Markenartikel - deutschlands Wirtschaft morgen - Design for Business AG
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extra DAS MAGAZIN FÜR MARKENFÜHRUNG 1/2021 markenartikel markenartikel Deutschlands Wirtschaft morgen Deutschlands Wirtschaft morgen Mit Mut und Verantwortung die Trägheit überwinden
markenartikel extra 1/2021 96 Deutschlands Wirtschaft morgen Liebe Leserinnen, liebe Leser, in den Führungsetagen der Unternehmen in Deutschland breiten sich – inzwischen deutlich spür- und sichtbar – mehr und mehr Unmut, Unzufriedenheit und Mutlosigkeit aus. Das Ergeb- nis ist eine hochgefährliche Trägheit, die sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft zu gravierenden Schäden führen kann bzw. wird. Die seit März 2020 aktive Corona-Pandemie ist nicht der Auslöser dieses Prozesses, wohl aber ein starker Beschleuniger. Die Ursache für dieses 'Trägheits-Virus' ist eine Gemengelage, bei der mehrere Komponenten ei- ne maßgebliche Rolle spielen. Dazu gehören das immer undurchdringlicher werdende Gestrüpp an Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen durch die Bürokratie und Politik, das Problem der Kapitalbeschaffung trotz hochliquider Finanzmärkte, der Druck durch die Digitalisierung und den technischen Fortschritt sowie der Druck durch die Konsumgewohnheiten, die sich immer rascher ändern. Um aus diesem Problemstrudel herauszufinden und in ein erfolgversprechendes Fahrwasser zu gelangen, braucht es Leuchttürme, die einem den Weg weisen, und Lot- sen bzw. Strategen, die mit den Untiefen vertraut sind und wissen, wie man diese erfolgreich umschifft. Gemeinsam mit Experten aus den Disziplinen Markenberatung, Marktforschung, Handelsmarketing, Strategie und Unternehmensberatung hat sich die markenartikel- Redaktion nicht nur mit der Gemengelage beschäftigt, sondern stellt auch Strategien vor, wie man aus dem Problemlabyrinth he- rausfindet. Anhand von Cases unterschiedlicher 'Leuchtturm- Companys' werden erfolgreiche Lösungswege präsentiert. Zum Experten-Team gehören unter anderem der Unter- nehmensberater Stephan Biallas, der Markenberater Peter Maeschig, der Handelsstratege Dr. David Strack sowie der Mafo-Stratege Jens Lönnecker. Diese Experten verfügen über tiefe Einblicke in die Problemlagen und haben viele Unternehmen, EignerInnen sowie CEOs begleitet. Eine ebenso aufschlussreiche wie anregende Lek- türe im Namen des gesamten Teams wünscht Peter Strahlendorf Chefredakteur
„EY“ und „wir“ beziehen sich auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht. ED None. MUK 2106-458 #FutureConsumerNow ey.com/futureconsumerindex Normal, dass Ist es das neue Neues normal ist?
markenartikel extra 1/2021 Inhalt 98 108 111 DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFT MORGEN 100 QUANTENSPRUNG FÜR FORTSCHRITT – Die 111 GESPRÄCH ÜBER TRÄGHEIT – Jens Lönneker (Rheingold Corona-Pandemie öffnet ein Zeitfenster für größere Salon), Peter Maeschig (Design for Business) und Veränderungen, weist neue Wege und verändert Dr. David Strack (Fengda Finance) sprechen darüber, den Blick auf die Zukunft wie aus Bequemlichkeit, Rücksicht oder Vorschriften gewaltige gordische Knoten entstehen 104 GANZHEITS-KRANKHEIT – Warum das deutsche Wirtschaftswunder heute die Umsetzung von Innovation 114 QUANTENSPRUNG FÜR FORTSCHRITT – Die hemmt und wieso Zerstörungs-Skills gegen die Corona-Pandemie öffnet ein Zeitfenster für größere Trägheits-Widerstände notwendig sind Veränderungen, weist neue Wege und verändert den Blick auf die Zukunft 108 SELBSTZUFRIEDENHEIT – Peter Rikowski, Tchibo Coffee Service, über