RECHTSPROBLEME DER ALTERSTEILZEIT - JKU ePUB
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Eingereicht von Anna Koppensteiner Angefertigt am Institut für Arbeits- und Sozialrecht Beurteiler / Beurteilerin Johanna Naderhirn Juli 2021 RECHTSPROBLEME DER ALTERSTEILZEIT Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, 10.07.2021 Ort, Datum Unterschrift Gender Erklärung Zur besseren Lesbarkeit werden wechselweise das generische Maskulinum und das generische Femininum verwendet. Diese Bezeichnungen gelten immer für alle Geschlechter, mit Ausnahme der natürlichen Geschlechter etwa von Autoren und Autorinnen. 10. Juli 2021 2/54
ALTERSTEILZEIT Inhaltsverzeichnis ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...................................................................................................................... 5 I. EINLEITUNG ......................................................................................................................................... 7 II. DEFINITION „ALTERSTEILZEIT“ ........................................................................................................ 8 III. ALTERSTEILZEITMODELLE ............................................................................................................... 9 A. KONTINUIERLICHE ARBEITSZEITVERKÜRZUNG ....................................................................................... 9 B. BLOCKZEITMODELL ............................................................................................................................10 IV. HISTORISCHE ENTWICKLUNG ........................................................................................................12 A. VORLÄUFER: SOLIDARITÄTSPRÄMIENMODELL ......................................................................................12 B. ERSTMALIGE EINFÜHRUNG DER ALTERSTEILZEIT .................................................................................12 1. Gründe ........................................................................................................................................12 2. Ausgestaltung .............................................................................................................................14 C. POLITISCHE HINTERGRÜNDE ..............................................................................................................15 V. DIE ALTERSTEILZEIT IM GELTENDEN RECHT ..............................................................................16 A. ZUSTÄNDIGKEIT FÜR DIE EINBRINGUNG DES ANTRAGES .......................................................................16 B. PENSIONSANTRITTSZEITPUNKT DES ARBEITNEHMERS ..........................................................................17 C. ARBEITSLOSENVERSICHERUNGSPFLICHTIGE BESCHÄFTIGUNG DES ARBEITNEHMERS/ „QUALIFIZIERTE ANWARTSCHAFT“........................................................................................................................................18 D. HERABSETZEN DER NORMALARBEITSZEIT ...........................................................................................20 E. LOHNAUSGLEICH ...............................................................................................................................22 F. SOZIALVERSICHERUNGSBEITRÄGE ......................................................................................................23 G. ABFERTIGUNG ...................................................................................................................................25 H. KEIN GEGENWÄRTIGER PENSIONSANSPRUCH DES ARBEITNEHMERS .....................................................25 I. ERSATZARBEITSKRAFT BEI BLOCKARBEITSZEIT....................................................................................26 VI. UMFANG DES ALTERSTEILZEITGELDES/ -ZUSCHUSSES DES AMS .........................................28 VII. SONDERPROBLEME .....................................................................................................................29 A. VORZEITIGE BEENDIGUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES .....................................................................29 1. Erhalt des Altersteilzeitgeldes als Bedingung für den Lohnausgleich ........................................29 2. Umfang der Ausgleichszahlung für offene Zeitguthaben ............................................................30 3. Wegfall des Lohnausgleiches im Verhältnis zu § 10 AZG ..........................................................33 B. URLAUB ............................................................................................................................................33 1. Ausgangslage und Fragen ..........................................................................................................33 2. Lehrmeinungen ...........................................................................................................................34 3. Judikatur ......................................................................................................................................39 4. Judikaturanalyse .........................................................................................................................40 C. RÜCKFORDERUNG UND ANPASSUNG VON ALTERSTEILZEITGELD ...........................................................42 D. KRANKENSTAND ................................................................................................................................43 VIII. EXKURS: ERWEITERTE ALTERSTEILZEIT ................................................................................46 10. Juli 2021 3/54
IX. ZUSAMMENFASSUNG ......................................................................................................................48 X. QUELLENVERZEICHNIS ...................................................................................................................51 A. KOMMENTARE ...................................................................................................................................51 B. BÜCHER ............................................................................................................................................51 C. AUFSÄTZE IN FACHZEITSCHRIFTEN .....................................................................................................51 D. BEITRÄGE IN SAMMELWERKEN............................................................................................................52 E. ENTSCHEIDUNGSSAMMLUNGEN ..........................................................................................................53 F. JUDIKATUR ........................................................................................................................................53 G. INTERNETQUELLEN ............................................................................................................................53 10. Juli 2021 4/54
