April 2021 Jahrgang 58 Nummer 4 - Südtiroler Beratungsring
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Inhalt 4/2021 FACHMAGAZIN DES SÜDTIROLER BERATUNGSRINGES ISSN: 2240-015X Auflage: 6.800 Stück Erscheint monatlich. Der Bezug der Zeitschrift ist an die Mitglied- schaft beim Beratungsring gebunden. Eigentümer und Herausgeber 4 Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau, Obmann: Manuel Santer Leitartikel A.-Hofer-Str. 9/1 Jedes Jahr eine neue Herausforderung 39011 Lana (BZ) Tel. 0473 040 040 Fax 0473 980 079 Internet: www.obstbauweinbau.info 5 Pflanzenschutz I E-Mail: info@obstbauweinbau.info Monitoring der Marmorierten Baumwanze 2020 Genehmigung des Tribunals Bozen, R.St. Nr. 6 / 64 v. 6. XI. 1964 Registro Roc: R/R 13403144980-7 del 24.09.08 Druck: Pötzelberger Druck GmbH 10 Pflanzenschutz II Kuperionstr. 15 · 39012 Meran (BZ) Saisonaler Zyklus der Marmorierten Baumwanze 2020 in Südtirol Redaktion Verantwortlicher Redakteur: Walther Waldner Sekretariat und Layout: 13 Pflanzenschutz III Maria Kiem und Karin Pallabazzer Ausbreitung natürlicher Gegenspieler der Marmorierten Redaktionskomitee: Baumwanze in Südtirol A. Zanella, H. Hafner, M. Unterthurner, R. Wiedmer, U. Kiem Werbung 16 Pflanzenschutz IV Feldbeobachtungen heimischer Baumwanzen 2020 Maria Kiem · Tel. 0473 040 042 E-Mail: maria.kiem@beratungsring.org Karin Pallabazzer · Tel. 0471 163 02 30 E-Mail: karin.pallabazzer@beratungsring.org 19 Pflanzenschutz V Invasive Schadorganismen 23 Verwirrung I Die Vermehrung von schädlichen Insekten erfolgreich verhindern 26 Verwirrung II Traubenwickler-Abwehr 2021 in Südtirol 27 Kulturschutznetze Informationen zu Hagel- und Kulturschutznetzen 32 Ehrungen Drei Silberjubilare Grüne Stinkwanze (links) und Marmorierte Baumwanze (rechts): Invasive und heimische Schadwanzen erfordern höchste Aufmerksamkeit. Foto: Michael Unterthurner 33 Das Wetter 3
Leitartikel Jedes Jahr eine neue Herausforderung scheut, wieder aktuell die Lage und das Geschehen zu beobachten, um somit Bekämpfungsmaßnahmen gezielter durchführen zu können. Trotz aller genauen Beobachtungen und aller derzeit möglichen Bekämp- fungsmaßnahmen bleibt diese Wanzenart aber ein Schädling mit einem enormen Schadpotenzial. Wir haben zwei unterschiedliche Jahre hinter uns. 2019 war ein erstes schwieriges Jahr mit starker Wan- zenpräsenz und einem hohen Ausfall an Früchten, Seit den ersten Funden der Marmorierten Baum- 2020 hingegen verlief gemäßigter mit tolerierbaren wanze in Südtirol sind nun fünf Jahre vergangen. In Fruchtausfällen. dieser Zeit hat sich viel getan. Es wurden viele Infor- Demnächst beginnt wieder die neue Wanzensaison mationen und Beobachtungen über diese Wanzenart und es stellt sich die Frage, wie wird die Situation im in unserem Obstbaugebiet zusammengetragen und heurigen Jahr? Welchen Einfluss hatten der strenge in diesem Fachmagazin veröffentlicht. Viele wertvol- Winter, der Kälteeinbruch im März und die Spätfrost- le Erkenntnisse kommen aus der regen Versuchstä- phasen nach Ostern auf die Populationsentwicklung? tigkeit sowie einem breiten und intensiv angelegten Hinweise in der Literatur und Beobachtungen aus Monitoring. Auch im abgelaufenen Jahr wurde von der Poebene zeigen, dass adulte Marmorierte Baum- den Mitarbeitern des Versuchszentrums Laimburg, wanzen, die nach dem Verlassen ihrer Winterquartie- des Pflanzenschutzdienstes der Autonomen Provinz re im Frühling mehrere Stunden lang Minusgraden Bozen-Südtirol, dem Beratungsring für Berglandwirt- ausgesetzt sind, eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen. schaft BRING und dem Beratungsring für Obst- und Im Gegensatz zu 2019 konnte sich allerdings im Vor- Weinbau wieder viel Aufwand und Zeit investiert, um jahr eine zweite Generation in der Etschtalsohle von das Auftreten der Marmorierten Baumwanze so ge- Meran bis Salurn vollständig entwickeln. Wie sich alle nau wie möglich zeitlich und örtlich zu erheben. Auch diese Faktoren auf die Wanzenpopulation 2021 aus- die zahlreichen Meldungen von Funden durch eine wirken werden, darauf kann zum jetzigen Zeitpunkt Vielzahl von Obstbäuerinnen und Obstbauern liefern noch niemand genaue Antworten geben. wichtige Hinweise für die Einschätzung der Befallssi- Um der Marmorierten Baumwanze so gut wie mög- tuation. Allen ein großes Dankeschön dafür. lich Einhalt zu gebieten, bedarf es weiterhin der Zu- Besonders positiv ist die Entwicklung bezüglich der sammenarbeit von Obstbauern, Versuchswesen und verschiedenen Schlupfwespenarten. Dies ist ein ers- Beratung. Mit Sicherheit wird uns diese Wanzenart ter Lichtblick und lässt uns auf eine langfristige, na- noch lange auf Trab halten und uns mit jedem Jahr türliche Regulierung der Wanzenpopulation in der wieder vor neue Herausforderungen stellen. Zukunft hoffen. Auch in der heurigen Saison werden keine Mühen ge- michael.unterthurner@beratungsring.org 4
4/2021 Nymphen der Marmorierten Baumwanze. Monitoring der Marmorierten Baum- wanze 2020 - ein interessantes Jahr Michael Unterthurner, Markus Ladurner, Beratungsring Das Jahr 2020 war wohl in vielen Bereichen unseres Lebens ein schwieriges. Im Hinblick auf das Auf- treten der Marmorierten Baumwanze in Südtirol kann man allerdings positiv darauf zurückblicken, wie die umfangreichen Erhebungen 2020 zeigten. Apriltage standen noch unter dem Ein- Monitoring Fallenfänge 2020 fluss dieser Kaltluftströmung. Doch die Das im Frühjahr 2016 begonnene Mo- Im Jahr 2020 wurden wieder an Temperaturen stiegen bald wieder an nitoring mithilfe von Lockstofffallen, knapp 50 Standorten Lockstofffallen und bereits ab dem 9. April bis Ende Klopfproben und visuellen Kontrol- installiert, die aus dem Fallenkörper des Monats wurden Höchstwerte von len wurde auch 2020 weiter durch- der Firma Rescue® und einem Phero- über 25 °C gemessen. Auch im Mai geführt. Die Überwachung erfolgte mon der Firma Trécé bestehen. Das waren überdurchschnittlich hohe Tem- wieder in enger Zusammenarbeit mit Frühjahr 2020 begann mit überdurch- peraturen zu verzeichnen, die in der dem Versuchszentrum Laimburg, dem schnittlich hohen Temperaturen im dritten Monatsdekade sogar die 30 Pflanzenschutzdienst Bozen und dem März, die allerdings infolge einer mar- °C-Marke überschritten. Beratungsring für Berglandwirtschaft kanten Nordströmung in der letzten Durch diese Wetterentwicklung und BRING. Monatswoche sanken. Auch die ersten vor dem Hintergrund der starken Wan- 5
