,        und psychischer Gesundheit zu schützen und zu
der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen         fördern. Die EU-Gesundheitssysteme basieren auf
oder sozialen Lage, sich einer möglichst guten Ge-        einem klaren Wertegerüst:
sundheit zu erfreuen“.
                                                          • Universalität
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der VN        • Zugang zu einer Gesundheitsversorgung
von 1948 legt fest, dass jeder das Recht hat auf einen      von guter Qualität
Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesund-      • Gleichbehandlung und
heit und Wohl gewährleistet, einschließlich ärztlicher    • Solidarität.
Versorgung und notwendiger sozialer Leistungen. Der
Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und     Als Mitgliedstaat der EU werben wir für unsere ge-
kulturelle Rechte von 1966 (WSK-Pakt) erkennt das         meinsamen europäischen Werte, Interessen und Posi-
Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchst-     tionen. Deutschland bringt sich zu Fragen der globalen
maß an körperlicher und geistiger Gesundheit an. Ge-      Gesundheitspolitik aktiv in den EU-Gremien ein.
sundheit ist ein wesentlicher Aspekt in allen einschlä-
gigen menschenrechtlichen Konventionen der VN.

Auch dem Menschenrecht auf Nahrung kommt eine             Prinzipien der
besondere Bedeutung zu. Nach der Allgemeinen
Bemerkung Nr. 12 des Ausschusses für wirtschaftliche,
                                                          guten Regierungsführung
soziale und kulturelle Rechte der VN zum WSK-Pakt
ist das Recht auf angemessene Nahrung dann ver-           Lösungen für globale Gesundheitsfragen verspre-
wirklicht, „wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind,    chen nur dann langfristigen Erfolg, wenn sie auf
einzeln oder gemeinsam mit anderen, jederzeit physi-      einem konstruktiven Austausch mit allen Beteiligten
schen und wirtschaftlichen Zugang zu angemessener         aufbauen und die Prinzipien der Legitimität, Trans-
Nahrung oder Mitteln ihrer Beschaffung haben.“            parenz und Rechenschaftspflicht bei der politischen
                                                          Entscheidungsfindung beachten.
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                         15

Die Bundesregierung setzt sich deshalb für politi-      Gewährleistung individueller und kollektiver Rechte
sche Teilhabe im gesundheitspolitischen Prozess als     einzufordern und zu überwachen, eine besondere
wesentliches Element von Demokratieförderung,           Rolle zu. Das Engagement der Zivilgesellschaft bei
Staatsentwicklung und guter Regierungsführung           Fragen der globalen Gesundheit ist vielfältig und
(Good Governance) ein.                                  trägt in wesentlichem Umfang zur Lösung globaler
                                                        gesundheitlicher Probleme bei. Die Bundesregierung
Der Ausschluss vom Zugang zu angemessener Ge-           begrüßt das starke Engagement der Zivilgesellschaft
sundheitsversorgung geht häufig einher mit unzu-        in der globalen Gesundheitspolitik, setzt sich für eine
reichenden demokratischen Strukturen, fehlender         Stärkung der Teilhabe der Zivilgesellschaft bei inter-
Gleichstellung der Geschlechter, mangelnder politi-     nationalen Prozessen ein und sucht den Austausch mit
scher Teilhabe oder Diskriminierung von besonders       der Zivilgesellschaft.
verletzlichen Bevölkerungsgruppen wie Minderheiten
oder Menschen mit Behinderungen. Alle Bevölke-          Dem Staat kommt wiederum eine wichtige Rolle in
rungsgruppen müssen die Möglichkeit haben, ihre         der Regulierung des Gesundheitssektors zu, um allen
Interessen zu artikulieren und gesundheitspolitische    Bevölkerungsschichten den Zugang zu qualitativ
Prozesse mitzugestalten.                                guten und bezahlbaren Gesundheitsdienstleistungen
                                                        zu ermöglichen, Qualitätsstandards einzuführen und
Der Zivilgesellschaft kommt aufgrund ihrer Funk­        durchzusetzen und eine effektive Kooperation öffent-
tion, gesellschaftliche Interessen zu bündeln und sie   licher und privater Akteure zum Wohl der Bevölkerung
gegenüber staatlichen Stellen und internationalen       zu ermöglichen.
Institutionen zu vertreten sowie Achtung, Schutz und