Abkürzungsverzeichnis aA andere Ansicht Abs Absatz AlVG Arbeitslosenversicherungsgesetz AMS Arbeitsmarktservice AMSG Arbeitsmarktservicegesetz AMSprV Arbeitsmarktsprengelverordnung APG Allgemeines Pensionsgesetz ArbVG Arbeitsverfassungsgesetz ASoK Fachzeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht, Arbeits- und Sozialrechtskartei ASRÄG Arbeits- und Sozialrechts- Änderungsgesetz ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz ATZ Altersteilzeit AVRAG Arbeitsvertragsrechts- Anpassungsgesetz AZG Arbeitszeitgesetz BGBl Bundesgesetzblatt BlgNR Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates BMSVG Betriebliches Mitarbeiter- und Selbstständigenvorsorgegesetz BSchEG Bauarbeiter- Schlechtwetterentschädigungsgesetz BUAG Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz bzw beziehungsweise DRdA Das Recht der Arbeit Ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht Erl Erläuterungen ErlRV erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage EStG Einkommenssteuergesetz EUR Euro f und der (die) folgende ff und die folgenden FJ Finanz Journal GP Gesetzgebungsperiode Hrsg Herausgeber 10. Juli 2021 5/54
IA Initiativantrag idF in der Fassung IESG Insolvenz- Entgeltsicherungsgesetz iVm in Verbindung mit iZm im Zusammenhang mit Lfg Lieferung lit Litera Nr Nummer OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OGH Oberster Gerichtshof RdW Österreichisches Recht der Wirtschaft Rz Randzahl SozSi Soziale Sicherheit UrlG Urlaubsgesetz VfGH Verfassungsgerichtshof vgl vergleiche VwGH Verwaltungsgerichtshof Z Ziffer ZAS Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht ZellHB AV- Klauseln Zeller Handbuch Arbeitsvertrags- Klauseln ZfV Zeitschrift für Verwaltung zust zustimmend 10. Juli 2021 6/54
I. Einleitung Das Instrument der Altersteilzeit wurde bereits vor über 20 Jahren eingeführt, erfreut sich aber nach wie vor besonderer Beliebtheit. Für viele Menschen war und ist es eine angenehme Möglichkeit, die letzten Jahre bis zur Pension zu überbrücken. Dies zeigt sich auch maßgeblich in den Zahlen: im Jahr 2020 befinden sich über 40.000 Personen in Altersteilzeit.1 Während zu Beginn noch einige Rechtsfragen offen waren, hat sich in den vergangenen Jahren viel getan: Der Gesetzestext wurde mehrmals angepasst, und noch offene Fragen wurden zu einem großen Anteil von der Judikatur gelöst. Es handelt sich bei der Altersteilzeit in diesem Sinne um ein gut etabliertes System, welches hervorragend funktioniert und deshalb nach wie vor oft und gerne angewendet wird. In dieser Arbeit soll nun zunächst ein Überblick über die Altersteilzeit gegeben werden. Nach einer kurzen geschichtlichen Einleitung wird auf die genauen Voraussetzungen eingegangen, die für die Gewährung von Altersteilzeitgeld erfüllt werden müssen. In der zweiten Hälfte geht es dann um besondere Probleme, die im Laufe der Altersteilzeit auftreten können. Beantwortet werden Fragen wie: Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn das Arbeitsverhältnis vor vereinbartem Ende der Altersteilzeit beendet wird? Wann entsteht Urlaub, und wann kann man ihn konsumieren? Wann und unter welchen Voraussetzungen kann die Höhe des vom AMS ausbezahlten Altersteilzeitgeldes geändert werden, bzw unter welchen Voraussetzungen kann bereits ausbezahltes Altersteilzeitgeld zurückverlangt werden? Was passiert, wenn man während der Altersteilzeit in Krankenstand geht? Durch genaueste Auseinandersetzung mit Materialien, Judikatur und Rechtsprechung werden unter anderem die oben aufgeworfenen Fragen erläutert und beantwortet. Dabei wird besonders darauf geachtet, die verschiedenen Meinungen darzustellen und aufzuschlüsseln, sodass sich im Gesamten ein vollständiges Bild ergibt. 1AMS Statistik, LB550/ Würfel: amb/wlb550, 11; https://arbeitsmarktdatenbank.at/cognos82/bi/v1/disp?b_action=cognosViewer&ui.object=/content/folder[ @name=%27Themen%27]/folder[@name=%27ambweb%27]/report[@name=%27wlb550_rs%27]&run.o utputFormat=PDF&run.prompt=false&ui.action=run&cv.toolbar=false&cv.header=false&asynch.primary WaitThreshold=0&run.outputLocale=de&p_Datum=[wlb550].[Datum].[Datum].[Jahr]- %3E:[PC].[@MEMBER].[20200101-20201231]&p_Region=[wlb550].[Region].[Region].[Region]- %3E:[PC].[@MEMBER].[AUT]&p_DisplayDatum=2020&p_DisplayRegion=%C3%96sterreich , (Zugriff am 10.06.2021). 10. Juli 2021 7/54
II. Definition „Altersteilzeit“ Die Altersteilzeit ist ein aus öffentlichen Mitteln gefördertes Instrument, das es älteren Arbeitnehmerinnen erlaubt, Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dabei große finanzielle Nachteile erleiden zu müssen. Sie erhalten unter anderem einen Lohnausgleich, sodass ihr Gehalt, wenn auch nicht so hoch wie früher, doch deutlich mehr ist, als es bei einfacher Abrechnung ihrer geleisteten Arbeitsstunden wäre, sowie ihre Abfertigung und ihre Versicherungsbeiträge so, als hätten sie nie Stunden, das heißt ihr Beschäftigungsausmaß, reduziert. Die Altersteilzeit entsteht aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung zwischen der Arbeitnehmerin und der Arbeitgeberin. Werden dabei die Bedingungen des § 27 AlVG erfüllt, so hat die Arbeitgeberin ein Recht auf Leistung von Altersteilzeitgeld vom AMS. Dieses dient in erster Linie dem Ersatz der Mehrkosten, die die Arbeitgeberin durch den Lohnausgleich und die erhöhten Versicherungsbeiträge trägt. Das Altersteilzeitgeld wird durch Mittel der Arbeitslosenversicherung finanziert und daher durch das AMS gewährt. Im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit sind die Parteien in allen Punkten, die das Gesetz nicht vorgibt, frei, sich zu einigen und zu vereinbaren, was sie wollen. Kommt es zu keiner Einigung, so kommt infolgedessen auch kein Altersteilzeitvertrag zustande und es besteht daher auch kein Anspruch auf Altersteilzeitgeld. Es bleibt noch zu erwähnen, dass selbstverständlich auch ohne Erfüllung aller Kriterien eine Altersteilzeit vereinbart werden kann. Natürlich ist eine Förderung durch das AMS dann nicht möglich.2 2Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2 Besonderer Teil, 27. Klausel, Rz 27.05 ff; Marek, Altersteilzeit und erweiterte Altersteilzeit in Frage und Antwort7, II, 3. 10. Juli 2021 8/54
