Rahmen-Konzeption mathildenhöhe - Wissenschaftsstadt darmstadt - Freunde der ...

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Rahmen-Konzeption mathildenhöhe - Wissenschaftsstadt darmstadt - Freunde der ...
Rah m e n– Ko nz e pt io n M at h ild e n h ö h e

erstellt von: Nikolaus Heiss
Koordination Mathildenhöhe

unter Mitarbeit von:
Christiane Geelhaar, Renate             Wissenschaftsstadt
Hoffmann und Mona Sauer                 Darmstadt
Zwischenbericht – Juli 2009
Rahmen-Konzeption mathildenhöhe - Wissenschaftsstadt darmstadt - Freunde der ...
Vor w or t

             Vorwort

             Die Mathildenhöhe Darmstadt ist ein kul-     heute von der Künstlerkolonie Mathilden-
             turelles Erbe von Weltrang, das es aus der   höhe mit ihren aus der Architektur und den
             Sicht der Gegenwart für die Nachwelt ver-    Reformansätzen um 1900 resultierenden
             antwortungsvoll zu erhalten und weiterzu-    einzigartigen Ausstrahlung auf Kultur und
             entwickeln gilt. Diese große Verpflichtung   Gesellschaft im europäischen und weit
             und damit zusammenhängende Entschei-         darüber hinausgehenden Kontext.
             dungen verantwortet die Stadt Darmstadt
             durch die zuständigen Dezernenten für        Um den Blick auf die Mathildenhöhe zu
             Kultur, für Denkmalpflege und für das Bau-   schärfen und ihren eindeutigen Wert zu
             wesen.                                       unterstreichen, wird zunächst eine umfas-
                                                          sende Bestandsaufnahme durchgeführt
             Mit der Bestellung des Koordinators Mat-     werden. Sie ist für die Politik, die Landes-
             hildenhöhe wurde ein wichtiger Schritt       denkmalpflege und auch für die Bürger-
             vollzogen dieser umfassenden Aufgabe         schaft ein wichtiger Wegweiser für den
             nachzukommen. Zum ersten Mal wurde           noch zu prüfenden Antrag zur Anmeldung
             nun im Auftrag des Magistrats und des        als UNESCO-Weltkulturerbestätte.
             Stadtparlamentes mit dieser Broschüre
             eine Rahmenkonzeption Mathildenhöhe in
             Form eines Zwischenberichtes durch den       Wir danken dem Koordinator Mathilden-
             Koordinator Mathildenhöhe vorgelegt. Sie     höhe und Leiter der städtischen Abteilung
             dient dazu, die zu leistende Aufgabe in      Denkmalpflege, Herrn Nikolaus Heiss, für
             ihren weitreichenden politischen, denkmal-   seine engagierte und fachlich hervorragen-
             pflegerischen und städtebaulichen Dimen-     de Arbeit für die Erhaltung und Weiterent-
             sionen vorstellbar zu machen. Schon jetzt    wicklung dieses Kulturdenkmals.
             wird deutlich, dass es sich um den Beginn
             eines spannenden und höchst anspruchs-
             vollen Prozesses von großer Bedeutung
             für Darmstadt handelt. Denn es geht im
             Wesentlichen um die Sicherung der bis        Darmstadt, im August 2009

             Walter Hoffmann		               Klaus Feuchtinger		          Dieter Wenzel
             Oberbürgermeister		             Stadtrat und Dezernent       Stadtrat und Baudezernent
             und Kulturdezernent		           für Denkmalpflege

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Rahmen-Konzeption mathildenhöhe - Wissenschaftsstadt darmstadt - Freunde der ...
I n h a lt s verzeich n is

     Einführung
 5   Lageplan
 5   Vorbemerkungen
 5   Leitidee

     Die Geschichte der Mathildenhöhe
 9   Die Mathildenhöhe
10   Die erste Ausstellung der Künstlerkolonie 1901
12   Die zweite Ausstellung der Künstlerkolonie 1904
13   Die hessische Landesausstellung für freie und
     angewandte Kunst 1908
15   Die letzte Ausstellung der Künstlerkolonie 1914
16   Veränderungen bis heute
17   Investitionsprogramm 2008

     Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen
     – Grundlage: Bestandsaufnahme –
19   Bestandsaufnahme aller
     Objekte der Künstlerkolonie
19   Lageplan

     Weitere Entwicklung der
     Mathildenhöhe
21   Einbindung ins Stadtgefüge und die direkte
     Umgebung
24   Stadtgestalterische Maßnahmen
24   Verkehrsmaßnahmen
25   Das Baufeld am Osthang
27   Bauleitplanung
29   Wiederherstellung von Bauten oder Baudetails
33   Wiederherstellung von Gärten
36   Maßnahmenplan

     UNESCO-Welterbe
39   Lebensreform und Reformarchitektur als Welt-
     kulturerbe?
40   Liste der Darmstädter Architekturen und
     Kunstwerke
42   Weltkulturerbe, was ist das?
42   Aufnahmeverfahren
42   Form und Inhalt der Antragstellung
43   Wirkung und Folgen der
     Anerkennung als Weltkulturerbe

     Zeit- und Kostenplan
45   Zeitplan – Kosten – Finanzierung
45   Zeitvorstellungen
45   Kostenbereich
45   Finanzierungsüberlegungen

     Anhang
47   Impressum
47   Abbildungsnachweis
47   Bibliografie
49   Beschluss der Stadtverordnetenfraktion
50   Liste der Objekte
54   Beispiele der Bestandsaufnahme
                                                                 3
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e i n f ü h rung

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Ein f ü h ru n g

                                                                                              Die Mathildenhöhe
                                                                                              mit den denkmalge-
                                                                                              schützten Bereichen
                                                                                                   Gesamtanlage
                                                                                                   Kulturdenkmal
Vorbemerkungen

Die Stadtverordnetenversammlung hat            Grundlage für die Anmeldung zum Weltkul-
im Februar 2008 den Auftrag zur Erarbei-       turerbe dienen. Kosten und Finanzierung
tung einer Konzeption an den Koordinator       sind nur angerissen. Eine Reihe von Pla-
Mathildenhöhe erteilt. Das jetzt vorliegende   nungs- und Baumaßnahmen werden für die
Papier ist ein Zwischenbericht zum Stand       zukünftige Entwicklung der Mathildenhöhe
der Arbeiten. Bei der Entwicklung der Kon-     vorgeschlagen. Durch sie soll das bedeu-
zeption wirken Christiane Geelhaar, Renate     tende kulturelle Erbe Mathildenhöhe an
Hoffmann und Mona Sauer mit, Dr. Inge Lo-      Attraktivität gewinnen, ihre Verbindung zur
renz und Doris Fath begleiten die Arbeiten.    Stadt verbessert und ihre Wirkung in der
Dr. Renate Ulmer, die anfangs ebenfalls in     Region gestärkt werden. Da einige dieser
der Gruppe mitgearbeitet hat, ist bedau-       Vorschläge einer intensiven Erörterung be-
erlicherweise durch Krankheit ausgefallen.     dürfen, kann die Konzeption zum jetzigen
Ihnen allen danke ich sehr herzlich für die    Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sein.
Unterstützung.                                                               Nikolaus Heiss
Die Leitidee der Rahmen-Konzeption
basiert auf der grundsätzlichen Bedeu-         Leitidee
tung der Mathildenhöhe für Kunst und
Gesellschaft in der Zeit der Lebensreform      Die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe
nach 1900. Anregungen aus dem Forum            mit der hauptsächlich von Joseph Maria
Entwicklung Mathildenhöhe von 2006 sind        Olbrich, Peter Behrens und Albin Müller
in die Leitidee aufgenommen. Die Weltkul-      geschaffenen Architektur mit ihren Garten-
turerbefrage ist präzisiert und muss nach      anlagen gilt zusammen mit der Vielzahl
weiteren Erörterungen beantwortet werden.      künstlerisch gestalteter Objekte, eingebun-
Die Maßnahmen zu Erhaltung und Pflege          den in einen alten Großherzoglichen Park,
des historischen Bestandes sind in allen       noch heute als „schönste Jugendstilanlage
Teilen grundsätzlich erfasst. Eine hierfür     Deutschlands“ 1. Dieser Ort ist der Haupt-
erforderliche umfassende, detailreiche         anziehungspunkt Darmstadts für Besucher
Bestandsaufnahme befindet sich in Arbeit.      aus aller Welt. Das zwischen 1901 und
Sie soll letztendlich in einen aktualisier-    1914 in vier Ausstellungen entstandene
baren und fortschreibbaren Pflegeplan          Ensemble ist von außerordentlich hoher
münden und gleichzeitig als wesentliche        bau- und kunstgeschichtlicher Bedeutung.