Grafik 1: Wöchentliche Fänge von Marmorierten Baumwanzen in der Zahl an gefangenen Nymphen über Aggregationsfalle Ackpfeif/Lana. die Werte von 2019. Anzahl Individuen In Grafik 2 sind die Fänge aller Ag- 100 Nymphen Adulte gregationsfallen des Landes zusam- 2019 90 80 70 mengefasst. Insgesamt lag die Zahl 60 50 an Adulten in allen Monaten, mit Aus- 40 30 nahme vom Mai, deutlich unter jenen 20 10 von 2019. Besonders auffallend war 0 100 dabei der zahlenmäßige Unterschied 80 2020 der Adulttiere im August. Die Zahl an 60 gefangenen Nymphen lag in den Mo- 40 naten August und September ähnlich 20 hoch wie 2019. 0 April Mai Juni Juli August September Oktober Kontrollen in Apfelanlagen Grafik 2: Summe wöchentlicher Fänge von Marmorierten Baumwanzen Ab Mitte April wurde die Marmo- in 34 Aggregationsfallen in Südtirol. rierte Baumwanze in den Apfelan- Anzahl Individuen 1600 Nymphen Adulte lagen, aber auch auf verschiedenen 1400 2019 anderen Wirtspflanzen, mittels visueller 1200 1000 Kontrollen und Klopfproben überwacht. 800 600 Erste vereinzelte Adulte konnte man 400 200 im Randbereich weniger Apfelanlagen 0 ab Anfang Mai finden. Dabei handel- APRIL MAI JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER 1600 te es sich um Anlagen, die direkt an 2020 Überwinterungsquartiere, wie z.B. Ge- 1400 1200 1000 800 bäude oder Kistenlager, angrenzten. 600 400 Auch auf Kirschbäumen wurden An- 200 0 fang Mai erste Adulte bei den visuellen APRIL MAI JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER Kontrollen entdeckt. Erste vereinzelte Eigelege wurden Mitte Mai gefunden. Grafik 3: Funde bei Klopfproben und visuellen Kontrollen in den Die ersten verlassenen Eigelege bzw. Apfelanlagen 2020. frisch geschlüpften Nymphen in den Anzahl Individuen (Klopfproben + visuell) Apfelanlagen wurden schließlich Ende 500 450 Nymphen Mai entdeckt. Auch hier handelte es 400 Adulte sich vorwiegend um Anlagen in un- 350 mittelbarer Nähe von Überwinterungs- 300 27. Mai 15. Juli quartieren. 250 Wie Grafik 3 zeigt, stiegen ab diesem 200 150 Zeitpunkt die Funde von Nymphen an 100 und erreichten Mitte Juni einen ersten 50 Höhepunkt, im Juli war wiederum we- 0 niger Präsenz zu verzeichnen. Am 15. APRIL MAI JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER Juli konnte bei einer Klopfprobe das erste Adulttier der F1-Generation ge- zenpräsenz 2019 erwartete man sich in der Etschtalsohle installierten Fallen fangen werden. Dieser Termin stimm- bereits für das Frühjahr 2020 ein zahl- wider. Die ersten Adulttiere im April te auch mit den phänologischen Be- reicheres Vorkommen der Marmorier- wurden zwar um einige Tage früher obachtungen des Versuchszentrums ten Baumwanze. Diese Befürchtungen als 2019 nachgewiesen, aber im ge- Laimburg überein. Das stärkste Auftre- bewahrheiteten sich allerdings nicht. samten weiteren Verlauf des Frühjahrs ten bzw. die meisten Funde wurden – Grafik 1 zeigt die Fangzahlen von 2019 wurden die Fangzahlen von 2019 nicht wie auch bereits in den vergangenen und 2020 am Beispiel des Fallen- erreicht. Auch im Sommer und sogar Jahren – im Monat August registriert. standorts Ackpfeif/Lana im Burggra- im August stiegen an diesem Stand- Im September und Oktober nahm die fenamt. Die Fänge dieser Pheromon- ort die Fänge kaum an. Erst ab Mitte Präsenz in den Apfelanlagen wieder falle spiegeln in etwa die Situation aller September und im Oktober stieg die deutlich ab. 6
4/2021 Schadausmaß zu verschaffen, wur- den auch 2020 von den Mitarbeitern des Beratungsrings landesweit in ins- gesamt rund 1.200 Apfelanlagen die Äpfel auf Wanzenschäden kontrol- liert. Die Anlagen wurden dabei kurz vor der Ernte und meist separat im Randbereich und in der Anlagenmitte unter die Lupe genommen. Die meis- ten Erhebungen wurden vom Boden aus, d.h. bis zu einer Beprobungshöhe von gut 2 m, durchgeführt. Im oberen Baumbereich gab es einige stichpro- benartige Auszählungen. ➊ ➋ Das Hauptbefallsgebiet der Marmo- rierten Baumwanze liegt nach wie vor in der Etschtalsohle von Meran bis Kontrollen auf Hecken Salurn bis auf ca. 600 m Meereshö- Um sich einen Überblick über die Ak- he. In diesen Beratungsbezirken, also tivität der Marmorierten Baumwanze Burggrafenamt, Etschtal, Überetsch, auf anderen Wirtspflanzen als den Leifers und Unterland, lag der Anteil Apfelbäumen zu verschaffen, wurden an beschädigten Früchten zwischen 2020 verschiedene Hecken regelmä- 0,2% und 0,8% in der Anlagenmit- ßig mittels Klopfproben auf Wanzen- te und 1,1% und 1,4% am Anlagen- besatz kontrolliert. rand (Grafik 5, S. 8). Der Befall war im In Grafik 4, S. 8, sind die Ergebnisse aus Herbst 2020 also deutlich niedriger als Lana und der Zonen Etschtal und Epp- im Herbst 2019. an zeitlich aufgelistet. Es handelt sich Die Streuung in diesen Gebieten reich- ➌ hier meist um Haselnuss, Hartriegel, te von 0% bis maximal 54% Befall, Schneeball, Ahorn und verschiedene wobei der Großteil der Fruchtschäden Heckenkirschenarten. Die Beprobun- in der Nähe von Wäldern, Gebäuden, gen ergaben, dass von Mitte April bis Gräben, Böschungen u.a. zu finden Ende September darauf immer Wan- war. Im Vergleich dazu wurden 2019 zen zu finden waren. Die Zahl an In- Ausfälle von bis zu 95% erhoben. dividuen hing mit dem Vorhandensein In den Bezirken Vinschgau und Ei- von Früchten und deren Reifezustand sacktal waren Schäden an den Äpfeln an den verschiedenen Pflanzenarten durch die Marmorierte Baumwanze zusammen. An Arten mit Früchten auch 2020 nur sporadisch festzustel- war meist ein deutlich höherer Besatz len. In diesen Zonen verursachten festzustellen. Besonders Haselnuss hauptsächlich heimische Wanzenarten und Hartriegel wurden dabei von allen Fruchtschäden. Diese lagen allerdings Stadien der Marmorierten Baumwan- 2020 auf einem niedrigen Niveau. ➍ ze gerne frequentiert. Insgesamt war Im Bioanbau war der durchschnittli- allerdings das Auftreten auch auf an- che Prozentsatz an Schäden deutlich deren Wirtspflanzen geringer als 2018 höher. Im Vergleich zu 2019 wurden oder 2019. Neben der Marmorierten aber im Herbst 2020 ebenfalls we- Baumwanze wurden aber auch viel- niger Wanzenschäden beobachtet. ➊ Eigelege der Marmorierten fach heimische Arten, wie z.B. die Grü- Allerdings fielen bei der Auswertung Baumwanze. ne Stinkwanze (Palomena prasina) einige Anlagen mit hohen Ausfällen ➋ Frisch geschlüpfte Nymphen. oder die Grüne Reiswanze (Nezara ins Gewicht. Dabei waren Anlagen mit viridula), gefunden. der Sorte Braeburn sowie Anlagen in ➌ Einstichstellen mit typischen Symptomen auf der Apfelschale… exponierter Lage oder mit extensiver Bewirtschaftung besonders stark be- ➍ …und unter der Schale. Fruchtkontrollen troffen. Um sich einen Überblick über das Was die Sortenanfälligkeit betrifft (Gra- 7
