Quo vadis Soziale Arbeit an Grundschulen- Eine Idee breitet sich aus - Dokumentation einer Fachtagung
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Schulbezogene Kinder- und Jugendsozialarbeit an Grundschulen © lu-photo – Fotolia.com Quo vadis Soziale Arbeit an Grundschulen – Eine Idee breitet sich aus – Dokumentation einer Fachtagung deutscher paritätischer wohlfahrtsverband gesamtverband e. V. | www.kinder-verdienen-mehr.de
Inhalt Quo vadis Soziale Arbeit an Grundschulen – Eine Idee breitet sich aus ..... 3 Schulsozialarbeit in Berlin – eine Einführung .......................................................... 4 Dr. Thomas Pudelko, Der Paritätische Gesamtverband Sozialarbeit an Grundschule. Leistungsprofil und Besonderheiten ................... 6 Prof. Dr. Karlheinz Thimm, Evangelische Hochschule Berlin Arbeitsgruppen ..................................................................................................... 24 AG 1 „Flex SBS“ – Soziale Arbeit an Grundschulen als Prävention ......... 24 Serkan Altuglu, Projektleitung FLEX SBS, Karlsgarten-Grundschule AG 2 „Geschickte Kinder“ – Auszeit vom Regelunterricht ........................ 26 Bettina Leskien, Sozialpädagogin, Dreilinden-Grundschule AG 3 Eltern als Zielgruppe Sozialer Arbeit an Grundschulen .................. 29 Aydin Bulut, Erzieherin in der Schulstation, Fichtelgebirge-Grundschule AG 4 In der Schule und im Sozialraum: Zusammenarbeit im Einzelfall .... 30 B eate Lieb, Sozialpädagogin / Sozialarbeiterin, Leitung der Schulstation „Ausblick“, Dunant-Grundschule AG 5 Schulsozialarbeit und Schulentwicklung an Grundschulen .......... 33 R oman Riedt, Landeskooperationsstelle Schule – Jugendhilfe, bei der kobra.net, Kooperation in Brandenburg, gGmbH AG 6 Anforderungsprofil an Professionelle in der Grundschule .............. 36 Jürgen Ludewig, Kooperationsverbund Schulsozialarbeit AG 7 „Alle mit an Board!“ – Sportbetonte Schulsozialarbeit für eine aktive Grundschule .................................................................. 38 Martina Lepp, Schulsozialarbeiterin an der Janusz-Korczak-Schule und Holger Grysczyk, Fachkoordinator Schulsozialarbeit der GSJ gGmbH AG 8 Interkulturelle Moderation an Grundschulen ..................................... 41 U lrich Falke, Projektkoordinator und Dafina Sejdijaj, Bezirksleitung, LebensWelt gGmbH 1
Praxisbesuche in Berlin ............................................................................................ 43 PB 1 „Gerne – gemeinsam – gut“– Kooperation von Lehrer/-innen und Schulsozialarbeiter/-innen ............................................................ 43 Dunant-Grundschule im Bezirk Steglitz PB 2 „Miteinanderwachsen!“–SozialesLernenimSchullalltag ................... 47 Schulstation „Bäkerei“, Grundschule an der Bäke im Bezirk Steglitz PB 3 „ Streiten will gelernt sein!“ – Die Schülerstreitschlichtung .............. 52 Eduard Mörike Schule im Bezirk Neukölln PB 4 „ Soweit die Hände tragen“ – Werkpädagogik als individuelle Förderung ....................................... 56 Otto-Wels-Grundschule im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg PB 5 „Demokratie erleben!“ – Stärkung der Partizipationskultur von Schüler/-innen .................... 60 Nürtingen-Grundschule im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg PB 6 „Carpe diem!“ – Integrierte Ganztagskonzepte im Zusammenspiel von Schule, Hort und Sozialarbeit .................... 64 Neumark-Grundschule im Bezirk Schöneberg PB 7 „Gemeinsam mehr erreichen“ – Eltern als Partner ............................. 68 Fichtelgebirge-Grundschule im Bezirk Kreuzberg PB 8 „Hoşgeldiniz!“ – Interkulturelle Arbeit im Rahmen von Schule ......... 72 Rixdorfer Schule im Bezirk Neukölln PB 9 Ö ffnung von Schule: Übergang von der Kita in die Grundschule / Freizeitprojekte mit einer Einrichtung d. Kinder- und Jugendarbeit .... 76 Verabschiedung – Ausblick ...................................................................................... 78 Dr. Thomas Pudelko, Der Paritätische Gesamtverband Links und weitere Hinweise ..................................................................................... 83 2
Quo vadis Soziale Arbeit an Grundschulen – Eine Idee breitet sich aus Schulsozialarbeit an Gesamt-, Mittel-, um die Sinnhaftigkeit dieser Angebote Sekundar-, Ober-, Hauptschulen als ein sollen auf der Fachtagung die Fortent- integratives, sozialpädagogisches, le- wicklung dieser Arbeitsansätze positiv bensweltorientiertes Angebot für alle beeinflussen und Anregungen zur stand- Schülerinnen und Schüler der jewei- ortübergreifenden Qualitätsentwicklung ligen Schule hat inzwischen eine mehr geben. als 30-jährige Tradition. Nun rückt die Grundschule in den Fokus. In Städten wie Diese Fachtagung fand nicht nur im ge- Berlin, Frankfurt, München, Heidelberg, schlossenen Tagungsraum an der Evan- Düsseldorf, Dortmund und in anderen gelischen Hochschule Berlin statt. Nach Regionen kann seit wenigen Jahren von dem Motto „Praxis lebt von guter Pra- breitem Ausbau gesprochen werden. xis“ führte sie die Teilnehmer/-innen am Allerdings dominiert oft Wunschdenken, zweiten Tag zu ausgesuchten Orten, die was diese Projekte und Personen sinn- für besondere Profilelemente des Hand- voller Weise tun können und sollen. Vieles lungsfeldes stehen. wird dabei einfach von der Sekundarstu- fe I übernommen, ohne die Bedingungen Während der Vormittag am ersten Tag, an der Grundschule wahrzunehmen. klassisch mit Eröffnungsbeiträgen be- gann, fanden am Nachmittag acht Klein- Ein weiterer Schub bezüglich der Angebot- gruppen statt (S. 24 bis 41). serweiterung an Grundschulen ist durch die Finanzierung von Stellen der Schul- Der zweite Tag begann gleich mit den Be- sozialarbeit über Bundesmittel aus dem suchen in den Praxisprojekten. An diesen Bildungs- und Teilhabepaket entstanden. Orten beispielhafter Praxis von Sozialer Damit einher müsste auch die Stärkung Arbeit an Grundschulen haben die dor- und Weiterentwicklung der Fachlichkeit in tigen Fachkräfte den Gästen diese vorge- diesem Aufgabenfeld gehen. Hier bietet stellt und mit den Besucher/-innen über es sich gerade für Praktiker/-innen an, sich ihre Praxis diskutiert (S. 43 bis 76). von guten Beispielen für die eigene Arbeit inspirieren zu lassen. Nach einer Zusammenfassung der bei- den Tage gab es einen Ausblick auf das Eine gut strukturierte Aufbereitung bei- Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit an Grund- spielhafter Projekte und eine Diskussion schulen (S. 78) 3