Weltgesundheitsversammlung (WHA), Genf
16   Globale Gesundheitspolitik gestalten
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                              17

IV.	Unsere Schwerpunkte – Gezielter
     Einsatz für die globale Gesundheit

1. Grenzüberschreitende Gesund-                             Wir setzen uns für eine stärkere internationale, sektor­
                                                            übergreifende Vernetzung aller Akteure bei der Be-
heitsgefahren wirksam bekämpfen                             reitschaftsplanung zur Bewältigung grenzüberschrei-
                                                            tender Gesundheitsbedrohungen ein. Die betroffenen
Grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren verlangen          Akteure aus verschiedenen Politikbereichen müssen
eine verstärkte strategische und situative Zusammenar-      auf internationaler Ebene noch enger miteinander ko-
beit auf globaler Ebene sowie effiziente Präventions- und   operieren. Dadurch wird das Risiko von Doppelarbeit
Schutzmechanismen bei uns und unseren Partnerlän-           verringert und die im Krisenfall oft besonders knappen
dern. Hierfür bilden die Internationalen Gesundheitsvor-    Ressourcen werden bestmöglich eingesetzt.
schriften (IGV) das völkerrechtliche Fundament.
                                                            Die Bundesregierung setzt sich für die Vernetzung
                                                            und den effektiven Informationsaustausch durch gut
Stärkung der Bereitschaftsplanung                           strukturierte, miteinander verbundene oder integrierte
                                                            Meldesysteme ein. Die Kommunikation mit den Kri-
Übertragbare und lebensmittelbedingte Krankhei-             senstäben anderer Staaten, der WHO und der EU muss
ten können sich rasch verbreiten. Sie haben in der          gesichert sein, um koordinierte Gegenmaßnahmen
Regel einen natürlichen Ursprung, können aber auch          und Hilfeleistung zu gewährleisten. Deshalb unter-
durch das absichtliche Freisetzen gefährlicher Erreger      stützen wir den internationalen Austausch und setzen
verursacht werden. Genauso wie Naturkatastrophen            uns für effektive Früh- und Schnellwarnsysteme im
können sie große Schäden zur Folge haben und stellen        Gesundheitsbereich auf europäischer und internatio-
eine globale gesundheitspolitische Herausforderung          naler Ebene ein, insbesondere im Rahmen der IGV und
dar. Sie zeigen, dass gesundheitlicher Bevölkerungs-        der GHSI.
schutz auf nationaler und internationaler Ebene
Informations­austausch durch Schnell- und Früh-
warnsysteme, gemeinsame Konzepte sowie Koope-               Schutz vor Antibiotikaresistenzen
ration und Koordinierung erfordert. Gesundheitliche
Großschadenslagen wie beispielsweise die Influenza­         Antibiotika stellen eines der wichtigsten Instrumente
pandemie A (H1N1) im Jahre 2009 oder bioterroristi-         der Bekämpfung von bakteriellen Infektionen dar. Die
sche Anschläge können nicht allein durch den Gesund-        Behandlung solcher Erkrankungen wird jedoch zuneh-
heitsbereich überwunden werden, denn sie betreffen          mend durch die weltweit steigende Zahl resistenter
eine Vielzahl von Sektoren. Eine etablierte vertrauens-     Erreger erschwert oder sogar unmöglich gemacht.
volle und sektorübergreifende Zusammenarbeit bei            Dies führt zu einer erhöhten Sterblichkeit, längerer
der Identifizierung von und im Umgang mit biologi-          Behandlungsdauer und höheren Behandlungskos-
schen Gefahren ist ein tragendes Fundament, um in           ten. Hauptursachen der zunehmenden Resistenz von
Krisenzeiten eine transparente Kommunikation, einen         bakteriellen Erregern sind der unsachgemäße Einsatz
offenen Erfahrungsaustausch sowie ein international         von Antibiotika sowie die oft inkonsequente Anwen-
koordiniertes Vorgehen auch in sensiblen Bereichen zu       dung notwendiger Hygienemaßnahmen. Während
gewährleisten und leistet dadurch einen wesentlichen        Infektionen mit multiresistenten Erregern zunehmen,
Beitrag zur multilateralen Gesundheitssicherstellung        befinden sich derzeit nur wenige neue Antibiotika in
bei grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren.              der fortgeschrittenen klinischen Entwicklung, auf die
18                                                                                 Globale Gesundheitspolitik gestalten

