RECHENZENTREN IN EUROPA - CHANCEN FÜR EINE NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG

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RECHENZENTREN IN EUROPA - CHANCEN FÜR EINE NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung   1

          RECHENZENTREN IN EUROPA –
          CHANCEN FÜR EINE
          NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG
          Teil 2
          Stand: 10. November 2020

          Ralph Hintemann
          Simon Hinterholzer
          Jens Clausen
RECHENZENTREN IN EUROPA - CHANCEN FÜR EINE NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung

IMPRESSUM

Autoren / Autorinnen
Dr. Ralph Hintemann (Borderstep Institut) | hintemann@borderstep.de
Simon Hinterholzer (Borderstep Institut) | hinterholzer@borderstep.de
Dr. Jens Clausen (Borderstep Institut) | clausen@borderstep.de

Zitiervorschlag
Hintemann, R.; Hinterholzer, S; Clausen, J. (2020). Rechenzentren in Europa – Chancen für eine
nachhaltige Digitalisierung – Teil 2. Berlin: Borderstep Institut.

Titelbild
Heinrich Holtgreve/OSTKREUZ

Auftraggeber
eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.

Mit freundlicher Unterstützung
von Vodafone Institut
RECHENZENTREN IN EUROPA - CHANCEN FÜR EINE NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung

INHALTSVERZEICHNIS

Einordnung und Abgrenzung der vorliegenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

3 Rahmenbedingungen für Rechenzentren in Deutschland und Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4 Abwärmenutzung aus Rechenzentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

5 Zusammenfassendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

6 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

7 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
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EINORDNUNG UND ABGRENZUNG DER
VORLIEGENDEN UNTERSUCHUNG

Der vorliegende Bericht ist der zweite Teil einer         zentren ermittelt und dargestellt werden. Für den
Borderstep-Studie im Auftrag des eco – Verband            vorliegenden Bericht wurde neben umfangreichen
der Internetwirtschaft e.V., die sich mit den Nach-       Recherchen (Desk Research) auch eine Delphi-Befra-
haltigkeitswirkungen von Rechenzentren befasst. Im        gung von europäischen Rechenzentrumsexperten
ersten Teil der Untersuchung wurde die Bedeutung          durchgeführt. In zwei Befragungsrunden wurden 70
des Energie- und Ressourcenbedarfs und weiterer           Experten aus Industrie, Verwaltung, Wissenschaft
Nachhaltigkeitswirkungen der Rechenzentren in             und Politik befragt. Zudem wurden mit zehn aus-
Europa dargestellt und die Entwicklung von Ener-          gewählten Experten detaillierte Interviews geführt.
gieeffizienz, Energiebedarf und Treibhausgasemis-           Um die identifizierten Potenziale und Handlungs-
sionen der Rechenzentren in Europa ermittelt. Der         möglichkeiten für einen nachhaltigen Rechenzent-
erste Teil der Studie lieferte damit die Grundlagen für   rumsbetrieb zu illustrieren, werden im Bericht sechs
den vorliegenden Bericht, in dem die Potenziale von       Best-Practice-Beispiele vorgestellt. Aufgrund der
Technologien und organisatorischen Handlungsop-           Vielzahl der betrachteten technologischen Ansätze
tionen zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur        zur Steigerung der Nachhaltigkeit von Rechenzentren
Senkung der Treibhausgasemissionen in Rechen-             ist dem Bericht ein umfangreiches Glossar angefügt.
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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Expertenbefragung – Effizienzentwicklung der IT in der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Abbildung 2: Delphi-Befragung – Zukünftige Entwicklung des Energiebedarfs von
Rechenzentren in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Abbildung 3: Bereitstellungsmodell für Rechenzentrums- und Cloud-Dienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Abbildung 4: Delphi-Befragung – Einschätzung der Einsparpotentiale von Treibhausgasemissionen
in den Technologiebereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Abbildung 5: Borderstep-Technologieradar Kühlung und Klimatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Abbildung 6: Borderstep-Technologieradar Energieversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Abbildung 7: Borderstep-Technologieradar Architekturen und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Abbildung 8: Borderstep-Technologieradar IKT-Hardware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Abbildung 9: Technologiefelder, für die ein staatliches Handeln als erforderlich angesehen wird . . . . . . . . . . . . 21

Abbildung 10: Energiekosten für ein Rechenzentrum mit 5 MW mittlerer Leistung im Jahr in Europa . . . . . . . . 24
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1          EINLEITUNG

            Leistungsfähige und effiziente Rechenzentren sind            tät in Rechenzentren führt voraussichtlich – wie der
            die notwendige Voraussetzung für eine auf Nachhal-         erste Teil der Studie gezeigt hat – trotz weiter deut-
            tigkeit ausgerichtete Digitalisierung. Dieser Sachver-     lich steigender Energieeffizienz zu einem moderaten
                                           halt ist eine wesentliche   Anstieg des Energiebedarfs. Während im Zeitraum
                                           Erkenntnis des ersten       von 2010 bis 2020 der Energiebedarf der Rechen-
    Rechenzentren bieten viel-             Teils dieser Studie zu      zentren in Europa um 55% auf 87 TWh/a angestie-
    fältige Chancen für mehr               den Nachhaltigkeitsef-      gen ist, wird für das kommende Jahrzehnt nur noch
    Nachhaltigkeit – Als Basis-            fekten von Rechenzen-       ein Anstieg auf 98 TWh/a (+ 13%) prognostiziert
    infrastruktur der Digita-              tren, der im Mai 2020       (Hintemann & Hinterholzer, 2020). Aufgrund des zu-
    lisierung sind leistungs-              veröffentlicht wurde.       nehmenden Einsatzes regenerativer Energien bei der
    fähige und nachhaltige                 Teil 1 der Studie gibt      Stromerzeugung sinken die CO2-Emissionen der Re-
    Rechenzentren notwendig,               einen Überblick über        chenzentren in Europa insgesamt. Individuell können
    um künftig mehr Klima-                 die aktuellen und zu        Betreibende von Rechenzentren bereits heute z.B.
    schutz und Nachhaltigkeit              erwartenden künftigen       über Power Purchase Agreements (PPAs) die Strom-
    zu erreichen.                          Nachhaltigkeitswirkun-      versorgung ihrer Rechenzentren klimaneutral stellen.
                                           gen von Rechenzentren.      Wie in einer Gesamtbetrachtung der CO2-Emissionen
                                           Im zweiten Teil der         der Rechenzentren die unterschiedlichen regionalen
            Untersuchung werden Ansatzpunkte und Handlungs-            Voraussetzungen (z.B. Atomstrom in Frankreich,
            möglichkeiten untersucht, wie die Rechenzentren            Strom aus Wasserkraft in Nordeuropa) bewertet
            in Zukunft noch nachhaltiger werden können. Die            werden können, stellt eine große Herausforderung
            Ergebnisse dieses zweiten Teils werden mit dem vor-        dar. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Ziele
            liegenden Dokument vorgestellt.                            der EU-Kommission, Rechenzentren und Telekom-
                                                                       munikationsnetze bis 2030 klimaneutral zu betreiben
            Die zunehmende Digitalisierung führt zu einem deut-        (siehe Kapitel 3).
            lich ansteigenden Bedarf an Rechen- und Speicher-
            leistung und damit zu einem verstärkten Ausbau der         Trotz der schon erreichten Erfolge bei der Steigerung
            Rechenzentrumsinfrastruktur. Dieser Ausbau erfolgt         der Energieeffizienz und der Absenkung der CO2-
            sowohl in großen zentralen Cloud- und Colocation-          Emissionen der Rechenzentren ist es auch künftig
            Rechenzentren als auch dezentral in Hybrid Rechen-         geboten, die Anstrengungen zur Verringerung des
            zentren oder Edge Rechenzentren (Hintemann &               ökologischen Impacts der Digitalisierung zu ver-
            Hinterholzer, 2020; Mordor Intelligence, 2020). Für        stärken. Wie Kapitel 2 dieses Berichts zeigt, stehen
            eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Digitalisierung      hierzu eine Vielzahl technologischer und organisato-
            ist ein Ausbau der digitalen Infrastrukturen zwin-         rischer Ansätze zur Verfügung. In den allermeisten
            gend notwendig. Nur mit Hilfe der Digitalisierung          Fällen werden diese Ansätze aus Eigeninteresse in
            kann es gelingen, Industrieprozesse effizienter und          der Rechenzentrumsbranche schnell umgesetzt.
            ressourcenschonender zu gestalten, Verkehrsströme          Zum einen bedeuten Energieeinsparungen gleich-
            zu verringern und die Energiesysteme klimaneutral          zeitig Kostensenkungen, zum anderen haben viele
            umzubauen. Das Rückgrat der Digitalisierung sind           Unternehmen der Digitalwirtschaft konkrete Ziele,
            die digitalen Infrastrukturen und in deren Zentrum         ihre Treibhausgasemissionen in den nächsten Jah-
            wiederum stehen die Betreibenden von Rechenzent-           ren sehr deutlich zu senken und setzten daher die
            ren in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen.             entsprechenden Maßnahmen meist schnell um.
                                                                       Im Rahmen dieser Untersuchung wurden aber auch
            Der mit der weiteren Digitalisierung einhergehende         Technologien und Handlungsfelder identifiziert, in
            steigende Bedarf an Rechen- und Speicherkapazi-            denen aufgrund von wirtschaftlichen, organisatori-
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1 Einleitung