Schulsozialarbeit in Berlin – eine Einführung Dr. Thomas Pudelko Referent für Jugendsozialarbeit und Schule Der Paritätische Gesamtverband Wir haben zu dieser Fachtagung zu Stand und Entwicklung Sozialer Arbeit an Grund- schulen nach Berlin eingeladen. Nach Berlin, weil hier die Entwicklung – gerade was die Sozialarbeit an Grundschulen angeht – etwas anders verlaufen ist, als in den mei- sten anderen Bundesländern oder Städten. Während dort der Auf- und Ausbau der Sozialen Arbeit an Oberschulen ansetzte, wurde in Berlin ein Sonderweg beschritten. Hier wurde von Beginn an der Blick auf die ganz jungen Schulkinder gelenkt. Für diejenigen, welche die Berliner Land- Im Jahre 1998 erhielt die erste Schul- schaft nicht so gut kennen, hier eine kur- station eine Regelfinanzierung über ze Chronologie: den Landeshaushalt. Das war im Bezirk Zehlendorf die Schulstation Ab 1968 wurden in Berlin Gesamt- „Oase“. schulen eingerichtet, von denen es bis 2011 23 gab. Dort waren bis zu Im Jahre 2000 wurde dann vom Land 240 Stellen für den außerunterricht- Berlin die Regelfinanzierung von erst lichen Bereich eingerichtet. Diese einmal 30 Schulstationen an Grund- sollten vor allem im Eingangsbe- schulen zugesichert. Weitere Schul- reich für den Abbau herkunftsbe- stationen – meist aus Eigenmitteln dingter Benachteiligung sorgen. – in anderen Bezirken folgten. Heute gibt es an 74 Grundschulen in Berlin ann tat sich lange Zeit nichts. Erst D Soziale Arbeit in Form von Schulsta- ab dem Jahre 1992 entstanden ins- tionen (bei 404 Grundschulen). gesamt 34 Schülerclubs – 19 davon an Grundschulen. ann kam das 2005 gestartete Pro- D gramm „Jugendsozialarbeit an Ber- b dem Jahre 1996 wurden die Vor- A liner Schulen“ zum Zuge, in dessen läufer der heutigen Schulstationen Verlauf es Schulsozialarbeit nun an als AMB-Projekte gegründet. insgesamt 121 Grundschulen brachte. 4
Darüber hinaus gibt es in vielen Bezirken zu erstellen, erhielt hierfür aus den Mit- sozialpädagogische Fachkräfte an Grund- teln des Bildungs- und Teilhabepakets je- schulen, die für besondere Aufgaben zu- der Bezirk nun eine koordinierende Fach- ständig sind, wie z. B. für die spezielle Un- kraft allein für diese Aufgaben. terstützung von Roma-Kindern oder die Gründe von schulverweigerndem Verhal- Das Programm „Jugendsozialarbeit an ten in der Grundschule zu ergründen und Berliner Schulen“ startete damals als ESF- abzubauen zu helfen. gefördertes Programm mit der Befürch- tung, dass es nach der Laufzeit entwe- Natürlich gibt es auch in Berlin Schulso- der ganz verschwindet oder zumindest zialarbeit an allen Sekundarschulen, an reduziert wird. Doch dies geschah nicht den Gemeinschaftsschulen, an allen För- und heute kann man von einem stabilen derzentren, an vielen berufsbildenden Bestand und einer gewissen Konsolidie- Schulen und inzwischen auch an eini- rung sprechen. gen Gymnasien. In den Bezirken gibt es beim jeweiligen Jugendamt zuständige Und das ist der zweite Unterschied von Koordinatoren für dieses Feld. Damit der Berliner Entwicklung zu vielen ande- alle 12 Berliner Bezirke in die Lage ver- ren Bundesländern, wo die Verstetigung setzt werden jeweils ein abgestimmtes aus Modellprogrammen gar nicht oder bezirkliches Konzept für das Programm nur eingeschränkt stattfand. „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ Unter Schulstation verstehen die Berliner Jugendämter und freien Träger der Jugendhilfe ein Leistungsangebot der Jugendhilfe an einer Schule, was vom öffentlichen Träger finan- ziert und von einem freien Träger realisiert wird. Die Mindestausstattung besteht dabei aus zwei sozialpädagogischen Fachkräften, unterschiedlichen Geschlechts, mit insgesamt mindestens 1,5 Stellenanteilen, möglichst Sozialarbeiterin und Sozialarbeiter, mindestens jedoch 1 Sozialarbeiter/-in und 1 Erzieher/-in. Hinzu kommen weitere Personal- sowie Sachmittel. Das Schulamt stellt dem Träger kostenfrei mindestens zwei Räume in der Schule; die Räume sind mit eigenem Telefon- und Internetanschluss ausgestattet. „Generell bieten die Schulstationen Hilfestellung für Kinder und Jugendliche mit sozial- pädagogischem Zuwendungsbedarf, der sich aus ihrer persönlichen, familiären und/ oder schulischen Situation ableitet. Die Schulstationen können demgemäss fachlich als spezifisches, niedrigschwelliges Präventionsangebot klassifiziert werden.“ (AH von Berlin, Drs. 15/1411, S.5) 5
Sozialarbeit an Grundschule. Leistungsprofil und Besonderheiten Prof. Dr. Karlheinz Thimm Professur für Soziale Arbeit, Evangelische Hochschule Berlin Zum Beispiel Sabrina Ein Mittwoch im Mai 2012 in Berlin, Schule X, Klasse 4a. Aus der Vormittagsbeobachtung eines Unterrichtsbesuchers: Die Klassenlehrerin verkündet, dass Sabrina nicht mit zur in ei- ner Woche beginnenden Klassenreise nach Amrum fahren wird. Verhaltene Zustimmung unter den Kindern kommt auf, erst einige, dann die Hälfte – die Kinder zeigen unverhoh- len, was sie von Sabrinas Nicht-mit-Fahren halten. Diese sitzt da, vereist, mit starrem Blick ins Irgendwo. Die Lehrerin – entsetzt, aufgewühlt – maßregelt die Gruppe, droht mit Kon- sequenzen, verweist auf den morgigen Elternabend. Der Gast tauscht sich mit der Lehrerin aus, der „nichts mehr einfällt, was man machen kann – das Kind wird regelrecht gemobbt“. Abends spricht der Besucher mit seiner Tochter, die Teil der Klasse ist, darüber, was los ist. Kurz gesagt: Sabrina sei anders als die anderen; sie rieche unangenehm, mache merkwür- dige Bewegungen, verhalte sich generell unberechenbar. „Gegen Sabrina“ zu sein, ist heim- licher Konsens unter Vielen. Sabrinas alleinerziehende Mutter kommt zu Elternabenden seit einem Jahr nicht mehr. In der Folge ist Sabrina für sieben Tage krank geschrieben. In dieser Klasse und in anderen gibt es gegangen wird. Was könnte die Klasse immer wieder Situationen, die gerade- 4a lernen, wenn Sabrina mit zur pädago- zu nach pädagogischer Prävention und gisch reflektiert angelegten Klassenfahrt verlässlicher Aufarbeitung rufen. Welche nach Amrum geht? Ließe sich die Ent- Not für einzelne Kinder, wenn auf diesen wicklung zu einem „Fall Sabrina“ aufhal- Vorfall nicht genau und konsequent ein- ten? Wer geht den Vorfällen nach und auf 6