     Internationale Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV)

     Am 23. Mai 2005 beschloss die Weltgesundheitsversammlung (WHA) eine überarbeitete Fassung der
     IGV. Die IGV sind das zentrale, für die Vertragsparteien verbindliche Rechtsinstrument im Zuständig-
     keitsbereich der WHO, um eine grenzüberschreitende Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.

     Zweck der IGV ist es, „die internationale Verbreitung von Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen,
     davor zu schützen und dagegen Gesundheitsschutzmaßnahmen einzuleiten, und zwar in einer Weise,
     die den Gefahren für die öffentliche Gesundheit entspricht und auf diese beschränkt ist und eine un-
     nötige Beeinträchtigung des internationalen Verkehrs und Handels vermeidet“. Die IGV stellen unter
     den Bedingungen einer globalisierten Welt eine angemessene Balance zwischen dem Gesundheits-
     schutz und der Freiheit des Handels- und Reiseverkehrs her.

     Herzstück der IGV ist ein internationales Meldesystem. Jeder Vertragsstaat hat nach den Vorgaben eine
     rund um die Uhr erreichbare nationale Anlaufstelle eingerichtet, die mit einer für die jeweilige WHO-
     Region zuständigen Kontaktstelle in Verbindung steht. Mithilfe der IGV wird bestimmt, welche Ereig-
     nisse eine sogenannte „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ darstellen können und
     deswegen an die WHO zu melden sind. Neben Gefahren aufgrund von übertragbaren Krankheiten fal-
     len seit 2005 auch Gefahren chemischen oder radionuklearen Ursprungs in den Anwendungsbereich.

     Mit dem 2009 von der Bundesregierung initiierten Vorhaben „Förderung der Pandemievorsorge
     in Entwicklungsländern“ wurde die Erstellung und Umsetzung von Pandemievorsorge und -be­
     kämpfungs­strategien in Partnerländern bis 2013 unterstützt. Das Vorhaben in 16 Partnerländern
     (Burkina Faso, Ghana, Guinea, Kambodscha, Kenia, Indonesien, Malawi, Nepal, Pakistan, Senegal,
     Tansania, Tadschikistan, Togo, Ukraine, Usbekistan, Zentralafrikanische Republik) diente der Ausbil-
     dung von Kernkapazitäten, die für die Umsetzung der IGV notwendig sind. Mit dem Vorhaben konnte
     ein wichtiger Beitrag geleistet werden, die Partnerländer in die Lage zu versetzen, unvorhergesehene
     Infektions­geschehen mit Epidemie- und Pandemiepotenzial frühzeitig zu erkennen und zeitnah,
     adäquat und koordiniert auf sie zu reagieren.

