Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 1 - Die junge Stadt
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Österreichischer Städtetag 2006 Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt Diskussionspapier für den Arbeitskreis 1 Verfasst von Mag. (FH) Karoline Mitterer Dr. Klaus Wirth KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung 1110 Wien, Guglgasse 13 Tel.: +43 1 8923492, Fax: +43 1 8923492-20 E-Mail: institut@kdz.or.at, Internet: www.kdz.or.at Wien, am 23. Mai 2006
Inhaltsverzeichnis 23.05.06 Inhaltsverzeichnis Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt ..............................................................................................................3 1 Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung ..................................................5 2 Zukünftige Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen ..................................................... 11 3 Konsequenzen für die Städte und Gemeinden? ............................................................... 16 4 Familien- und Jugendpolitik – eine nationale Aufgabe mit internationalen Vorbildern? ... 19 5 Zentrale Aktionsfelder kommunaler Kinder-, Jugend- und Familienpolitik........................ 23 6 Ausblick – Perspektiven..................................................................................................... 44 7 Quellen............................................................................................................................... 48 8 Anlagen .............................................................................................................................. 49 2
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt Wie wird unsere Stadt in 20 Jahren aussehen? Wie viele Menschen werden hier wohnen? Wie viele Krippen, Kindergärten oder Schulen werden wir benötigen? Wie wird das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Zugewanderten funktionieren? Wie wird sich ein höherer Anteil älterer Menschen auf die Kommunen auswirken? Das sind wichtige und mehr als berechtigte Fragen. Denn Tatsache ist, dass sich die Städte in den kommenden Jahrzehnten aufgrund der bereits heute absehbaren Bevölkerungsentwicklung teilweise erheblich verändern werden: Neben Wachstumsregionen wird es stagnierende Gebiete, aber auch Schrumpfungsregionen geben. In Österreich wird eine wachsende Zahl an Menschen mit Migrationshintergrund wohnen. Die Bewältigung dieser Veränderungen wird zu einer der großen Herausforderungen für die Städte in den kommenden Jahren werden. Die Art und Weise wiederum, wie die Städte gestaltend auf diese Entwicklungen einwirken, wird über ihre Zukunftsfähigkeit und die Lebensqualität ihrer BürgerInnen entscheiden. Dieser Bericht soll die Verantwortlichen in den Städten dabei unterstützen, sich langfristig auf neue Trends einzustellen und frühzeitig Maßnahmen der Gegensteuerung zu setzen. Dazu werden die we- sentlichen Eckpunkte der erwarteten Bevölkerungsentwicklung aufgezeigt1. Ferner will der Be- richt Anregungen für eine qualifizierte Diskussion über mögliche Strategien geben, eine Diskussi- on, die mit dieser Unterlage für den Städtetag 2006 keinesfalls abgeschlossen ist, sondern eher erst am Beginn steht. Die absehbare Bevölkerungsentwicklung hat in letzter Zeit große Aufmerksamkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erlangt, nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die aktuellen Prognosen gravierende Veränderungen für die nächsten 3 Jahrzehnte erwarten lassen. Ingesamt nimmt Österreichs Bevölkerung zu. Wie aber noch im Detail zu zeigen sein wird, ist einerseits durch den erfolgten Geburtenrückgang eine Abnahme des Anteils von jungen Menschen an der Gesamtbe- völkerung Österreichs, andererseits eine starke Zunahme von älteren Personen an der Gesamt- bevölkerung erkennbar. Weiters wird immer deutlicher, dass Zuwanderung aus dem Ausland ein wesentlicher Faktor der demographischen Entwicklung Österreichs ist. Für die weitere Diskussion ist von besonderer Bedeutung, dass die Bevölkerungsentwicklung regional sehr unterschiedlich verlaufen wird. Tendenziell wachsen städtische Agglomerationen, während periphere Gebiete einwohnermäßig stagnieren oder rückläufig sind. Daraus ergeben sich drei Schwerpunkte, welche sich in den Arbeitskreisen des Städtetages 2006 widerspiegeln: Stagnierende Geburtenzahlen und ein weiter sinkender Anteil von Personen unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen im Bereich der Kinder- und Tagesbetreuung stellen eine Herausforderung für die Städte und Gemeinden dar. Die Diskussion dieses Teils des demographischen Wandels ist Gegenstand des Arbeitskreises 1 „Die junge Stadt“. Zuwanderung aus dem Ausland ist für Österreich eine Tatsache. Um die Chancen der Migration aber auch nutzen zu können, sind gezielte Maßnahmen der Integration dieser Zuwanderer notwendig. Dies ist Gegenstand der Diskussionen des Arbeitskreises 2 „Die bunte Stadt“. Arbeitskreis 3 „Die älter werdende Stadt“ konzentriert sich dann noch auf eine weitere Teilentwicklung des demographischen Wandels, nämlich die stark wachsende Zahl an älteren und alten Menschen und die daraus ableitbaren Konsequenzen für das Betreuungs- und Pflegesystem der Städte und Gemeinden. 1 Alle nachfolgenden statistischen Aussagen beziehen sich auf aktuelle Prognosen der Statistik Austria bzw. des BMSGK sowie der ÖROK. Für eine ausführliche Darstellung der demographischen Entwicklungen in Österreich vgl. das Basismodul. 3
