RECHTSPROBLEME DER ALTERSTEILZEIT - JKU ePUB

Die Seite wird erstellt Anja Seifert
 
WEITER LESEN
Eingereicht von
                                        Anna Koppensteiner
                                        Angefertigt am
                                        Institut für Arbeits-
                                        und Sozialrecht
                                        Beurteiler / Beurteilerin
                                        Johanna Naderhirn

                                        Juli 2021

RECHTSPROBLEME
DER ALTERSTEILZEIT

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magistra der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
Rechtswissenschaften

                                        JOHANNES KEPLER
                                        UNIVERSITÄT LINZ
                                        Altenberger Straße 69
                                        4040 Linz, Österreich
                                        jku.at
                                        DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die
wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, 10.07.2021

Ort, Datum

Unterschrift

Gender Erklärung

Zur besseren Lesbarkeit werden wechselweise das generische Maskulinum und das generische
Femininum verwendet. Diese Bezeichnungen gelten immer für alle Geschlechter, mit Ausnahme
der natürlichen Geschlechter etwa von Autoren und Autorinnen.

10. Juli 2021                                                                                 2/54
ALTERSTEILZEIT
Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...................................................................................................................... 5

I.          EINLEITUNG ......................................................................................................................................... 7

II.         DEFINITION „ALTERSTEILZEIT“ ........................................................................................................ 8

III.        ALTERSTEILZEITMODELLE ............................................................................................................... 9

       A.        KONTINUIERLICHE ARBEITSZEITVERKÜRZUNG ....................................................................................... 9
       B.        BLOCKZEITMODELL ............................................................................................................................10

IV.         HISTORISCHE ENTWICKLUNG ........................................................................................................12

       A.        VORLÄUFER: SOLIDARITÄTSPRÄMIENMODELL ......................................................................................12
       B.        ERSTMALIGE EINFÜHRUNG DER ALTERSTEILZEIT .................................................................................12
            1.       Gründe ........................................................................................................................................12
            2.       Ausgestaltung .............................................................................................................................14
       C.        POLITISCHE HINTERGRÜNDE ..............................................................................................................15

V.          DIE ALTERSTEILZEIT IM GELTENDEN RECHT ..............................................................................16

       A.        ZUSTÄNDIGKEIT FÜR DIE EINBRINGUNG DES ANTRAGES .......................................................................16
       B.        PENSIONSANTRITTSZEITPUNKT DES ARBEITNEHMERS ..........................................................................17
       C.        ARBEITSLOSENVERSICHERUNGSPFLICHTIGE BESCHÄFTIGUNG DES ARBEITNEHMERS/ „QUALIFIZIERTE
       ANWARTSCHAFT“........................................................................................................................................18
       D.        HERABSETZEN DER NORMALARBEITSZEIT ...........................................................................................20
       E.        LOHNAUSGLEICH ...............................................................................................................................22
       F.        SOZIALVERSICHERUNGSBEITRÄGE ......................................................................................................23
       G.        ABFERTIGUNG ...................................................................................................................................25
       H.        KEIN GEGENWÄRTIGER PENSIONSANSPRUCH DES ARBEITNEHMERS .....................................................25
       I.        ERSATZARBEITSKRAFT BEI BLOCKARBEITSZEIT....................................................................................26

VI.         UMFANG DES ALTERSTEILZEITGELDES/ -ZUSCHUSSES DES AMS .........................................28

VII.             SONDERPROBLEME .....................................................................................................................29

       A.        VORZEITIGE BEENDIGUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES .....................................................................29
            1.       Erhalt des Altersteilzeitgeldes als Bedingung für den Lohnausgleich ........................................29
            2.       Umfang der Ausgleichszahlung für offene Zeitguthaben ............................................................30
            3.       Wegfall des Lohnausgleiches im Verhältnis zu § 10 AZG ..........................................................33
       B.        URLAUB ............................................................................................................................................33
            1.       Ausgangslage und Fragen ..........................................................................................................33
            2.       Lehrmeinungen ...........................................................................................................................34
            3.       Judikatur ......................................................................................................................................39
            4.       Judikaturanalyse .........................................................................................................................40
       C.        RÜCKFORDERUNG UND ANPASSUNG VON ALTERSTEILZEITGELD ...........................................................42
       D.        KRANKENSTAND ................................................................................................................................43

VIII.            EXKURS: ERWEITERTE ALTERSTEILZEIT ................................................................................46

10. Juli 2021                                                                                                                                                     3/54
IX.       ZUSAMMENFASSUNG ......................................................................................................................48

X.        QUELLENVERZEICHNIS ...................................................................................................................51

     A.      KOMMENTARE ...................................................................................................................................51
     B.      BÜCHER ............................................................................................................................................51
     C.      AUFSÄTZE IN FACHZEITSCHRIFTEN .....................................................................................................51
     D.      BEITRÄGE IN SAMMELWERKEN............................................................................................................52
     E.      ENTSCHEIDUNGSSAMMLUNGEN ..........................................................................................................53
     F.      JUDIKATUR ........................................................................................................................................53
     G.      INTERNETQUELLEN ............................................................................................................................53

10. Juli 2021                                                                                                                                                4/54
Abkürzungsverzeichnis

aA                      andere Ansicht
Abs                     Absatz
AlVG                    Arbeitslosenversicherungsgesetz
AMS                     Arbeitsmarktservice
AMSG                    Arbeitsmarktservicegesetz
AMSprV                  Arbeitsmarktsprengelverordnung
APG                     Allgemeines Pensionsgesetz
ArbVG                   Arbeitsverfassungsgesetz
ASoK                    Fachzeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht, Arbeits- und
                        Sozialrechtskartei
ASRÄG                   Arbeits- und Sozialrechts- Änderungsgesetz
ASVG                    Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
ATZ                     Altersteilzeit
AVRAG                   Arbeitsvertragsrechts- Anpassungsgesetz
AZG                     Arbeitszeitgesetz

BGBl                    Bundesgesetzblatt
BlgNR                   Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates
BMSVG                   Betriebliches Mitarbeiter- und Selbstständigenvorsorgegesetz
BSchEG                  Bauarbeiter- Schlechtwetterentschädigungsgesetz
BUAG                    Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz
bzw                     beziehungsweise

DRdA                    Das Recht der Arbeit

Ecolex                  Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht
Erl                     Erläuterungen
ErlRV                   erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage
EStG                    Einkommenssteuergesetz
EUR                     Euro

f                       und der (die) folgende
ff                      und die folgenden
FJ                      Finanz Journal

GP                      Gesetzgebungsperiode

Hrsg                    Herausgeber

10. Juli 2021                                                                            5/54
IA                    Initiativantrag
idF                   in der Fassung
IESG                  Insolvenz- Entgeltsicherungsgesetz
iVm                   in Verbindung mit
iZm                   im Zusammenhang mit

Lfg                   Lieferung
lit                   Litera

Nr                    Nummer

OECD                  Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OGH                   Oberster Gerichtshof

RdW                   Österreichisches Recht der Wirtschaft
Rz                    Randzahl

SozSi                 Soziale Sicherheit

UrlG                  Urlaubsgesetz

VfGH                  Verfassungsgerichtshof
vgl                   vergleiche
VwGH                  Verwaltungsgerichtshof

Z                     Ziffer
ZAS                   Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht
ZellHB AV- Klauseln   Zeller Handbuch Arbeitsvertrags- Klauseln
ZfV                   Zeitschrift für Verwaltung
zust                  zustimmend

10. Juli 2021                                                                           6/54
I. Einleitung

Das Instrument der Altersteilzeit wurde bereits vor über 20 Jahren eingeführt, erfreut sich aber
nach wie vor besonderer Beliebtheit. Für viele Menschen war und ist es eine angenehme
Möglichkeit, die letzten Jahre bis zur Pension zu überbrücken. Dies zeigt sich auch maßgeblich in
den Zahlen: im Jahr 2020 befinden sich über 40.000 Personen in Altersteilzeit.1 Während zu
Beginn noch einige Rechtsfragen offen waren, hat sich in den vergangenen Jahren viel getan: Der
Gesetzestext wurde mehrmals angepasst, und noch offene Fragen wurden zu einem großen Anteil
von der Judikatur gelöst. Es handelt sich bei der Altersteilzeit in diesem Sinne um ein gut
etabliertes System, welches hervorragend funktioniert und deshalb nach wie vor oft und gerne
angewendet wird.

