Räuschling - Weingut Besson-Strasser
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Räuschling Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Siffert /weinweltfoto.ch Nicht nur an der «Zürcher Goldküste», sondern auch im schon zum Kanton St. Gallen gehörenden Rapperswil- Jona (im Bild) zeigt sich der Räuschling heute in Hochform. ! " «Suurgörpsler» schimpften sie ihn. Und Winzer, die ihm die Treue hielten, wurden als realitätsfremde Nostalgiker belächelt. Doch mit den letzten Jahr-gängen erlebt die Zürcher Ursorte Räuschling definitiv ihre Auferstehung als zeitgenössischer Topwein. Und offenbart dabei eine verblüffende Vielfalt. So gibt es den Räuschling heute als geradlinig-knackigen Schaumwein, als sortentypisch-eigenständigen Cru aus dem Stahltank mit floraler Finesse, während er behutsam im Holz ausgebaut mehr und mehr eine burgundische Dimension offenbart. «It’s Räuschling Time!» Die Walliser haben den Petite Arvine. Die Herrschäftler Winzer den Completer. Wenn Schweizer Winzer mit weissen Crus für Furore sorgen, dann zunehmend mit alteingesessenen Sorten. Ob der Räuschling in Zürich auch die Klasse und das Profil hat, um in dieser Topliga mitzuspielen, wurde lange bezweifelt. Doch die VINUM-Verkostung von Räuschling-Crus aus den Jahrgängen 2019 und 2018 beweist klar: Wenn es gelingt, die Wüchsigkeit der Rebe zu zügeln, und die Weine behutsam auf der Hefe ausgebaut werden, entstehen mehr und mehr Top-Crus, selbst in so unterschiedlichen Jahren wie 2019 und 2018. Wobei niemand bestreitet, dass auch die globale Erwärmung mitgeholfen hat, dass der Räuschling nun in der Deutschschweiz in der idealen Klimazone wächst. Das war vor hundert Jahren noch ganz anders. Weine mit 60 Grad Öchsle und horrenden 12 Gramm Säure konnten einem durchaus die Füllungen aus den Zähnen spülen. Immerhin erwiesen sich diese Ur-Räuschlinge als überaus lagerfähig. Die Familie Schwarzenbach in Meilen fand 1976 bei der Räumung eines Hauses rund 800 Flaschen Räuschling der Jahrgänge 1895 bis 1917, die sie im Rahmen von Raritätenproben wiederholt einigen Winzerkollegen und Journalisten präsentierten. Und siehe da: Die Methusalems zeigten sich dank ihrer horrenden Säure verblüffend lebendig. Trotzdem erlebte die Sorte am Zürichsee einen jahrzehntelangen Niedergang. Mitte der 60er Jahre war Hermann III. Schwarzenbach fast der einzige Winzer, der mit 0,5 Hektar noch eine nennenswerte Räuschling-Fläche bewirtschaftete und erntete dafür mitunter Hohn und Spott von Winzerkollegen. In den 70er Jahren predigten die Fachleute im Weinbauzentrum Wädenswil, man müsse dem Räuschling seine charakteristische Säurespitze brechen, um ihn konsumentenfreundlicher zu trimmen, etwa mit einer gezielten Entsäuerung im Saftstadium. So entstanden zunehmend «Schlafsocken»-Weine ohne eigenständigen Charakter. «Finetuning» im Anbau
Die Auferstehung folgte in den letzten 20 Jahren. Das Erfolgsrezept ist nach Meinung von Hermann III. «Stikel» Schwarzenbach im Prinzip einfach: «Es gilt, die Veranlagung der Sorte zu viel Wüchsigkeit gezielt zu bremsen. Lässt man den Räuschling gewähren, entwickelt er riesige Trauben, deren aussenliegende Beeren zwar 85 Grad Öchsle erreichen, während die Beeren im Zentrum gerade mal 50 Grad Öchsle aufweisen», sagt er. Der Anbau der Sorte auf kargen, nährstoffarmen Böden könne dem entgegenwirken. Bei eher schwereren Böden helfe eine dauerhafte Begrünung als Konkurrenz zur Rebe, der Verzicht auf jegliche Düngung und eine Ertragsreduktion durch das Halbieren der Trauben. Im Kanton Zürich wächst der Räuschling vorwiegend auf Sandstein, kiesigem Nagelfluh und tonigem Lehm. Dass die Bodentypen den Wein individuell prägen, glaubt «Stikel» Schwarzenbach nicht: «Der Räuschling bringt Terroirunterschiede nicht so subtil in die Flasche wie der Pinot Noir. Wichtig ist der Bodentyp einzig bezüglich seines Einflusses auf die Wüchsigkeit.» Das Weingut Schwarzenbach in Meilen am Zürichsee, heute in fünfter Generation von Alain Schwarzenbach geführt, gilt als Wegbereiter der Räuschling-Renaissance. Stahl oder Holz? Mit einer Räuschling-Rebfläche von drei Hektar dürfen sich Marilen Muff und Alain Schwarzenbach, die das Traditionsweingut in Meilen nun in fünfter Generation führen, als das grösste Räuschling-Weingut der Welt bezeichnen. Nur 13 Kilometer weiter östlich am See, aber bereits im Kanton St. Gallen, befindet sich der inzwischen zweitgrösste Räuschling-Produzent der Welt, nämlich das Weingut Höcklistein von Thomas Schmidheiny. Betriebsleiter Andreas Stössel und sein Team haben in den letzten Jahren alle traditionellen Räuschling-Parzellen neu und vor allem dichter bestockt und auch zusätzliche Rebberge mit der Sorte