schen oder regulatorischen Rahmenbedingungen            Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Bericht
die Durchsetzung neuer Lösungen nicht in dem aus        den Potenzialen der Abwärmenutzung aus Rechen-
Nachhaltigkeitssicht wünschenswerten Umfang er-         zentren gewidmet. Da hier hohe Potenziale zur
folgt. An diesen Stellen sind Ansatzpunkte für staat-   Steigerung der Nachhaltigkeit von Rechenzentren ge-
liches Handeln erkennbar. Kapitel 3 dieses Berichts     sehen werden, gerät dieses Themenfeld zunehmend
befasst sich mit dieser Fragestellung. Insbesondere     in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit. Auch
Technologien aus dem Bereich der Nutzung regene-        wenn eine Reihe von Praxisbeispielen die prinzipielle
rativer Energien und der Sektorkopplung setzen sich     Anwendbarkeit dieses Ansatzes in Rechenzentren
in Rechenzentren aufgrund der bestehenden Rah-          belegt, gibt es insbesondere in Deutschland noch
menbedingungen oft nicht durch. Weitere Hemm-           eine Vielzahl von Herausforderungen, denen begeg-
nisse beim Einsatz neuer Technologien bestehen          net werden muss. In Kapitel 4 wird dieses Themen-
oft im Zusammenhang mit der Modernisierung von          feld aufbereitet. Das abschließende Kapitel 5 zieht
Rechenzentren oder durch sich widersprechende           ein zusammenfassendes Fazit.
Kundenanforderungen.
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2   TECHNOLOGISCHE POTENZIALE
    ZUR VERRINGERUNG DES
    ENERGIEBEDARFS UND DER
    TREIBHAUSGASEMISSIONEN
    VON RECHENZENTREN

    Technologieentwicklung                                               bei ähnlichem Strombedarf immer leistungsfähiger.
    Kapitel 2 befasst sich mit technologischen Potenzialen               In Teil 1 der Untersuchung konnte gezeigt werden,
    zur Verringerung des Energiebedarfs von Rechenzent-                  dass sich der Energiebedarf bezogen auf die Rechen-
    ren. Die Energieversorgung von Rechenzentren basiert                 und Speicherleistung im vergangenen Jahrzehnt um
    fast ausschließlich auf elektrischen Strom. Damit sind               den Faktor sechs bis zwölf verringert hat (Hintemann
    die Treibhausgasemissionen des Betriebs von Rechen-                  & Hinterholzer, 2020). Dieser Trend ist vor allem auf
    zentren deutlich abhängig von der Art der Stromerzeu-                die zunehmende Miniaturisierung entsprechend dem
    gung. Die spezifischen CO2-Emissionen pro erzeugter                   Gesetz von Gordon E. Moore (Moore’sches Gesetz1)
    kWh Strom variieren in Europa sehr stark. Während sie                sowie der abnehmenden Leistungsaufnahme der
    aktuell in Norwegen unter 20 Gramm/kWh liegen, be-
    tragen Sie in Deutschland etwa 420 Gramm/kWh und
    in Polen etwa 600 Gramm/kWh (EEA, 2020).                             1
                                                                             Das Gesetz von Gordon E. Moore „Moore’s Law“ prognostiziert
                                                                             die jährliche Verdopplung von Komponenten auf Silizium Chips
                                                                             in einem Paper von 1965 (Moore, 1965). Im Jahr 1975 wurde die
    In der Vergangenheit wurde die IT-Hardware durch                         Prognose reduziert auf eine Verdopplung alle 18 Monate (Moore,
    die fortschreitende Entwicklung der Mikroelektronik                      1975), was bis Mitte der 10er Jahre dieses Jahrhunderts.

            Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung der IT-Energieefiizienz bis zum Jahr 2030 ein?

    45 %

    40 %

    35 %

    30%

    25 %

    20 %

    15 %

    10 %

     5%

     0%

              Höhere Effizienzgewinne           Gleiche Effizienzgewinne               Gewinne bei der Energie-           Keine der Optionen /
              in der Zukunft als in der       wie in der Vergangenheit             effizienz der IKT werden             kann ich nicht sagen
                   Vergangenheit                                                     deutlich abnehmen

    Abbildung 1: Expertenbefragung – Effizienzentwicklung der IT in der Zukunft
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2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

Einzelelemente (Transistoren) bei dieser Miniaturisie-                  Befragten an, dass die zukünftigen Effizienzgewin-
rung gemäß Robert H. Dennard2 zurückzuführen.                           ne vergleichbar mit denen der Vergangenheit sein
                                                                        werden, knapp 20% der Befragten gehen davon aus,
Aufgrund von physikalischen Grenzen der Verkleine-                      dass die Effizienzgewinne sogar noch höher sein
rung gehen viele Experten davon aus, dass sich diese                    werden. Nur etwa 8% der Befragten geben an, dass
Leistungssteigerungen und Effizienzgewinne gemäß                          sie erwarten, dass die Effizienzgewinne signifikant
dem Moore’schen Gesetz in Zukunft nicht mehr mit                        zurückgehen. Etwa ein Drittel der Befragten kann
der gleichbleibenden Geschwindigkeit realisieren                        oder will dazu keine Aussage machen.
lassen (Li, Su, Wong & Li, 2019; Peckham, 2012;
Waldrop, 2016). Es ist daher fraglich, ob über andere                   Während im Bereich der IT in den letzten Jahrzehn-
Mechanismen und Technologiewechsel in der Mikro-                        ten enorme Effizienzsprünge gelungen sind, hat
elektronik auch zukünftig Energieeffizienzfortschritte                    gleichzeitig der Bedarf an Rechen- und Speicherka-
wie in der Vergangenheit erreicht werden können.                        pazität noch stärker zugenommen. Dies führt dazu,
                                                                        dass – wie eingangs ausgeführt – trotz der Effizienz-
Aus diesem Grunde wurden in dieser Studie inter-                        gewinne der Energiebedarf von Rechenzentren in
nationale Experten und Betreibende von Rechenzen-                       Summe in der Vergangenheit gestiegen ist (Hinte-
tren im Rahmen einer Delphi-Untersuchung befragt,                       mann & Hinterholzer, 2020). Vor diesem Hintergrund
welche zukünftige Entwicklung von Energieeffizienz                        wurde in der Expertenbefragung auch die Einschät-
sie in der IT bis zum Jahr 2030 erwarten (siehe                         zung zur zukünftigen Entwicklung des Energiebe-
Abbildung 1). Mit ca. 42% gibt der größte Teil der                      darfs von Rechenzentren abgefragt. Mit über 60%
                                                                        gehen die meisten Experten davon aus, dass der
                                                                        Energiebedarf weiter steigen wird. 26,1% der Exper-
2
    Robert H. Dennard sagt bereits im Jahr 1974 in einem Paper vor-     ten nehmen an, dass der Energiebedarf von Rechen-
    aus, dass bei zunehmender Miniaturisierung die thermische Ver-
                                                                        zentren bis 2030 moderat ansteigen wird, 34,8%
    lustleistung von elektronischen Chips pro Fläche in etwa konstant
    bleibt, auch wenn die Anzahl der Komponenten pro Fläche stark       gehen hingegen davon aus, dass dieser signifikant
    zunimmt (Dennard et al., 1974).                                     ansteigen wird. Nur ca. 10,9% der Befragten gehen

