Rahmen-Konzeption mathildenhöhe - Wissenschaftsstadt darmstadt - Freunde der ...
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Rah m e n– Ko nz e pt io n M at h ild e n h ö h e erstellt von: Nikolaus Heiss Koordination Mathildenhöhe unter Mitarbeit von: Christiane Geelhaar, Renate Wissenschaftsstadt Hoffmann und Mona Sauer Darmstadt Zwischenbericht – Juli 2009
Vor w or t Vorwort Die Mathildenhöhe Darmstadt ist ein kul- heute von der Künstlerkolonie Mathilden- turelles Erbe von Weltrang, das es aus der höhe mit ihren aus der Architektur und den Sicht der Gegenwart für die Nachwelt ver- Reformansätzen um 1900 resultierenden antwortungsvoll zu erhalten und weiterzu- einzigartigen Ausstrahlung auf Kultur und entwickeln gilt. Diese große Verpflichtung Gesellschaft im europäischen und weit und damit zusammenhängende Entschei- darüber hinausgehenden Kontext. dungen verantwortet die Stadt Darmstadt durch die zuständigen Dezernenten für Um den Blick auf die Mathildenhöhe zu Kultur, für Denkmalpflege und für das Bau- schärfen und ihren eindeutigen Wert zu wesen. unterstreichen, wird zunächst eine umfas- sende Bestandsaufnahme durchgeführt Mit der Bestellung des Koordinators Mat- werden. Sie ist für die Politik, die Landes- hildenhöhe wurde ein wichtiger Schritt denkmalpflege und auch für die Bürger- vollzogen dieser umfassenden Aufgabe schaft ein wichtiger Wegweiser für den nachzukommen. Zum ersten Mal wurde noch zu prüfenden Antrag zur Anmeldung nun im Auftrag des Magistrats und des als UNESCO-Weltkulturerbestätte. Stadtparlamentes mit dieser Broschüre eine Rahmenkonzeption Mathildenhöhe in Form eines Zwischenberichtes durch den Wir danken dem Koordinator Mathilden- Koordinator Mathildenhöhe vorgelegt. Sie höhe und Leiter der städtischen Abteilung dient dazu, die zu leistende Aufgabe in Denkmalpflege, Herrn Nikolaus Heiss, für ihren weitreichenden politischen, denkmal- seine engagierte und fachlich hervorragen- pflegerischen und städtebaulichen Dimen- de Arbeit für die Erhaltung und Weiterent- sionen vorstellbar zu machen. Schon jetzt wicklung dieses Kulturdenkmals. wird deutlich, dass es sich um den Beginn eines spannenden und höchst anspruchs- vollen Prozesses von großer Bedeutung für Darmstadt handelt. Denn es geht im Wesentlichen um die Sicherung der bis Darmstadt, im August 2009 Walter Hoffmann Klaus Feuchtinger Dieter Wenzel Oberbürgermeister Stadtrat und Dezernent Stadtrat und Baudezernent und Kulturdezernent für Denkmalpflege 2
I n h a lt s verzeich n is Einführung 5 Lageplan 5 Vorbemerkungen 5 Leitidee Die Geschichte der Mathildenhöhe 9 Die Mathildenhöhe 10 Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie 1901 12 Die zweite Ausstellung der Künstlerkolonie 1904 13 Die hessische Landesausstellung für freie und angewandte Kunst 1908 15 Die letzte Ausstellung der Künstlerkolonie 1914 16 Veränderungen bis heute 17 Investitionsprogramm 2008 Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen – Grundlage: Bestandsaufnahme – 19 Bestandsaufnahme aller Objekte der Künstlerkolonie 19 Lageplan Weitere Entwicklung der Mathildenhöhe 21 Einbindung ins Stadtgefüge und die direkte Umgebung 24 Stadtgestalterische Maßnahmen 24 Verkehrsmaßnahmen 25 Das Baufeld am Osthang 27 Bauleitplanung 29 Wiederherstellung von Bauten oder Baudetails 33 Wiederherstellung von Gärten 36 Maßnahmenplan UNESCO-Welterbe 39 Lebensreform und Reformarchitektur als Welt- kulturerbe? 40 Liste der Darmstädter Architekturen und Kunstwerke 42 Weltkulturerbe, was ist das? 42 Aufnahmeverfahren 42 Form und Inhalt der Antragstellung 43 Wirkung und Folgen der Anerkennung als Weltkulturerbe Zeit- und Kostenplan 45 Zeitplan – Kosten – Finanzierung 45 Zeitvorstellungen 45 Kostenbereich 45 Finanzierungsüberlegungen Anhang 47 Impressum 47 Abbildungsnachweis 47 Bibliografie 49 Beschluss der Stadtverordnetenfraktion 50 Liste der Objekte 54 Beispiele der Bestandsaufnahme 3
Ein f ü h ru n g Die Mathildenhöhe mit den denkmalge- schützten Bereichen Gesamtanlage Kulturdenkmal Vorbemerkungen Die Stadtverordnetenversammlung hat Grundlage für die Anmeldung zum Weltkul- im Februar 2008 den Auftrag zur Erarbei- turerbe dienen. Kosten und Finanzierung tung einer Konzeption an den Koordinator sind nur angerissen. Eine Reihe von Pla- Mathildenhöhe erteilt. Das jetzt vorliegende nungs- und Baumaßnahmen werden für die Papier ist ein Zwischenbericht zum Stand zukünftige Entwicklung der Mathildenhöhe der Arbeiten. Bei der Entwicklung der Kon- vorgeschlagen. Durch sie soll das bedeu- zeption wirken Christiane Geelhaar, Renate tende kulturelle Erbe Mathildenhöhe an Hoffmann und Mona Sauer mit, Dr. Inge Lo- Attraktivität gewinnen, ihre Verbindung zur renz und Doris Fath begleiten die Arbeiten. Stadt verbessert und ihre Wirkung in der Dr. Renate Ulmer, die anfangs ebenfalls in Region gestärkt werden. Da einige dieser der Gruppe mitgearbeitet hat, ist bedau- Vorschläge einer intensiven Erörterung be- erlicherweise durch Krankheit ausgefallen. dürfen, kann die Konzeption zum jetzigen Ihnen allen danke ich sehr herzlich für die Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sein. Unterstützung. Nikolaus Heiss Die Leitidee der Rahmen-Konzeption basiert auf der grundsätzlichen Bedeu- Leitidee tung der Mathildenhöhe für Kunst und Gesellschaft in der Zeit der Lebensreform Die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe nach 1900. Anregungen aus dem Forum mit der hauptsächlich von Joseph Maria Entwicklung Mathildenhöhe von 2006 sind Olbrich, Peter Behrens und Albin Müller in die Leitidee aufgenommen. Die Weltkul- geschaffenen Architektur mit ihren Garten- turerbefrage ist präzisiert und muss nach anlagen gilt zusammen mit der Vielzahl weiteren Erörterungen beantwortet werden. künstlerisch gestalteter Objekte, eingebun- Die Maßnahmen zu Erhaltung und Pflege den in einen alten Großherzoglichen Park, des historischen Bestandes sind in allen noch heute als „schönste Jugendstilanlage Teilen grundsätzlich erfasst. Eine hierfür Deutschlands“ 1. Dieser Ort ist der Haupt- erforderliche umfassende, detailreiche anziehungspunkt Darmstadts für Besucher Bestandsaufnahme befindet sich in Arbeit. aus aller Welt. Das zwischen 1901 und Sie soll letztendlich in einen aktualisier- 1914 in vier Ausstellungen entstandene baren und fortschreibbaren Pflegeplan Ensemble ist von außerordentlich hoher münden und gleichzeitig als wesentliche bau- und kunstgeschichtlicher Bedeutung. 5