bei fortschreitender Resistenz herkömmlicher Antibio-      Wir fördern den Ausbau von Systemen zur Überwa-
tika zurückgegriffen werden kann.                          chung von Antibiotikaresistenzen und des Antibioti-
                                                           kaverbrauchs, die Aus-, Weiter- und Fortbildung von
Antibiotikaresistenzen stellen ein globales Problem dar.   medizinischen Berufsgruppen in Bezug auf Antibioti-
Ihre Ausbreitung wird durch den zunehmenden Han-           karesistenzen sowie die Stärkung der Zusammenarbeit
dels- und Reiseverkehr weiter gefördert. Maßnahmen in      innerhalb des Gesundheitssystems u. a. durch die
Einzelstaaten haben deshalb unmittelbare Auswirkungen      Stärkung regionaler Netzwerke. Die Bundesregierung
auf Nachbarstaaten und auf globaler Ebene.                 unterstützt besonders betroffene Partnerländer beim
                                                           Kampf gegen Antibiotikaresistenzen, indem wir den
Die Bundesregierung unterstützt mit der sektorüber-        Aufbau leistungsfähiger Laborkapazitäten zur Diag-
greifenden Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie        nostik von multiresistenten Erregern vor Ort fördern.
(DART) auf lokaler, nationaler und internationaler
Ebene Maßnahmen, die den rationalen Einsatz von
Antibiotika und die Beachtung von Hygieneregeln zum
Ziel haben. Um den Ursachen der Resistenzentwick-
lung entgegenzuwirken, halten wir an der DART fest
und passen die darin vorgesehenen Maßnahmen an
neue Gegebenheiten an.
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                             19

2. Gesundheitssysteme weltweit                              bezahlen müssen. Der Zugang zu bezahlbarer Gesund-
                                                            heitsversorgung ist wirksamer Schutz vor Verarmung
stärken – Entwicklung ermöglichen                           und gleichzeitig eine Grundvoraussetzung für nachhal-
                                                            tige wirtschaftliche Entwicklung, sozialen Frieden und
Gesundheit ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis       globale Sicherheit. Die Verbesserung des Zugangs zu
von Entwicklung.                                            umfassender Gesundheitsversorgung hat deshalb heute
                                                            Priorität auf internationalen Agenden. Deutschland ist
Das Ziel des universellen Zugangs zu Gesundheitsver-        nicht zuletzt aufgrund seiner Erfahrungen mit dem äl-
sorgung kann nur dann erreicht werden, wenn nationale       testen Sozialversicherungssystem weltweit eine treiben-
Gesundheitssysteme ihre Dienstleistungen kompetent,         de Kraft bei der Verbesserung der sozialen Absicherung
effektiv, effizient und für alle gleichermaßen zugänglich   im Krankheitsfall: So wurde der Weltgesundheitsbericht
anbieten. Daher ist der zentrale Förderansatz der deut-     2010 der WHO zu universeller Absicherung im Krank-
schen Entwicklungspolitik die Stärkung der nationalen       heitsfall mit dem Titel „Health Systems Financing – The
Gesundheitssysteme. Sektorübergreifenden Ansätzen           Path to Universal Coverage“ erstmals in Berlin vorge-
sowie integrierten Maßnahmen im Bereich der Kinder-         stellt. Deutschland unterstützt diesen Prozess durch
und Müttergesundheit und der Bekämpfung von HIV/            eigene Resolutionsinitiativen zu sozialer Absicherung im
AIDS wird dabei besonderes Gewicht zugemessen.              Krankheitsfall.
Maßnahmen, die auf sexuelle und reproduktive Ge-
sundheit und Rechte zielen sowie auf selbstbestimmte        Unser Ziel ist es, weltweit zur Verbesserung des
Familienplanung, ermöglichen nachhaltige Entwicklung        Zugangs der Bevölkerung zu Gesundheitsdiensten,
und haben einen positiven Einfluss auf das Bevölke-         gesundheitsbezogenen Informationen und gesun-
rungswachstum.                                              den Lebensbedingungen beizutragen. Besonders
                                                            berücksichtigt wird dabei die Versorgung armer und
                                                            benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Die Regie-
Stärkung von                                                rungen aller Länder haben die Pflicht, das Recht auf
                                                            Gesundheit zu achten, zu schützen und zu gewähr-
Gesundheitssystemen                                         leisten. Sie müssen eine Gesundheitsversorgung
                                                            sicherstellen, die den von der WHO empfohlenen
Weltweit haben über 1 Milliarde Menschen keinen             allgemeinen Qualitätsstandards entspricht. Deutsch-
Zugang zu einer ausreichenden und bezahlbaren Ge-           land unterstützt seine Partnerländer intensiv dabei,
sundheitsversorgung. Mehr als 100 Millionen Menschen        dieser Verpflichtung nachzukommen. Gemeinsamer
fallen jährlich unter die Armutsgrenze, weil sie ihre       Handlungsrahmen sind die universal gültigen Men-
medizinische Behandlung aus eigenen Mitteln direkt          schenrechte und die acht MDGs.