den Grund? Die skizzierte Situation bleibt Brandenburg sind sie fünf bis dreizehn leider ungeklärt; die Krankheit der Klas- Jahre alt; über den Ort Grundschule; über senlehrerin und die von Sabrina kommen das, was die Soziale Arbeit dort leisten als Verhinderungsgründe hinzu. Generell kann. Das bedeutet zunächst, einige ge- gilt an einer monoprofessionellen Schule nerelle Bestimmungen für Schulsozialar- ohne Sozialarbeit: Ob etwas und was ge- beit vorzunehmen, um dann Grundschul- schieht, bleibt zufällig, je nach dem, ob spezifika zu fokussieren. Dazu werde ich jemand initiativ wird und am Ball bleibt. auch aus empirischen Diplomarbeiten von Studierenden zitieren. Sozialarbeit an Grundschule ist noch nicht überall vorhanden. So scheint die Sonne der sozialen Bildung und der Hil- fe zur Schulalltagsbewältigung zur Zeit Zielgruppe Kinder noch zufällig. Wäre kompetente Schul- sozialarbeit abrufbar, stünde eine zusätz- Die Schüler/-innen in der Primarstu- liche Personal- und Zeitressource zur Ver- fe verbindet, dass sie Kinder sind, die fügung. Es gäbe Optionen: Die Lehrkraft Grundbedürfnisse mitbringen und die in erhält die Chance zu kollegialer Bera- ihrer Schulzeit typische Entwicklungen tung. Sie kann sich entlasten und distan- durchlaufen. Sie sind allerdings nicht zieren und erfährt erweiternde fachliche nur mit Blick auf die Altersbreite sehr Perspektiven. Die Mutter könnte eher verschieden. Sie trennen auch außer- aktiviert werden. Mit der Klasse könnte schulische Erfahrungen. Viele Kinder sind systematisch am Thema der Ausgren- gewollt, manche geduldet; es gibt arme zung gearbeitet werden. Sabrina könnte und reiche unter ihnen; viele wurden in eine zuständige, vertrauenswürdige ihren Rechten geachtet, andere erlebten Kümmerung erhalten. Mit ihr könnten sich als rechtlos; viele können flüssig vielleicht Wege erarbeitet werden, wie sprechen, anderen gelingt dies weniger; sie aus der Außenseiterstellung wenig- manche sind stolz auf sich und fühlen stens ein Stückchen in die Klassenge- sich in der Gruppe wohl, andere leiden meinschaft hineinwachsen könnte. unter Ängsten und sozialer Unsicherheit und ihre emotionale Grundausstattung Es gilt, über drei Themen zu sprechen: ist im Bereich „Selbstwert“ nicht sehr über Kinder – bei vierjähriger Grund- üppig. Spaltungen in der Gesellschaft schulzeit sind sie fünf bis zehn und in der führen nicht selten zu Rissen in den Lern- sechsjährigen Primarstufe in Berlin und gruppen. 7
Sabrina gehört zu den armen Kindern Eine Zentralvariable für eine Risiko- und sie ist zudem noch „arm dran“. Einige kindheit ist statistisch, nicht in jedem Zahlen: Einzelfall, der Bildungshintergrund der Eltern, wobei das Zusammentref- Materielle Armut: Die Einkommens- fen von Finanz-, Bildungs-, Integra- armut zwischen 2000 und 2006 ist tionsarmut besonders gefährdend bundesweit von 11,8 Prozent auf 18,3 wirkt. Prozent gestiegen; circa 30 Prozent der Schüler/-innen in Berlin sind von Am Ort Schule erfahren diese Kinder häu- der Zuzahlung zu Lernmitteln befreit figer Ablehnung durch Lehrkräfte und Mitschüler/-innen. Sie erleben sich über- Wann nun ist ein Kind „arm dran“? lastet, kommen mit dem Stoff schlechter Kinder selbst nennen in einer Studie mit und haben deutlich mehr Konflikte. des Deutschen Jugendinstituts fol- gende Indikatoren: „keine / wenige Das Altersspektrum zwischen Fünfjäh- Freunde“; „ich kann niemanden zu rigen und Zwölfjährigen ist so groß, dass mir nach Hause einladen“; „bei uns verbindende Aussagen schwer möglich sind teure Freizeitaktivitäten nicht sind. Gleichwohl, es gibt Gemeinsam- möglich“; „Stress in der Schule (z. B. keiten bei Grundschulkindern. Die Psy- werde nicht gemocht, abgelehnt)“; chologin Oggi Enderlein (2008) nennt „meine Eltern können mir nicht rich- im Aufgriff entwicklungs- und lernpsy- tig helfen“ chologischer Wissensbestände sowie von Alltagserfahrungen: Geselligkeit und 41 Prozent des sozialbenachteiligten Rückzug; selbstbestimmte Bewegung; Viertels sehen täglich mehr als zwei Begegnung und Auseinandersetzung Stunden TV (Referenzwert 8,5 Pro- mit Gleichaltrigen; eigenständiges Er- zent); es gibt große Unterschiede zwi- kunden und Erobern der Welt; neues Wis- schen den Schichten bei den Werten sen und Können erwerben; Erwachsene, für Sport, Musizieren, Lesen… Kinder die helfen, die Dinge gut und richtig zu aus benachteiligten Milieus sind dies- machen; Verlässlichkeit und Überschau- bezüglich inaktiver barkeit: Räume, Personen, Regeln … 8
Der Ort Grundschule Pädagogische Schule: Hier steht vergleichsweise das Kind deutlich An den Grundschulen in Deutschland hat stärker im Mittelpunkt des beruf- sich in den vergangenen 15 Jahren Auf- lichen Selbstverständnisses der regendes vollzogen. Die Grundschule ist Lehrkräfte als später. Individuali- die Schule für alle. Pädagogik der Vielfalt sierung, Förderung und Stärkung ist Gebot. Die Grundschulreformen in sind Maximen, die zählen. Eine den vergangenen Jahren sind bekannt. Lehrkraft, die m. E. durchaus als ty- Ich nenne nur Stichworte: Flexible Schu- pisch für die aktuelle Grundschul- leingangsphase; Jahrgangsübergreifen- pädagogik stehen kann, äußert:1 des Lernen; Übergangsgestaltung mit „Man muss Kinder mögen, auch Kitas; Neue Lernkultur – Lernende als schwierige Kinder. Mein eigentlicher aktive Aneignungssubjekte mit individu- Auftrag ist der, den Kindern eine ellen Lernwegen; Ganztag; Erweitertes Lernzeit zu bereiten, mit der sie gute Bildungsverständnis; Soziales Lernen; Erinnerungen verknüpfen. Die sol- Öffnung von Schule; Profilbildung; Qua- len das Gefühl haben, dass dies hier litätsentwicklung… In der Tendenz wur- ihre Lernheimat ist. Sie sollen erfah- den damit sowohl gewachsene Grund- ren, dass Lernen Spaß macht und anlagen dieser Schulstufe und Schulform sich für einen selber lohnt. Weil man gestärkt, als auch wurden mit Blick auf dann mehr weiß, mehr erfährt, mehr neue Verständnisse von Lernen und guter kann. Wir tun etwas, damit das Kind Bildung Gewichte verschoben. Zudem Lernwillen erhält und Stärke, Zufrie- müssen Grundschulreformen schlicht denheit, Ausgeglichenheit.“ Aus die- als Antworten auf die Überwältigung ser Stellungnahme wird deutlich: durch Realitäten verstanden werden. Kinder an Grundschulen werden Die Heterogenität der Kinder, die gesell- überwiegend als ganzer Mensch schaftlichen Anforderungen, veränderte und nicht als Stoffverarbeiter „mit Kindheiten, andere Familienrealitäten 50 Prozent schriftlich und 50 Pro- und -konzepte, prekäre Bedingungen in zent mündlich“ wahrgenommen. manchen Sozialräumen – diese Mixturen führen zum aktuellen kindzentrierten Profil des Typus Grundschule. So gelten 1 Alle nicht gekennzeichneten, kursiv gestellten für Grundschulen mehr und mehr diese Zitate stammen aus Interviews mit Lehrkräften und Schulsozialarbeiter/-innen, die von Student/-innen für Bestimmungsmerkmale: Diplomarbeiten an der Evangelischen Hochschule Berlin geführt wurden. 9