                             Wie erwarten Sie, dass sich der Energiebedarf von Rechenzentren
                                         in Europa bis zum Jahr 2030 entwickelt?

40 %

35 %

30%

25 %

20 %

15 %

10 %

    5%

    0%

              Deutlicher              Mäßige                 In etwa          Moderater        Deutlicher      Kann ich nicht
              Rückgang               Rückgang               konstant           Anstieg          Anstieg         beantworten

Abbildung 2: Delphi-Befragung – Zukünftige Entwicklung des Energiebedarfs von Rechenzentren in Europa
RECHENZENTREN IN EUROPA - CHANCEN FÜR EINE NACHHALTIGE DIGITALISIERUNG
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                                                                                                                    10
2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

davon aus, dass der Energiebedarf in etwa gleich-                          Worst-Case-Szenario. Welcher Entwicklungspfad
bleiben wird. Von einem moderaten Rückgang des                             tatsächlich eintreten wird, ist von der künftigen
Energiebedarfs gehen 13,0% der Befragten aus, einen                        Technologieentwicklung abhängig. Im Folgenden
starken Rückgang erwarten nur 2,2% (ein Befragter).                        werden Technologien dargestellt, die einen deut-
Etwa 13% der Befragten konnten dazu keine Antwort                          lichen Einfluss auf die zukünftige Nachhaltigkeit von
geben. Ein Grund für die teilweise unterschiedlichen                       Rechenzentren haben können.
Einschätzungen der Experten sind vermutlich die un-
klaren weiteren Leistungsbedarfe in Rechenzentren
durch die voranschreitende Digitalisierung.                                Vier Technologiebereiche und besonders vielver-
                                                                           sprechende Technologien
Die Befragung zeigt, dass kein einheitliches Mei-                          Für die Prozesse im Rechenzentrum ist eine ganze
nungsbild bei den Experten existiert, wie sich der                         Palette an Technologien relevant, entsprechend viel-
Energiebedarf von Rechenzentren zukünftig entwi-                           seitig sind auch die technologischen Möglichkeiten
ckeln wird. Im Gesamtbild geht jedoch eine deutliche                       zur Steigerung der Nachhaltigkeit.
Mehrheit an Experten von einem steigenden Energie-
bedarf aus, wie dies auch im Teil 1 der Untersuchung                       Betrachtet man die physischen Elemente im Rechen-
für den Trendfall prognostiziert wird. Dass die Ent-                       zentrum, so lässt sich vor allem die Aufteilung in die
wicklung auch deutlich anders verlaufen kann, zeigen                       Bereiche Infrastruktur (Stromversorgung, Kühlung
die ebenfalls entwickelten Szenarien im ersten Teil                        und Klimatisierung, u.a.) sowie IT-Hardware treffen.
der Untersuchung. Die Spannweite der künftigen                             Aber auch die Software inklusive Virtualisierung,
Entwicklung des Energiebedarfs der Rechenzentren                           Architekturen und Management hat einen wesentli-
in Europa bis zum Jahr 2030 reicht von 54 TWh/a                            chen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Effizienz
im Effizienz-Szenario und bis zu 158 TWh/a im                                von Rechenzentren (siehe Abbildung 3).
              Anwendung

                                                 Daten, Anwendungen, Speicher
                                                                                                                                      Scheduling
            Plattfomren
 Software

                                                                                                                                                               Management (DCIM) Load Balancing, Scaling
                 OS,

                                        Betriebssysteme, Laufzeitumgebungen, Mittelware
                                                                                                                                                                                                           Migration
                                                                                                                                                                      Datacenter Infrastructure
                                                                                                                                      Management
              Hypervisor

                                           Virtualisierung (Server, Speicher, Netzwerk)
                                                                                                                                                                                                           Energiemanagement
                                                                                                                                      Routing, Traffic control
                                                                                          Klimatisierung, Kühlung
              RZ

                                                                                                                    Stromversorgung
                                                                 Beleuchtung, etc.
                                                                 Zugangsschutz,
                                                                   Brandschutz,
 Hardware

              Netzwerk

Abbildung 3: Bereitstellungsmodell für Rechenzentrums- und Cloud-Dienste
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                                        11
  2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
    Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

  Im Folgenden werden daher die Technologien, mit                              den Experten die            Sehr hohe Potenziale
  denen die Nachhaltigkeit von Rechenzentren in Zu-                            höchsten Einspar-           zur Verbesserung
  kunft gesteigert werden kann, anhand der folgenden                           potenziale gesehen          der Energieeffizienz
  vier Bereiche vorgestellt:                                                   (siehe Abbildung 4).        von Rechenzentren
  - Kühlung und Klimatisierung                                                 Diese Einschätzung          existieren bei der Kli-
  - Architektur, Management und Software                                       wurde in der zweiten        matisierung und beim
  - IKT-Hardware                                                               Runde der Delphi-Be-        Management der IT.
  - Stromversorgung                                                            fragung noch einmal
                                                                               bestätigt. Im direkten
  In der Expertenbefragung wurde ein Ranking für                               Vergleich mit dem Bereich Architekturen, Manage-
  diese Technologiebereiche hinsichtlich der Potenzia-                         ment und Software sahen 63,8% der Befragten
  le zur Einsparung von Energie durchgeführt. Dabei                            (n=69) die höchsten Energieeinsparpotenziale im
  wurden im Bereich Kühlung und Klimatisierung von                             Bereich Kühlung und Klimatisierung.

                                      Wie erwarten Sie, dass sich der Energiebedarf von Rechenzentren
                                                  in Europa bis zum Jahr 2030 entwickelt?
Höheres Potenzial

                    Kühlung und Klimatisierung    Architekturen, Management,                  IKT-Hardware                   Stromversorgung
                                                            Software

  Abbildung 4: Delphi-Befragung – Einschätzung der Einsparpotentiale von Treibhausgasemissionen in den Technologiebereichen

  In den vier Technologiebereichen gibt es jeweils eine                        Im Rahmen dieser Untersuchung können allein
  Vielzahl an Technologien, die einen Beitrag zur Sen-                         70 aussichtsreiche Technologien vorgestellt und
  kung des Energiebedarfs und damit zur Absenkung                              eingeordnet werden – von der freien Kühlung von
  der Treibhausgasemissionen von Rechenzentren                                 Rechenzentren bis hin zu lastaptiven Rechenzent-
  leisten können. Der Einfluss von Energiebedarfs-                              ren, in denen die Rechenlast zeitlich so verschoben
  senkungen auf die Treibhausgasemissionen ist in                              wird, dass sie dem Stromangebot angepasst werden
  Ländern mit verhältnismäßig hohen CO2-Emissionen                             kann.3
  in der Stromerzeugung wie z.B. in Deutschland be-
  sonders groß.                                                                3
                                                                                   Eine kurze Darstellung der 70 Technologien findet sich im Anhang
                                                                                   (Glossar).
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                             12
       2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
         Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