In dieser Arbeit soll nun zunächst ein Überblick über die Altersteilzeit gegeben werden. Nach
einer kurzen geschichtlichen Einleitung wird auf die genauen Voraussetzungen eingegangen, die
für die Gewährung von Altersteilzeitgeld erfüllt werden müssen. In der zweiten Hälfte geht es
dann um besondere Probleme, die im Laufe der Altersteilzeit auftreten können. Beantwortet
werden Fragen wie: Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn das Arbeitsverhältnis vor
vereinbartem Ende der Altersteilzeit beendet wird? Wann entsteht Urlaub, und wann kann man
ihn konsumieren? Wann und unter welchen Voraussetzungen kann die Höhe des vom AMS
ausbezahlten Altersteilzeitgeldes geändert werden, bzw unter welchen Voraussetzungen kann
bereits ausbezahltes Altersteilzeitgeld zurückverlangt werden? Was passiert, wenn man während
der Altersteilzeit in Krankenstand geht?

Durch genaueste Auseinandersetzung mit Materialien, Judikatur und Rechtsprechung werden
unter anderem die oben aufgeworfenen Fragen erläutert und beantwortet. Dabei wird besonders
darauf geachtet, die verschiedenen Meinungen darzustellen und aufzuschlüsseln, sodass sich im
Gesamten ein vollständiges Bild ergibt.

1AMS Statistik, LB550/ Würfel: amb/wlb550, 11;
https://arbeitsmarktdatenbank.at/cognos82/bi/v1/disp?b_action=cognosViewer&ui.object=/content/folder[
@name=%27Themen%27]/folder[@name=%27ambweb%27]/report[@name=%27wlb550_rs%27]&run.o
utputFormat=PDF&run.prompt=false&ui.action=run&cv.toolbar=false&cv.header=false&asynch.primary
WaitThreshold=0&run.outputLocale=de&p_Datum=[wlb550].[Datum].[Datum].[Jahr]-
%3E:[PC].[@MEMBER].[20200101-20201231]&p_Region=[wlb550].[Region].[Region].[Region]-
%3E:[PC].[@MEMBER].[AUT]&p_DisplayDatum=2020&p_DisplayRegion=%C3%96sterreich ,
(Zugriff am 10.06.2021).

10. Juli 2021                                                                                     7/54
II. Definition „Altersteilzeit“

Die Altersteilzeit ist ein aus öffentlichen Mitteln gefördertes Instrument, das es älteren
Arbeitnehmerinnen erlaubt, Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dabei große finanzielle Nachteile
erleiden zu müssen. Sie erhalten unter anderem einen Lohnausgleich, sodass ihr Gehalt, wenn
auch nicht so hoch wie früher, doch deutlich mehr ist, als es bei einfacher Abrechnung ihrer
geleisteten Arbeitsstunden wäre, sowie ihre Abfertigung und ihre Versicherungsbeiträge so, als
hätten sie nie Stunden, das heißt ihr Beschäftigungsausmaß, reduziert. Die Altersteilzeit entsteht
aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung zwischen der Arbeitnehmerin und der Arbeitgeberin.
Werden dabei die Bedingungen des § 27 AlVG erfüllt, so hat die Arbeitgeberin ein Recht auf
Leistung von Altersteilzeitgeld vom AMS. Dieses dient in erster Linie dem Ersatz der
Mehrkosten, die die Arbeitgeberin durch den Lohnausgleich und die erhöhten
Versicherungsbeiträge      trägt.   Das     Altersteilzeitgeld    wird    durch      Mittel     der
Arbeitslosenversicherung finanziert und daher durch das AMS gewährt. Im Rahmen der
allgemeinen Vertragsfreiheit sind die Parteien in allen Punkten, die das Gesetz nicht vorgibt, frei,
sich zu einigen und zu vereinbaren, was sie wollen. Kommt es zu keiner Einigung, so kommt
infolgedessen auch kein Altersteilzeitvertrag zustande und es besteht daher auch kein Anspruch
auf Altersteilzeitgeld.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass selbstverständlich auch ohne Erfüllung aller Kriterien eine
Altersteilzeit vereinbart werden kann. Natürlich ist eine Förderung durch das AMS dann nicht
möglich.2

2Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2 Besonderer Teil, 27. Klausel,
Rz 27.05 ff; Marek, Altersteilzeit und erweiterte Altersteilzeit in Frage und Antwort7, II, 3.

10. Juli 2021                                                                                    8/54
III.       Altersteilzeitmodelle

A. Kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung

Der Gesetzgeber normiert in § 27 Abs 2 Z 2 AlVG, dass die Normalarbeitszeit um 40- 60 %
verringert werden muss (Details siehe unten V. D), wenn die vom AMS geförderte Altersteilzeit
in Anspruch genommen wird. Dies lässt einigen Freiraum in der Gestaltung dieser
Arbeitszeitverringerung. Die 40- 60% Reduktion bezieht sich auf den Durchrechnungszeitraum
der gesamten Altersteilzeit. Wird der vereinbarte Prozentsatz innerhalb eines Jahres ausgeglichen,
also im Jahresdurchschnitt erreicht, so spricht man von einer kontinuierlichen
Arbeitszeitverkürzung. Sie wird von dem Blockzeitmodell abgegrenzt. Das Wort „ausgeglichen“
in § 27 Abs 4 AlVG wird dabei so verstanden, dass eine Schwankung von bis zu 20 % noch im
Rahmen und das Kriterium zur kontinuierlichen Arbeitszeitverkürzung somit erfüllt ist. Ist also
etwa eine Arbeitszeitreduktion von 50% vereinbart, und der Arbeitnehmer arbeitete im ersten
Jahr um 40% weniger als seine damalige Normalarbeitszeit, und im darauffolgenden Jahr um
60% weniger, so handelt es sich um eine kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung. Wichtig ist, dass
am Ende der Altersteilzeit die Zeitguthaben ausgeglichen sein müssen. Auch die Aufteilung, dass
etwa zuerst 6 Monate die volle frühere Normalarbeitszeit geleistet wird, und danach 6 Monate
Freizeitphase folgen, ist grundsätzlich möglich.3 Fraglich bleibt noch, ob der Ausgleich immer
mit dem jeweils vorigen Jahr geschehen muss, oder ob das über den gesamten Zeitraum der
Altersteilzeit geschehen darf und dabei pro Jahr um maximal 20 % abgewichen werden darf.
Radner/Ghahramani- Hofer vertreten die Ansicht, dass ein Abstellen auf das vorhergehende Jahr
im Konflikt mit dem Gleichheitssatz stehen würde. Schließlich wäre andernfalls etwa eine
Aufteilung von 40 % im ersten Jahr, 60 % im zweiten Jahr und 50 % im dritten Jahr als
kontinuierliche Alterszeitreduktion zu qualifizieren, eine Aufteilung von 40 % im ersten Jahr, 50
% im zweiten Jahr und 60 % im dritten Jahr jedoch als Blockarbeitszeit. Dies sei sachlich nicht
gerechtfertigt und müsse daher das Wort „jeweils“ in § 27 Abs 4 AlVG so verstanden werden,
dass     innerhalb    jedes    Jahres    (jeweils)     nur    maximal      20    %      von    der
                                                                                      4
Durchschnittsarbeitszeitreduktion des gesamten Zeitraumes abgewichen werden darf.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die kontinuierliche Arbeitszeitverkürzung ganz
besonders flexibel ist, da die Arbeitszeit auch von Woche zu Woche unterschiedlich sein kann.5

Dem Arbeitnehmer ist während der gesamten Altersteilzeit ein in etwa gleichbleibendes
Monatsentgelt zu bezahlen. Die Höhe orientiert sich hierbei an der durchschnittlich während der
gesamten Altersteilzeit geleisteten Arbeitsstunden. Dazu kommt der vereinbarte Lohnausgleich.6
Das Entgelt bleibt also dasselbe, unabhängig davon, wie viele Stunden in dem jeweiligen Monat
gearbeitet wurde- so wird nicht einmal das Doppelte, wenn zweimal so viel gearbeitet wurde, wie

3
  Marek, Altersteilzeit7, II, 3 ff.
4
  Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.71.
5
  Thöny, Die Teilzeitbeschäftigung2, Kapitel V, H, 2.a).
6
   Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Teilzeitarbeitsentgelt und
Lohnausgleich, Rz 67 f.