III. Altersteilzeitmodelle A. Kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung Der Gesetzgeber normiert in § 27 Abs 2 Z 2 AlVG, dass die Normalarbeitszeit um 40- 60 % verringert werden muss (Details siehe unten V. D), wenn die vom AMS geförderte Altersteilzeit in Anspruch genommen wird. Dies lässt einigen Freiraum in der Gestaltung dieser Arbeitszeitverringerung. Die 40- 60% Reduktion bezieht sich auf den Durchrechnungszeitraum der gesamten Altersteilzeit. Wird der vereinbarte Prozentsatz innerhalb eines Jahres ausgeglichen, also im Jahresdurchschnitt erreicht, so spricht man von einer kontinuierlichen Arbeitszeitverkürzung. Sie wird von dem Blockzeitmodell abgegrenzt. Das Wort „ausgeglichen“ in § 27 Abs 4 AlVG wird dabei so verstanden, dass eine Schwankung von bis zu 20 % noch im Rahmen und das Kriterium zur kontinuierlichen Arbeitszeitverkürzung somit erfüllt ist. Ist also etwa eine Arbeitszeitreduktion von 50% vereinbart, und der Arbeitnehmer arbeitete im ersten Jahr um 40% weniger als seine damalige Normalarbeitszeit, und im darauffolgenden Jahr um 60% weniger, so handelt es sich um eine kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung. Wichtig ist, dass am Ende der Altersteilzeit die Zeitguthaben ausgeglichen sein müssen. Auch die Aufteilung, dass etwa zuerst 6 Monate die volle frühere Normalarbeitszeit geleistet wird, und danach 6 Monate Freizeitphase folgen, ist grundsätzlich möglich.3 Fraglich bleibt noch, ob der Ausgleich immer mit dem jeweils vorigen Jahr geschehen muss, oder ob das über den gesamten Zeitraum der Altersteilzeit geschehen darf und dabei pro Jahr um maximal 20 % abgewichen werden darf. Radner/Ghahramani- Hofer vertreten die Ansicht, dass ein Abstellen auf das vorhergehende Jahr im Konflikt mit dem Gleichheitssatz stehen würde. Schließlich wäre andernfalls etwa eine Aufteilung von 40 % im ersten Jahr, 60 % im zweiten Jahr und 50 % im dritten Jahr als kontinuierliche Alterszeitreduktion zu qualifizieren, eine Aufteilung von 40 % im ersten Jahr, 50 % im zweiten Jahr und 60 % im dritten Jahr jedoch als Blockarbeitszeit. Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt und müsse daher das Wort „jeweils“ in § 27 Abs 4 AlVG so verstanden werden, dass innerhalb jedes Jahres (jeweils) nur maximal 20 % von der 4 Durchschnittsarbeitszeitreduktion des gesamten Zeitraumes abgewichen werden darf. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung ganz besonders flexibel ist, da die Arbeitszeit auch von Woche zu Woche unterschiedlich sein kann.5 Dem Arbeitnehmer ist während der gesamten Altersteilzeit ein in etwa gleichbleibendes Monatsentgelt zu bezahlen. Die Höhe orientiert sich hierbei an der durchschnittlich während der gesamten Altersteilzeit geleisteten Arbeitsstunden. Dazu kommt der vereinbarte Lohnausgleich.6 Das Entgelt bleibt also dasselbe, unabhängig davon, wie viele Stunden in dem jeweiligen Monat gearbeitet wurde- so wird nicht einmal das Doppelte, wenn zweimal so viel gearbeitet wurde, wie 3 Marek, Altersteilzeit7, II, 3 ff. 4 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.71. 5 Thöny, Die Teilzeitbeschäftigung2, Kapitel V, H, 2.a). 6 Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Teilzeitarbeitsentgelt und Lohnausgleich, Rz 67 f. 10. Juli 2021 9/54
im Durchschnitt vereinbart, bezahlt, und das nächste Monat gar nichts, weil gar nicht gearbeitet wurde. Erschwernis-, Schmutz und Gefahrenzulagen sind bei Anfall zu bezahlen.7 B. Blockzeitmodell Das Blockzeitmodell unterscheidet sich von der kontinuierlichen Arbeitszeitverkürzung, wie der Name bereits vermuten lässt, in der Art der Arbeitszeitverteilung. Während bei der kontinuierlichen Arbeitszeitreduktion noch grundsätzlich regelmäßig gearbeitet wird, so wechseln sich bei der Blockzeitvariante Phasen der Vollzeitarbeit mit Freizeitabschnitten, in denen gar nicht gearbeitet wird, ab. Die Freizeit wird sozusagen zunächst hereingearbeitet, und anschließend konsumiert.8 Der Regelfall in der Praxis ist, dass erst nach der Phase der Vollzeitarbeit die Freizeitphase anschließt, an deren Ende das Arbeitsverhältnis durch einvernehmliche Auflösung, die bereits im Altersteilzeitvertrag vereinbart wird, endet und der Arbeitnehmer in Pension geht. Die Altersteilzeit ist hierbei ein mit den Mitteln der Arbeitslosenversicherung gefördertes Vorruhestandsmodell. Zu beachten ist jedoch, dass als Blockarbeitszeit alle Vereinbarungen gelten, die nicht die Voraussetzungen der kontinuierlichen Arbeitszeitreduktion erfüllen. Somit können auch Fälle vorkommen, in denen es überhaupt keine reine Freizeitphase gibt, welche aber trotzdem unter die Blockzeitregelung fallen.9 In § 27 Abs 5 Z 3 AlVG ist festgelegt, dass die maximale Gesamtdauer der Freizeitphasen beim Blockzeitmodell 2,5 Jahre nicht überschreiten dürfen.10 Während der Freizeitphasen der Blockarbeitszeit ist nicht nur vorübergehend eine Ersatzarbeitskraft einzustellen (§ 27 Abs 5 Z 3 AlVG). Während des gesamten Zeitraumes der Altersteilzeit ist auch beim Blockzeitmodell grundsätzlich ein gleichbleibendes Gehalt zu zahlen- also sowohl während der Freizeitphase, als auch während der Arbeitsphase. Bezüglich der Höhe wird dabei auf die in der gesamten Altersteilzeit verrichtete Durchschnittsarbeitszeit abgestellt. Beginnt somit etwa eine Arbeitnehmerin mit einer Vollzeitarbeitsphase, in der sie dieselben Wochenstunden wie vor Beginn der Altersteilzeit leistet, so verdient sie in diesem Zeitraum dennoch weniger als vorher. Im Gegenzug dafür bekommt sie auch während der Freizeitphase ein gleichbleibendes Gehalt. Die Höhe des Gehalts baut auf der durchschnittlichen Arbeitszeit während der Altersteilzeit plus dazugehörigen Lohnausgleich auf, sie kann allerdings aufgrund von Valorisierungen11 und der Art des Entgelts schwanken.12 Probleme können sich bezüglich Leistungs- und Erfolgsentgelten, Jahreserfolgs- oder Jahreszielerreichungsprämien sowie Gefahrenzulagen, Schichtzulagen und Erschwerniszulagen ergeben. Bei Zulagen ist daher darauf zu achten, dass sie nicht sofort in 7 Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Teilzeitarbeitsentgelt und Lohnausgleich, Rz 68. 8 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/ Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.80. 9 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/ Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.81. 10 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/ Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.82. 11 = Aufwertung mit dem Verbraucherpreisindex des betroffenen Jahres; zur Anpassung des Lohnausgleichs im Detail siehe § 27 Abs 4 AlVG. 12 Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der Blockungsmodelle, 27 f. 10. Juli 2021 10/54