Es gibt eine Vielzahl von        Die Darstellung dieser                 in den vergangenen Jahren in einer Vielzahl von
technologischen Poten-           Technologien erfolgt im                Expertenworkshops und -befragungen analysiert und
zialen, den Betrieb von          Folgenden mit Hilfe von                bewertet (Hintemann & Hinterholzer, 2018a, 2018b).
Rechenzentren künftig            Borderstep-Technologiera-              Auch im Rahmen der Delphi-Befragung wurden ge-
noch nachhaltiger zu             daren. Dieses Instrument               zielt Einschätzungen zu den Technologien abgefragt.
realisieren.                     wurde am Borderstep
                                 Institut zur Darstellung               Im Bereich Kühlung und Klimatisierung wurden für
                                 von Energieeffizienztech-                vier Technologien besonders hohe Potentiale zur
       nologien für Rechenzentren im Jahr 2016 erarbeitet               Energieeinsparung und damit auch zur Senkung der
       und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Die                 Treibhausgase identifiziert. Diese Technologien sind
       Potenziale der verschiedenen Technologien wurden                 in Abbildung 5 gelb markiert.

       Abbildung 5: Borderstep-Technologieradar Kühlung und Klimatisierung

       In diesem Bereich ist insbesondere die Abwärme-                  ziente Entwärmung der Komponenten bei geringer
       nutzung von hoher Bedeutung, da die entstehende                  Durchströmung gegenüber großen Umluftmengen.
       Wärme in vielen Rechenzentren in Europa und in                   Durch die höhere Wärmekapazität und Dichte von
       Deutschland meist noch ungenutzt an die Umgebung                 Wasser müssen wesentlich kleinere Volumenströ-
       abgeführt wird. Das Thema wird deshalb in einem                  me für die Kühlung bewegt werden und die für den
       eigenen Kapitel aufgegriffen (Kapitel 4).                        Wärmetransport benötigte Energie ist um Größen-
                                                                        ordnungen geringer. Damit sind Energieeinsparungen
       In direktem Zusammenhang mit der Nutzung von                     im Bereich der Kühlung in der Größenordnung von
       Abwärme steht die Wasserkühlung ganzer Server.                   70% möglich. Andererseits ermöglicht das Medium
       Dabei wird die gesamte Wärme aller Serverkompo-                  Wasser auch höhere Abwärmetemperaturen, womit
       nenten über Wasser abgeführt. Dieser technologi-                 die Abwärmenutzung besonders attraktiv wird
       sche Ansatz weist insbesondere zwei Vorteile auf.                (Cloud&Heat, 2019).
       Einerseits ermöglicht Wasser eine sehr energieeffi-
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                        13
2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

Ebenso im Bereich der Kühlung wurde die bereits              gieintensive Kälteerzeugung mit Kompressionskälte-
weit eingeführte direkte freie Kühlung sowie die             anlagen zu verzichten. Gegenüber einer ganzjährigen
indirekte freie Kühlung als Effizienztechnologie               Kühlung eines Rechenzentrums mit Kompressions-
identifiziert, mit deren Hilfe die Energieeffizienz der         kältemaschinen ermöglichen Freikühltechnologien
Rechenzentren auch in Zukunft noch weiter ver-               Kühlenergieeinsparungen in der Größenordnung von
bessert werden kann. Hierbei erfolgt die Kühlung             40 bis 90% - abhängig von den klimatischen und
entweder über eine gereinigte Außenluft (direkte freie       technischen Rahmenbedingungen.
Kühlung) oder indirekt mit einem Zwischenmedium,
das entweder flüssig (z.B. Wasser) oder bewegt (z.B.          Im Bereich der Energieversorgung werden be-
Kyoto-Rad) die Wärme vom Rechenzentrum an die                sonders für zwei Technologien hohe Potentiale zur
Außenluft abgibt. Die Technologien ermöglichen es,           Einsparung von Energie und CO2 im Rechenzentrum
im Rechenzentrum ganz oder teilweise auf eine ener-          erwartet (Abbildung 6).

Abbildung 6: Borderstep-Technologieradar Energieversorgung

Einerseits stellen Brennstoffzellen eine interessante        Mit Hilfe von Technologien der Sektorkopplung und
Möglichkeit dar, um die bisher für die Unterbre-             der ganzheitlichen Integration von Rechenzentren in
chungsfreie Stromversorgung (USV) üblichen Diesel-           die verschiedenen Energiesektoren können diverse
aggregate durch einen abgasarmen bzw. im Fall von            Synergien für die Dekarbonisierung der Energiever-
Wasserstoff abgasfreien Stromerzeuger zu ersetzen.           sorgung erschlossen werden. Im Stromsektor kön-
Auch in Regionen mit sehr stabilen Stromnetzen wie           nen insbesondere Lastadaptivität sowie Regelleis-
Deutschland werden standardmäßig Testläufe der               tung z.B. aus den vorhandenen Notstromaggregaten
Notstromversorgung durchgeführt, um deren Funk-              oder den USV-Batterien genutzt werden. So stehen in
tionsfähigkeit zu testen. Dabei werden nicht unerheb-        Deutschland insgesamt mehr als 700 MW an Strom-
liche Mengen an Diesel verbrannt und Geräuschemis-           erzeugungsleistung in Rechenzentren zur Verfügung,
sionen erzeugt, weshalb eine Brennstoffzelle hier            die zur Stabilisierung des Stromnetzes genutzt wer-
eine saubere und leise Alternative darstellen kann.          den könnten (Hintemann & Clausen, 2018a). Auch im
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                            14
Best Practice

HEISSWASSERKÜHLUNG IM EUROTHEUM
FRANKFURT
Heißwasserkühlung macht Abwärmenutzung wirtschaftlich

                                                       Nachhaltigkeitsaspekte
                                                       - Effiziente direkte Kühlung mit Heißwasser
                                                       - Reduzierung der Stromaufnahme der Server um
                                                         ca. 10% durch Verzicht auf Serverventilatoren
                                                       - Nutzung der Abwärme des Rechenzentrums zur
                                                         Beheizung des Gebäudekomplexes
                                                       - Bedarfsgerechte und energieeffiziente Datenver-
                                                         arbeitung durch softwaregestützte Steuerung
                                                       - Reaktivierung und Modernisierung der vorhande-
                                                         nen Rechenzentrumsinfrastruktur

Das Dresdener Unternehmen Cloud&Heat Techno-           Mit der Open-Source-Software KRAKE steuert
logies hat im Jahr 2018 ein Cloud-Rechenzentrum        Cloud&Heat zudem eine Softwarelösung bei, mit de-
im Gebäudekomplex Eurotheum in den Räumen des          ren Hilfe sich Daten in verteilten Infrastrukturen immer
ehemaligen Rechenzentrums der EZB in Frankfurt/        genau an dem Standort verarbeiten lassen, wo ihre
Main in Betrieb genommen. Die bestehende Rechen-       Verarbeitung entweder am energieeffizientesten ist –
zentrumsinfrastruktur wurde in nur sechs Monaten       etwa, weil der Strom aus Windkraftanlagen bezogen
umgebaut. Dabei wurde von luftgekühlten Serversys-     wird und vor Ort besonders starker Wind weht – oder
temen auf Heißwasserdirektkühlung umgestellt. Dies     wo der Bedarf an (Ab)Wärme am höchsten ist.
ermöglicht es, auch unter den in Deutschland
schwierigen Rahmenbedingungen die Ab-
wärme des Rechenzentrums ökologisch und                                  „Mit unserem Rechenzentrum
ökonomisch attraktiv zu nutzen. Während bei                              im Eurotheum sparen wir
klassisch luftgekühlten Systemen meist nur ein                           pro Jahr über 700 Tonnen CO2“
Temperaturniveau von 30 bis 35°C zur Verfü-                              Dr. Jens Struckmeier
gung steht, liefert die Cloud&Heat-Lösung am                             CTO & Founder Cloud &
Serverausgang Heißwasser mit 60°C.                                       Heat Technologies GmbH