                                                                                                              5
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E i nf üh rung

                     Darmstadt rückte nicht nur in den Fokus         sich die Wissenschaftsstadt Darmstadt,
                     der Reformbewegung („Die Darmstädter            die Erhaltung, Pflege, Sanierung, bauliche
                     Künstlerkolonie als lebensreformerisches        Ergänzung und städtebaulich-architektoni-
                     Projekt“ 2), sondern von hier gab es ent-       sche Weiterentwicklung der Künstlerkolonie
                     scheidende Impulse für die Entwicklung          voranzutreiben und alle Kräfte, die dazu
                     der Architektur des 20. Jahrhunderts in         beitragen können, zu bündeln. Damit die
                     Deutschland. Die Ausstellung 1901 „ein          Maßnahmen planvoll und zielgerichtet ge-
                     Dokument Deutscher Kunst“, damals als           schehen können, sind sie in eine Gesamt-
                     „unerhörte Neuerung im Ausstellungswe-          konzeption einzubinden.
                     sen empfunden“ 3, wird heute als erste          Eine wichtige Grundlage der Konzeption
                     internationale Bauausstellung angesehen.        bildet die in Arbeit befindliche umfassende
                     Vom Haus bis zum Garten, vom Mobiliar           Bestandsaufnahme sämtlicher, die Mathil-
                     bis zum Geschirr inszenierten die Künstler      denhöhe prägenden Objekte. Aus ihr wird
                     „Lebenswelten auf künstlerischem Ni-            das Programm der notwendigen Erhal-
                     veau“4.Die Ausstrahlung der Mathildenhöhe       tungs-, Pflege- und Sanierungsmaßnahmen
                     geht weit über die Region und das Land      .   für die nächsten Jahre entwickelt. Gleich-
                     hinaus. Die Architektur der Künstlerkolo-       zeitig ist die Bestandsaufnahme eine wich-
                     nie unterscheidet sich wesentlich von der       tige Grundlage des Weltkulturerbeantrags.
                     ornamental dekorierten Baukunst, die            Hierfür ist außerdem die kunst- und archi-
                     sich in den meisten anderen europäischen        tekturhistorisch universelle Bedeutung der
                     Zentren des Jugendstils findet. Eines ihrer     Reformarchitektur in der Region mit dem
                     Hauptmerkmale ist eine neue, vor allem          Zentrum Mathildenhöhe durch internatio-
                     von Olbrich angewandte Auffassung des           nal anerkannte wissenschaftliche Personen
                     Gebäudeentwurfs, die ihren Schwerpunkt          nachzuweisen.
                     zunächst in der Stimmigkeit der inneren         Die städtebaulichen und architektonischen
                     Funktion hat – die äußere Hülle entwickelt      Entwicklungsmöglichkeiten östlich und
                     sich aus ihr und spiegelt sie wider. Hier       nördlich des Ausstellungsgebäudes soll-
                     zeigt das Werk Olbrichs Wege zu einer neu-      ten mit einem internationalen Wettbewerb
                     en Architekturauffassung und repräsentiert      untersucht werden. Hier hat Darmstadt die
                     am Beginn des 20-sten Jahrhunderts den          einmalige Chance, auf einem Baufeld an
                     Aufbruch zur Moderne. Das Darmstädter           die Ideen der ersten Ausstellungen anzu-
                     Experiment, unter künstlerischen Aspekten       knüpfen, um die Themen Wohnen, Lernen,
                     ganzheitliche Modelle modernen Lebens           Arbeiten, Freizeit und Kunst aus heutiger
                     vorzuführen, gab Impulse zu Reformen auf        Sicht zu interpretieren und ihnen Gestalt
                     den Gebieten von Architektur, Gartenkunst,      zu geben. Auch kann hier Raum geschaffen
Die Mathilden- >> Innendekoration und Kunsthandwerk. Im              werden für experimentelle Architektur.
höhe in ihrer        Verlauf der vier Ausstellungen, wie sie auf
Umgebung             der Mathildenhöhe dokumentiert sind,            Die Mathildenhöhe soll in das Gefüge der
                     zeichnet sich ein Wandel im architektoni-       Stadt besser eingebunden, die Zugänge
                     schen Design von der mit wenig Ornament         klarer definiert werden. Eine wichtige Ver-
                     geschmückten Putzfassade hin zur ma-            knüpfung erfolgt über die Erich-Ollenhauer-
1
  Heinrich Klotz,    terialbetonten Außenhaut ab. In diesem          Promenade mit Darmstadts Innenstadt.
Geschichte der deut- Ensemble wird die Debatte um material-          Gravierende Mängel, wie die schlechte
schen Kunst, Bd. 3,  gerechtes Bauen, die wegweisend für die         Verbindung zur Innenstadt, müssen be-
Neuzeit und Moderne, Architektur des Funktionalismus im 20.          hoben werden. Die östliche Verknüpfung
München 2000,        Jahrhundert war, schon angedeutet. Unter        über den Olbrichweg zur Rosenhöhe ist zu
S. 234               allen diesen Aspekten ist das Gesamt-           stärken. Eine Verbesserung der Vernetzung
2
  Renate Ulmer, Die  kunstwerk Mathildenhöhe einmalig auf der        mit anderen Zielen wie dem Jugendstilbad
Lebensreform Bd. 1,  Welt und nimmt durch die Verbindung von         und den angrenzenden Stadtgebieten soll
Darmstadt 2001,      Lebensreformbewegung und Architekturge-         angestrebt werden.
S. 483 folgende      schichte eine Sonderstellung ein, die eines     Die Künstlerkolonie ist heute ein lebendiger
2
  Wolfgang Pehnt,
                     Tages eine Anerkennung als Weltkulturerbe       Ort und ein kultureller Mittelpunkt Darm-
Deutsche Architektur
seit 1900, Ludwigs-  zusammen mit anderen architekturrefor-          stadts mit seinen Ausstellungen, Museen,
burg – München,      merischen Beispielen in der Region recht-       Führungen, Festen und Veranstaltungen
2006, S. 23          fertigen könnte.                                der dort ansässigen Institute. Diese Eigen-
3
  Pehnt, S. 23       Auf dem Weg zu diesem Ziel verpflichtet         schaft ist zu erhalten und zu stärken.

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Ein f ü h ru n g

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d i e g e sch i c h t e d e r M at h i l d e n hö he

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D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e

                                                                                               Der Blick von der
                                                                                               Mathildenhöhe auf
                                                                                               Darmstadt
                                                                                               1808

Die Mathildenhöhe

Auf dem östlich der Stadt gelegenen sanft      die leuchtend goldenen Turmhauben noch
ansteigenden Hügel, wo die Darmstädter         heute das Bild der Mathildenhöhe prägen.
Bauern ehemals Wein anbauten, ließ das         Die ersten Wohnhäuser auf der Mathilden-
Darmstädter Fürstenhaus um 1800 einen          höhe entstanden im westlichen zur Stadt
öffentlich zugänglichen Park im englischen     hin gelegenen Bereich nach dem General-
Stil anlegen. Dieser Garten mit seinen         bebauungsplan von Karl Hofmann. Es ent-
geschwungenen Wegen war von Beginn             standen bürgerliche Villen im zeittypischen
an für alle geöffnet. Die Namensgeberin        tradionalistischen Stil.
des Parks Prinzessin Mathilde von Bayern       Ohne den gebildeten und kunstsinnigen
ließ mit ihrem Mann, dem Erbgroßherzog         Großherzog Ernst Ludwig hätte es die
Ludwig III., den Park im Zeitgeschmack         Mathildenhöhe in ihrer heutigen Gestalt
des Biedermeier mit Gartenhäuschen             zweifellos niemals gegeben. Der an Kunst,
und Pavillons ausstaffieren sowie den bis      Theater, Musik, Literatur und Gartenkunst
heute erhaltenen Platanenhain anlegen. Im      interessierte Ernst Ludwig hatte über seine
Laufe des 19. Jahrhunderts näherte sich        Mutter, die Großherzogin Alice, eine Toch-
die stark expandierende Stadt mit ihren        ter der englischen Queen Victoria, enge
Gebäuden dem ehemals außerhalb des             Beziehungen zu England. So war er schon
Stadtgebiets gelegenen Park und bezog          früh in Kontakt mit der Arts and Crafts-
so die Mathildenhöhe zunehmend in das          Bewegung, einer Vorläuferin der Reform-
Stadtbild ein.                                 bewegung um 1900, getreten und ließ sich
Der Park veränderte sich langsam, denn         durch ihre Ideen inspirieren.
auch innerhalb der Gartenanlage wurde          Er hatte sich zum Ziel gesetzt, den Wohl-
gebaut. In den Jahren 1877-80 entstand         stand Hessens nachhaltig zu fördern und
nach Plänen des Ingenieurs Otto Lueger         dabei der Kunst eine tragende Rolle zu-
auf der Kuppe der Anhöhe der Hochbe-           zuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die
hälter des neu geschaffenen städtischen        Förderung der Künstlerkolonie auf der
Wasserleitungsnetzes. Im Jahre 1897 ließ       Mathildenhöhe zu sehen. Diese wurde
Zar Nikolaus II., der seit der Heirat mit      1899 gegründet und blieb bis zu ihrem
Prinzessin Alexandra, der Schwester von        erzwungenen Ende zum Kriegsbeginn 1914
Großherzog Ernst Ludwig, im Jahre 1894         untrennbar mit dem Namen ihres Mäzens
in enger verwandtschaftlicher Beziehung        verbunden. 1898 hatte Ernst Ludwig die
zum Darmstädter Fürstenhaus stand,             ersten sieben Künstler nach Darmstadt
durch den Petersburger Hofarchitekten          berufen, sie verpflichtet, drei Jahre lang in
Leontij Nikolavic Benois die russisch-ortho-   Hessen tätig zu sein und ihnen dafür die
doxe Kapelle erbauen, deren bunte Farbig-      Möglichkeit gewährt, frei von materiellen
keit, die reich geschmückten Fassaden und      Sorgen künstlerisch arbeiten zu können.