Fehler und Fehlverhalten von Führungskräften Impressum Markenartikel Chefredakteur: Peter Strahlendorf (ps) Vertriebsmarketing: Birgit Jessen (-62) Titelfoto: sudowoodo-stock.adobe.com Das Magazin für Markenführung Chefredakteurin: Vanessa Göbel (vg) Anzeigen-Preisliste: Nr. 44 vom 1. Januar 2021 Erscheinungsweise: (83. Jahrgang) Vertriebsleitung: Angelika Schmidt (-65) monatlich (eine Doppelnummer Jan./Feb.) Redaktion: ISSN: 0342-1236 Herausgeber: Autoren dieser Ausgabe (s. gekennzeichnete Beiträge) Das Heft und alle enthaltenen Beiträge sind urheber- Markenverband e.V. Bezugspreis: jährlich 120 Euro inkl. Versand zzgl. Ust. rechtlich geschützt. Unter den Linden 42 Art-Direktion: Anne Allert, Andrea Dingkuhn Ausland: 120 Euro zzgl. Versand und Ust. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist 10117 Berlin Grafik/Layout: Daniela Rocksin Einzelpreis: 14,00 Euro zzgl. Versand und Ust. die Verwertung nur mit schriftlicher Einwilligung des Ust.-Id.-Nr.: DE 217 920 773 Verlages erlaubt. Verlag: Redaktionsbeirat: Christian Köhler, Carsten Prudent, Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Datenträger New Business Verlag GmbH & Co. KG Marc Sasserath, Dr. Jörg Schillinger, Prof. Dr. Franziska Bankverbindungen: und Fotos wird keine Haftung übernommen. Nebendahlstr. 16 Völckner, Ralf Klein-Bölting Hamburger Sparkasse IBAN:DE74200505501217131323 Namentlich gekennzeichnete Fremdbeiträge geben nicht 22041 Hamburg BIC/SWIFT: HASPDEHHXXX unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Fon: 040 / 60 900 9-0 Geschäftsführung: Antje-Betina Weidlich-Strahlendorf Commerzbank Copyright Markenartikel 2021 Fax: 040 / 60 900 9-15 Anzeigenleitung: Jens Jansen (-52) IBAN: DE07200400000482282100 E-Mail: redaktion@markenartikel-magazin.de Anzeigenverkauf: Jacqueline Lampe (-58) BIC/SWIFT: COBADEFFXXX Druck: Lehmann Offsetdruck und Verlag GmbH, www.markenartikel-magazin.de Anzeigendisposition: Silke-Reyher-Timmann (-54) 22848 Norderstedt
markenartikel extra 1/2021 100 Deutschlands Wirtschaft morgen Wir brauchen einen Quantensprung für Fortschritt Die Corona-Krise hat wie ein Brennglas Schwächen und Versäum- nisse offengelegt, aber auch Gewohnheiten und Routinen in Frage gestellt. So öffnet die Pandemie ein Zeitfenster für größere Verände- rungen: Sie weist neue Wege und verändert den Blick auf die Zukunft. D ie Pandemie ist wie ein Schwarzer Schwan in die Welt gekommen. Als 'Schwarze Schwäne' wer- den Ereignisse bezeichnet, die zwar nur sehr selten derungen und Erfahrungen konfrontiert. Neue Nar- rative entstehen, die oftmals ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen vorausgehen (vgl. auftreten, jedoch extrem hohe Kosten und Schäden Robert Shiller, The Narrative Economics, 2020). verursachen. Corona war und ist ein solches Ereig- nis. Die weltweiten gesundheitlichen Schäden sowie die wirtschaftlichen und sozialen Kosten sind gi- Katalysator des Strukturwandels gantisch. Solche Ereignisse haben über ihre unmit- Große Krisen waren in der Vergangenheit oftmals telbare Wirkung hinaus oft einen zweiten Effekt, Treiber und Katalysatoren des Fortschritts, sie ha- den man in der Ökonomik 'Hysterese' nennt: Selbst ben den ohnehin stattfindenden Strukturwandel dann, wenn das Ereignis irgendwann vollständig beschleunigt. Plötzlich wurden neue Pfade mög- überwunden ist, wirkt der Schock strukturell fort, lich und neue Paradigmen durchsetzbar, die ohne verändert also dauerhaft den Lauf der Zeit, indem die Krise noch längere Zeit verschlossen geblieben eine plötzliche Diskontinuität erzeugt und