Soziale Schule: Das Zurechtkom- Manchen gerät diese Skizze vielleicht men mit Anderen in einer Welt der zu positiv und damit wirklichkeitsfern. Verschiedenen, das Zusammenle- Denken wir noch einmal an Sabrina. Sie ben und Zusammenarbeiten in der ist zweifellos ein Störfall für das System Gruppe – diese Grundlegungen Schule. Jede Schule ist anders – und finden hier in Fortführung elemen- trotzdem gibt es Systembesonderheiten tarer Erziehung in den Kitas unter und professionsspezifische Eigenarten, ernsteren und verpflichtenden Be- gegen die sich pädagogisches Handeln dingungen statt. und individuelles Lehrerengagement zu behaupten haben: Inklusive Schule: Dieses Merkmal bedeutet, dass Aussonderung zur Lehreridentität als kompetente Ausnahme und integrative Beson- Curriculumerfüller. derung zum selbstverständlichen Pädagog/-innen an Grundschulen blei- Prinzip werden soll. Auch hier ist ben Lehrkräfte. Ihr beruflicher Auftrag die Grundschule schon bisher füh- ist, Lernen und Leistungserfolge zu orga- rend; denn sie tut sich mit Ausson- nisieren und zu ermöglichen. Und auch derung tendenziell schwer. am Ort Grundschule sehen sie ihr Fach als bedeutsam, wollen keine wertvolle Geöffnete Schule: Die Papier- und Unterrichtszeit mit Blick auf Lehrplaner- Sitzschule mit Stundentakt in al- füllung, Klassen- und Vergleichsarbeiten, leiniger Lehrerhand wird flankiert Übergangsraten in hoch chancenreiche – durch andere Methoden, Räume Schulformen verlieren. und Zeitstrukturen, neue Medien, Lernen im Stadtteil, Einbindung Definition von Schule als von Eltern, Erzieher/-innen der er- Zentralgestirn. gänzenden Betreuung und ande- Auch Grundschullehrer/-innen, so sehr ren Bildungspartner/-innen. Die sie sich mit den vorfindbaren Verhältnis- Chance in Grundschulen ist ver- sen arrangieren, möchten, dass sich die gleichsweise sehr groß, dort Men- Mitwelten, vor allem Familie und auch schen zu treffen, die nicht Lehrkräf- die Jugendhilfe, auf sie einstellen. Die te oder Schulsozialarbeiter/-innen heimlich oder offen bestimmende Di- sind. rektive lautet: „Tut alles, damit wir unsere Arbeit möglichst reibungslos und wir- kungsvoll machen können. Denn Schule 10
ist das Wichtigste.“ Das führt nicht selten keitskonstruktion nicht mehr in der Pri- zu Erwartungen und Forderungen, die märverantwortung. Sie wollen abgeben. von Partnern wie Eltern und Jugendhilfe Ist dies nicht möglich, droht nicht selten nicht umstandslos erfüllt werden. Nicht-Wahrnehmung, bis ggf. eskalierte Konflikte Interventionen zur Störungsun- Person als Teil der Lerngruppe. terbindung notwendig machen. Schule ist darauf angelegt, Gruppen zu versorgen. Schon arbeitsökonomisch Imagedruck „Gute Schule“ kann der einzelne junge Mensch nicht im (Anwahl in der Marktkonkurrenz). Primärfokus von Schulpädagogik stehen. Eine Schule, die ihre Unterrichtszeit nicht In den Rollenbeziehungen von Lehrer/- optimal verwendet und die eine Häu- in und Schüler/-in liegt die Tendenz zur fung von Vorfällen zu verzeichnen hat, Gleichbehandlung näher als dauernde kann schnell eine ungünstige Schülermi- Ausnahmen und „Einzelfallregelungen“. schung erhalten, was bekanntlich oft in eine Abwärtsbewegung hineinführt. Schwierige Schüler/-innen als Ablaufstörung. Kurz, für Schule systemlogisch sind diese Die Unterrichtszeit und die Arbeitszeit Tendenzen: Ausscheidungsversuche von von Lehrkräften sollen effektiv und effi- Problemen und Aufgaben, die Unter- zient genutzt werden. Jede/r Schüler/-in richtserteilung erschweren; Individuali- aus der großen Menge, die oder der sich sierung von Störungen („Menschen- statt nicht komplikationslos in die erwarteten Systemkonstruktionsfehler“); Hineinma- Abläufe einfügt, produziert besonderen növrierung von Komplementärsystemen Aufwand. Zeit im Unterricht geht verlo- in die Erfüllungsgehilfen- und Zuarbei- ren, Zeit für Kooperationsgespräche ist tsrolle. Organisationslogiken sind aller- zu erübrigen, negative Gefühle und Ge- dings von Menschen gemacht und wer- danken müssen bewältigt werden, Ener- den von Menschen aufrechterhalten; sie gien werden absorbiert. Lehrkräfte sehen sind damit nicht unverrückbar. Gerade sich zwar als Pädagog/innen und wollen mit der systemischen Brille kann oft die diesen Rollenanteil in der Regel gerade negative Note von persönlichem Vor- nicht loswerden. Wenn ihr Engagement wurf und Schuldzuweisung in den Hin- aber in überschaubaren Zeiträumen tergrund treten, so dass eingeschliffene, nicht fruchtet, sehen sie sich angesichts auch organisationsbedingte Affinitäten fehlender Zeitkontingente, nicht pas- zwischen Pädagog/-innen besprechbar sender Qualifikation und qua Zuständig- werden. 11
Brauchen wir angesichts dieses Bildes So- mich dem Feld beschreibend an. Was tun ziale Arbeit an Grundschulen? Wofür soll Schulsozialarbeiter/-innen? Sie unterbrei- diese Ergänzung stehen? Mit welchen In- ten Beziehungsangebote, thematische, halten und Leistungen sollen sich sozial- räumliche Angebote. Sie wenden sich an pädagogische Angebote profilieren? Einzelne, Gruppen, Klassen, Schule, mit Bezügen zum Gemeinwesen. Sie beraten, motivieren, entlasten, trainieren, fördern, Generelle Kennzeichen und vermitteln, moderieren Räume, bieten Bestimmungen zu Sozialer Arbeit Schutz, schaffen Gelegenheiten. Sie pla- an allen Schulen nen, konzipieren, koordinieren, vernet- zen, erschließen Ressourcen. Sie sprechen Die Bezeichnungen für das, worüber hier Schüler/innen, Eltern, Lehrkräfte an. Sie gesprochen wird, sind vielfältig. Man fin- wirken präventiv durch offene Angebote det aktuell vor allem diese Titulierungen: und Projekte; sie arbeiten reaktiv (inter- Schulbezogene Jugendhilfe; Schulsozi- ventiv) in schwierigen, belasteten Situ- alarbeit; Soziale Arbeit an Schule; Sozi- ationen und mit jungen Menschen, die alarbeit an Schule; Jugendsozialarbeit Unterstützungsbedarf aufweisen. an Schule. Die terminologische und konzeptionelle Pluralität verweist da- Nun läuft mit dem Hineintreten einer rauf, dass wir es noch immer mit einem neuen Berufsgruppe an Schule manches nicht eindeutigen Praxisbereich zu tun nicht gleich glatt. Was macht Schulsozial- haben. Nach wie vor gilt „Schulsozial- arbeit grundsätzlich strukturell störanfäl- arbeit“ als Oberbegriff für vereinbarte, lig, ohne dass Fachlichkeitsdefizite und intensive, kontinuierliche sozialpädago- Kompetenzmängel unterstellt werden gische Angebote an der Schule mit den müssen? Als potentielle Stolpersteine, Hauptzielen der Schulalltags- und der die wahrzunehmen und zu bearbeiten Lebensbewältigung (vgl. Speck 2006). sind, gelten häufig: Für Schüler/-innen stellt diese Ergänzung zur Schulpädagogik eine zusätzliche Zwei Berufsstände, zwei Ressource dar; denn sie bringt sozialpä- administrative Zuständigkeiten, dagogische Ziele, Tätigkeitsformen und zwei Sichtweisen, unterschied- Methoden in die Schule ein, die auch bei liche Prinzipien. erweiterten Aufträgen an Lehrkräfte und Gegenübergestellt werden meist: Freiwil- gedehnten Lehrerrollen nicht durch Schu- ligkeit – Pflicht, Vertrauen – Kontrolle, Aus- le allein abzudecken wären. Ich nähere handlung – Anordnung, Ressourcenblick 12