                                                                                                                   9
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Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e

Die Künstlerhäuser   Erste Ausstellung der Künstlerkolonie
und das              1901
Ernst-Ludwig-Haus
1904                 Ihr erster künstlerischer Leiter war der        Künstler- und Privathäusern existieren
                     1899 aus Wien berufene Architekt Joseph         heute noch sieben, von denen zwei nach
                     Maria Olbrich, mit dem der Großherzog           Kriegszerstörung vereinfacht wieder auf-
                     künstlerisch und freundschaftlich eng           gebaut wurden. Innenausstattungen sind
                     verbunden war. Er konzipierte die erste         nur noch im Haus Deiters und dem großen
                     Ausstellung der Künstlerkolonie im Jahre        Haus Glückert zu sehen. Das bedeutendste
                     1901. Der künstlerische Schwerpunkt lag         Haus der ersten Ausstellung der Künst-
                     auf dem Entwurf individueller Wohnhäu-          lerkolonie ist jedoch das heutige Museum
                     ser für die Mitglieder der Künstlerkolonie      Künstlerkolonie, das Ernst Ludwig-Haus.
                     und diese als vollständig ausgeführte           Das 48 Meter breite Gebäude mit seiner
                     und eingerichtete Gebäude einschließlich        ruhigen monumentalen Südfassade wurde
                     ihrer Gartenanlagen der Öffentlichkeit zu       als Atelierhaus mit großem Empfangsraum
                     präsentieren. Für dieses Vorhaben hatte         konzipiert. In ihm sollten die Künstler der
                     Ernst Ludwig den Künstlern zum Erwerb           Kolonie arbeiten. Olbrich beschreibt sein
                     des Bauplatzes günstige Konditionen             Atelierhaus folgendermaßen: „Oben am
                     eingeräumt, sodass Olbrich, Christiansen,       höchsten Streif soll das Haus der Arbeit
                     Habich und Behrens ein eigenes Wohnhaus         sich erheben, dort gilt, gleichsam in einem
                     finanzieren konnten. Alle Häuser außer          Tempel, die Arbeit als heiliger Gottesdienst.
                     dem von Peter Behrens plante Olbrich.           Im abfallenden Gelände: die Wohnhäuser
                     Behrens, ein ausgebildeter Maler traute         der Künstler, gleich einem friedlichen Ort,
                     sich zu, sein eigenes Wohnhaus als Auto-        zu dem nach des Tages emsiger Arbeit von
                     didakt zu entwerfen, und begann damit           dem Tempel des Fleißes herabgestiegen
                     seine Karriere als Architekt. Das öffentliche   wird, um den Künstler mit dem Menschen
                     Interesse an der Ausstellung war groß,          einzutauschen.“
                     aber auch widersprüchlich. Von den acht

10
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e

          < Die Planung für die Ausstellung 1901 von
            Joseph Maria Olbrich

                 Ausstellung 1901
          <

                 Ausstellungsgelände

                 erhaltenen Sachteile der
                 Ausstellung

                                                11
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e

Die Dreihäuser-
gruppe 1904

                     Zweite Ausstellung der Künstlerkolonie
                     1904

                     Nach dem finanziellen Mißerfolg der ersten   ches Wohnen am westlichen Fuß der Mat-
                     Ausstellung wurde die zweite 1904 wesent-    hildenhöhe gebaut und zeigt eine deutliche
                     lich bescheidener ausgeführt. Kernpunkt      Annäherung an die traditionellen Formen
                     der Ausstellung war die Dreihäusergruppe     der umliegenden Villen.
                     von Joseph Maria Olbrich. Sie wurde als
                     Musterbeispiel für vorbildliches bürgerli-

Ausstellung 1904

     Ausstellungs-
          gelände
     erhaltenen
     Sachteile der
     Ausstellung

12
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e

                                                                                          Hochzeitsturm und
                                                                                          Ausstellungshallen,
                                                                                          1908

Die Hessische Landesausstellung für freie
und angewandte Kunst 1908

Die Ausstellung von 1908 beschränkte            jedoch der Hochzeitsturm und die Aus-
sich nicht auf die Arbeiten der Kolonie-        stellungshallen, mit denen Joseph Maria
mitglieder, sondern stand unter dem Motto       Olbrich das Stadtbild mit einem weithin
Hessische Landesausstellung für freie           sichtbaren Monument bekrönte und der
und angewandte Kunst. Das Konzept der           Stadt ihr Wahrzeichen gab.
Ausstellung beinhaltete, hessische Künstler
und Handwerker zur Teilnahme an der
Ausstellung aufzufordern und mit den Er-
gebnissen die Leistungsfähigkeit des hessi-
schen Kunsthandwerks darzustellen. Neben
einer großen Zahl von Exponaten, die in
provisorischen Gebäuden gezeigt wurden,
wurde auch eine Kleinwohnungskolonie
gebaut, deren Baukosten 4000 Mark für ein
Einzelhaus und 7200 Mark für ein Zwei-
familienhaus nicht überschreiten durften.
Zudem war von den Architekten der Ent-
wurf einer kompletten Innenausstattung
gefordert worden. Die Gebäude wurden
kurz nach der Ausstellung abgetragen, und
drei von ihnen im Osten Darmstadts wieder
errichtet. Im Zuge der Ausstellung wurden
am Osthang drei großbürgerliche Villen er-
richtet. Eine von ihnen, das Oberhessische
Haus, entwarf Olbrich in einem blockhaften
klassizistischen Stil, der sich stark von der
Frische seiner frühen Entwürfe unterschied.                                               Olbrichs Muster-
Die wichtigsten Gebäude der großen                                                        haus für die Klein-
Hessischen Landesausstellung waren                                                        wohnungskolonie

                                                                                                           13
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e

Der Lageplan für die
Ausstellung 1908

Ausstellung 1908

       Ausstellungs-
       gelände
       erhaltenen
       Sachteile der
       Ausstellung

14
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e

                                                                            <    Der Lageplan
                                                                                für die Ausstellung
                                                                                1914

                                                                                Das Lilienbecken

                                                                           <
                                                                                und das Löwentor
                                                                                auf der
                                                                                Ausstellung 1914