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Im vorliegenden Arbeitspapier zum Arbeitskreis 1 „Die junge Stadt“ werden zunächst wesent- liche demographische Entwicklungen, aber auch ausgewählte Teilentwicklungen in der Gruppe der unter 20-Jährigen beschrieben. Darauf aufbauend werden die Konsequenzen und Herausfor- derungen dieser Entwicklung für die Städte diskutiert. Im folgenden Kapitel entwickeln wir Grund- sätze und mögliche Handlungsfelder einer „kommunalen Jugend- und Familienpolitik“. Im An- schluss daran stellen wir die wichtigsten Ergebnisse der Befragung im Vorfeld des Städtetages sowie ausgewählte Daten der Finanzgebarung vor. Der Bericht schließt mit generellen Folgerun- gen und ersten Vorschlägen für die Fortführung der Diskussion in den Städten ab. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen ExpertInnen in den Städten bedanken, die uns bei der Erstellung dieses Diskussionspapiers durch Anregungen und Feedback unterstützt haben. Grundsätzliche Bemerkung: Zu allen Prognosen ist grundsätzlich anzumerken, dass sie in der Regel auf der Grundlage heuti- gen Wissens und aus zurückliegenden Entwicklungen auf die Zukunft schließen und zukünftige Ereignisse, die möglicherweise einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf von Entwicklungen haben, nur teilweise berücksichtigen können. So sind zukünftige größere internationale Ereignis- se oder neue gesellschaftspolitisch relevante Haltungen nur schwer vorherzusehen. Das gleiche trifft aber auch auf mögliche „Gegensteuerungsmaßnahmen“ zu, nämlich ob und welche ergriffen werden bzw. überhaupt möglich sind, und welche Auswirkungen sie haben. Insofern beschreiben Prognosen eine mögliche, nicht aber zwingend die tatsächliche Zukunft. Weitere Unterlagen: Neben den Diskussionspapieren für jeden Arbeitskreis stellt der Österreichische Städtebund seinen Mitgliedern noch weitere – vom KDZ erarbeitete – Informationen zum demographischen Wandel zur Verfügung: • Mit dem umfangreichen Bericht „Demographischer Wandel in Österreich – ein Überblick“ wird eine gesamthafte und ausführliche Darstellung wichtiger demographischer Entwicklungen vorgelegt, die sowohl die Themenbereiche der Arbeitskreise 1-3 umfasst, aber gleichzeitig auch über die in den Arbeitskreispapieren dargestellten Daten hinausgeht. So werden in die- sem Bericht einerseits zusätzliche Daten und andererseits vertiefende Informationen zum de- mographischen Wandel zur Verfügung gestellt. • Ein besonderer Service für die Gemeinden stellen dann noch die so genannten „Bezirks- prognosen“ dar. Zusammengefasst nach Bundesländern werden jeweils ausgesuchte zentra- le Prognosedaten konzentriert für jeden Bezirk auf einer Seite dargestellt. Diese Informationen sollen der gezielten Unterstützung der Gemeinden bei der Entwicklung zukünftiger Kommu- nalstrategien dienen. 4
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 1 Bevölkerungsentwicklung in Österreich – Kurzdarstellung Die Bevölkerungsentwicklung ist das Ergebnis des Zusammenwirkens mehrerer demogra- phischer Komponenten: Einerseits gibt es die natürliche Bevölkerungsentwicklung als Bilanz aus Geburten und Sterbefällen und andererseits räumliche Bevölkerungsbewegungen sowohl als Binnenwanderung innerhalb Österreichs als auch als Außenwanderung (Zu-/Abwanderung). Diese beiden Faktoren bestimmen Umfang, Richtung und Tempo der Bevölkerungsentwicklung insgesamt und beeinflussen im Ergebnis nicht nur die absolute Zahl der Bewohner in Österreich, sondern auch die strukturelle Zusammensetzung der Bevölkerung nach Altersgruppen sowie sonstigen strukturellen Merkmalen, wie z.B. Geschlecht oder Herkunftsländern. Verschiedene Prognoseszenarien bilden die Basis Eine Möglichkeit zur Darstellung zukünftiger demographischer Entwicklungen sind Bevölkerungs- prognosen, wie sie von der Statistik Austria und der ÖROK regelmäßig erstellt und veröffentlicht werden. Sie basieren auf standardisierten Modellrechnungen und verschiedenen (laufend aktua- lisierten) Annahmen bezüglich der Lebenserwartung und Sterberaten (Mortalität), der Zahl der Geburten in einem Land (Fertilität), sowie der Binnen- und Außenwanderung (Zu-/Abwanderung vom/ins Ausland) (Migration). Durch eine Variation dieser Annahmen werden in der Regel drei verschiedene Szenarien ermittelt. Die mittlere Variante – auch als Hauptvariante bezeichnet – beschreibt die aus Sicht der StatistikexpertInnen wahrscheinlichste Entwicklung. Sie bildet die Grundlage der nachfolgenden Darstellungen. Die in der Regel kleinste Raumeinheit, für die Prognosen erstellt werden, sind die politischen Bezirke.2 Moderates Bevölkerungswachstum Für die nächsten Jahrzehnte wird für Österreich insgesamt ein moderates Bevölkerungs- wachstum – keinesfalls ein Rückgang wie etwa in Deutschland3 – prognostiziert. So erwartet die Statistik Austria, dass die Bevölkerung in Österreich bis 2050 weiterhin kontinuierlich bis auf nahezu 9 Mio. EinwohnerInnen anwachsen wird (siehe Tabelle). Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen in Österreich < 20 20-64 65-84 insges. 85+ Jahre Jahr Jahre Jahre Jahre Bevölkerungsentwicklung nach breiten Altersgruppen Bevölkerung absolut 10 2005 8.225.609 1.806.404 5.084.691 1.200.859 133.655 9 2010 8.397.256 1.759.577 5.176.771 1.279.173 181.735 8 2015 8.536.606 1.701.464 5.269.048 1.360.612 205.482 2020 8.650.995 1.689.926 5.289.465 1.460.169 211.435 Einwohner in Mio. 7 8.751.421 1.698.620 5.209.714 1.593.476 249.611 2025 6 2030 8.838.399 1.705.408 5.066.467 1.768.956 297.568 5 2035 8.903.772 1.702.086 4.941.629 1.928.596 331.461 2040 8.949.528 1.688.061 4.901.300 1.995.254 364.913 4 2045 8.978.477 1.674.283 4.897.105 1.972.199 434.890 3 8.986.033 1.665.932 4.862.141 1.933.536 524.424 2050 2 in Prozent 1 2005 100,00% 21,96% 61,82% 14,60% 1,62% 2010 100,00% 20,95% 61,65% 15,23% 2,16% 0 2015 100,00% 19,93% 61,72% 15,94% 2,41% 2001 2006 2011 2016 2021 2026 2031 2036 2041 2046 2020 100,00% 19,53% 61,14% 16,88% 2,44% < 20 Jahre 20-64 Jahre 65-84 Jahre 85+ Jahre 2025 100,00% 19,41% 59,53% 18,21% 2,85% 2030 100,00% 19,30% 57,32% 20,01% 3,37% Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 2 Die Darstellung der Prognosen auf Bezirksebene erfolgt ausschließlich in der ÖROK-Prognose. Im Anschluss an das Basismodul finden Sie die aufgearbeiteten Prognosewerte für die einzelnen Bezirke. Auch sind im Basismodul die drei Vari- anten der Bevölkerungsprognose der Statistik Austria näher beschrieben. 3 Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes in Deutschland. 5
