Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation
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M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert Transplantationsmedizin Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation 2011, 23. Jahrgang 105 Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation Martina Pötschke-Langer, Katrin Schaller, Nick Kai Schneider, Sarah Kahnert Deutsches Krebsforschungszentrum, Stabsstelle Krebsprävention und WHO-Kollaborationszen- trum für Tabakkontrolle, Heidelberg Tabakrauch enthält Tausende von Schadstoffen, die die normalen physiologischen Vorgänge stö- ren und sich darüber negativ auf den Erfolg von Transplantationen auswirken.Tabakkonsum beein- trächtigt die Immunantwort insbesondere in der Lunge, fördert arteriosklerotische Prozesse, er- höht das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und behindert die Wundheilung. Raucher haben dadurch ein deutlich erhöhtes Risiko für pulmonale Komplikationen sowie für Wundheilungsstö- rungen und Infektionen. Da aktiver Tabakkonsum eine Kontraindikation für eine Herz-, Herz-Lun- gen- oder Lungentransplantation darstellt und der Wiederbeginn des Rauchens nach der Trans- plantation die Morbidität und Mortalität von Transplantierten erhöht, sollten das Abfragen des Rauchstatus aller Patienten sowie die Überweisung von Rauchern zu einer kompetenten Raucher- beratung fester Bestandteil transplantationsmedizinischer Standardvorgehensweisen einschließ- lich der Anamnese, der Operationsvorbereitung und der Nachsorge werden. Schlüsselwörter: Rauchen, Tabakentwöhnung, thorakale Organtransplantation, Operation Smoking, a Perioperative Risk Factor for Patients Undergoing Thoracic Organ Transplantation Tobacco smoke consists of thousands of toxic substances that may disturb normal physiologic pro- cesses, thereby compromising transplantation outcomes. Tobacco use reduces the immune re- sponse, especially in the lungs, promotes arteriosclerosis, increases the risk for cardiovascular disea- ses and delays wound healing. These negative effects lead to an increased risk of smokers for pe- rioperative complications, especially pulmonary outcomes, disturbed wound healing and wound infections. Active smoking is a contraindication for cardiac as well as lung transplantation and smo- king resumption after transplantation increases morbidity and mortality of transplant recipients. Therefore, the assessment of the smoking status and referral to competent cessation services should be incorporated into standard operating procedures, including medical history taking, pre- and postoperative care of thoracic transplantations. Key words: smoking, smoking cessation, thoracic organ transplantation Einleitung Patienten (2), einschließlich rund einem Drittel aller Emphysempatienten (3). In Deutschland Im klinischen Alltag sind Raucher allgegenwär- ist die Rauchabstinenz eine unabdingbare Vo- tig, denn Rauchen ist die Hauptursache für raussetzung für die Aufnahme auf die Wartelis- Lungenkrebs, COPD, Herz-Kreislauferkrankun- te, denn schwerer Nikotinabusus ist ein Aus- gen und einige andere schwere Erkrankungen. schlusskriterium für Herz- und Lungentrans- Rund ein Drittel der deutschen Erwachsenen- plantationen (4). Die International Society for bevölkerung raucht und jedes Jahr sterben Heart and Lung Transplantation rät in ihren in- über 100 000 Menschen an den Folgeerkran- ternationalen Kriterien zur Aufnahme auf die Pötschke-Langer M, Schaller kungen des Rauchens (1). Warteliste, für Herztransplantationen aktiven K, Schneider NK, Kahnert S Die wichtigste zur Lungentransplantation füh- Tabakkonsum als relative Kontraindikation zu (2011) Rauchen als prä- und rende Grunderkrankung ist die COPD. Nach betrachten, da Tabakkonsum in den sechs Mo- postoperativer Risikofaktor Ausschöpfung aller anderen Therapieoptionen naten vor einer Transplantation ein Risikofak- bei Patienten mit thorakaler ist die Lungentransplantation eine Therapieop- tor für schlechte Transplantationsergebnisse Organtransplantation. tion mit belegtem Überlebensvorteil für COPD- ist (5). Für Lungentransplantationen gilt nach Tx Med 23: 105-114