                                                                                Die Ausstellung
Di e Ges chichte de r M a thi l de nhö h e

Die Mathildenhöhe, Veränderungen bis Heute
April 2007
                   Nachdem die letzte Ausstellung der Künst-     nie ausgebaut. Von 1989 bis 1992 erfolgte
                   lerkolonie mit dem Ausbruch des Ersten        die denkmalpflegerische Instandsetzung
                   Weltkriegs ein abruptes Ende gefunden         des Hauses Deiters. Dabei konnten Teilbe-
                   hatte, versank die Mathildenhöhe in einen     reiche der Außenanlagen, die unmittelbar
                   „Dornröschenschlaf“. Die in den 1920-er       zu den restaurierten Gebäuden gehörten,
                   und 1930-er Jahren offenbar nicht mehr        in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder her-
                   geschätzte Architektur verschwand ebenso      gestellt werden. Die komplette Sanierung
                   wie die gärtnerischen Anlagen unter üppig     und Restaurierung der Russischen Kapelle
                   wuchernder Vegetation. Die „Brandnacht“       im Äußeren und Inneren wurde 2008 abge-
                   1944 riss auch auf der Mathildenhöhe Lü-      schlossen.
                   cken, die nicht mehr geschlossen wurden.      Anlässlich des 100 - jährigen Jubiläums
                   1963 wurden als Ergebnis eines Wettbe-        der Gründung der Künstlerkolonie 1899
                   werbs viele noch erhaltene Gestaltungsele-    und der ersten Ausstellung der Künstler-
                   mente beseitigt, so dass die Mathildenhöhe    kolonie am 24. Mai 1901 hat die Stadt
                   weiter an Gesicht verlor. Mit der Wieder-     Darmstadt dann ab 1998 auch große Teile
                   entdeckung des Jugendstils, die ihren         der Außenanlagen unter gartendenkmal-
                   Ausdruck auch in der 1976 in Darmstadt        pflegerischen Aspekten nach historischem
                   veranstalteten Jubiläumsausstellung „Ein      Vorbild wiederherstellen lassen. Die Wie-
                   Dokument Deutscher Kunst 1901 - 1976“         derherstellung der gärtnerischen Einfas-
                   fand, änderte sich grundlegend die Sicht-     sung des Albin-Müller-Beckens, der Treppe
                   weise und Wertschätzung der baulichen         am Schwanentempel und der Rankgitter im
                   Zeugnisse zu Beginn des Jahrhunderts.         Platanenhain gehören zu den augenfälligs-
                   Ab 1974 begann mit der Sanierung der          ten Veränderungen, die die gestalterische
                   Ausstellungshallen die schrittweise Rekon-    Qualität der ursprünglichen Anlage haben
                   struktion der städtischen Gebäude unter       wiedererstehen lassen. Die Gesamtmaß-
                   denkmalpflegerischen Prämissen.               nahme umfasst auch die Rekonstruktion
                   Der Hochzeitsturm konnte durch Privatini-     der Pergolen an Nord – und Ostseite der
                   tiative des Förderkreises im Inneren umfas-   Ausstellungshallen. Im Jahr 2006 wurde
                   send restauriert werden und durch Einbau      zunächst ein Teil der Betonpergolen an der
                   eines Aufzugs auch für Ältere und Behin-      Nordseite wieder aufgebaut. Die fehlenden
                   derte zugänglich gemacht werden. 1984         Teile sollen 2009 folgen. Eine stilgerechte
                   bis 1990 wurde das Ernst-Ludwig Haus re-      Bepflanzung im Sinne Olbrichs ist geplant.
                   konstruiert und zum Museum Künstlerkolo-      Heute ist also baulich ein verhältnismäßig

16
D ie G e s ch ich t e d e r M a t hilden h ö h e

guter Zustand erreicht. Dennoch wirkt die     Fenster in den Ausstellungshallen und ein
Mathildenhöhe bei näherer Betrachtung an      neuer Behindertenaufzug sind geplant.
vielen Stellen vernachlässigt oder „unstim-   Das Gesamtkunstwerk Bernhard Hoetgers
mig“ und hinterlässt bei Besuchern einen      mit den unersetzlichen Plastiken im und
teilweise ungepflegten, unsauberen Ein-       um den Platanenhain soll durch geeigne-
druck:                                        te Maßnahmen vor dem weiteren Verfall
Skulpturen, Treppen, Mauern, Einfriedi-       bewahrt werden. Mit einer Neuvergoldung
gungen haben Schäden, sind zum Teil von       der Ziergitter vor den Reliefwänden Hoet-
Pflanzen zugewachsen. Pflastermosaike         gers wird der historische Zustand wieder
werden zugeparkt und immer wieder be-         hergestellt. Die durch Kalkablagerungen
schädigt.                                     gefährdeten keramischen Fliesen im Albin-
Außerdem gibt es Baulichkeiten, die den       Müller-Becken machen eine Erneuerung
Zusammenhang des ursprünglichen En-           der Pumpentechnik mit Entkalkung erfor-
sembles nicht mehr erkennen lassen, weil      derlich. Balustraden und Stützwände des
sie nach dem Krieg falsch oder gar nicht      Albin-Müller-Beckens sind von der zerstö-
wieder aufgebaut wurden. Besonders            rerischen Versinterung zu befreien und
unschön ist die Zufahrt zur Mathildenhöhe     bautechnisch zu erneuern. Deckenmalerei
über den östlichen Olbrichweg. Hier hat       und keramische Fliesen des Schwanen-
man in keiner Weise das Gefühl, die „Kro-     tempels bedürfen einer restauratorischen
ne“ Darmstadts zu besuchen, sondern man       Behandlung. Am Olbrich-Haus und am
fährt in einen „Hinterhof“ mit einem völlig   Oberhessischen Haus steht die statische
ungestalteten Parkplatz.                      Aufrüstung der vom Einsturz gefährdeten
                                              Mauern an. Eine technische Modernisie-
Investitionsprogramm 2008 –                   rung des Brunnens „Trinkender Jüngling“
Kulturdenkmal Mathildenhöhe                   sowie die Herstellung neuer Wandfliesen
                                              am Olbrich-Haus sind unabdingbar. Durch
Mit einem im Jahr 2008 aus Sondermitteln      die Neuschaffung eines Rankgitterwerks
aufgelegten Investitionsprogramm sollen       wird der Paula-Ludwig-Platz städtebau-
im Jahr 2009 einige dringliche investive      lich und gestalterisch neu gefasst. Das
und denkmalpflegerische Maßnahmen zur         denkmalgeschützte Mosaikpflaster im
Verbesserung der Erhaltungssituation auf      Alexandra- und Prinz-Christians-Weg ist
der Mathildenhöhe durchgeführt werden:        durch Ergänzungs- und Schutzmaßnahmen
Im Hochzeitsturm sind die Vergoldung der      vor der Zerstörung zu bewahren. Mit der
Eingangshalle und auf seinem Vorplatz         Vergoldung der Eingangstüren wird die
die Neuanfertigung der stark beschädig-       umfangreiche Sanierung der Russischen       Die Mathildenhöhe,
ten glasierten Klinker vorgesehen. Neue       Kapelle zum Abschluss gebracht.             April 2008

                                                                                                         17
Er h a lt u n gs - u n d Pfl e g e m a SSna hmen
       – auf grundlage der bestandsaufnahme –

18
E rh alt u n g s - u n d P f le ge m a ßn a h m en

Bestandsaufnahme aller Objekte der
Künstlerkolonie

Grundlage der folgenden katalogartigen        vervollständigen die Dokumentation. Mit
Aufzählung der Bauten, Objekte, Kunstwer-     diesem umfangreichen Werk, das zurzeit
ke und Gärten mit den für die Erhaltung er-   von den Architektinnen Christiane Geelhaar
forderlichen Maßnahmen ist die im Aufbau      und Mona Sauer und der Kunsthistorikerin
begriffene Bestandserhebung, die so aufge-    Renate Hoffmann erarbeitet wird, entsteht
baut ist, dass sie ständig fortgeschrieben    ein Instrument, mit dem die Erhaltung und
und aktualisiert werden kann und soll. Er-    Entwicklung der Mathildenhöhe für die
wogen wird die Entwicklung einer digitalen    Zukunft besser systematisch unterstützt
Datenbank, in der über die reine Bestands-    werden kann. Außerdem ist die Bestands-
erhebung hinaus weitere Verknüpfungen         aufnahme ein wesentlicher Bestandteil
– beispielsweise mit dem Werkverzeichnis      des Weltkulturerbeantrags 1 (siehe Kapitel
eines Künstlers oder Architekten, oder mit    Weltkulturerbe S. 38 ff).
Literaturquellen – möglich wären.             In der im Anhang befindlichen Liste sind
Die Bestandsaufnahme dient der systema-       sämtliche Objekte der Künstlerkolonie mit
tischen Übersicht über alle Bestandteile      ihren Baudaten aufgeführt. Insgesamt um-
der Mathildenhöhe mit Aussagen zu Name,       fasst die Liste 56 Objekte, von denen 35 im
Baujahr, Lage, Nutzung, Gestalter, Idee und   Gebiet der Künstlerkolonie liegen.
Bedeutung des Objekts sowie Veränderun-       Die erforderlichen Maßnahmen zur Erhal-
gen bis heute, Zustand, künftige Nutzun-      tung und Pflege werden in der ausführli-                          Die Mathildenhöhe
gen, Potenziale, notwendige Maßnahmen         chen Bestandsaufnahme detailliert darge-                          mit den Objekten
zur Erhaltung und Kosten. Historische und     legt (Beispiele dieser Bestandsaufnahme                           der Bestandsauf-
aktuelle Bilder, Zeichnungen, Karten, Pläne   siehe Anhang ab Seite 54).                                        nahme

                                                                                                       32
                                                                       18
                                                                                         20
                                                           22               17
                                                   23             21

                                                                                              2        19
                                                             16                           1
                                                     14     24         13                             33
          31                                        15                          5                 3
                                                                                                      4
                                                            12
                                                     11                             8         9        26
                                                                            7
                                                                 6                       30
                                                                                                           10
                                                                       34
                                              25
                            28
                                                                                    27

                   29

                                                                                                                             19
w e ite r e e n t w i cklu n g d e r M at h i l d e n hö he
                                                städtebaulich
                                          stadtgestalterisch
                                                       baulich