Dank eines wasserbasierten Direktkühlsystems
können ca. 70 % der Abwärme direkt vor Ort zum         Daten & Fakten
Beheizen der ansässigen Büro- und Konferenzräume,      - Art des Rechenzentrums: Cloud
Hotellerie und Gastronomie genutzt werden. CTO           Rechenzentrum
Dr. Jens Struckmeier erläutert die ökonomischen        - IT-Fläche: 50 m2 plus 25 m2 (Ausbaustufe)
Vorteile der Lösung: “Durch Einsatz der nachhaltigen   - Baujahr: 1999, Modernisierung: 2017/18
Cloud&Heat-Technologie können wir im Eurotheum         - PUE: 1,27 (alter PUE: 1,92)
jährlich 40% der Energiekosten einsparen“. Die sehr    - Leistung pro Rack: 6 bis 100 kW
effiziente Heißwasserdirektkühlung des Rechenzen-
                                                       Weitere Informationen:
trums spart gegenüber konventioneller Luftkühlung
                                                       Whitepaper: https://www.cloudandheat.com/wp-content/uploads/
etwa 190.000 € im Jahr an Kühlkosten. Zusätzlich       2020/02/2019-12-16_WhitepaperEinsparpotenzial.pdf
ermöglicht es die Abwärmenutzung 65.000 € pro Jahr     Fotos: Cloud&Heat Technologies
an Heizkosten zu sparen.
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                15
2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

Abbildung 7: Borderstep-Technologieradar Architekturen und Management

Wärmesektor stellen Rechenzentren eine mögliche                 Die automatisierte Angabe der Energiebedarfe von
Energiequelle dar (siehe Kapitel 4).                            Geräten kann dazu dienen, Energieverbrauch von
                                                                Einzelkomponenten im Rechenzentrum besser zu
Im Bereich Architekturen und Management wur-                    erfassen und zu monitoren. Sie stellt damit die Basis
den gleich fünf Technologien mit besonders hohem                dar, um innerhalb des Rechenzentrums unnötige Ver-
Potenzial für die Reduktion des Energiebedarfs und              bräuche zu eliminieren.
damit auch der CO2-Emissionen identifiziert (Abbil-
dung 7).                                                        Sehr grundlegend für den Bedarf an IT-Ressourcen
                                                                ist die Programmierung von Software. Je nachdem,
Lastadaptive Rechenzentren können Teile ihrer                   wie effizient Code die Anforderungen ausführt, desto
Rechenlast zeitlich verschieben oder virtualisierte             geringer ist der Bedarf an Hardware um diese zu be-
Workload auf andere Rechenzentren verschieben.                  treiben. Insbesondere im Bereich von Anwendungen
Dies ist insbesondere im Hinblick auf die zunehmen-             auf mobilen Endgeräten werden Softwareprodukte
de Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik                heute bereits oft schon sehr energieeffizient pro-
sinnvoll, da diese Energieträger nur entsprechend               grammiert. Im Bereich der Anwendungssoftware in
Sonneneinstrahlung oder Windstärke verfügbar                    Rechenzentren werden jedoch noch hohe Potenziale
sind und eine Speicherung von Elektrizität nur unter            zur Verbesserung der Energieeffizienz gesehen.
hohen Kosten möglich ist. Eine Verschiebung von                 Durch effiziente Algorithmen sowie eine bedarfsge-
Lasten ist schon heute möglich, aber bislang nur                rechte und auf die vorhandene Hardware optimierte
begrenzt technisch und wirtschaftlich sinnvoll                  Programmierung der Software werden Energieein-
(Hanstein, 2014). Mit dem Ausbau der Telekommu-                 sparpotenziale von 10 bis über 30% erwartet (Hilty et
nikationsnetze und der breiten Einführung von Edge              al., 2015; Pinto & Castor, 2017).
Rechenzentren wird erwartet, dass in 10 Jahren ein
variables Verschieben von Cloud-Arbeitslasten an                Energieeffiziente Architekturen stellen eine Mög-
Standorte mit fossilfreier Energie möglich ist (Minde           lichkeit dar, die Bereitstellung und Aufteilung von
& Ostler, 2020).                                                Daten bzw. Diensten in verteilten IT-Strukturen zu
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                      16
2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

Abbildung 8: Borderstep-Technologieradar IKT-Hardware

optimieren. Mit den zunehmenden Anforderungen           bei dem geschäftsprozessbezogen die verwendeten
an die Latenz von Anwendungen z.B. im Bereich           Ressourcen meist in Echtzeit analysiert und gesteu-
Industrie 4.0, Smart City oder autonomen Fahren         ert werden. Der Einsatz von ERP in IKT-Infrastruktur
kommt verteilten Rechenzentrumsstrukturen (Edge         kann eine hohe Auslastung der IKT gewährleisten.
Computing, Fog Computing) eine zunehmende
Bedeutung zu. Größere Teile der Datenverarbeitung       Im Bereich der IKT Hardware wurde insbesondere das
findet dabei am Rand des Netzwerkes statt (Luber         GPU4 Computing als Technologie identifiziert, bei der
& Karlstetter, 2018). Für die Optimierung der Auf-      hohe Effizienzpotenziale erwartet werden. Hier beste-
teilung der Daten und Dienste auf diese verteilten      hen für spezielle An-
Strukturen können neben Latenzkriterien auch Kri-       wendungen wie z.B.
terien der Energieeffizienz Berücksichtigung finden        im Bereich künst-        Jede Kilowattstunde, die
(Jalali, Hinton, Ayre, Alpcan & Tucker, 2016). Durch    licher Intelligenz       die IT nicht benötigt, muss
optimierte Architekturen und Managementlösungen         durch die speziellen     auch nicht in Form von
kann die Entscheidung, an welcher Stelle welche         Architekturen hohe       Wärme durch die Kühlung
Prozesse durchgeführt werden, an den notwendigen        Geschwindig-             abtransportiert werden und
Energiebedarfen der Datenverarbeitung, -übertragung     keitsvorteile bei        in der Stromversorgung ab-
und -speicherung ausgerichtet werden. Auch eine         der Berechnung.          gesichert werden.
Verteilung der Daten und Dienste, je nach Angebot       Gegenüber klassi-
an regenerativ erzeugtem Strom im Netz oder nach        schen CPUs werden
Bedarf an Abwärme, ist mit diesem Ansatz möglich        Leistungssteigerungen um den Faktor 30 und mehr
(siehe Best Practice Beispiel Heißwasserkühlung im      angegeben (IBM, 2019; Martins & Kobylinska, 2018).
Eurotheum Frankfurt).