Transplantationsmedizin M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert 106 2011, 23. Jahrgang Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation den internationalen Leitlinien eine Tabakab- rielle Infektionen zur Steigerung des Infekti- hängigkeit innerhalb der vergangenen sechs onsrisikos bei (2). Monate als absolute Kontraindikation (6). Trotz Die muköse Oberfläche und das Flimmerepi- dieser eindeutigen Vorgaben nimmt interna- thel stellen die erste Abwehrlinie gegen Infek- tionalen Studien zufolge – und Ähnliches dürf- tionen in den Bronchien dar: Sie regulieren die te für Deutschland gelten – nach Herz- und lokale Immunabwehr und transportieren Parti- Lungentransplantationen bis zu über einem kel und Pathogene nach außen (mukoziliäre Drittel der Patienten den Tabakkonsum wieder Clearance). Das Bronchialsekret enthält ver- auf (7-10). Da Tabakkonsum eine Kontraindika- schiedene Immunzellen und gelöste Abwehr- tion für thorakale Transplantation darstellt, ist stoffe wie Proteasen, Lysozym, Lactoferrin, es umso erstaunlicher, dass das Abfragen des Komplementfaktoren, die über die Atmung Rauchstatus von Patienten, eine kurze Empfeh- eingedrungene Fremdorganismen bekämpfen lung zum Rauchstopp und ein Verweis auf Un- und entsorgen. Tabakrauch beeinträchtigt all terstützungsangebote zur Tabakentwöhnung diese Verteidigungsmechanismen auf vielfälti- nicht schon längst selbstverständliche Be- ge Weise (21, 22) (Abbildung 1). standteile transplantationsmedizinischer Stan- Tabakrauch setzt die Aktivität der Zilien herab dardvorgehensweisen sind und in der Anam- und verändert die Zusammensetzung des Mu- nese, der Transplantationsvorbereitung und kus. Er erhöht die Anzahl der Becherzellen, der Nachsorge verankert sind: Einer amerikani- führt zu einer Hypertrophie der submukösen schen Studie zufolge raten nur 58 Prozent kli- Drüsen und zu einer Metaplasie des Platten- nisch tätiger Allgemeinchirurgen und 30 Pro- epithels, was schließlich die Mukusproduktion zent der Anästhesisten routinemäßig zu einem erhöht. Infolge der erhöhten Mukusproduktion Rauchstopp (11). Einer aktuellen deutschen und der gleichzeitig reduzierten Zilienaktivität Studie zufolge fragen zwar fast alle Klinikärzte verschlechtert sich die mukoziliäre Clearance. (93,5 Prozent) den Rauchstatus ihrer Patienten Dadurch und durch die infolge des Rauchens ab, aber nur knapp ein Drittel der Ärzte (27,3 erhöhte Durchlässigkeit des Endothels steigt Prozent) rät rauchenden Patienten dann auch die Infektionsgefahr (21, 23) und somit auch zu einem Rauchstopp (12). Dies ist umso dra- ein Hauptrisiko bei der Nachsorge thorakaler matischer, da Rauchen den Operationserfolg Transplantationen. negativ beeinflusst und umgekehrt ein Rauch- Eine weitere wichtige Abwehrlinie sind die in stopp positive Auswirkungen hat (13-15). der Lunge angesiedelten Makrophagen. Bei Rauchern ist ihre Anzahl erhöht – allerdings sind die Makrophagen von Rauchern nicht voll Operationsrisiko Rauchen ausgereift. Ihre Phagozytoseaktivität ist einge- schränkt und sie produzieren vermehrt proin- Tabakrauch enthält über 4800 Substanzen, von flammatorische Zytokine, proteolytische Enzy- denen rund 250 giftig und 90 krebserzeugend me und reaktive Sauerstoffspezies. Dadurch sind oder im Verdacht stehen, Krebs zu erzeu- verschiebt sich die durch die alveolären