E i nf üh rung Darmstadt rückte nicht nur in den Fokus sich die Wissenschaftsstadt Darmstadt, der Reformbewegung („Die Darmstädter die Erhaltung, Pflege, Sanierung, bauliche Künstlerkolonie als lebensreformerisches Ergänzung und städtebaulich-architektoni- Projekt“ 2), sondern von hier gab es ent- sche Weiterentwicklung der Künstlerkolonie scheidende Impulse für die Entwicklung voranzutreiben und alle Kräfte, die dazu der Architektur des 20. Jahrhunderts in beitragen können, zu bündeln. Damit die Deutschland. Die Ausstellung 1901 „ein Maßnahmen planvoll und zielgerichtet ge- Dokument Deutscher Kunst“, damals als schehen können, sind sie in eine Gesamt- „unerhörte Neuerung im Ausstellungswe- konzeption einzubinden. sen empfunden“ 3, wird heute als erste Eine wichtige Grundlage der Konzeption internationale Bauausstellung angesehen. bildet die in Arbeit befindliche umfassende Vom Haus bis zum Garten, vom Mobiliar Bestandsaufnahme sämtlicher, die Mathil- bis zum Geschirr inszenierten die Künstler denhöhe prägenden Objekte. Aus ihr wird „Lebenswelten auf künstlerischem Ni- das Programm der notwendigen Erhal- veau“4.Die Ausstrahlung der Mathildenhöhe tungs-, Pflege- und Sanierungsmaßnahmen geht weit über die Region und das Land . für die nächsten Jahre entwickelt. Gleich- hinaus. Die Architektur der Künstlerkolo- zeitig ist die Bestandsaufnahme eine wich- nie unterscheidet sich wesentlich von der tige Grundlage des Weltkulturerbeantrags. ornamental dekorierten Baukunst, die Hierfür ist außerdem die kunst- und archi- sich in den meisten anderen europäischen tekturhistorisch universelle Bedeutung der Zentren des Jugendstils findet. Eines ihrer Reformarchitektur in der Region mit dem Hauptmerkmale ist eine neue, vor allem Zentrum Mathildenhöhe durch internatio- von Olbrich angewandte Auffassung des nal anerkannte wissenschaftliche Personen Gebäudeentwurfs, die ihren Schwerpunkt nachzuweisen. zunächst in der Stimmigkeit der inneren Die städtebaulichen und architektonischen Funktion hat – die äußere Hülle entwickelt Entwicklungsmöglichkeiten östlich und sich aus ihr und spiegelt sie wider. Hier nördlich des Ausstellungsgebäudes soll- zeigt das Werk Olbrichs Wege zu einer neu- ten mit einem internationalen Wettbewerb en Architekturauffassung und repräsentiert untersucht werden. Hier hat Darmstadt die am Beginn des 20-sten Jahrhunderts den einmalige Chance, auf einem Baufeld an Aufbruch zur Moderne. Das Darmstädter die Ideen der ersten Ausstellungen anzu- Experiment, unter künstlerischen Aspekten knüpfen, um die Themen Wohnen, Lernen, ganzheitliche Modelle modernen Lebens Arbeiten, Freizeit und Kunst aus heutiger vorzuführen, gab Impulse zu Reformen auf Sicht zu interpretieren und ihnen Gestalt den Gebieten von Architektur, Gartenkunst, zu geben. Auch kann hier Raum geschaffen Die Mathilden- >> Innendekoration und Kunsthandwerk. Im werden für experimentelle Architektur. höhe in ihrer Verlauf der vier Ausstellungen, wie sie auf Umgebung der Mathildenhöhe dokumentiert sind, Die Mathildenhöhe soll in das Gefüge der zeichnet sich ein Wandel im architektoni- Stadt besser eingebunden, die Zugänge schen Design von der mit wenig Ornament klarer definiert werden. Eine wichtige Ver- geschmückten Putzfassade hin zur ma- knüpfung erfolgt über die Erich-Ollenhauer- 1 Heinrich Klotz, terialbetonten Außenhaut ab. In diesem Promenade mit Darmstadts Innenstadt. Geschichte der deut- Ensemble wird die Debatte um material- Gravierende Mängel, wie die schlechte schen Kunst, Bd. 3, gerechtes Bauen, die wegweisend für die Verbindung zur Innenstadt, müssen be- Neuzeit und Moderne, Architektur des Funktionalismus im 20. hoben werden. Die östliche Verknüpfung München 2000, Jahrhundert war, schon angedeutet. Unter über den Olbrichweg zur Rosenhöhe ist zu S. 234 allen diesen Aspekten ist das Gesamt- stärken. Eine Verbesserung der Vernetzung 2 Renate Ulmer, Die kunstwerk Mathildenhöhe einmalig auf der mit anderen Zielen wie dem Jugendstilbad Lebensreform Bd. 1, Welt und nimmt durch die Verbindung von und den angrenzenden Stadtgebieten soll Darmstadt 2001, Lebensreformbewegung und Architekturge- angestrebt werden. S. 483 folgende schichte eine Sonderstellung ein, die eines Die Künstlerkolonie ist heute ein lebendiger 2 Wolfgang Pehnt, Tages eine Anerkennung als Weltkulturerbe Ort und ein kultureller Mittelpunkt Darm- Deutsche Architektur seit 1900, Ludwigs- zusammen mit anderen architekturrefor- stadts mit seinen Ausstellungen, Museen, burg – München, merischen Beispielen in der Region recht- Führungen, Festen und Veranstaltungen 2006, S. 23 fertigen könnte. der dort ansässigen Institute. Diese Eigen- 3 Pehnt, S. 23 Auf dem Weg zu diesem Ziel verpflichtet schaft ist zu erhalten und zu stärken. 6
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e Der Blick von der Mathildenhöhe auf Darmstadt 1808 Die Mathildenhöhe Auf dem östlich der Stadt gelegenen sanft die leuchtend goldenen Turmhauben noch ansteigenden Hügel, wo die Darmstädter heute das Bild der Mathildenhöhe prägen. Bauern ehemals Wein anbauten, ließ das Die ersten Wohnhäuser auf der Mathilden- Darmstädter Fürstenhaus um 1800 einen höhe entstanden im westlichen zur Stadt öffentlich zugänglichen Park im englischen hin gelegenen Bereich nach dem General- Stil anlegen. Dieser Garten mit seinen bebauungsplan von Karl Hofmann. Es ent- geschwungenen Wegen war von Beginn standen bürgerliche Villen im zeittypischen an für alle geöffnet. Die Namensgeberin tradionalistischen Stil. des Parks Prinzessin Mathilde von Bayern Ohne den gebildeten und kunstsinnigen ließ mit ihrem Mann, dem Erbgroßherzog Großherzog Ernst Ludwig hätte es die Ludwig III., den Park im Zeitgeschmack Mathildenhöhe in ihrer heutigen Gestalt des Biedermeier mit Gartenhäuschen zweifellos niemals gegeben. Der an Kunst, und Pavillons ausstaffieren sowie den bis Theater, Musik, Literatur und Gartenkunst heute erhaltenen Platanenhain anlegen. Im interessierte Ernst Ludwig hatte über seine Laufe des 19. Jahrhunderts näherte sich Mutter, die Großherzogin Alice, eine Toch- die stark expandierende Stadt mit ihren ter der englischen Queen Victoria, enge Gebäuden dem ehemals außerhalb des Beziehungen zu England. So war er schon Stadtgebiets gelegenen Park und bezog früh in Kontakt mit der Arts and Crafts- so die Mathildenhöhe zunehmend in das Bewegung, einer Vorläuferin der Reform- Stadtbild ein. bewegung um 1900, getreten und ließ sich Der Park veränderte sich langsam, denn durch ihre Ideen inspirieren. auch innerhalb der Gartenanlage wurde Er hatte sich zum Ziel gesetzt, den Wohl- gebaut. In den Jahren 1877-80 entstand stand Hessens nachhaltig zu fördern und nach Plänen des Ingenieurs Otto Lueger dabei der Kunst eine tragende Rolle zu- auf der Kuppe der Anhöhe der Hochbe- zuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die hälter des neu geschaffenen städtischen Förderung der Künstlerkolonie auf der Wasserleitungsnetzes. Im Jahre 1897 ließ Mathildenhöhe zu sehen. Diese wurde Zar Nikolaus II., der seit der Heirat mit 1899 gegründet und blieb bis zu ihrem Prinzessin Alexandra, der Schwester von erzwungenen Ende zum Kriegsbeginn 1914 Großherzog Ernst Ludwig, im Jahre 1894 untrennbar mit dem Namen ihres Mäzens in enger verwandtschaftlicher Beziehung verbunden. 1898 hatte Ernst Ludwig die zum Darmstädter Fürstenhaus stand, ersten sieben Künstler nach Darmstadt durch den Petersburger Hofarchitekten berufen, sie verpflichtet, drei Jahre lang in Leontij Nikolavic Benois die russisch-ortho- Hessen tätig zu sein und ihnen dafür die doxe Kapelle erbauen, deren bunte Farbig- Möglichkeit gewährt, frei von materiellen keit, die reich geschmückten Fassaden und Sorgen künstlerisch arbeiten zu können. 9