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Starke Veränderungen in der Altersstruktur Die altersstrukturelle Zusammensetzung der in Österreich lebenden Bevölkerung wird sich deut- lich verändern. Der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung sinkt seit 1971 konti- nuierlich und wird sich längerfristig auf einem niedrigen Niveau stabilisieren. Lebten im Jahr 2001 in Österreich rund 1,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren (21,9% der Gesamtbevölke- rung), wird ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2031 auf dann ca. 19,3% absinken. Gleichzeitig steigt der Anteil vor allem der älteren und speziell der ältesten EinwohnerInnen (über 85 Jahre) weiter an. Das statistische Durchschnittsalter der Bevölkerung wird – ausgehend von ca. 40 Jahren im Jahr 2005 – auf rund 45 Jahre im Jahr 2030 steigen. Regional unterschiedliche Entwicklungen – es entstehen Wachstums- und Schrumpfungs- regionen Ein wesentliches Merkmal der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung in Österreich ist – neben den grundsätzlichen altersstrukturellen Verschiebungen – darin zu sehen, dass die Bevölke- rungsentwicklung innerhalb Österreichs regional sehr unterschiedlich und in ihrer Richtung zum Teil völlig gegensätzlich verlaufen dürfte. Regionen mit einem merklichen Bevölkerungswachstum stehen Regionen mit starken Schrumpfungsprozessen gegenüber. Bereits in der Vergangenheit waren entsprechende Entwicklungen erkennbar – der Trend wird daher fortgesetzt. 4 Abbildung 2: Regionale Bevölkerungsentwicklung 2001 – 2031 nach Prognoseregionen Erläuterung: durchgehende Linie = Regionen mit starker Bevölkerungsabnahme gepunktete Line = Regionen mit starker Bevölkerungszunahme Ausgehend vom Wachstumspol im Großraum Wien wächst die Bevölkerung in fast allen Regio- nen nördlich der Alpen und entlang der Hauptverkehrsachsen der Westbahn/Westautobahn bis ins Rheintal (gepunktete Linie der Abbildung 2). Im nördlichen Waldviertel und in den südlichen – vor allem inneralpinen – Regionen ist – mit Ausnahme der größeren Städte – mit einem teilweise sehr erheblichen (bis zu 20-prozentigen) Bevölkerungsrückgang zu rechnen (durchgehende Linie der Abbildung 2). 4 Anmerkung: Die Tabelle in Farben finden Sie im Anhang. 6
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Städte und Zentralräume wachsen, ländliche Regionen stagnieren oder schrumpfen Unterscheidet man ferner nach ländlichen und städtischen Bezirken5 werden weitere Entwicklun- gen sichtbar: Neben den wachsenden Städten wird vor allem in peripheren Gebieten die Bevölke- rungszahl sinken. • So zeigen die Prognosen, dass die Zahl der unter 15-Jährigen in den ländlichen Bezirken um rund 12 Prozent (2001 bis 2031) abnehmen, während sie gleichzeitig in städtischen Bezirken um 11 Prozent (2001 bis 2031) wachsen wird. • Beinahe ident wie die Entwicklung der unter 15-Jährigen ist diese der 15-19-Jährigen. • Auch der Bevölkerungsteil der 20-64-Jährigen geht in den ländlichen Bezirken leicht zurück, während die städtischen Bezirke bei den Personen im erwerbsfähigen Alter leichte Zuwächse verzeichnen werden. • Entwickeln sich die 65-84-Jährigen in den hier unterschiedenen Raumkategorien noch annä- hernd gleich, kommt es wiederum bei den über 85-Jährigen zu einer überdurchschnittlichen Zunahme in den ländlichen Bezirken. Tabelle 1: Entwicklung nach Altersgruppen – Stadt/Land Absolutwerte Indexwerte (2001=100) 2001 2006 2011 2016 2021 2026 2031 2006 2011 2016 2021 2026 2031 Enwicklung der unter 15-Jährigen ländliche Bezirke 793.799 737.572 676.329 652.688 646.480 643.893 629.523 93 85 82 81 81 79 städtische Bezirke 569.195 577.122 580.989 599.193 615.775 629.226 636.401 101 102 105 108 111 112 Entwicklung der 15-19-Jährigen ländliche Bezirke 282.437 280.950 278.440 244.009 229.090 223.250 223.402 99 99 86 81 79 79 städtische Bezirke 201.187 214.369 221.540 209.935 212.352 215.380 220.980 107 110 104 106 107 110 Entwicklung der 20-64-Jährigen ländliche Bezirke 2.624.987 2.649.807 2.696.947 2.709.790 2.678.597 2.596.732 2.487.841 101 103 103 102 99 95 städtische Bezirke 2.337.959 2.438.179 2.514.892 2.571.506 2.599.527 2.588.256 2.550.114 104 108 110 111 111 109 Entwicklung der 65-84-Jährigen ländliche Bezirke 606.394 681.136 692.071 736.267 796.865 873.981 993.870 112 114 121 131 144 164 städtische Bezirke 496.717 550.798 588.454 640.565 692.722 742.835 817.937 111 118 129 139 150 165 Entwicklung der über 85-Jährigen ländliche Bezirke 68.994 72.538 98.857 114.392 119.697 148.904 157.891 105 143 166 173 216 229 städtische Bezirke 72.015 71.313 89.643 94.132 91.851 119.467 139.739 99 124 131 128 166 194 Gesamtentwicklung ländliche Bezirke 4.356.159 4.402.693 4.424.403 4.439.033 4.452.212 4.467.835 4.480.994 101 102 102 102 103 103 städtische Bezirke 3.686.887 3.860.286 4.002.915 4.122.318 4.219.349 4.302.417 4.372.447 105 109 112 114 117 119 Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 Ein Erklärungsansatz für diese Unterschiede ist, dass gerade die Jugend und die erwerbsfähige Bevölkerung tendenziell in die Städte zieht, während viele ältere Menschen in den ländlichen Gebieten verbleiben. 5 Als städtische Bezirke wurden hier herangezogen: Landeshauptstädte und Umlandbezirke sowie Bezirke mit einer Bezirks- hauptstadt über 30.000 EW: Bregenz, Dornbirn, Eisenstadt (Stadt u. Umg.), Graz (Stadt) , Graz-Umgebung, Innsbruck- Land, Innsbruck-Stadt, Klagenfurt (Stadt) , Klagenfurt Land, Linz(Stadt) , Linz-Land, Salzburg (Stadt), Salzburg-Umgebung, Sankt Pölten (Land), Sankt Pölten (Stadt), Steyr(Stadt), Urfahr-Umgebung, Villach (Stadt), Wels(Stadt), Wien, Wien Umge- bung, Wiener Neustadt (Stadt) 7
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Kontinuierlicher Geburtenrückgang und Stabilisierung auf niedrigem Niveau Seit vielen Jahren sinkt die Geburtenrate in Österreich. Bekam im Jahr 1964 noch jede Frau in Österreich durchschnittlich 2,8 Kinder, liegt der Wert österreichweit gegenwärtig bei rund 1,4 Kindern je Frau. Die Geburtenrate wird jedoch längerfristig wieder leicht steigen6. Eine wesentli- che Annahme der Bevölkerungsprognosen ist, dass sich die jährliche Zahl der Geburten zwi- schen 75.000 und 80.000 stabilisiert und die Anzahl der Kinder und Jugendlichen – ausgehend vom Stand 2005 – bis zum Jahr 2030 nur mehr leicht zurückgehen wird. Abbildung 3: Geburten- und Sterbefälle 1951-2031 Lebendgeborene und Gestorbene 1961-2004 Lebend- Ge- Geburtenüber- 140.000 Jahr schuss, - geborene storbene abgang (-) 1950 107.854 85.710 22.144 130.000 Geburten/Sterbefälle absolut 1955 108.575 84.995 23.580 Lebendgeborene 1960 125.945 89.603 36.342 120.000 1965 129.924 94.273 35.651 1970 112.301 98.819 13.482 110.000 1975 93.757 96.041 -2.284 1980 90.872 92.442 -1.570 1985 87.440 89.578 -2.138 100.000 1990 90.454 82.952 7.502 1995 88.669 81.171 7.498 90.000 2000 78.268 76.780 1.488 2005 76.820 74.958 1.862 Gestorbene 2010 76.864 76.015 849 80.000 2015 79.119 77.772 1.347 2020 80.141 78.929 1.212 70.000 2025 79.480 80.534 -1.054 2030 78.614 83.541 -4.927 1961 1964 1967 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003 2040 76.720 89.033 -12.313 2050 77.139 96.653 -19.514 Quelle: ÖROK/Statistik Austria – Bevölkerungsprognose 2006 Als Gründe für den zurückliegenden starken Geburtenrückgang und die insgesamt sehr niedrige Fertilitätsrate werden in der Fachdiskussion häufig die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen, eine schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf, veränderte Lebensinhalte und die bessere Geburtenkontrolle genannt. 