eine Zei- wären. Und tatsächlich haben sich die Digitalisie- tenwende einläutet wird. rung und speziell New Work- und Remote Wor- Das gilt sicherlich auch für die Corona-Pandemie. Sie king-Konzepte binnen Monaten in der Pandemie hat – wie dieser Tage oft zu lesen ist – wie ein Brenn- verbreitet und etabliert, Verhalten verändert und glas Schwächen und Versäumnisse offengelegt, aber Strukturen reorganisiert. Ohne die Pandemie hät- auch Gewohnheiten und Routinen in Frage gestellt, ten Akzeptanz und Umsetzung dieser Konzepte die uns fast unbemerkt satt und träge gemacht ha- wohl noch viele Jahre gebraucht. Foto: bluedesign - Fotolia ben. Der Umstand, dass die Pandemie ein globales Eine Beschleunigung des Strukturwandels bringt Ereignis ist, führt dazu, dass sie zu einem gemein- es mit sich, dass Gewinner und Verlierer entstehen samen Referenzpunkt wird, indem sie alle Menschen durch die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen auf der Welt gleichzeitig mit ähnlichen Herausfor- jenen, die vorangehen, und solchen, die stehen blei-
markenartikel extra 1/2021 Deutschlands Wirtschaft morgen 101 ben und dadurch zurückfallen. Dieser 'Selektions- In den USA kündigt sich unter dem neuen Präsi- mechanismus' von Krisen ist ein wesentlicher Me- denten Joe Biden ein großes Modernisierungspaket chanismus von Marktbereinigungen. Fortschritt an, das die eigene Wirtschaft erneuert. So progres- vollzieht sich im und durch Strukturwandel. siv diese Politik im Inland ist, so protektionistisch Die Corona-Pandemie wird genau solche Geschwin- ist seine Handels- und Geopolitik. Aus 'America digkeitsunterschiede erzeugen. War sie zu Beginn First' ist nun 'Buy American' geworden. der Pandemie noch ein 'Gleichmacher', so wird die In Deutschland dagegen sind das wirtschaftspoli- Pandemie im Ausgang der Krise große Geschwin- tische Corona-Programm und die unternehmens- digkeitsunterschiede erzeugen, denn sie beschleu- seitigen Restrukturierungsmaßnahmen stark auf nigt die großen Umbrüche unserer Zeit, die digitale Stabilisierung, aber wenig auf Erneuerung ausge- Revolution, die geopolitischen Verschiebungen und richtet. Investitionen in geschäftsmodellnahe Inno- den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. Das gilt vationen wurden weitgehend fortgeführt, bei den auf Ebene der Unternehmen ebenso wie für Volks- weiter entfernt liegenden, eher disruptiven Tech- wirtschaften. nologien aber wurden die F&E-Etats gekürzt. Das aber ist volkswirtschaftlich, industriepolitisch und Post-Corona-Divergenz: Gewinner und Verlierer unternehmensstrategisch genau falsch. Denn be- Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass vor allem China, reits heute ist klar, dass der geopolitische System- aber auch die USA, die vor einigen Monaten noch wettbewerb über Technologieführerschaft und abgeschrieben worden waren, strukturell mit hö- neue Industriestandards bzw. neuartige Standards herer Dynamik aus der Krise herauskommen wer- der Digitalwirtschaft geführt werden wird. den als unter anderem Deutschland und Europa Bei den Investitionen in Forschung und Entwick- insgesamt (vgl. Abbildung 1). China hatte – auch lung hat China seit der Jahrtausendwende stark dank autoritärer Durchgriffsmöglichkeiten – das gegenüber den USA aufgeholt und Europa mitt- Pandemiegeschehen relativ schnell unter Kontrolle, lerweile überholt, zumindest was die absoluten In- konnte dadurch die Wirtschaftstätigkeit schneller vestitionen betrifft. Und die Schere dürfte in den wieder hochfahren und hat zudem die Investitionen kommenden Jahren, auch bedingt durch die Coro- in neue Technologien sowie in Forschung und Ent- na-Krise, weiter auseinandergehen (vgl. Abbildung wicklung nochmal erhöht. 2). Abb. 1: Reales BIP-Wachstum 8,5 2020 2021 2022 6,3 5,9 5,6 4,4 4,4 4,4 3,5 2,3 Weltwirtschaft USA Eurozone China -3,6 -3,5 Quelle: Consensus Forecasts, PIIE, 2021 -6,8 Die USA und China kommen mit höherer Dynamik aus der Corona-Krise als Europa und auch Deutschland
