Reduce, reuse, recycle - Ansätze zur Plastikmüllreduzierung in Unternehmen - UMWELT UNTERNEHMEN - Regionale Netzstellen ...

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Reduce, reuse, recycle - Ansätze zur Plastikmüllreduzierung in Unternehmen - UMWELT UNTERNEHMEN - Regionale Netzstellen ...
reduce, reuse,
recycle
Ansätze zur
Plastikmüllreduzierung
in Unternehmen

Ein Projekt von   in Kooperation mit   mit Mitteln des

                         UMWELT
                         UNTERNEHMEN
Reduce, reuse, recycle - Ansätze zur Plastikmüllreduzierung in Unternehmen - UMWELT UNTERNEHMEN - Regionale Netzstellen ...
Impressum
Herausgeber
RENN.nord, Konsortialführung,
Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
Landesverband Hamburg e.V.
Am Inselpark 19 · 21109 Hamburg

Projektpartner
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND)
Landesverband Bremen e.V. · Am Dobben 44 · 28203 Bremen
Geschäftsstelle Umwelt Unternehmen (UU)
c/o RKW Bremen GmbH · Martinistr. 68 · 28195 Bremen

Bearbeitung und Kontakt
Antje Baum (BUND Landesverband Bremen e.V.)
Tel. 0421-79002-35 · E-Mail: antje.baum@bund-bremen.net
Désirée Diering (RENN.nord Bremen)
Tel. 0421-323464-21 · E-Mail: diering_renn.nordhb@rkw-bremen.de
Martin Schulze (UU)
Tel. 0421-323464-17 · E-Mail: schulze@uu-bremen.de

Layout
Svenja Kerkhoff, handwerk – idee + design

1. Auflage
750

Herausgabe
November 2019

Gedruckt auf Recycling Offset,
ausgezeichnet mit Umweltzeichen Blauer Engel.
Reduce, reuse, recycle - Ansätze zur Plastikmüllreduzierung in Unternehmen - UMWELT UNTERNEHMEN - Regionale Netzstellen ...
INHALTSVERZEICHNIS

  04         Vorwort
  05         Über diesen Leitfaden
// 07        1. Plastik – ein Überblick
  07         Die Geschichte eines aufsehenerregenden Materials
  08         Warum ist Plastik so allgegenwärtig?
  09         Über 8 Milliarden Tonnen Plastik weltweit – was nun?
// 12        2. Biokunststoffe – Die Lösung für das globale Müllproblem?
  13         Zertifizierung von Biokunststoffen
  14         Entsorgung von Biokunststoffen
  15         Fazit – Wie umweltverträglich sind Biokunststoffe?
// 16        3. Rechtlicher Rahmen
// 18        4. Abfallhierarchie konkret
  18         Stufe 1 Vermeidung
  20         Stufe 2 Vorbereitung zur Wiederverwendung und Wiederverwendung
  22         Stufe 3 Recycling
// 23        5. Plastikmüllvermeidung in Unternehmen
  23         Anwendung Checklisten
  24         Checklisten zur Plastikmüllvermeidung in Unternehmen
  24         5.1 Bestandsaufnahme
  25         5.2 Verwaltung
  26         5.3 Verköstigung
  27         5.4 Wareneingang
  28         5.5 Produktion
  29         5.6 Verpackung
  30         5.7 Vertrieb
  31         5.8 Marketing
  32         5.9 Einkauf
  33         5.10 Mehrweg
// 34        6. Unternehmensinitiative „Plastikfreie Stadt“
// 37        7. Referenzen
// 39        8. Glossar
04                                                                                                                                                      VORWORT

                                                          Liebe Unternehmens-
                                                          vertreterinnen
                                                          und -vertreter,
                                                          technologische und wirtschaftliche Entwicklungen und       Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch zu han-
                                                          der daraus resultierende Wohlstand wären ohne den          deln. Dies gilt sowohl für Unternehmen als auch für
                                                          Einsatz von Kunststoffen kaum vorstellbar. Kunststoffe     Verbraucherinnen und Verbraucher. Dabei sind die Zu-
                                                          sind allgegenwärtig und ein Leben „ohne Plastik“ ist       sammenhänge von Plastikkonsum und dessen Verbleib
                                                          schon fast eine Utopie. Kunststoffe sind robust, leicht,   in der Umwelt hoch komplex.
                                                          langlebig und vor allem günstig in der Herstellung.
                                                                                                                     Darum hat der BUND Bremen gemeinsam mit Unter-

                                      © Tristan Vankann
     Dr. Maike Schaefer
         Senatorin für Klimaschutz,                       Doch trotz der vielen Vorteile von Kunststoffen entste-    nehmen unter Federführung von RENN.nord und der
      Umwelt, Mobilität, Stadtent-                        hen in unserer Gesellschaft gravierende negative Aus-      Geschäftsstelle Umwelt Unternehmen diesen Leitfa-
       wicklung und Wohnungsbau
     der Freien Hansestadt Bremen
                                                          wirkungen für Tiere, Umwelt und den Menschen. Alles,       den entwickelt. Er soll insbesondere Unternehmen in-
                                                          was günstig ist, führt zu einem achtlosen Konsumver-       formieren und inspirieren, sich mit sachgerechter Plas-
                                                          halten und einem überflüssigen Einsatz von Plastik.        tiknutzung auseinander zu setzen. Er ist als Einstieg in
                                                          Der Coffee to go-Becher steht beispielhaft für dieses      diese hochkomplexe Materie gedacht. Ausgehend von
                                                          Verhalten: 2.800.000.000 Becher wurden 2016 in             Zahlen, Daten und Fakten wird der rechtliche Rahmen
                                                          Deutschland nach einer durchschnittlichen Nutzungs-        beleuchtet und in Form von Checklisten zum Vermei-
                                                          zeit von 20 Minuten entsorgt. Derzeit vergeht kaum         den, Wiederverwerten und Recyceln angeregt.

     VORWORT                                              ein Tag, an dem wir in der Zeitung keine Überschrift
                                                          zum Umgang mit Kunststoffen lesen: gesetzliche Vor-
                                                          haben, aufwendige Aufbereitungsanlagen, verendete
                                                          Tiere, Mikroplastik im Essen oder riesige Plastikinseln
                                                                                                                     An dieser Stelle sei allen Unternehmen, die an diesem
                                                                                                                     Leitfaden mitgewirkt haben, für ihr Engagement, ihren
                                                                                                                     Rat und ihre Offenheit herzlich gedankt. Eines hat sich
                                                          im Meer. Und nicht zuletzt Menschen in weit entfernten     gezeigt – es besteht erheblicher Informationsbedarf.
                                                          Ländern, die unter gesundheitsgefährdenden Rahmen-
                                                          bedingungen noch Plastik verwerten, wozu wir in hoch-      Ich wünsche Ihnen beim Lesen viele Anregungen für
                                                          technologisierten Ländern nicht in der Lage oder Willens   sachgerechtes Wirtschaften mit Plastik.
                                                          waren.

                                                          Es ist dringend geboten, unseren Umgang mit Kunst-
                                                          stoffen zu überdenken und dem Thema nicht nur mehr
NACHHALTIGKEITSZIELE                                                                                                                                                   05

Die Erstellung des Leitfadens „reduce, reuse, recycle – Plastikmüllreduzierung in Unternehmen“ ist Teil eines vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung geförderten Projektes, das lokale Handlungsmöglichkeiten für nachhaltiges Handeln mit globalen Auswirkungen aufzeigt. Die Vereinten Nationen (UN) haben mit 17 Nachhal-
tigkeitszielen, im Englischen Sustainable Development Goals (SDGs), politische Zielsetzungen formuliert, die der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer
und ökologischer Ebene dienen sollen. Diese sind am 1. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren in Kraft getreten und müssen somit bis 2030 in allen Staaten der Welt umge-
setzt worden sein. In diesem Leitfaden wird mit der Plastikmüllproblematik ein Fokus auf das Nachhaltigkeitsziel 12 „Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster“ gelegt.
06                                                                                                                                 ÜBER DIESEN LEITFADEN

Über diesen Leitfaden
Der Leitfaden „reduce, reuse, recycle – Ansätze zur      Alle im Text und in den Checklisten hellbraun ge-
Plastikmüllreduzierung in Unternehmen“ hält im ersten    druckten Begriffe können im Glossar (Kapitel 8) des
Teil Daten und Fakten rund um das Thema Kunststoffe      Leitfadens nachgeschlagen werden.
sowie den aktuell gültigen rechtlichen Rahmen im Be-     Verweise auf Infografiken, Kapitel oder Checklisten
reich Abfallrecht bereit (Kapitel 1 bis 4).              sind mit einem � gekennzeichnet.