voller Höhe, sondern stattdessen verhältnismäßig aufgeteilt und ausgezahlt werden. Auf diese Weise entstehen keine hohen Schwankungen im Entgelt und der Lohnausgleichanspruch bleibt immer in gleicher Höhe bestehen. Bei einer Arbeitszeitreduktion von 50 % gestaltet sich diese Aufteilung etwa so: Was im ersten Monat bei Vollarbeitszeit erarbeitet wird, wird auf diesen ersten Monat, und den ersten Monat der Freizeitphase aufgeteilt. Die Auszahlung erfolgt somit zeitverschoben. Bei anderen Arbeitszeitreduktionen als 50 % müsse dasselbe geschehen, jedoch anteilig. Bei einer Vereinbarung über 60 % Arbeitszeitreduktion etwa bedeutet ein Monat Vollarbeitszeit, dass zwei Drittel eines Monats Freizeit eingearbeitet wurden. Bei Leistungs- und Erfolgsentgelten, sowie Jahreserfolges- oder Jahreszielerreichungsprämien sei ebenso zu verfahren.13 Bei reinen Sachbezügen ist eine solche Aufteilung nicht möglich.14 Schrank gibt Arbeitgebern den Hinweis, den Lohnausgleich sowohl in der Altersteilzeitvereinbarung, als auch auf den einzelnen Lohnzetteln gesondert auszuweisen. Dies beuge einer Interpretation dieser Summe als Gehaltserhöhung vor und verhindere somit erhöhte Abgeltungskosten im Falle einer Beendigung des Arbeitsvertrages vor Ablauf der Altersteilzeit. Dies sei jedoch nicht notwendig, wenn der Lohnausgleich ohnehin an den Erhalt von Altersteilzeitgeld geknüpft ist.15 13 Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der Blockungsmodelle, 28. 14 Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der Blockungsmodelle, 28. 15 Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der Blockungsmodelle, 28. 10. Juli 2021 11/54
IV. Historische Entwicklung A. Vorläufer: Solidaritätsprämienmodell Das Solidaritätsprämienmodell wurde 1997 durch das ASRÄG (Arbeits- und Sozialrechtsänderungsgesetz) erstmals eingeführt. Das ASRÄG setzte arbeits- und sozialrechtliche Maßnahmen um, die ermöglichen sollten, dass der spätere Pensionsantritt erleichtert wird, sowie den Druck auf den Arbeitsmarkt, der durch die spätere Pensionierung entstand, abzufedern. All diese Maßnahmen wurden im AVRAG umgesetzt.16 Sie waren das Ergebnis der bis dahin wohl schwierigsten Verhandlungen der Bundesregierung mit den Sozialpartnern in der Geschichte der zweiten österreichischen Republik.17 Nach § 13 AVRAG wird beim Solidaritätsprämienmodell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Normalarbeitszeitreduktion vereinbart, gleichzeitig wird für die dadurch freiwerdenden Stunden ein zusätzlicher Arbeitnehmer eingestellt. Die Rahmenbedingungen dieser Vereinbarungen können sich aus einem Kollektivvertrag, oder, subsidiär, aus einer Betriebsvereinbarung ergeben. § 27 Abs 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 139/1997 gewährt den Arbeitnehmern (denen, die Stunden reduziert haben zugunsten der neuen Mitarbeiter, sowie den neuen Arbeitnehmern selbst) eine finanzielle Prämie, wenn die Ersatzarbeitskräfte zuvor Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben und nicht nur geringfügig angestellt sind. Dies soll der Beschäftigungsförderung dienen. Die Höhe der Solidaritätsprämie wird anhand des fiktiv zustehenden Arbeitslosengeldes gemäß §§ 20 f AlVG berechnet. Die Bezugsdauer beträgt höchstens zwei Jahre, kann aber gegebenenfalls um ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn dies arbeitsmarktpolitisch gerechtfertigt ist.18 Das Solidaritätsprämienmodell existiert nach wie vor in der heutigen Rechtsordnung, wurde jedoch inhaltlich verändert. Etwa findet sich die Regelung über die Leistung der Solidaritätsprämie nunmehr in § 37a AMSG, und steht nicht länger dem Arbeitnehmer direkt, sondern stattdessen dem Arbeitgeber zu, welcher, ähnlich wie bei der Altersteilzeit, einen Lohnausgleich an den Arbeitnehmer zahlen muss, sowie Sozialversicherungsbeiträge, die anhand des Entgelts vor Arbeitszeitreduktion berechnet werden, zu entrichten hat. Auch die Abfertigung hat sich nach der früheren Normalarbeitszeit zu berechnen.19 B. Erstmalige Einführung der Altersteilzeit 1. Gründe Im April 2000 wurde eine Pensionsreform beschlossen. Ziel dieser Reform war es, den Anstieg der Bundesbeiträge zur Pensionsversicherung bis zum Jahr 2003 in der Sozialversicherung um 10 16 Reissner, Die arbeitsrechtlichen Neuerungen durch das ASRÄG 1997, ASoK 1998, 23 f. 17 Gleitsmann, Änderungen im Leistungsrecht der Pensionsversicherung durch das ASRÄG 1997, ASoK 1998, 17. 18 Reissner, ASoK 1998, 23 f. 19 Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 13 AVRAG, Rz 1 ff (Stand 1.1.2018, rdb.at). 10. Juli 2021 12/54
Mrd Schilling20, und bei Beamtinnen um 5 Mrd Schilling zu senken. Zudem wurde Österreich von der OECD21 kritisiert, da wir im europaweiten Vergleich beim faktischen Pensionsantrittsalter schlecht abschnitten.22 Um diese Ziele zu erreichen, wurde festgelegt, dass das faktische Pensionsantrittsalter Stück für Stück von 60 auf 61,5 bei Männern und von 55 auf 56,5 Jahre bei Frauen bis zum Jahr 2002 angehoben werden soll. Außerdem wurde die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (geminderter Erwerbsfähigkeit) ersatzlos aufgehoben.23 Zeitnah wurde auch, offenbar als Begleitmaßnahme zur Pensionsreform, die Altersteilzeit im § 27 AlVG geschaffen. Die Materialien begründen die Einführung der Altersteilzeit nahezu ausschließlich mit der Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit. So seien ältere Arbeitnehmerinnen viel gefährdeter, arbeitslos zu werden, wie jüngere- vor allem aber sei die Wiederbeschäftigung ein Problem. Im Jahr 1998 war eine durchschnittliche Arbeitslose 127 Tage lang arbeitslos, in der Gruppe der 50- 54- jährigen waren es bereits 182 Tage und bei Personen zwischen 55 und 59 sogar 249 Tage. Um diesem Problem beizukommen, wurde die Verabschiedung einer ganzen Reihe von Maßnahmen in Kombination vorgeschlagen- allen voran natürlich die Altersteilzeit.24 Schwarz erläutert die Gründe für die Einführung der Altersteilzeit etwas eingehender: Das Pensionsantrittsalter wurde angehoben, jedoch führte das nicht dazu, dass alle Arbeitnehmerinnen automatisch länger arbeiten können, da ihr Gesundheitszustand dies oft nicht mehr erlaubt. Somit klafften die Hoffnung der Politik und die Realität am Arbeitsmarkt weit auseinander. Die Altersteilzeit soll die Zeit zwischen Beendigung der Vollarbeitszeit und Pensionsantrittszeitpunkt überbrücken. Denn wenn eine Arbeitnehmerin vielleicht nicht mehr Vollzeit einsetzbar ist, so wäre eine Teilzeitbeschäftigung unter Umständen sehr wohl noch möglich.25 Daran anknüpfend ermöglicht die Verminderung des Arbeitsvolumens älterer Arbeitnehmerinnen das neue Einstellen ansonsten arbeitsloser Personen, welche die auf diesem Weg freigewordenen Stunden übernehmen können.26 Ein weiterer Beweggrund war, den Unternehmen eine einfachere Möglichkeit zu geben, Frühpensionsregelungen bzw Vorruhestandsregelungen umzusetzen, wenn sie Personalkosten einsparen mussten. Auf diese Weise müssen sie nicht darauf zurückgreifen, Arbeitnehmerinnen zu kündigen.27 Zu guter Letzt ist spätestens seit dem Film „Pappa ante portas“ allgemein bekannt, dass ein plötzlicher Umstieg von Vollzeitarbeit auf die Pension die Arbeitnehmerin in einen sogenannten 20 Das entsprach zu diesem Zeitpunkt in etwa 726.728.341,68 EUR.- ( https://www.online- rechner.at/waehrung/ats_eur#ergebnis ,abgerufen am 13.06.2021). 21 Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (englisch: Organisation for Economic Co- operation and Development). 22 Rudda, Pensionsreform 2000- Verfassungsrecht und Vertrauensschutz, SozSi 2000, 485 f. 23 Rudda, SozSi 2000, 485 f. 24 IA 1145/A BlgNR 20.GP 9 f. 25 Schwarz, Altersteilzeit- Irrweg oder Zukunftsmodell, DRdA, 2006, 344 f. 26 Schwarz, DRdA, 2006, 345. 27 Schwarz, DRdA, 2006, 345. 10. Juli 2021 13/54