Grafik 4: Wochenfänge von Marmorierten Baumwanzen mittels Klopf- strategie beruht derzeit auf verschie- proben bei verschiedenen Hecken 2020. denen Kulturmaßnahmen, wie z.B. Summe Anzahl Individuen den Unterbewuchs niedrig zu halten, 120 100 Etschtal + Eppan dem bodenschlüssigen Einnetzen von 80 Anlagen mit engmaschigen Insekten- 60 schutznetzen sowie dem gezielten 40 Einsatz von Insektiziden. Es bestätig- 20 ten sich auch 2020 die langjährigen 120 0 KW 17 KW 18 KW 19 KW 20 KW 21 KW 22 KW 23 KW 24 KW 25 KW 26 KW 27 KW 28 KW 29 KW 30 KW 31 KW 32 KW 33 KW 34 KW 35 KW 36 KW 37 KW 38 KW 39 KW 40 Versuche und Erfahrungen aus der 100 Lana Poebene sowie die Erfahrungen aus 80 dem Jahr 2019: Die eingesetzten Wirk- 60 stoffe wirken gegen Nymphen deutlich besser als gegen Adulte. Die Wanzen 40 20 0 müssen direkt von der Insektizidbrühe KW 17 KW 18 KW 19 KW 20 KW 21 KW 22 KW 23 KW 24 KW 25 KW 26 KW 27 KW 28 KW 29 KW 30 KW 31 KW 32 KW 33 KW 34 KW 35 KW 36 KW 37 KW 38 KW 39 KW 40 April Mai Juni Juli August September getroffen werden, um eine Wirkung zu erzielen. Die Wirkung auf die Adult- Grafik 5: Wanzenschäden an Äpfeln 2019 und 2020. tiere ist nur von sehr kurzer Dauer. So haben auch 2020 Praxisbeispiele % Befall, Auswertung vom Boden 25 gezeigt, dass in Anlagen in kritischen Befallszonen, wie z.B. angrenzend an 22 20 2019 Anlagenmitte Anlagenrand 15 Gräben oder Hecken, trotz mehrerer 10 8,7 10,1 6,9 9,8 Einsätze von Insektiziden teilweise 5 3,2 2,1 3,5 2,1 5,1 5,6 3,7 1,9 hohe Fruchtausfälle zu beobachten 0,6 0 Unterland Leifers Überetsch Etschtal Burggrafenamt Vinschgau Eisacktal Bio waren. Auch waren in solchen Anlagen 25 wenige Tage nach einer chemischen 20 2020 Behandlung wieder Adulte auf den 15 Bäumen zu beobachten. 10 7,6 10,3 Ziel des umfangreichen Monitorings 5 war und ist es, sich einen Überblick 1,4 0 0,3 1,3 0,2 1,3 0,8 0,2 1,1 0,6 1,3 0,9 0,4 0,8 über den Populationsverlauf zu ver- Unterland Leifers Überetsch Etschtal Burggrafenamt Vinschgau Eisacktal Bio schaffen. Mit den gewonnenen Beob- achtungen und Informationen versucht Grafik 6: Wanzenschäden an Äpfeln 2019 und 2020 sortiert nach Sorten. man ein zeitliches und gebietsmäßiges Ø % Befall Auftreten der Marmorierten Baum- 2019 2020 12 11 wanze zu erkennen und den Obst- 10 9 bauern weiterzugeben. So können 8 Behandlungen mit Pflanzenschutzmit- 7 6 5 5 teln gezielter erfolgen. In Gebieten mit 4 3,3 3 4 ständigem Wanzeneinflug von außen 2 2 2 in die Anlagen, wie z.B. am Waldrand 1,4 1,2 1 0,9 0,7 0,7 0,4 0,2 0,2 0,2 oder neben anderen Wirtspflanzen, 0 wird es allerdings schwierig sein, mit den derzeitigen Bekämpfungsmaß- nahmen das Problem in den Griff zu bekommen. fik 6), gab es eine Verschiebung. Lag legenen Lagen konnte man auch bei die Sorte Granny Smith 2019 noch Red Delicious Befall feststellen. Bei knapp hinter der Sorte Braeburn auf Gala war ähnlich wie 2019 das Prob- Fazit Platz 2, so konnte man 2020 bei Gran- lem deutlich geringer. In Südtirol war das Jahr 2020 bezüglich ny Smith deutlich weniger Fruchtschä- Marmorierte Baumwanze wider Erwar- den beobachten. Die Sorte mit den ten ein ruhiges Jahr. Es war innerhalb, höchsten Fruchtschäden war wieder- Bekämpfung aber auch außerhalb der Apfelanlagen um Braeburn. Zu den für die Wanzen Die Abwehr der Marmorierten Baum- deutlich weniger Präsenz als 2019 zu bevorzugten Sorten gehörten wieder wanze mit Insektiziden ist bekanntlich beobachten. Somit lagen auch die Nicoter/Kanzi® und Fuji. In höher ge- sehr schwierig. Die integrierte Abwehr- Fruchtschäden im Durchschnitt in ei- 8
4/2021 penarten feststellen (siehe Artikel auf Seite 13). Schließlich versuchten die Obstbauern aber auch durch den ge- zielten Einsatz von Pflanzenschutzmit- teln den Schaden zu verringern. Ausblick Nun stehen wir vor einer neuen Sai- son. Wie stark die Population der Mar- morierten Baumwanze im heurigen Jahr sein wird, wird sich zeigen. Der Beratungsring wird auch 2021 durch ein umfangreiches Monitoring diesen ➊ Schädling bestmöglich überwachen und diese Informationen an seine ➊ Gesammelte Funde von Marmorierten Baumwanzen. Mitglieder weitergeben Allerdings ist ➋ Aggregationsfallen, ein wichtiges Hilfsmittel für das Monitoring. auch jeder Obstbauer selbst gefordert ➌ Klopfproben sind für das Monitoring unentbehrlich. und gut beraten, mit Kontrollen in den eigenen Anlagen den Einflug und die Entwicklung der Marmorierten Baum- wanze und anderer Schadwanzen zu verfolgen. Der wirtschaftliche Schaden im ver- gangenen Jahr hielt sich in Grenzen. Ob dies auch 2021 so sein wird, ist fraglich. Steigt die Population wieder stärker an, dann ist zwangsläufig mit höheren Fruchtschäden zu rechnen. Eine erfolgreiche Bekämpfung wird sich auch in Zukunft schwierig gestal- ten. Alle Hoffnungen ruhen auf den natürlichen Gegenspielern, die sich 2020 wieder vermehrt bemerkbar gemacht und weiter ausgebreitet ha- ben. Sicher ist, dass die Marmorierte Baumwanze auch in den kommenden ➌ Jahren für Herausforderungen an die Beratung, an das Versuchswesen, an nem wirtschaftlich erträglichen Be- die Vermarktung, aber auch an jeden reich. Ein Grund für das geringere Auf- einzelnen Obstbauern sorgen wird. treten könnten die fehlenden Adulten der zweiten Generation von 2019 sein, Dank die sich aufgrund der Witterung 2019 Ein besonderer Dank gebührt Stefanie nicht entwickeln konnten (siehe Artikel Fischnaller, Silvia Schmidt, Martina Fa- ab Seite 10). Dadurch könnte sich der lagiarda und Anna Rottensteiner vom Ausgangsdruck für 2020 deutlich ge- VZ Laimburg, Anna Zelger vom Pflan- senkt haben. Eine Rolle könnten auch zenschutzdienst Bozen und Melanie die tiefen Temperaturen mit Spätfrös- Graf vom BRING für die sehr gute ten Ende März und Anfang April 2020 Zusammenarbeit sowie den vielen gespielt haben. Des Weiteren konnte Obstbauern für ihre Meldungen von man 2020 bereits ab dem Frühsom- Funden und ihre Mithilfe beim Einsam- mer eine Parasitierung von Eigelegen meln von parasitierten Eigelegen. ➋ der Marmorierten Baumwanze durch heimische und asiatische Schlupfwes- michael.unterthurner@beratungsring.org 9
Saisonaler Zyklus der Marmorierten Baumwanze 2020 in Südtirol Stefanie Fischnaller, Versuchszentrum Laimburg Auch im Jahr 2020 wurde der saisonale Zyklus der Marmorierten Baumwanze, Halyomorpha halys, an verschiedenen Standorten im Südtiroler Obstbaugebiet unter Halbfreilandbedingungen unter- sucht. Es zeigten sich deutliche Unterschiede zum vorangegange- nen Untersuchungszeitraum im Jahr 2019. Die Versuche stimmen sehr gut mit den Beobachtungen aus dem Monitoring überein. teil, um ihre Ausbreitung sowie die • zum Ersten in eine Lagerhalle, die Halbfreilandversuche Gebiete mit über Jahre stabilen Po- einen geschützten Überwinterungs- Um den Zeitraum der aktiven Phase pulationen zu überwachen. Allerdings ort simulieren sollte und der Marmorierten Baumwanze besser ist die Abbildung der Populationsdy- • zum Zweiten in ein überdachtes, zu verstehen und wichtige Ereignisse, namiken und die Interpretation der aber der Witterung ausgesetztes wie z.B. Start und Dauer der Eiabla- Monitoringdaten aus verschiedensten Netzhaus. gen sowie das Auftreten frisch gehäu- Gründen nicht einfach. Nach viermonatiger Ruhephase wur- teter Adulttiere, zeitlich einzuordnen, den die toten Tiere in den Käfigen werden am Versuchszentrum Laim- ausgezählt. Es zeigte sich eine je nach burg seit 2018 sogenannte Halbfrei- Überwinterung 2019/20 Standort sehr unterschiedliche Über- landversuche durchgeführt. Die Hin- Im Herbst 2019 wurden Adulttiere lebensrate: Tiere, die im Netzhaus tergründe und der Versuchsaufbau, an verschiedenen Standorten im gehalten wurden, zeigten eine Ster- mit einer Retrospektive auf die Jahre Freiland gesammelt und am Stand- berate von 43%, wohingegen die im 2018 und 2019, wurden in „obstbau* ort Pfatten überwintert. Die ca. Lagerhaus überwinternden Tiere eine weinbau, 2020 (3), S. 10-14“ ausführ- 400 Wanzen wurden auf mehrere Mortalität von über 95% aufwiesen. lich beschrieben. Käfige verteilt und zur Überwinte- Dies verdeutlicht, welchen Einfluss Das Monitoring zur Marmorierten rung an zwei verschiedene Stand- der Überwinterungsstandort auf die Baumwanze ist ein wichtiger Bestand- orte im Versuchszentrum gebracht: Überlebensrate von Halyomorpha Grafik 1: „Lifetable“ der Marmorierten Baumwanze, Standort Pfatten, 2020. 10