Den zweiten Teil bilden Checklisten, durch deren An-     Eine Online-Version des Leitfadens
wendung das Potential zur Plastikmüllreduzierung in      finden Sie unter:
Unternehmen identifiziert und ein Maßnahmenkatalog       www.plastikfreie-unternehmen.de
zur Plastikmüllvermeidung in Unternehmen entwickelt
werden kann (Kapitel 5).
Die Darstellung einer bereits erfolgreichen Unterneh-
mensinitiative und eine Auflistung etablierter Maßnah-
men zur Plastikmüllreduzierung in Unternehmen fin-

                                                                           DANKE
den sich in Kapitel sechs.                                                                                     Im Rahmen der Erstellung des Leitfadens wurden
                                                                                                               17 Gespräche mit größtenteils kleinen und mittel-
Erfolgreiche Maßnahmen von Unternehmen zur Ver-                                                                ständigen Unternehmen verschiedenster Branchen,
meidung von Plastikmüll sind in den Checklisten grün                                                           Ver- und Entsorgern, einer Behörde sowie mit einer
gedruckt und in Kapitel vier in Form von Sprechblasen                                                          wissenschaftlichen Einrichtung geführt. Ziel der Ge-
dargestellt.                                                                                                   spräche war es, einen Einblick in den aktuellen Um-
                                                                                                               gang mit Plastikmüll zu bekommen und Möglichkeiten
                                                                                                               der Vermeidung und damit verbundene Probleme zu
           Maßnahmen!                                                                                          diskutieren. So konnten viele Informationen und Er-
                                                                                                               fahrungen im Umgang mit Plastikmüll in den Leitfaden
                                                                                                               einfließen.
                                                                                                               Allen Gesprächspartner*innen sei an dieser Stelle ganz
                                                                                                               herzlich für ihre Bereitschaft, Offenheit und natürlich
                                                                                                               für die vielen hilfreichen Informationen und Maßnah-
                                                                                                               men zur Plastikmüllvermeidung gedankt.
KAPITEL 1 // PLASTIK – EIN ÜBERBLICK                                                                                                                            07

KAPITEL 1 //                                             Die Geschichte eines aufsehen-                                  1950er Jahren allerdings noch vergleichbar gering

Plastik –                                                erregenden Materials
                                                         Bereits 1862 wurde der erste Kunststoff, Parkesine,
                                                                                                                         war. � Infografik 01

ein Stoff mit vielen                                     aus Zellulose hergestellt. Diesem folgten in den
                                                         nächsten vier Jahrzehnten eine Reihe weiterer, auf
                                                                                                                         Günstig aus Abfallprodukten der chemischen Industrie
                                                                                                                         hergestellt, wurde PVC bald zum meist gefragten

Eigenschaften                                            Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellter Kunst-
                                                         stoffe. 1907 wurde Bakelit als erster vollsyntheti-
                                                                                                                         Kunststoff. Aber auch Polyethylen (PE) und Polypro-
                                                                                                                         pylen (PP) setzten sich durch und zählen heute u. a.
                                                         scher, also auf künstlich hergestellten Ausgangsstof-           aufgrund ihrer Verwendung bei der Herstellung von

P
                                                         fen basierender Kunststoff hergestellt. Dieser gab              Getränkeflaschen, Verpackungen und Einkaufstüten
      lastik ist aufgrund seiner Vielseitigkeit in den   den Startschuss für die globale Plastikproduktion, die          zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Kunst-
      meisten Bereichen unseres Lebens und Arbei-        bis zur Erfindung von Polyvinylchlorid (PVC) in den             stoffen. � Infografik 02
      tens nicht mehr wegzudenken. Plastik ist leicht,
dabei sehr robust, flexibel formbar, langlebig und
                                                             INFOGRAFIK | 01
kann sehr preisgünstig hergestellt werden. So wer-
den jedes Jahr weltweit etwa 400 Millionen Tonnen            Weltweite Produktion von Kunststoffen seit 1900
Plastik produziert – Tendenz steigend.                       1
                                                                 Geyer et al., 2017 | 2 Caterbow und Speranskaya, 2019

Aber was ist Plastik eigentlich genau? Plastik ist die           Millionen Tonnen                                            Allein die Hälfte
umgangssprachliche Bezeichnung für Kunststoff.                                                                              des produzierten
                                                                      400
Kunststoffe sind künstlich hergestellte Materialien.                                                                       Kunststoffs wurde
Durch eine Abfolge chemischer Reaktionen werden                       350
                                                                                                                             in nur 20 Jahren
aus Elementen oder einfachen Verbindungen neue,                                                                                   hergestellt.

                                                                                    Bakelit
komplexer zusammengesetzte Stoffe gebildet. Die-                      300
ser Vorgang wird als Polymerisation bezeichnet,
deren Form die spätere Eigenschaft des Kunststoffs                    250
bestimmt. Nicht selten werden Kunststoffe bei ihrer
Herstellung mit chemischen Zusätzen, sogenannten                      200
Additiven, versetzt, um bestimmte Eigenschaften wie
                                                                      150
z. B. Farbe oder Temperatur- und Verwitterungsbe-
ständigkeit zu erzielen. Kunststoffe, von denen man
                                                                      100
heute weit mehr als 200 verschiedene Arten kennt,
werden zu 99 % auf Grundlage von fossilen Rohstoffen                   50
wie Erdgas oder Erdöl hergestellt. Der Anteil von
Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie                           0
Mais, Zuckerrohr oder tierischen Ausgangsstoffen ist                         1900                             1950                         2000
sehr gering.
08                                                                                     KAPITEL 1 // PLASTIK – EIN ÜBERBLICK

                                                                          Im Laufe der Zeit wurde eine Vielzahl weiterer Kunst-
     INFOGRAFIK | 02                                                      stoffe mit den unterschiedlichsten Eigenschaften
                                                                          entwickelt. Seit 1950 ist die Produktion von syntheti-
     Anteile und Kennzeichnung verschiedener Kunststoffe in Deutschland
                                                                          schen Kunststoffen etwa um das 200fache angestie-
     2
         Caterbow und Speranskaya, 2019 | 3 Umweltbundesamt, 2018
                                                                          gen. Allein in den vergangenen 20 Jahren wurde die
                                                                          Hälfte des bisher weltweit produzierten Plastiks her-
                                                                          gestellt.4 � Infografik 01

                                                                          Warum ist Plastik so allgegenwärtig?
                                                                          Bis zur zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts zählten
                                                                          Haltbarkeit und Wiederverwendbarkeit zu den wich-
                                                                          tigsten Eigenschaften eines Produktes. Mit zunehmen-
                                                                          dem Konsum allerdings breitete sich die Wegwerf-
                                                                          mentalität aus. Wegwerfverpackungen eroberten den
                                                                          Markt, Einweg-PET-Flaschen lösten Mehrweg-Glasfla-
                                                                          schen ab, „convenience“-Produkte und der „to go"-Life-
                                                                          style werden immer populärer.

                                                                          Die günstige Produktion von Kunststoff macht ihn er-
                                                                          schwinglich und ermöglicht mehr Konsum, während
                                                                          die enorm vielseitigen Eigenschaften und Funktiona-
                                                                          litäten sich perfekt an den neuen Lebensstil anpas-
                                                                          sen und Kunststoff zum allgegenwärtigen Begleiter
                                                                          machen. Kunststoffe dienen der Haltbarkeit von Le-
                                                                          bensmitteln und anderen empfindlichen Produkten,
                                                                          der Gewährleistung von Hygienestandards und Keim-
                                                                          freiheit, der Portionierung sowie dem Schutz vor Ver-
                                                                          schmutzung oder Beschädigung.

                                                                          4
                                                                              Ritchie und Roser, 2018
KAPITEL 1 // PLASTIK – EIN ÜBERBLICK                                                                                                              09

Aufgrund des geringen Gewichtes, der Stabilität, der
Barriere-Eigenschaften sowie der leichten Sterilisier-   INFOGRAFIK | 03
barkeit eignen sich Kunststoffe hervorragend für die     Verwendung von Kunststoffen nach Branchen in Deutschland
Herstellung von Verpackungen.                            5
                                                             Plastics Europe, 2018
Es ist daher nicht verwunderlich, dass mit etwa 40 %
ein Großteil der produzierten Kunststoffe Anwendung
in der Verpackungsindustrie findet. Im Baugewerbe,
im Automobilsektor und in der Elektronikbranche
                                                                   40 %
erklären die Langlebigkeit, Korrosionsbeständigkeit,
gute Isolierungseigenschaft sowie die einfache Instal-
lation und Pflege von Kunststoffen ihren hohen Ein-                                  20 %
satz. � Infografik 03                                                                                                                              17 %
                                                                                                10 %
Über 8 Milliarden Tonnen Plastik                                                                                  6%           4%          3%
weltweit – was nun?
Seit 1950 wurden insgesamt 8,3 Milliarden Tonnen
                                                             Verpackungen     Baugewerbe    Automobil-      Elektronik   Haushalt/   Landwirt-   Andere
Kunststoff weltweit produziert. Davon ist allerdings                                         branche                      Freizeit    schaft
nur knapp ein Drittel in Gebrauch. Mehr als die Hälfte
(55 %) befindet sich auf Mülldeponien, wilden Müll-      INFOGRAFIK | 04
kippen oder in der Umwelt, 9 % wurden verbrannt
und nur 6 % des bis heute hergestellten Kunststoffes     Nutzung/Entsorgung der seit 1950 bis heute produzierten Kunststoffe weltweit
wurden recycelt. � Infografik 04
                                                         1
                                                             Geyer et al., 2017