Makro- gen (16-19). Zu den wichtigsten und am besten phagen vermittelte Entzündung in Richtung erforschten Schadstoffen gehören Nikotin, einer schädigenden Wirkung (22, 24). Kohlenmonoxid und Oxidantien, die eine Viel- Neben den Makrophagen beeinflusst Tabak- zahl pathophysiologischer Prozesse auslösen rauch auch weitere Immunzellen. So erhöht (20). Daneben beeinträchtigen viele weitere Rauchen die Anzahl der im Blut zirkulierenden Substanzen aus dem Tabakrauch die normalen natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), der zytoto- physiologischen Vorgänge in der Lunge, im xischen T-Zellen (CD8+) und der T-Helferzellen Herz-Kreislaufsystem und bei der Wundhei- (CD4+) sowie der Neutrophilen. Gleichzeitig be- lung und wirken sich auf diesem Weg negativ einträchtigt Rauchen die Funktion der NK-Zel- auf den Erfolg von Operationen und Transplan- len, der zytotoxischen T-Zellen und der Neutro- tationen aus. philen. Die reduzierte NK-Zell-Funktion wird mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht. Die Neutrophilen sind weniger wirk- Durch Rauchen verminderte sam gegen Bakterien und tragen zur Zerstö- rung der Zilien bei (20, 22-24). broncho-pulmonale Raucher weisen darüber hinaus auch Verände- Immunantwort rungen in der humoralen Abwehr auf. So sind bei ihnen die Immunglobuline (außer IgE) um Lungentransplantierte haben ein besonders 10 bis 20 Prozent erniedrigt, wodurch sich die hohes Risiko für Infektionen, da die Lunge über Infektionsanfälligkeit erhöht (20, 22, 23). Die den permanenten Gasaustausch in ständigem Menge des Zytokins TNF-α ist erhöht und es Kontakt mit der Umwelt steht. Daneben tragen zirkulieren mehr freie Radikale. Diese können beispielsweise ein infolge der Denervierung das Epithel, die Atemwege und die Alveolen reduzierter Hustenstoß, eine Unterbrechung schädigen (20, 24). der Lymphbahnen sowie absteigende bakte-
M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert Transplantationsmedizin Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation 2011, 23. Jahrgang 107 ABBILDUNG 1: Wirkungen des Rauchens auf die broncho-pulmo- nalen Abwehrmechanis- men. Quellen: Mehta H et al. 2008, Arnson Y et al. 2010, Stämpfli MR 2009, Surgeon General 2010, Goncalves RB et al. 2011. Darstellung: Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, Stabsstelle Krebsprävention, 2011. Die qualitativen und quantitativen Wirkungen nerhalb des ersten Jahres nach der Transplan- des Rauchens auf das Immunsystem schwan- tation. Sie wird durch immunologische und ken wahrscheinlich in Abhängigkeit von der nicht-immunologische Mechanismen verur- Anzahl der gerauchten Zigaretten und der An- sacht und hat einige Gemeinsamkeiten mit zahl der Raucherjahre. Insgesamt jedoch redu- verbreiteten pathologischen Veränderungen ziert Rauchen die Lungenfunktion und beein- des Gefäßsystems (25). Rauchen beeinträchtigt trächtigt die immunologischen broncho-pul- das Herz-Kreislaufsystem in mannigfaltiger monalen Abwehrprozesse und macht Raucher Weise (Abbildung 2). Langjährige Raucher wei- anfälliger für Infektionen (24). Da postoperati- sen eine frühzeitige Arteriosklerose auf, deren ve Infektionen mit 27 Prozent die Haupttodes- Ursache in der Vielzahl der Substanzen im Ta- ursache bei Lungentransplantationen darstel- bakrauch zu finden ist. len (3), kann ein durch Tabakkonsum vorge- Nikotin wirkt sympathomimetisch, fördert also schädigtes Immunsystem die optimale Be- die Freisetzung von Katecholaminen und führt handlung transplantierter Patienten erschwe- so zu einer Erhöhung der Herzfrequenz und ren. des Blutdrucks, während es gleichzeitig den peripheren Blutfluss reduziert. Zudem erhöht es die Myokardkontraktilität und die Lipolyse Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (20, 26, 27). Dadurch steigen der Sauerstoff- und Nährstoffbedarf des Myokards, was einen durch Rauchen erhöhten koronaren Blutfluss nach sich zieht Die kardiale Allograft-Vaskulopathie betrifft (26). Möglicherweise fördert Nikotin auch oxi- rund die Hälfte aller Herztransplantierten in- dativen Stress und trägt so zur Entstehung ei-