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e Die Künstlerhäuser Erste Ausstellung der Künstlerkolonie und das 1901 Ernst-Ludwig-Haus 1904 Ihr erster künstlerischer Leiter war der Künstler- und Privathäusern existieren 1899 aus Wien berufene Architekt Joseph heute noch sieben, von denen zwei nach Maria Olbrich, mit dem der Großherzog Kriegszerstörung vereinfacht wieder auf- künstlerisch und freundschaftlich eng gebaut wurden. Innenausstattungen sind verbunden war. Er konzipierte die erste nur noch im Haus Deiters und dem großen Ausstellung der Künstlerkolonie im Jahre Haus Glückert zu sehen. Das bedeutendste 1901. Der künstlerische Schwerpunkt lag Haus der ersten Ausstellung der Künst- auf dem Entwurf individueller Wohnhäu- lerkolonie ist jedoch das heutige Museum ser für die Mitglieder der Künstlerkolonie Künstlerkolonie, das Ernst Ludwig-Haus. und diese als vollständig ausgeführte Das 48 Meter breite Gebäude mit seiner und eingerichtete Gebäude einschließlich ruhigen monumentalen Südfassade wurde ihrer Gartenanlagen der Öffentlichkeit zu als Atelierhaus mit großem Empfangsraum präsentieren. Für dieses Vorhaben hatte konzipiert. In ihm sollten die Künstler der Ernst Ludwig den Künstlern zum Erwerb Kolonie arbeiten. Olbrich beschreibt sein des Bauplatzes günstige Konditionen Atelierhaus folgendermaßen: „Oben am eingeräumt, sodass Olbrich, Christiansen, höchsten Streif soll das Haus der Arbeit Habich und Behrens ein eigenes Wohnhaus sich erheben, dort gilt, gleichsam in einem finanzieren konnten. Alle Häuser außer Tempel, die Arbeit als heiliger Gottesdienst. dem von Peter Behrens plante Olbrich. Im abfallenden Gelände: die Wohnhäuser Behrens, ein ausgebildeter Maler traute der Künstler, gleich einem friedlichen Ort, sich zu, sein eigenes Wohnhaus als Auto- zu dem nach des Tages emsiger Arbeit von didakt zu entwerfen, und begann damit dem Tempel des Fleißes herabgestiegen seine Karriere als Architekt. Das öffentliche wird, um den Künstler mit dem Menschen Interesse an der Ausstellung war groß, einzutauschen.“ aber auch widersprüchlich. Von den acht 10
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e < Die Planung für die Ausstellung 1901 von Joseph Maria Olbrich Ausstellung 1901 < Ausstellungsgelände erhaltenen Sachteile der Ausstellung 11
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e Die Dreihäuser- gruppe 1904 Zweite Ausstellung der Künstlerkolonie 1904 Nach dem finanziellen Mißerfolg der ersten ches Wohnen am westlichen Fuß der Mat- Ausstellung wurde die zweite 1904 wesent- hildenhöhe gebaut und zeigt eine deutliche lich bescheidener ausgeführt. Kernpunkt Annäherung an die traditionellen Formen der Ausstellung war die Dreihäusergruppe der umliegenden Villen. von Joseph Maria Olbrich. Sie wurde als Musterbeispiel für vorbildliches bürgerli- Ausstellung 1904 Ausstellungs- gelände erhaltenen Sachteile der Ausstellung 12
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e Hochzeitsturm und Ausstellungshallen, 1908 Die Hessische Landesausstellung für freie und angewandte Kunst 1908 Die Ausstellung von 1908 beschränkte jedoch der Hochzeitsturm und die Aus- sich nicht auf die Arbeiten der Kolonie- stellungshallen, mit denen Joseph Maria mitglieder, sondern stand unter dem Motto Olbrich das Stadtbild mit einem weithin Hessische Landesausstellung für freie sichtbaren Monument bekrönte und der und angewandte Kunst. Das Konzept der Stadt ihr Wahrzeichen gab. Ausstellung beinhaltete, hessische Künstler und Handwerker zur Teilnahme an der Ausstellung aufzufordern und mit den Er- gebnissen die Leistungsfähigkeit des hessi- schen Kunsthandwerks darzustellen. Neben einer großen Zahl von Exponaten, die in provisorischen Gebäuden gezeigt wurden, wurde auch eine Kleinwohnungskolonie gebaut, deren Baukosten 4000 Mark für ein Einzelhaus und 7200 Mark für ein Zwei- familienhaus nicht überschreiten durften. Zudem war von den Architekten der Ent- wurf einer kompletten Innenausstattung gefordert worden. Die Gebäude wurden kurz nach der Ausstellung abgetragen, und drei von ihnen im Osten Darmstadts wieder errichtet. Im Zuge der Ausstellung wurden am Osthang drei großbürgerliche Villen er- richtet. Eine von ihnen, das Oberhessische Haus, entwarf Olbrich in einem blockhaften klassizistischen Stil, der sich stark von der Frische seiner frühen Entwürfe unterschied. Olbrichs Muster- Die wichtigsten Gebäude der großen haus für die Klein- Hessischen Landesausstellung waren wohnungskolonie 13
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e Der Lageplan für die Ausstellung 1908 Ausstellung 1908 Ausstellungs- gelände erhaltenen Sachteile der Ausstellung 14
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e < Der Lageplan für die Ausstellung 1914 Das Lilienbecken < und das Löwentor auf der Ausstellung 1914 Die Ausstellung