                                                                                                           6%
                                                                                                     Recycelt
                                                                                                                                                 55 %
                                                                                                                                                 Entsorgt
                                                                                                         9%
                                                                                                 Verbrannt

                                                                      8,3 Mrd.                                30 %
                                                                                                         In Gebrauch
                                                                    Tonnen weltweit
10                                                                                                                                            KAPITEL 1 // PLASTIK – EIN ÜBERBLICK

In Deutschland werden 38,8 % der anfallenden Kunst-
stoffabfälle der stofflichen Verwertung zugeführt,             INFOGRAFIK | 05
wobei davon 62 % im In- und 35 % im Ausland recycelt
                                                               Kunststoffströme in Deutschland
und 2,5 % dem rohstofflichen Recycling (Umwandlung
                                                               (Millionen Tonnen)
in Kraftstoffe und Gase) zugeführt werden. Nicht re-           7
                                                                   CONVERSIO Market & Strategy GmbH, 2018
cyclingfähige Kunststoffabfälle werden energetisch
verwertet (60,6 %). � Infografik 05
                                                                    * Abfälle, die nach dem Gebrauch aus gewerb-
                                                                                                                                                  5,20
                                                                      lichen und haushaltsnahen Bereichen anfallen                           Post-Consumer-
In punkto Kunststoffrecycling gilt Deutschland seit                                                                                             Abfälle*
                                                                   ** Müllverbrennung/Ersatzbrennstoff, da nicht recycelbar
Jahren als Vorreiter. So lagen die Recyclingquoten
von Post-Consumer-Abfällen für Deutschland im Jahr             *** Inklusive ca. 0,135 Millionen Tonnen Rezyklat
                                                                   bei Recyclern mit eigener Produktherstellung
2017 bei 39 % und bei Plastikverpackungen sogar bei
50 %. 5 Die hier angegebenen Werte beziehen sich al-
lerdings lediglich auf die bei Recyclingunternehmen
angelieferten Kunststoffabfälle. Tatsächlich wurden
aus nur 15,6 % des angelieferten Plastikmülls wieder
                                                                                                                      3,15                        2,02                                  0,03
                                                                                                                      Energetische                 Stoffliche                      Beseitigung
sekundäre Rohstoffe (Rezyklate � Infobox Seite 11)                                                                   Verwertung**                 Verwertung                      auf Deponien
gewonnen. Von diesen Rezyklaten sind etwa 8 % von
ihrer Qualität und Wiederverwertbarkeit vergleich-
bar mit Neukunststoff, was insgesamt einen Anteil
von 3 % der in Deutschland verarbeiteten Kunststoff-
produkte ausmacht. 8
                                                                               Post-                                    0,71                       1,26                                 0,05
                                                                             Consumer-                                                                                            Rohstoffliche
                                                                              Abfälle*:                                                                                            Verwertung
                                                                          5,20 Millionen                               Recycling                    Input in
                                                                               Tonnen                                 im Ausland                   Recycling-
                                                                                                                                                    anlagen
      Deutschland ist im europäischen Vergleich absoluter
      Spitzenreiter sowohl im Verbrauch von Kunststoff als                      15,6%                                                0,90                                  0,35
      auch im Erzeugen von Plastikverpackungsabfall.                                                                                                                     Energetische
      Mit 37 kg Plastikmüll pro Kopf und Jahr liegt Deutsch-                                                                                                            Verwertung**
                                                                                                                                     Output
      land weit über dem europäischen Durchschnitt von                                                                             von Rezyklat
      24 kg. 6                                                                                                         0,81                                 0,09
                                                                                                                                                             Export
                                                                                                                                                          ins Ausland
                                                                                                            Rezyklat zur Herstellung von
5
    Plastics Europe, 2018                                                                                     Kunststoffprodukten***
8
    Moun et al., 2019
6
    Statista GmbH, 2018
KAPITEL 1 // PLASTIK – EIN ÜBERBLICK                                                                                                                            11

Rezyklate
                           INFO                       Kunststoffabfälle, die im Inland nicht recycelt oder
                                                      entsorgt werden, werden ins Ausland exportiert.
                                                      Nicht selten handelt es sich bei exportierten Kunst-
                                                      stoffabfällen um solche, deren Recyclingpotential
                                                      aufgrund hoher Verunreinigungen oder umwelt- und
                                                                                                               Getränkeflaschen bei etwa 450 Jahren, von Plastiktü-
                                                                                                               ten bei etwa 20 Jahren und Zigarettenstummeln bei
                                                                                                               etwa 5 Jahren.12
                                                                                                               Bereits jetzt sind weit mehr als 2.000 Arten mariner
                                                                                                               Lebewesen durch das Verschlucken von Plastikmüll
                                                      gesundheitsschädlicher Zusätze gering ist. Vor allem     aber auch durch das sich Verstricken im umhertrei-
Unter Rezyklaten werden wiederverwertete Kunst-       dieser kaum verwertbare Müll landet in asiatischen       benden Meeresmüll stark beeinträchtigt. Aber nicht
stoffe aus sogenannten Post-Consumer-Abfällen         Ländern. Immer mehr Einfuhrländer reduzieren da-         nur die Ozeane leiden unter der Vermüllung. Erste
verstanden. Post-Consumer-Abfälle sind Kunststoff-    her Müllimporte oder verhängen Einfuhrstopps für         Studien belegen, dass auch in Böden große Mengen
reste, die durch den privaten oder gewerblichen       nicht-recycelbaren Plastikmüll.10 Dies wiederum hat      Mikroplastik landen und sowohl die Struktur und
Endverbraucher entstehen. Die Erzeugung von           zur Folge, dass Exportländer teilweise anfangen, ihre    Fruchtbarkeit der Böden als auch die dort vorkom-
Rezyklaten oder auch Sekundärrohstoffen wird          verwertbaren Reststoffe auf Mülldeponien zu ent-         menden Lebewesen erheblich schädigen.13
mithilfe eines aus mehreren Schritten bestehen-       sorgen oder in Müllverbrennungsanlagen zu verbren-
den Produktionsprozesses durchgeführt.                nen. Auch illegales Entsorgen von Kunststoffabfällen
Altkunststoffe werden sortenrein erfasst und ge-      ist, vor allem in Importländern, nicht ungewöhnlich.
trennt, zerkleinert, gewaschen und anhaftende         Das wiederum hat verheerende Folgen für Natur und
Störstoffe (z. B. Papier, Metalle) abgetrennt. Die    Mensch. Eine zunehmende Verbrennung von Abfäl-
gewonnenen Kunststoff-Flakes können nun für die       len, oft auch illegal, verschlechtert die Qualität der
Produktion neuer Plastikprodukte eingesetzt wer-      Atemluft vor allem in unmittelbarer Nähe der Ver-
den. Je nach Sortenreinheit und Sauberkeit des        brennungsstellen drastisch.
Plastikmülls können Rezyklate unterschiedliche        Das „Entsorgen“ des Mülls auf wilden Deponien vergif-
Qualitäten aufweisen. Durch das Recycling von         tet Grundwässer und sorgt dafür, dass – zusätzlich zu
Kunststoffabfällen und den Einsatz von gewonnenen     den 10 Millionen Tonnen eingetragenen Plastikabfällen
Kunststoffrezyklaten werden die Nutzung von Primär-   pro Jahr – noch mehr Müll in die Meere gelangt.11 Der
rohstoffen sowie bei der Produktion von Neupro-       Vorteil der langen Haltbarkeit von Plastikprodukten                                 10
                                                                                                                                               Arkin, 2019
dukten anfallende CO2-Emissionen reduziert.           wird hier zum schwerwiegenden Problem. So liegt, je                                 11
                                                                                                                                               Ziebarth und Seeger, 2019
                                                      nach stofflicher Zusammensetzung und herrschenden                                   12
                                                                                                                                               National Oceanographic and
                                                      Umweltbedingungen, die Abbaudauer von Plastik-                                           Atmospheric Administration, 2019
                                                                                                                                          13
                                                                                                                                               Chemnitz und Rehmer, 2019

Nach den USA und Japan war Deutschland im Jahr 2018 der
drittgrößte Exporteur von Plastikabfällen weltweit.
9
    Greenpeace 2019
12                                                                                                          KAPITEL 2 // BIOKUNSTSTOFFE – DIE LÖSUNG?