7 Starke Zunahme der über 60-Jährigen Die Zahl der über 60-Jährigen steigt im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Im Jahr 2005 waren rund 1,8 Mio. Personen über 60 Jahre alt, im Jahr 2030 werden es 2,7 Mio. sein. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag im Jahr 2004 bei 76,4 Jahren bei den Männern und 82,1 Jahren bei den Frauen. Im Jahr 2030 hingegen wird sich die Lebenserwartung bei den Männern auf 81,3 und bei den Frauen auf 86,4 Jahre erhöhen. Langfristig werden sich – so die Erwartungen der Statistik Austria – die geschlechtsspezifischen und die regionalen Unterschiede bei der Lebenserwartung verringern. 6 Als Grund für das leichte Ansteigen der Fertilität werden von der Statistik Austria die Migrantinnen genannt, welche die geringe Kinderzahl österreichischer Frauen kompensieren. 7 vgl. dazu Bayerischer Städtetag (2005); BMSGK (2001); BMSGK (2004); Textor (2000); Schipfer (2005). 8
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Abbildung 4: Lebenserwartung 2004 – 2040 Lebenserwartung bei der Geburt 90,0 Frauen Lebenserwartung Jahr bei der Geburt 85,0 Lebensjahre Männer Frauen 80,0 2005 76,7 82,5 Männer 2010 77,7 83,3 75,0 2015 78,6 84,2 2020 79,6 84,9 70,0 2025 80,4 85,7 2030 81,3 86,4 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2040 82,8 87,7 2050 84,3 89,0 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.01) Gründe für das Ansteigen der durchschnittlichen Lebenserwartung für Menschen in Österreich liegen vor allem in der besseren medizinischen Versorgung und in einem „gesünderen“, zumin- dest weniger belastendem Leben. Zuwanderungsgewinne kompensieren den Geburtenrückgang Ein ganz wesentliches Element der zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung in Österreich sind Wanderungsbewegungen, wobei hier vor allem Zuwanderungen aus dem Aus- land entscheidend werden. So wird der in der Vergangenheit beobachtbare Zuwanderungsge- winn (Saldo aus Zu- und Wegzügen; Wert 2004 = 50.600 Personen) aus dem Ausland auch für die zukünftige Bevölkerungsentwicklung in Österreich maßgeblich sein. Abbildung 5: Geburten- und Wanderungsbilanzen nach Bundesländern – 2007-2011 Bevölkerungsentwicklung 2007-2011 4 3 Ausgangsbevölkerung 2 in Prozent der Bevölkerungsveränderung 1 absolut 0 Bevöl- Wan- Geburten- kerungs- derungs- -1 bilanz bilanz bilanz -2 2002-2006 216.148 10.161 191.674 2007-2011 160.784 5.395 155.389 -3 2012-2016 131.418 6.241 125.177 Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2017-2021 108.310 6.359 101.951 Bevölkerungsveränderung insgesamt Geburtenbilanz Wanderungsbilanz 2022-2026 97.668 -2.432 100.100 2027-2031 81.222 -20.992 102.214 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006, Tabelle Bevänd.) Ausgehend von einem Zuwanderungshöchststand im Jahr 2004 (rund 127.000 Zuwanderer aus dem Ausland) gehen die neuen Berechnungen zwar von einer leicht sinkenden, aber gegenüber früheren Prognosen deutlich höheren Zuwanderung aus, die dann bis zum Jahr 2020 auf jährlich etwa 100.000 Personen zurückgeht. Die bereits beschriebene wachsende Gesamtbevölkerung in 9
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Österreich basiert somit in erster Linie auf einer kontinuierlich hohen Zuwanderung aus dem Ausland. Als Gründe für die hohen Zuwanderungsraten werden von der Statistik Austria folgende genannt: • die wachsende Verflechtung mit den bisherigen und neuen EU-Ländern, • bestehende Ansprüche auf Familiennachzüge infolge von Einbürgerungen sowie • auch in Zukunft hohe Flüchtlingszahlen. Tabelle 2: Internationale Zuwanderung nach Bundesländern – absolut pro Jahr Internationale Zuwanderung, absolut Ö Bgld Knt NÖ OÖ Slb Stmk Tirol Vbg Wien 2005 115.000 1.840 4.370 13.915 14.145 7.820 10.925 9.775 5.635 46.575 2010 110.000 1.760 4.180 13.310 13.530 7.480 10.450 9.350 5.390 44.550 2015 105.000 1.680 3.990 12.705 12.915 7.140 9.975 8.925 5.145 42.525 2020 100.000 1.600 3.800 12.100 12.300 6.800 9.500 8.500 4.900 40.500 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) Innerhalb Österreichs wird erwartet, dass sich sowohl die Binnenwanderungsströme als auch die Zuwanderung aus dem Ausland vor allem auf die städtischen Regionen konzentrieren und dort zu Bevölkerungswachstum führen. Insbesondere für den Großraum Wien ist mit einer hohen Zuwanderung aus dem Ausland zu rechnen. Unterschiedliche regionale Entwicklungen bedingen unterschiedliche kommunale Heraus- forderungen Die oben gezeigten demographischen Entwicklungen werden regional sehr unterschiedliche Konsequenzen haben und die Gemeinden jeweils vor unterschiedliche Herausforderungen stel- len: So ist zu erwarten, dass sich in Folge der demographischen Veränderungen die Nachfrage nach altersspezifischen Leistungen der Städte und Gemeinden verändert und jeweils individuelle Anpassungsmaßnahmen erforderlich werden. Im Falle des Bevölkerungsrückgangs könnten lokale und regionale Infrastruktureinrichtungen bereits innerhalb ihrer normalen Lebensdauer von immer weniger Menschen genutzt werden, wodurch ihre Wirtschaftlichkeit sinkt. Dort, wo die höchsten Rückgänge zu erwarten sind, werden u.U. auch Angebote gänzlich infrage gestellt werden müssen. Öffentliche Leistungen werden in den Regionen mit großen Bevölkerungsverlusten teurer. Weil sich die Schrumpfungsprozesse sehr stark auf ländliche Regionen konzentrieren, werden diese Regionen vermutlich von einem schrittweisen Rück-/ Umbau von Infrastruktur betroffen sein. Demgegenüber ist zu erwarten, dass insbesondere die noch weiter wachsenden städtischen Räume gleich in zweifacher Hinsicht herausgefordert werden: Neuer Investitionsbedarf als Folge des Bevölkerungswachstums und zusätzliche Aufgaben zur Integration einer wachsenden Zahl an ZuwanderInnen aus dem Ausland. Die genannten Veränderungsprozesse werden somit die Anpassungsfähigkeit des österreichi- schen Städtesystems durch die gegensätzlichen Verläufe dieser Entwicklungen erheblich heraus- fordern. 10