Transplantationsmedizin M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert 108 2011, 23. Jahrgang Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation ABBILDUNG 2: Wirkungen der wichtigsten Substanzen aus Tabak- rauch auf das Herz-Kreis- laufsystem. Quellen: Surge- on General 2010, Erhardt L 2009, Benowitz NI 2003. Darstellung: Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, Stabsstelle Krebsprävention, 2011, in Anlehnung an Benowitz NL 2003 und Surgeon General 2010. ner endothelialen Dysfunktion bei (26). Insge- Plaques. Rauchen trägt zur Destabilisierung samt spielt Nikotin nach aktuellem Wissens- und Ruptur der Plaques bei und es verstärkt stand aber nur eine untergeordnete Rolle bei die Aktivierung von Thrombozyten und erhöht der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankun- so das Thromboserisiko. Durch all diese Prozes- gen (27). se fördert Rauchen die Entstehung von Arte- Kohlenmonoxid ist im Tabakrauch in hoher riosklerose und verschlechtert die Durchblu- Konzentration vorhanden. Einmal in die Blut- tung des Myokards, was das Risiko für Myo- bahn gelangt, bindet es mit einer rund 200-mal kardischämie und Myokardinfarkt erhöht (20, höheren Bindungsaffinität als Sauerstoff an 26, 28). Hämoglobin und bildet Carboxyhämoglobin. Raucher haben im Blut eine Konzentration von fünf bis zehn Prozent Carboxyhämoglobin, bei Verschlechterte Wundheilung Nichtrauchern liegt die Konzentration deutlich durch Rauchen niedriger bei 0,5 bis zwei Prozent. Kohlenmo- noxid reduziert nicht nur die Menge des freien Die Wundheilung setzt sich aus den Phasen Hämoglobins im Blut, sondern behindert auch Hämostase (vaskuläre Konstriktion, Bildung ei- die Freisetzung des an Hämoglobin gebunde- nes Fibrinpfropfs, Freisetzung proinflammato- nen Sauerstoffs. Dadurch ist bei Rauchern die rischer Zytokine), Entzündungsphase (Einwan- Balance zwischen Sauerstoffbedarf und Sauer- derung von Immunzellen), Proliferation (Epi- stoffversorgung gestört. Letztlich führt Kohlen- thelneubildung, Kapillarenneubildung, Kolla- monoxid zu Hypoxie und zu einer kompensa- genbildung, Bildung extrazellulärer Matrix, Bil- torischen Erhöhung der Erythrozyten und der dung von Granulationsgewebe) und Gewebe- Blutviskosität, was zu einer Erhöhung des remodellierung (Rückbildung eines Teils der Thromboserisikos beiträgt (20, 26, 27). neu gebildeten Kapillaren, Wundkontraktion, Oxidantien, also freie Radikale, Stickoxide und Wiederherstellung der ursprünglichen Ge- andere Substanzen, sind nicht nur im Tabak- websarchitektur) zusammen. Diese Phasen rauch enthalten, sondern werden auch infolge müssen in der richtigen Reihenfolge für eine des Rauchens vermehrt im Körper gebildet. Sie bestimmte Dauer mit optimaler Intensität ab- reduzieren die Konzentration von Antioxidan- laufen, um einen optimalen Heilungserfolg zu tien (v.a.Vitamin C) und senken die Freisetzung gewährleisten. von endothelialem Stickstoffmonoxid, was zu Rauchen stört diese Prozesse auf mehrfache Entzündungsprozessen und einer Schädigung Weise (Abbildung 3). So verursacht Tabakrauch des Endothels führt. Oxidantien führen zu Li- eine hypoxische Umgebung und beeinträch- pidveränderungen, indem sie den Anteil von tigt die Funktion der zur Wundheilung notwen- Low Density Lipoprotein (LDL) und oxidierten digen Immunzellen und Fibroblasten (29). Lipiden erhöhen; gleichzeitig fördern sie die Nikotin reduziert über vasokonstriktorische Ef- Aufnahme von LDL durch Makrophagen, trei- fekte und über eine Erhöhung der Blutviskosi- ben so die Umwandlung von Makrophagen in tät die Sauerstoffversorgung. Kohlenmonoxid Schaumzellen voran und fördern auf diesem und die in Tabakrauch enthaltene Blausäure, Weg die Entstehung arteriosklerotischer die den zellulären Sauerstoffmetabolismus