KAPITEL 2 //                                                                                                Doch was sind eigentlich Biokunststoffe? Das euro-

Biokunststoffe –                                                  INFOGRAFIK | 06                           päische Komitee für Normung (CEN) unterscheidet
                                                                                                            zwei Arten von Biokunststoffen, oder auch Biopoly-
                                                                  Einsatz von Biokunststoffen
                                                                                                            meren: Biopolymere auf der Grundlage von erneuer-
Die Lösung für das                                                nach Branchen
                                                                  14
                                                                       Institut für Biokunststoffe und
                                                                                                            baren Rohstoffen wie Mais, Zuckerrohr und syntheti-
                                                                                                            siertem, erneuerbarem Ausgangsmaterial (z. B. Milch-
globale Müllproblem?                                                   Bioverbundwerkstoffe, 2018
                                                                                                            säure oder Ethylen) oder Biopolymeren mit einer
                                                                                                            Bio-Funktionalität. Letztere fassen Stoffe zusammen,
                                                                                                            die entweder biologisch abbaubar oder biokompa-

D
                                                                                   0,8 %       0,4 %
                                                                           0,9 %                            tibel mit lebenden Zellen oder Geweben sind. Dem-
       ie Idee, mit dem Ersetzen herkömmlicher Plas-
       tikprodukte durch Produkte auf Basis nach-                                                           nach trägt eine Vielzahl von Stoffen mit unterschied-
       wachsender Rohstoffe eine Alternative zu be-                                5,3%                     lichen Eigenschaften und Funktionen die Bezeichnung
stehenden Konzepten der Müllvermeidung oder -ver-                           6,1%                            „Bio“-Kunststoff. Diese Mehrdeutigkeit kann bei Ver-
wertung zu schaffen, hat in den letzten Jahren die                                                          braucher*innen zu großen Unklarheiten führen, vor
Entwicklung und Produktion von Biokunststoffen                         6,8 %                                allem dann, wenn es um die Entsorgung oder Wie-
stark vorangetrieben. Das öffentliche Interesse an                                                          derverwendung von Produkten aus Biokunststoffen
Produkten aus Biokunststoffen wächst stetig und in                                                          geht.
immer mehr Bereichen kommen Biokunststoffe in                          9,5%
                                                                                                 51,6 %
Form von Einkaufstüten, Bioabfallbeuteln, festen und
flexiblen Verpackungen sowie Einweggeschirr und
-besteck zum Einsatz. Auch in der Textil- oder Auto-
industrie sowie im Landwirtschaftssektor werden
Biokunststoffe bereits eingesetzt. � Infografik 06
                                                                          19,6%                                                   INFO
                                                                                                               Biokunststoffe gemäß der
                                                                                                               DIN SPEC 1206 sind
Noch ist der Anteil an Biokunststoffen im Vergleich zu
Kunststoffen auf Basis fossiler Rohstoffe sehr gering.                                                         // Materialien, die ganz oder teilweise
Im Jahr 2018 lag die Produktion von Biokunststoffen                      Verpackungen (inklusive Essen)           aus Biomasse hergestellt sind.
bei 2,2 Millionen Tonnen und trug somit etwa 0,6 % zur                   flexible Verpackungen
                                                                                                               // Materialien, die bioabbaubar gemäß
globalen Kunststoffproduktion bei. Bis zum Jahr 2023                     Textilien                                anerkannter Normen sind.
soll die Produktion von Biokunststoffen weltweit je                      Konsumgüter
                                                                                                               // Materialien, die biokompatibel mit
nach Prognose bereits um 20 % - 95% ansteigen. 14,15                     Landwirtschaft und Gartenbau
                                                                                                                  lebenden Zellen oder Geweben sind.
                                                                         Automobilindustrie und Transport
                                                                                                               // Materialien, die mehrere dieser
                                                                         Bausektor
                                                                                                                  Eigenschaften zur gleichen Zeit besitzen.
                                                                         Elektroindustrie
14
     Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe, 2018          Andere
15
     European bioplastics, 2019
KAPITEL 2 // BIOKUNSTSTOFFE – DIE LÖSUNG?                                                                                                                     13

                                                         Um die Verbreitung von irreführenden Informationen       Produkten hinsichtlich ihrer Anteile an biobasierten
INFOGRAFIK | 07                                          in Bezug auf Biokunststoffe und deren Eigenschaften      Rohstoffen und ihrer biologischen Abbaubarkeit ist
                                                         (gemäß DIN SPEC 1206) zu reduzieren, wurde vom           allerdings unerlässlich, um Biokunststoffe nach ihrem
Ausgewählte Biokunststoffe
                                                         CEN eine einheitliche Terminologie empfohlen, die        Gebrauch einem geeigneten Entsorgungsverfahren
und deren Anteil an weltweiter
                                                         zwischen biobasierten, biologisch abbaubaren und         zuordnen und somit effizient verwerten zu können.
Biokunststoffproduktion
                                                         biokompatiblen Kunststoffen unterscheidet. 16            An dieser Stelle sollen Zertifizierungsverfahren zur
14
     Institut für Biokunststoffe und
     Bioverbundwerkstoffe, 2018                                                                                   richtigen Handhabung am Ende der Nutzungszeit von
                                                         So fassen biobasierte Kunststoffe Stoffe zusammen,       Biokunststoffen verhelfen und eine Unterscheidung
              3,3 %
       Zelluloseregenerat                  0,2 %         die teilweise oder vollständig aus nachwachsenden        zwischen bioabbaubaren und langlebigen Biokunst-
       3,3%
                                     Zellulosederivate
                                                         Rohstoffen hergestellt sind. Biobasierte Kunststoffe     stoffen ermöglichen. Allerdings ist die Zertifizierung
        PHA
                                                         können, müssen aber nicht biologisch abbaubar sein.      von Biokunststoffen rechtlich nicht verpflichtend.
                4,3%
                  Bio-
         5,3 %     PA                                    Biologisch abbaubare Kunststoffe sind Materialien,       In Europa werden folgende Eigenschaften durch an-
          PTT                                            die durch biologische Prozesse in natürlich auftreten-   erkannte Stellen zertifiziert: die Anteile biobasierter
                                                         de Stoffwechselprodukte (Wasser, Kohlendioxid, Me-       Rohstoffe in Biokunststoffen, die industrielle Kompos-
       8,3 %                                             than, organische Substanz) zersetzt werden können.       tierung, die Gartenkompostierung als auch die biolo-
 Stärke Blends
                                                         Biologisch abbaubare Kunststoffe können aus fossilen     gische Abbaubarkeit bei Raumtemperatur, im Boden,
                                                         oder nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sein.         in mariner Umwelt und natürlicher Süßwasserumge-
 8,8 %
 Bio-PE
                                        41,8 %                                                                    bung. In Deutschland übernimmt die Zertifizierungs-
                                            Bio-PET
                                                         Werkstoffe, die im direkten Kontakt mit lebenden Ge-     gesellschaft DIN CERTCO die Prüfung, Zertifizierung
                                                         weben (Mensch oder Tier) keinen negativen Einfluss       und Zeichenvergabe.
        10,5%                                            auf deren Stoffwechsel ausüben, werden als biokom-
           PLA              15,2 %                       patible Kunststoffe bezeichnet. Im medizinischen Be-
                           PBAT, PBS,                    reich spielt die Biokompatibilität eine bedeutende
                         PCL (Polyester)
                                                         Rolle.

        100% biobasiert und                              Zertifizierung von Biokunststoffen
        biologisch abbaubar                              Im allgemeinen Sprachgebrauch, und nicht selten aus
        teilweise biobasiert und                         Marketinggründen, wird, trotz der eingeführten Ter-
        biologisch abbaubar                              minologie, oft nur von Biokunststoffen gesprochen
                                                         ohne sich auf Herkunft und Abbaubarkeit der einge-
        100% biobasiert und                              setzten Rohstoffe zu beziehen. Die Kennzeichnung von
        nicht biologisch abbaubar

        teilweise biobasiert und
        nicht biologisch abbaubar
                                                                                                                  16
                                                                                                                       DIN SPEC 1206, 2010
14                                                                                                                KAPITEL 2 // BIOKUNSTSTOFFE – DIE LÖSUNG?