„Pensionsschock“ versetzen kann. Auch dem kann die Anwendung von Altersteilzeit Abhilfe verschaffen, denn sie ermöglicht ein „Hineingleiten in die Pension“, und verhindert somit eine unvermittelte Änderung der Beschäftigung von 100 auf 0.28 Mit der Einführung der Altersteilzeit sollten somit im Wesentlichen mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Die Arbeitnehmerinnen vor der Altersarbeitslosigkeit bewahren, die Arbeitslosenstatistiken verbessern und das faktische Pensionsalter anheben. Finanziert wird die Altersteilzeit deshalb mit Mitteln aus der Arbeitslosenversicherung.29 2. Ausgestaltung Gemäß § 27 AlVG in der Fassung BGBl I Nr 179/1999, wie er ab 01.01.2000 in Kraft trat, gebührte Altersteilzeitgeld kurz zusammengefasst einer Arbeitgeberin dann, wenn sie mit einer älteren Arbeitnehmerin (Männer ab 55, Frauen ab 50 Jahren) die Reduktion deren Arbeitszeit auf 50 % vereinbarte und dafür eine arbeitslose Arbeitnehmerin einstellte, die die freigewordenen Stunden übernahm. Die ältere Arbeitnehmerin sollte trotz verminderter Arbeitsstunden mindestens 75 % des früheren Bruttogehalts bekommen. Im Übrigen sollten die Sozialversicherungsbeiträge nach wie vor auf Basis des Gehalts vor Beginn der Altersteilzeit einbezahlt werden, damit die Altersteilzeit im Vergleich zur Vollbeschäftigung nicht die Pensionshöhe vermindert, also nicht pensionsschädlich ist. Den Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen Gehalt und dem der Arbeitnehmerin eigentlich zustehenden Bruttogehalt (berechnet nach ihren tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden), sowie die Differenz der Sozialversicherungsbeiträge sollte das Altersteilzeitgeld ausgleichen. Die Altersteilzeit musste vertraglich vereinbart werden oder auf einer kollektivvertraglichen Regelung oder einer Betriebsvereinbarung beruhen. Altersteilzeitgeld gebührte für maximal fünf Jahre. Pfeil hält die Einordnung des Altersteilzeitgeldes in das AlVG ganz allgemein für systemfremd, weil die Arbeitslosen durch diese Maßnahme höchstens indirekt, wenn sie nämlich als Ersatzarbeitskräfte eingestellt werden, gefördert werden. Hauptsächlich diene das Altersteilzeitgeld der Entlastung älterer Arbeitnehmerinnen, nicht der Förderung der Arbeitslosen. Eine Änderung dieses Zustandes sei am besten im Rahmen einer groß angelegten Strukturreform umzusetzen.30 Es soll nun konkret auf einige Punkte des § 27 AlVG idF BGBl I Nr 179/1999 eingegangen werden: Als Voraussetzung für die Gewährung des Altersteilzeitgeldes war genannt, dass die Arbeitnehmerin vor Antritt der Altersteilzeit Vollzeit bzw im Ausmaß der kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit beschäftigt gewesen sein muss. Pfeil weist darauf hin, dass nicht ausdrücklich geregelt sei, wie lange vor Beginn der Altersteilzeit dieses Arbeitsausmaß vorgelegen haben muss. Nach dem Wortlaut könnte dies bereits bei einem einzigen Monat Vollzeitarbeit gegeben 28 Schwarz, DRdA, 2006, 345. 29 Mitter, Neugestaltung des Rechtes auf Altersteilzeit- Gravierende Auswirkungen auf die betriebliche Praxis sind zu erwarten, DRdA 2003, 591. 30 Pfeil, Aktuelle Probleme des Arbeitslosenversicherungsrechts, DRdA 2000, 367. 10. Juli 2021 14/54
sein. Dies sei jedoch als Missbrauch zu qualifizieren, weshalb Pfeil eine analoge Anwendung des § 21 Abs 2 AlVG vorschlägt. Diese Norm regelt die Frage, in welche Lohnklasse eine Arbeitnehmerin einzuordnen ist, was sich wiederum auf den Arbeitslosengeld- Grundbetrag niederschlägt. Dort wird ein Durchrechnungszeitraum von sechs Monaten angeordnet. Dieselbe Zeitspanne werde auch im deutschen Altersteilzeitrecht angewandt.31 In dieser Erstfassung des Altersteilzeitrechts fand sich noch eine weitere Gesetzeslücke, die allerdings bereits wenige Monate später, im Rahmen der ersten Novelle im Jahr 200032, beseitigt wurde. Es wurde nämlich nicht geregelt, wie damit umzugehen sei, sollte jemand unberechtigterweise Altersteilzeitgeld beziehen.33 Der aus diesem Grund hinzugefügte Abs 8 entspricht im Wesentlichen dem heute geltenden Abs 834, hatte jedoch noch den Zusatz, dass Rückersatz dann zu leisten sei, wenn der Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen vom Begünstigten herbeigeführt wurde, oder dieser erkennen hätte müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. C. Politische Hintergründe Die Altersteilzeit wurde als Teil des Nationalen Aktionsplans im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eingeführt. Konkret war es ein Bestandteil des „Pakts für Ältere“, und es ruhten große Hoffnungen auf diesem Konzept, dass die Lage am Arbeitsmarkt dadurch drastisch verbessert werden sollte. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Lore Hostasch (SPÖ), merkte bereits 1999 an, dass aufgrund dieses Konzeptes die Arbeitslosenzahlen bereits in allen Branchen, allen Altersgruppen und unabhängig vom Geschlecht im Rückgang wären.35 Schmid bezeichnet indes im Jahr 2000 die Regelung der Altersteilzeit als misslungen. Sie erfülle nicht die von ihr verfolgten Ziele.36 Das Arbeitslosenversicherungsgesetz wurde innerhalb der Jahre 1980 und 2000 drei bis vier Mal pro Jahr geändert. Pfeil schreibt dies der Tatsache zu, dass die Arbeitslosenpolitik in besonders hohem Maße von ideologischen Überlegungen geprägt ist und daher regelmäßig den tagespolitischen Geschehnissen angepasst wird.37 Dem entspricht, dass die Altersteilzeit wiederholt, fast abwechselnd gesetzlich verschärft und dann gesetzlich wieder erleichtert wurde, so wurde einmal das Erfordernis der Einstellung der zunächst arbeitslosen Ersatzkraft abgeschafft, um dann wieder eingeführt zu werden, die Altersgrenzen wurden zuletzt nach oben verlagert und die Altersteilzeit wurde auch für bereits in Teilzeit tätige Arbeitnehmer, bei weiterer Reduktion ihrer Arbeitszeit, ermöglicht. 31 Pfeil, DRdA 2000, 366. 32 BGBl. I Nr. 101/2000. 33 Pfeil, DRdA 2000, 355 ff. 34 BGBl. I Nr. 30/2018. 35 Hostasch, Sozialresort hat Regierungsprogramm übererfüllt, SozSi, 1999, 788. 36 Schmid, Treffgenauigkeit von Transferleistungen, SozSi, 2000, 874. 37 Pfeil, DRdA 2000, 355 ff. 10. Juli 2021 15/54