20
w e it e re E n tw icklu n g

Einbindung der Mathildenhöhe in das
Stadtgefüge und die direkte Umgebung

Die Mathildenhöhe soll in das Gefüge der        Merckstraße
Stadt besser eingebunden, die Zugänge
klarer definiert werden. Eine wichtige Ver-     Über die Merckstraße als Querspange soll
knüpfung erfolgt über die Erich-Ollenhauer-     stadtgestalterisch eine Beziehung zwischen
Promenade mit Darmstadts Innenstadt.            der Erich-Ollenhauer-Promenade und dem
Einige Mängel, vor allem der Übergang           Jugendstilbad hergestellt werden. Der
zum Schloss, müssen behoben werden. Die         Übergang der Landgraf-Georg-Straße soll
östliche Verbindung über den Olbrichweg         für Fußgänger großzügig ausgebaut wer-
zur Rosenhöhe ist zu stärken. Eine Verbes-      den.
serung der Vernetzung mit anderen Zielen
wie dem Jugendstilbad und den angrenzen-        Darmstadtium
den Stadtgebieten soll angestrebt werden.
(siehe Plan nachste Seite).                     Zwischen dem Darmstadtium und der
                                                Landgraf-Georg-Straße bestehen zwei Ver-
Erich-Ollenhauer-Promenade/                     bindungen, die zum Jugendstilbad führen.
Darmstadtium/Schloss                            Sie sind stadtgestalterisch nicht ausge-
                                                prägt und sollen verbessert werden.
Eine schlüssige Verbindung zwischen der
Innenstadt und dem Aufgang zur Mathil-          Christiansenweg
denhöhe fehlt am Westende der Erich-            (Nr. 1, s. S. 36)
Ollenhauer-Promenade. Hier soll eine
Aufwertung der Gestaltung des öffentlichen      Verlängerung nach Süden – Olbrich hatte
Raumes sowie wenn möglich eine Verbes-          bereits in einem Lageplan-Vorentwurf von
serung der Übergänge für Fußgänger über         1900 eine Wegeverbindung zwischen der
den Innenstadtring am Schlossgraben             Kuppe der Mathildenhöhe und dem Großen
erfolgen.                                       Woog über die Wingertsbergstraße geplant.
                                                Ein kurzer, schmaler Fußweg zwischen
Olbrichweg /Fiedlerweg                          Prinz-Christians-Weg und Erbacher Straße
(Nr. 2, s. S. 36)                               südlich des Christiansenwegs könnte die
                                                heute fehlende Verbindung herstellen. Ein
Diese wichtige Straßenkreuzung mit Auf-         solcher Weg sollte im Bebauungsplan aus-
gang und Zufahrt zur Mathildenhöhe,             gewiesen werden.
gleichzeitig Hauptweg zwischen Mathilden-
höhe und Rosenhöhe, wird diesen Aufgaben
nicht gerecht. Ein Ausbau zu einem in sei-
nen Funktionen erkennbaren und vor allem
für Fußgänger benutzbaren Knoten ist eine
vordringliche stadtgestalterische Aufgabe.

Lucasweg
(Nr. 3, s. S. 36)

Der nördliche Zugang zur Mathildenhöhe
bietet keine dem Ort angemessene Gestalt-
qualität. Dies liegt vor allem an dem östlich
gelegenen ungestalteten Parkplatz. Die
Wiederherstellung einer Torsituation, wie
1914 von Albin Müller durch die Mietwoh-
nungsbauten geschaffen wurde, könnte
auch heute eine Lösung sein, die im Rah-
men eines Architekturwettbwerbs für den
Osthang gefunden werde müsste.

                                                                                                         21
we i t e re Entwic k l ung

Die Mathildenhöhe
von Westen mit
Paula-Ludwig-Platz
und Nikolaiweg,
Sept. 2008

                     Paula-Ludwig-Platz                            Nikolaiweg am Platanenhain
                     (Nr. 4, s. S. 36)                             (Nr. 6, s. S. 36)

                     Die Kreuzung Stiftstraße/Nikolaiweg, vor      Der westliche, der wichtigste Eingang zur
                     wenigen Jahren zum Platz mit den Olbrich-     Mathildenhöhe bietet heute keine dem
                     Brunnen (Gartenbauausstellung 1905 im         Ort entsprechende Gestaltung. Während
                     Orangeriegarten) ausgebaut, weist noch ei-    der Ausstellungen 1901, 1908 und 1914
                     nige Defizite auf: Die Abgrenzung zwischen    befanden sich hier jeweils unterschiedlich
                     Nikolaiweg und Platzfläche ist mit Pollern    gestaltete Eingänge. Das Löwentor (Albin
                     unglücklich gestaltet, die Hoetger Plastik,   Müller und Bernhard Hoetger 1914) bil-
                     die den Platz nördlich abschließt, steht      dete die stärkste Eingangssituation. Sie
                     unmotiviert in einer lieblosen Grünfläche.    wurde jedoch kurz darauf wieder beseitigt.
                     Mit einer Neuordnung der Verkehrsführung      Geblieben ist eine undefinierte Restfläche,
                     könnte auf die Poller verzichtet werden.      die städtebaulich, gärtnerisch und archi-
                     Die Nordseite des Platzes mit der Hoetger-    tektonisch zu gestalten wäre. Ein Gestal-
                     Plastik erhält durch ein metallisches Rank-   tungswettbewerb böte die Möglichkeit, eine
                     gitter mit Nische wie im Platanenhain eine    passende Lösung zu finden.
                     räumliche Fassung.

                     Mathildehöhweg/Alexandraweg
                     (Nr. 5, s. S. 36)

                     Der Kreuzungsbereich fließt nach Osten
                     optisch auseinander. Durch eine stadt-
                     räumlichen Gestaltung könnte die Situation
                     verbessert werden.

22
w e it e re E n tw icklu n g

           Die Einbindung
           der Mathildenhöhe
           in das Stadtgefüge
           Febr. 2009

                          23
we i t e re Entwic k l ung

links:
Mosaikpflaster vor
dem Haus Behrens,
Okt.2005
rechts:
parkende Autos auf
dem Mosaik-
pflaster, Febr. 2009

                       Stadtgestalterische Maßnahmen                   Verkehrsmaßnahmen

                       Straßengestaltung                               Parkmöglichkeiten

                       Sämtliche Straßen der Mathildenhöhe             Die Parksituation auf und am Rande der
                       sollten längerfristig einheitlich umgestaltet   Mathildenhöhe ist schwierig und am Ost-
                       werden, und dadurch auf die Besonder-           hang gestalterisch nicht gelöst. Im Zuge
                       heit der Mathildenhöhe hinweisen. Eine          eines städtebaulich/architektonischen
                       Aufpflasterung der Straßen beispielsweise       Wettbewerbs für die Ostseite sollen Mög-
                       könnte den Autofahrern signalisieren, dass      lichkeiten des Parkens, auch des unterir-
                       hier überall mit Fußgängern zu rechnen          dischen Parkens (trotz Felsenuntergrund)
                       ist. Der großen Zahl von Besuchern und          untersucht werden. Die Situation wird sich
                       Besuchergruppen soll damit Rechnung             verschärfen, wenn Alexandraweg und Prinz-
                       getragen werden.                                Christians-Weg nur noch für Anwohner zum
                                                                       Parken zur Verfügung stehen.
                       Mosaikpflaster
                       (s. S. 36)                                      Erreichbarkeit

                       Das unter Denkmalschutz stehende Mosa-          Die Erreichbarkeit der Mathildenhöhe für
                       ikpflaster im Alexandra- und Prinz-Christi-     den öffentlichen Personen-Nahverkehr soll
                       ans-Weg ist durch die auf ihm parkenden         verbessert werden.
                       Autos (vor allem durch Lenkbewegungen
                       der Vorderräder im Stillstand) in seiner        Anwohnerparken
                       Substanz gefährdet. Außerdem reicht
                       der Platz zwischen parkenden Autos und          Zum Schutz des Mosaikpflastern und zur
                       Einfriedigungen oft nicht für Fußgänger         Verbesserung der Aufenthaltsqualität soll
                       aus. Aus diesem Grund wäre eine Park-           für die Mathildenhöhe Anwohnerparken
                       ordnung mit Anwohnerparken und zwar             angestrebt werden (siehe auch oben: Mosa-
                       nur einseitig die Lösung zum Schutz des         ikpflaster).
                       Mosaikpflasters und zur Verbesserung der
                       Aufenthaltsqualität.