M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert Transplantationsmedizin Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation 2011, 23. Jahrgang 109 ABBILDUNG 3: Auswirkungen des Rauchens auf die Wund- heilung. Quellen: Ahn C et al. 2008, Guo S et al. 2010. Darstellung: Deutsches Krebsfor- schungszentrum Heidelberg, Stabsstelle Krebsprävention, 2011 zum Erliegen bringt, verstärken die Hypoxie zu- Anästhesie sätzlich. Während der Entzündungsphase re- duziert Rauchen die Einwanderung von Leuko- Die meisten Medikamente, die in der Anästhe- zyten, reduziert die Aktivität von Neutrophilen, sie verwendet werden und auf das Zentralner- Lymphozyten und NK-Zellen und es vermin- vensystem wirken, werden von Enzymen der dert die IL-1-Produktion. Während der prolife- Cytochrom P450-Familie verstoffwechselt. Eini- rativen Phase beeinträchtigt Rauchen die Mi- ge Enzyme der Cytochrom P450-Familie wer- gration und Proliferation von Fibroblasten, es den durch polyzyklische aromatische Kohlen- reduziert die Wundkontraktion, die Epithelre- wasserstoffe aus Tabakrauch aktiviert. Infolge- generation und die Produktion von extrazellu- dessen ist die Wirkung verschiedener ge- lärer Matrix. Durch diese Störungen des nor- bräuchlicher Anästhetika bei Rauchern verän- malen Wundheilungsverlaufs steigt die Infekti- dert, was eine andere Dosierung, als sie bei onsgefahr und die Wundheilung verzögert Nichtrauchern eingesetzt wird, erforderlich sich (29, 30). macht. So benötigen Raucher höhere Dosen Auch die Knochenheilung nach Brüchen und von Fentanyl und Vecuronium und postopera- Operationen wird durch das Rauchen beein- tiv mehr Opioide und Dextropropoxyphen trächtigt. Dabei kommen zum einen die glei- (32). chen Mechanismen zum Zuge, die auch die Wundheilung stören. Darüber hinaus schädigt Tabakrauch die Osteoblasten. Raucher haben Auswirkungen des Rauchens auf ein erhöhtes Risiko für Osteoporose; Knochen- den Operationserfolg verletzungen verheilen bei ihnen langsamer als bei Nichtrauchern. Bei Rauchern dauert es Die genannten pathophysiologischen Wirkun- drei Monate, um einen Zentimeter Knochen gen der zahlreichen Substanzen aus Tabak- aufzubauen, bei Nichtrauchern geschieht dies rauch führen nicht nur dazu, dass für Raucher innerhalb von nur zwei Monaten (31). in der Anästhesie anders dosiert werden muss, sondern Raucher erleiden auch häufiger als Nichtraucher perioperative Komplikationen.
Transplantationsmedizin M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert 110 2011, 23. Jahrgang Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation ABBILDUNG 4: Auswirkungen des Rau- chens auf den Operations- erfolg. Quellen: Theadom A et al. 2006, Tønnesen H et al. 2009, Thomsen T et al. 2010. Darstellung: Deut- sches Krebsforschungszen- trum Heidelberg, Stabsstel- le Krebsprävention, 2011. Dazu gehören insbesondere eine beeinträch- Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass ei- tigte Wundheilung, Wundinfektionen und kar- ne präoperative Tabakrauchexposition sowohl diopulmonale Komplikationen (14, 15) (Abbil- von Organspendern als auch von Organemp- dung 4). fängern zu einer Beschleunigung der Absto- So haben Raucher in Abhängigkeit von der Hö- ßungsreaktion, zu erhöhten Raten vaskulärer he ihres Zigarettenkonsums ein rund dreimal Entzündungen und zu mehr Transplantatver- so hohes Risiko für eine verzögerte Wundhei- lusten führen