                                                        4
                                                            GPU steht für graphics processing unit, englisch für Grafikprozes-
Bei der systemübergreifenden ganzheitlichen Effi-
                                                            sor. Häufig werden rechenintensive Anwendungen auf leistungs-
zienzoptimierung wird ein Ansatz vergleichbar mit           starken GPUs berechnet, die zum Teil weitaus höhere Rechenleis-
dem Enterprise Resource Planning (ERP) verfolgt,            tung aufweisen als Standard CPUs.
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                       17
2 Technologische Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und der
  Treibhausgasemissionen von Rechenzentren

                                                        fristig nachhaltigen Betrieb gestellt werden. Dies gilt
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zur         nahezu für alle zuvor gezeigten Infrastruktur-Techno-
Steigerung der Nachhaltigkeit von Rechenzentren         logien im Bereich der Kühlung und Klimatisierung
eine Vielzahl von innovativen Technologien zur          sowie der elektrischen Energieversorgung.
Verfügung stehen bzw. entwickelt werden. Es ist
davon auszugehen, dass es auch in Zukunft gelin-        Für Rechenzentren im Bestand bzw. im laufenden
gen wird, die Energieeffizienz in den Rechenzentren       Betrieb stellen sich größere Herausforderungen, um
weiter deutlich zu steigern. Bei der Realisierung der   mit Hilfe neuer Technologien einen energieeffizienten
Effizienzpotenziale ist allerdings zwischen neu zu        Betrieb der Infrastruktur zu ermöglichen. Der Ersatz
bauenden und vorhandenen Rechenzentren zu unter-        vorhandener Lösungen ist oft nicht problemlos im
scheiden.                                               laufenden Betrieb möglich und auch aus Nachhaltig-
                                                        keitsgründen oft nicht wünschenswert. Dennoch
Bei neu zu bauenden Rechenzentren werden heute          sollte insbesondere bei der Erneuerung von IT-Hard-
bereits viele der am Markt verfügbaren innovativen      ware und bei der Einführung von Management-Tools
Technologien eingesetzt (siehe auch Best Practices      ein großes Augenmerk auf möglichst hohe Effizienz
Beispiele), so dass eine sehr hohe Energieeffizienz       gelegt werden. Jede Kilowattstunde, die die IT nicht
realisiert werden kann. Mit dem Blick auf eine lange    benötigt, muss auch nicht in Form von Wärme durch
Lebensdauer des Gebäudes und der gebäudetech-           Kühlung abtransportiert und in der Stromversorgung
nischen Infrastruktur (>10 Jahre) sollten in diesem     abgesichert werden.
Bereich die technologische Weichen auf einen lang-
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                                                                   18
Best Practice

ENERGIEOPTIMIERUNG VON VODAFONE
PORTUGAL
Energieeffizienz von Telekommunikations-Standorten

                    Mobiler Datenverkehr                                           Energiebedarf          Nachhaltigkeitsaspekte
                                                                                                          - Effiziente IKT-Hardware und Virtualisierung
                                                                             IKT          Infrastruktur

                                                     ah
                                                        r           20                                    - Effiziente unterbrechungsfreie Stromversorgung
                                                 J
                                              ro
                                   tie
                                         gp                         15                                      (USV)
                               s
   Terabyte (TB)

                            An
                   40
                        %                                                                                 - Modernisierung vorhandener Standorte
                                                            Gwh/a

                                                                    10
                                                                                                          - Erhöhung der Transparenz durch Monitoring- und
                                                                     5
                                                                                                            Gebäudemanagementsysteme
                                                                     0
               FJ 16 FJ 17 FJ 18 FJ 19 FJ 20                             FJ 16 FJ 17 FJ 18 FJ 19 FJ 20    - Betrieb der Standorte mit erneuerbarem Strom

Vodafone betreibt Mobil- und Festnetze in mehre-                                                          Trotz Anstieg des mobilen Datenverkehrs um den
ren EU Ländern. Der Betrieb ist auf Rechenzentren                                                         Faktor 5.1 blieb der Energiebedarf mit knapp 20
und Telekommunikationszentralen angewiesen, die                                                           GWh/Jahr nahezu konstant. Der erreichte PUE-Wert
regional verteilt sind, um die erforderliche Flächen-                                                     von 1,36 ist ein ausgezeichnetes Ergebnis für Stand-
abdeckung und Redundanz (z.B. bei Erdbeben) zu                                                            orte dieses Alters, der Gebäudeart sowie der relativ
gewährleisten. Es stellt eine große Herausforderung                                                       hohen Außentemperaturen in Portugal.
dar, diese gewachsenen Standorte energetisch zu
optimieren, da sich die baulichen Gegebenheiten von                                                       Vodafone nutzt die gewonnenen Erkenntnisse für
diesen Gebäuden deutlich von modernen Rechen-                                                             weitere Optimierungsprojekte in Portugal und auch in
zentren unterscheiden. Gleichzeitig erfordert der                                                         anderen Märkten. Ab Juli 2021 werden alle europäi-
deutliche Anstieg des Datenverkehrs um etwa 40%                                                           schen Standorte mit erneuerbarem Strom versorgt.
pro Jahr Kapazitätsanpassungen, die durch neue                                                            Ziel von Vodafone ist es, alle Standorte weltweit
leistungsstarke Hardware bereitgestellt wird.                                                             energetisch zu optimieren und die CO2-Emissionen
                                                                                                          durch den Einsatz erneuerbarer Energiequellen zu
Da eine Schließung solcher Standorte und die Ver-                                                         minimieren.
legung der Hardware in moderne effiziente Rechen-                                                                                        PUE-Wert
zentren technisch und wirtschaftliche nur in weni-                                                                             (Power Usage Effectiveness)
gen Fällen vertretbar ist, wurde im Finanzjahr (FJ)
                                                                                                           1,6
2015/16 (April 2015 bis März 2016) ein mehrjähriges
                                                                                                           1,5
Optimierungsprogramm gestartet. Mit den folgenden
                                                                                                           1,3
Maßnahmen konnte der PUE-Wert von 1,57 auf heute
1,36 reduziert werden:                                                                                     1,2

- Monitoring von Energiedaten und PUE gemäß                                                                1,0
  Green Grid und EN 50600 Standards.                                                                               FJ 16       FJ 17      FJ 18      FJ 19       FJ 20
- Modernisierung der Kühlanlagen mit direkter und
  indirekter freier Kühlung, und hocheffizienten Kälte-                                                     Daten & Fakten
  maschinen, Optimierung des Rechenzentrumslay-                                                           - Art der Rechenzentren: Telekommunikationsstandorte
  outs und der Luftströme.                                                                                - 12 Standorte, 30 bis 500 kW Leistungsaufnahme
- Installation von Gebäudemanagement und moder-                                                           - Baujahr: vor 2010, Modernisierung ab 2015
  nen Steuerungsanlagen, Optimierung des Tempera-                                                         - PUE: Ø 1,36, vor 2015: Ø 1,57
  turprofils und der Sollwerte.
                                                                                                          Weitere Informationen:
- Einsatz von hocheffizienten modularen USV-Syste-                                                          https://www.vodafone.com/our-purpose/planet/reducing-emissions-
  men und Abschaltung von -48V DC Gleichrichtern.                                                         in-our-operations
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                     19