V. Die Altersteilzeit im geltenden Recht Der Anspruch auf Altersteilzeitgeld steht allen Arbeitgeberinnen auf Antrag zu, wenn sie die dazu notwendigen Bedingungen gegenüber ihren Arbeitnehmerinnen erfüllen. Diese Voraussetzungen, auf die im Folgenden noch detailliert eingegangen wird, müssen kumulativ vorliegen und im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung mit der Arbeitnehmerin geregelt werden. A. Zuständigkeit für die Einbringung des Antrages Das Altersteilzeitgeld gebührt nicht dem Arbeitnehmer selbst, sondern dem Arbeitgeber, der die Stundenreduzierung möglich macht. Finanziert wird diese Maßnahme durch Mittel der Arbeitslosenversicherung. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen hat der Arbeitgeber den Antrag auf ihm zustehenden Aufwandersatz bei der zuständigen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices (in der Folge: AMS) einzubringen.38 Örtlich zuständig ist grundsätzlich gemäß § 44 AlVG das AMS am Sitz des Betriebes, da es sich beim Altersteilzeitgeld um ein Recht des Arbeitgebers handelt. Es stellt sich noch die Frage, ob hierbei ausschließlich die regionalen Geschäftsstellen, oder auch örtlich zuständige Landesgeschäftsstellen gemeint sind, ob der Antrag somit auch wirksam bei der einschlägigen Landesgeschäftsstelle eingebracht werden kann.39 Es ist dies die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit. Der VwGH40 stellte dazu Folgendes fest: Grundsätzlich sei die Zuständigkeit in § 44 AlVG geregelt. Dieser treffe aber keine genaue Aussage. Deshalb sei § 27 AlVG heranzuziehen. § 27 Abs 6 AlVG besagt, dass der Arbeitgeber jede Änderung unverzüglich der regionalen Geschäftsstelle des AMS zu melden habe. Wo jedoch der der Einleitung des Verfahrens dienende Antrag einzubringen ist, bleibe offen. Weitere Informationen liefere das Arbeitsmarktservicegesetz. Zusammengefasst sei zwar die Landesgeschäftsstelle grundsätzlich für Erledigungen in zweiter Instanz zuständig, könne aber sehr wohl auch in erster Instanz wirken, denn die Landesgeschäftsstelle sei zuständig für alle Angelegenheiten des AMS, die die Erfüllung der Aufgaben des AMS in dem jeweiligen Bundesland gewährleisten sollen. Da § 12 AMSG iZm § 24 Abs 3 AMSG sehr weit gefasst sind, sei eine Einbringung des Antrages nach § 27 AlVG grundsätzlich möglich, sofern nichts anderes vorgeschrieben ist. Wie bereits erläutert, gibt es keine gegenteilige Regelung, weshalb dem Gesetz nach eine Zuständigkeit (auch) der Landesgeschäftsstellen bejaht werden müsse. In einer anderen Entscheidung ging der VwGH41 augenscheinlich davon aus, dass die Landesgeschäftsstellen als Berufungsinstanz in Angelegenheiten des § 27 AlVG wirken, und hat somit den regionalen Geschäftsstellen die Erledigung in erster Instanz zugeschrieben. Jedoch weist das neuere Erkenntnis ausdrücklich darauf hin, dass die Zuständigkeitsfrage unklar sei, und der Partei daher diese „falsche“ 38 Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul, AlVG (16. Lfg 2019) zu § 28 AlVG, 1. 39 Sdoutz/Zechner in Sdoutz/Zechner (Hrsg), AlVG (17. Lfg 2020) zu § 44 AlVG, Rz 783. 40 VwGH 26. 1. 2005, 2004/08/0165 = ZfV 2006/887. 41 VwGH 22. 12. 2004, 2004/08/0138. 10. Juli 2021 16/54
Einbringung nicht negativ zugerechnet werden dürfe. Das Gesetz sei hier jedenfalls zugunsten des Rechtsschutzsuchenden weit auszulegen.42 Die Sprengel der regionalen Geschäftsstellen entsprechen grundsätzlich den Verwaltungsbezirken und werden im Sinne des § 24 Abs 1 AMSG durch Verordnung43 festgelegt. Eine Ausnahme bildet Wien. Der Landesgeschäftsstelle Wien unterstehen die regionalen Geschäftsstellen, die, im Gegensatz zu denen unter anderen Landesgeschäftsstellen, nicht nur örtlich getrennt sind, sondern auch jeweils einem Fachbereich zugeordnet wurden. Die Zuständigkeit für natürliche Personen richtet sich nach deren Wohnort, die Zuständigkeit für Unternehmen nach deren Wirtschaftsklasse und deren Zuordnung zu den jeweiligen Fachbereichen. Die einzelnen regionalen Geschäftsstellen sowie deren Fachbereiche sind in § 4 Abs 2 AMSprV aufgelistet.44 B. Pensionsantrittszeitpunkt des Arbeitnehmers § 27 Abs 2 AlVG normiert, dass die Arbeitnehmerin, die die Altersteilzeit antreten möchte, in spätestens fünf Jahren das Regelpensionsalter erreichen muss. Männer müssen beim Antritt der Altersteilzeit dementsprechend seit 2020 das 60. Lebensjahr erreicht haben. Bei Frauen gestaltet sich die Berechnung etwas schwieriger, da ihr Regelpensionsalter ab dem Jahr 2024 Schritt für Schritt an das der Männer angepasst wird (also sukzessive von 60 auf 65 im Jahr 2033). Dies ist natürlich bei der Frage, ob der Antritt der Altersteilzeit bei Frauen bereits möglich ist, zu beachten.45 Bei Beantragung der Altersteilzeit ist es ratsam, und offenbar auch üblich, dass die Arbeitgeberin von der Arbeitnehmerin verlangt, sich von dem Pensionsversicherungsträger eine Bestätigung über den Pensionsstichtag ausstellen zu lassen und diese der Arbeitgeberin sowie dem AMS vorzulegen. Wird dies verabsäumt, so erlässt das AMS nach ständiger Praxis einen Verbesserungsauftrag. Der Leistungsbeginn hängt vom Einlangen des Antrages ab, wobei allfällige nachträgliche Verbesserungen nicht schaden und somit gerade nicht dazu führen, dass Altersteilzeitgeld erst mit vollständiger Verbesserung gebührt.46 Was passiert, wenn die Altersteilzeit endet, bevor die Arbeitnehmerin in Pension gehen kann? Grundsätzlich kann in einer Altersteilzeitvereinbarung auch festgelegt werden, dass das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Altersteilzeit einvernehmlich aufgelöst werden soll. Besonders interessant ist diese Frage in dem Fall, dass zwar geplant war, dass die Arbeitnehmerin anschließend in Pension gehen soll, die Parteien jedoch erst nach Abschluss der Vereinbarung feststellen, dass die Arbeitnehmerin direkt im Anschluss an die Altersteilzeit noch nicht abschlagsfrei in Pension gehen kann, und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht im Vertrag vereinbart wurde. Der tatsächliche Pensionsantritt nach Beendigung der Altersteilzeit ist keine Voraussetzung für das Bestehen des Anspruches auf Altersteilzeitgeld.47 Da das 42 VwGH 26. 1. 2005, 2004/08/0165 = ZfV 2006/887, 524 ff; Sdoutz/Zechner in Sdoutz/Zechner (Hrsg), AlVG (17. Lfg 2020) zu § 44 AlVG, Rz 783 f. 43 ArbeitsmarktsprengelVO, BGBl 1994/928. 44 Sdoutz/Zechner in Sdoutz/Zechner (Hrsg), AlVG (17. Lfg 2020) zu § 44 AlVG, Rz 784 f. 45 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2 Rz 27.09 ff. 46 Weikinger, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 172. 47 Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul (Hrsg), AlVG (16. Lfg 2019) zu § 28 AlVG, Rz 592. 10. Juli 2021 17/54