bepflanzt, so dass nun total 2,3 Hektar mit der Ursorte im Ertrag stehen. Die spektakulären Terrassen-Lagen mit ihren kargen, kalkhaltigen Nagelfluh-Böden sind das perfekte Terroir für die Sorte. Die beiden führenden Räuschling-Produzenten geben auch qualitativ mit den Ton an, wenn auch mit völlig unterschiedlichen Konzepten. Die Schwarzenbachs pflegen die klassische Schule, will heissen Stahltank-Ausbau mit Säureabbau (mit Ausnahme in sehr heissen Jahren wie 2015 oder 2018) und langem, rund sechsmonatigem Ausbau auf der Hefe. Die ergibt reichhaltige, gut strukturierte und animierende Weine mit floralen und gelbfruchtigen Noten. Im Weingut Höcklistein werden die drei Räuschling-Selektionen heute ohne Säureabbau vinifiziert, aber ebenfalls mit langem Ausbau auf der Hefe. Und die Topselektion aus der Einzellage «Äfenrain» wird in 450 Liter fassenden Tonneaux vergoren, um danach im Stahltank weitere 15 Monate auf der Vollhefe zu reifen. So entsteht ein hochkomplexer, aber doch beschwingter Wein mit viel Finesse und Schmelz. Auch Mathias Bechtel in Eglisau und die Winzerei zur Metzg von Patrick Thalmann im Zürcher Weinland bauen ihre Top-Räuschlinge im Holz aus. Diese durchwegs sehr hochwertigen Crus offenbaren eine neue, an das Burgund erinnernde Dimension der Sorte. Eine ganz ähnliche Tendenz zeigten übrigens auch die zwei flaschenvergorenen Schaumweine in diesem Tasting. Sie erinnern an edle Blancs de Blancs aus der Champagne! Dass in der
Räuschling-Szene heute so viel Dynamik herrscht wie nie zuvor, zeigt sich übrigens auch in geographischer Hinsicht. Galt bisher ganz eindeutig der Zürichsee als der qualitative Hotspot, so wachsen nun auch immer mehr Top-Crus im Weinland und im Unterland. Top 5 Räuschling RANG BESCHREIBUNG 1 18,5/ 20 St. Gallen AOC Räuschling Äfenrain, 2019 St. Gallen, Deutschschweiz, Schweiz PUNKTE Höcklistein 2 Zürich AOC Räuschling, 2018 18,0/ 20 Zürich, Deutschschweiz, Schweiz PUNKTE Bechtel-Weine 3 Zürichsee AOC Räuschling R3, 2019 17,5/ 20 Zürich, Deutschschweiz, Schweiz PUNKTE R3 - Rütihof - Lüthi - Schwarzenbach 4 Zürichsee AOC Räuschling Seehalden, 2019 17,5/ 20 Zürich, Deutschschweiz, Schweiz PUNKTE Schwarzenbach Weinbau 5 Zürich AOC Räuschling vom Rheinfall, 2018 17,5/ 20 Zürich, Deutschschweiz, Schweiz PUNKTE Weingut Besson-Strasser Diese Reportage finden Sie in der Ausgabe 09 | 2020
In ihrem Archiv liegen Räuschling-Raritäten mit Jahrgängen, die bis ins Jahr 1895 zurückreichen und noch immer Trinkgenuss versprechen.
Name Überlieferungen zufolge hat die Sorte ihren Namen wegen ihres robusten Laubwerks bekommen, das bei kräftigem Wind zu rauschen beginnt. Herkunft Der Räuschling ist höchstwahrschein–lich eine natürliche Kreuzung zwischen den Ursorten Gouais Blanc und Savagnin. 1546 erstmals schriftlich erwähnt, war er vor allem in Rheinland- Pfalz und Württemberg verbreitet, aber auch im Elsass und der Nordschweiz. Heute konzentriert sich der Anbau auf den Kanton Zürich und angrenzende Gebiete. Ursprünglich wurde der Räuschling im Gemischten Satz zusammen mit Completer und Elbling angebaut, um mehr Sicherheit bezüglich der Erträge zu gewährleisten. Anbaufläche War der Räuschling in Zürich noch in den 60er Jahren vom Aussterben bedroht, so hat die Sorte in den letzten Jahren kontinuierlich wieder an Bedeutung gewonnen. Gegenwärtig sind in der Schweiz rund 26 Hektar mit Räuschling bestockt, davon entfallen mehr als 20 Hektar auf den Kanton Zürich. Das Zentrum des Räuschling-Anbaus ist der Zürichsee mit rund 14 Hektar. Hefe 1895 Nach einer Verkostung eines 1895er-Räuschlings aus dem Keller des Weingutes Schwarzenbach in Meilen im Jahr 2008 gelang es Jürg Gafner von der Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil, aus den Resten des Weines lebende Hefestämme (Saccharomyces cerevisiae) zu isolieren und nach 113-jährigem Dornröschenschlaf wiederzuerwecken. Die heute im Handel erhältliche Hefe gilt wegen ihres neutralen Charakters als ideal für die Vinifikation des Räuschlings. Eigenschaften Die Sorte gilt als schwierig im Anbau, vor allem weil die Veranlagung zur starken Wüchsigkeit gebremst werden muss. Die Beeren können innerhalb der oft sehr grossen Traube unterschiedliche Zuckergradationen aufweisen. Bei regnerischem Herbstwetter platzen die Beerenhäute, was zur erhöhten Fäulnisgefahr führt. Foodpairing Klassisch im Stahltank vinifiziert harmoniert der Räuschling besonders zu Trockenfleisch, Wurstspezialitäten, Käse und Vorspeisen (auch Tapas) aller Art sowie zu Meeresfrüchten und gebratenem Fisch. Im Holz ausgebaut harmoniert er auch zu komplexen Fischgerichten mit Saucen und Fleischgerichten aus Geflügel und Kalb.
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