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 2 Zukünftige Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen Die Zahl und der Anteil der unter 20-Jährigen Kinder und Jugendlichen ist seit etwa Mitte der 1970er Jahre kontinuierlich rückläufig. Für die Zukunft wird für Österreich insgesamt ein deutlich verlangsamter Rückgang der Zahl der Jugendlichen angenommen. Allerdings verlaufen die zukünftigen Entwicklungen in einzelnen Altersgruppen uneinheitlich. Dies ist darauf zurückzufüh- ren, dass es derzeit zu einem Stopp des Geburtenrückgangs gekommen ist, die Geburtenzahlen leicht angestiegen sind und sich auf diesem Niveau einpendeln. Diese „Delle“ der Geburten wirkt sich auf die Folgejahre aus. Tabelle 3: Entwicklung der unter 20-Jährigen 1995-2030 Veränder- Veränder- Veränder- ung 2010 ung 2020 ung 2030 Alter 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 zu 2005 zu 2005 zu 2005 0-2 279.019 242.655 246.182 245.407 242.710 238.611 236.692 237.844 -0,31% -3,08% -3,39% 3-5 286.449 268.008 248.386 250.313 248.302 245.439 241.584 241.595 0,78% -1,19% -2,73% 6-10 464.739 479.193 415.541 423.127 424.787 421.071 415.741 410.022 1,83% 1,33% -1,33% 11-15 478.270 470.187 425.129 426.837 434.296 435.935 432.300 422.018 0,40% 2,54% -0,73% 16-20 464.493 485.288 447.399 445.275 447.031 454.237 455.830 447.361 -0,47% 1,53% -0,01% Ins- gesamt 1,972.970 1,945.331 1,782.637 1,790.959 1,797.126 1,795.293 1,782.147 1,758.840 0,47% 0,71% -1,33% Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2003, Tab. 8.05 und 9.05) So wird etwa gegenwärtig davon ausgegangen, dass … • die Zahl der 0-2-Jährigen und der 3-5-Jährigen Kinder bis zum Jahr 2025 noch ganz leicht steigt und erst danach wieder leicht sinken wird, • die 6-10-Jährigen und die 11-15-Jährigen bis zum Jahr 2010 absinken und danach bis 2030 bzw. 2035 leicht steigen, um anschließend wieder auf das Niveau von 2010 zu sinken, • die Zahl der 16-20-Jährigen zunächst noch einmal bis zum Jahr 2010 ansteigen wird, um dann bis zum Jahr 2020 merklich zu sinken und sich auf diesem niedrigeren Niveau einpen- deln wird. Als Gründe für den zurückliegenden starken Geburtenrückgang und die insgesamt sehr niedrige Fertilitätsrate werden in der Fachdiskussion meist angeführt8: • Steigende Erwerbstätigkeit von Frauen (Frauenerwerbsquote) Die steigende Erwerbstätigkeit lässt sich teils auf die Einstellung zurückführen, dass sich Frauen am besten im Beruf selbst verwirklichen können. Die Kindererziehung hingegen ist ge- sellschaftlich nur beschränkt anerkannt. Hinzu kommt, dass der Wiedereintritt in die Arbeits- welt nach der Babypause oftmals problematisch ist. Da die (finanzielle) Abhängigkeit von ei- nem Partner vermieden werden möchte, wird oftmals auf eigene Kinder verzichtet. Weiters werden Kinder oft als Hemmschuh für die Karriere gesehen. • Schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf Fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen oder zu kurze und zu wenig flexible Öffnungszeiten dieser Einrichtungen erschweren die Erwerbstätigkeit. Kinder erfordern jedoch einen Zeitauf- wand, welcher vor allem bei flexiblen Beschäftigungsverhältnissen nur schwer geleistet wer- den kann. 8 vgl. dazu Bayerischer Städtetag (2005); BMSGK (2001); BMSGK (2004); Textor (2000); Schipfer (2005). 11
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Ein gutes Angebot an Sachleistungen ist für viele eine Grundvoraussetzung, Kinder bekom- men zu wollen. • Hohes durchschnittliches Fertilitätsalter Der Wunsch nach Kindern wird lange Zeit hinausgezögert (Prinzip „erst mal …“) und dann – wenn überhaupt noch – immer später verwirklicht. Das Durchschnittsalter der Mütter von Erst- geborenen ist in Österreich auf inzwischen 27,6 Jahre gestiegen und steigt – so die Progno- sen – weiter bis 2031 auf 31 Jahre. Als Gründe für das lange Hinauszögern werden einerseits die Verlängerung der Ausbildungszeiten, andererseits auch die bewusstere Entscheidung für ein Kind genannt. • Unsichere Zukunft und die erwarteten Kosten von Kindern Die Sorge um die Zukunft und die Verunsicherung durch die instabile Wirtschaftslage und be- fürchtete Arbeitslosigkeit wirkt hemmend9. Hinzu kommt, dass der wirtschaftliche Nutzen von Kindern erheblich abgenommen hat, weil diese nicht mehr als ‚billige’ Arbeitskräfte und für die eigene Altersvorsorge zur Verfügung stehen müssen. Hingegen sind die Aufwendungen für Kinder – möglicherweise auch als Folge der eigenen Ansprüche der Eltern – gestiegen. • Veränderte Lebensinhalte Die Lebensinhalte haben sich geändert und viele sehen es als attraktiver an, ihren Lebensstil zu erhalten bzw. auszubauen (z.B. Erwerb einer Eigentumswohnung, Urlaub,…) als Kinder zu bekommen. Die so genannten Opportunitätskosten (Geld wird nicht für Kinder, sondern für das eigene Wohl reserviert) sind daher umso höher, je besser qualifiziert der Elternteil ist und je größer der Einkommensverzicht durch eine Karenz wäre. Fehlt daher ein ausreichender fi- nanzieller Anreiz, verzichtet vor allem die Mittelschicht auf Kinder. Dies zeigt sich auch in der Einstellung, dass es kinderlose Erwachsene bzw. Paare finanziell besser haben. • Veränderte gesellschaftliche Strukturen Der bewusste Verzicht auf Kinder, das Leben als Single und in nichtehelichen Lebensgemein- schaften sind gesellschaftlich zunehmend akzeptiert. Die Zahl der Alleinerziehenden steigt kontinuierlich. Zwei Kinder gelten als gesellschaftlich akzeptiertes Maß. • Geburtenkontrolle Möglichkeiten einer wirksamen Familienplanung bzw. Geburtenkontrolle unterstützen die oben genannten Trends. Die Realisierung eines Kinderwunsches wird für viele zu einer rationalen, geplanten Entscheidung. Der Zugang zu Verhütungsmitteln und zum Schwangerschaftsab- bruch ist erleichtert. 9 ORF [http://oesterreich.orf.at/stories/90343/] Österreicher bei Kinderwunsch verhalten: In Sachen Nachwuchs zeigen sich die Österreicher verhalten. Eine Mehrheit wünscht sich laut einer aktuellen Befragung der Europäischen Kommission durch- schnittlich weniger als zwei Kinder. Sorgen um die Zukunft und Kosten für die Kindererziehung würden viele davon abhal- ten, Nachwuchs zu bekommen. 12