markenartikel extra 1/2021 102 Deutschlands Wirtschaft morgen Abb. 2: China schließt Lücke bei den F&E-Ausgaben Was bedenklich stimmt und Sorge bereitet, waren und Bruttoinlandsinvestitionen für Forschung und Entwicklung (Mrd. KKP) sind die offenkundig gewordenen Defizite, in Teilen sogar die Unfähigkeit und die Unwilligkeit, kreativ und konzeptionell auf die Pandemie zu reagieren. Dies lässt auf einen Mangel an Mut, Kreativität und Agilität schließen. Masken wurden zu spät bestellt, die Finanzhilfen waren handwerklich schlecht ausge- staltet und technisch stümperhaft umgesetzt, in den Schulen und Gesundheitsämtern kamen die Defizite in der Digitalisierung teuer zu stehen. Die Impfstrategie ist ein ganz eigenes, gleichwohl be- zeichnendes Kapitel der Pandemie. Es scheint, als ha- be der konjunkturelle Daueraufschwung der letzten zehn Jahre vieles überdeckt. Es sind kaum Übergänge geschaffen worden in eine Welt, die wohl ganz anders KKP= Kaufkraftparität; Quelle: National Science Foundation/Forbes/statista funktionieren wird – technologisch, geopolitisch und China forciert Innovation und hat Europa inzwischen mit Blick auf die industriepolitisch. absoluten Investitionen in F&E überholt Starker Staat vs. freier Markt Europa muss dringend an technologischer Souverä- Das alles sind keine guten Aussichten, um in den nität gewinnen, die am Ende wesentlicher Teil der kommenden Jahren – die von Diskontinuität, Dis- geostrategischen sein wird, denn der Kampf um die ruption, Komplexität und Unsicherheit geprägt sein Technologieführerschaft hat längst geopolitische Di- werden – bestehen zu können. Die Defizite an Trans- mensionen angenommen. Das alte Problem Europas, formationsfähigkeit bestehen sowohl auf Seiten des in den Grundlagen von Technologie und Wissen- Staates als auch auf Seiten der Wirtschaft. Dem Staat schaft führend zu sein, aber in der unternehmerischen kommt bei den großen Zukunftsmissionen eine wich- Umsetzung von Innovation und Geschäftsmodellen tige Rolle zu. Er muss, ganz im Sinne von Mariana hinterherzuhinken, droht fortzubestehen – und das Mazzucatos »unternehmerischem Staat«, wichtige in einer Phase, in der sich die technologischen Grund- Weichenstellungen vornehmen, die Regulierung und lagen des Wohlstands radikal erneuern. Innovationsanreize auf neue Ziele ausrichten, um da- durch den Kontext des gesellschaftlichen und unter- nehmerischen Handelns zu verändern. Die Trägheit des vergangenen Erfolgs Vor allem müssen Investitionen in Forschung und Zwar konnte Deutschland aufgrund der fiskalpo- Entwicklung sowie in neue Infrastrukturen getätigt litischen Spielräume den Schock der Pandemie gut werden. Die wirtschaftliche Dynamik aber geht am absorbieren – die adaptive oder gar transformative Ende immer von innovativen Unternehmen aus. Im- Resilienz war in Deutschland während der Pandemie mer häufiger ist von einem Neo-Schumpeterismus die erkennbar schwach ausgeprägt. Nicht nur aus demo- Rede, also einer Wiederbelebung der alten, aber im- grafischen Gründen wird sich das Wachstumspotenzial mer wieder modernen Idee Joseph Alois Schumpeters der deutschen Wirtschaft von derzeit rund