10. Juli 2021                                                                                  9/54
im Durchschnitt vereinbart, bezahlt, und das nächste Monat gar nichts, weil gar nicht gearbeitet
wurde. Erschwernis-, Schmutz und Gefahrenzulagen sind bei Anfall zu bezahlen.7

B. Blockzeitmodell

Das Blockzeitmodell unterscheidet sich von der kontinuierlichen Arbeitszeitverkürzung, wie der
Name bereits vermuten lässt, in der Art der Arbeitszeitverteilung. Während bei der
kontinuierlichen Arbeitszeitreduktion noch grundsätzlich regelmäßig gearbeitet wird, so
wechseln sich bei der Blockzeitvariante Phasen der Vollzeitarbeit mit Freizeitabschnitten, in
denen gar nicht gearbeitet wird, ab. Die Freizeit wird sozusagen zunächst hereingearbeitet, und
anschließend konsumiert.8 Der Regelfall in der Praxis ist, dass erst nach der Phase der
Vollzeitarbeit die Freizeitphase anschließt, an deren Ende das Arbeitsverhältnis durch
einvernehmliche Auflösung, die bereits im Altersteilzeitvertrag vereinbart wird, endet und der
Arbeitnehmer in Pension geht. Die Altersteilzeit ist hierbei ein mit den Mitteln der
Arbeitslosenversicherung gefördertes Vorruhestandsmodell.

Zu beachten ist jedoch, dass als Blockarbeitszeit alle Vereinbarungen gelten, die nicht die
Voraussetzungen der kontinuierlichen Arbeitszeitreduktion erfüllen. Somit können auch Fälle
vorkommen, in denen es überhaupt keine reine Freizeitphase gibt, welche aber trotzdem unter die
Blockzeitregelung fallen.9 In § 27 Abs 5 Z 3 AlVG ist festgelegt, dass die maximale Gesamtdauer
der Freizeitphasen beim Blockzeitmodell 2,5 Jahre nicht überschreiten dürfen.10 Während der
Freizeitphasen der Blockarbeitszeit ist nicht nur vorübergehend eine Ersatzarbeitskraft
einzustellen (§ 27 Abs 5 Z 3 AlVG).

Während des gesamten Zeitraumes der Altersteilzeit ist auch beim Blockzeitmodell grundsätzlich
ein gleichbleibendes Gehalt zu zahlen- also sowohl während der Freizeitphase, als auch während
der Arbeitsphase. Bezüglich der Höhe wird dabei auf die in der gesamten Altersteilzeit
verrichtete Durchschnittsarbeitszeit abgestellt. Beginnt somit etwa eine Arbeitnehmerin mit einer
Vollzeitarbeitsphase, in der sie dieselben Wochenstunden wie vor Beginn der Altersteilzeit
leistet, so verdient sie in diesem Zeitraum dennoch weniger als vorher. Im Gegenzug dafür
bekommt sie auch während der Freizeitphase ein gleichbleibendes Gehalt. Die Höhe des Gehalts
baut auf der durchschnittlichen Arbeitszeit während der Altersteilzeit plus dazugehörigen
Lohnausgleich auf, sie kann allerdings aufgrund von Valorisierungen11 und der Art des Entgelts
schwanken.12 Probleme können sich bezüglich Leistungs- und Erfolgsentgelten, Jahreserfolgs-
oder      Jahreszielerreichungsprämien     sowie      Gefahrenzulagen,     Schichtzulagen    und
Erschwerniszulagen ergeben. Bei Zulagen ist daher darauf zu achten, dass sie nicht sofort in

7
   Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Teilzeitarbeitsentgelt und
Lohnausgleich, Rz 68.
8
  Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/ Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.80.
9
  Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/ Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.81.
10
   Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/ Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.82.
11
    = Aufwertung mit dem Verbraucherpreisindex des betroffenen Jahres; zur Anpassung des
Lohnausgleichs im Detail siehe § 27 Abs 4 AlVG.
12
    Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der
Blockungsmodelle, 27 f.

10. Juli 2021                                                                                10/54
voller Höhe, sondern stattdessen verhältnismäßig aufgeteilt und ausgezahlt werden. Auf diese
Weise entstehen keine hohen Schwankungen im Entgelt und der Lohnausgleichanspruch bleibt
immer in gleicher Höhe bestehen. Bei einer Arbeitszeitreduktion von 50 % gestaltet sich diese
Aufteilung etwa so: Was im ersten Monat bei Vollarbeitszeit erarbeitet wird, wird auf diesen
ersten Monat, und den ersten Monat der Freizeitphase aufgeteilt. Die Auszahlung erfolgt somit
zeitverschoben. Bei anderen Arbeitszeitreduktionen als 50 % müsse dasselbe geschehen, jedoch
anteilig. Bei einer Vereinbarung über 60 % Arbeitszeitreduktion etwa bedeutet ein Monat
Vollarbeitszeit, dass zwei Drittel eines Monats Freizeit eingearbeitet wurden. Bei Leistungs- und
Erfolgsentgelten, sowie Jahreserfolges- oder Jahreszielerreichungsprämien sei ebenso zu
verfahren.13
Bei reinen Sachbezügen ist eine solche Aufteilung nicht möglich.14

Schrank gibt Arbeitgebern den Hinweis, den Lohnausgleich sowohl in der
Altersteilzeitvereinbarung, als auch auf den einzelnen Lohnzetteln gesondert auszuweisen. Dies
beuge einer Interpretation dieser Summe als Gehaltserhöhung vor und verhindere somit erhöhte
Abgeltungskosten im Falle einer Beendigung des Arbeitsvertrages vor Ablauf der Altersteilzeit.
Dies sei jedoch nicht notwendig, wenn der Lohnausgleich ohnehin an den Erhalt von
Altersteilzeitgeld geknüpft ist.15

13
   Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der
Blockungsmodelle, 28.
14
   Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der
Blockungsmodelle, 28.
15
   Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht (84. Lfg 2019) Sonderprobleme der
Blockungsmodelle, 28.