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern Abbildung 6: Entwicklung der unter 15-Jährigen nach Bundesländern – Indexwerte Indexentwicklung der unter 15-Jährigen 135 Öster- 125 reich Burgen- land 115 Kärnten Nieder- 105 österreich Ober- österreich 95 Salz- burg Steier- mark 85 Tirol Vo rarl- 75 berg Wien 65 2005 2010 2015 2020 2025 2030 Quelle: bearbeitet nach Statistik Austria (Demographisches Jahrbuch 2004, Tab. 9.06) Außer in Wien werden alle anderen Bundesländer längerfristig mit rückläufigen Zahlen bei den unter 15-Jährigen zu rechnen haben. Das Ausmaß dieses Rückgangs wird in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sein. Betrug der Anteil der Kinder und Jugendlichen 2001 in allen Bundesländern noch zwischen 19,6% (Wien) und 26,1% (Vorarlberg), so wird er im Jahr 2031 zwischen 17,0% (Burgenland) und 20,7% (Wien) betragen. In Wien wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren in den kommenden Jahren – ausgehend von 305.000 im Jahr 2001 – auf rund 401.000 im Jahr 2031 deutlich ansteigen (+31%). Die größten Rückgänge wer- den für das Land Kärnten erwartet (-29% gegenüber 2001). Die Zahl der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren wird infolge der geringeren Geburtenzah- len in den meisten Regionen Österreichs langfristig niedriger sein als 2001. Insbesondere aber die ländlichen Regionen werden zu den großen Verlierern der Entwicklung zählen. Demgegen- über wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen nicht nur im Großraum Wien, sondern auch in den meisten großen Städten bzw. Zentralräumen weiter zunehmen. So ergeben sich dann auch innerhalb der einzelnen Bundesländer teilweise ganz gegenläufige Entwicklungen. 13
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 10 Abbildung 7: Regionale Entwicklung der Altersgruppe der unter 20-Jährigen 2004 – 2031 Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006) In welcher Weise sind nun aber die einzelnen Regionen von Veränderungen bei der Zahl der Kinder und Jugendlichen betroffen? Einerseits zeigt die Abbildung 8 bereits relativ deutlich die Rückgänge in den ländlichen Gebieten und die Zunahmen in den städtischen Regionen. Ande- rerseits kann aus der folgenden Aufstellung der NUTS 3-Regionen (Tabelle 4)11 jeweils für ein- zelne Raumeinheiten die wahrscheinliche zukünftige Entwicklung abgelesen werden. 10 Eine Farbkopie befindet sich im Anhang (Anhang 2). 11 „NUTS" ist die Abkürzung für „Nomenclature des unites territoriales statistiques", zu deutsch „Systematik der Gebietseinhei- ten für die Statistik". Es handelt sich um eine allgemeine, hierarchisch aufgebaute, dreistufige territoriale Gliederung der EU- Staaten (NUTS 1,2,3), wobei die NUTS-Einheiten in der Regel aus einer Verwaltungseinheit oder einer Gruppierung mehre- rer Einheiten bestehen. Die NUTS-Gliederung dient sowohl statistischen Zwecken als auch – auf den Ebenen 2 und 3 – zur Beurteilung möglicher Regionalförderungen. In Österreich existieren 35 NUTS 3-Regionen; davon bestehen 26 aus einem oder mehreren Politischen Bezirken, 8 sind zusätzlich auch mittels Gerichtsbezirken abgegrenzt (2 davon mittels Teilen von GB).; nähere Infos: http://www.statistik.at/verzeichnis/nuts.shtml. 14
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Tabelle 4: Entwicklung der Bevölkerung unter 15 Jahren nach NUTS 3-Regionen bis 2030 Bevölkerung unter 15 Jahren absolut Veränderung gegenüber 2001 NUTS III 2001 2010 2015 2020 2025 2030 2010 2015 2020 2025 2030 Wien 228.735 251.458 268.375 283.030 293.693 300.175 9,93% 17,33% 23,74% 28,40% 31,23% Graz 54.642 55.456 56.601 58.073 59.055 59.575 1,49% 3,59% 6,28% 8,08% 9,03% Wiener Umland-Süd 47.721 47.759 48.796 50.736 52.921 54.733 0,08% 2,25% 6,32% 10,90% 14,69% Linz-Wels 88.001 84.400 84.453 85.758 86.904 87.388 -4,09% -4,03% -2,55% -1,25% -0,70% Rheintal-Bodensee 32.555 30.843 30.032 29.695 29.672 29.691 -5,26% -7,75% -8,79% -8,86% -8,80% Wiener Umland-Nord 47.548 44.707 45.217 47.724 50.401 52.426 -5,98% -4,90% 0,37% 6,00% 10,26% Salzburg und Umgebung 56.720 53.329 52.184 51.929 51.758 51.499 -5,98% -8,00% -8,45% -8,75% -9,20% Innsbruck 44.827 42.094 41.502 41.589 41.812 42.025 -6,10% -7,42% -7,22% -6,73% -6,25% Niederösterreich-Süd 41.016 38.347 38.134 38.684 39.300 39.728 -6,51% -7,03% -5,69% -4,18% -3,14% Sankt Pölten 24.300 22.590 22.322 22.686 23.200 23.521 -7,04% -8,14% -6,64% -4,53% -3,21% Bludenz-Bregenzer Wald 35.432 32.626 31.255 30.604 30.338 30.181 -7,92% -11,79% -13,63% -14,38% -14,82% Nordburgenland 21.897 20.136 19.724 19.774 19.950 20.090 -8,04% -9,92% -9,70% -8,89% -8,25% Tiroler Unterland 43.142 39.111 37.558 37.267 37.152 36.928 -9,34% -12,94% -13,62% -13,88% -14,40% Mostviertel-Eisenwurzen 44.685 38.960 36.904 35.949 35.211 34.407 -12,81% -17,41% -19,55% -21,20% -23,00% Tiroler Oberland 19.802 17.263 16.388 15.893 15.543 15.300 -12,82% -17,24% -19,74% -21,51% -22,74% Traunviertel 41.631 36.152 34.597 34.203 33.920 33.460 -13,16% -16,90% -17,84% -18,52% -19,63% Klagenfurt-Villach 42.749 37.021 35.609 35.441 35.522 35.270 -13,40% -16,70% -17,10% -16,91% -17,50% Pinzgau-Pongau 31.182 26.985 25.435 24.829 24.465 24.099 -13,46% -18,43% -20,37% -21,54% -22,72% Weinviertel 20.121 17.343 16.953 17.310 17.752 18.039 -13,81% -15,74% -13,97% -11,77% -10,35% Steyr-Kirchdorf 28.093 23.924 22.604 22.278 22.101 21.740 -14,84% -19,54% -20,70% -21,33% -22,61% Südburgenland 14.504 12.311 11.710 11.356 11.080 10.853 -15,12% -19,26% -21,70% -23,61% -25,17% West- und Südsteiermark 31.964 27.061 25.734 25.171 24.740 24.284 -15,34% -19,49% -21,25% -22,60% -24,03% Innviertel 51.568 43.417 40.453 39.450 39.088 38.514 -15,81% -21,55% -23,50% -24,20% -25,31% Waldviertel 37.450 31.410 29.874 29.596 29.324 28.884 -16,13% -20,23% -20,97% -21,70% -22,87% Mittelburgenland 5.623 4.675 4.439 4.368 4.321 4.250 -16,86% -21,06% -22,32% -23,15% -24,42% Außerfern 5.852 4.857 4.468 4.360 4.329 4.290 -17,00% -23,65% -25,50% -26,03% -26,69% Liezen 14.008 11.567 10.763 10.349 10.015 9.694 -17,43% -23,17% -26,12% -28,51% -30,80% Osttirol 9.882 8.123 7.318 6.946 6.698 6.450 -17,80% -25,95% -29,71% -32,22% -34,73% Östliche Obersteiermark 24.980 20.499 19.417 18.987 18.585 18.188 -17,94% -22,27% -23,99% -25,60% -27,19% Unterkärnten 27.453 22.316 20.224 19.258 18.565 17.903 -18,71% -26,33% -29,85% -32,38% -34,79% Mühlviertel 40.957 33.282 30.948 29.990 29.292 28.357 -18,74% -24,44% -26,78% -28,48% -30,76% Lungau 4.068 3.279 2.965 2.756 2.589 2.436 -19,40% -27,11% -32,25% -36,36% -40,12% Oststeiermark 47.841 38.458 35.472 34.264 33.280 32.150 -19,61% -25,85% -28,38% -30,44% -32,80% Westliche Obersteiermark 18.014 14.425 13.181 12.512 11.932 11.407 -19,92% -26,83% -30,54% -33,76% -36,68% Oberkärnten 23.393 18.585 16.749 15.879 15.309 14.721 -20,55% -28,40% -32,12% -34,56% -37,07% Quelle: bearbeitet nach ÖROK (ÖROK-Prognosen 2001-2031, 2006, Tab. "unter 15“) In den gesonderten Bezirksprognose-Papieren befinden sich genauere Angaben über die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen für die einzelnen Bezirke nach den Altersgruppen: 0-2 Jahre, 3-5 Jahre, 6-10 Jahre, 11-14 Jahre sowie 15-20 Jahre. Doch nicht nur die regional unterschiedlichen Entwicklungen der Zahl an Schülern wird zu einer Herausforderung werden, sondern auch der steigende Anteil an Schülern mit nicht-deutscher Muttersprache (siehe dazu Abb. 11). 15