eineinhalb von der »kreativen Zerstörung« als einer Methode, Prozent voraussichtlich halbieren (vgl. Sachverstän- systematisch Fortschritt zu erzeugen. digenrat und Gemeinschaftsdiagnose 2021). Nach Friedrich August von Hayek können freie Mit der demografischen Alterung einer Volkswirt- Märkte im unternehmerischen Wettbewerb verteiltes schaft setzt typischerweise verstärkt Besitzstandwah- Wissen und dezentrale Ideen zu marktfähigen Inno- rung ein. Folge: Innovationskraft und Transforma- vationen formen. Ein starker Staat und freie Märkte tionsfähigkeit erlahmen. Insbesondere Politik und sind dabei mitnichten ein Widerspruch. Im Gegen- Verwaltung taten sich schwer, mit den plötzlich ver- teil: Gerade in Zeiten großer technologischer, geopo- änderten Bedingungen lösungsorientiert umzugehen. litischer und gesellschaftlicher Umbrüche ist beides Lockdown und Bazooka blieben über die gesamte notwendig. Gerade vor diesem Hintergrund sind die Pandemie hinweg das mehr oder weniger einzige Voraussetzungen für Deutschland und Europa bei Mittel. aller Kritik am Ende gar nicht so schlecht: Die Kom-
markenartikel extra 1/2021 Deutschlands Wirtschaft morgen 103 bination aus starkem Staat und freiem Markt taugt ein Zeitfenster für größere Veränderungen. Letztlich für ein gutes Modell, um die großen Transformati- liegt darin die große Chance der Krise: Sie legt Defi- onsprozesse erfolgreich zu gestalten. China ist schnell zite offen und sensibilisiert für Fortschritt. durch den Staat, die USA durch den Markt. Europa Der Evolutionspsychologe Joseph Henrich, der in hat beides, muss aber beides grundlegend erneuern. Harvard lehrt, hat in seinem jüngsten Buch The WEIRDEST People die kulturelle Evolution von Gesellschaften über Jahrhunderte hinweg untersucht Die Krise als Chance der Erneuerung und festgestellt: Es ist die Art und Weise, wie Gesell- Die Monate nach der Pandemie werden entschei- schaften psychologisch und institutionell verfasst dend sein, denn sie bestimmen den Übergang aus der und organisiert sind, die eine Kultur des Fortschritts Pandemie in eine Post-Corona-Welt, von der heute erzeugt. Die Corona-Pandemie kann im besten Fall niemand sicher sagen kann, wie sie aussehen wird. ein nächster Schritt in der kulturellen Evolution von Sicher ist nur, dass sich in vielen Bereichen der Struk- Gesellschaft sein. n turwandel beschleunigen wird, es Gewinner und Ver- Prof. Dr. Henning Vöpel lierer geben wird. Die Frage, die sich daher jetzt für jedes Unternehmen und jede Volkswirtschaft stellt, ist folgende: Bleiben wir stehen und erzeugen sklerotische Zustände, die uns Fesseln anlegen und Unternehmen 'zombifizie- ren'? Oder machen wir einen Quantensprung und entfesseln den möglichen Fortschritt? Dieser ist not- wendig, um die Grundlagen der zukünftigen Wert- schöpfung, die klimaneutral und digital sein wird, zu erneuern. n Prof. Dr. Henning Vöpel ist seit 2014 Die Verlockung ist groß, den bislang noch erfolg- Direktor des Hamburgischen WeltWirt- reichen Status quo zu verteidigen. Doch der Wandel schaftsInstituts (HWWI). Im Jahr 2010 ist längst unvermeidlich geworden. Wer nur noch wurde Vöpel als Professor für Volkswirt- Bestehendes verteidigt, gerät in die Defensive. Wenn schaftslehre an die HSBA Hamburg School of Business Administration berufen. Seine etwas als alternativlos erklärt wird, ist dies am Ende Forschungs- und Themenschwerpunkte sind nur das Eingeständnis, nicht rechtzeitig Alternativen Konjunktur, Wirtschaftspolitik, Globalisie- geschaffen zu haben. Insoweit öffnet die Pandemie rung und Digitalisierung.