– Defizitperspektive … Unterschiedliche das mühselige und schwierige Spiel mit Zwecke und Fachlichkeiten von Schule mehreren Bällen jeden Tag aufs Neue und Jugendhilfe, die sich etwa in nicht geben. unbedingt zusammenklingenden Pro- blem- und Erfolgsverständnissen, im Blick Arbeit „in der Fremde“. auf die Beziehungsseite oder bei den ein- Der Gaststatus an der Schule mit der gesetzten pädagogischen Mitteln äußern, Lehrer-„Übermacht“ kann womöglich im sind zu übersetzen und zu verschränken. Zuge der „Integration in das Kollegium“ nur um den Preis überwunden werden, Kein klar umrissenes Aufgabenfeld. das eigene Profil einzubüßen. Allzu schul- Das Profil der Leistung steht nicht im Vor- fern darf sich die Sozialarbeit andererseits hinein fest. Das erhöht die Gefahr, poten- auch nicht definieren, sonst bleibt sie tiell „Libero für alles Schwierige“ zu wer- isoliert und jeder, so ein Lehrer frustriert, den. Womöglich steigt Diffusität mit der „kocht weiter sein eigenes Süppchen.“ Breite der wahrgenommenen Aufgaben. Die Falle der Allzuständigkeit für Übrig- Angewiesenheit bei bleibendes und Unbearbeitetes muss Zielerreichung auf Ko-Produktion umgangen werden. (u. a. durch Lehrkräfte). Die Sozialarbeit an Schule kann die mei- Starke Abwehr- und Delegations- sten ihrer Ziele nur erreichen, wenn die kräfte von Schule. Lehrer/-innen in offene Aushandlung Wie alle Systeme versucht auch Schule, und kooperative Aufgabendurchfüh- Ablaufstörungen mit einer ausgelager- rungen eintreten. Das gilt verstärkt für ten Feuerwehr-Erwartung an andere zu die gemeinsame Bearbeitung gemein- begegnen. samer Themen (Eltern, Soziales Lernen, Förderung, Schulklima, Konflikte …). Überhöhte und gar widersprüch- liche Erwartungen verschiedener Oft ungünstige Strukturqualität. Anspruchsgruppen. Selbst wenn die räumlichen und säch- Viele Wünsche, hohe Ziele und nicht lichen Voraussetzungen günstig sind, immer gleiche Interessen von Schüler/- fehlt es nicht selten an einem quantitativ innen, Eltern, Lehrkräften, Jugendamt, hinreichenden und verlässlichen Rahmen Träger … erschweren es, ein eindeutiges für die kleinen und größeren Kooperati- und gesichertes Wirksamkeitserleben zu onen zwischen Sozial- und Schulpädago- entwickeln. Sozialarbeit an Schule muss gik (Orte, Zeiten, Verfahrensabläufe …). 13
Nicht alle Lehrkräfte nutzen die Gelegen- Nicht selten treffen Berufsanfänger/in- heit der anderen Profession an ihrem Ort. nen oder zumindest junge Fachkräfte der Eine Lehrkraft meint: „Mir wäre es lieber, Sozialen Arbeit mit geringem Gehalt, we- er würde nicht mit den Schülern über mich nig Standesbewusstsein und noch nicht sprechen. (…) Ich finde es auch nicht rich- konturierter beruflicher Identität in be- tig, dass er in jeder Konferenz dabei sitzt, fristeten Anstellungsverhältnissen auf äl- ich habe es allmählich dick.“ (Vgl. Schmidt- tere Lehrkräfte in unkündbarer Stellung, chen 2005, S. 343) mit gutem Gehalt, ausgeprägtem Status und Standesbewusstsein sowie mit einer Nicht wenige Lehrer/-innen bezweifeln „mächtigen Institution“ im Rücken. auch die Kompetenz der sozialpädago- gischen Fachkräfte im Feld der schul- Häufige hausgemachte Mängel, denen bezogenen Beratung. Ob Beratungsof- man zum Teil mit eigenen Mitteln begeg- fenheit entsteht, scheint u. a. stark von nen kann, sind: der „menschlichen Art“ des Gegenübers abzuhängen. Die Persondimension ist, Strukturelle Grundgefahren: Einmal- dies scheint mir bis dato unterthemati- Aktivitäten; Ständige Abwicklungs- siert, auch unter dem Aspekt des Alters drohung aufzuschließen. Ältere Lehrkräfte sehen sich ggf. Sozialpädagog/-innen gegen- Verzicht auf Bestimmung weniger über, die ihre Kinder sein könnten. Das Kernaufgaben (Verzettelung durch Eingestehen von Schwächen und die Nachgeben gegenüber akuten An- Bereitschaft, Rat anzunehmen, könnten fragen – Rollenanlage zwischen dadurch gemindert werden. Zwei Stim- „Bollwerk“ und Flexibilität nötig …) men aus der Lehrerschaft: „Es ist ein ge- wisser Altersunterschied zwischen uns und Kaum Entwicklung transparenter da habe ich wenig Vertrauen.“ Und: „Ich Leistungsbeschreibungen (Unbe- glaube nicht, dass ich mir von anderen was rechenbarkeit) sagen lasse, das macht das Alter auch. Ich habe zwei große Kinder – und der hat keine Eine Lehrkraft sagt dazu: „Mir geht also Ahnung.“ (Vgl. Schmidtchen 2005, S. 334) ganz wirklich dieses Gesamtkonzept ab. Im Mit Blick auf die Praxis sind weitere wirk- Moment habe ich so das Gefühl, unser Sozi- mächtige Einbettungsfaktoren, so T. Pu- alpädagoge schwebt durch unser Haus und delko in einem Vortrag an der Hochschu- sucht sich da mal was raus und da mal was le Osnabrück (2011), zu berücksichtigen: raus (…).“ (Vgl. Schmidtchen 2005, S. 349) 14