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e Die Mathildenhöhe, Veränderungen bis Heute April 2007 Nachdem die letzte Ausstellung der Künst- nie ausgebaut. Von 1989 bis 1992 erfolgte lerkolonie mit dem Ausbruch des Ersten die denkmalpflegerische Instandsetzung Weltkriegs ein abruptes Ende gefunden des Hauses Deiters. Dabei konnten Teilbe- hatte, versank die Mathildenhöhe in einen reiche der Außenanlagen, die unmittelbar „Dornröschenschlaf“. Die in den 1920-er zu den restaurierten Gebäuden gehörten, und 1930-er Jahren offenbar nicht mehr in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder her- geschätzte Architektur verschwand ebenso gestellt werden. Die komplette Sanierung wie die gärtnerischen Anlagen unter üppig und Restaurierung der Russischen Kapelle wuchernder Vegetation. Die „Brandnacht“ im Äußeren und Inneren wurde 2008 abge- 1944 riss auch auf der Mathildenhöhe Lü- schlossen. cken, die nicht mehr geschlossen wurden. Anlässlich des 100 - jährigen Jubiläums 1963 wurden als Ergebnis eines Wettbe- der Gründung der Künstlerkolonie 1899 werbs viele noch erhaltene Gestaltungsele- und der ersten Ausstellung der Künstler- mente beseitigt, so dass die Mathildenhöhe kolonie am 24. Mai 1901 hat die Stadt weiter an Gesicht verlor. Mit der Wieder- Darmstadt dann ab 1998 auch große Teile entdeckung des Jugendstils, die ihren der Außenanlagen unter gartendenkmal- Ausdruck auch in der 1976 in Darmstadt pflegerischen Aspekten nach historischem veranstalteten Jubiläumsausstellung „Ein Vorbild wiederherstellen lassen. Die Wie- Dokument Deutscher Kunst 1901 - 1976“ derherstellung der gärtnerischen Einfas- fand, änderte sich grundlegend die Sicht- sung des Albin-Müller-Beckens, der Treppe weise und Wertschätzung der baulichen am Schwanentempel und der Rankgitter im Zeugnisse zu Beginn des Jahrhunderts. Platanenhain gehören zu den augenfälligs- Ab 1974 begann mit der Sanierung der ten Veränderungen, die die gestalterische Ausstellungshallen die schrittweise Rekon- Qualität der ursprünglichen Anlage haben struktion der städtischen Gebäude unter wiedererstehen lassen. Die Gesamtmaß- denkmalpflegerischen Prämissen. nahme umfasst auch die Rekonstruktion Der Hochzeitsturm konnte durch Privatini- der Pergolen an Nord – und Ostseite der tiative des Förderkreises im Inneren umfas- Ausstellungshallen. Im Jahr 2006 wurde send restauriert werden und durch Einbau zunächst ein Teil der Betonpergolen an der eines Aufzugs auch für Ältere und Behin- Nordseite wieder aufgebaut. Die fehlenden derte zugänglich gemacht werden. 1984 Teile sollen 2009 folgen. Eine stilgerechte bis 1990 wurde das Ernst-Ludwig Haus re- Bepflanzung im Sinne Olbrichs ist geplant. konstruiert und zum Museum Künstlerkolo- Heute ist also baulich ein verhältnismäßig 16
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e guter Zustand erreicht. Dennoch wirkt die Fenster in den Ausstellungshallen und ein Mathildenhöhe bei näherer Betrachtung an neuer Behindertenaufzug sind geplant. vielen Stellen vernachlässigt oder „unstim- Das Gesamtkunstwerk Bernhard Hoetgers mig“ und hinterlässt bei Besuchern einen mit den unersetzlichen Plastiken im und teilweise ungepflegten, unsauberen Ein- um den Platanenhain soll durch geeigne- druck: te Maßnahmen vor dem weiteren Verfall Skulpturen, Treppen, Mauern, Einfriedi- bewahrt werden. Mit einer Neuvergoldung gungen haben Schäden, sind zum Teil von der Ziergitter vor den Reliefwänden Hoet- Pflanzen zugewachsen. Pflastermosaike gers wird der historische Zustand wieder werden zugeparkt und immer wieder be- hergestellt. Die durch Kalkablagerungen schädigt. gefährdeten keramischen Fliesen im Albin- Außerdem gibt es Baulichkeiten, die den Müller-Becken machen eine Erneuerung Zusammenhang des ursprünglichen En- der Pumpentechnik mit Entkalkung erfor- sembles nicht mehr erkennen lassen, weil derlich. Balustraden und Stützwände des sie nach dem Krieg falsch oder gar nicht Albin-Müller-Beckens sind von der zerstö- wieder aufgebaut wurden. Besonders rerischen Versinterung zu befreien und unschön ist die Zufahrt zur Mathildenhöhe bautechnisch zu erneuern. Deckenmalerei über den östlichen Olbrichweg. Hier hat und keramische Fliesen des Schwanen- man in keiner Weise das Gefühl, die „Kro- tempels bedürfen einer restauratorischen ne“ Darmstadts zu besuchen, sondern man Behandlung. Am Olbrich-Haus und am fährt in einen „Hinterhof“ mit einem völlig Oberhessischen Haus steht die statische ungestalteten Parkplatz. Aufrüstung der vom Einsturz gefährdeten Mauern an. Eine technische Modernisie- Investitionsprogramm 2008 – rung des Brunnens „Trinkender Jüngling“ Kulturdenkmal Mathildenhöhe sowie die Herstellung neuer Wandfliesen am Olbrich-Haus sind unabdingbar. Durch Mit einem im Jahr 2008 aus Sondermitteln die Neuschaffung eines Rankgitterwerks aufgelegten Investitionsprogramm sollen wird der Paula-Ludwig-Platz städtebau- im Jahr 2009 einige dringliche investive lich und gestalterisch neu gefasst. Das und denkmalpflegerische Maßnahmen zur denkmalgeschützte Mosaikpflaster im Verbesserung der Erhaltungssituation auf Alexandra- und Prinz-Christians-Weg ist der Mathildenhöhe durchgeführt werden: durch Ergänzungs- und Schutzmaßnahmen Im Hochzeitsturm sind die Vergoldung der vor der Zerstörung zu bewahren. Mit der Eingangshalle und auf seinem Vorplatz Vergoldung der Eingangstüren wird die die Neuanfertigung der stark beschädig- umfangreiche Sanierung der Russischen Die Mathildenhöhe, ten glasierten Klinker vorgesehen. Neue Kapelle zum Abschluss gebracht. April 2008 17
Er h a lt u n gs - u n d Pfl e g e m a SSna hmen – auf grundlage der bestandsaufnahme – 18
E rh alt u n g s - u n d P f le ge m a ßn a h m en Bestandsaufnahme aller Objekte der Künstlerkolonie Grundlage der folgenden katalogartigen vervollständigen die Dokumentation. Mit Aufzählung der Bauten, Objekte, Kunstwer- diesem umfangreichen Werk, das zurzeit ke und Gärten mit den für die Erhaltung er- von den Architektinnen Christiane Geelhaar forderlichen Maßnahmen ist die im Aufbau und Mona Sauer und der Kunsthistorikerin begriffene Bestandserhebung, die so aufge- Renate Hoffmann erarbeitet wird, entsteht baut ist, dass sie ständig fortgeschrieben ein Instrument, mit dem die Erhaltung und und aktualisiert werden kann und soll. Er- Entwicklung der Mathildenhöhe für die wogen wird die Entwicklung einer digitalen Zukunft besser systematisch unterstützt Datenbank, in der über die reine Bestands- werden kann. Außerdem ist die Bestands- erhebung hinaus weitere Verknüpfungen aufnahme ein wesentlicher Bestandteil – beispielsweise mit dem Werkverzeichnis des Weltkulturerbeantrags 1 (siehe Kapitel eines Künstlers oder Architekten, oder mit Weltkulturerbe S. 38 ff). Literaturquellen – möglich wären. In der im Anhang befindlichen Liste sind Die Bestandsaufnahme dient der systema- sämtliche Objekte der Künstlerkolonie mit tischen Übersicht über alle Bestandteile ihren Baudaten aufgeführt. Insgesamt um- der Mathildenhöhe mit Aussagen zu Name, fasst die Liste 56 Objekte, von denen 35 im Baujahr, Lage, Nutzung, Gestalter, Idee und Gebiet der Künstlerkolonie liegen. Bedeutung des Objekts sowie Veränderun- Die erforderlichen Maßnahmen zur Erhal- gen bis heute, Zustand, künftige Nutzun- tung und Pflege werden in der ausführli- Die Mathildenhöhe gen, Potenziale, notwendige Maßnahmen chen Bestandsaufnahme detailliert darge- mit den Objekten zur Erhaltung und Kosten. Historische und legt (Beispiele dieser Bestandsaufnahme der Bestandsauf- aktuelle Bilder, Zeichnungen, Karten, Pläne siehe Anhang ab Seite 54). nahme 32 18 20 22 17 23 21 2 19 16 1 14 24 13 33 31 15 5 3 4 12 11 8 9 26 7 6 30 10 34 25 28 27 29 19