Entsorgung von Biokunststoffen
Ihre unklare Kennzeichnung führt dazu, dass Ver-
braucher oftmals mit der Entsorgung von Bio-
kunststoffen überfordert sind. In Deutschland sind
Biokunststoffe von der Rücknahme- und Verwer-
                                                          Neben dem Fehlen einer eigenen Recyclingstruktur
                                                          stellt der Irrglaube, dass biologisch abbaubare oder
                                                          kompostierbare Produkte aus Biokunststoffen unter
                                                          natürlichen Bedingungen abgebaut werden, ein gro-
                                                          ßes Problem dar. Dies führt dazu, dass Becher, Verpa-
                                                                                                                                        INFO
                                                                                                                     Mögliche Umweltfolgeschäden
tungspflicht befreit, sodass keine Gebühren für den       ckungen etc. verstärkt unsachgemäß in der Umwelt           durch Erhöhung der Produktion
Grünen Punkt entrichtet werden und Biokunststoffe         „entsorgt“ werden und diese vermüllen. Bei einem           von Biokunststoffen:
nicht im Gelben Sack entsorgt werden können. So           Anstieg der Produktion von Biokunststoffen ist mit
wandern Verpackungen, Tüten oder Einweg-Geschirr,         weitreichenden Umweltfolgeschäden zu rechnen.              // Gefahr der Flächenkonkurrenz steigt.
welche als „kompostierbar“, „biologisch abbaubar“                                                                       Wird mehr Bioplastik produziert, fehlen
oder „biobasiert“ beworben werden, oftmals in die                                                                       Anbauflächen für die zu verwendenden
Biotonne. Dort allerdings sorgen Biokunststoffe für       17
                                                                                                                        Rohstoffe. Zusätzliche landwirtschaftliche
                                                               Deutsche Umwelthilfe e.V., 2018
erhebliche Probleme bei der Kompostierung 17, da sich     18
                                                               Detzel et al., 2012
                                                                                                                        Flächen müssten auf Kosten wertvoller
Biokunststoffe tatsächlich meist nur unzureichend ab-     19
                                                               DIN 13432, 2000                                          Ökosysteme geschaffen werden.
bauen. Deshalb müssen die Fehlwürfe vor dem eigent-                                                                  // Verstärkter Einsatz von Dünge- und
lichen Kompostierungsprozess aufwendig aussortiert                                                                      Pflanzenschutzmitteln. Damit verbunden
und letztlich als Restmüll entsorgt werden.18                                                                           sind eine Verdichtung und Veränderung
                                                                                                                        des Bodens und ein Rückgang der Arten-
Die Zertifizierung nach der Norm EN 13432 19 trägt                                                                      vielfalt und Diversität.
ihren Teil zum Entsorgungsdilemma von Biokunst-
                                                                                                                     // Gefahr von Eutrophierung und Versaue-
stoffen bei. Bioplastik, das nach EN 13432 zertifiziert
                                                                                                                        rung von Gewässern aufgrund einer
wurde, ist zwar biologisch abbaubar, allerdings nur
                                                                                                                        intensiveren Bewirtschaftung neuer land-
unter bestimmten Abbaubedingungen in industriel-
                                                                                                                        wirtschaftlicher Flächen.
len Kompostierungsanlagen. Unter natürlichen Kom-
postierungsverhältnissen ist ein Abbau dieser Stoffe                                                                 // Erhöhter Druck auf Ackerflächen welt-
nicht möglich. Eine eigene Recyclingstruktur für Bio-                                                                   weit. Gefahr von Wasserknappheit und
kunststoffe wäre erstrebenswert, allerdings lohnt                                                                       Artensterben nimmt zu.
sich diese aufgrund zu kleiner Mengen an Biokunst-
stoffabfällen nicht. Biokunststoffe wie beispielsweise
BIO-PE, Bio-PP oder Bio-PET werden momentan wie
herkömmliche Kunststoffe sortiert und behandelt.
KAPITEL 2 // BIOKUNSTSTOFFE – DIE LÖSUNG?                                                                                                              15

                                            Wie umweltverträglich und damit
                                            geeignet als Substitut für herkömmliches
                                            Plastik sind Biokunststoffe?
                                            Biokunststoffe gelten als nahezu klimaneutral, da sie   produziert werden, sprechen die negativen Folgen
                                            bei ihrem Abbau nur so viel Kohlendioxid freisetzen,    einer erhöhten Bioplastikproduktion für terrestrische
                                            wie sie zuvor als Pflanze aufgenommen haben. Auch       und aquatische Ökosysteme und deren Lebewesen,
                                            die im Vergleich zu Kunststoffen auf Basis fossiler     gegen ihren Einsatz.
                                            Rohstoffe relativ kurze Abbaudauer spricht für den      � siehe Infobox auf Seite 14
                                            Einsatz von Biokunststoffen. Die Verwendung von         „Folgeschäden durch Bioplastikproduktion“
                                            Biokunststoffen suggeriert vielen Verbraucher*innen
                                            daher das Gefühl, einen aktiven Beitrag zum Umwelt-     Statt weiter an kurzlebigen Einwegverpackungen fest-

             FAZIT                          schutz zu leisten. Veränderungen des Verhaltens, Ein-
                                            schränkungen oder gar Verzicht auf bestimmte Pro-
                                            dukte im Alltag scheinen so nicht mehr notwendig.

                                            Aus den folgenden Gründen kann jedoch die Ver-
                                                                                                    zuhalten – egal auf Basis welchen Rohstoffs – sollte
                                                                                                    vielmehr auf den Einsatz von ressourcenschonenden
                                                                                                    Mehrwegsystemen gesetzt werden. Wird bereits bei
                                                                                                    der Herstellung von herkömmlichem Plastik auf Ab-
                                                                                                    fallarmut, eine Steigerung der Nutzungsdauer- und
                                            wendung von Bioplastik keine Lösung für das globale     -intensität und auf eine hohe Recyclingfähigkeit ge-
                                            Müllproblem sein. Selbst bei einer prognostizierten     achtet, besteht keine Notwendigkeit der Substitution
                                            Verdopplung der bisherigen Bioplastikproduktion         durch Bioplastik. Da Biokunststoffe größtenteils für
                                            könnten nur etwa zwei Prozent des globalen Bedarfs      die Herstellung von Einwegartikeln genutzt werden,
                                            durch Bioplastik ersetzt werden. Die unzureichenden,    mag mit dem Inkrafttreten der EU-Plastikrichtlinie ab
                                            oftmals verwirrenden Informationen zu Herkunft und      2021 und dem damit verbundenen Verbot der Ver-
                                            Abbauarbeit von Bioplastikprodukten führen statt        wendung von bestimmten Einwegprodukten, egal ob
                                            der eigentlich beabsichtigten Reduzierung des Müll-     auf Basis fossiler Rohstoffe oder modifizierter natür-
                                            aufkommens, zu einer zusätzlichen Vermüllung der        licher Polymere, die Nachfrage nach Biokunststoffen
                                            Umwelt. Zudem fehlen eine einheitliche Kennzeich-       automatisch sinken.
                                            nung sowie ein geeignetes Entsorgungssystem für
                                            Biokunststoffe. Solange Biokunststoffe aus Pflanzen
                                            für die Lebensmittelherstellung und nicht ausschließ-
                                            lich aus Abfallstoffen der Lebensmittelherstellung
16                                                                                                                     KAPITEL 3 // RECHTLICHER RAHMEN

KAPITEL 3 //                                            Die Richtlinie 2008/98/EG, häufig auch als „Euro-

Rechtlicher
                                                        päische Abfallrahmenrichtlinie“ bezeichnet, ist eine     INFOGRAFIK | 08
                                                        Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft, die den
                                                                                                                 Darstellung der
Rahmen
                                                        allgemeinen Rahmen für die Abfallvermeidung und
                                                                                                                 Kreislaufwirtschaft
                                                        -wirtschaft vorgibt. 20
                                                        Gegenstand der Richtlinie ist der Schutz der Umwelt
                                                        und der menschlichen Gesundheit durch eine Ver-

A
                                                                                                                                                      Rohstoffe
        bfälle entstehen, wenn mit Ressourcen ver-      meidung oder Verringerung von Abfällen und den mit                Restabfall
        schwenderisch umgegangen wird. Die Fol-         der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen ver-
        gen sind Ressourcenknappheit, Vermüllung        bundenen schädlichen Auswirkungen. Des Weiteren
der Umwelt und hohe wirtschaftliche Kosten. Um          sollen die Gesamtauswirkungen der Ressourcennut-
Umweltbelastungen zu verringern und langfristig         zung reduziert und die Effizienz der Ressourcennut-                     Recycling   Produktdesign
eine nachhaltige, ressourceneffiziente und wettbe-      zung verbessert werden. So sollen z. B. bis 2035 mind.
werbsfähige Wirtschaft zu erreichen, ist das obers-     65 % der Siedlungsabfälle für die Wiederverwendung
te Ziel der Abfallpolitik, Abfälle zu vermeiden sowie   vorbereitet oder recycelt werden. Mit dem Kreis-                             KREISLAUF-
                                                                                                                                     WIRTSCHAFT
natürliche Rohstoffe ressourceneffizient, nachhal-      laufwirtschaftsgesetz (KrWG) werden Vorgaben der             Sammlung                         Herstellung
                                                                                                                                                      Aufbereitung
tig und innerhalb eines Kreislaufsystems weiter         Richtlinie 2008/98/EG in nationales Recht umgesetzt.
und wieder zu verwenden (Kreislaufwirtschaft).          � Infografik 09                                                   Verwendung
                                                                                                                          Reparatur
� Infografik 08                                                                                                           Reinigung         Nutzung
                                                        Ein Gesetz zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsge-
Neben technischen, gesellschaftlichen und politischen   setzes ist am 1. Juni 2017 in Kraft getreten. Ziel des
Veränderungen bedarf es eines an die aktuelle Situa-    KrWG ist, die Kreislaufwirtschaft noch stärker auf den
tion angepassten rechtlichen Rahmens in der EU. Erst    Ressourcen-, Klima- und Umweltschutz auszurichten
2018 wurden umfangreiche Änderungen an wesentli-        und die Vermeidung und das Recycling von Abfällen
chen Werken des Abfallrechts durch das europäische      zu stärken. Wie die Richtlinie 2008/98/EG sieht das
Parlament vorgenommen. Für die Vermeidung und           KrWG vor, beim Umgang mit Abfällen eine bestimmte
Verwertung von Kunststoffabfällen relevante Richt-      Rangfolge, die sogenannte Abfallhierarchie einzuhal-
linien und Gesetze werden im Folgenden kurz vorge-      ten (� siehe auch Kapitel 4), welche sich in folgende
stellt, wobei hier nur auf eine Auswahl und nicht auf   Stufen gliedert:
die vollständigen Inhalte der Gesetzestexte eingegan-
gen wird.                                               STUFE 1: Vermeidung
                                                        STUFE 2: Vorbereitung zur Wiederverwendung
                                                        STUFE 3: Recycling
                                                        STUFE 4: Verwertung
20
     Richtlinie 2008/98/EG, 2008                        STUFE 5: Beseitigung
KAPITEL 3 // RECHTLICHER RAHMEN                                                                                                                                                     17