kann (36). Bemerkenswert ist bei lung wie Nichtraucher. Bei ihnen treten Infek- diesen Ergebnissen auch die Bedeutung der tionen und Wundruptur häufiger auf, sie haben Tabakrauchexposition des Spenderherzens für in Abhängigkeit von der Anzahl der täglich ge- die Prognose der Transplantation. Auch bei rauchten Zigaretten ein etwa drei- bis sechs- Lungen- und Herz-Lungentransplantationen mal so hohes Risiko für eine Wund- und Lap- beim Menschen wurde festgestellt, dass Trans- pennekrose, ein rund dreimal so hohes Risiko plantatempfänger von rauchenden Organ- für eine Anastomoseninsuffizienz und ein vier- spendern länger auf der Intensivstation ver- mal so hohes Risiko für eine Narbenhernie (30). weilen und ein fast doppelt so hohes Risiko ha- Das Risiko für pulmonale Komplikationen ist ben, innerhalb der ersten drei Monate nach der bei Rauchern rund sechsmal so hoch wie bei Transplantation zu versterben. Auf die langfris- Nichtrauchern. Daneben benötigen Raucher tige Überlebensrate hatte es allerdings keinen häufiger als Nichtraucher eine postoperative Einfluss, ob der Spender Raucher oder Nicht- Intensivbehandlung (13, 33). raucher war (37). Bei thorakalen Transplantationen sollte daher jegliches perioperative Risiko minimiert wer- Auswirkungen des Rauchens auf den. Neben einem Rauchstopp mindestens sechs Monate vor Aufnahme auf die Warteliste thorakale Transplantationen sollte eine engmaschige Nachsorge mit Bera- Neben den bereits genannten Operationskom- tung zur Aufrechterhaltung der Tabakabsti- plikationen wirkt sich Rauchen den wenigen nenz gewährleistet sein. Des Weiteren sollte zu diesem Thema vorliegenden Studien zufol- geprüft werden, inwieweit bei der Herz- und ge auch negativ auf den langfristigen Erfolg Lungenspende auf Organe von langjährigen von Transplantationen aus. So erhöht präope- Tabakkonsumenten verzichtet werden kann, rativer Tabakkonsum das Risiko von Herztrans- um die Prognose thorakaler Transplantationen plantierten für die Entstehung einer renalen weiter zu verbessern. Dysfunktion (34). Die Wiederaufnahme des Ta- bakkonsums nach einer Herztransplantation erhöht die Mortalität an kardialer Allograft- Vorteile eines Rauchstopps Vaskulopathie sowie an malignen Tumoren (8, 9, 35) und verkürzt die Überlebenszeit nach ei- Die hier dargestellten negativen Wirkungen ner Herztransplantation um rund vier Jahre (8). des Rauchens auf den Erfolg von Operationen
M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert Transplantationsmedizin Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation 2011, 23. Jahrgang 111 und Transplantationen sowie auf die Lebens- Rauchstopp benennen. Eindeutig ist jedoch: qualität und -dauer des Patienten machen die Ein Rauchstopp sollte mindestens vier bis acht Notwendigkeit eines präoperativen Rauch- Wochen vor einer Operation stattfinden, um ei- stopps deutlich. Dabei gilt: Ein Rauchstopp soll- nen deutlichen Effekt zu erzielen, wobei die te so früh wie möglich vor einem operativen Wirkung umso besser ist, je länger der präope- Eingriff stattfinden (38). Denn zwar verbessert rative rauchfreie Zeitraum ist. Die internationa- sich durch einen Rauchstopp die Sauerstoff- len Leitlinien der International Society for He- versorgung schon innerhalb von zwölf Stun- art and Lung Transplantation setzen für Lun- den, die meisten physiologischen Vorgänge, gentransplantationen eine sechsmonatige Ta- die durch das Rauchen beeinträchtigt werden, bakabstinenz voraus (6). Sollte rauchenden Pa- brauchen aber mehrere Wochen, um sich zu er- tienten ein langfristiger Rauchstopp nicht holen. So regeneriert sich das Immunsystem möglich sein, hat selbst ein Rauchstopp kurz innerhalb von vier bis sechs Wochen nach ei- vor einer Operation, wahrscheinlich aufgrund