24
w e it e re E n tw icklu n g

                                                                                           Der Osthang der
                                                                                           Mathildenhöhe
                                                                                           Sept. 2008

Das Baufeld am Osthang – internationale
Wettbewerbe

Für den gesamten Osthang der Mathilden-       Dabei wird die Einbindung des Fachbe-
höhe soll nach einer gewissenhaften           reichs Gestaltung der Hochschule Darm-
Diskussion über die gewünschten Ent-          stadt eine wichtige Rolle spielen. Grund-
wicklungsziele zunächst im Rahmen eines       stücksveränderungen sind dabei denkbar.
internationalen städtebaulichen Wettbe-
werbs die Gesamtentwicklung geklärt
werden. Ein darauf folgender Architektur-
wettbewerb soll Lösungen für die bauliche
und gestalterische Ausprägung bringen.

Der Osthang ist Kernstück der „Kultur-
meile“, die von der Innenstadt über die
Mathildenhöhe und Rosenhöhe bis zum
Oberfeld führt. Er spielte auch in der
Werkstatt des Forums Mathildenhöhe eine
zentrale Rolle (siehe Karte nächste Seite).

Hier bietet sich Darmstadt die Chance,
auf einem Baufeld an die Ideen der ersten
Ausstellungen der Künstlerkolonie anzu-
knüpfen, um die Themen Wohnen, Lernen,
Arbeiten, Freizeit und Kunst aus heutiger
Sicht zu interpretieren und ihnen Gestalt
zu geben. Auch kann hier Raum geschaffen
werden für experimentelle Architektur.

                                                                                                       25
we i t e re Entwic k l ung

„Kulturmeile“
Ein Teil führt von
der Innenstadt über
die Mathildenhöhe
und Rosenhöhe bis
zum Oberfeld,
Febr. 2009

26
w e it e re E n tw icklu n g

Bauleitplanung

Die Bebauung der Mathildenhöhe ist seit       Von Bedeutung ist hier der Baufluchtlinien-
ca. 1900 entstanden. Der erste Bebauungs-     plan 161, der die zentralen Bereiche zwi-
plan von Karl Hoffmann stammt von 1897.       schen Stiftstraße, Platanenhain, Ausstel-
Durch diesen Plan wurde das Straßennetz       lungshallen und Russischer Kirche sichert.
in seinen Grundzügen festgelegt, Nikolai-     Die Bebauung des Osthangs erfolgte im
weg, Alexandraweg und Prinz-Christians-       Rahmen des Bebauungsplans O 13 – Mat-
Weg folgen bis heute dieser Linienführung.    hildenhöhe Ost – von 1971.
                                              Darüber hinaus steht die Mathildenhöhe
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Teil-       als Gesamtanlage unter Denkmalschutz.
bereiche der Straßenräume durch Ortsbau-      Innerhalb dieser Gesamtanlage befinden
pläne und Baufluchtlinienpläne gesichert.     sich die Einzeldenkmäler der Bauwerke von
Durch diese Pläne wird jedoch weder Art       besonderer Bedeutung.
und Maß der baulichen Nutzung, noch die
Gebäudestruktur festgelegt. Sie dienten vor   Der Bereich südlich des Nikolaiwegs und
allem zur Sicherung der Straßenflächen        der russischen Kirche mit den Künstlerhäu-
und Baufluchten.                              sen ist bis heute jedoch nicht durch einen
                                              Bebauungsplan geschützt. Vorhaben sind
                                              grundsätzlich nach § 34 BauGB zu beurtei-
                                              len. Auch wenn im Bereich der Gesamtanla-
                                              ge eine denkmalschutzrechtliche Genehmi-
                                              gung erforderlich ist und die Ortsbau- und
                                              Baufluchtlinienpläne zu berücksichtigen
Baufluchtlinienplan 161 für die zentrale      sind, ist eine geordnete städtebauliche Ent-
Fläche der Mathildenhöhe, 1950er Jahre,       wicklung ohne die Steuerung durch Bauleit-
Lageplan mit dem Bestand bis 1944             planung nicht möglich.

                                                                                                        27
we i t e re Entwic k l ung

Zusammenstellung   Durch die heterogene Situation ergibt sich     Daher ist ein Aufstellungsbeschluss für den
der wichtigsten    innerhalb des Beurteilungsspielraums bei       gesamten Südhang zwischen Stiftstraße
baurechtlichen     der bestehenden Rechtslage keine               und Fiedlerweg gefaßt worden, um diesen
Grundlagen         Möglichkeit, eine städtebauliche Leitidee      Anforderungen gerecht zu werden. Ein
                   umzusetzen. Dies betrifft vor allem die Nut-   Aufstellungsbeschluss für den Osthang soll
                   zung, die Dichte der Bebauung, die             folgen.
                   Intensität der Nutzung sowie die Traufhö-
                   hen und Gebäudeabmessungen. Auch kön-
                   nen gegenüber der bestehenden Situation
                   keine Einschränkungen vorgesehen werden.

                   Die gestiegene Bedeutung der Mathildenhö-
                   he durch die Wiederherstellung historischer
                   Bereiche, der Schutz der bestehenden
                   Bebauung, die Notwendigkeit der weiteren
                   Entwicklung und eine mögliche Nominie-
                   rung der Mathildenhöhe als Weltkulturerbe
                   lassen die Schaffung von Baurecht durch        Quelle:
                   Bauleitplanung notwendig erscheinen.           Stadtplanungsamt Darmstadt, Febr. 2009

28
w e it e re E n tw icklu n g

                                                                                                  Die Künstlerhäu-
                                                                                                  ser 1901: Haus
                                                                                                  Olbrich links und
                                                                                                  Haus Habich
                                                                                                  rechts, im Hinter-
                                                                                                  grund Haus Keller

Wiederherstellung von Bauten oder Bau-
details

Die zurzeit in Deutschland an verschiede-      serer Zeit tragen.“ 2 Die Charta wurde 1965
nen Beispielen geführte Diskussion über        zum Gründungsdokument der ICOMOS (In-
Rekonstruktionen zeigt die gegensätz-          ternationaler Rat für Denkmalpflege), der
lichen Auffassungen unterschiedlicher          sich auch die UNESCO-Welterbekonvention        1
                                                                                                Georg Dehio, Denk-
Gesellschaftsgruppen. Stark vereinfacht        anschließt. Die Bewahrung und Konser-          malschutz und Denk-
kann festgestellt werden, dass Architekten     vierung der Denkmäler genießt höchste          malpflege im neun-
grundsätzlich gegen Rekonstruktionen ein-      Priorität, die Restaurierung im Hinblick auf   zehnten Jahrhundert,
gestellt sind, die Bürgerschaft mehrheitlich   den Erhalt ästhetischer und historischer       1905
dafür stimmt, dass die Politik gerne auf       Werte hat enge Grenzen, die Renovierung        „Der Historismus des
Bürgerstimmen hört und für die Denkmal-        kommt nur in Frage, wenn Konservierung         19. Jahrhunderts hat
pflege Rekonstruktion kein Thema ist. Be-      und Restaurierung nicht möglich sind und       aber außer seiner
kannte aktuelle Beispiele sind die Dresdner    Rekonstruktionen (im Sinne von Nachbau         echten Tochter, der
Frauenkirche, das Braunschweiger Schloss,      ohne jegliche Originalsubstanz) sind unzu-     Denkmalpflege, auch
das Berliner Stadtschloss oder die Frank-      lässig. 3                                      ein illegitimes Kind
furter Altstadt an denen sich die Diskussio-   Da das Thema sehr komplex und umfas-           gezeugt, das Res-
nen entzündet haben.                           send erörtert werden kann, soll die allge-     taurationswesen. Sie
Seit der Kunsthistoriker Georg Dehio zu        meine Diskussion hier nur gestreift und        werden oft miteinander
Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen          für die Mathildenhöhe für jeden Einzelfall     verwechselt und sind
Schriften den Leitspruch ausgab: „kon-         Konservierung, Restaurierung, Renovierung      doch Antipoden. Die
servieren nicht restaurieren“, wird in der     und Reparatur ausdiskutiert werden.            Denkmalpflege will
Denkmalpflege eine Rekonstruktion unter-       Als positives Beispiel für eine Wiederher-     Bestehendes erhalten,
gegangener Bauten abgelehnt 1. Diese           stellung des ursprünglichen Zustandes ist      die Restauration will
Auffassung hat sich in der internationalen     das Haus Deiters (erbaut 1901) zu nennen,      Nichtbestehendes
Charta von Venedig 1964 niedergeschla-         das die Stadt 1988 erwarb und in den Jah-      wiedeherstellen“
gen: „---Wenn es aus ästhetischen oder         ren 1990/92 von entstellenden Anbauten          2
                                                                                                 Charta von Venedig,
technischen Gründen notwendig ist, etwas       befreien ließ. Die noch weitgehend erhal-      1964, Artikel 9
wiederherzustellen, von dem man nicht          tene Bausubstanz konnte nach Original-          3
                                                                                                 Welterbe-Manual der
weiß, wie es ausgesehen hat, wird sich das     zeichnungen Olbrichs durch die Architektin     Deutschen UNESCO-
ergänzende Werk von der bestehenden            Christiane Geelhaar mit den historischen       Kommission, Bonn,
Komposition abheben und den Stempel un-        Details komplettiert werden.                   2006, S. 65