Fehlende überprüfbare Ziel- führung (bei unscharfen Professions- definitionen (Diffusität; „Märchen- grenzen Lehrer/-innen, Erzieher/-innen, stunde“, d. h. konzeptionelle Be- Sozialarbeiter/-innen); Bildungs- und gründung für Einsatz wird zum in Präventionsangebote für alle versus Be- Aussicht gestellten Ergebnis) nachteiligten- und „Problemfall“-Fokus; Finanzierung: Jugendhilfe versus Schu- Geringschätzung von Wirkungs- le – Kommune / Kreis / Land / Bund (über überprüfung (Dimensionen: Nut- Mittel des Bildungs- und Teilhabepakets). zermenge, Akzeptanz / Zufrieden- heit, qualitative Zielerreichung) Leistungsprofil Sozialer Arbeit an Nicht hinreichend besprochene Grundschulen Aufgabenverteilung und Koordi- nationsschwächen an Schnittstel- Was macht Sozialarbeit an Grundschu- len zu Schule (unzureichende Ab- le zu einem Muss? Was kann nur durch stimmungen mit Lehrkräften und Sozialarbeit gewährleistet werden? Ganztagserzieher/-innen) – es fehlt ganz einfach Kooperationszeit Unmittelbare Hilfen bei Problemen, Konflikten, Worüber besteht kein fachlicher Konsens Krisen von Einzelnen in den eigenen Zirkeln der Schulsozialar- Generell werden Sozialarbeiter/-innen beit? Anlage der Sozialarbeit an der Schu- durchaus als Vertrauenspersonen und le: eigenständig versus integriert – offen- verfügbare Unterstützer geschätzt – von siv versus defensiv gegenüber Schule; jungen Menschen, Eltern, Lehrkräften. Feuerwehr-Funktion versus nachhaltige Folgende Stimmen geben aber auch zu Schulentwicklung; Binnen- und Schulbe- denken. Eine Lehrkraft: „Ich meine, dass zug mit Schwerpunkt Einzelfall und Bera- man viel allgemein postulieren kann, was tung versus Außen-, Jugendhilfe- sowie nicht das ist, was den Schulsozialarbeiter Sozialraumbezug – hier sehe ich nach un- in Wirklichkeit ausmacht. In Wirklichkeit ist seren Untersuchungen die größte Kluft es schon so, dass der Sozialarbeiter nichts zwischen Basiskräften und Ratgebern; anderes macht als die Hilfen zu organi- Mitwirken in unterrichtlichen Bezügen sieren und die Hilfen zu liefern, die diese versus keine eigenständige Tätigkeit in Kinder brauchen.“ Eine andere Lehrkraft der Unterrichtszeit; Aufgabentrennung erklärt zur Rolle der Sozialarbeit: „Die ist versus gemeinsame Aufgabendurch- eine latente Bedrohung für Eltern. Schulso- 15
zialarbeit kommt ja eigentlich erst dann in Initiierung und Begleitung Bewegung, wenn irgendetwas nicht rund sozialer Prozesse läuft. Dafür haben Eltern ein Gefühl. Und Ein Sozialarbeiter: „Das Thema Klima un- das wollen viele nicht.“ ter den Schülern, das Thema Selbstwert, das Thema Sozialkompetenz, Gewaltkon- Ich meine, dass die unmittelbare Hilfe flikte und Mobbing, Partizipation – das für Einzelne unbedingt in das Leistungs- sind alles Sachen, für die wir auch die Leh- profil der Sozialarbeit an der Schule ge- rer brauchen. Aber diese sozialen Themen hört. Und damit einher gehen dann auch sind erstmal bei uns in guten Händen und Feuerwehr-Einsätze. Die Kunst liegt darin, wir holen uns dann die Lehrer ran, die an- sich zeitlich und energetisch nicht in den sprechbar sind.“ Fällen zu verlieren und trotz momentaner Abnahme Lehrer/-innen als Mitarbeiter/- Moderation zwischen Personen innen im Stand by-Modus zu halten und und Interessen bei Bedarf zu aktivieren. Eine Schulsozialarbeiterin liefert ein Bei- spiel: „Es gibt die Möglichkeit, dass mich Kann und soll man Zeitkontingente de- Lehrer dazu holen, wenn es (…) Schwierig- finieren? Können Quantifizierungen, die keiten gibt, also bei Helfer-, also der Schul- von den Fachkräften selbst auf Einhal- hilfekonferenz oder (…) Klassenkonferen- tung kontrolliert werden, Profile absi- zen, wo es auch um Sanktionen geht. Dass chern? Ich denke, dass Richtwerte Sinn ich vorher mit den Eltern in Kontakt trete machen, zum Beispiel 25 Prozent der Zeit oder Eltern teilweise auch begleite, mit de- für Prävention, 20 Prozent für Vernetzung nen ich vorher schon gearbeitet habe. (…).“ und Vermittlung nach außen, 10 Prozent Moderation geht nicht, wenn eine enge für Schulentwicklung in Gremien und Parteilichkeit herrscht oder wenn sich Teams, 15 Prozent für Sonstiges. Dann Menschen nicht gesehen fühlen. Eine bleiben 30 Prozent für Einzelhilfen und Lehrkraft akzentuiert: „Vertrauen ist nicht Gruppenarbeit mit Kindern, die Schwie- mehr so. Es sind einige Situationen gewe- rigkeiten haben und machen. sen, wo ich mich geärgert habe, weil er meine Seite nicht gesehen hat.“ Prinzipiell ist die intermediäre, manchmal fast su- pervisionsähnliche Position mit der Au- ßenperspektive auf häufig verzwicktes Geschehen ein Segen für das Finden von Lösungen. 16
Öffnung nach außen zu Eltern, schafft werden? Dabei schauen wir auf die Gemeinwesen und Hilfesystem: Kompetenzen der Eltern und der Lehrer auf. Drehscheibe, Brücke, Weiterver- (…). Wir versuchen, die Kommunikation im mittlung Grundsatz umzugestalten.“ Ein Lehrer meint: „Vor allem findet er die Schnittstellen. Er findet den Draht zum „Es gibt bei uns auch den offenen, freiwil- Jugendamt, zu außerschulischen Hilfen. ligen, ganz niedrigschwelligen Bereich. Ich Die findet der Lehrer gar nicht. Da ist er leite ein Elterncafé an und begleite das, wo auch von den Kompetenzen her überfor- Eltern einfach zum Frühstück kommen. Wo dert. Und zur Familie. Da muss es auch es nicht darum geht zu gucken, das kann eine Brücke geben. Und die Brücke ist, mein Kind nicht, sondern um Austausch, wenn es schwierig wird, die Sozialarbeit.“ dass die Eltern sich kennenlernen, dass Ein Schulsozialarbeiter äußert: „Teilweise man Anknüpfpunkte im Kiez findet, dass finden Eltern, dass die Schule ein bisschen man einfach zusammensitzt.“ verschlossen ist, weil normalerweise Eltern nicht ins Schulgebäude kommen. An die- „Ich frage Eltern: Was denken Sie, was Ihr ser Stelle treten wir in Aktion und machen Kind gerade beschäftigt? Was beschäftigt Türen auf.“ Sie, was Ihr Kind angeht und so. Das sind Sa- chen, die Lehrer so nicht erfragen würden.“ Querschnittsfunktion: Der andere Blick … „Ich sage dann: Fällt dir irgendwas auf, wie Dazu einige Stimmen aus der Schulsozi- sich das Kind gerade verhält? (…) (Das) ist alarbeit an Grundschule. bei denen zu Hause gerade ein bisschen schwierig. Vielleicht kannst du mal darauf „Schule ist eigentlich in der Blickrichtung gucken und ein bisschen Druck rausneh- defizitär, d. h. es geht häufig im Alltag um men. (…) Wenn sie ein bisschen Hinter- Probleme und Schwierigkeiten, es geht um grundwissen haben, dann wirkt sich das nicht geleistete Sachen, es geht um schlech- auch positiv auf die Beziehung zwischen te Noten oder mangelnde Unterstützung Lehrer und Schüler aus.“ zu Hause oder dass sie die Hausaufgaben nicht machen (…). Vieles ist im Defizitbe- Welche Akzente verschieben sich im reich angesiedelt. (…) Es geht bei uns um Ganztag? Dort, wo ein konzeptionell die Kinder und es geht um das Entwickeln gestalteter, personell quantitativ hinrei- einer gemeinsamen Zielrichtung. Was soll chend und mit qualifizierten Kräften aus- sich für das Kind verändern? Was soll ge- gestatteter Betreuungsbereich im gebun- 17