nem Rauchstopp. Die Produktion von Bronchi- des Rückgangs von Nikotin und Kohlenmono- alsekret und die mukoziliäre Clearance sowie xid im Blut, noch eine gewisse Wirkung. Sogar die Lungenfunktion erholen sich innerhalb von ein postoperativer Rauchstopp kann sich des- sechs bis acht Wochen (14, 33). Infolgedessen halb positiv auf die postoperative Prognose treten weniger pulmonale Komplikationen auf, auswirken (13, 15, 39). Allerdings verringert nur wenn der Patient mindestens acht Wochen vor ein vollständiger Rauchverzicht das Risiko für einer Operation mit dem Rauchen aufgehört Komplikationen. Lediglich die Menge der ge- hat (14, 33, 39). Die Wundheilung verbessert rauchten Zigaretten zu reduzieren, zeigt keine sich bereits dann, wenn der Rauchstopp min- Wirkung (41) (Abbildung 5). destens vier Wochen präoperativ durchgeführt Trotz der Reduzierung der perioperativen wurde (14, 39). Komplikationen infolge eines verhältnismäßig Nach einer aktuellen Metaanalyse von Mills et kurzfristigen Rauchstopps sind aufgrund der al. (2011) auf der Basis von elf einbezogenen Gesamtprognose und der Organknappheit vor Studien erhöht präoperativer Tabakkonsum Aufnahme auf die Warteliste für thorakale die perioperative Komplikationsrate. So erlit- Transplantationen eine frühzeitige Nikotinabs- ten 32 Prozent der Raucher, die bis zur Operati- tinenz und deren regelmäßige Überprüfung on oder wenige Tage davor weiterrauchten, angeraten. und 22 Prozent der Raucher, die mehrere Wo- chen vor der Operation das Rauchen aufgege- ben hatten, irgendeine perioperative Kompli- Maßnahmen durch das kation. Auf der Basis von sieben Studien konn- Transplantationsteam te zudem gezeigt werden, dass im Gegenzug die Raucherentwöhnung die Komplikationsra- In der Regel sind eine Operation und insbeson- te senkt: So wiesen 20 Prozent der Raucher und dere eine Transplantation eine sehr gute Gele- 15 Prozent der Exraucher pulmonale Komplika- genheit für einen Rauchstopp, weil sie eine tionen auf (40). große Motivation für eine Änderung gesund- Anhand der aktuellen Studienlage lässt sich heitsrelevanten Verhaltens darstellt (teachable derzeit kein optimaler Zeitpunkt für einen moment). Da bereits die Diagnose einer tabak- ABBILDUNG 5: Wirkungen eines präoperativen Rauchstopps und einer Rauchre- duktion auf perioperative Kompli- kationen. Quelle: Møller AM et al. 2002. Darstellung: Deutsches Krebsforschungszentrum Heidel- berg, Stabsstelle Krebsprävention, 2011.
Transplantationsmedizin M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert 112 2011, 23. Jahrgang Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation assoziierten Erkrankung die Bereitschaft für ei- nen Rauchstopp erhöht, sollte dies auch für ei- ne Transplantation gelten (42). So möchten rund 50 bis 60 Prozent der Raucher, die einen Arzt aufsuchen oder in einer Klinik behandelt werden, mit dem Rauchen aufhören, wobei der Anteil unter Rauchern mit kardiovaskulären Er- krankungen besonders hoch ist (12, 43), und 50 Prozent der Lungenkrebspatienten haben Inte- resse an einem Tabakentwöhnungsprogramm (44). Bei größeren operativen Eingriffen und bei tabakbedingten Erkrankungen besteht ei- ne besonders große Motivation (45), die durch die Möglichkeit zur Aufnahme auf eine Organ- warteliste weiter gesteigert werden kann. Die Forderung nach einer sechsmonatigen Tabak- abstinenz kann motivierend wirken und rau- chende Patienten anspornen, umgehend mit dem Rauchen aufzuhören, um möglichst schnell die Option zur Organspende zu erhal- ten. Ärzte sollten ihre Patienten, insbesondere COPD-Patienten, frühzeitig über diese Thera- pieoption und deren Grundbedingungen auf- klären und eine Raucherentwöhnung in die Wege leiten, um im Fall der Ausschöpfung aller anderen Therapieoptionen