10. Juli 2021                                                                                11/54
IV.        Historische Entwicklung

A. Vorläufer: Solidaritätsprämienmodell

Das Solidaritätsprämienmodell wurde 1997 durch das ASRÄG (Arbeits- und
Sozialrechtsänderungsgesetz) erstmals eingeführt. Das ASRÄG setzte arbeits- und
sozialrechtliche Maßnahmen um, die ermöglichen sollten, dass der spätere Pensionsantritt
erleichtert wird, sowie den Druck auf den Arbeitsmarkt, der durch die spätere Pensionierung
entstand, abzufedern. All diese Maßnahmen wurden im AVRAG umgesetzt.16 Sie waren das
Ergebnis der bis dahin wohl schwierigsten Verhandlungen der Bundesregierung mit den
Sozialpartnern in der Geschichte der zweiten österreichischen Republik.17
Nach § 13 AVRAG wird beim Solidaritätsprämienmodell zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer eine Normalarbeitszeitreduktion vereinbart, gleichzeitig wird für die dadurch
freiwerdenden Stunden ein zusätzlicher Arbeitnehmer eingestellt. Die Rahmenbedingungen
dieser Vereinbarungen können sich aus einem Kollektivvertrag, oder, subsidiär, aus einer
Betriebsvereinbarung ergeben. § 27 Abs 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 139/1997 gewährt den
Arbeitnehmern (denen, die Stunden reduziert haben zugunsten der neuen Mitarbeiter, sowie den
neuen Arbeitnehmern selbst) eine finanzielle Prämie, wenn die Ersatzarbeitskräfte zuvor
Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben und nicht nur geringfügig angestellt sind.
Dies soll der Beschäftigungsförderung dienen. Die Höhe der Solidaritätsprämie wird anhand des
fiktiv zustehenden Arbeitslosengeldes gemäß §§ 20 f AlVG berechnet. Die Bezugsdauer beträgt
höchstens zwei Jahre, kann aber gegebenenfalls um ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn
dies arbeitsmarktpolitisch gerechtfertigt ist.18

Das Solidaritätsprämienmodell existiert nach wie vor in der heutigen Rechtsordnung, wurde
jedoch inhaltlich verändert. Etwa findet sich die Regelung über die Leistung der
Solidaritätsprämie nunmehr in § 37a AMSG, und steht nicht länger dem Arbeitnehmer direkt,
sondern stattdessen dem Arbeitgeber zu, welcher, ähnlich wie bei der Altersteilzeit, einen
Lohnausgleich an den Arbeitnehmer zahlen muss, sowie Sozialversicherungsbeiträge, die anhand
des Entgelts vor Arbeitszeitreduktion berechnet werden, zu entrichten hat. Auch die Abfertigung
hat sich nach der früheren Normalarbeitszeit zu berechnen.19

B. Erstmalige Einführung der Altersteilzeit

      1. Gründe

Im April 2000 wurde eine Pensionsreform beschlossen. Ziel dieser Reform war es, den Anstieg
der Bundesbeiträge zur Pensionsversicherung bis zum Jahr 2003 in der Sozialversicherung um 10

16
   Reissner, Die arbeitsrechtlichen Neuerungen durch das ASRÄG 1997, ASoK 1998, 23 f.
17
   Gleitsmann, Änderungen im Leistungsrecht der Pensionsversicherung durch das ASRÄG 1997, ASoK
1998, 17.
18
   Reissner, ASoK 1998, 23 f.
19 Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 13 AVRAG, Rz 1 ff (Stand 1.1.2018, rdb.at).

10. Juli 2021                                                                                12/54
Mrd Schilling20, und bei Beamtinnen um 5 Mrd Schilling zu senken. Zudem wurde Österreich
von der OECD21 kritisiert, da wir im europaweiten Vergleich beim faktischen
Pensionsantrittsalter schlecht abschnitten.22 Um diese Ziele zu erreichen, wurde festgelegt, dass
das faktische Pensionsantrittsalter Stück für Stück von 60 auf 61,5 bei Männern und von 55 auf
56,5 Jahre bei Frauen bis zum Jahr 2002 angehoben werden soll. Außerdem wurde die vorzeitige
Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit (geminderter Erwerbsfähigkeit) ersatzlos
aufgehoben.23

Zeitnah wurde auch, offenbar als Begleitmaßnahme zur Pensionsreform, die Altersteilzeit im § 27
AlVG geschaffen.

Die Materialien begründen die Einführung der Altersteilzeit nahezu ausschließlich mit der
Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit. So seien ältere Arbeitnehmerinnen viel gefährdeter,
arbeitslos zu werden, wie jüngere- vor allem aber sei die Wiederbeschäftigung ein Problem. Im
Jahr 1998 war eine durchschnittliche Arbeitslose 127 Tage lang arbeitslos, in der Gruppe der 50-
54- jährigen waren es bereits 182 Tage und bei Personen zwischen 55 und 59 sogar 249 Tage.
Um diesem Problem beizukommen, wurde die Verabschiedung einer ganzen Reihe von
Maßnahmen in Kombination vorgeschlagen- allen voran natürlich die Altersteilzeit.24

Schwarz erläutert die Gründe für die Einführung der Altersteilzeit etwas eingehender:
Das Pensionsantrittsalter wurde angehoben, jedoch führte das nicht dazu, dass alle
Arbeitnehmerinnen automatisch länger arbeiten können, da ihr Gesundheitszustand dies oft nicht
mehr erlaubt. Somit klafften die Hoffnung der Politik und die Realität am Arbeitsmarkt weit
auseinander. Die Altersteilzeit soll die Zeit zwischen Beendigung der Vollarbeitszeit und
Pensionsantrittszeitpunkt überbrücken. Denn wenn eine Arbeitnehmerin vielleicht nicht mehr
Vollzeit einsetzbar ist, so wäre eine Teilzeitbeschäftigung unter Umständen sehr wohl noch
möglich.25
Daran anknüpfend ermöglicht die Verminderung des Arbeitsvolumens älterer Arbeitnehmerinnen
das neue Einstellen ansonsten arbeitsloser Personen, welche die auf diesem Weg freigewordenen
Stunden übernehmen können.26
Ein weiterer Beweggrund war, den Unternehmen eine einfachere Möglichkeit zu geben,
Frühpensionsregelungen bzw Vorruhestandsregelungen umzusetzen, wenn sie Personalkosten
einsparen mussten. Auf diese Weise müssen sie nicht darauf zurückgreifen, Arbeitnehmerinnen
zu kündigen.27
Zu guter Letzt ist spätestens seit dem Film „Pappa ante portas“ allgemein bekannt, dass ein
plötzlicher Umstieg von Vollzeitarbeit auf die Pension die Arbeitnehmerin in einen sogenannten

20
   Das entsprach zu diesem Zeitpunkt in etwa 726.728.341,68 EUR.- ( https://www.online-
rechner.at/waehrung/ats_eur#ergebnis ,abgerufen am 13.06.2021).
21
   Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (englisch: Organisation for
Economic Co- operation and Development).
22
   Rudda, Pensionsreform 2000- Verfassungsrecht und Vertrauensschutz, SozSi 2000, 485 f.
23
   Rudda, SozSi 2000, 485 f.
24
   IA 1145/A BlgNR 20.GP 9 f.
25
   Schwarz, Altersteilzeit- Irrweg oder Zukunftsmodell, DRdA, 2006, 344 f.
26
   Schwarz, DRdA, 2006, 345.
27
   Schwarz, DRdA, 2006, 345.

10. Juli 2021                                                                                    13/54
„Pensionsschock“ versetzen kann. Auch dem kann die Anwendung von Altersteilzeit Abhilfe
verschaffen, denn sie ermöglicht ein „Hineingleiten in die Pension“, und verhindert somit eine
unvermittelte Änderung der Beschäftigung von 100 auf 0.28

Mit der Einführung der Altersteilzeit sollten somit im Wesentlichen mehrere Fliegen mit einer
Klappe geschlagen werden: Die Arbeitnehmerinnen vor der Altersarbeitslosigkeit bewahren, die
Arbeitslosenstatistiken verbessern und das faktische Pensionsalter anheben.
Finanziert wird die Altersteilzeit deshalb mit Mitteln aus der Arbeitslosenversicherung.29

      2. Ausgestaltung

Gemäß § 27 AlVG in der Fassung BGBl I Nr 179/1999, wie er ab 01.01.2000 in Kraft trat,
gebührte Altersteilzeitgeld kurz zusammengefasst einer Arbeitgeberin dann, wenn sie mit einer
älteren Arbeitnehmerin (Männer ab 55, Frauen ab 50 Jahren) die Reduktion deren Arbeitszeit auf
50 % vereinbarte und dafür eine arbeitslose Arbeitnehmerin einstellte, die die freigewordenen
Stunden übernahm. Die ältere Arbeitnehmerin sollte trotz verminderter Arbeitsstunden
mindestens 75 % des früheren Bruttogehalts bekommen. Im Übrigen sollten die
Sozialversicherungsbeiträge nach wie vor auf Basis des Gehalts vor Beginn der Altersteilzeit
einbezahlt werden, damit die Altersteilzeit im Vergleich zur Vollbeschäftigung nicht die
Pensionshöhe vermindert, also nicht pensionsschädlich ist. Den Unterschiedsbetrag zwischen
dem neuen Gehalt und dem der Arbeitnehmerin eigentlich zustehenden Bruttogehalt (berechnet
nach ihren tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden), sowie die Differenz der
Sozialversicherungsbeiträge sollte das Altersteilzeitgeld ausgleichen.
Die Altersteilzeit musste vertraglich vereinbart werden oder auf einer kollektivvertraglichen
Regelung oder einer Betriebsvereinbarung beruhen. Altersteilzeitgeld gebührte für maximal fünf
Jahre.