denen Ganztag anzutreffen ist, werden Brückenfunktion in den Sozial- andere Kompetenz- und Aufgabenprofile raum, Vernetzungen; Schulent- möglich sein, als dort, wo diese Voraus- wicklung. (Vgl. Nachbarschafts- setzungen nicht gegeben sind. Insbeson- heim Schöneberg e. V. / Nachbar- dere offene und präventive Angebote für schafts- und Familienzentrum alle Kinder können von Erzieher/-innen in Kiezoase 2011) der Regel günstig erbracht werden. Dann Hier sehen wir die Soziale Arbeit auf ih- kann die Sozialarbeit an Grundschule sich ren klassischen Kern der „Randgruppen- stärker auf die Zielgruppe nach § 13 SGB verhaftung“ sowie auf Öffnung und Ver- VIII konzentrieren und mit Blick auf „Kin- netzung reduziert bzw. fokussiert. Dies der mit sozial-emotionalen Belastungen werden Viele nicht mögen, fallen doch präventiv, integrativ und stabilisierend“ Prävention und Freizeit- sowie Bildung- tätig werden – sofern eben Beziehungs-, sangebote für alle Kinder weg. Politisch Bildungs-, Freizeitangebote durch ist die Begründungslinie der Risikokinder Erzieher/-innen (und Lehrer/-innen) tendenziell günstig, fachlich gibt es dazu hinreichend entwickelt sind. Prioritäten durchaus kontroverse Auseinanderset- liegen dann in: Schulstation als Ort, der zungen. Wir müssen aus der Praxis im überlasteten Kindern Schutz, Entlastung, Ganztag Erfahrungen sammeln, welche Ruhe bietet; Stützung durch Einzelhilfen; Akzentverschiebungen sich mit drei Zusammenarbeit mit Eltern von „Risiko- festen Berufsgruppen und externen Ko- kindern“, die zeitintensiv bzw. labil ist; operationspartner entwickeln. Noch wis- Kinderschutz-Aufgaben; Clearing in nicht sen wir dazu wenig. gleich durchschaubaren Zusammenhän- gen; Durchführung von Gruppenarbeit für desintegrationsgefährdeten Kinder; Strukturelle Bedingungen Beratung mit allen Anspruchsgruppen; Entwicklung einer Konfliktkultur Der Satz gilt auch für Sozialarbeit an Schule: Ohne Strukturqualität keine Prozessqualität. Was sind strukturelle Gestaltungsaufgaben für Träger und Mitarbeiter/-in? Sicherung von perso- nellen, sächlichen, räumlichen Standards (in Kooperation mit Schule); Konzept (Philosophie, Leistungen …); Trägerbe- gleitung, Teameinbindung, Fortbildung, 18
Supervision; Gremienteilnahme im So- Fazit zialraum-Kontext; Qualitätsentwicklung (Schlüsselprozesse, z. B. Kooperation, Welche Besonderheiten machen Sozial- Auszeit-Gestaltung, Eltern, Beratung, arbeit an Grundschule aus? Konflikt …); Auswertung und Jahrespla- nung (Soll – Ist, Akzeptanz, Schwerpunkt- 1. Präventives Tätigwerden, bevor sich setzung). problematische Entwicklungen verfe- stigen. Selbstverständlich sind auch im Im guten Fall trifft Schule auf ein Sozial- Jugendalter Problemlösungen noch arbeitsangebot, das strukturell und kon- möglich. Allerdings sind die Chancen zeptionell günstige Voraussetzungen schlechter, wenn die Desintegration bietet. Auch die Schule hat Aufgaben und die Ausbildung ungünstiger Be- zu übernehmen und zu erfüllen: Erstel- wältigungsstrategien schon in Kita und lung einer Situations- und Bedarfsana- Grundschule begannen. Werterleben lyse (mit dem Träger); Abschluss einer durch Erfolge, die anerkannt werden, Kooperationsvereinbarung mit dem Zugehörigkeit zu fairen und respekt- freien und /oder öffentlichen Träger der vollen Gemeinschaften sowie Einord- Jugendhilfe und /oder Schulträger; Vor- nung in ein produktives Arbeitsgefüge handensein eines Schulprogramms mit – dies wirkt präventiv. Befunde ver- Schulsozialarbeitsbezug; Kenntnisse und weisen auf das Eintreten präventiver Akzeptanz der Positionen der Schulsozi- Effekte an Good Practice-Standorten: alarbeit; Bereitstellung von zentralen, ei- Sozialarbeit ermöglicht neue Diskurs- genen Gruppen- und Beratungsräumen qualitäten über Kinder. Schulsozialar- mit eigenem Telefon; Schlüsselrecht für beit befördert den Kontakt zwischen Sozialarbeiter/-innen; Unterstützung der Schule und Umwelten. Sie verringert Schulsozialarbeiter/-innen bei Wünschen Schule-Eltern-Distanz, verbessert das zur Verbesserung der Arbeit; Ermögli- Schulklima und stellt für die Schulent- chung der Teilnahme für Schulsozialar- wicklung relevante Fragen. Sozialar- beit in Schulgremien; regelmäßige Tref- beit an Grundschule entwickelt eine fen zwischen Schulsozialarbeiter/-innen, Konfliktkultur (mit). Schulleitung, Lehrer/-innen; Schulische Teilnahme an einer schulinternen Projekt- 2. Hoher Stellenwert von Erlebnis, Spiel gruppe Schulsozialarbeit; jährliche Aus- und Bewegung. Kinder wollen tun, wertungs- und Planungsdialoge im Rah- sie lernen spielerisch, sie drücken sich men einer Konferenz (vgl. Speck 2006). im Spiel aus, erfreuen sich am Dasein, 19
möchten sich ausprobieren. Dafür stellt zeichnet durch Multifunktionalität, die Schulsozialarbeit eigene Räume Farbe, Arbeitsspuren der Kinder, Ge- zur Verfügung. Sie thematisiert aber mütlichkeit, Bedürfnisgerechtigkeit. auch in der Kooperation mit Lehrkräf- Mitunter sind die „Oase“ oder die „In- ten neue Selbstwertfelder und Wür- sel“ geradezu Gegenwelt für die Sin- dechancen, um Anerkennung auch ne. Auch hier ist der Freizeitbereich an jenseits von Schulleistung, verbaler Ganztagsstandorten oft ebenfalls ein Kompetenz, eloquenter Rollengabe als kindgerechtes Milieu. gewissenhafte/r Lerner/-in zu ermögli- chen. Im gebundenen Ganztag bestel- 5. Notwendigkeit von Freundlichkeit, len dieses Feld auch Erzieher/-innen emotionaler Zuwendung, Herzlich- und externe Kooperationspartner/- keit. Beziehungselemente wie Em- innen. pathie, Entlastung, Vertrauen, Zeit nehmen, Sich-Interessieren und Sich- 3. Bedeutung von Schutz und Ruhe gera- Kümmern stehen (hoffentlich) für de für„verwundbare Kinder“. Die soziale Soziale Arbeit an all ihren Wirkungs- Arena Schule ist strapaziös. Die Men- stätten. An Grundschulen geht es nun schenmenge, die Reizflut, der Lärm, um Kinder und auch um ihre Sorgen. die ständigen sozialen Anforderungen, Schulsozialarbeiter/-innen brauchen die Status- und Hierarchiekämpfe, die einen Draht zu Kümmernissen, die Ein- und Unterordnungsanforderun- sich im Moment für die Mädchen und gen, das Sich-Zeigen-Müssen – all das Jungen als Katastrophe anfühlen. Sen- kostet Kinder Kraft. Unseren Schulen sibilität für Irritierbarkeit, Nahbarkeit, fehlen nicht selten Räume für Aktion Frische, eine tröstende Ader, menschli- genauso wie für Besinnung und Erho- che Wärme – dies ist noch stärker als an lung. Schulsozialarbeit bietet einen Ort weiterführenden Schulen von Nöten. und sporadisch auch die Beziehungs- ebene, um auszuruhen und zu sich zu 6. Ergänzung der sprachlichen Ebene kommen. durch nonverbale Mittel; kindgerechte Kommunikation. Verständlich, aktivie- 4. Relevanz von Atmosphäre und Raum- rend, beteiligend und respektvoll mit qualitäten. Viele Schulstationen, die Kindern reden kann nicht jede/r. ich besucht habe, konterkarieren das graue, monofunktionale Schulhaus. 7. Wächteramt für Kinderschutz. Es gibt Räume und Ambiente sind gekenn- keine bessere Möglichkeit, den Schutz 20