eine möglichst frühzeitige Transplantation über die schnelle Aufnahme auf die Warteliste zu ermöglichen. Daher sollte jeder Arzt bereits bei der Erstdiag- nostik unbedingt einem kurzen dreistufigen Modell (Abbildung 6) folgen und jeden Patien- ten nach seinem Rauchverhalten fragen, rau- chenden Patienten einen Rauchstopp drin- gend empfehlen und ihnen die Nutzung quali- fizierter Tabakentwöhnungsmaßnahmen na- helegen. Geeignete Tabakentwöhnungsmaß- nahmen sind eine wirksame Unterstützung bei ABBILDUNG 6: einem Rauchstopp und erhöhen die Wahr- Empfohlene Kurzberatung von Rauchern. Dar- scheinlichkeit, langfristig rauchfrei zu bleiben, stellung: Deutsches Krebsforschungszentrum von 7 Prozent bei nicht unterstützten Rauch- Heidelberg, Stabsstelle Krebsprävention, 2011. stopps auf bis zu 30 Prozent mit Unterstützung (46). Bei stark abhängigen Patienten kann eine Nikotinersatztherapie in Erwägung gezogen der an, zumindest gelegentlich zu rauchen. Da- werden (38). Sobald die entwöhnten Patienten bei ist das Risiko, den Tabakkonsum wieder auf- auf die Warteliste aufgenommen wurden, soll- zunehmen, umso höher, je kürzer vor der Trans- te eine aktive Rückfallprophylaxe im Rahmen plantation der Patient aufgehört hat zu rau- der regelmäßigen ambulanten Kontrollunter- chen (7, 8, 47). Auch nach Lungentransplanta- suchungen an den Transplantationszentren tionen nehmen einer Studie zufolge rund 10 stattfinden. Unter Umständen muss sogar eine Prozent der Transplantierten den Tabakkon- Transplantation verschoben werden, um rück- sum innerhalb eines Jahres wieder auf (10). Da fälligen Patienten die Möglichkeit zu geben, insbesondere Patienten mit thorakalen Trans- endgültig mit dem Rauchen aufzuhören, damit plantationen eine engmaschige Nachsorge mit sie auch wieder zur Transplantation berechtigt starker Anbindung an ein Transplantationszen- sind. trum benötigen, sollte deshalb eine regelmäßi- Nach erfolgreicher Transplantation ist es wich- ge Rückfallprophylaxe Teil der Standardvorge- tig, den Patienten, die aufgrund einer Trans- hensweisen der medizinischen und pflegeri- plantation mit dem Rauchen aufgehört haben, schen Transplantationsnachsorge sein. Da ein auch nach dem Eingriff weiterhin beratend zur rauchfreies Umfeld den Rauchstopp erleich- Seite zu stehen und in ihrem Rauchverzicht zu tert, sollten zudem die Transplantationszen- bestärken. Denn die Gefahr eines Rückfalls ist tren unbedingt vollständig rauchfrei sein. groß: Rund 20 bis zu 40 Prozent der Patienten, Eine kurze Raucherberatung ist effektiv und die vor einer Herztransplantation den Tabak- benötigt im klinischen Ablauf nur einen gerin- konsum beendet haben, fangen danach wie- gen Zeitaufwand. Wichtig ist dabei, dass jeder
M. Pötschke-Langer, K. Schaller, N. K. Schneider, S. Kahnert Transplantationsmedizin Rauchen als prä- und postoperativer Risikofaktor bei Patienten mit thorakaler Organtransplantation 2011, 23. Jahrgang 113 doctors. Eur J Cardiovasc Prev Rehabil 18 (2): 334- behandelnde Arzt den Patienten gleich bei der 41 Indikationsstellung zur Operation auf die Vor- 13. Thomsen T,Villebro N, Møller AM (2010) Interven- teile eines Rauchstopps hinweist und ihn an ei- tions for preoperative smoking cessation. Coch- ne qualifizierte Tabakentwöhnungsmaßnahme rane Database Syst Rev (7): CD002294 verweist. Eine solche Kurzberatung hat eine 14. Tønnesen H, Nielsen PR, Lauritzen JB, Møller AM weitreichende Wirkung, weil sie schwerwie- (2009) Smoking and alcohol intervention before gende Komplikationen, die dem Gesundheits- surgery: evidence for best practice. Br J Anaesth system hohe Kosten verursachen können, zu 102 (3): 297-306 vermeiden hilft. Darüber hinaus wirkt sich ein 15. 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