w e ite r e e n t w i cklu n g d e r M at h i l d e n hö he städtebaulich stadtgestalterisch baulich 20
w e it e re E n tw icklu n g Einbindung der Mathildenhöhe in das Stadtgefüge und die direkte Umgebung Die Mathildenhöhe soll in das Gefüge der Merckstraße Stadt besser eingebunden, die Zugänge klarer definiert werden. Eine wichtige Ver- Über die Merckstraße als Querspange soll knüpfung erfolgt über die Erich-Ollenhauer- stadtgestalterisch eine Beziehung zwischen Promenade mit Darmstadts Innenstadt. der Erich-Ollenhauer-Promenade und dem Einige Mängel, vor allem der Übergang Jugendstilbad hergestellt werden. Der zum Schloss, müssen behoben werden. Die Übergang der Landgraf-Georg-Straße soll östliche Verbindung über den Olbrichweg für Fußgänger großzügig ausgebaut wer- zur Rosenhöhe ist zu stärken. Eine Verbes- den. serung der Vernetzung mit anderen Zielen wie dem Jugendstilbad und den angrenzen- Darmstadtium den Stadtgebieten soll angestrebt werden. (siehe Plan nachste Seite). Zwischen dem Darmstadtium und der Landgraf-Georg-Straße bestehen zwei Ver- Erich-Ollenhauer-Promenade/ bindungen, die zum Jugendstilbad führen. Darmstadtium/Schloss Sie sind stadtgestalterisch nicht ausge- prägt und sollen verbessert werden. Eine schlüssige Verbindung zwischen der Innenstadt und dem Aufgang zur Mathil- Christiansenweg denhöhe fehlt am Westende der Erich- (Nr. 1, s. S. 36) Ollenhauer-Promenade. Hier soll eine Aufwertung der Gestaltung des öffentlichen Verlängerung nach Süden – Olbrich hatte Raumes sowie wenn möglich eine Verbes- bereits in einem Lageplan-Vorentwurf von serung der Übergänge für Fußgänger über 1900 eine Wegeverbindung zwischen der den Innenstadtring am Schlossgraben Kuppe der Mathildenhöhe und dem Großen erfolgen. Woog über die Wingertsbergstraße geplant. Ein kurzer, schmaler Fußweg zwischen Olbrichweg /Fiedlerweg Prinz-Christians-Weg und Erbacher Straße (Nr. 2, s. S. 36) südlich des Christiansenwegs könnte die heute fehlende Verbindung herstellen. Ein Diese wichtige Straßenkreuzung mit Auf- solcher Weg sollte im Bebauungsplan aus- gang und Zufahrt zur Mathildenhöhe, gewiesen werden. gleichzeitig Hauptweg zwischen Mathilden- höhe und Rosenhöhe, wird diesen Aufgaben nicht gerecht. Ein Ausbau zu einem in sei- nen Funktionen erkennbaren und vor allem für Fußgänger benutzbaren Knoten ist eine vordringliche stadtgestalterische Aufgabe. Lucasweg (Nr. 3, s. S. 36) Der nördliche Zugang zur Mathildenhöhe bietet keine dem Ort angemessene Gestalt- qualität. Dies liegt vor allem an dem östlich gelegenen ungestalteten Parkplatz. Die Wiederherstellung einer Torsituation, wie 1914 von Albin Müller durch die Mietwoh- nungsbauten geschaffen wurde, könnte auch heute eine Lösung sein, die im Rah- men eines Architekturwettbwerbs für den Osthang gefunden werde müsste. 21
we i t e re Entwic k l ung Die Mathildenhöhe von Westen mit Paula-Ludwig-Platz und Nikolaiweg, Sept. 2008 Paula-Ludwig-Platz Nikolaiweg am Platanenhain (Nr. 4, s. S. 36) (Nr. 6, s. S. 36) Die Kreuzung Stiftstraße/Nikolaiweg, vor Der westliche, der wichtigste Eingang zur wenigen Jahren zum Platz mit den Olbrich- Mathildenhöhe bietet heute keine dem Brunnen (Gartenbauausstellung 1905 im Ort entsprechende Gestaltung. Während Orangeriegarten) ausgebaut, weist noch ei- der Ausstellungen 1901, 1908 und 1914 nige Defizite auf: Die Abgrenzung zwischen befanden sich hier jeweils unterschiedlich Nikolaiweg und Platzfläche ist mit Pollern gestaltete Eingänge. Das Löwentor (Albin unglücklich gestaltet, die Hoetger Plastik, Müller und Bernhard Hoetger 1914) bil- die den Platz nördlich abschließt, steht dete die stärkste Eingangssituation. Sie unmotiviert in einer lieblosen Grünfläche. wurde jedoch kurz darauf wieder beseitigt. Mit einer Neuordnung der Verkehrsführung Geblieben ist eine undefinierte Restfläche, könnte auf die Poller verzichtet werden. die städtebaulich, gärtnerisch und archi- Die Nordseite des Platzes mit der Hoetger- tektonisch zu gestalten wäre. Ein Gestal- Plastik erhält durch ein metallisches Rank- tungswettbewerb böte die Möglichkeit, eine gitter mit Nische wie im Platanenhain eine passende Lösung zu finden. räumliche Fassung. Mathildehöhweg/Alexandraweg (Nr. 5, s. S. 36) Der Kreuzungsbereich fließt nach Osten optisch auseinander. Durch eine stadt- räumlichen Gestaltung könnte die Situation verbessert werden. 22
w e it e re E n tw icklu n g Die Einbindung der Mathildenhöhe in das Stadtgefüge Febr. 2009 23
we i t e re Entwic k l ung links: Mosaikpflaster vor dem Haus Behrens, Okt.2005 rechts: parkende Autos auf dem Mosaik- pflaster, Febr. 2009 Stadtgestalterische Maßnahmen Verkehrsmaßnahmen Straßengestaltung Parkmöglichkeiten Sämtliche Straßen der Mathildenhöhe Die Parksituation auf und am Rande der sollten längerfristig einheitlich umgestaltet Mathildenhöhe ist schwierig und am Ost- werden, und dadurch auf die Besonder- hang gestalterisch nicht gelöst. Im Zuge heit der Mathildenhöhe hinweisen. Eine eines städtebaulich/architektonischen Aufpflasterung der Straßen beispielsweise Wettbewerbs für die Ostseite sollen Mög- könnte den Autofahrern signalisieren, dass lichkeiten des Parkens, auch des unterir- hier überall mit Fußgängern zu rechnen dischen Parkens (trotz Felsenuntergrund) ist. Der großen Zahl von Besuchern und untersucht werden. Die Situation wird sich Besuchergruppen soll damit Rechnung verschärfen, wenn Alexandraweg und Prinz- getragen werden. Christians-Weg nur noch für Anwohner zum Parken zur Verfügung stehen. Mosaikpflaster (s. S. 36) Erreichbarkeit Das unter Denkmalschutz stehende Mosa- Die Erreichbarkeit der Mathildenhöhe für ikpflaster im Alexandra- und Prinz-Christi- den öffentlichen Personen-Nahverkehr soll ans-Weg ist durch die auf ihm parkenden verbessert werden. Autos (vor allem durch Lenkbewegungen der Vorderräder im Stillstand) in seiner Anwohnerparken Substanz gefährdet. Außerdem reicht der Platz zwischen parkenden Autos und Zum Schutz des Mosaikpflastern und zur Einfriedigungen oft nicht für Fußgänger Verbesserung der Aufenthaltsqualität soll aus. Aus diesem Grund wäre eine Park- für die Mathildenhöhe Anwohnerparken ordnung mit Anwohnerparken und zwar angestrebt werden (siehe auch oben: Mosa- nur einseitig die Lösung zum Schutz des ikpflaster). Mosaikpflasters und zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität. 24