Arbeitsverhältnis mit den Inhalten vor der Altersteilzeit in diesem Fall nie beendet wurde, lebt es danach in seiner ursprünglichen Form wieder auf.48 Die andere Seite der Medaille ist die, dass das Altersteilzeitverhältnis endet, bevor die Arbeitnehmerin abschlagsfrei in Pension gehen kann, aber eine Klausel im Vertrag dazu führt, dass das Arbeitsverhältnis mit Ende der Altersteilzeit einvernehmlich aufgelöst wird. Dies kann etwa passieren, wenn das Pensionsrecht verändert wurde, nachdem die Altersteilzeitvereinbarung wirksam wurde. In diesem Fall muss die Arbeitnehmerin die restliche Zeit bis zur Pension mit einem anderen Arbeitsverhältnis überbrücken, wenn die Arbeitgeberin zur Weiterbeschäftigung nicht bereit ist. C. Arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung des Arbeitnehmers/ „qualifizierte Anwartschaft“ Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Altersteilzeitgeld ist, dass der Arbeitnehmer zumindest 780 Wochen innerhalb der letzten 25 Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war (§ 27 Abs 2 Z 1 AlVG). Das entspricht in etwa 15 Jahren arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb der letzten 25 Jahre.49 Auf diese Anwartschaft werden Zeiten gemäß § 14 Abs 4 und 5 AlVG angerechnet.50 Es sind dies so genannte Ersatzzeiten, die auch bei der Frage, ob die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllt sind, zum Einsatz kommen. Die 780 Wochen werden also als Anwartschaftszeiten bezeichnet, während die 25 Jahre den Rahmenzeitraum darstellen. Der Rahmenzeitraum gibt an, binnen welcher Zeitspanne die Anwartschaftszeiten erarbeitet werden mussten.51 Gemäß § 14 Abs 4 lit a AlVG sind arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten als Ersatzzeiten anzurechnen. Dazu zählen auch Zeiten, in denen Selbstständige freiwillig Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet haben (§ 14 Abs 8 AlVG). Arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten sind, wie der Wortlaut bereits vermuten lässt, nur eben solche Zeiten, in denen die betroffene Person tatsächlich in Österreich (oder nach Maßgabe der sozialversicherungsrechtlichen Abkommen oder des EU- Rechts im Ausland- vgl. § 14 Abs 5 AlVG) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war oder sich in Ausbildung befand. Auch Phasen, in denen das Beschäftigungsverhältnis zwar bereits beendet war, die Versicherungspflicht jedoch noch bestand (etwa aufgrund einer Kündigungsentschädigung oder einer Urlaubsersatzleistung), zählen dazu. Umgekehrt sind Phasen, in denen das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis noch aufrecht, die Versicherungspflicht jedoch nicht mehr gegeben war, nicht zu den arbeitslosenversicherungspflichtigen Zeiten zu zählen. Dies kann etwa passieren, wenn der Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub im Ausmaß von mehr als einem Monat in Anspruch nimmt. Ob während der arbeitslosenversicherungspflichtigen Zeit tatsächlich eine Arbeitsleistung erbracht wurde, oder nicht, ist unerheblich. Ein Scheindienstverhältnis kann jedoch nicht 48 OGH, 9 ObA 51/11g vom 27.07.2011, zust Schrank, Leitentscheidungen, 1; OGH 06.04.2005, 9 ObA 96/04i; Anzenberger, Altersteilzeit und Insolvenz, ZIK 2002, 5. 49 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.13. 50 Sauer/Furtlehner in Pfeil, Der AlVG- Kommentar, 2019, zu §§ 27, 28 AlVG, Rz 8. 51 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 339. 10. Juli 2021 18/54
angerechnet werden. 52 Wurde der Arbeitgeber als Strafe wegen verspäteter Abmeldung des Arbeitnehmers von der Sozialversicherung zur Weiterzahlung der Beiträge über einen gewissen Zeitraum verpflichtet, wie es gemäß § 56 Abs 1 ASVG bis Ende 2018 möglich war, so ist dieser ebenfalls nicht als arbeitslosenversicherungspflichtig anzurechnen.53 Der Anwartschaft angerechnet werden auch Zeiten, die den arbeitslosenversicherungspflichtigen Zeiten gleichgestellt sind. Es sind dies gemäß § 14 Abs 4 lit b Zeiten des Zivildienstes, des Präsenzdienstes und der Kindererziehung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass solche Zeiten nur dann angerechnet werden können, wenn im relevanten Rahmenzeitraum der Anwartschaft zumindest 14 Wochen sonstiger Anwartschaft liegen. Konkret sind als Präsenzdienst sowohl ordentliche, als auch außerordentliche Präsenzdienstzeiten anrechenbar, sowie deren Verlängerung und Waffenübungen. Die Zeit des Einsatzes bei den UN- Truppen gilt als sonstige Anwartschaft. Zeiten der Kindererziehung sind nur dem Elternteil anrechenbar, der das Kinderbetreuungsgeld tatsächlich bezieht. Dies liegt daran, dass grundsätzlich beide Elternteile Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld haben, und daher der Anspruch alleine nicht als Grundlage herhalten kann. Der Wochengeldbezug zählt hingegen zu den verlangten 14 Wochen sonstiger Anwartschaft. Sollten diese 14 Wochen nicht vorliegen, so bleiben alle Zeiten gemäß § 14 Abs 4 lit b AlVG bei der Berechnung außen vor und können daher nicht berücksichtigt werden. Allerdings mit folgender Ausnahme: Liegt ein Tatbestand nach § 15 Abs 1 Z 5 oder § 15 Abs 3 Z 6 AlVG vor, erstreckt dieser die Rahmenfrist, wenn die 14 Wochen binnen dieser erstreckten Rahmenfrist nachgewiesen werden. In diesem Fall ist wiederum der gesamte Zeitraum des Zivil- bzw Präsenzdienstes und der Kindererziehung anzurechnen.54 Eine Rahmenfristerstreckung ist auch für Zeiten möglich, in denen eine Person ein Kind, das jünger als 15 Jahre ist, betreut, und währenddessen nicht arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.55 § 14 Abs 4 lit c AlVG regelt, inwiefern Zeiten berücksichtigt werden, in denen die Person Wochen- oder Krankengeld bezieht. Bezüglich des Krankengeldes ist lit c leg cit nur anzuwenden, als die Zahlung desselben nicht arbeitsrechtlich verpflichtend ist; denn in diesem Fall handelt es sich um eine typische arbeitslosenversicherungspflichtige Zeit nach lit a leg cit. Wochen- oder Krankengeld kann dann als Anwartschaftszeit berücksichtigt werden, wenn die Gewährung desselben daher rührt, dass der Arbeitnehmer einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist. Liegt die Grundlage der Zahlung jedoch darin, dass die Person davor Arbeitslosengeld bezogen hat, kann diese Zeit nicht angerechnet werden. Im Falle, dass zuerst Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, und dann aufgrund einer neuen Schwangerschaft wieder Wochengeld, wird auf den Rechtsgrund des Kinderbetreuungsgeldes abgestellt: liegt dieser in einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, so kann in der Folge auch das Wochengeld auf die Anwartschaft angerechnet werden.56 52 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 345. 53 VwGH 4. 10. 2001, 98/08/0313; Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 345. 54 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 346. 55 Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul, AlVG (16. Lfg 2019) zu § 28 AlVG, Rz 594. 56 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 347. 10. Juli 2021 19/54