                                                                                                                           Verwertungsmöglichkeiten, Pfandregelungen sowie
    INFOGRAFIK | 09                                                                                                        die Rücknahme und umweltverträgliche Verwertung
                                                                                                                           oder Beseitigung der Erzeugnisse zählen dazu. 21,22
    Übersicht ausgewählter Gesetzeswerke aus dem Abfallrecht
                                                                                                                           Der Umgang mit gewerblichen Siedlungsabfällen so-
                                                                                                                           wie bestimmten Bau- und Abbruchabfällen ist in der
                                                                                                                           Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) geregelt. Diese
                                                                                                                           sieht u. a. vor, dass bereits direkt beim Erzeuger der
      EU-Ebene

                                                                                                                           Abfall nach Kunststoffen, Bioabfällen, Papier, Glas,
                       Richtlinie                                                             Richtlinie                   Textilien, Holz und Metallen getrennt gesammelt
                      2008/98/EG                                                             EU 2015/720                   wird (sog. Getrenntsammlungspflicht). 23,24
                    Abfallrahmenrichtlinie                                                  Verpackungsrichtlinie

                                                                                                                           Das Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknah-
                      Umsetzung durch                                                        Umsetzung durch               me und hochwertige Verwertung von Verpackungen,
                                                                                                                           kurz Verpackungsgesetz (VerpackG), bezweckt, Aus-
                                                                                                                           wirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt
      Bundesebene

                                                                                                                           zu vermeiden oder zu verringern und legt Anforde-
                                                                                                                           rungen an die Produktverantwortung nach §23 des
                        Kreislauf-                             Gewerbeabfall-                Verpackungs-                  Kreislaufwirtschaftsgesetzes für Verpackungen fest.
                    wirtschaftsgesetz                           verordnung                      gesetz                     Mit dem VerpackG sollen Hersteller und Inverkehr-
                         (KrWG)                                  (GewAbfV)                    (VerpackG)                   bringer von Verpackungen dazu bewegt werden, Ver-
                                             Konkretisierung                                                               packungsabfälle vorrangig zu vermeiden, diese der
                                                 durch
                                                                                                                           Vorbereitung zur Wiederverwendung oder dem Re-
                                                                                                                           cycling zuzuführen. Das überarbeitete und seit dem 1.
                                                                                                                           Januar 2019 geltende Gesetz nimmt Hersteller deut-
                                                                                                                           lich mehr in die Verantwortung (Herstellerverant-
Trotz der vorgegebenen Rangfolge der Abfallbewirt-                  gesetzten Ziele beizutragen. So haben Produktver-      wortung). 25
schaftungsmaßnahmen haben Maßnahmen Vorrang,                        antwortliche bei der Herstellung bzw. beim Gebrauch
die aus Sicht des Umweltschutzes die besten Op-                     das Entstehen von Abfällen zu reduzieren und eine
tionen darstellen. Ferner sollen neben ökologischen                 umweltverträgliche Verwertung oder Beseitigung
Auswirkungen auch technische, wirtschaftliche und                   von Abfällen sicherzustellen. Produktverantwortung
soziale Konsequenzen bei der Wahl der Bewirtschaf-                  umfasst weiterhin die Entwicklung, Herstellung und
tungsmaßnahmen berücksichtigt werden.                               das Inverkehrbringen von mehrfachverwendbaren          21
                                                                                                                                Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, 2016
                                                                    und langlebigen Erzeugnissen sowie den Einsatz von     22
                                                                                                                                Kreislaufwirtschaftsgesetz, 2017
                                                                                                                           23
Im Rahmen der Produktverantwortung (KrWG §23-                       sekundären Rohstoffen bei der Herstellung von Er-           Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und
                                                                                                                                Rohstoffwirtschaft e.V., 2018
§25) haben Entwickler, Hersteller, Be- und Verarbeiter              zeugnissen. Auch die Kennzeichnung von schadstoff-     24
                                                                                                                                Gewerbeabfallverordnung, 2017
sowie Vertreiber von Erzeugnissen zur Erfüllung der                 haltigen Erzeugnissen, den Hinweis auf Rückgabe- und   25
                                                                                                                                Verpackungsgesetz, 2017
18                                                                                                                          KAPITEL 4 // ABFALLHIERARCHIE KONKRET

KAPITEL 4 //                                                               Bereits erfolgreich umgesetzte Maßnahmen,

Abfallhierarchie                                                           die im Rahmen der durchgeführten Gespräche
                                                                           mit Unternehmen in Erfahrung gebracht wur-
                                                                                                                                          "Wir nutzen fast
                                                                                                                                          ausschließlich Mehr-
konkret                                                                    den, sind in den Sprechblasen dargestellt.

                                                                                                                                          wegkisten für den
                                                                                                                                          Transport und die

D
      ie zur Erreichung der Kreislaufwirtschaft rele-
                                                             "Wir bieten unseren Mitarbeiter*innen
      vanten Abfallhierarchiestufen sind die Vermei-         ein frisch zubereitetes, kostenloses                                         Lagerung von
      dung, Vorbereitung zur Wiederverwendung                Mittagessen an und reduzieren somit                                          Lebensmitteln."
sowie das Recycling.
                                                             deutlich das Aufkommen von
                                                             Convenience-Food-Verpackungen
                                                             und Einweggetränkeflaschen."
                                                                                                "Wir haben allen Mitarbeiter*innen
STUFE 1:
                                                                                                            einen personalisierten Thermobecher
Vermeidung
Vermeidung im Sinne der EU-Abfallrahmenrichtlinie                                                           geschenkt und so die Verwendung von
und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) meint
                                                                                                            Einwegbechern drastisch reduziert."
die Umsetzung von Maßnahmen bevor ein Stoff, ein
Material oder ein Erzeugnis zu Abfall geworden ist.
Maßnahmen sind die Wiederverwendung von Erzeug-
nissen, eine Verlängerung ihrer Lebensdauer oder
der Verzicht von überflüssigen Kunststoffprodukten,
durch die das Aufkommen von Müll verringert wer-        Gerade Verpackungen werden in den meisten Fällen
                                                                                                                              "Wir brauchen noch
den kann. Hier geht es vor allem um Plastikproduk-      für den einmaligen Gebrauch hergestellt und haben                     unsere Restbestände
te, deren durchschnittliche Nutzungsdauer gering ist    eine durchschnittliche Nutzungsdauer von nur etwa
                                                                                                                              an Plastikrührhilfen und
und dadurch erheblich zum anfallenden Plastikmüll-      einem halben Jahr. 26 Eine Reihe von Plastik-Einweg-
aufkommen beitragen.                                    produkten, wie Einweggeschirr oder Einwegbecher,                      Plastikgeschirr auf,
                                                        landen sogar nach nur wenigen Minuten im Abfall.                      werden dann aber auf
                                                        Diese sollten auf der Liste der verzichtbaren Plastik-
                                                        produkte ganz oben stehen.                                            sämtliche Plastikeinweg-
                                                                                                                              produkte verzichten."

                                                        26
                                                             Duran, 2019
KAPITEL 4 // ABFALLHIERARCHIE KONKRET                                                                                                      19