für Fünf- bis Zwölfjährige zu gewährlei- angesprochen werden. Mit Erzieher/- sten, als die Sensibilisierung von Lehr- innen in Betreuungsfunktion tritt im kräften und die Installierung von Sozi- Ganztag eine weitere Akteursgruppe alarbeit an Grundschule. Schon zwei in das Feld, die Nähe zu den Sozialar- nicht erfolgte Fremdunterbringungen, beitsaufgaben und -themen hat. Hier die eingespart werden, weil frühe Hil- zu sinnvollen und tragenden Aufga- fen greifen, entsprechen den Kosten benteilungen zu kommen, ist span- für eine Vollzeitstelle Schulsozialarbeit nend und herausfordernd. inklusive Sachkosten. Entscheidend aber ist, dass mit Sozialarbeit an Grund- 9. Notwendigkeit der Zusammenarbeit schule Kinder in höchster Not eher auf- mit Eltern, die i. d. R. interessiert bzw. fallen und Unterstützung erhalten. Das interessierbar sind und deren Mitwir- könnten allerdings Eltern weniger po- kung von Kindern gewünscht wird. sitiv sehen, wenn sie hier Einmischung Diese günstigen Voraussetzungen und negative Kontrolle erleben. können dazu führen, Eltern breiter zu aktivieren – wenn Schule Eltern denn 8. Zusammenarbeit mit Lehrkräften, die in ihren Alltag hineinlassen und will- ein pädagogische Selbstverständ- kommen heißen will. Sozialarbeit weiß nis haben und kindzentriert arbeiten jedenfalls qua Fachlichkeit, wie dies können / sollen / wollen sowie mit versucht werden könnte. Erzieher/-innen. Einerseits ist es leich- ter, Schul- und Sozialpädagogik zu 10. Beachtung des Übergangs von der bündeln, wenn beide Partner sich der Kita in die Schule. Hier sind neben den pädagogischen Professionalität ver- Sozialarbeiter/-innen sehr stark die pflichtet sehen statt sich als Lateiner Lehrkräfte gefordert. Übergangsbe- oder Mathematiker zu definieren. Al- gleitung brauchen vor allem Kinder lerdings drohen vielleicht eher Kon- in erschwerten Lebenslagen. Auch kurrenz und Neid. Entscheidend aber bei der Schnittstelle zur Kita sind ggf. ist, als Sozialarbeit zu respektieren, die Erzieher/-innen im Ganztag die dass gerade Klassenlehrer/-innen sich erste Adresse. manches nicht aus der Hand nehmen lassen wollen. Andererseits können 11. Beachtung des Übergangs von der Grundschullehrer/-innen bei allzu aus- Grundschule in die weiterführende geprägter Abgabementalität leichter Schule mit Blick auf „Risikokinder“. auf ein pädagogisches Berufsethos 21
12. Grundschule als kommunales Zen- Insgesamt könnte man sagen: Grund- trum und Nahraum-Faktor (Kiez-, schule wird mit Vertrautheit assozi- Stadtteil-, Nachbarschaftsschule). iert; und so kann hier eher Vertrauen In diese Besonderheit spielen ver- entstehen. Überlastung in der Familie schiedene Facetten hinein. Grund- ist einfacher mitteilbar, Hilfewünsche schulen haben für Regionen oft können leichter geäußert werden. eine symbolische Bedeutung. „Wenn Da ist sicherlich viel dran. Gleichwohl die Grundschule stirbt, gehen bei muss auch bedacht werden, dass sich uns die Lichter aus.“ hört man oft in ggf. schlechte Erfahrungen mit Schul- Brandenburg mit Blick auf sinkende sozialarbeit schnell herumsprechen. Bevölkerungszahlen in der Periphe- Ein misslungener Arbeitskontakt führt rie des Landes und damit drohende dazu, dass eine Familie, eine Lehrkraft, Standortschließung. Die Grundschu- ein/e Sozialarbeiter/-in einen „Stem- le ist auch in Städten die Schule um pel“ hat bzw. eine belastende Vorge- die Ecke, an der man öfter vorbei- schichte in die Arbeit mit Geschwister- geht, die man kennt, die alle aus der kindern hineinspielen kann. So bleibt Nachbarschaft besuchen. Gerade in auch die Grundschule als Ort Sozialer ethnisch geprägten Communities Arbeit mit allen Ambivalenzen behaf- gehen Kinder von Verwandten und tet, die der nahe Raum bereithält. Bekannten dort hin, alle Geschwister, Mütter haben dort ihr Elterncafé, Vä- 13. Sozialraum-Konzept der Jugendhilfe. ter und Mütter kommen zur Mal- und Wird die Sozialraumorientierung über Putzaktion. In einwohnerschwäche- die Einzelfall-Kooperation hinaus ren Kommunen wird in der Turnhalle wirklich ernstgenommen, wird das abends oder am Wochenende Kultur Jugendamt als Planungs- und Steue- angeboten, es wird gefeiert, getanzt, rungsinstanz (hoffentlich) interessiert Erwachsenenbildung hat dort ihren sein, was die Sozialarbeit an der Schu- Platz. Die Schulsozialarbeit wird auch le wahrnimmt, anbietet, denkt und zu beachten haben, dass lokale Ent- braucht. Hier sind die Kontakte und scheidungsträger aus Verwaltung die Synergiepotentiale häufig noch und Politik, die womöglich die Stelle ausbaufähig. Allemal würde so ein finanzieren, mitreden. So wird das weiterer Akteur in das Erwartungs- Interessen- und Erwartungsgeflecht geflecht geraten und die Netzwerk- noch komplexer. Ansprüche an die Schulsozialarbeit würden noch weiter steigen. 22
Ein Fazit: Die Soziale Arbeit an der Grund- Literatur: schule ist die Adresse für die soziale Seite des Schüler-Seins. Damit gemeint aier, Florian: Zu Gast in einem B sind womöglich bedrohliche außer- fremden Haus. Bern 2007 schulische Lebensumstände, das Klima in Schule und Klasse, Konflikte, soziale, Enderlein, Oggi: Ganztagsschule emotionale und kommunikative Kompe- aus Sicht der Kinder. Weniger oder tenzen, Integration in Gemeinschaften mehr Lebensqualität? Berlin 2008 trotz womöglich erwartungswidriger, unverständlicher Verhaltensweisen. Hier achbarschaftsheim Schöneberg N sind wir Seismographen, hier sind wir e. V. / Nachbarschafts- und Familien- Spezialist/-innen, hier haben wir thema- zentrum Kiezoase (Hrsg.): Schulsta- tische Patenschaften und wollen etwas tionen an Ganztagsgrundschulen anstoßen. Das ist für die Gegenwart der in gebundener Form als Angebot jungen Menschen nützlich, weil sie sich schulbezogener Jugendhilfe. Berlin dann dort wohler und zufriedener füh- 2011 (Unveröffentlichtes Papier) len, wo sie einen beträchtlichen Teil ihrer Lebenszeit verbringen. Die Gestaltung Schmidtchen, Sybille: Integrierte der sozialen Seite des schulischen Lebens Schulsozialarbeit als Subsystem von wird sich aber auch positiv auf das Gelin- Schulentwicklung. Göttingen 2005 gen der Schülerrolle und die schulischen Erfolge auswirken. Speck, Karsten: Qualität und Evalu- ation in der Schulsozialarbeit. Wies- baden 2006 Thimm, Karlheinz (Hrsg.): Werkbuch Sozialarbeit an Grundschule. Aa- chen 2012 23
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