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 3 Konsequenzen für die Städte und Gemeinden? Worin liegt nun die besondere Herausforderung im absehbaren demographischen Wandel für die Städte und Gemeinden? Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Herausforderungen liegen zunächst in der regional unterschiedlichen Betroffenheit und den daraus resultierenden unterschiedlichen Entwicklungschancen für die Gemeinden. Darüber hinaus aber vor allem auch darin, dass zwar die Folgen des demographischen Wandels unmittel- bar in den Städten und Gemeinden spürbar werden, aber gleichzeitig die Möglichkeiten, die genannten Veränderungsprozesse beeinflussen zu können, sehr begrenzt sind. Die heute er- kennbaren Trends sind in ihrer Richtung durch die Gemeinden kaum umkehrbar, wesentliche Richtungsentscheidungen – etwa über das Ausmaß der Zuwanderung – werden andernorts, durch den Bund, zukünftig vielleicht auch durch die EU, getroffen. Für die Städte und Gemeinden bedeutet dies kurz- und mittelfristig: Entwicklungen systematisch analysieren und die lokal spezifischen Herausforderungen konkretisieren! Wie oben gezeigt, verlaufen die Entwicklungslinien des demographischen Wandels in Österreich sehr unterschiedlich. Demzufolge werden auch die Folgen sowohl im Umfang als auch in der Art von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich sein. Einige Beispiele aus der Diskussion im Jugendausschuss des Österreichischen Städtebundes12 zeigen exemplarisch, wie unterschiedlich die Situation in den Städten ist: Linz Die Stadt Linz erwartet etwa – im Gegensatz zu den ländlichen Regionen in Ober- österreich – für die kommenden 10 Jahre eine eher konstante Kinderzahl und damit keine größeren Nachfragerückgänge für die Betreuungsangebote. Allerdings wird angenommen, dass andere inhaltliche Anforderungen an die Betreuungsleis- tungen gestellt werden: Der derzeit schon hohe Anteil von Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund mit nur unzureichenden Deutschkenntnissen (Durch- schnitt ca. 40%, bis max. 90% in einzelnen Einrichtungen) lässt es notwendig erscheinen, Kinderbetreuungseinrichtungen vermehrt zu vorschulischen Bildungs- einrichtungen auszubauen. Baden Auch in Baden wird erwartet, dass Kinderbetreuung immer mehr zu einer Bil- dungsaufgabe wird, indem etwa in den Kindergärten und Horten durch eine geziel- te Sprachförderung – die allen Kindern gleichermaßen zugute kommt – die Basis für einen späteren Erfolg in der Schule gelegt wird. Offen ist, wie angesichts der Sprachenvielfalt der Kinder eine geeignete Strategie aussehen könnte. Kleinere Gemeinden sind jedenfalls überfordert, für alle Herkunftsländer der Kinder jeweils muttersprachliches Personal in den Betreuungseinrichtungen bereitzustellen. Ob hier Springer eine geeignete Lösung sind, müssen praktische Erfahrungen zeigen. 12 Erwartungen der Gemeinden bezüglich möglicher Entwicklungen (Diskussion im Rahmend des Jugendausschuss am 09.03.2006). 16
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 Steyr In Steyr wird eine uneinheitliche Entwicklung erwartet: Einzelne Kinderbetreu- ungseinrichtungen könnten wegen Unterauslastung vermutlich zusammengelegt werden müssen. Gleichzeitig haben die bestehenden Einrichtungen mit wachsen- den sozialen Problemen bei Kindern aus sozial benachteiligten Bevölkerungs- gruppen zu kämpfen (wachsende Zahl an verhaltensauffälligen Kindern). Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sind eher zu wenig in den Kindergärten vertreten. Wien In Wien geht man sowohl von einem wachsenden Bedarf nach Betreuungsleistun- gen als auch von veränderten inhaltlichen Aufgabenstellungen aus. Kindergärten sind auch schon in der Vergangenheit eher als Bildungs- denn als alleinige Betreuungseinrichtungen verstanden worden. Dies wird zukünftig noch verstärkt werden, wofür etwa die verschiedenen Sprachoffensiven stehen. Auch in Wien werden die Kinderbetreuungseinrichtungen nicht nur durch migrationsbezogene, sondern auch durch schichtbezogene Problemlagen herausgefordert. So haben eben nicht nur Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, sondern immer mehr auch Kinder österreichischer Eltern Bedarf nach gezielter Sprachförderung. Entsprechende Initiativen haben demzufolge Vorteile für alle Kinder. Schwechat In Schwechat geht man ebenfalls von einem weiter steigenden Bedarf aus. Insbe- sondere im Bereich der Kleinstkinderbetreuung (Krippen) wird ein wachsender Bedarf gesehen; die gegenwärtig verfügbaren Krippen „platzen jedenfalls aus allen Nähten“. Villach Entgegen dem generellen Trend in Kärnten erwartet man in Villach in den kom- menden Jahren praktisch keine Rückgänge bei der Nachfrage nach Kinderbetreu- ungsleistungen. Integration als eine Aufgabe der Gemeinden wird auch als eine Chance für die Gesellschaft verstanden. Leoben In Leoben erwartet man vor allem eine konzeptionelle Veränderung hin zu mehr Sprachförderung. Somit wird das Auseinanderfallen der Entwicklungen jeweils unterschiedliche Konsequenzen in den Städten und Gemeinden haben: • Den Gemeinden, die von überdurchschnittlich starken Rückgängen bei der Zahl der Kinder und Jugendlichen betroffen sind, werden mittelfristig die Nutzer der dortigen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (Krippen, Kindergärten, Horte, Volks- und Hauptschulen) fehlen. In- vestitionen in Infrastruktureinrichtungen für Kinder und Jugendliche müssen daher schon heu- te konsequent vor dem Hintergrund des demographischen Wandels bewertet werden. Zukünf- tige Schließungen oder Standortzusammenlegungen sind nicht auszuschließen. Auch die Bil- dung von mehr altersgemischten Gruppen13 oder der Aufbau von mobilen Angeboten könnten Erfolg versprechende Entwicklungswege sein. Auch die verstärkte Zusammenarbeit mit priva- ten bzw. nicht gewinnorientierten Organisationen sowie die Suche nach gemeindeübergrei- fenden Kooperationslösungen könnten an Bedeutung gewinnen. Hierzu wären individuelle, längerfristig orientierte Entwicklungs- und Nutzungskonzepte, die unmittelbar auf die örtlichen bzw. regionalen Entwicklungen Bezug nehmen, zweckmäßig. 13 In OÖ sind derartige Einrichtungen möglich, die derzeit praktizierten Modelle (etwa 5 erfolgreiche Beispiele für die Alters- gruppe 1,5 - 6 Jahre) scheinen – so Hinweise von Experten – gut zu funktionieren. 17