Allerdings verursachen nicht nur Einwegprodukte
große Mengen an Plastikmüll, oftmals ist es auch das
Design von Verpackungen. Verpackungen sorgen zwar              "Wir optimieren unsere Verpackungen
dafür, dass sensible Produkte wie Lebensmittel, elek-
tronische Bauteile oder medizinischer Bedarf frisch,
                                                               im Hinblick auf das Verhältnis von Ver-
unbeschädigt und keimfrei eingesetzt werden können.            packung zu Inhalt."
Dabei steht der Umfang der Verpackungen oft nicht
im Verhältnis zum Volumen des zu schützenden Gutes                                                                    "Wir verwenden Flaschen
und es fällt mehr Plastikmüll an, als eigentlich für den
Schutz des Inhaltes nötig wäre.                                                                                       mit Anteilen aus R-PET statt
                                                                                                                      aus herkömmlichem PET für
Da Verpackungen für erzeugte und zu vermarktende           Es sollte auch darüber nachgedacht werden, ob Produk-
Lebensmittel oder Produkte in der Regel nicht selbst       te die weder eine hohe Recyclingfähigkeit aufweisen        die Verpackung flüssiger
hergestellt, sondern zugekauft werden, haben Unter-        noch mehrfach genutzt werden können, durch Produk-
nehmen erst einmal keinen wirklichen Einfluss auf          te aus umweltverträglichen Materialien oder solche mit     Lebensmittel."
das Design der Verpackungen. Doch Nachfragen lohnt         einem Mindestrezyklatanteil (� siehe Kapitel 1) ersetzt
sich. So sind laut Recherche einige Verpackungsher-        werden können. So finden Flaschen oder Verpackungen
steller durchaus bereit auf Kundenwünsche in Sachen        aus recyceltem PET, sogenanntes R-PET, immer mehr
Kunststoffreduzierung einzugehen. Auch das über-           Verwendung in der Lebensmittel- und Reinigungsmittel-
arbeitete und seit dem 1. Januar 2019 geltende Ge-         branche.
setz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und
die hochwertige Verwertung von Verpackungen, kurz          Auch für das Arbeiten im Büro wird eine ganze Palette
Verpackungsgesetz (VerpackG), nimmt Hersteller zu-         an Produkten angeboten, die aus sekundären Rohstof-        "Wir verzichten
nehmend deutlich mehr in die Verantwortung.                fen hergestellt werden (z. B. Briefablagen, Tacker, Kle-   beim Versand un-
� siehe Kapitel 3                                          bestreifen oder Klarsichthüllen). In der Gastronomie
                                                           werden bspw. Einwegplastikprodukte wie Trinkhal-           serer Textilien auf
Die Optimierung von Verpackungen ist daher ein             me oder beschichtete Getränkeuntersetzer durch             das Verpacken jedes
wichtiger Schritt, um unnötigen Plastikmüll zu ver-        Glastrinkhalme oder Untersetzer aus Kork ersetzt.
meiden ohne dabei an Qualität der verpackten Pro-                                                                     einzelnen Kleidungs-
dukte einzubüßen.                                                                                                     stückes und verpacken
� siehe Checkliste 5.6 Verpackung | Seite 29
                                                                                                                      mehrere Teile zusam-
                                                                                                                      men."

                                            STUFE 1
20                                                                                                   KAPITEL 4 // ABFALLHIERARCHIE KONKRET

                                       STUFE 2:                                                  Bereits jetzt werden Mehrwegsysteme z. B. als Coffee-
                                       Vorbereitung zur Wiederverwendung                         to-go Becher, Dose für die Frischetheke im Super-
                                       und Wiederverwendung                                      markt sowie als Transportkiste für Obst und Gemüse
                                       Die EU-Abfallrahmenrichtlinie definiert die Vorbe-        vom Erzeuger zum Großmarkt eingesetzt. Die Mehr-
     "Wir bieten unseren               reitung zur Wiederverwendung als jedes Verwer-            fachnutzung von Mehrwegsystemen kann maßgeb-
                                       tungsverfahren der Prüfung, Reinigung oder Repa-          lich zur Erhöhung der Ressourceneffizienz beitragen.
     Mitarbeiter*innen aus-            ratur, bei dem Erzeugnisse oder Bestandteile von          Voraussetzung hierbei ist allerdings, dass die Verpa-
                                       Erzeugnissen, die zu Abfällen geworden sind, so vor-      ckungen vom Kunden tatsächlich zurückgegeben und
     schließlich Getränke in           bereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehand-         mehrfach genutzt werden. Die Materialeinsparungen
     Pfandflaschen an.                 lung wiederverwendet werden können. Die Vorberei-         durch die Mehrfachnutzung sollten vor Einführung
                                       tung zur Wiederverwendung bietet sich vor allem bei       eines Mehrwegsystems gegen den zusätzlichen Be-
                                       Elektroabfällen an, aber auch bei Fahrzeugen, Mö-         darf an Ressourcen abgewogen werden, die der lo-
                                       beln oder Textilien. Im Hinblick auf die Vermeidung       gistische Aufwand zur Rückführung, Reinigung und
                                       von Plastikabfällen spielt allerdings vielmehr die Wie-   Prüfung der Systeme mit sich bringt.
                                       derverwendung als die Vorbereitung zur Wiederver-         � siehe Checkliste 5.10 Mehrweg | Seite 33
                                       wendung eine Rolle. Unter Wiederverwendung wird
          "Unsere Mitarbeiter*innen    jedes Verfahren verstanden, bei dem Erzeugnisse
                                       oder Bestandteile, die keine Abfälle sind, wieder für
          haben die Möglichkeit, das   denselben Zweck verwendet werden, für den sie ur-
          in der Kantine zubereitete   sprünglich bestimmt waren.

          Essen in mitgebrachten       Ein besonders erfolgreicher Weg sowohl die Vermei-
                                       dung als auch die Wiederverwendung von Abfällen
                                                                                                    "Wir nutzen eingegangenes
          Mehrwegbehältern mit zu
          nehmen."
                                       umzusetzen, ist die Nutzung von Mehrwegsystemen.             Verpackungsmaterial wie z. B.
                                       Mehrwegsysteme beschreiben Verpackungssysteme,
                                       die nach Benutzung zum Abfüller zurückkehren, um             Kisten, Plastiktüten oder Füll-
                                       dort wieder befüllt zu werden.
                                       � Infografik 10                                              material für den Versand
                                                                                                    eigener Produkte wieder."

                                                    STUFE 2
KAPITEL 4 // ABFALLHIERARCHIE KONKRET                                                                                     21

Wann lohnt sich die Einführung
eines Mehrwegsystems?                                   INFOGRAFIK | 10
Mehrwegsysteme lohnen sich aus ökologischer Sicht,      Darstellung von Pool-Mehrwegsystemen am Beispiel von Transportkisten
wenn die Einsparung von Ressourcen durch die Wie-
derverwendung größer ist, als der zusätzliche Ver-
brauch von Ressourcen für das Betreiben eines Rück-
nahmesystems (inklusive Transport, Reinigung und
Gestaltung des Mehrwegsystems). Mehrwegsysteme
lohnen sich aus finanzieller Sicht, wenn, bezogen auf
ihre Lebensdauer, die Kosten für die Anschaffung
                                                                             Lagerung
bzw. das Leihen von Mehrwegsystemen inklusive der
Kosten für das Transportieren und Reinigen günstiger                                                    Produzent / Erzeuger
sind, als die Anschaffung von Einwegsystemen.

Wann ist ein Mehrwegsystem erfolgreich?
Der entscheidende Faktor, ob ein Mehrwegsystem
erfolgreich ist, ist die Anzahl der Wiederverwen-
dungszyklen, also die Zahl der durchschnittlichen
Umläufe, die eine Mehrwegverpackung in der Praxis
erreicht. Die Zahl der Umläufe ist wiederum abhän-
                                                               Kontrolle/
gig von der Bereitschaft der Endkunden, die Mehr-
                                                               Reinigung
wegverpackungen dem Wiederverwendungssystem
zuzuführen, sprich das Mehrwegsystem nach Be-
                                                                                                                    Zentrallager
nutzung zurückzugeben. Eine besondere Rolle spie-
len dabei die Erreichbarkeit der Rücknahmestellen
sowie finanzielle Anreize für die Rückgabe des Mehr-
wegsystems. Rückgabestationen können hier an ei-
nem Poolsystem teilnehmende Unternehmen, im Fall
von Mehrwegsystemen für Getränke und Lebensmit-
tel auch Cafés, Restaurants oder Rückgabeautomaten
sein.                                                          Sammlung /Abholung

                                                                                                    Einzelhandel
22                                                                                                                         KAPITEL 4 // ABFALLHIERARCHIE KONKRET