w e it e re E n tw icklu n g Der Osthang der Mathildenhöhe Sept. 2008 Das Baufeld am Osthang – internationale Wettbewerbe Für den gesamten Osthang der Mathilden- Dabei wird die Einbindung des Fachbe- höhe soll nach einer gewissenhaften reichs Gestaltung der Hochschule Darm- Diskussion über die gewünschten Ent- stadt eine wichtige Rolle spielen. Grund- wicklungsziele zunächst im Rahmen eines stücksveränderungen sind dabei denkbar. internationalen städtebaulichen Wettbe- werbs die Gesamtentwicklung geklärt werden. Ein darauf folgender Architektur- wettbewerb soll Lösungen für die bauliche und gestalterische Ausprägung bringen. Der Osthang ist Kernstück der „Kultur- meile“, die von der Innenstadt über die Mathildenhöhe und Rosenhöhe bis zum Oberfeld führt. Er spielte auch in der Werkstatt des Forums Mathildenhöhe eine zentrale Rolle (siehe Karte nächste Seite). Hier bietet sich Darmstadt die Chance, auf einem Baufeld an die Ideen der ersten Ausstellungen der Künstlerkolonie anzu- knüpfen, um die Themen Wohnen, Lernen, Arbeiten, Freizeit und Kunst aus heutiger Sicht zu interpretieren und ihnen Gestalt zu geben. Auch kann hier Raum geschaffen werden für experimentelle Architektur. 25
we i t e re Entwic k l ung „Kulturmeile“ Ein Teil führt von der Innenstadt über die Mathildenhöhe und Rosenhöhe bis zum Oberfeld, Febr. 2009 26
w e it e re E n tw icklu n g Bauleitplanung Die Bebauung der Mathildenhöhe ist seit Von Bedeutung ist hier der Baufluchtlinien- ca. 1900 entstanden. Der erste Bebauungs- plan 161, der die zentralen Bereiche zwi- plan von Karl Hoffmann stammt von 1897. schen Stiftstraße, Platanenhain, Ausstel- Durch diesen Plan wurde das Straßennetz lungshallen und Russischer Kirche sichert. in seinen Grundzügen festgelegt, Nikolai- Die Bebauung des Osthangs erfolgte im weg, Alexandraweg und Prinz-Christians- Rahmen des Bebauungsplans O 13 – Mat- Weg folgen bis heute dieser Linienführung. hildenhöhe Ost – von 1971. Darüber hinaus steht die Mathildenhöhe Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Teil- als Gesamtanlage unter Denkmalschutz. bereiche der Straßenräume durch Ortsbau- Innerhalb dieser Gesamtanlage befinden pläne und Baufluchtlinienpläne gesichert. sich die Einzeldenkmäler der Bauwerke von Durch diese Pläne wird jedoch weder Art besonderer Bedeutung. und Maß der baulichen Nutzung, noch die Gebäudestruktur festgelegt. Sie dienten vor Der Bereich südlich des Nikolaiwegs und allem zur Sicherung der Straßenflächen der russischen Kirche mit den Künstlerhäu- und Baufluchten. sen ist bis heute jedoch nicht durch einen Bebauungsplan geschützt. Vorhaben sind grundsätzlich nach § 34 BauGB zu beurtei- len. Auch wenn im Bereich der Gesamtanla- ge eine denkmalschutzrechtliche Genehmi- gung erforderlich ist und die Ortsbau- und Baufluchtlinienpläne zu berücksichtigen Baufluchtlinienplan 161 für die zentrale sind, ist eine geordnete städtebauliche Ent- Fläche der Mathildenhöhe, 1950er Jahre, wicklung ohne die Steuerung durch Bauleit- Lageplan mit dem Bestand bis 1944 planung nicht möglich. 27
we i t e re Entwic k l ung Zusammenstellung Durch die heterogene Situation ergibt sich Daher ist ein Aufstellungsbeschluss für den der wichtigsten innerhalb des Beurteilungsspielraums bei gesamten Südhang zwischen Stiftstraße baurechtlichen der bestehenden Rechtslage keine und Fiedlerweg gefaßt worden, um diesen Grundlagen Möglichkeit, eine städtebauliche Leitidee Anforderungen gerecht zu werden. Ein umzusetzen. Dies betrifft vor allem die Nut- Aufstellungsbeschluss für den Osthang soll zung, die Dichte der Bebauung, die folgen. Intensität der Nutzung sowie die Traufhö- hen und Gebäudeabmessungen. Auch kön- nen gegenüber der bestehenden Situation keine Einschränkungen vorgesehen werden. Die gestiegene Bedeutung der Mathildenhö- he durch die Wiederherstellung historischer Bereiche, der Schutz der bestehenden Bebauung, die Notwendigkeit der weiteren Entwicklung und eine mögliche Nominie- rung der Mathildenhöhe als Weltkulturerbe lassen die Schaffung von Baurecht durch Quelle: Bauleitplanung notwendig erscheinen. Stadtplanungsamt Darmstadt, Febr. 2009 28
w e it e re E n tw icklu n g Die Künstlerhäu- ser 1901: Haus Olbrich links und Haus Habich rechts, im Hinter- grund Haus Keller Wiederherstellung von Bauten oder Bau- details Die zurzeit in Deutschland an verschiede- serer Zeit tragen.“ 2 Die Charta wurde 1965 nen Beispielen geführte Diskussion über zum Gründungsdokument der ICOMOS (In- Rekonstruktionen zeigt die gegensätz- ternationaler Rat für Denkmalpflege), der lichen Auffassungen unterschiedlicher sich auch die UNESCO-Welterbekonvention 1 Georg Dehio, Denk- Gesellschaftsgruppen. Stark vereinfacht anschließt. Die Bewahrung und Konser- malschutz und Denk- kann festgestellt werden, dass Architekten vierung der Denkmäler genießt höchste malpflege im neun- grundsätzlich gegen Rekonstruktionen ein- Priorität, die Restaurierung im Hinblick auf zehnten Jahrhundert, gestellt sind, die Bürgerschaft mehrheitlich den Erhalt ästhetischer und historischer 1905 dafür stimmt, dass die Politik gerne auf Werte hat enge Grenzen, die Renovierung „Der Historismus des Bürgerstimmen hört und für die Denkmal- kommt nur in Frage, wenn Konservierung 19. Jahrhunderts hat pflege Rekonstruktion kein Thema ist. Be- und Restaurierung nicht möglich sind und aber außer seiner kannte aktuelle Beispiele sind die Dresdner Rekonstruktionen (im Sinne von Nachbau echten Tochter, der Frauenkirche, das Braunschweiger Schloss, ohne jegliche Originalsubstanz) sind unzu- Denkmalpflege, auch das Berliner Stadtschloss oder die Frank- lässig. 3 ein illegitimes Kind furter Altstadt an denen sich die Diskussio- Da das Thema sehr komplex und umfas- gezeugt, das Res- nen entzündet haben. send erörtert werden kann, soll die allge- taurationswesen. Sie Seit der Kunsthistoriker Georg Dehio zu meine Diskussion hier nur gestreift und werden oft miteinander Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen für die Mathildenhöhe für jeden Einzelfall verwechselt und sind Schriften den Leitspruch ausgab: „kon- Konservierung, Restaurierung, Renovierung doch Antipoden. Die servieren nicht restaurieren“, wird in der und Reparatur ausdiskutiert werden. Denkmalpflege will Denkmalpflege eine Rekonstruktion unter- Als positives Beispiel für eine Wiederher- Bestehendes erhalten, gegangener Bauten abgelehnt 1. Diese stellung des ursprünglichen Zustandes ist die Restauration will Auffassung hat sich in der internationalen das Haus Deiters (erbaut 1901) zu nennen, Nichtbestehendes Charta von Venedig 1964 niedergeschla- das die Stadt 1988 erwarb und in den Jah- wiedeherstellen“ gen: „---Wenn es aus ästhetischen oder ren 1990/92 von entstellenden Anbauten 2 Charta von Venedig, technischen Gründen notwendig ist, etwas befreien ließ. Die noch weitgehend erhal- 1964, Artikel 9 wiederherzustellen, von dem man nicht tene Bausubstanz konnte nach Original- 3 Welterbe-Manual der weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das zeichnungen Olbrichs durch die Architektin Deutschen UNESCO- ergänzende Werk von der bestehenden Christiane Geelhaar mit den historischen Kommission, Bonn, Komposition abheben und den Stempel un- Details komplettiert werden. 2006, S. 65 29