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 • Die größeren Städte und die städtischen Verdichtungsräume wiederum werden eher mit einer wachsenden Nachfrage nach Einrichtungen für Kinder und Jugendliche (Betreuungsein- richtungen, Schulen) konfrontiert sein. Hinzu kommt, dass in diesen Regionen als Folge der hohen Zuwanderungsraten aus dem Ausland mit erhöhten Integrationserfordernissen zu rech- nen ist. Eine zentrale Herausforderung wird hier sein, bei den Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache Sprachdefizite zu beheben. Auch der Umgang mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen könnte eine zusätzliche Aufgabe werden. Um diese Wachstumsprozesse – aber auch die neuen Aufgabenstellungen – bewältigen zu können, bedarf es jedenfalls zusätzlicher Finanzmittel, sowohl für den quantitativen Ausbau von Betreuungseinrichtungen als auch die Bewältigung der bildungspolitischen Aufgaben. Auch hier sind daher Bedarfs- und Entwicklungskonzepte notwendig, die etwa den zusätzli- chen Bedarf nach Leistungen und dann auch Finanzmitteln sichtbar machen. Herausforderungen annehmen – abgestimmte Vorgangsweisen und Maßnahmen entwickeln – Chancen ergreifen! Es hilft nicht, zuzuwarten und zu hoffen, dass die Prognosen nicht eintreffen mögen. Hier wie dort ist es zwingend notwendig, sich möglichst rasch auf die absehbaren Entwicklungen einzustellen, Handlungsfähigkeit zu bewahren und längerfristig ausgelegte und abgestimmte Vorgangsweisen zu entwickeln. Dafür gibt es keine Patentrezepte. Die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in den Städten und Gemeinden und die regional verschiedenen Entwicklungsverläufe des demo- graphischen Wandels machen unterschiedliche Handlungskonzepte erforderlich. Dazu zählt aber auch, dass Bund und Länder überzeugt werden müssen, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Und so ist zunächst zu fragen, wie sich die Bevölkerung in der eigenen Gemeinde bzw. in der Region entwickeln wird und welche Konsequenzen unmittelbar sichtbar werden: • Wie ist die gegenwärtige Auslastung unserer Einrichtungen? • Wie wird sich die Nachfrage nach altersspezifischen Leistungen und in Folge die Auslastung in den kommenden Jahren weiter entwickeln? • Ab welcher Mindest-Auslastung kann der Betrieb nicht mehr aufrechterhalten werden? • Welche Investitionen (v.a. in Gebäude) sind in den kommenden Jahren notwendig? • Welche örtlichen und regionalen Ressourcen stehen zur Verfügung? • Sind Investitionen angesichts der Entwicklungen noch vertretbar? • Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich an – z.B. Kooperation innerhalb und zwischen Gemeinden? Die speziell zum Städtetag vorbereiteten Informationen – insbesondere die für jeden Bezirk ausgearbeiteten Darstellungen zur Bevölkerungsentwicklung sowie das Basispapier zur demo- graphischen Entwicklung – sollen eine erste Hilfestellung sein und Auskunft darüber geben, mit welchen grundsätzlichen Entwicklungen zu rechnen ist. Sie können eine Grundlage dafür sein, sich rasch den veränderten Voraussetzungen zu stellen und erste Prioritäten zu setzen. 18
Arbeitskreis 1 – Die junge Stadt 23.05.06 4 Familien- und Jugendpolitik – eine nationale Aufgabe mit internationalen Vorbildern? 4.1 Generelle Handlungsbereiche einer Politik für mehr Kinder Angesichts der absehbaren demographischen Entwicklung wird in letzter Zeit verstärkt darüber diskutiert, was in Österreich unternommen werden kann, um die niedrige Geburtenrate wieder zu erhöhen. Dabei ist vorauszuschicken, dass eine solche Politik zur Steigerung der Geburtenhäu- figkeit – wenn sie überhaupt wahrgenommen wird – primär eine nationale Aufgabe ist, die nur in enger strategischer Partnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgreich sein kann. Ganz generell sehen wir folgende Ansatzpunkte für eine Politik, die auf eine höhere Geburtenrate ausgerichtet ist, an: • Bewusstseinswandel Die Geburtenhäufigkeit ist – wie die Gründe für die niedrige Geburtenrate zeigen – auch eine Frage der persönlichen Einstellung und wie die Menschen in einem Land ganz generell zu Kindern (auch zur Rolle der Frauen14) stehen. Insofern bedarf es vermutlich intensiver Bemü- hungen, negative Vorbehalte gegenüber Kindern gezielt abzubauen und ein generell kinder- freundlicheres Milieu zu schaffen. • Finanzielle und rechtliche Absicherung von Müttern, Eltern Wer sich für Kinder entscheidet, braucht finanziell und rechtlich günstige Rahmenbedingun- gen. Sei es durch weit reichende rechtliche Schutzbestimmungen (z.B. Arbeitsrecht) oder Ka- renzangebote, oder aber direkte finanzielle Leistungen (z.B. Elterngeld, Erstgeburtenbeihil- fe,…) sowie auch indirekte Hilfen (Steuererleichterungen, Vergünstigungen)15. • Vereinbarkeit von Beruf und Familie Besonders bedeutsam im Rahmen der Entscheidung für Kinder scheint ferner zu sein, wie ei- ne spätere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – vor allem für die Mütter der Kinder 16 – mög- lich ist. Sichere, leistbare und bedarfsorientierte Betreuungsangebote für Kinder und Jugendli- che sind ein zentraler Schlüssel dafür, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Dies zeigen gerade die im Folgenden noch näher zu beschreibenden skandinavischen Länder, die es mit- tels eines breit gefächerten Betreuungsangebotes schaffen, sowohl eine höhere Geburtenrate als auch eine im europäischen Vergleich weit überdurchschnittliche Erwerbsquote von Frauen (70 Prozent! – und viele davon vollzeitbeschäftigt) zu realisieren.17 Weil das Phänomen der geringen Fertilität eben kein ausschließlich österreichisches Problem ist, lohnt es sich daher, den Blick auch auf Programme anderer Länder zu richten. 14 Als Beispiel möchten wir hier auf Deutschland verweisen: In ‚Westdeutschland’ dominiert nach wie vor das Rollenbild der Hausfrau und Mutter, wohingegen in Ostdeutschland seit langem die erwerbstätige Mutter als gängiges Muster angesehen wird; vgl. Veil (2003), S. 1. 15 Lucius (2005) verweist auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Höhe des Karenzgeldes und der Geburtenrate. 16 Hier wiederum vor allem für Frauen; werden doch nach wie vor die meisten Betreuungsstunden von Frauen erbracht. Auch wenn in der jüngeren Vergangenheit positive Veränderungen festzustellen sind, leisten Männer nach wie vor nur einen ge- ringen Beitrag bei der Kinderbetreuung. 17 vgl. Schmidt 2003: Den demographischen Wandel gestalten … Bertelsmann, S. 25. 19
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