markenartikel extra 1/2021 104 Deutschlands Wirtschaft morgen 'Ganzheits-Krankheit': Vom Wirtschaftswunder zur Trägheit Für das deutsche Wirtschaftswunder ist das Bild vom Wiederauf- bau zentral. Das hemmt aber heute die Umsetzung von Innovation. Unternehmen müssen entschiedener agieren und neue Wege gehen. Es braucht Zerstörungs-Skills gegen die Trägheits-Widerstände. »W ir können es nicht mehr«, stellt der Satiriker Gernot Hassknecht in der Heute Show am 12. März 2021 fest. Lange galt Deutschland als ein Vor- Sie zeigt auf, dass sowohl Landwirte als auch Ver- braucher sich eine größere Zukunftsorientierung in der Landwirtschaft wünschen. Sie macht aber auch bild für die perfekte Organisation von Prozessen in deutlich, dass dies nach Ansicht der Befragten mo- Wirtschaft und Politik. Doch das war einmal: Die im mentan nicht so ist. Denn die tatsächliche, aktuelle internationalen Vergleich langsame Umsetzung der Zukunftsorientierung wird vergleichsweise schwach Corona-Impfungen ist nicht nur für Hassknecht ein eingestuft. Die geschilderte Lücke zwischen den Zu- Symbol für eine Entwicklung der vergangenen Jahre, kunftswünschen und der tatsächlichen Umsetzung in durch die dieses Image von einem perfektionierten der deutschen Wirklichkeit wird demnach auch in Deutschland zu einem Bild von gestern wurde. Nach diesen Scores deutlich. einer Anfang März 2021 vom Rheingold Salon durchgeführten Befragung wollen viele Teilnehmer die Corona-Beschränkungen im Alltag nicht mehr Wiederaufbau vs. kreative Zerstörung hinnehmen, weil sie das Gefühl haben, dass Disziplin Es ist aber offenbar auch nicht das fehlende Know- und Geduld »nichts bringen und kein Ende in Sicht how. Ein Beispiel: Die Magnet-Schwebebahn Transra- ist«. Das rumpelige Impfen wurde von den Befragten pid basiert auf einem deutschen Patent von Hermann dabei mit anderen deutschen Infrastruktur-Debakeln Kemper aus dem Jahr 1934. Sie wurde erfunden, ent- assoziiert: vom Berliner Flughafen bis hin zu Stuttgart wickelt, getestet – und letztlich in Deutschland nicht 21, maroden Brücken oder desaströsen Erfahrungen umgesetzt. Zu viele Bedenken wie hohe Kosten, Pas- mit der Deutschen Bahn. Begleitet wurde dies durch sagieraufkommen, Beeinträchtigung des Landschafts- ein Staunen und eine Erschütterung über die geringe bildes und Widerstand von Bürgerinitiativen. Digitalisierung der Ämter. Ein wichtiger Teil der Antwort kann in den histo- rischen Wurzeln des deutschen Wirtschaftswunders liegen: In der psychologischen Analyse spricht vieles Zwischen Wunsch und Wirklichkeit dafür, dass in den Genen des deutschen Wirtschafts- Aber wieso ist das so? Warum können wir es nicht wunders das Bild vom Wiederaufbau zentral ist. Das mehr? Wie ist es dazu gekommen? Zunächst lässt sich im Krieg zerstörte und zertrümmerte Deutschland empirisch belegbar feststellen, dass es nicht daran sollte schleunigst wiederaufgebaut und Wohlstand liegt, dass die Mehrheit der Menschen in Deutsch- für alle erreicht werden. Im Wiederaufbau-Bild ist land nicht zukunftsorientiert sein will. Nach vielen jedoch eine kreative Zerstörung nicht angelegt. Im Markt- und Meinungsforschungsstudien ist es viel- Gegenteil: Zerstörungen sollten ja nach dem Krieg mehr genau umgekehrt: Zukunftsorientierung erzielt gerade repariert, aufgehoben, überwunden werden. hohe Scores. Alles soll wieder ganz werden und ganz bleiben. Hier ein Bespiel aus einer aktuellen Studie in einem Heute geht es in dieser Tradition daher vor allem da- eher konservativen Umfeld: der Landwirtschaft. rum, das Erreichte und Aufgebaute zu erhalten und