Pfeil hält die Einordnung des Altersteilzeitgeldes in das AlVG ganz allgemein für systemfremd,
weil die Arbeitslosen durch diese Maßnahme höchstens indirekt, wenn sie nämlich als
Ersatzarbeitskräfte eingestellt werden, gefördert werden. Hauptsächlich diene das
Altersteilzeitgeld der Entlastung älterer Arbeitnehmerinnen, nicht der Förderung der
Arbeitslosen. Eine Änderung dieses Zustandes sei am besten im Rahmen einer groß angelegten
Strukturreform umzusetzen.30

Es soll nun konkret auf einige Punkte des § 27 AlVG idF BGBl I Nr 179/1999 eingegangen
werden:

Als Voraussetzung für die Gewährung des Altersteilzeitgeldes war genannt, dass die
Arbeitnehmerin vor Antritt der Altersteilzeit Vollzeit bzw im Ausmaß der kollektivvertraglichen
Normalarbeitszeit beschäftigt gewesen sein muss. Pfeil weist darauf hin, dass nicht ausdrücklich
geregelt sei, wie lange vor Beginn der Altersteilzeit dieses Arbeitsausmaß vorgelegen haben
muss. Nach dem Wortlaut könnte dies bereits bei einem einzigen Monat Vollzeitarbeit gegeben

28
   Schwarz, DRdA, 2006, 345.
29 Mitter, Neugestaltung des Rechtes auf Altersteilzeit- Gravierende Auswirkungen auf die betriebliche
Praxis sind zu erwarten, DRdA 2003, 591.
30
   Pfeil, Aktuelle Probleme des Arbeitslosenversicherungsrechts, DRdA 2000, 367.

10. Juli 2021                                                                                     14/54
sein. Dies sei jedoch als Missbrauch zu qualifizieren, weshalb Pfeil eine analoge Anwendung des
§ 21 Abs 2 AlVG vorschlägt. Diese Norm regelt die Frage, in welche Lohnklasse eine
Arbeitnehmerin einzuordnen ist, was sich wiederum auf den Arbeitslosengeld- Grundbetrag
niederschlägt. Dort wird ein Durchrechnungszeitraum von sechs Monaten angeordnet. Dieselbe
Zeitspanne werde auch im deutschen Altersteilzeitrecht angewandt.31

In dieser Erstfassung des Altersteilzeitrechts fand sich noch eine weitere Gesetzeslücke, die
allerdings bereits wenige Monate später, im Rahmen der ersten Novelle im Jahr 200032, beseitigt
wurde. Es wurde nämlich nicht geregelt, wie damit umzugehen sei, sollte jemand
unberechtigterweise Altersteilzeitgeld beziehen.33 Der aus diesem Grund hinzugefügte Abs 8
entspricht im Wesentlichen dem heute geltenden Abs 834, hatte jedoch noch den Zusatz, dass
Rückersatz dann zu leisten sei, wenn der Bezug durch unwahre Angaben oder durch
Verschweigung maßgebender Tatsachen vom Begünstigten herbeigeführt wurde, oder dieser
erkennen hätte müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

C. Politische Hintergründe

Die Altersteilzeit wurde als Teil des Nationalen Aktionsplans im Kampf gegen die
Arbeitslosigkeit eingeführt. Konkret war es ein Bestandteil des „Pakts für Ältere“, und es ruhten
große Hoffnungen auf diesem Konzept, dass die Lage am Arbeitsmarkt dadurch drastisch
verbessert werden sollte. Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Lore Hostasch (SPÖ),
merkte bereits 1999 an, dass aufgrund dieses Konzeptes die Arbeitslosenzahlen bereits in allen
Branchen, allen Altersgruppen und unabhängig vom Geschlecht im Rückgang wären.35 Schmid
bezeichnet indes im Jahr 2000 die Regelung der Altersteilzeit als misslungen. Sie erfülle nicht die
von ihr verfolgten Ziele.36

Das Arbeitslosenversicherungsgesetz wurde innerhalb der Jahre 1980 und 2000 drei bis vier Mal
pro Jahr geändert. Pfeil schreibt dies der Tatsache zu, dass die Arbeitslosenpolitik in besonders
hohem Maße von ideologischen Überlegungen geprägt ist und daher regelmäßig den
tagespolitischen Geschehnissen angepasst wird.37

Dem entspricht, dass die Altersteilzeit wiederholt, fast abwechselnd gesetzlich verschärft und
dann gesetzlich wieder erleichtert wurde, so wurde einmal das Erfordernis der Einstellung der
zunächst arbeitslosen Ersatzkraft abgeschafft, um dann wieder eingeführt zu werden, die
Altersgrenzen wurden zuletzt nach oben verlagert und die Altersteilzeit wurde auch für bereits in
Teilzeit tätige Arbeitnehmer, bei weiterer Reduktion ihrer Arbeitszeit, ermöglicht.

31
   Pfeil, DRdA 2000, 366.
32
   BGBl. I Nr. 101/2000.
33
   Pfeil, DRdA 2000, 355 ff.
34
   BGBl. I Nr. 30/2018.
35 Hostasch, Sozialresort hat Regierungsprogramm übererfüllt, SozSi, 1999, 788.

36
   Schmid, Treffgenauigkeit von Transferleistungen, SozSi, 2000, 874.
37
   Pfeil, DRdA 2000, 355 ff.

10. Juli 2021                                                                                  15/54
V. Die Altersteilzeit im geltenden Recht

Der Anspruch auf Altersteilzeitgeld steht allen Arbeitgeberinnen auf Antrag zu, wenn sie die
dazu notwendigen Bedingungen gegenüber ihren Arbeitnehmerinnen erfüllen. Diese
Voraussetzungen, auf die im Folgenden noch detailliert eingegangen wird, müssen kumulativ
vorliegen und im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung mit der Arbeitnehmerin geregelt
werden.