Wie bereits oben erwähnt, zählen gemäß § 14 Abs 4 lit b AlVG auch Ausbildungszeiten zu den anrechnungsfähigen Zeiten. In Abgrenzung davon sind in § 14 Abs 4 lit d AlVG die Ausbildungsjahre eines Lehrlings als anrechnungsfähige Zeiten genannt. Das ist insofern etwas Besonderes, als bis 31. 01. 2015 Lehrlinge nur in ihrem letzten Lehrjahr arbeitslosenversichert waren. Dennoch sind alle Lehrjahre im Sinne dieses Paragraphen anrechenbar. Lehrlinge, deren Lehrzeit erst ab dem 01.01.2016 begonnen hat, entrichten bereits von Anfang an Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, und sind von dieser Sonderregelung daher ohnehin nicht mehr betroffen.57 Arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten, die im Ausland absolviert wurden, sind gemäß § 14 Abs 5 AlVG nur dann anrechenbar, wenn dies durch ein internationales Abkommen geregelt ist.58 D. Herabsetzen der Normalarbeitszeit § 27 Abs 2 Z 2 AlVG ordnet an, dass als Voraussetzung für die Gewährung von Altersteilzeitgeld die Normalarbeitszeit der konkreten Arbeitnehmerin von 100 % auf 40- 60 % verringert werden muss. Dazu stellt sich zunächst die Frage, was genau in diesem Zusammenhang unter „Normalarbeitszeit“ verstanden wird. Hierbei wird zunächst auf die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit abgestellt, subsidiär auf die gesetzliche Normalarbeitszeit. Die gesetzliche Normalarbeitszeit beträgt gemäß § 3 Abs 1 AZG 40 Stunden pro Woche. Die konkrete Normalarbeitszeit der Arbeitnehmerin muss vor Altersteilzeitbeginn seit 2009 mindestens 60 % der kollektivvertraglichen beziehungsweise der gesetzlichen Normalarbeitszeit erreichen. Hierbei werden regelmäßige Überstunden hinzugezählt.59 Das bedeutet, dass auch Personen, die nur Teilzeit arbeiten, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen können, falls sie diese 60 % erreichen. Bei 40 Wochenstunden wären somit mindestens 24 Wochenstunden Normalarbeitszeit der konkreten Arbeitnehmerin notwendig. Wäre etwa eine kollektivvertragliche Normalarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden einschlägig, so kann auch eine Arbeitnehmerin mit 23,1 Wochenstunden Normalarbeitszeit in Altersteilzeit gehen.60 Die Materialien äußern sich zudem zu dem Thema, wie lange diese Normalarbeitszeit vorliegen muss, bevor eine Altersteilzeitvereinbarung wirksam werden kann. Früher seien in der Praxis die letzten 6 Monate angesehen worden, nun jedoch dürfe diese Grenze im letzten Jahr nicht unterschritten worden sein (§ 27 Abs 2 Z 2 AlVG). Dies solle den Versuchen entgegenwirken, die Normalarbeitszeit von Teilzeitarbeitskräften knapp vor Altersteilzeitbeginn kurzfristig zu erhöhen, um die Voraussetzungen der Altersteilzeitgeldgewährung zu erfüllen, und somit derartige missbräuchliche und sozialbetrügerische Verhaltensweisen verhindern. Auf der anderen Seite sollen aber für Vollzeitarbeitnehmerinnen keine Nachteile entstehen, nur weil sie im letzten Jahr einen Arbeitgeberwechsel hatten und eventuell dazwischen kurzfristig nicht arbeiten konnten. In solchen Fällen müsse aber die Arbeitnehmerin bereits mindestens drei Monate bei der 57 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 348. 58 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 351. 59 Sauer/Furtlehner in Pfeil, Der AlVG- Kommentar, 2019, zu §§ 27, 28 AlVG, RZ 10 f. 60 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.15. 10. Juli 2021 20/54
neuen Arbeitgeberin beschäftigt sein.61 Hat die Arbeitnehmerin im letzten Jahr Kurzarbeit (§ 37 b AMSG) geleistet, so wird während dieser Zeit auf die davor geleistete Normalarbeitszeit abgestellt.62 Die Praxis ist der Auffassung, dass bereits bei einem einzigen Tag, der im letzten Jahr unter dieser 60% Grenze liegt, die Voraussetzungen nicht gegeben seien und ein weiteres Jahr verstreichen müsse, in dem zur Gänze die Mindestnormalarbeitszeit gearbeitet wird, bevor der Anspruch auf Altersteilzeitgeld bewilligt werden könne.63 Sdoutz/Zechner hingegen weisen darauf hin, dass es hier zu der bizarren Situation kommen könne, dass jemand, die grundsätzlich Vollzeit arbeitet, für kurze Zeit ihre Arbeitszeit zum Beispiel aufgrund einer Familienhospizkarenz auf etwa 20 Wochenstunden reduziert, und deshalb keine Bewilligung der Altersteilzeit im folgenden Jahr mehr möglich wäre. Würde diese Arbeitnehmerin jedoch für dieselbe Zeit, statt zu reduzieren, vollständig aus dem Berufsleben austreten, hätte sie hingegen eine nicht schädliche Lücke und ihre Arbeitgeberin könnte erfolgreich um Altersteilzeitgeld ansuchen. Aus diesem Grund sei es nicht sachgerecht, bereits bei kurzfristigem Unterschreiten der 60 % Grenze diese Voraussetzung als nicht gegeben anzusehen; vielmehr müsse man darauf achten, ob die betroffene Arbeitnehmerin grundsätzlich Vollzeit arbeite. Auf diese Weise würde man Missbrauch ebenso wirkungsvoll entgegentreten, ohne jedoch Härtefälle wie den oben geschilderten hinzunehmen. Dies würde im Übrigen auch dem Wortlaut der Materialien entsprechen, wo von „für längere Zeit teilzeitbeschäftigte Arbeitskräften“ die Rede sei.64 Sdoutz/Zechner65 geben außerdem zu bedenken, dass das Abstellen auf die vertragliche Normalarbeitszeit, statt auf die durchschnittlich tatsächlich geleistete Arbeitszeit gleichheitswidrig sein könnte, und außerdem gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Teilzeitrichtlinie verstoße. Denn dies benachteilige Arbeitnehmerinnen, die aufgrund des Bedürfnisses erhöhter Flexibilität ihrer Arbeitgeberin oftmals nur als Teilzeitkräfte eingestellt werden, sich aber gleichzeitig zur Erfüllung von Mehrstunden verpflichten. Sie berufen sich dabei auf Dirschmied/Pfeil66, die als Grundlage für die 60 % Grenze die regelmäßige Arbeitszeit (also auch regelmäßig geleistete Mehr- und Überstunden) ansehen. Der VwGH67 stellte schon 2012 fest, dass eine saisonbedingte Unterbrechung des Dienstverhältnisses während der letzten 3 Monate (im konkreten Fall dauerte die Unterbrechung 11 Tage) bei gleichzeitiger Wiedereinstellungszusage nicht schade. Weder werde dadurch die 60 %- Grenze unterschritten, noch handele es sich um einen Betriebswechsel- die Arbeitnehmerin war beim selben Betrieb, wenn auch mit einer kurzen Unterbrechung, angestellt. Die Dreimonatsfrist müsse somit nicht eingehalten werden, da es sich nicht um einen neuen Betrieb im Sinne dieses Gesetzes handele.68 61 ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 348. 62 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.15. 63 Vgl Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul § 28 AlVG (16. Lfg März 2019), Rz 597. 64 Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul § 28 AlVG (16. Lfg März 2019), Rz 597 f. 65 Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul § 28 AlVG (16. Lfg März 2019), Rz 600. 66 Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht samt einschlägigen Nebengesetzen3, 2014, Erl zu §§ 27, 28 AlVG, 256. 67 VwGH, 02.05.2012, 2010/08/0008. 68 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.15. 10. Juli 2021 21/54
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