4/2021 halys hat. Aus diesem Grund sind Käfigen am Standort Pfatten bereits starteten ihrerseits eine weitere Ge- generelle Aussagen zur Mortalität im Mitte Mai (Kalenderwoche 20) pro- neration (F2). Demnach waren ab Winter schwierig zu treffen: Die Be- duziert (Grafik 1). Erste Nymphen des diesem Zeitpunkt zwei Generationen dingungen im Überwinterungsquar- 2. Stadiums (N2) entwickelten sich in sowie einige Adulttiere des Vorjahrs tier, Alter und Fitness der Tiere sowie den Käfigen Anfang Juni (KW 23). In gleichzeitig präsent. Dies ist auch an deren Ernährungszustand spielen dieser Woche wurden auch die ers- der Kurve in Grafik 2 zu sehen, wo- eine wichtige Rolle. ten Nymphen des 2. Stadiums am nach ab diesem Zeitpunkt die Nym- Fallenstandort Pfatten im Zuge des phenfänge am nahegelegenen Fallen- Monitorings nachgewiesen (Grafik 2, standort wieder deutlich zunahmen. Aktivität der Wintertiere S. 12). Die Eiablagetätigkeit in den Kä- Die Eiablagetätigkeit der F1 dauerte 2020 figen nahm bis Ende Mai zu und blieb von KW 31 (Ende Juli) bis KW 38 Mit den überlebenden Tieren aus den mit einigen wenigen Ausnahmen (z.B. (Mitte September). Ein Höhepunkt in Überwinterungsversuchen am Stand- KW 24, Mitte Juni) bis Ende Juli rela- der Eiablagerate wurde Ende August ort Pfatten und weiteren, im Frühjahr tiv konstant. Im Vergleich zu den Vor- in den Versuchskäfigen festgestellt, in 2020 an verschiedenen Stellen im jahren war die Anzahl an abgelegten Übereinstimmung mit einem Peak an Freiland aufgesammelten Wanzen, Eiern in den Käfigen niedriger. Ab An- jungen Nymphenstadien (N1-3) am wurde der Halbfreilandversuch Ende fang August nahm die Eiablagetätig- Fallenstandort Pfatten. März gestartet. Zeitgleich wurde in keit rasch ab. Das letzte Eigelege der einer nahegelegenen Apfelanlage vom Vorjahr stammenden Wintertiere mit dem standardisierten Monitoring wurde Ende August in den Käfigen Tallagen: 2 Generationen begonnen und die dort installierte am Standort Pfatten gefunden. Im Jahr 2020 gab es in den warmen Lockstofffalle wöchentlich auf Fänge Tallagen zwei Generationen der Mar- kontrolliert. morierten Baumwanze: Die ersten Die übermäßig warmen Tempera- Tochtergeneration F1 Eigelege der zweiten Generation tra- turen Anfang Mai führten zu einem Aus den ersten Eigelegen Mitte Mai fen noch ausreichend warme Tem- im Vergleich zu 2019 relativ frühen entwickelten sich am Standort Pfat- peraturen an. Dadurch war es ihnen Beginn der Eiablagetätigkeit der Start- ten in einem Zeitraum von ca. zwei möglich, sich zu einem ausgewach- population, der sogenannten „Winter- Monaten die ersten frisch gehäuteten senen Adulttier zu häuten (Grafik 1). tiere“: Erste Eigelege wurden in den Adulttiere der ersten Tochtergenerati- So konnte sich demnach am Standort on (F1). Nach ca. zwei Wochen, am Pfatten 2020 ein Großteil der ersten 28.07.2020, waren die Weibchen Generation (F1) sowie ein Teil der dieser Generation eiablagebereit und zweiten Generation (F2) zum fertigen Mit dem mobilen Labor unterwegs, um Mittels Halbfreilandversuchen wurden die wichtigsten Eckdaten im Wanzenleben die Versuchsstandorte im Vinschgau und verfolgt. Eisacktal zu betreuen. 11
Adulttier entwickeln. Diese Adulttiere Grafik 2: Wichtige Eckdaten der Halbfreilandversuche am Standort können prinzipiell im Herbst in Über- Pfatten im Vergleich zu den Monitoringergebnissen eines nahen winterung gehen. Im Jahr 2019 hin- Fallenstandorts, 2020 (F1: Erste Generation, F2: Zweite Generation). gegen konnte sich in den Käfigen am Standort Pfatten und auch am Stand- ort Meran keine Nymphe der F2 fertig zu einem erwachsenen Insekt entwi- ckeln. Latsch und Schabs: 1 Generation Auch im Jahr 2020 wurden Käfige im mittleren Vinschgau am Stand- ort Latsch betreut. Zusätzlich wurde mit Schabs ein weiterer Standort im Eisacktal mit aufgenommen. Beide Standorte sollen so gut wie möglich die Populationsentwicklung in höhe- ren Lagen repräsentieren. Die tieferen Temperaturen und damit eine deut- lich verlangsamte Entwicklungsdauer vom Ei bis zum Adulttier führten dazu, dass sich an beiden Standorten nur eine Generation, die sogenannte F1, voll ausbilden konnte. Dies erklärt auch die Beobachtung des Monito- rings: In höheren Lagen scheint sich Halyomorpha halys zwar ebenfalls festzusetzen, jedoch ist dort der Po- pulationszuwachs pro Jahr bis dato geringer im Vergleich zu den tieferen, wärmeren Lagen des Etschtals sowie des Überetsch und Unterlands (siehe Artikel ab Seite 5). Marmorierte Baumwanze: erstes Nymphenstadium. Ausblick 2021 Inwieweit sich eine oder zwei volle Generationen pro Jahr auf das Folge- tige Fragen zur Phase ab der Aus- jahr auswirken, können wir noch nicht wanderung aus den Winterquartieren beantworten, weil es mit Sicherheit bis zum Beginn der Eiablagetätigkeit eine Kombination mehrerer Faktoren durch gezielte Versuche im Labor un- ist, die sich auf die Populationsstärke tersucht. auswirkt. Obwohl nun schon seit drei Jahren Dank genaue phänologische Untersuchun- Dank an Anna Rottensteiner für ihre gen zur Marmorierten Baumwanze in Mithilfe bei der Betreuung der Frei- Südtirol gemacht wurden, sind noch landversuche sowie an Manfred Wolf weitere Versuchsjahre notwendig, um und Peter Neulichedl für wertvolle In- ein Gesamtbild zu erhalten und die formationen zur komplexen Thematik Daten solide interpretieren zu kön- „Phänologie von Insekten“. nen. Daher werden auch im heurigen Jahr 2021 die Halbfreilandversuche Marmorierte Baumwanze: fünftes und letztes Nymphenstadium. fortgesetzt. Außerdem werden wich- steffi.fischnaller@laimburg.it 12
4/2021 Ausbreitung natürlicher Gegenspieler der Marmorierten Baumwanze in Südtirol Martina Falagiarda, Silvia Schmidt, Manfred Wolf, Versuchszentrum Laimburg 2016 hatte man in Südtirol die ersten Individuen der Marmorierten Baumwanze, Halyo- morpha halys, gefunden. Daraufhin breitete sich der Schädling in vielen urbanen und landwirtschaftlich geprägten Gebieten aus. Gegenspieler dieses invasiven Schädlings wa- ren anfangs kaum zu finden. Untersuchungen ab 2018 mischen Wanzenarten dabei und auch sie wurden auf Parasitoide untersucht. Ergebnisse Bereits im Jahr 2018 begannen wir mit Die Ergebnisse dieser Untersuchungen Untersuchungen zur Parasitierung der zeigen, welche Arten von Parasitoiden Marmorierten Baumwanze an Stand- in den verschiedenen Lebensräumen Trissolcus mitsukurii orten, die eine besonders hohe Dichte präsent sind. Diese Daten liefern auch Erste Funde von T. mitsukurii wurden der Wanzen aufwiesen. Dabei fanden wichtige Informationen über die natür- im Jahr 2019 ab August beobach- wir bereits erste parasitierte Eigelege. liche Ausbreitung exotischer Gegen- tet. In den meisten Fällen stammten Seit 2019 wird in Zusammenarbeit mit spieler, wie z.B. Trissolcus mitsukurii. diese Individuen aus Eigelegen aus dem Südtiroler Beratungsring für Obst- Daneben gelang es, auch die Parasi- dem Burggrafenamt. 