A. Zuständigkeit für die Einbringung des Antrages

Das Altersteilzeitgeld gebührt nicht dem Arbeitnehmer selbst, sondern dem Arbeitgeber, der die
Stundenreduzierung möglich macht. Finanziert wird diese Maßnahme durch Mittel der
Arbeitslosenversicherung. Bei Vorliegen aller Voraussetzungen hat der Arbeitgeber den Antrag
auf ihm zustehenden Aufwandersatz bei der zuständigen Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservices (in der Folge: AMS) einzubringen.38

Örtlich zuständig ist grundsätzlich gemäß § 44 AlVG das AMS am Sitz des Betriebes, da es sich
beim Altersteilzeitgeld um ein Recht des Arbeitgebers handelt. Es stellt sich noch die Frage, ob
hierbei ausschließlich die regionalen Geschäftsstellen, oder auch örtlich zuständige
Landesgeschäftsstellen gemeint sind, ob der Antrag somit auch wirksam bei der einschlägigen
Landesgeschäftsstelle eingebracht werden kann.39 Es ist dies die Frage nach der sachlichen
Zuständigkeit. Der VwGH40 stellte dazu Folgendes fest: Grundsätzlich sei die Zuständigkeit in §
44 AlVG geregelt. Dieser treffe aber keine genaue Aussage. Deshalb sei § 27 AlVG
heranzuziehen. § 27 Abs 6 AlVG besagt, dass der Arbeitgeber jede Änderung unverzüglich der
regionalen Geschäftsstelle des AMS zu melden habe. Wo jedoch der der Einleitung des
Verfahrens dienende Antrag einzubringen ist, bleibe offen. Weitere Informationen liefere das
Arbeitsmarktservicegesetz. Zusammengefasst sei zwar die Landesgeschäftsstelle grundsätzlich
für Erledigungen in zweiter Instanz zuständig, könne aber sehr wohl auch in erster Instanz
wirken, denn die Landesgeschäftsstelle sei zuständig für alle Angelegenheiten des AMS, die die
Erfüllung der Aufgaben des AMS in dem jeweiligen Bundesland gewährleisten sollen. Da § 12
AMSG iZm § 24 Abs 3 AMSG sehr weit gefasst sind, sei eine Einbringung des Antrages nach §
27 AlVG grundsätzlich möglich, sofern nichts anderes vorgeschrieben ist. Wie bereits erläutert,
gibt es keine gegenteilige Regelung, weshalb dem Gesetz nach eine Zuständigkeit (auch) der
Landesgeschäftsstellen bejaht werden müsse. In einer anderen Entscheidung ging der VwGH41
augenscheinlich davon aus, dass die Landesgeschäftsstellen als Berufungsinstanz in
Angelegenheiten des § 27 AlVG wirken, und hat somit den regionalen Geschäftsstellen die
Erledigung in erster Instanz zugeschrieben. Jedoch weist das neuere Erkenntnis ausdrücklich
darauf hin, dass die Zuständigkeitsfrage unklar sei, und der Partei daher diese „falsche“

38 Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul, AlVG (16. Lfg 2019) zu § 28 AlVG, 1.
39
   Sdoutz/Zechner in Sdoutz/Zechner (Hrsg), AlVG (17. Lfg 2020) zu § 44 AlVG, Rz 783.
40
   VwGH 26. 1. 2005, 2004/08/0165 = ZfV 2006/887.
41
   VwGH 22. 12. 2004, 2004/08/0138.

10. Juli 2021                                                                               16/54
Einbringung nicht negativ zugerechnet werden dürfe. Das Gesetz sei hier jedenfalls zugunsten
des Rechtsschutzsuchenden weit auszulegen.42

Die Sprengel der regionalen Geschäftsstellen entsprechen grundsätzlich den Verwaltungsbezirken
und werden im Sinne des § 24 Abs 1 AMSG durch Verordnung43 festgelegt. Eine Ausnahme
bildet Wien. Der Landesgeschäftsstelle Wien unterstehen die regionalen Geschäftsstellen, die, im
Gegensatz zu denen unter anderen Landesgeschäftsstellen, nicht nur örtlich getrennt sind,
sondern auch jeweils einem Fachbereich zugeordnet wurden. Die Zuständigkeit für natürliche
Personen richtet sich nach deren Wohnort, die Zuständigkeit für Unternehmen nach deren
Wirtschaftsklasse und deren Zuordnung zu den jeweiligen Fachbereichen. Die einzelnen
regionalen Geschäftsstellen sowie deren Fachbereiche sind in § 4 Abs 2 AMSprV aufgelistet.44

B. Pensionsantrittszeitpunkt des Arbeitnehmers

§ 27 Abs 2 AlVG normiert, dass die Arbeitnehmerin, die die Altersteilzeit antreten möchte, in
spätestens fünf Jahren das Regelpensionsalter erreichen muss. Männer müssen beim Antritt der
Altersteilzeit dementsprechend seit 2020 das 60. Lebensjahr erreicht haben. Bei Frauen gestaltet
sich die Berechnung etwas schwieriger, da ihr Regelpensionsalter ab dem Jahr 2024 Schritt für
Schritt an das der Männer angepasst wird (also sukzessive von 60 auf 65 im Jahr 2033). Dies ist
natürlich bei der Frage, ob der Antritt der Altersteilzeit bei Frauen bereits möglich ist, zu
beachten.45 Bei Beantragung der Altersteilzeit ist es ratsam, und offenbar auch üblich, dass die
Arbeitgeberin von der Arbeitnehmerin verlangt, sich von dem Pensionsversicherungsträger eine
Bestätigung über den Pensionsstichtag ausstellen zu lassen und diese der Arbeitgeberin sowie
dem AMS vorzulegen. Wird dies verabsäumt, so erlässt das AMS nach ständiger Praxis einen
Verbesserungsauftrag. Der Leistungsbeginn hängt vom Einlangen des Antrages ab, wobei
allfällige nachträgliche Verbesserungen nicht schaden und somit gerade nicht dazu führen, dass
Altersteilzeitgeld erst mit vollständiger Verbesserung gebührt.46

Was passiert, wenn die Altersteilzeit endet, bevor die Arbeitnehmerin in Pension gehen kann?
Grundsätzlich kann in einer Altersteilzeitvereinbarung auch festgelegt werden, dass das
Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Altersteilzeit einvernehmlich aufgelöst werden
soll. Besonders interessant ist diese Frage in dem Fall, dass zwar geplant war, dass die
Arbeitnehmerin anschließend in Pension gehen soll, die Parteien jedoch erst nach Abschluss der
Vereinbarung feststellen, dass die Arbeitnehmerin direkt im Anschluss an die Altersteilzeit noch
nicht abschlagsfrei in Pension gehen kann, und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht im
Vertrag vereinbart wurde. Der tatsächliche Pensionsantritt nach Beendigung der Altersteilzeit ist
keine Voraussetzung für das Bestehen des Anspruches auf Altersteilzeitgeld.47 Da das

42
   VwGH 26. 1. 2005, 2004/08/0165 = ZfV 2006/887, 524 ff; Sdoutz/Zechner in Sdoutz/Zechner (Hrsg),
AlVG (17. Lfg 2020) zu § 44 AlVG, Rz 783 f.
43
   ArbeitsmarktsprengelVO, BGBl 1994/928.
44
   Sdoutz/Zechner in Sdoutz/Zechner (Hrsg), AlVG (17. Lfg 2020) zu § 44 AlVG, Rz 784 f.
45
   Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2 Rz 27.09 ff.
46
   Weikinger, Arbeitslosenversicherungsgesetz, 172.
47
   Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul (Hrsg), AlVG (16. Lfg 2019) zu § 28 AlVG, Rz 592.

10. Juli 2021                                                                                 17/54
Arbeitsverhältnis mit den Inhalten vor der Altersteilzeit in diesem Fall nie beendet wurde, lebt es
danach in seiner ursprünglichen Form wieder auf.48

Die andere Seite der Medaille ist die, dass das Altersteilzeitverhältnis endet, bevor die
Arbeitnehmerin abschlagsfrei in Pension gehen kann, aber eine Klausel im Vertrag dazu führt,
dass das Arbeitsverhältnis mit Ende der Altersteilzeit einvernehmlich aufgelöst wird. Dies kann
etwa passieren, wenn das Pensionsrecht verändert wurde, nachdem die Altersteilzeitvereinbarung
wirksam wurde. In diesem Fall muss die Arbeitnehmerin die restliche Zeit bis zur Pension mit
einem anderen Arbeitsverhältnis überbrücken, wenn die Arbeitgeberin zur Weiterbeschäftigung
nicht bereit ist.

C. Arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung des Arbeitnehmers/
   „qualifizierte Anwartschaft“

Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Altersteilzeitgeld ist, dass der Arbeitnehmer
zumindest 780 Wochen innerhalb der letzten 25 Jahre arbeitslosenversicherungspflichtig
beschäftigt war (§ 27 Abs 2 Z 1 AlVG). Das entspricht in etwa 15 Jahren
arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb der letzten 25 Jahre.49 Auf diese
Anwartschaft werden Zeiten gemäß § 14 Abs 4 und 5 AlVG angerechnet.50 Es sind dies so
genannte Ersatzzeiten, die auch bei der Frage, ob die Voraussetzungen des Anspruchs auf
Arbeitslosengeld erfüllt sind, zum Einsatz kommen. Die 780 Wochen werden also als
Anwartschaftszeiten bezeichnet, während die 25 Jahre den Rahmenzeitraum darstellen. Der
Rahmenzeitraum gibt an, binnen welcher Zeitspanne die Anwartschaftszeiten erarbeitet werden
mussten.51

Gemäß § 14 Abs 4 lit a AlVG sind arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten als Ersatzzeiten
anzurechnen. Dazu zählen auch Zeiten, in denen Selbstständige freiwillig Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung       geleistet     haben       (§      14      Abs       8     AlVG).
Arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten sind, wie der Wortlaut bereits vermuten lässt, nur
eben solche Zeiten, in denen die betroffene Person tatsächlich in Österreich (oder nach Maßgabe
der sozialversicherungsrechtlichen Abkommen oder des EU- Rechts im Ausland- vgl. § 14 Abs 5
AlVG) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war oder sich in Ausbildung befand. Auch
Phasen, in denen das Beschäftigungsverhältnis zwar bereits beendet war, die
Versicherungspflicht jedoch noch bestand (etwa aufgrund einer Kündigungsentschädigung oder
einer Urlaubsersatzleistung), zählen dazu. Umgekehrt sind Phasen, in denen das Arbeits- oder
Ausbildungsverhältnis noch aufrecht, die Versicherungspflicht jedoch nicht mehr gegeben war,
nicht zu den arbeitslosenversicherungspflichtigen Zeiten zu zählen. Dies kann etwa passieren,
wenn der Arbeitnehmer unbezahlten Urlaub im Ausmaß von mehr als einem Monat in Anspruch
nimmt. Ob während der arbeitslosenversicherungspflichtigen Zeit tatsächlich eine Arbeitsleistung
erbracht wurde, oder nicht, ist unerheblich. Ein Scheindienstverhältnis kann jedoch nicht

48
   OGH, 9 ObA 51/11g vom 27.07.2011, zust Schrank, Leitentscheidungen, 1; OGH 06.04.2005, 9 ObA
96/04i; Anzenberger, Altersteilzeit und Insolvenz, ZIK 2002, 5.
49
   Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.13.
50
   Sauer/Furtlehner in Pfeil, Der AlVG- Kommentar, 2019, zu §§ 27, 28 AlVG, Rz 8.
51
   Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 339.

10. Juli 2021                                                                                  18/54
angerechnet werden. 52 Wurde der Arbeitgeber als Strafe wegen verspäteter Abmeldung des
Arbeitnehmers von der Sozialversicherung zur Weiterzahlung der Beiträge über einen gewissen
Zeitraum verpflichtet, wie es gemäß § 56 Abs 1 ASVG bis Ende 2018 möglich war, so ist dieser
ebenfalls nicht als arbeitslosenversicherungspflichtig anzurechnen.53

Der Anwartschaft angerechnet werden auch Zeiten, die den arbeitslosenversicherungspflichtigen
Zeiten gleichgestellt sind. Es sind dies gemäß § 14 Abs 4 lit b Zeiten des Zivildienstes, des
Präsenzdienstes und der Kindererziehung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass solche
Zeiten nur dann angerechnet werden können, wenn im relevanten Rahmenzeitraum der
Anwartschaft zumindest 14 Wochen sonstiger Anwartschaft liegen. Konkret sind als
Präsenzdienst sowohl ordentliche, als auch außerordentliche Präsenzdienstzeiten anrechenbar,
sowie deren Verlängerung und Waffenübungen. Die Zeit des Einsatzes bei den UN- Truppen gilt
als sonstige Anwartschaft. Zeiten der Kindererziehung sind nur dem Elternteil anrechenbar, der
das Kinderbetreuungsgeld tatsächlich bezieht. Dies liegt daran, dass grundsätzlich beide
Elternteile Anspruch auf das Kinderbetreuungsgeld haben, und daher der Anspruch alleine nicht
als Grundlage herhalten kann. Der Wochengeldbezug zählt hingegen zu den verlangten 14
Wochen sonstiger Anwartschaft. Sollten diese 14 Wochen nicht vorliegen, so bleiben alle Zeiten
gemäß § 14 Abs 4 lit b AlVG bei der Berechnung außen vor und können daher nicht
berücksichtigt werden. Allerdings mit folgender Ausnahme: Liegt ein Tatbestand nach § 15 Abs
1 Z 5 oder § 15 Abs 3 Z 6 AlVG vor, erstreckt dieser die Rahmenfrist, wenn die 14 Wochen
binnen dieser erstreckten Rahmenfrist nachgewiesen werden. In diesem Fall ist wiederum der
gesamte Zeitraum des Zivil- bzw Präsenzdienstes und der Kindererziehung anzurechnen.54 Eine
Rahmenfristerstreckung ist auch für Zeiten möglich, in denen eine Person ein Kind, das jünger als
15 Jahre ist, betreut, und währenddessen nicht arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt
war.55

§ 14 Abs 4 lit c AlVG regelt, inwiefern Zeiten berücksichtigt werden, in denen die Person
Wochen- oder Krankengeld bezieht. Bezüglich des Krankengeldes ist lit c leg cit nur
anzuwenden, als die Zahlung desselben nicht arbeitsrechtlich verpflichtend ist; denn in diesem
Fall handelt es sich um eine typische arbeitslosenversicherungspflichtige Zeit nach lit a leg cit.
Wochen- oder Krankengeld kann dann als Anwartschaftszeit berücksichtigt werden, wenn die
Gewährung        desselben      daher     rührt,      dass     der      Arbeitnehmer        einer
arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist. Liegt die Grundlage der
Zahlung jedoch darin, dass die Person davor Arbeitslosengeld bezogen hat, kann diese Zeit nicht
angerechnet werden. Im Falle, dass zuerst Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, und dann
aufgrund einer neuen Schwangerschaft wieder Wochengeld, wird auf den Rechtsgrund des
Kinderbetreuungsgeldes abgestellt: liegt dieser in einer arbeitslosenversicherungspflichtigen
Beschäftigung, so kann in der Folge auch das Wochengeld auf die Anwartschaft angerechnet
werden.56

52 Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 345.
53
   VwGH 4. 10. 2001, 98/08/0313; Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 345.
54
   Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 346.
55
   Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul, AlVG (16. Lfg 2019) zu § 28 AlVG, Rz 594.
56
   Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 347.