                                                                                                                 29
we i t e re Entwic k l ung

                        Für folgende Situationen und Gebäude           chen, ohne es kopieren zu wollen. Es soll
                        ergeben sich Möglichkeiten der Reparatur       modern aber zurückhaltend gestaltet sein,
                        oder Wiederherstellung, die für die Häuser     und sich nicht in den Vordergrund drängen.
                        Habich und Keller eher theoretischer Natur     Eine öffentliche Nutzung (Museum oder
                        sind, weil sie sich in Privateigentum befin-   ähnliches) wäre angemessen. Der Gebäude-
                        den:                                           entwurf soll in Anbetracht der Bedeutung
                                                                       des Ortes über einen internationalen Archi-
                        Haus Christiansen (Nr. 9, s. S. 36)            tektenwettbewerb gefunden werden.
                                                                       Zur Rückgewinnung der städtebaulichen
                                                                       Konfiguration von Olbrichs Gesamtplan von
                                                                       1901 wäre auch der Rückbau des Gartens
                                                                       zwischen dem kleinen Haus Glückert und
                                                                       Haus Habich dringend erforderlich, der
                                                                       eine optische Erweiterung der großen Frei-
                                                                       treppenanlage vor dem Ernst-Ludwig-Haus
                                                                       nach Süden vorsah (siehe Kapitel Wieder-
                                                                       herstellung von Gärten S. 33).
                                                                       Der Brunnen kann an einen anderen Ort
                                                                       innerhalb Darmstadts versetzt werden, da
                                                                       er nicht für den heutigen Standort entwor-
                                                                       fen wurde.

                                                                       Haus Habich (Nr. 10, s. S. 36)

                        Das Haus Christiansen, Alexandraweg 24,
                        wurde im Zweiten Weltkrieg ausgebombt,
                        ein Wiederaufbau unterblieb. Stattdessen
                        wurde die Ruine 1958 abgeräumt und der
                        runde Brunnen des Berliner Bildhauers
                        Karl Hartung an ihrer Stelle aufgestellt.
                        Dieser Brunnen war 1958 für die Welt-
                        ausstellung in Brüssel im Quellenraum
                        (Architekten Otto Bartning und Otto Dörz-
                        bach) im Rahmen des deutschen Beitrags
                        geschaffen worden und sollte die deutsche
                        Bäderlandschaft symbolisieren.                 Das private Haus Habich von 1901, Alex-
                        Durch die Wegnahme des Hauses Chris-           andraweg 27, wurde im Zweiten Weltkrieg
                        tiansen ist der auf eine Symmetrieachse        stark beschädigt. Erhalten sind die Außen-
                        angelegte städtebauliche Gesamtplan der        mauern des Erdgeschosses und teilweise
                        ersten Ausstellung der Künstlerkolonie von     des Obergeschosses. Der Wiederaufbau
                        1901 gestört, „...das Gleichgewicht in der     des Daches erfolgte in der zeittypischen
                        aufsteigenden Linie zum Ernst-Ludwig-          schlichten Bauweise der 50er Jahre. Die
                        Haus verändert“ 4. Deshalb wird vorge-         ursprüngliche Qualität des Gebäudeent-
                        schlagen, entsprechend dem Olbrichschen        wurfs von Olbrich ging damit weitgehend
                        „Gartenplan“ von 1900 als Pendant zum          verloren.
                        Haus Olbrich an der alten Stelle wieder        Da das Gebäude zum Teil noch substan-
                        ein Gebäude zu errichten, das die Idee         ziell erhalten ist, wird mit Blick in eine
                        Olbrichs mit der engen Beziehung von           weitere Zukunft eine Wiederherstellung
                        Künstlerhäusern und Ateliergebäude in          der ursprünglichen Gebäudeform vorge-
4
 Hans Christoph         einer städtebaulichen Komposition wieder       schlagen. Auch eine Wiederherstellung des
Hoffmann, Joseph        erfahrbar macht. Das Gebäude müsste in         Gebäudeinneren wäre zumindest teilweise
M. Olbrich und die      seiner Kubatur und seinen wesentlichen         möglich. Es gibt ausreichend Material (Ori-
Darmstädter Künstler-   Architekturmerkmalen (Lochfassade,             ginalsubstanz, Fotos, Zeichnungen), um
kolonie, Darmstadt      Putzbau, geneigtes Dach) weitgehend dem        den Wiederaufbau glaubwürdig und weitge-
1967, S. 20             ursprünglichen Haus Christiansen entspre-      hend authentisch möglich zu machen.

    30
w e it e re E n tw icklu n g

Haus Olbrich (Nr. 11, s. S. 36)

                                                                                           Haus Olbrich in
                                                                                           seinem originalen
                                                                                           Zustand

Das im städtischen Eigentum befindliche      Da das Gebäude zum Teil noch substanziell
Haus Olbrich von 1901, Alexandraweg 28,      erhalten ist, wird eine Wiederherstellung
wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschä-     der ursprünglichen Gebäudeform vorge-
digt. Erhalten sind die Außenmauern des      schlagen. Es gibt ausreichend Material
Erdgeschosses. Der Wiederaufbau erfolgte     (Originalsubstanz, Fotos, original erhalte-
in zeittypischer schlichter Weise der 50er   ne Bau- und Detailzeichnungen), um den
Jahre. Die ursprüngliche Qualität des        Wiederaufbau des Äußeren glaubwürdig
Gebäudeentwurfs von Olbrich ging damit       und weitgehend authentisch möglich zu
weitgehend verloren.                         machen.

                                                                                           Haus Olbrich nach
                                                                                           der Kriegszerstö-
                                                                                           rung, 1946

Ansicht – Ost (ganz oben)
Grundriss – Erdgeschoss (oben)                                                             Garten und Ein-
historische Pläne                                                                          gang, 1902/03

                                                                                                         31
we i t e re Entwic k l ung

                 Haus Keller (Nr. 12, s. S. 36)                Ausstellungsgebäude (Nr. 14, s. S. 36)

                 Das private Haus Keller von 1901, Alexan-
                 draweg 31, war wie die Häuser Olbrich und     Das Zeltdach über der Eingangshalle zum
                 Habich stark beschädigt und wurde verein-     Ausstellungsgebäude war ursprünglich
                 facht wieder aufgebaut.                       mit glasierten gelben Ziegeln eingedeckt,
                 Da das Gebäude zum Teil noch substanziell     die mit den vergoldeten Dächern der
                 erhalten ist, wäre eine Wiederherstellung     Russischen Kapelle korrespondierten (es
                 der ursprünglichen Gebäudeform möglich.       existiert noch ein Musterziegel). Die Wie-
                 Es gibt ausreichend Material (Original-       derherstellung des ursprünglichen Zustan-
                 substanz, Fotos, Zeichnungen), um den         des wäre möglich und wünschenswert, um
                 Wiederaufbau glaubwürdig und weitgehend       den Entwurfsgedanken Olbrichs deutlich
                 authentisch möglich zu machen.                zu machen. Gleiches gilt längerfristig für
                                                               die Ziegeleindeckung der Ausstellungshal-
                 Dreihäusergruppe (Nr. 13, s. S. 36)           len. Diese waren 1908 mit holländischen
                                                               geschmorten Pfannen gedeckt worden, die
                                                               ein Farbenspiel von hellgrau über rötliches
                                                               Beige bis zu blassen Rottönen aufwiesen
                                                               und zusammen mit dem warmen Grau des
                                                               Putzes einen einheitlichen Gesamtkörper
                                                               bildeten (siehe Aquarellpostkarten von
                                                               Olbrich 1908). Beim Wiederaufbau in den
                                                               50er Jahren sowie bei den Umbauarbeiten
                                                               in den 70er Jahren waren solche Ziegel
                                                               nicht erhältlich. Bei einer zukünftigen Neu-
                                                               eindeckung ist die historische Pfannende-
                                                               ckung anzustreben.

                 Die im Privateigentum befindliche Dreihäu-
                 sergruppe, Prinz -Christians-Weg 2 und 4,
                 Stiftstraße 12, entworfen von Joseph- Maria
                 Olbrich 1904, wurde im Zweiten Weltkrieg
                 stark beschädigt und nicht wieder aufge-
                 baut. Das Eckgebäude und das Gebäude
                 Stiftstraße 12 weisen im Erdgeschoss noch
                 Originalsubstanz auf, so auch große Flä-
                 chen mit glasierten blauen Klinkern.
                 Die Gebäude sind zwar zum Teil noch sub-
                 stanziell erhalten, dennoch erscheint eine
                 Wiederherstellung der ursprünglichen Ge-
                 bäudeform auf Grund der Verschachtelung
                 der Gebäude ineinander kaum möglich,
                 obwohl es ausreichend Material (Original-
                 substanz, Fotos, Zeichnungen) gibt.