2020 schlüpfte und Weinbau die Parasitierung der Ei- tierungsraten einheimischer Wanzen- T. mitsukurii hingegen bereits im Mai gelege von Baumwanzen überwacht. arten zu erheben und ihre natürlichen aus Eigelegen heimischer Wanzen im Im Jahr 2020 wurden dafür auf Lan- Eiparasitoide zu identifizieren. Gebiet rund um Meran. Dieser Parasi- desebene mehr als 1.000 Eigelege Um eine langfristige Regulierung toid war also 2020 deutlich früher ak- eingesammelt, etwa ein Fünftel da- der Populationen der Marmorierten tiv als 2019, schon im Juni schlüpfte er von von Landwirten und Technikern Baumwanze durch Parasitoide zu un- in Lana aus Eigelegen der Marmorier- des Beratungsrings. Neben Eigelegen terstützen, wurde im Jahr 2020 mit ten Baumwanze. Im Jahr 2020 wiesen der Marmorierten Baumwanze waren der Freisetzung des exotischen Parasi- wir Individuen dieses exotischen Ge- auch solche von mehr als 10 einhei- toiden Trissolcus japonicus begonnen. genspielers auch aus Eigelegen in Ge- Grafik 1: Verbreitung von Trissolcus mitsukurii im Südtiroler Obstbaugebiet 2019 und 2020. 2019 2020 13
bieten nach, wo er zuvor nicht präsent sinicus ist somit ein Gegenspieler der zenarten häufig befallen, gehören den gewesen war, wie z.B. in Naturns an natürlichen Antagonisten der Marmo- Gattungen Telenomus und Trissolcus zwei verschiedenen Standorten sowie rierten Baumwanze. Die Parasitierung an und sind vorwiegend einheimische an mehreren Standorten im Unterland von H. halys-Eiern durch Acroclisoides Gegenspieler. Gelegentlich parasitierte und Überetsch (Grafik 1, S. 13). Aller- sinicus war in den letzten zwei Jahren auch T. mitsukurii heimische Baum- dings waren die Parasitierungsraten für sehr ähnlich, 1,5% im Jahr 2019 und wanzenarten. die Standorte Salurn und Bozen nied- 1,7% im Jahr 2020. riger als jene des Etschtals von Terlan bis Algund. Dies könnte darauf hinwei- Freisetzungen von sen, dass in diesem zweiten Areal der Parasitoiden einheimischer Trissolcus japonicus Parasitoid bereits früher angesiedelt Wanzen Im Jahr 2020 genehmigte das italieni- war und sich dort inzwischen größere In den Jahren 2019 und 2020 wurden sche Umweltministerium die Freiset- Populationen im Vergleich zum süd- insgesamt 325 Eigelege einheimischer zung der Samurai-Mikrowespe, Trissol- licheren Teil des Landes aufgebaut Wanzen gesammelt, von denen 200 cus japonicus, in jenen Regionen und haben. Die Gründe für diese Unter- ausschließlich aus dem Gebiet Burg- Provinzen Norditaliens, einschließlich schiede müssen noch anhand weiterer grafenamt/Unterer Vinschgau stamm- Südtirol, die besonders von Schäden Monitoringdaten genauer untersucht ten. Die häufigsten Arten waren die durch die Marmorierte Baumwanze und vertieft werden. Grüne Stinkwanze (Palomena prasi- betroffen sind. Das Ziel des Projekts Einzelne Individuen von T. mitsukurii na) und die Grüne Reiswanze (Nezara ist die langfristige Regulierung der beobachteten wir auch im Eisacktal, viridula), gefolgt von der Beerenwanze Baumwanzenpopulationen durch die wo jedoch keine Parasitierung von H. (Dolycorus baccarum) und der Grau- Förderung der Ansiedlung dieses na- halys durch diesen Gegenspieler fest- en Feldwanze (Raphigaster nebulosa). türlichen Gegenspielers. Man erhofft gestellt werden konnte. Die Eigelege dieser Wanzen wurden sich, dass T. japonicus sich den lokalen hauptsächlich in landwirtschaftlichen Bedingungen anpasst und in nächster Gebieten und nur in geringerem Maß Zukunft in der Lage ist, sich eigenstän- Anastatus bifasciatus auf suburbanen Flächen gefunden. dig im Gebiet zu verbreiten und zu Auch Anastatus bifasciatus, ein einhei- Die Parasitierung war von Art zu Art vermehren. mischer Parasitoid, ist schon im Jahr sehr unterschiedlich und überschritt In Südtirol wählten wir 42 Standorte 2019 an den meisten überwachten die 50%-Marke für Eier von P. prasi- aus. Dabei handelte es sich in 70% Standorten nachgewiesen worden. na, während N. viridula nur circa 10% der Fälle um Grünflächen und ökologi- Neben H. halys parasitiert dieser Ge- erreichte. sche Korridore, bei den weiteren 30% neralist Eier vieler unterschiedlicher Anastatus bifasciatus trug unterschied- der Standorte um Hecken mit Anbin- Wanzenarten. Auch schlüpfte er aus lich zur Parasitierung der untersuchten dung an Obstanlagen. Eigelegen verschiedener heimischer heimischen Wanzenarten bei und be- Vor der Freisetzung wurden an allen Wanzenarten, die durch den Bera- stätigte sich damit als Generalist. Sein Standorten visuelle Kontrollen durch- tungsring eingesammelt wurden. Beitrag zur Parasitierung einzelner geführt, um die Präsenz der Marmo- Während Anastatus bifasciatus 2019 Arten lag zwischen 3 und 10%. An- rierten Baumwanze festzustellen und aus 6,5% der gesammelten Eier der dere Parasitoide, die heimische Wan- dadurch die Vermehrung der ausge- Marmorierten Baumwanze schlüpfte, sank dieser Wert im Jahr 2020 auf Grafik 2: Parasitierung von Eigelegen der Marmorierten Baumwanze 4,6%. Dagegen zeichnete sich für T. durch verschiedene Parasitoide 2019 und 2020. mitsukurii ein Anstieg der Parasitie- 20 rungsrate von 5,9% im Jahr 2019 auf 18 8,3% im Jahr 2020 ab (Grafik 2). 16 3,8 3,4 Parasitierungsrate (%) 14 1,7 Acroclisoides sinicus 12 1,5 Der 2018 erstmals in Südtirol nachge- 10 5,9 8,3 wiesene Hyperparasitoid Ac. sinicus 8 wurde auch in der vergangenen Sai- 6 son an vielen Überwachungsstandor- 4 6,5 ten beobachtet. Diese Art findet man 2 4,6 hauptsächlich in H. halys-Eiern, die zu- 0 vor von einer anderen Parasitoidenart 2019 2020 An. bifasciatus T. mitsukurii Ac. sinicus andere Arten/unbestimmt parasitiert worden sind. Acroclisoides 14
4/2021 Freilassung von Trissolcus japonicus. setzten Individuen zu gewährleisten. kurii und A. bifasciatus die häufigsten ten auf ein großes Vermehrungspoten- Während des Sommers setzten wir an Parasitoidenarten. Die Parasitierung fiel zial von T. japonicus in Eigelegen von zwei bis drei Terminen, von Mitte Juni je nach Standort unterschiedlich hoch H. halys in vielen Südtiroler Lagen hin. bis Anfang August, pro Standort je 100 aus. An Standorten, an denen viele Ei- 2021 wird es möglich sein, eine Aus- Weibchen und 10 Männchen frei. gelege von H. halys gefunden wurden, sage über den Erfolg seiner Ansiede- Um die Parasitierungsrate der Wanzen- wurde T. japonicus häufiger wiederge- lung im Umfeld der Freisetzungsstand- Eigelege zu ermitteln, wurde ab August funden. orte zu treffen. an allen 42 Standorten nach Eigelegen Die höchsten Parasitierungsraten wur- gesucht. Es wurden insgesamt mehr den vorwiegend in den Grünzonen Dank als 800 natürlich abgelegte Eigelege und den suburbanen Gebieten fest- Das Versuchszentrum Laimburg wurde der Marmorierten Baumwanze ein- gestellt. An Freisetzungsstandorten in 2020 damit beauftragt, die für die Frei- gesammelt. Nach deren Inkubation der Nähe von Obstanlagen wurde eine setzung nötige Zahl von T. japonicus- in Klimaschränken wurde die Art der geringe Parasitierung und eine gerin- Individuen auf H. halys zu vermehren. geschlüpften Eiparasitoiden ermittelt. ge