10. Juli 2021                                                                                  19/54
Wie bereits oben erwähnt, zählen gemäß § 14 Abs 4 lit b AlVG auch Ausbildungszeiten zu den
anrechnungsfähigen Zeiten. In Abgrenzung davon sind in § 14 Abs 4 lit d AlVG die
Ausbildungsjahre eines Lehrlings als anrechnungsfähige Zeiten genannt. Das ist insofern etwas
Besonderes, als bis 31. 01. 2015 Lehrlinge nur in ihrem letzten Lehrjahr arbeitslosenversichert
waren. Dennoch sind alle Lehrjahre im Sinne dieses Paragraphen anrechenbar. Lehrlinge, deren
Lehrzeit erst ab dem 01.01.2016 begonnen hat, entrichten bereits von Anfang an Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung, und sind von dieser Sonderregelung daher ohnehin nicht mehr
betroffen.57

Arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten, die im Ausland absolviert wurden, sind gemäß § 14
Abs 5 AlVG nur dann anrechenbar, wenn dies durch ein internationales Abkommen geregelt
ist.58

D. Herabsetzen der Normalarbeitszeit

§ 27 Abs 2 Z 2 AlVG ordnet an, dass als Voraussetzung für die Gewährung von Altersteilzeitgeld
die Normalarbeitszeit der konkreten Arbeitnehmerin von 100 % auf 40- 60 % verringert werden
muss. Dazu stellt sich zunächst die Frage, was genau in diesem Zusammenhang unter
„Normalarbeitszeit“ verstanden wird. Hierbei wird zunächst auf die kollektivvertragliche
Normalarbeitszeit abgestellt, subsidiär auf die gesetzliche Normalarbeitszeit. Die gesetzliche
Normalarbeitszeit beträgt gemäß § 3 Abs 1 AZG 40 Stunden pro Woche. Die konkrete
Normalarbeitszeit der Arbeitnehmerin muss vor Altersteilzeitbeginn seit 2009 mindestens 60 %
der kollektivvertraglichen beziehungsweise der gesetzlichen Normalarbeitszeit erreichen. Hierbei
werden regelmäßige Überstunden hinzugezählt.59 Das bedeutet, dass auch Personen, die nur
Teilzeit arbeiten, die Altersteilzeit in Anspruch nehmen können, falls sie diese 60 % erreichen.
Bei 40 Wochenstunden wären somit mindestens 24 Wochenstunden Normalarbeitszeit der
konkreten Arbeitnehmerin notwendig. Wäre etwa eine kollektivvertragliche Normalarbeitszeit
von 38,5 Wochenstunden einschlägig, so kann auch eine Arbeitnehmerin mit 23,1
Wochenstunden Normalarbeitszeit in Altersteilzeit gehen.60

Die Materialien äußern sich zudem zu dem Thema, wie lange diese Normalarbeitszeit vorliegen
muss, bevor eine Altersteilzeitvereinbarung wirksam werden kann. Früher seien in der Praxis die
letzten 6 Monate angesehen worden, nun jedoch dürfe diese Grenze im letzten Jahr nicht
unterschritten worden sein (§ 27 Abs 2 Z 2 AlVG). Dies solle den Versuchen entgegenwirken,
die Normalarbeitszeit von Teilzeitarbeitskräften knapp vor Altersteilzeitbeginn kurzfristig zu
erhöhen, um die Voraussetzungen der Altersteilzeitgeldgewährung zu erfüllen, und somit
derartige missbräuchliche und sozialbetrügerische Verhaltensweisen verhindern. Auf der anderen
Seite sollen aber für Vollzeitarbeitnehmerinnen keine Nachteile entstehen, nur weil sie im letzten
Jahr einen Arbeitgeberwechsel hatten und eventuell dazwischen kurzfristig nicht arbeiten
konnten. In solchen Fällen müsse aber die Arbeitnehmerin bereits mindestens drei Monate bei der

57
   Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 348.
58
   Sdoutz/Zechner, AlVG (17. Lfg April 2020) zu § 14 AlVG, Rz 351.
59
   Sauer/Furtlehner in Pfeil, Der AlVG- Kommentar, 2019, zu §§ 27, 28 AlVG, RZ 10 f.
60 Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.15.

10. Juli 2021                                                                                 20/54
neuen Arbeitgeberin beschäftigt sein.61 Hat die Arbeitnehmerin im letzten Jahr Kurzarbeit (§ 37 b
AMSG) geleistet, so wird während dieser Zeit auf die davor geleistete Normalarbeitszeit
abgestellt.62
Die Praxis ist der Auffassung, dass bereits bei einem einzigen Tag, der im letzten Jahr unter
dieser 60% Grenze liegt, die Voraussetzungen nicht gegeben seien und ein weiteres Jahr
verstreichen müsse, in dem zur Gänze die Mindestnormalarbeitszeit gearbeitet wird, bevor der
Anspruch auf Altersteilzeitgeld bewilligt werden könne.63 Sdoutz/Zechner hingegen weisen
darauf hin, dass es hier zu der bizarren Situation kommen könne, dass jemand, die grundsätzlich
Vollzeit arbeitet, für kurze Zeit ihre Arbeitszeit zum Beispiel aufgrund einer
Familienhospizkarenz auf etwa 20 Wochenstunden reduziert, und deshalb keine Bewilligung der
Altersteilzeit im folgenden Jahr mehr möglich wäre. Würde diese Arbeitnehmerin jedoch für
dieselbe Zeit, statt zu reduzieren, vollständig aus dem Berufsleben austreten, hätte sie hingegen
eine nicht schädliche Lücke und ihre Arbeitgeberin könnte erfolgreich um Altersteilzeitgeld
ansuchen. Aus diesem Grund sei es nicht sachgerecht, bereits bei kurzfristigem Unterschreiten
der 60 % Grenze diese Voraussetzung als nicht gegeben anzusehen; vielmehr müsse man darauf
achten, ob die betroffene Arbeitnehmerin grundsätzlich Vollzeit arbeite. Auf diese Weise würde
man Missbrauch ebenso wirkungsvoll entgegentreten, ohne jedoch Härtefälle wie den oben
geschilderten hinzunehmen. Dies würde im Übrigen auch dem Wortlaut der Materialien
entsprechen, wo von „für längere Zeit teilzeitbeschäftigte Arbeitskräften“ die Rede sei.64
Sdoutz/Zechner65 geben außerdem zu bedenken, dass das Abstellen auf die vertragliche
Normalarbeitszeit, statt auf die durchschnittlich tatsächlich geleistete Arbeitszeit
gleichheitswidrig sein könnte, und außerdem gegen das Diskriminierungsverbot des § 4
Teilzeitrichtlinie verstoße. Denn dies benachteilige Arbeitnehmerinnen, die aufgrund des
Bedürfnisses erhöhter Flexibilität ihrer Arbeitgeberin oftmals nur als Teilzeitkräfte eingestellt
werden, sich aber gleichzeitig zur Erfüllung von Mehrstunden verpflichten. Sie berufen sich
dabei auf Dirschmied/Pfeil66, die als Grundlage für die 60 % Grenze die regelmäßige Arbeitszeit
(also auch regelmäßig geleistete Mehr- und Überstunden) ansehen.
Der VwGH67 stellte schon 2012 fest, dass eine saisonbedingte Unterbrechung des
Dienstverhältnisses während der letzten 3 Monate (im konkreten Fall dauerte die Unterbrechung
11 Tage) bei gleichzeitiger Wiedereinstellungszusage nicht schade. Weder werde dadurch die 60
%- Grenze unterschritten, noch handele es sich um einen Betriebswechsel- die Arbeitnehmerin
war beim selben Betrieb, wenn auch mit einer kurzen Unterbrechung, angestellt. Die
Dreimonatsfrist müsse somit nicht eingehalten werden, da es sich nicht um einen neuen Betrieb
im Sinne dieses Gesetzes handele.68

61
   ErläutRV 59 BlgNR 22. GP 348.
62
   Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.15.
63
   Vgl Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul § 28 AlVG (16. Lfg März 2019), Rz 597.
64
   Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul § 28 AlVG (16. Lfg März 2019), Rz 597 f.
65
   Sdoutz/Zechner in Krapf/Keul § 28 AlVG (16. Lfg März 2019), Rz 600.
66
   Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht samt einschlägigen Nebengesetzen3, 2014, Erl zu §§ 27, 28 AlVG,
256.
67
   VwGH, 02.05.2012, 2010/08/0008.
68
   Radner, Ghahramani- Hofer in Reissner/Neumayr, ZellHB AV- Klauseln2, Rz 27.15.

10. Juli 2021                                                                                       21/54
Sie können auch lesen