we i t e re Entwic k l ung Für folgende Situationen und Gebäude chen, ohne es kopieren zu wollen. Es soll ergeben sich Möglichkeiten der Reparatur modern aber zurückhaltend gestaltet sein, oder Wiederherstellung, die für die Häuser und sich nicht in den Vordergrund drängen. Habich und Keller eher theoretischer Natur Eine öffentliche Nutzung (Museum oder sind, weil sie sich in Privateigentum befin- ähnliches) wäre angemessen. Der Gebäude- den: entwurf soll in Anbetracht der Bedeutung des Ortes über einen internationalen Archi- Haus Christiansen (Nr. 9, s. S. 36) tektenwettbewerb gefunden werden. Zur Rückgewinnung der städtebaulichen Konfiguration von Olbrichs Gesamtplan von 1901 wäre auch der Rückbau des Gartens zwischen dem kleinen Haus Glückert und Haus Habich dringend erforderlich, der eine optische Erweiterung der großen Frei- treppenanlage vor dem Ernst-Ludwig-Haus nach Süden vorsah (siehe Kapitel Wieder- herstellung von Gärten S. 33). Der Brunnen kann an einen anderen Ort innerhalb Darmstadts versetzt werden, da er nicht für den heutigen Standort entwor- fen wurde. Haus Habich (Nr. 10, s. S. 36) Das Haus Christiansen, Alexandraweg 24, wurde im Zweiten Weltkrieg ausgebombt, ein Wiederaufbau unterblieb. Stattdessen wurde die Ruine 1958 abgeräumt und der runde Brunnen des Berliner Bildhauers Karl Hartung an ihrer Stelle aufgestellt. Dieser Brunnen war 1958 für die Welt- ausstellung in Brüssel im Quellenraum (Architekten Otto Bartning und Otto Dörz- bach) im Rahmen des deutschen Beitrags geschaffen worden und sollte die deutsche Bäderlandschaft symbolisieren. Das private Haus Habich von 1901, Alex- Durch die Wegnahme des Hauses Chris- andraweg 27, wurde im Zweiten Weltkrieg tiansen ist der auf eine Symmetrieachse stark beschädigt. Erhalten sind die Außen- angelegte städtebauliche Gesamtplan der mauern des Erdgeschosses und teilweise ersten Ausstellung der Künstlerkolonie von des Obergeschosses. Der Wiederaufbau 1901 gestört, „...das Gleichgewicht in der des Daches erfolgte in der zeittypischen aufsteigenden Linie zum Ernst-Ludwig- schlichten Bauweise der 50er Jahre. Die Haus verändert“ 4. Deshalb wird vorge- ursprüngliche Qualität des Gebäudeent- schlagen, entsprechend dem Olbrichschen wurfs von Olbrich ging damit weitgehend „Gartenplan“ von 1900 als Pendant zum verloren. Haus Olbrich an der alten Stelle wieder Da das Gebäude zum Teil noch substan- ein Gebäude zu errichten, das die Idee ziell erhalten ist, wird mit Blick in eine Olbrichs mit der engen Beziehung von weitere Zukunft eine Wiederherstellung Künstlerhäusern und Ateliergebäude in der ursprünglichen Gebäudeform vorge- 4 Hans Christoph einer städtebaulichen Komposition wieder schlagen. Auch eine Wiederherstellung des Hoffmann, Joseph erfahrbar macht. Das Gebäude müsste in Gebäudeinneren wäre zumindest teilweise M. Olbrich und die seiner Kubatur und seinen wesentlichen möglich. Es gibt ausreichend Material (Ori- Darmstädter Künstler- Architekturmerkmalen (Lochfassade, ginalsubstanz, Fotos, Zeichnungen), um kolonie, Darmstadt Putzbau, geneigtes Dach) weitgehend dem den Wiederaufbau glaubwürdig und weitge- 1967, S. 20 ursprünglichen Haus Christiansen entspre- hend authentisch möglich zu machen. 30
w e it e re E n tw icklu n g Haus Olbrich (Nr. 11, s. S. 36) Haus Olbrich in seinem originalen Zustand Das im städtischen Eigentum befindliche Da das Gebäude zum Teil noch substanziell Haus Olbrich von 1901, Alexandraweg 28, erhalten ist, wird eine Wiederherstellung wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschä- der ursprünglichen Gebäudeform vorge- digt. Erhalten sind die Außenmauern des schlagen. Es gibt ausreichend Material Erdgeschosses. Der Wiederaufbau erfolgte (Originalsubstanz, Fotos, original erhalte- in zeittypischer schlichter Weise der 50er ne Bau- und Detailzeichnungen), um den Jahre. Die ursprüngliche Qualität des Wiederaufbau des Äußeren glaubwürdig Gebäudeentwurfs von Olbrich ging damit und weitgehend authentisch möglich zu weitgehend verloren. machen. Haus Olbrich nach der Kriegszerstö- rung, 1946 Ansicht – Ost (ganz oben) Grundriss – Erdgeschoss (oben) Garten und Ein- historische Pläne gang, 1902/03 31
we i t e re Entwic k l ung Haus Keller (Nr. 12, s. S. 36) Ausstellungsgebäude (Nr. 14, s. S. 36) Das private Haus Keller von 1901, Alexan- draweg 31, war wie die Häuser Olbrich und Das Zeltdach über der Eingangshalle zum Habich stark beschädigt und wurde verein- Ausstellungsgebäude war ursprünglich facht wieder aufgebaut. mit glasierten gelben Ziegeln eingedeckt, Da das Gebäude zum Teil noch substanziell die mit den vergoldeten Dächern der erhalten ist, wäre eine Wiederherstellung Russischen Kapelle korrespondierten (es der ursprünglichen Gebäudeform möglich. existiert noch ein Musterziegel). Die Wie- Es gibt ausreichend Material (Original- derherstellung des ursprünglichen Zustan- substanz, Fotos, Zeichnungen), um den des wäre möglich und wünschenswert, um Wiederaufbau glaubwürdig und weitgehend den Entwurfsgedanken Olbrichs deutlich authentisch möglich zu machen. zu machen. Gleiches gilt längerfristig für die Ziegeleindeckung der Ausstellungshal- Dreihäusergruppe (Nr. 13, s. S. 36) len. Diese waren 1908 mit holländischen geschmorten Pfannen gedeckt worden, die ein Farbenspiel von hellgrau über rötliches Beige bis zu blassen Rottönen aufwiesen und zusammen mit dem warmen Grau des Putzes einen einheitlichen Gesamtkörper bildeten (siehe Aquarellpostkarten von Olbrich 1908). Beim Wiederaufbau in den 50er Jahren sowie bei den Umbauarbeiten in den 70er Jahren waren solche Ziegel nicht erhältlich. Bei einer zukünftigen Neu- eindeckung ist die historische Pfannende- ckung anzustreben. Die im Privateigentum befindliche Dreihäu- sergruppe, Prinz -Christians-Weg 2 und 4, Stiftstraße 12, entworfen von Joseph- Maria Olbrich 1904, wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und nicht wieder aufge- baut. Das Eckgebäude und das Gebäude Stiftstraße 12 weisen im Erdgeschoss noch Originalsubstanz auf, so auch große Flä- chen mit glasierten blauen Klinkern. Die Gebäude sind zwar zum Teil noch sub- stanziell erhalten, dennoch erscheint eine Wiederherstellung der ursprünglichen Ge- bäudeform auf Grund der Verschachtelung der Gebäude ineinander kaum möglich, obwohl es ausreichend Material (Original- substanz, Fotos, Zeichnungen) gibt. 32