STUFE 3:                                                   Die zweite Grundvoraussetzung für ein hochwertiges      Materialkombinationen (z. B. Kunststoff und Papier)
Recycling                                                  Recycling ist die Wahl der Materialien, die zur Her-    sowie Einfärbungen von Kunststoffen sollten nach
Das Recycling bildet die dritte Stufe in der Abfallhier-   stellung einzelner Erzeugnisse eingesetzt werden.       Möglichkeit ebenfalls vermieden werden, da diese die
archie und fasst alle Verfahren zusammen, durch die        Dabei sind Sortenreinheit oder Homogenität, Trenn-      Recyclingfähigkeit deutlich reduzieren. Das Recycling
Abfälle zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen für      barkeit in verschiedene Kunststoffsorten und Schad-     von schadstoffbelasteten Kunststoffen (wie PVC oder
den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke            stoffarmut von großer Bedeutung. Man spricht hier       Teflon) ist technisch aufwendig, kostenintensiv und
aufbereitet werden. Um Abfälle hochwertig recyceln         von recyclingfähigem Produktdesign.                     sogar teilweise nicht möglich, weshalb bereits bei der
zu können, müssen zwei Grundvoraussetzungen ge-            Voraussetzung für die stoffliche Verwertung von         Herstellung von Kunststoffprodukten über den Einsatz
geben sein.                                                Kunststoffabfällen ist, dass Kunststoffverpackungen     von umwelt- und gesundheitsgefährdenden Stoffen
                                                           als solche überhaupt erkannt werden können. Eine        wie Additive, Weichmacher oder Druckerfarbe nach-
Die erste Voraussetzung ist die getrennte Sammlung         eindeutige Kennzeichnung ist daher notwendig, um        gedacht werden sollte.
von Kunststoffabfällen. Unternehmen sind gemäß der         zu verhindern, dass Kunststoffe in den falschen Ab-
Gewerbeabfallverordnung verpflichtet, Abfälle direkt       fallstrom gelangen. Je mehr unterschiedliche Kunst-     Weiterhin sollten Verpackungen so konzipiert wer-
vor Ort getrennt zu sammeln oder das Abfallgemisch         stoffe für die Herstellung eines Produktes eingesetzt   den, dass eine vollständige Entleerung möglich ist
nachweislich in einer zugelassenen Abfallsortieranla-      werden, umso komplizierter bis unmöglich wird die       und die Sammlung, Sortierung und das Recycling
ge trennen zu lassen. Ganz gleich ob in der Verwal-        Trennung und damit auch die stoffliche Wiederver-       durch Verunreinigungen nicht gestört wird. 27
tung, im Einkauf oder in der Mitarbeiterverköstigung,      wendung. Es sollte daher angestrebt werden, die An-
mit ausreichend Abfallbehältern für alle Abfallsorten      zahl der Kunststoffe soweit es geht zu reduzieren.
kann ein erster Schritt für eine erfolgreiche Wieder-      Lässt sich die Mischung verschiedener Kunststoffe
verwendung bereits dort getan werden, wo der Müll          nicht vermeiden, so empfiehlt es sich, solche mit un-          "Wir achten bei der Produktion unserer
anfällt.                                                   terschiedlichen Dichten zu wählen, was beim Recyc-
                                                                                                                          Banner auf die Verwendung von schad-
                                                           ling eine Sortierung in die verschiedenen Fraktionen
In vielen kunststoffproduzierenden oder -verarbei-         deutlich erleichtert.                                          stoffarmen und recyclingfähigen Mate-
tenden Unternehmen werden von Herstellern oder                                                                            rialien, da diese entweder hochwertig
Rohstofflieferanten anfallende Produktionsreste zu-                                                                       recycelt werden oder als Rohstoff für
rückgenommen, zu Kunststoffrezyklaten verarbeitet                   "Wir arbeiten derzeit daran, dass
                                                                                                                          Taschen, Beutel oder Ähnliches dienen
(� siehe Kapitel 1, Infobox Rezyklate) und für die Fer-             sich bei Spenderflaschen Deckel,
                                                                                                                          können."
tigung neuer Produkte eingesetzt. So wird bereits das               Dosierhilfe und Befestigungsring
Recycling von alten Kunststofffenstern, Folien aus
dem Garten- und Landschaftsbau oder Etiketten-                      von der Flasche trennen und später
Trägerpapieren angeboten. Voraussetzung für diese äu-               sortieren lassen."
ßerst ressourcenschonende Wiederverwertung ist die
sortenreine Trennung und Sammlung der zu recyceln-
den Kunststoffabfälle.

                                           STUFE 3
                                                                                                                   27
                                                                                                                        Jepsen et al., 2019
KAPITEL 5 // PLASTIKMÜLLVERMEIDUNG IN UNTERNEHMEN                                                      23

KAPITEL 5 //                                            Die Auswertung der Checkliste zur Bestandsaufnah-
                                                        me sollte nun Unternehmensbereiche aufzeigen, in
Plastikmüll-                                            denen das Potential zur Plastikmüllvermeidung groß
                                                        ist und demnach die Einführung von Maßnahmen zur
vermeidung in                                           Reduzierung des Müllaufkommens sinnvoll ist. Für je-
                                                        den der sieben Unternehmensbereiche gibt es eine
Unternehmen                                             weitere Checkliste (� Checklisten 5.2 bis 5.8). Diese
                                                        sind aufgeteilt in eine Erfassung des Ist-Zustandes
                                                        sowie mögliche Maßnahmen zur Plastikmüllreduzie-
                                                        rung, die sich an den ersten drei Stufen der Abfall-
Anwendung Checklisten                                   hierarchie des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG)
Mit den folgenden Checklisten können Sie das Poten-     orientieren. Maßnahmen zur Vermeidung von Ab-
tial zur Plastikmüllreduzierung in Ihrem Unternehmen    fällen haben demnach die höchste Priorität, gefolgt
identifizieren und einen auf Ihr Unternehmen zuge-      von solchen zur Wiederverwendung und stofflichen
schnittenen Maßnahmenkatalog zur Plastikmüllver-        Verwertung.
meidung entwickeln.
Durch eine erste Bestandsaufnahme (� Checkliste 5.1)    Die Checklisten 5.9 und 5.10 sollen zusätzlich zu den
sollen Unternehmensbereiche mit erhöhtem Aufkom-        Checklisten für die Unternehmensbereiche helfen,
men an Plastikabfällen und/oder mit hohen anfallen-     die Möglichkeit und Vorteile des umweltverträgli-
den Kosten für die Entsorgung bzw. Anschaffung von      chen Einkaufs sowie der Einführung von Mehrweg-
Kunststoffen ermittelt werden. Die in Checkliste 5.1    systemen zu überprüfen.
aufgelisteten Unternehmensbereiche sind unterteilt
in Bereiche, in denen Plastikmüll im Unternehmen
anfällt (intern: Verwaltung, Verköstigung, Warenein-
gang, Produktion) und Bereiche, die Kunststoffe in
den Umlauf bringen, welche dann beim Endverbrau-
cher zu Abfall werden (extern: Verpackung, Vertrieb,
Marketing). In einer ersten Spalte können die pro Mo-
nat anfallenden Mengen an Plastikmüll eingetragen
werden. In einer zweiten Spalte ergibt sich daraus
der Beitrag der jeweiligen Unternehmensbereiche               Erfolgreiche Maßnahmen von Unternehmen
am Gesamtmüllaufkommen. Die Kosten, sowohl für                (Umfrage) zur Vermeidung von Plastikmüll sind
die Entsorgung der anfallenden Abfälle als auch die           in den Checklisten grün dargestellt.
für die Anschaffung und Herstellung von Kunststoff-
produkten, werden in den Spalten drei und vier ein-
getragen.
24                                                                              KAPITEL 5 // CHECKLISTEN – PLASTIKMÜLLVERMEIDUNG IN UNTERNEHMEN

     5.1 Bestandsaufnahme
     INTERN: Plastikprodukte werden im Unternehmen zu Abfall

     Unternehmensbereich          Plastikabfall     Anteil am gesamten   Entsorgungskosten   Anschaffungskosten               Bemerkungen
                                  (kg/Monat)         Plastikabfall (%)          (€)                  (€)

     Verwaltung
     (� Checkliste 5.2)

     Verköstigung
     (� Checkliste 5.3)

     Wareneingang
     (� Checkliste 5.4)

     Produktion
     (� Checkliste 5.5)

     EXTERN: Plastikprodukte werden beim Kunden zu Abfall

     Unternehmensbereich          Plastikabfall     Anteil am gesamten   Entsorgungskosten   Anschaffungskosten               Bemerkungen
                                  (kg/Monat)         Plastikabfall (%)          (€)                  (€)

     Verpackung
     (� Checkliste 5.6)

     Vertrieb
     (� Checkliste 5.7)

     Marketing
     (� Checkliste 5.8)

     GESAMT
KAPITEL 5 // CHECKLISTEN – PLASTIKMÜLLVERMEIDUNG IN UNTERNEHMEN                                                                                            25

5.2 Checkliste Verwaltung
IST-ZUSTAND
Wie viel Plastikabfall entsteht durch die Verwaltung in Ihrem Unternehmen?

                                                                                                                                                      kg

                                                                                                                                                      kg

                                                                                                                                                      kg
Aus welchen Kunststoffsorten bestehen die Plastikabfälle, die in der Verwaltung anfallen (vgl. Recyclingcodes)?

VERMEIDUNG
Verzichten Sie auf kurzlebige Plastikprodukte im Büro (z. B. dünnschichtige Klarsichthüllen, nicht wiederbefüllbare Stifte).
Ersetzen Sie Bürobedarf aus herkömmlichem Plastik durch stoffliche Alternativen.

WIEDERVERWENDUNG
Achten Sie darauf, dass kaputte Gegenstände (z. B. Bürostühle, Wasserkocher, Computer, Kaffeemaschine) nicht gleich entsorgt und neue angeschafft,
sondern stattdessen repariert und wiedereingesetzt werden.
Prüfen Sie, ob bei bestimmten Tätigkeiten Mehrwegsysteme sinnvoll eingesetzt werden können (� siehe Checkliste 5.10).
Verwenden Sie nachfüllbare Stifte, Marker und Druckerpatronen. Weisen Sie Ihre Mitarbeiter*innen darauf hin.

RECYCLING
Benutzen Sie Büromaterialien wie Tacker, Locher oder Klarsichthüllen aus recycelten Kunststoffen oder aus solchen mit einem hohen Anteil an Rezyklaten.
Sorgen Sie dafür, dass in jedem Büro, in der Teeküche oder am Empfang Behälter für eine getrennte Sammlung des Mülls bereitstehen.
Nehmen Sie an Recyclingaktionen für schlecht recycelbare Abfälle wie Stifte oder Druckerpatronen teil oder geben diese beim Recyclinghof ab.
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