3   RAHMENBEDINGUNGEN FÜR
    RECHENZENTREN IN DEUTSCHLAND
    UND EUROPA

    Kapitel 3 befasst sich mit den politischen, regula-     ein konkretes staatliches Handeln als erforderlich
    torischen und sonstigen Rahmenbedingungen für           angesehen wird (Abbildung 9). Außerdem gibt es in
    Rechenzentren, die einen Einfluss auf deren Nach-        der Rechenzentrumsbranche Diffusionshemmnisse,
    haltigkeit haben. Dazu wird zum einen betrachtet, an    die einer Steigerung der Energie- und Ressourceneffi-
    welchen Stellen staatliches Handeln zu einer Förde-     zienz entgegenwirken (Hintemann & Clausen, 2018a,
    rung des Einsatzes neuer Technologien führen kann.      2018b). Zum einen
    Zum anderen werden regulatorische und sonstige          stellt die Moderni-
    Rahmenbedingungen auf europäischer und deut-            sierung existieren-       Die energetische Moder-
    scher Ebene analysiert, bei denen Branchenvertreter     der Rechenzentren         nisierung von Bestands-
    Handlungsbedarf sehen.                                  (Retrofit) hohe He-        rechenzentren konfrontiert
                                                            rausforderungen.          die Betreibenden mit sehr
    Wie Kapitel 2 gezeigt hat, gibt es eine Vielzahl von    Nicht unbedingt           hohen ökonomischen und
    Technologien, mit denen Rechenzentren in Zukunft        notwendige Moder-         organisatorischen Heraus-
    noch energieeffizienter und nachhaltiger betrieben        nisierungsmaßnah-         forderungen.
    werden können. Ein Großteil dieser Lösungen tragen      men werden häufig
    dazu bei, dass nicht nur die Energieeffizienz, sondern    unterlassen, um
    auch die Wirtschaftlichkeit des Rechenzentrums-         einen störungsfreien Betrieb und die Verfügbarkeit
    betriebs gesteigert werden kann. Aus der Forschung      nicht zu gefährden („Never touch a running system“).
    zur Verbreitung von Innovationen (Diffusionsfor-        Gerade bei Bestandsrechenzentren werden jedoch
    schung) ist bekannt, dass effizienzsteigernde Inno-       oft noch hohe Optimierungspotenziale gesehen,
    vationen im Bereich der Investitionsgüter, die von      Energieeinsparungen von bis zu 50% werden als
    etablierten Anbieter in den Markt gebracht werden,      realistisch angesehen (Gröger & Köhn, 2016).
    eine hohe Diffusionsdynamik entfalten und schon
    nach kurzer Zeit hohe Marktanteile erreichen (Fichter   Teilweise wird die energetische Modernisierung
    & Clausen, 2013). Zu diesem Innovationstyp zählen       von Rechenzentren auch durch die Anforderungen
    die meisten der im Umfeld von Rechenzentren neu         der Kunden erschwert. So wird beispielsweise die
    entwickelten Lösungen. Eine Unterstützung der Diffu-    energetische Modernisierung von Rechenzentren im
    sion solcher Innovationen durch staatliche Maßnah-      laufenden Betrieb als vermeidbares Risiko erachtet,
    men ist daher nur selten notwendig. Finanzielle Zu-     weshalb entsprechende Maßnahmen kritisch be-
    schüsse können sich bei diesen Technologien daher       wertet werden. Auch kundenseitige Anforderungen
    zumeist auf die generelle Förderung von Forschung       hinsichtlich niedriger Temperaturen in Rechenzent-
    und Entwicklung zur Steigerung der Energie- und         ren behindern oft den energieeffizienten Betrieb von
    Ressourceneffizienz fokussieren. Bei einzelnen inno-      Rechenzentren. Bei Colocation-Rechenzentren las-
    vativen Technologien kann eine Unterstützung von        sen sich Kunden häufiger sehr hohe Leistungen an
    Pilot- und Demonstrationsvorhaben den Markteintritt     Stromversorgung und Kühlung vertraglich zusichern,
    erleichtern; für die breite Anwendung von Technolo-     die aber nur teilweise abgerufen werden (Hintemann
    gien in der Wirtschaft sollte der Fokus hauptsächlich   & Clausen, 2018b). Damit möchten die Kunden sich
    auf dem Abbau von bürokratischen Hürden liegen.         die Flexibilität ermöglichen, um im Bedarfsfall einen
                                                            zügigen Ausbau der IT-Hardware vornehmen zu kön-
    Wie die Delphi-Befragung zeigt, gibt es aber den-       nen. Diese Flexibilität war beispielsweise während
    noch bestimmte Technologiebereiche, in denen            des Corona-Lockdowns von Vorteil.
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                              20
Best Practice

WINDCORES
Rechenzentren in vorhandenen Windenergieanlagen

                                                         Nachhaltigkeitsaspekte
                                                         - Nutzung vorhandener Windkraftanlagen als Re-
                                                           chenzentrumsgebäude
                                                         - Elektrische Versorgung der Rechenzentren direkt
                                                           aus Windkraft
                                                         - Reduktion der Stromeinspeisung kann Netzeng-
                                                           pässe reduzieren
                                                         - Skalierbare, redundante und verteilte Rechenzent-
 Foto: WestfalenWIND IT                                    rumsarchitektur

Die WestfalenWIND IT GmbH & Co. KG hat im Jahr           eine dezentrale Verteilung von Rechenlast. Die Direkt-
2017 unter der Marke „windCORES“ begonnen, Wind-         versorgung mit Strom hat weiterhin den Vorteil, dass
kraftanlagen als Rechenzentrumsgebäude zu nutzen.        die WestfalenWIND IT ihren Kunden günstige Strom-
So können die bereits vorhandenen zugangssicheren        preise bieten kann.
Räume einer nachhaltigen Zweitnutzung zugeführt
werden.                                                  windCORES bietet aktuell Rackspace für Systemhäu-
                                                         ser, Managed Service Provider sowie einen interna-
Das windCORES-Konzept ermöglicht es, den Wind-           tional tätigen Streaming Dienstleister. Die vielfältigen
strom direkt dort zu nutzen, wo er produziert wird.      Anwendungsgebiete der Kunden unterstreichen die
Damit steht den Rechenzentren nicht nur nachhaltig er-   Flexibilität der Infrastruktur.
zeugter Strom zur Verfügung, es wird auch vermieden,
dass unnötigerweise Windkraftanlagen
abgeregelt werden müssen. Im Jahr 2019
konnten in Deutschland aufgrund von Ab-                                  „Wir stärken die nachhaltige Ver-
regelung insgesamt 5,4 TWh an regenera-                                  sorgung der Digitalisierung mit
tiv erzeugten Strom nicht genutzt werden,                                Energie. Dafür rekombinieren wir
um das Stromnetz nicht zu überlasten.                                    Windenergieanlagen mit Rechen-
Diese ungenutzte Energiemenge ent-                                       zentren in einem innovativen und
spricht in etwa einem Drittel der jährlich                               wirtschaftlichen Modell“
in Deutschland von Rechenzentren be-                                     Dr. Gunnar Schomaker
nötigten Energie.                                                        Ideengeber und Initiator von
                                                                         windCORES
Die windCORES werden sowohl als
Colocation-Flächen als auch im Rah-
men von Managed Services genutzt. Pro Rack kön-          Daten & Fakten
nen Leistungsaufnahmen von bis zu 90 kW realisiert       - Art des Rechenzentrums: Managed Services und
werden. Daher eignet sich das Konzept insbesondere         Colocation-Rechenzentrum
für Anwendungen im Bereich des High Performance          - IT-Fläche:100 m2 pro Windkraftanlage (insgesamt
Computings wie Klimasimulationen oder aerodyna-            100 Windkraftanlagen)
mische Flussberechnungen. Die Standorte sind direkt      - Max. Leistung: 600 kW pro Windkraftanlage
an den Rechenzentrumsknoten DE-CIX in Frankfurt          - Baujahr: ab 2017
angebunden. windCORES ermöglicht aufgrund der            - PUE: < 1,3
großen Zahl der schon vorhandenen Gebäude eine
schnelle Inbetriebnahme neuer Rechenzentren und          Weitere Informationen: https://www.windcores.de/
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                  21
3 Rahmenbedingungen für Rechenzentren in Deutschland und Europa