Anzahl an Eigelegen von H. halys Anhand einer Starterpopulation von Über 5.200 Parasitoide sind auf ihr erhoben. Der niedrige Besatz mit H. 200 Individuen eines vom Ministeri- Artniveau bestimmt worden: halys war vermutlich für die geringe um genehmigten T. japonicus-Stamms T. japonicus wurde an 50% der Frei- Parasitierung an diesen Standorten wurden dann mehr als 13.000 Weib- setzungsstandorte nachgewiesen. Auf- verantwortlich. chen und 2.000 Männchen im ento- grund dieser Ergebnisse kann davon Nimmt man an, dass zwischen 220 mologischen Labor des Instituts für ausgegangen werden, dass sich die- und 330 Individuen pro Standort Pflanzengesundheit der Laimburg ge- ser Parasitoid unter unterschiedlichen freigesetzt wurden, so hat sich T. ja- züchtet. Dafür musste die bestehende lokalen Bedingungen erfolgreich ver- ponicus als effizienter Gegenspieler Anzucht von H. halys ausgeweitet wer- mehren konnte: Er wurde sowohl im erwiesen, welcher in der Lage ist, ge- den. Es waren große Anstrengungen Etschtal von Meran bis Salurn, als auch zielt Eigelege der Marmorierten Baum- nötig, welche dank der Unterstützung im Eisacktal wiedergefunden. Durch- wanze zu parasitieren. Abgesehen von durch die Landwirte und Berater be- schnittlich waren 50% der Eigelege einigen wenigen Fällen bevorzugte er wältigt werden konnten, indem sie uns von H. halys von einer oder mehreren Eigelege von H. halys gegenüber je- bei der Aufsammlung von überwin- Arten parasitiert. Abgesehen vom frei- nen der heimischen Wanzen. ternden Baumwanzen halfen. gesetzten T. japonicus waren T. mitsu- Die Ergebnisse des Jahres 2020 deu- martina.falagiarda@laimburg.it 15
Feldbeobachtungen heimischer Baumwanzen 2020 Michael Unterthurner, Markus Ladurner, Beratungsring Stefanie Fischnaller, Versuchszentrum Laimburg Im Zuge der zahlreichen Kontrollen zur Marmorierten Baumwan- Apfelanlagen in Waldnähe und neben ze im Jahr 2020 wurden auch heimische Wanzenarten genau be- Böschungen oder Hecken sowie bei hohem Unterbewuchs oder hohem obachtet. Diese Arten sind seit einigen Jahren im Südtiroler Ap- Gras. Auf dem Apfelbaum finden sich felanbaugebiet ebenfalls vermehrt anzutreffen und können Äpfel viele verschiedene Vertreter von Wan- beschädigen. zen: Neben Weich-, Boden-, Blumen- und Lederwanzen sind aber wohl die Baumwanzen die am häufigsten vor- arten aber nicht verwendet werden, kommende Familie (Grafik 1). Monitoring weil sie speziell für die Marmorierte In Grafik 2, S. 18, sind die im Rahmen Das Monitoring der heimischen Wan- Baumwanze konzipiert sind und an- des Monitorings 2020 auf Apfelbäu- zenarten ging mit dem der Marmorier- dere Wanzenarten nicht anlocken. men gefundenen Arten mit Hauptau- ten Baumwanze auch 2020 einher. genmerk auf Baum- und Lederwan- Bei Klopfproben und visuellen Kont- zen aufgelistet. Diese Auswertung rollen werden auch heimische Arten Vorkommen 2020 stammt aus dem Burggrafenamt. Von erfasst und das jeweilige Stadium be- Heimische Wanzenarten wurden in den über 100 dokumentierten heimi- stimmt und dokumentiert. den letzten Jahren in allen Anbaula- schen Baumwanzen wurde mehr als Die Pheromonfallen können für das gen gefunden. Bevorzugt anzutreffen die Hälfte der gesammelten Indivi- Monitoring der heimischen Wanzen- sind sie in höheren Anbaulagen, in duen als die Grüne Stinkwanze (Pa- 16
Die Rotbeinige Baumwanze Adulte der Grünen Stinkwanze Nymphe der Grünen Reiswanze (Pentatoma rufipes) ist häufig auf den (Palomena prasina). (Nezara viridula). Hagelschutznetzen zu sehen. Grafik 1: Klopfproben in Apfelertragsanlagen in lomena prasina) identi- rufipes). Diese ist in der Grafik nicht den Jahren 2015 und 2016. fiziert, dicht gefolgt von angeführt, da sie sich im Herbst vor- der Grünen Reiswanze wiegend auf dem Hagelnetz aufhielt (Nezara viridula). Diese und nicht auf den Apfelbäumen. beiden Arten bilden den Fruchtschäden konnten dieser Art bis- Hauptanteil der nachge- lang nicht zugeschrieben werden. Viel- wiesenen Wanzen. Spo- mehr liegt die Vermutung nahe, dass radisch kamen die Graue die Rotbeinige Baumwanze in den Feldwanze (Raphigaster ersten kühlen Herbsttagen die dunk- nebulosa) und andere len Hagelnetzflächen zum Aufwär- Baumwanzen vor. men aufsucht. Es werden nicht immer Eine Art, die 2020 auch nur fruchtschädigende, sondern auch vermehrt gefunden wur- nützliche Arten gefunden. So konnten de, ist die Rotbeinige vermehrt Exemplare vom Waldwächter Baumwanze (Pentatoma (Arma custos) entdeckt werden. Diese Art ernährt sich ausschließlich räube- risch von anderen Insekten, darunter gelegentlich von anderen Wanzenar- r. l fe He ten oder auch z.B. von Ohrwürmern. d r ie gf Ein genauer bebilderter Steckbrief zu Si e to Fo den einzelnen Wanzenarten findet sich in obstbau*weinbau 2018 (10) S. 24-28. Populationsdynamik Die ersten Nymphen und Adulten ver- schiedener heimischer Wanzenarten wurden 2020 bereits im Mai auf den Apfelbäumen gefunden. In Grafik 3, S. 18, sind die Beobachtungen und Der Waldwächter Erhebungen aus dem Eisacktal doku- ernährt sich von anderen Insekten. Im mentiert. Wie diese zeigen, stieg die Bild attackiert er einen Zahl an Nymphen im Juni deutlich an, Ohrwurm. die Zahl der Adulttiere hingegen erst 17
Grafik 2: Artenverteilung der gesammelten heimischen Wanzen im Auch die Grüne Reiswanze hat ein Burggrafenamt 2020 in %. sehr breites Wirtspflanzenspektrum, darunter befinden sich aber vermehrt Grüne Stinkwanze 2 2 krautige Pflanzen, weshalb sie auch 1 1 häufig im Unterbewuchs oder an na- Grüne Reiswanze 9 1 hegelegenen Böschungen bzw. Grä- ben zu finden ist. Graue Feldwanze 34 Die Untersuchungen belegen weiters eindeutig, dass die Grüne Stinkwanze Lederwanze nur eine Generation pro Jahr bildet: Braune Randwanze Damit ist die Populationsentwicklung 50 innerhalb eines Jahres nicht so stark Beerenwanze wie etwa bei der Grünen Reiswanze mit zwei Generationen im Jahr. Sie Ginsterwanze beginnt früh mit ihrer Eiablage. 2020 Waldwächter wurden bereits in der 2. Maiwoche Eigelege entdeckt. Der Großteil wurde *Quelle Foto Ginsterwanze: Jean-Jacques MILAN im Juni abgelegt. Adulttiere der Toch- tergeneration entwickelten sich ab An- fang Juli 2020 (Grafik 4). Grafik 3: Bei Kontrollen in Eisacktaler Apfelanlagen gefundene heimische Wanzen 2020. Fruchtschäden Anzahl Individuen (Klopfproben + visuell) 40 Neben der Marmorierten Baumwanze Nymphen 35 verursachen auch heimische Arten an Adulte 30 zahlreichen Standorten Fruchtschä- 25 den. Anhand der Symptome lässt sich 20 allerdings nicht auf die Wanzenart 15 schließen. In den Zonen, in denen die 10 Marmorierte Baumwanze nicht vor- 5 kommt, kann man die Schäden aber naturgemäß den heimischen Arten zu- 0 APRIL MAI JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER ordnen. Diese Zonen sind der Vinsch- gau und das Eisacktal sowie die hö- heren Lagen des restlichen Südtiroler Grafik 4: Saisonaler Zyklus der Grünen Stinkwanze (Palomena prasina) Apfelanbaugebiets. Im Eisacktal wur- und der Grünen Reiswanze (Nezara viridula) am Standort Pfatten 2020. den bei den Vorernteauswertungen 2020 Fruchtschäden von 0,4% in der Anlagenmitte