32
w e it e re E n tw icklu n g

                                                                                           Der Garten des
                                                                                           Oberhessischen
                                                                                           Hauses,
                                                                                           Olbrichweg 15,
                                                                                           Nov.2002

Wiederherstellung von Gärten

Anders als Gebäude sind Gärten durch         Rankgitter im Platanenhain (1914), Teile
Pflanzenwachstum weit stärker Verände-       der Betonpergolen auf der Nordseite der
rungen unterworfen. Ohne kontinuierliche     Ausstellungshallen (1908), die Wiederher-
Pflege verlieren sie ihre ursprüngliche      stellung der Treppe vom Schwanentempel
Gestalt und ihre beabsichtigte räumliche     zum Alexandraweg (1914), Restaurierung
Wirkung. Häufig bleiben architektonische     der schmiedeeisernen Bögen (1914) und
Gartenelemente wie Einfriedigungen, Stütz-   ihr Versetzen einschließlich der dazu gehö-
mauern oder Treppen erhalten, verlieren      renden Kunststeinbänke an ihren ursprüng-
jedoch ihre Wirkung durch ungezügeltes       lichen Ort sowie die Instandsetzung der
Pflanzenwachstum und Überwucherung.          Betonpergola von Albin Müller am Alexand-
Ziel der Künstler der Erneuerungsbewe-       raweg (1914). Außerdem fanden die beiden
gung zu Anfang des 20. Jahrhunderts war      Olbrichbrunnen von der Gartenausstellung
es, Haus, Innendekoration und Garten als     im Orangeriegarten 1905 auf einer neuen
Einheit, als „Gesamtkunstwerk“ zu gestal-    Platzanlage mit Bezug zur Mathildenhöhe
ten. Deshalb ist es für das Gesamtbild der   an der Kreuzung Stiftstraße/Nikolaiweg,
Künstlerkolonie von entscheidender Be-       dem Paula-Ludwig-Platz, einen Aufstel-
deutung, das Zusammenspiel der Häuser        lungsort.
mit ihren Gärten und ihrer spezifischen      Folgende Gartenanlagen bedürfen im Rah-
Pflanzenwahl wieder sichtbar zu machen,      men der Konzeption einer Bearbeitung:
und sie durch dauernde intensive Pflege
auf der Basis eines Gartenpflegewerks so     ehem. Rosengarten zwischen
auch künftig zu erhalten. Das 100jährige     Alexandraweg 25 und 27 (Nr. 15, s. S. 36)
Jubiläum der Künstlerkolonie gab im Jahr
1999 den Anlass, wesentliche Teile der ur-   Im Zuge der weiteren Entwicklung der
sprünglichen Gartengestaltung, der öffent-   Mathildenhöhe ist es ein wichtiges Ziel,
lichen Parkbereiche in ihrer historischen    die terrassierte Gartenanlage, die Olbrich
Form wieder herzustellen. Dazu gehörten      1906 für den Möbelfabrikanten Julius
die runde Umfassung des Albin-Müller-        Glückert anlegen ließ, wieder herzustellen.
Beckens (1914), die mit Efeu bewachsenen     Es existiert der Gartenplan und wesentliche

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we i t e re Entwic k l ung

                 bauliche Gartenelemente, wie die Einfrie-     Reparatur wäre weitgehend problemlos zu
                 dungen, Stützmauern, Treppen und sogar        realisieren.
                 das runde Wasserbecken sind noch vorhan-
                 den, jedoch von Pflanzenbewuchs verdeckt.     Garten Großes Haus Glückert
                 Mit der Rückführung des Rosengartens in       Alexandraweg 23 (Nr. 17, s. S. 36)
                 seine ursprüngliche Gestalt würde die
                 einstige Freiraumgestaltung, die die Gärten   Der heutige Zustand des städtischen
                 um das „Forum“ vor dem Ernst-Ludwig-          Gartens (1439 qm) ist ungepflegt, nicht
                 Haus zu einer nach geometrischen Regeln       stilgerecht und der Architektur nicht ange-
                 gestalteten grünen Mitte machte, wie-         messen. Der Fabrikant Glückert nutzte das
                 der sichtbar und damit ein wesentliches       Haus als Schauraum für seine Möbelpro-
                 Element der städtebaulichen Idee Joseph       duktion. Zur Ausstellung 1901 befand sich
                 Maria Olbrichs deutlich erkennbar. Die in     im südlichen Gartenteil eines der beiden
                 Privateigentum befindliche Gartenfläche       großen kreisförmigen, beheizten Wasser-
                 müsste entweder von der Stadt erworben        becken mit exotischen Pflanzen, anschlie-
                 werden (Gesamtgrundstücksgröße Kleines        ßend eine Rasenpartie. Da keine Planung
                 Glückert-Haus 1773 qm), oder der Garten       für eine historischen Hausgarten existiert,
                 bleibt privat und wird mit Unterstützung      beauftragte die Stadt 1968 das mit der Re-
                 der Stadt so umgestaltet, dass die            staurierung der Hauses befasste Architek-
                 ursprüngliche Achse südlich vom Ernst-        turbüro Prof. Dr. Rolf Romero und Lothar
                 Ludwig-Haus optisch erkennbar wird.           Willius gemäß der Charta von Athen eine
                                                               der Zeit entsprechende „modernen Gar-
                 Garten Oberhessisches Haus                    tenplanung“ zu erstellen. Die Planung ist
                 Olbrichweg 15 (Nr. 16, s. S. 36)              archiviert. Wesentliche Gestaltungselemen-
                                                               te prägen noch heute das Bild des Gartens.
                 Der Architektengarten des städtischen         Allerdings müsste die Pflanzenauswahl
                 Oberhessischen Hauses mit einer Grund-        fast vollständig erneuert und der zu hohe
                 stücksgröße von 1761 qm ist mit einigen       und dichte Bewuchs reduziert werden. Auf
                 wesentlichen Elementen noch vergleichs-       diese Weise könnte ein Gartenstil der 60er
                 weise gut erhalten. Seine Gestaltung ver-     Jahre im Vergleich zu den Reformgärten
                 dankt er zwei Architekten. Für die Hessi-     um 1900 gezeigt und mit Schautafel erläu-
                 sche Landesausstellung entwarf Olbrich        tert werden.
                 das von klassizistischer Strenge geprägte
                 Haus mit einer nach rechtwinkligem Prinzip    Garten Haus Olbrich
                 angelegten, an Renaissancegärten erin-        Alexandraweg 28 (Nr. 18, s. S. 36)
                 nernde Gartenanlage, die hauptsächlich
                 auf der Nord-West- und Ostseite unmit-        Das Wohnhaus von Olbrich hatte mit 647
                 telbar am Haus lag. Um die hier vorge-        qm den kleinsten Garten. Das Hanggelände
                 sehenen unterschiedlichen Teppichbeete        terrassierte Olbrich und verwandelte es in
                 mit einem Ornament aus Blumenfeldern          einen „strenglinigen“ gegliederten „Ju-
                 vollständig wieder anzulegen, müsste lang-    gendstilgarten“, von dem die wichtigsten
                 fristig die störende Doppelgarage aus der     baulichen Elemente noch erhalten sind.
                 Zeit des Wiederaufbaus entfernt werden.       Mit vielen Zeichnungen, Detailplänen und
                 Nach dem Ende der Ausstellung 1908 er-        historischen Fotos sowie Presseberichten
                 warb ein Privatmann das Anwesen und ließ      ist der Garten gut dokumentiert. Eine Wie-
                 von Jakob Krug, einem Schüler Olbrichs,       derherstellung wäre besonders wichtig und
                 Olbrich war im August 1908 gestorben, die     lohnend. Zum heutigen Zeitpunkt könnte
                 südlich des Hauses gelegene Gartenpartie      sie allerdings nur teilweise erfolgen, da der
                 neu anlegen. Während der Ausstellung lag      unmittelbare Bezug der unterschiedlichen
                 hier ein vom Architekten Fuchs gezeigter      Gartenräume wie Vorgarten oder Küchen-
                 temporärer „Mustergarten“. Die von Krug       garten etc. zum Haus mit seinem ur-
                 für den Südgarten konzipierten Elemente       sprünglich auf der Westseite gelegenen
                 wie die Einfriedungen, Terrassen Stütz-       Haupteingang fehlt. Erst nach einer Wieder-
                 mauern und Balustraden, Brunnenanla-          herstellung des Hauses könnte im An-
                 gen und sogar das große Gartenhaus sind       schluss daran der Garten vervollständigt
                 erhalten und eine Wiederherstellung und       werden.

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