     P4H – Netzwerk für Soziale Absicherung im Krankheitsfall

     Deutschland initiierte 2007 das P4H-Netzwerk, in dem Deutschland, Frankreich, die Schweiz und Spa-
     nien gemeinsam mit der WB, der WHO, der ILO und der Afrikanischen Entwicklungsbank Länder beim
     Aufbau von Systemen der sozialen Absicherung im Krankheitsfall koordiniert unterstützen.

     Ziel der Initiative ist es, Direktzahlungen im Krankheitsfall zu reduzieren und somit den Zugang zu
     Gesundheitsleistungen – vor allem für die ärmere Bevölkerung – zu verbessern. Über soziale Absiche-
     rung im Krankheitsfall kann ein entscheidender Beitrag zur Armutsreduzierung und einer gerecht
     gestalteten Finanzierung von Gesundheitssystemen geleistet werden. Zur Zeit werden etwa zwanzig
     Länder vorwiegend in Asien und Afrika von Partnern des Netzwerkes darin beraten, wie sie den Zu-
     gang der gesamten Bevölkerung zu Gesundheitsdienstleistungen verbessern können.
20                                                                                  Globale Gesundheitspolitik gestalten

Systeme der sozialen Sicherung im Krankheitsfall er-       fung rechtlicher Rahmenbedingen und eines geeigne-
möglichen der gesamten Bevölkerung eines Landes den        ten Arbeitsumfelds, Personalmanagementstrategien
Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Deutschland         und Umsetzung des WHO-Verhaltenskodex gegen die
fördert in seinen Partnerländern die soziale Sicherung     unethische internationale Anwerbung von Gesund-
im Krankheitsfall durch Beratung und Fortbildung, Er-      heitspersonal entgegen. Wie von dem freiwilligen
fahrungsaustausch sowie durch Finanzierung von Struk-      Verhaltenskodex gefordert, wirbt die Bundesregierung
turreformen im Gesundheitssystem. Im Rahmen der            keine Gesundheitsfachkräfte aktiv aus Ländern ab, in
„P4H“-Initiative wirbt die Bundesregierung für einen       denen bereits laut WHO eine Fachkräftekrise herrscht.
harmonisierten Dialog der verschiedenen Geber mit den      Deutschland bringt das Thema der Personalressour-
Partnerländern, um eine koordinierte Unterstützung auf     cen als essentiel­len Baustein der Gesundheitssystem-
dem Weg zu universeller Absicherung im Krankheitsfall      stärkung aktiv in die fachliche und politische Diskus-
zu gewährleisten.                                          sion ein. Im Rahmen des umfangreichen Beitrags der
                                                           Bundesregierung zum Auf- und Ausbau von Gesund-
Dem teilweise krisenhaften Mangel an Gesundheits-          heitssystemen in zahlreichen Partnerländern ist die
fachkräften in ihren Partnerländern, vor allem in          Unterstützung von Strategien zum Management von
Afrika und Asien, wirkt die Bundesregierung durch          Gesundheitsfachkräften wichtiger Bestandteil.
Aus- und Weiterbildung, Unterstützung bei der Schaf-

     Globaler Verhaltenskodex der WHO für die Internationale Anwerbung von Gesundheitsfachkräften

     Die gezielte Anwerbung von Gesundheitsfachkräften aus Entwicklungsländern mit einem akuten Per-
     sonalengpass führt zu schwerwiegenden Versorgungsengpässen in den Herkunftsländern, die sogar die
     Erreichung der MDGs verhindern können. Vor diesem Hintergrund verabschiedeten die Mitgliedstaaten
     der WHO am 21. Mai 2010 den freiwilligen globalen Verhaltenskodex für die Internationale Anwerbung
     von Gesundheitsfachkräften.