bzw. 0,8% am Anlagen- rand festgestellt. Schluss Wanzen spielen eine wichtige Rolle im Obstbau, sowohl als Schädlinge als auch in ihrer Funktion als Nützlinge. im Juli. Ab August nahm die Zahl der Die Grüne Reiswanze, eine weltweit Aufgrund ihrer unterschiedlichen Bio- Adulttiere und der Nymphen auf den verbreitete Art, zeichnete sich durch logie und ihres Verhaltens ist es wichtig, Apfelbäumen wieder deutlich ab. eine rege, von Mitte Mai bis Anfang die im Obstbau vorkommenden Arten Am Versuchszentrum Laimburg wurde Oktober andauernde Eiablagetätigkeit zu kennen. Neben der Marmorierten anhand von Halbfreilandversuchen aus. Am Standort Pfatten entwickelten Baumwanze sind vor allem die Grüne die Phänologie der Grünen Reiswan- sich 2020 zwei überlappende Gene- Stinkwanze und die Grüne Reiswanze ze (Nezara viridula) und der Grünen rationen. Ihr Reproduktionspotenzial die am Apfelbaum häufigsten Wanzen. Stinkwanze (Palomena prasina) ge- ist daher vergleichbar mit dem der nauer unter die Lupe genommen. Marmorierten Baumwanze. michael.unterthurner@beratungsring.org 18
4/2021 Invasive Schadorganismen Das Beispiel Marmorierte Baumwanze Luciana Tavella, Universität Turin Die Autorin ist ordentliche Professorin am Department für Agrar-, Erfolgreiche Invasion Forst- und Lebensmittelwissenschaften der Universität Turin. Beim Im Gegensatz dazu hat sich die Mar- Interpoma-Kongress 2020 sprach sie über die Bedrohung durch morierte Baumwanze (Halyomorpha invasive Schadorganismen für die europäische Landwirtschaft und halys) inzwischen dauerhaft in Europa angesiedelt und weit verbreitet. Hei- alternative Abwehrmöglichkeiten der Marmorierten Baumwanze. misch ist sie im Südosten Asiens. Von dort wurde sie zuerst nach Nordameri- ka verschleppt, dann nach Europa. Sie Zunehmende Bedrohung nization = Pflanzenschutzorganisation breitet sich weiter in andere Gebiete für Europa und den Mittelmeerraum) wie Südamerika aus. In Europa hat Mit der Intensivierung des Welthandels eine Liste von Quarantäneorganismen man sie zuerst 2004 in der Schweiz steigt auch die zufällige Einschleppung erstellt, bei denen das Risiko einer entdeckt, aber in den folgenden 10 von exotischen Arten. Viele von ihnen Einschleppung nach Europa besteht. Jahren war sie noch keine Gefahr für sind zu einer ständigen Bedrohung Kürzlich hat die Europäische Union die europäische Landwirtschaft. Im der globalen Biodiversität und Lebens- die Delegierte Verordnung (EU) Spätsommer 2013 wurden in einer mittelsicherheit geworden. Besonders 2019/1702 erlassen, welche die Ver- Pfirsichanlage im Piemont erstmals die invasiven Insekten sind für enorme ordnung (EU) 2016/2031 ergänzt. Schäden beobachtet, nachdem sie wirtschaftliche Verluste verantwortlich, Sie enthält 20 prioritäre Schadorganis- schon 2012 in mehreren Städten die auf mehr als 100 Milliarden US- men, deren mögliche wirtschaftliche der Emilia-Romagna gesichtet wor- Dollar (84 Milliarden Euro) geschätzt Auswirkungen auf die Wirtschaft, Um- den war. Seither ist die Marmorierte werden. Wenn sie in den neuen Ge- welt und Gesellschaft als sehr schwer- Baumwanze zu einer echten Bedro- bieten geeignete Wirtspflanzen und wiegend angesehen werden und die hung für verschiedene landwirtschaft- Umweltbedingungen vorfinden, die deshalb überwacht werden müssen. liche Kulturen geworden, auch weil sie vielleicht auch noch durch den Klima- Die Liste enthält auch einige gefähr- in Italien und anderen europäischen wandel gefördert werden, vermehren liche Schadinsekten für die Obstkul- Ländern günstige Umweltbedingun- sie sich dort unkontrolliert, weil die turen, wie den Japankäfer (Popillia ja- gen vorfindet, wie sie schon durch Begrenzungsfaktoren fehlen, die im ponica), die Orientalische Fruchtfliege bioklimatische Modellrechnungen für Ursprungsgebiet die Populationen re- (Bactrocera dorsalis) und die Apfel- eine mögliche Ausbreitung der Art vo- gulieren. fruchtfliege (Rhagoletis pomonella), rausgesagt wurden. Deshalb hat die EPPO (European and die bisher noch nicht in Europa gefun- Es ist ein sehr polyphages Insekt Mediterranean Plant Protection Orga- den wurden. und es sind hunderte Wirtspflanzen bekannt, unter ihnen zahlreiche von agronomischem Interesse. Unter den Japankäfer (links), Orientalische Fruchtfliege (mitte) und die Apfelfruchtfliege(rechts), am meisten betroffenen Kulturen fin- drei Quarantäneschädlinge, die bisher noch nicht in europäischen Apfelanlagen gefunden worden sind. den sich Birne, Pfirsich, Apfel, Hasel- nuss, Paprika, Bohnen, Mais, Soja und Pappel. Lebenszyklus Die Marmorierte Baumwanze entwi- ckelt mehrere Generationen pro Jahr, 19
in Norditalien sind es üblicherweise Grafik 1: Prozent beschädigte Früchte in zwei piemontesischen Gala- zwei. Sie verbringt den Winter in gro- Anlagen, 2016 und 2017. ßen Gruppen in Verstecken, bevor- 16 zugt in Gebäuden, wodurch sie auch 2016 2017 zu einer Plage im urbanen Bereich 14 wird. Etwa ab Februar verlassen die 12 überlebenden Adulten nach und nach ihre Winterverstecke und fliegen auch 10 über lange Strecken, um Wirtspflanzen 8 zu finden, auf denen sie sich erholen und ernähren können. Falls vorhan- 6 den, bevorzugen sie dabei Pflanzenar- 4 ten mit Früchten. Nach der Begattung beginnen die 2 Weibchen im Mai-Juni mit der Eiabla- 0 ge. Ein Eigelege besteht meistens aus eingenetzt Betriebsvariante kein Netz unbeh. 28 Eiern. Jedes Weibchen kann im Laufe ihres Lebens zwischen 7 und 15 solcher Eigelege produzieren. Nach möglichkeiten entwickelt, wie Insek- schon am Beginn der Vegetationszeit 7 bis 10 Tagen, abhängig von den kli- tenschutznetze und die Suche nach attraktiver. Tatsächlich reagieren schon matischen Bedingungen, schlüpfen natürlichen Feinden, die imstande die Adulten, die ihre Winterverstecke die ersten Nymphen aus den Eiern. sind, sich an die Marmorierte Baum- verlassen, sehr gut auf diese Phero- Jede Nymphe durchläuft fünf Stadien, wanze anzupassen. Für welche Ab- monkombination. Deshalb werden die wie die Adulten sehr mobil sind. wehr man sich auch entscheidet, ein sie heute für die Fallen verwendet, Die Adulten wechseln sehr oft ihren genaues Monitoring ist unverzichtbar. um Hinweise auf die Verbreitung der Standort auf der Suche nach neuen Marmorierten Baumwanze nach der geeigneten Wirtspflanzen, wobei sie Überwinterung zu bekommen. Es gibt eine Kultur meistens vom Rand aus Monitoring unverzichtbar verschiedene Fallenmodelle und des- besiedeln. Zusätzlich zur visuellen Kontrolle, zu halb ist die Zahl der gefangenen Indivi- Die Besiedlung unserer Regionen Insektenfangnetzen und zur Klopfme- duen auch sehr unterschiedlich. Es sei durch die Marmorierte Baumwanze thode überwacht man die Marmorier- daran erinnert, dass nicht alle Adulten hat auch unsere Pflanzenschutzstrate- te Baumwanze auch mit Fallen, die als und Nymphen in die Falle krabbeln gien verändert und dabei oft auch die Köder Aggregationspheromone ent- und am Klebstoff gefangen werden. Erfolge im integrierten Pflanzenschutz halten. Diese ziehen die Adulten und Viele versammeln sich in der Umge- zunichte gemacht, der inzwischen die Nymphen