w e it e re E n tw icklu n g Der Garten des Oberhessischen Hauses, Olbrichweg 15, Nov.2002 Wiederherstellung von Gärten Anders als Gebäude sind Gärten durch Rankgitter im Platanenhain (1914), Teile Pflanzenwachstum weit stärker Verände- der Betonpergolen auf der Nordseite der rungen unterworfen. Ohne kontinuierliche Ausstellungshallen (1908), die Wiederher- Pflege verlieren sie ihre ursprüngliche stellung der Treppe vom Schwanentempel Gestalt und ihre beabsichtigte räumliche zum Alexandraweg (1914), Restaurierung Wirkung. Häufig bleiben architektonische der schmiedeeisernen Bögen (1914) und Gartenelemente wie Einfriedigungen, Stütz- ihr Versetzen einschließlich der dazu gehö- mauern oder Treppen erhalten, verlieren renden Kunststeinbänke an ihren ursprüng- jedoch ihre Wirkung durch ungezügeltes lichen Ort sowie die Instandsetzung der Pflanzenwachstum und Überwucherung. Betonpergola von Albin Müller am Alexand- Ziel der Künstler der Erneuerungsbewe- raweg (1914). Außerdem fanden die beiden gung zu Anfang des 20. Jahrhunderts war Olbrichbrunnen von der Gartenausstellung es, Haus, Innendekoration und Garten als im Orangeriegarten 1905 auf einer neuen Einheit, als „Gesamtkunstwerk“ zu gestal- Platzanlage mit Bezug zur Mathildenhöhe ten. Deshalb ist es für das Gesamtbild der an der Kreuzung Stiftstraße/Nikolaiweg, Künstlerkolonie von entscheidender Be- dem Paula-Ludwig-Platz, einen Aufstel- deutung, das Zusammenspiel der Häuser lungsort. mit ihren Gärten und ihrer spezifischen Folgende Gartenanlagen bedürfen im Rah- Pflanzenwahl wieder sichtbar zu machen, men der Konzeption einer Bearbeitung: und sie durch dauernde intensive Pflege auf der Basis eines Gartenpflegewerks so ehem. Rosengarten zwischen auch künftig zu erhalten. Das 100jährige Alexandraweg 25 und 27 (Nr. 15, s. S. 36) Jubiläum der Künstlerkolonie gab im Jahr 1999 den Anlass, wesentliche Teile der ur- Im Zuge der weiteren Entwicklung der sprünglichen Gartengestaltung, der öffent- Mathildenhöhe ist es ein wichtiges Ziel, lichen Parkbereiche in ihrer historischen die terrassierte Gartenanlage, die Olbrich Form wieder herzustellen. Dazu gehörten 1906 für den Möbelfabrikanten Julius die runde Umfassung des Albin-Müller- Glückert anlegen ließ, wieder herzustellen. Beckens (1914), die mit Efeu bewachsenen Es existiert der Gartenplan und wesentliche 33
we i t e re Entwic k l ung bauliche Gartenelemente, wie die Einfrie- Reparatur wäre weitgehend problemlos zu dungen, Stützmauern, Treppen und sogar realisieren. das runde Wasserbecken sind noch vorhan- den, jedoch von Pflanzenbewuchs verdeckt. Garten Großes Haus Glückert Mit der Rückführung des Rosengartens in Alexandraweg 23 (Nr. 17, s. S. 36) seine ursprüngliche Gestalt würde die einstige Freiraumgestaltung, die die Gärten Der heutige Zustand des städtischen um das „Forum“ vor dem Ernst-Ludwig- Gartens (1439 qm) ist ungepflegt, nicht Haus zu einer nach geometrischen Regeln stilgerecht und der Architektur nicht ange- gestalteten grünen Mitte machte, wie- messen. Der Fabrikant Glückert nutzte das der sichtbar und damit ein wesentliches Haus als Schauraum für seine Möbelpro- Element der städtebaulichen Idee Joseph duktion. Zur Ausstellung 1901 befand sich Maria Olbrichs deutlich erkennbar. Die in im südlichen Gartenteil eines der beiden Privateigentum befindliche Gartenfläche großen kreisförmigen, beheizten Wasser- müsste entweder von der Stadt erworben becken mit exotischen Pflanzen, anschlie- werden (Gesamtgrundstücksgröße Kleines ßend eine Rasenpartie. Da keine Planung Glückert-Haus 1773 qm), oder der Garten für eine historischen Hausgarten existiert, bleibt privat und wird mit Unterstützung beauftragte die Stadt 1968 das mit der Re- der Stadt so umgestaltet, dass die staurierung der Hauses befasste Architek- ursprüngliche Achse südlich vom Ernst- turbüro Prof. Dr. Rolf Romero und Lothar Ludwig-Haus optisch erkennbar wird. Willius gemäß der Charta von Athen eine der Zeit entsprechende „modernen Gar- Garten Oberhessisches Haus tenplanung“ zu erstellen. Die Planung ist Olbrichweg 15 (Nr. 16, s. S. 36) archiviert. Wesentliche Gestaltungselemen- te prägen noch heute das Bild des Gartens. Der Architektengarten des städtischen Allerdings müsste die Pflanzenauswahl Oberhessischen Hauses mit einer Grund- fast vollständig erneuert und der zu hohe stücksgröße von 1761 qm ist mit einigen und dichte Bewuchs reduziert werden. Auf wesentlichen Elementen noch vergleichs- diese Weise könnte ein Gartenstil der 60er weise gut erhalten. Seine Gestaltung ver- Jahre im Vergleich zu den Reformgärten dankt er zwei Architekten. Für die Hessi- um 1900 gezeigt und mit Schautafel erläu- sche Landesausstellung entwarf Olbrich tert werden. das von klassizistischer Strenge geprägte Haus mit einer nach rechtwinkligem Prinzip Garten Haus Olbrich angelegten, an Renaissancegärten erin- Alexandraweg 28 (Nr. 18, s. S. 36) nernde Gartenanlage, die hauptsächlich auf der Nord-West- und Ostseite unmit- Das Wohnhaus von Olbrich hatte mit 647 telbar am Haus lag. Um die hier vorge- qm den kleinsten Garten. Das Hanggelände sehenen unterschiedlichen Teppichbeete terrassierte Olbrich und verwandelte es in mit einem Ornament aus Blumenfeldern einen „strenglinigen“ gegliederten „Ju- vollständig wieder anzulegen, müsste lang- gendstilgarten“, von dem die wichtigsten fristig die störende Doppelgarage aus der baulichen Elemente noch erhalten sind. Zeit des Wiederaufbaus entfernt werden. Mit vielen Zeichnungen, Detailplänen und Nach dem Ende der Ausstellung 1908 er- historischen Fotos sowie Presseberichten warb ein Privatmann das Anwesen und ließ ist der Garten gut dokumentiert. Eine Wie- von Jakob Krug, einem Schüler Olbrichs, derherstellung wäre besonders wichtig und Olbrich war im August 1908 gestorben, die lohnend. Zum heutigen Zeitpunkt könnte südlich des Hauses gelegene Gartenpartie sie allerdings nur teilweise erfolgen, da der neu anlegen. Während der Ausstellung lag unmittelbare Bezug der unterschiedlichen hier ein vom Architekten Fuchs gezeigter Gartenräume wie Vorgarten oder Küchen- temporärer „Mustergarten“. Die von Krug garten etc. zum Haus mit seinem ur- für den Südgarten konzipierten Elemente sprünglich auf der Westseite gelegenen wie die Einfriedungen, Terrassen Stütz- Haupteingang fehlt. Erst nach einer Wieder- mauern und Balustraden, Brunnenanla- herstellung des Hauses könnte im An- gen und sogar das große Gartenhaus sind schluss daran der Garten vervollständigt erhalten und eine Wiederherstellung und werden. 34
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