     Der Kodex ist freiwillig und somit ein rechtlich nicht verbindliches Instrument. Er legt jedoch ethische
     Grundsätze fest, die bei der Rekrutierung von Gesundheitspersonal beachtet werden sollen. Er fordert
     eine angemessene Balance zwischen den Rechten und Pflichten der Herkunfts- und Zielländer sowie
     der abwandernden Gesundheitsfachkräfte. Wichtigste Empfehlung ist, dass Arbeitgeber und Personal-
     rekrutierungsagenturen die aktive Anwerbung von Gesundheitspersonal aus Entwicklungsländern mit
     einem entsprechenden Personalnotstand unterbinden sollen. Der Verhaltenskodex fördert die Zusam-
     menarbeit zwischen den Ziel- und Herkunftsländern. Er regt an, dass sich die WHO-Mitgliedstaaten
     auf freiwilliger Basis an einem Bericht über den Stand der Umsetzung des Kodex beteiligen.

     Pakistan: Personalentwicklung im Gesundheitssektor

     In Pakistan hat die Bevölkerung nur eingeschränkten Zugang zu qualitativ angemessenen Basisleistun-
     gen der Gesundheitsfürsorge. Ein wesentlicher Grund hierfür ist das Fehlen qualifizierter medizinischer
     Fachkräfte. Deutschland unterstützt seine pakistanischen Kooperationspartner auf nationaler und
     Provinzebene mit gezielter Beratung zu Personalentwicklung und Personalressourcenmanagement im
     Gesundheitssektor: Wichtigstes Ergebnis ist bisher der Aufbau der unabhängigen „Health Services Aca-
     demy“ (HSA). Die HSA bietet als erste Einrichtung der Region ein Postgraduierten-Studium im Bereich
     Personalmanagement für das Gesundheitswesen an. Zudem konnte in Pakistan die Ausbildung von
     Krankenpflegern und Medizintechnikern mit deutscher Unterstützung wesentlich verbessert werden.
Globale Gesundheitspolitik gestalten                                                                         21

Selbstbestimmung über Sexuali­                           Weltweit möchten mehr als 220 Millionen Frauen
                                                         und Mädchen, die aktuell keinen Kinderwunsch
tät und Familienplanung fördert                          haben und überwiegend in den ärmsten Ländern der
nachhaltige Entwicklung                                  Welt leben, mit modernen Methoden verhüten, haben
                                                         aber keinen Zugang zu diesen Methoden. In Ent-
Während einige Industriestaaten mit sinkenden Ein-       wicklungsländern wurden im Jahr 2012 Schätzungen
wohnerzahlen und der zunehmenden Alterung ihrer          zufolge 80 Millionen Frauen ungeplant schwanger.
Bevölkerung konfrontiert sind, haben viele Staaten in    Diese Schwangerschaften ließen sich zum Großteil
Afrika und Asien eine sehr junge Bevölkerung und erle-   verhindern, wenn die betroffenen Mädchen und Frau-
ben ein rasches Bevölkerungswachstum. Prognosen der      en angemessen über Möglichkeiten von Verhütung
Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung      und Familienplanung informiert wären und Zugang
von derzeit 7 Milliarden bis 2050 auf 9,3 Milliarden     zu modernen Methoden der Schwangerschaftsverhü-
Menschen anwachsen. Große Ungleichheiten in der          tung hätten. Ungewollte Schwangerschaften führen
Einkommensstruktur, den Entscheidungsmöglichkei-         oftmals zu unsicheren Abtreibungen, die mit schwe-
ten von Männern und Frauen, dem Zugang zu sozialen       ren Komplikationen und Tod einhergehen. Noch
Dienstleistungen, einschließlich der sexuellen und       immer sterben weltweit jährlich über 287.000 Frauen
reproduktiven Gesundheit, und Bildung verschärfen die    und Mädchen in Folge von Schwangerschaft und
Bevölkerungsdynamiken. Dies stellt die betroffenen       Geburt trotz erheblicher Fortschritte in der medizini-
Länder sowie die gesamte Weltgemeinschaft vor enor-      schen Vorsorge und Betreuung. 40 % aller Todesfälle
me Herausforderungen in Bezug auf eine nachhaltige       der unter 5-jährigen Kinder ereignen sich in der Neu-
Entwicklung. Deutschland unterstützt daher Maßnah-       geborenenphase. Deshalb spielen nutzerfreundliche,
men, die Frauen und Männern die Möglichkeit geben,       effiziente Gesundheitsdienste für eine angemessene
über den Zeitpunkt einer Schwangerschaft und die         Betreuung während Schwangerschaft, Geburt und
Familiengröße selbstbestimmt entscheiden zu können.      Nachsorge eine wesentliche Rolle, um die Mütter-
                                                         und Neugeborenensterblichkeit zu senken.