Die im Normalfall geringe Auslastung führt aber zum                  tiert erheblicher Forschungsbedarf. Es ist notwen-
einen dazu, dass die vorhandenen Infrastrukturen                     dig, alternative Möglichkeiten zu erforschen und zu
im Teillastbetrieb nicht effizient betrieben werden                    entwickeln, die es ermöglichen auch künftig weiter
können. Zum anderen müssen unnötige Ressourcen                       die Effizienzfortschritte wie in der Vergangenheit
im Rechenzentrum und in den Stromnetzen bereit-                      zu realisieren. Mögliche technologische Lösungen
gehalten werden.                                                     können z.B. im Bereich 2D-Materialien, kohlenstoff-
                                                                     basierte Mikroelektronik, Quantencomputer, Silicon
Im Folgenden wird dargestellt, wie und in welchen                    Photonics oder neuromorphe Prozessoren liegen. In
Bereichen eine Technologieförderung die Nachhal-                     diesen Technologiebereichen sind europäische For-
tigkeit von Rechenzentren weiter erhöhen würde.                      schungseinrichtungen und Unternehmen internatio-
Außerdem werden ausgewählte regulatorische                           nal wettbewerbsfähig (Hintemann & Clausen, 2018a).
und sonstigen Rahmenbedingungen in Europa und                        Welche Lösungen künftig dazu beitragen können, die
Deutschland diskutiert.                                              Nachhaltigkeit der Rechenzentren weiter zu erhöhen,
                                                                     ist noch ungeklärt. Auch hier besteht Forschungs-
Bei der Technologieförderung kann zwischen For-                      bedarf. Die allgemeine Forschungsförderung sollte
schungsförderung und der Förderung des Einsatzes                     technologieoffen erfolgen und auch ganz neue und
energie- und ressourcenschonender Technologien                       alternative Entwicklungslinien unterstützten.
unterschieden werden. Im Bereich der Forschung
ist eine weitere allgemeine Förderung von neuen                      Im Rahmen der Delphi-Untersuchung wurde ein
energie- und ressourcensparenden Technologien im                     konkreter Bedarf zur Förderung von Technologien
Bereich der Informationstechnik und dem Betrieb                      insbesondere in energienahen Lösungen wie Ab-
von Rechenzentren sinnvoll. Insbesondere aufgrund                    wärmenutzung aus Rechenzentren, Sektorkopplung,
der Grenzen der Miniaturisierung und dem damit zu                    regenerative Energieversorgung von Rechenzentren,
erwartenden Ende des Moore’schen Gesetzes exis-                      Nutzung von Rechenzentren als aktive Elemente

                          Politischer Handlungsbedarf in einzelnen Technologiebereichen zur
                                        Reduktion von Treibhausgasemissionen

Natürliche Kältemittel

  Lokale Photovoltaik

    Abwärmenutzung

   Sektorenkopplung

      Brennstoffzelle

  Lokale Windenergie

Regelleistung aus RZ

                         niedrig                                        mittel                    hoch          sehr hoch

Abbildung 9: Technologiefelder, für die ein staatliches Handeln als erforderlich angesehen wird
Rechenzentren in Europa – Chancen für eine nachhaltige Digitalisierung                                                    22
3 Rahmenbedingungen für Rechenzentren in Deutschland und Europa

im Energiesystem und im Bereich Brennstoffzellen                      Staatliche Unterstützung wäre hier neben den bereits
identifiziert. Außerdem wurde staatlicher Handlungs-                   existierenden Programmen für Energieeffizienzbe-
bedarf bei der Entwicklung und dem Einsatz von                        ratungen und Investitionsförderungen durch ent-
natürlichen, weitgehend klimaneutralen Kältemitteln                   sprechende Kriterien in der öffentlichen Beschaffung
für Rechenzentren gesehen. Diese Fragestellungen                      möglich. Staatliche Institutionen auf Ebene von
sind alle von hoher Bedeutung, wenn der Betrieb                       Bund, Länder
von Rechenzentren künftig klimaschonend erfolgen                      und Gemein-
soll. Die Spannweite der Ansätze, den Strombedarf                     den sind            Die gezielte Berücksichtigung
der Rechenzentren klimaneutral zu stellen, ist groß.                  für mehr            von ökologischen Aspekten in
Die heute meist übliche Vorgehensweise, über ent-                     als 10% der         öffentlichen Ausschreibungen
sprechende Verträge mit den Stromanbietern oder                       gesamten            stellt einen mächtigen Hebel für
CO2-Zertifikate Klimaneutralität herzustellen, wird                    Nachfra-            die Diffusion neuer Effizienztech-
teilweise als nicht ausreichend kritisiert (Reveman                   ge nach             nologien dar.
& Ostler, 2019, 2020). Ein tatsächlicher Betrieb von                  Rechenzent-
Rechenzentren mit regenerativ erzeugtem Strom                         rumsleistung
müsste zumindest sicherstellen, dass die Anlagen                      in Deutschland verantwortlich (Hintemann, 2014).
zur Stromerzeugung speziell für die Rechenzentren                     Damit können staatliche Institutionen eine deutlich
errichtet wurden und dass der Strom auch zeitgleich                   sichtbare Vorbild- und Steuerungsfunktion bei der
zum Verbrauch erzeugt wird bzw. entsprechende                         Formulierung von Nachhaltigkeitszielen einnehmen6.
Speicherkapazitäten vorhanden sind. Es wird bereits                   Auch rechenzentrumsspezifische Pilot- und Leucht-
länger an entsprechenden Lösungen geforscht                           turmprojekte sowie Reallabore können die Durchset-
(Hintemann, Fichter & Schlitt, 2014; Ostler, 2020a).                  zung neuer nachhaltiger technologischer Ansätze im
Google hat beispielsweise zugesagt, bis zum Jahr                      Rechenzentren fördern.
2030 seinen Strombedarf rund um die Uhr (24/7) mit
CO2-frei erzeugtem Strom zu decken (Google, 2020).                    In Hinsicht auf die Rahmenbedingungen für nach-
Solche Lösungen sind jedoch technisch meist sehr                      haltigen Rechenzentrumsbetrieb auf europäischer
aufwändig und in der Breite aller Rechenzentren und                   Ebene wurden in den im Rahmen der Studie durchge-
ihrer Standorte nur schwer zu realisieren5. Auch auf-                 führten Interviews insbesondere die Themen Green
grund des steigenden Energiebedarfs der Rechen-                       Deal/Digital-Strategie, Ökodesign, GAIA-X und die
zentren und ihrer hohen Bedeutung für eine nach-                      Energiesteuerrichtlinie diskutiert. Die wesentlichen
haltige Wirtschaft und Gesellschaft ist daher eine                    Ergebnisse der Interviews werden im Folgenden kurz
gezielte Forschungsförderung zur 24/7-Versorgung                      vorgestellt.
von Rechenzentren mit CO2-frei erzeugten Strom
wünschenswert.                                                        Der Green Deal der Europäischen Union adressiert die
                                                                      Themen Klimawandel und Umweltzerstörung, die eine
Neben der Forschungsförderung ist auch die Förde-                     existenzielle Bedrohungen für Europa und die Welt dar-
rung des Einsatzes von energie- und ressourceneffi-                     stellen. Für Europa soll eine neue Wachstumsstrategie
zienten Technologien wichtig. Dies gilt insbesondere                  entwickelt werden, die einen Übergang zu einer moder-
bei der Modernisierung von Bestandsrechenzentren.                     nen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen
                                                                      Wirtschaft ermöglicht. Bis 2050 sollen keine Netto-
                                                                      treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und
5
    An Standorten mit viel Strom Wasserkraft oder Kernenergie ist
                                                                      das Wirtschaftswachstum soll von der Ressourcen-
    bereits heute ein 24/7-Betrieb von Rechenzentren mit CO2-frei     nutzung abgekoppelt werden. Der europäische Green
    erzeugten Strom möglich. An vielen anderen Standorten wie z.B.    Deal stellt den Fahrplan für eine solche nachhaltige
    in Deutschland wird dies insbesondere für kleinere und lokale
                                                                      EU-Wirtschaft (European Commission, 2019). Gemäß
    Rechenzentren auch in den kommenden zehn Jahren kaum reali-
    sierbar sein.                                                     einer Mitteilung der EU-Kommission zur Gestaltung
                                                                      der digitalen Zukunft Europas (EU Kommission, 2020)
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    Zur Unterstützung bei der umweltfreundlichen öffentlichen Be-
                                                                      ist vorgesehen, das Rechenzentren und Telekommuni-
    schaffung von Rechenzentrumsdienstleistungen gibt es Hilfestel-
    lungen vom Umweltbundesamt (Gröger & Köhn, 2016) und von der      kationsnetze bis zu Jahr 2030 klimaneutral werden.
    Europäischen Kommission (European Commission, 2020).              In den Interviews mit Vertretern der Rechenzent-
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