markenartikel extra 1/2021 Deutschlands Wirtschaft morgen 105 zu bewahren. Denkmal- und Datenschutz sowie Mu- pro toto – geschilderten Fall mussten erhebliche Wi- seen liegen diesem Duktus näher als Um- und Neu- derstände überwunden werden, um neue Ansätze wie gestaltungen. Akzeptanz finden kann dann nur noch etwa ein neues erfolgreiches Design zu etablieren. das, was bewahrend und zukunftsorientiert zugleich Um das System im Ganzen zu erhalten und dennoch erscheint: zum Beispiel alternative Energien, ökolo- irgendwie das Thema Innovation anzupacken, ist es gischer Landbau, Elektro-Fahrräder, Recycling-Pro- bei Unternehmen sehr beliebt, den Bereich der Inno- dukte. Aber wenn eine Veränderung die Folge ist, wie vationen abzuspalten. Einzelne Bereiche oder Mana- die des Landschaftsbildes beim verstärkten Einsatz ger im Unternehmen werden dann damit beauftragt, von Windenergien, ist es meist schon wieder vorbei Innovationen zu entwickeln und voran zu treiben, mit der breiten Akzeptanz. während der übrige Betrieb nicht verändert wird. Im Hintergrund des Wiederaufbau-Bildes steht somit Die Entwicklungshemmung wird so in vielen Fällen psychologisch ein ganzheitlicher Ansatz, der alles er- fortgeschrieben, denn die Innovationen ‚verhungern‘ halten und alle einbeziehen will. Ohne dass dies wirk- letztlich meist im Unternehmen, weil sie keine Ver- lich bewusst wird, wird dieser ganzheitliche Ansatz zahnung mit dem Gesamtbetrieb entwickeln. Nur so zum Ausgangspunkt für eine Gehemmtheit bei der selten, etwa im Fall von Nespresso, handelt es sich Umsetzung von Innovationen. bei der Abspaltung um eine bewusste Entscheidung. Bei Nespresso wurde dann aber auch auf eine völlig eigenständige Unternehmung gesetzt und die nötigen Innovation wird oft abgespalten Geldmittel aufgewendet. Diese bewahrende Haltung findet sich dann häufig auch in deutschen Unternehmen wieder. »Nivea ist blau, Ferrari ist rot, Vorwerk ist grün« lässt sich als ein Weiterentwicklung kostet Kraft apodiktisches Statement eines Managers aus unserem Sigmund Freud hat bei seelischen Entwicklungs- Agenturalltag auffassen, der zentrale Markenattribute hemmungen immer auch den insgeheimen »Krank- im Design nicht leichtfertig aufgeben will. Wenn es heitsgewinn« herausgestellt. Denn sich weiterzuent- aber um die Bewahrung um der Bewahrung willen wickeln und zu verändern, kostet zunächst Kraft geht und dies dazu eingesetzt wird, sinnvolle Neue- und Energie. Sich nicht weiterzuentwickeln, bringt rungen in der Gestaltung zu blocken, wird ein solches dagegen erst einmal Entlastung. Auf Unternehmen Statement zum Ausgangspunkt von Hemmungen und übertragen heißt das, Veränderungen kosten zu- Entwicklungsverboten. Nicht nur in diesem – pars nächst einmal Geld und andere Ressourcen, bevor Landwirtschaft: Zukunftsorientierung aktuell und in Zukunft Werte 8 bis 10: sehr zukunftsorientiert 69% 72 % 44 % 32 % Wie zukunftsorientiert sehen Sie die Landwirtschaft aktuell? Wie zukunftsorientiert wünschen Sie die Landwirtschaft? Verbraucher Landwirte Quelle: »Wertschätzung für die Landwirtschaft nach dem Corona-'Schock'« im Auftrag von: Deutscher Bauernverband e.V., Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e.V., Stiftung LV Münster und Stiftung Westfälische Landschaft; © markenartikel Wunsch und Wirklichkeit gehen beim Thema Zukunftsorientierung der Landwirtschaft auseinander
» markenartikel extra 1/2021 106 Deutschlands Wirtschaft morgen Innovation stört und zerstört wir auf unserem Weg immer wieder vor einer Wand das bestehende Ganze, um von Schwierigkeiten – so hoch wie der Mount Everest – standen, weil wieder angeblich irgendetwas nicht Neues zu schaffen. Sie braucht möglich war.« Diese Widerstände zu überwinden, be- dafür Entschiedenheit. wegte die Mitarbeiter ihres Unternehmen Vaude, war das Gegenteil von Trägheit und schaffte ein neues Jens Lönneker, Rheingold Salon Wirtschaftswunder im Kleinen. Es geht also nicht allein um die Ziele – die hatte man beim Berliner Flughafen auch. Noch wichtiger ist die sie Ertrag einbringen. Kurz- bis mittelfristig können Entschiedenheit, diese auch umzusetzen und dafür daher das Setzen auf Bewährtes und der Verzicht auf neue Wege zu finden. Es braucht mehr von diesem Innovationen sogar gewinnbringend sein. Es wird Umsetzungs-Know-how, um die Trägheit zu über- dann weiter mit bestehenden Verpackungen, Pro- winden. Und wir brauchen mehr Research zu