Gewichtskontrolle eines Kleinkindes, Nicaragua
22                                                                                            Globale Gesundheitspolitik gestalten

     Gesundheitsvoucher in Kenia: Sichere Geburten auch für arme Schwangere ermöglichen

     Auf dem Weg zu einer langfristigen Gesundheitsfinanzierung unterstützt Deutschland seit einigen Jahren
     nachfrageorientierte Finanzierungssysteme mittels Gutscheinen. So werden in Kenia staatliche, private
     oder kirchliche Kliniken qualitätsgeprüft und unter Vertrag genommen, um sichere Entbindungen ein-
     schließlich Vorsorge- und Nachsorgeuntersuchungen und die Behandlung bei möglichen Komplikationen
     sicher zu stellen. Während eine Entbindung in einer Klinik ca. 250 Euro kostet, erwerben arme Schwangere
     einen Gutschein für umgerechnet zwei Euro. Ebenfalls werden Gutscheine für Beratung zu Familien-
     planung und Verhütungsmitteln, sowie zur Behandlung der Folgen sexueller Gewalt angeboten. Nach
     erbrachter Leistung und Rechnungsstellung wird die Klinik durch das Voucherprogramm vergütet. Bisher
     wurden über 270.000 Gutscheine an arme Frauen ausgegeben. Die Nachfrage ist gewaltig. Jeden Monat
     kommen dank Gesundheitsgutscheinen über 1.500 Kinder sicher zur Welt.

     Auch in anderen Ländern fördert Deutschland, oft im Verbund mit anderen Gebern, Gutscheinvorhaben
     im Gesundheitsbereich, etwa in Uganda und Kambodscha. Weitere Vorhaben sind in der Planung.

Ca. 90 % der weltweit mit dem HI-Virus infizierten                   400 Mio. Euro zur Förderung der Mütter- und Kin-
schwangeren Frauen leben in Ländern des südlichen                    dergesundheit bereitzustellen. Die für die bilaterale
Afrika. Wenn sie rechtzeitigen Zugang zu antiretro-                  Umsetzung ins Leben gerufene „Initiative zur Selbst-
viralen Medikamenten haben, kann das Risiko der                      bestimmten Familienplanung und Müttergesundheit“
Übertragung des HI-Virus von der Mutter zum Kind                     der Bundesregierung verfolgt dabei drei Ziele:
auf bis zu 5 % reduziert werden. Aus diesem Grund ist
es gerade in Ländern mit hohen HIV-Raten besonders                   1. Wir wollen das Wissen über moderne Familien­
wichtig, Angebote der Familienplanung, der geburts-                  planungsmethoden und deren Akzeptanz steigern.
hilflichen Betreuung sowie der Mutter- und Kind-
Versorgung mit HIV-Präventionsmaßnahmen und                          2. Wir wollen den Zugang zu modernen Familienpla-
antiretroviraler Behandlung zu verknüpfen.                           nungsmethoden und -dienstleistungen verbessern.

Die Bundesregierung hält an ihrer Zusage fest, im                    3. Wir wollen die Zahl der medizinisch professionell
Rahmen der G8 Muskoka-Initiative bis 2015 zusätzlich                 begleiteten Geburten erhöhen.

Aufklärungsveranstaltung zur AIDS-Problematik in einem Krankenhaus, Ruanda
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