beider Geschlechter an. bung in Gruppen, weshalb es sehr breitflächig im Obstbau angewendet Anfänglich verwendete man das Ag- wichtig ist, die Fallen nicht im Inneren wird. Der Rückgriff auf die chemische gregationspheromon einer anderen einer Obstanlage zu positionieren, um Bekämpfung und die zahlreichen Ein- Wanze (EEZ-MDT), das die Marmo- damit nicht Wanzen anzulocken. sätze von breitenwirksamen Insek- rierte Baumwanze aber vorwiegend Die Fallen ermöglichen es, die Be- tiziden mit ihren Auswirkungen auf nur am Ende der Saison anzog. Dann wegungen der Marmorierten Baum- die menschliche Gesundheit und die wurde das Pheromon identifiziert, das wanzen in einem Gebiet zu erkennen Umwelt lösen das Problem meistens die männlichen Marmorierten Baum- und in der Folge den Befall und die nicht. Deshalb wurden in den vergan- wanzen produzieren (Murgantiol). Schäden an den landwirtschaftlichen genen Jahren auch alternative Abwehr- Die Kombination dieser Duftstoffe ist Kulturen zu begrenzen. Stadien der Marmorierten Baumwanze; von links nach rechts: Vollinsekt, Eigelege, schlüpfende Nymphen, ältere Nymphe. 20
4/2021 Grafik 2: Trissolcus japonicus hat sich auf natürliche Weise mehr im Nordwesten Italiens, Trissolcus mitsukurii mehr im Nordosten (einschließlich Trentino-Südtirol) ausgebreitet. 2017 Trissolcus japonicus 2016 2018 2018 Trissolcus mitsukurii Attract-&-kill Insektenschutznetze Bakterizide Eine der vorgeschlagenen Möglichkei- Eine weitere Methode, die mit Erfolg Großes Interesse weckt der Einsatz ten dafür ist das IPM-Crop Perimeter gegen die Marmorierte Baumwanze von Blattdüngern mit einer zusätzli- Restructuring, das vorsieht, mit der eingesetzt wird, ist deren Aussperrung chen bakteriziden Wirkung, welche Abwehr an den Rändern eines Fel- mithilfe des Alt’Carpo-Insektenschutz- die Entwicklung der Nachkommen der des oder einer Anlage zu beginnen, netzes. Ursprünglich wurde dieser Marmorierten Baumwanze verhindern um die Besiedlung der Kultur zu ver- Insektenschutznetz-Typ in Frankreich soll. Das Weibchen stattet die Eier bei zögern. Dafür wird die Attract-&-kill- gegen den Apfelwickler eingesetzt. der Ablage mit symbiontischen Bakte- Methode vorgeschlagen, bei der die Heute werden auch Einzelreihen oder rien der Art Candidatus Pantoea car- schädlichen Wanzen zu einigen we- ganze Anlagen zum Schutz gegen die bekii aus, von denen sich die frisch aus nigen Pflanzen gelenkt werden, die Marmorierte Baumwanze damit ein- den Eiern geschlüpften Nymphen zu- mithilfe von Pheromonen attraktiver genetzt, das hängt davon ab, ob es erst ernähren. Diese Bakterien sind für gemacht werden. Diese werden wö- bereits ein Hagelschutznetz gibt. das Überleben, die Entwicklung und chentlich mit Insektiziden behandelt, Versuche mit fotoselektiven perlen- die spätere Fruchtbarkeit wichtig. Ver- um die Populationsdichte niedrig zu farbigen Netzen (2,4 × 4,8 mm) in suche im Labor und im Freiland haben halten. Versuchsergebnisse aus nord- piemontesischen Pfirsich- und Ap- die Wirksamkeit dieser Behandlungen amerikanischen Apfelanlagen zeigen, felanlagen zeigten einen deutlichen nachgewiesen. Sie könnten eine Alter- dass mithilfe der Attract-&-kill-Metho- Rückgang der Schäden bei der Ernte native zur chemischen Abwehr sein, de der Schaden je nach Jahr bei der im Vergleich zu den Kontrollparzellen, auch weil sie die anderen natürlichen Ernte 2 bis 7 Mal geringer war, obwohl in denen 2 bis 7 Insektizide gegen die Feinde nicht negativ beeinflussen. 97% der Fläche nicht mit Insektiziden Marmorierte Baumwanze eingesetzt gegen die Marmorierte Baumwanze wurden. behandelt wurde. Das Weibchen der Marmorierten Baumwanze stattet die Eigelege mit dem symbiontischen Bakterium Candidatus Pantoea carbekii aus. Es ist für das Überleben der frisch geschlüpften Nymphen wichtig. 21
toide geschlüpft sind, die nicht gezielt eingeführt wurden. Zu erwähnen sind dabei die Samuraiwespe, T. japonicus, die zuerst in der Schweiz und dann in Nordwestitalien und T. mitsukurii, der noch häufiger in Nordostitalien gefunden wurde. Nach den ersten Aufsammlungen haben beide Arten gezeigt, dass sie sich dort nicht nur ansiedeln, sondern auch großflächig im Gebiet ausbreiten. Um der Marmorierten Baumwanze etwas entgegenzusetzen, die 2019 in Italien Schäden von geschätzten 600 bis 700 Mio. Euro verursacht hat und damit Obstbauern und Händler in Schwierigkeiten gebracht hat, wurden Initiativen gestartet, um die Vermeh- rung und Freilassung von T. japonicus zu ermöglichen. Das Gesetz (D.P.R. vom 12. März 2003 Nr. 120), das die Freilassung von nicht-heimischen Arten in der Natur verbietet, und da- mit auch eine biologische Abwehr der Marmorierten Baumwanze, wurde geändert (D.P.R. vom 5. Juli 2019 Nr. 102). Mit dem Dekret vom 29. April 2020 über die Maßnahmen zur Vor- beugung und Bekämpfung der Mar- morierten Baumwanze wurde die Für die Vermehrung von Trissolcus Freilassung von T. japonicus in jenen japonicus müssen zuerst viele norditalienischen Regionen und Au- Marmorierte Baumwanzen gesammelt (oben) und zur Eiablage tonomen Provinzen gestattet, die da- gebracht werden (mitte). In diese rum angesucht hatten. Ein technisch- legt der Parasitoid seine Eier. Die wissenschaftliches Komitee hat die daraus geschlüpften Samuraiwespen Bedingungen und die Zeiten für die werden dann freigelassen (links). Vermehrung und Freilassung von T. japonicus erarbeitet und die Freilas- sung in den genannten Regionen und Provinzen veranlasst. Ab Juni 2020 Biologische Abwehr den gesucht, die sich an diesen exo- wurden an den vorbestimmten Stand- tischen Schädling anpassen können. orten je 100 Weibchen und 10 Männ- Zum Schluss noch ein Wort zu der Untersuchungen in Norditalien und chen freigelassen. Die Freilassungen nicht weniger wichtigen Möglichkeit in der Schweiz haben ergeben, dass wurden je nach Standort noch ein- bis der biologischen Abwehr der Marmo- nur Anastatus bifasciatus mit Erfolg zweimal wiederholt. Damit verbunden rierten Baumwanze: Im Ursprungsge- die Eier der Marmorierten Baumwan- waren die Suche nach Eigelegen der biet der Marmorierten Baumwanze ze parasitiert, aber nie in einem be- Marmorierten Baumwanze und Unter- werden ihre Populationen wirksam deutenden Ausmaß. Es handelt sich suchungen, inwieweit diese parasitiert durch Eiparasitoide, besonders durch dabei um einen Parasitoiden, der sehr waren (siehe Artikel ab Seite 13). Es die Arten Trissolcus japonicus und verbreitet ist, sich aber auf Kosten von ist wichtig festzuhalten, dass die Pa- Trissolcus mitsukurii, auf einem niedri- sehr vielen Wirts-Eiern von mehr als rasitoiden an Standorten freigelassen gen Niveau gehalten. In den Gebieten, 30 Hautflügler- und Schmetterlingsar- wurden, die nicht mit Insektiziden be- welche die Marmorierte Baumwanze ten vermehrt. Bei den Untersuchun- handelt werden, um eine hohe Sterb- neu besiedelt hat, wurde und wird gen stellte sich auch heraus, dass aus lichkeit zu vermeiden. deshalb nach heimischen Parasitoi- den Eigelegen auch exotische Parasi- luciana.tavella@unito.it 22
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