Zerstö- dukten oder Werbeformen operiert. Langfristig führt rungs-Skills gegen die Trägheits-Widerstände. es zur Trägheit und zum Stillstand. Der Aufwand und die Kosten für eine Wiederbelebung werden dann umso höher. Immer wieder hinterfragen Das führt zu neuen Fragen und Perspektiven: Welche Widerstände sollten überwunden werden, scheinen Erneuerung mit Entschiedenheit aber unüberwindlich? Welche Herausforderungen Was also tun? Die Vorstellung des deutschen Wirt- machen eigentlich Angst und sollten gerade deswegen schaftswunder-Wiederaufbaus, nach der es möglich angegangen werden? Wann wird es zu bequem: Kön- ist, alles wieder ganz zu machen und zu erhalten, nen hohe Sympathie-Scores in der Marktforschung behindert heute neue Entwicklungen und Innovati- nicht auch bedeuten, dass man sich eben nicht weiter- onen. Das Ideal, alles irgendwie erhalten zu können entwickelt, sondern weiter träge in der Komfortzone und dabei alle einzubeziehen, führt zu Stillstand und bewegt? Innovation braucht eine Challenge – einen Chaos, wie man es am Beispiel von gesellschaftlichen »Teufel«, der überwunden werden muss. n Großprojekten, aber auch in vielen Unternehmen Jens Lönneker beobachten kann. Innovation stört und zerstört das bestehende Ganze, um Neues zu schaffen. Sie braucht dafür Entschiedenheit. Im Kleinen wie im Großen ist es daher wichtig, ein anderes Bewusstsein im Umgang mit dem Bewahren und Bewährten zu schaffen. Das heißt, es muss zum normalen Relevant Set von Ent- scheidern gehören, danach zu fragen, was man ab- schaffen bzw. erneuern müsste. Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich ehrgeizige Ziele zu setzen, die zunächst etwas kosten, bevor sie Gewinn bringen. »Wir wollten der nachhaltigste An- bieter von Outdoor-Bekleidung in Europa werden«, sagte die Preisträgerin des GEM Awards 2021, Dr. Antje von Dewitz. Sie ergänzte: »Das bedeutete, dass n Jens Lönneker ist Tiefenpsychologe so- wie Gründer und Geschäftsführer der Markt und Medienforschungsagentur Rheingold Salon. Er war als Lehrbeauftragter für Foto: Roland Breitschuh die Universität der Künste in Berlin, die Business School Potsdam (BSP) sowie als Gastreferent für die Universität St. Gallen tätig und ist Präsident der G·E·M Gesell- schaft zur Erforschung des Markenwesens.
Medien-Marken für Entscheider Nr. 10 / Oktober 2020 11 DAS MAGAZIN FÜR MARKENFÜHRUNG Nr. 3/21 www.publicmarketing.eu markenartikel Jahrgang 15 Das Magazin für Kommunikation und Medien Nr. 11 • 15.3.21 2020 public marketing Healthcare Marketing Das Fachmagazin für Gesundheitsmarken Neugeschäft funktioniert StaDt- OTC-Marken aM trotz Corona POinT Of Sale Zentrum kommunikationswege in die apotheken der zukunft Mediaplanung rklima Medien strategisch verzahnen Agentu Foto: Oksana-AdobeStock/Public Marketing Purpose: Greenwashing oder Brand-Portale: App-Store Werkzeug: Wiesemann 1893 COVER DES MONATS PRESSE-VERTIEB Schlüssel zur Transformation? für die Marke will die Branche aufmischen 'Psychologie Heute' überzeugt mit Die Top-20-Vertriebs-Champions unter aufmerksamkeitsstarker Illustration- Deutschlands ChefredakteurInnen Das Magazin für Das Fachmagazin für Das Magazin für Kommunikation Das Magazin für Markenführung Pharma-Marketing im öffentlichen Sektor Kommunikation und Medien www.markenartikel-magazin.de www.healthcaremarketing.eu www.publicmarketing.eu www.new-business.de Nr. 1 / März 2021 PRESSEREPORT 03 powered by Healthcare Marketing CP monitor AusgAbe 3/19 • www.cp-monitor.de Dental Marketing 1 / 2021 EINZELHANDELSMAgAZIN füR PRESSE, TAbAk & CoNvENIENCE 2021 Magazin Für Content Marketing d er neu e v er t r ieb Magazin für Pressevertrieb und Content-Erlöse / Februar 2021 Das Fachmagazin für Dental-Marken der vertrieb ist unsere wichtigste erlös-Quelle Was kommt Philipp Welte Was bleibt Was geht Vorstand Hubert Burda Media Facts & Figures Einzelverkauf neu denken 15 Jahre CP Monitor Foto: ABC Vector - stock.adobe.com Wie Gesamtvertriebsleiter Mario Lauer, Chefredakteur Wolfgang Krach und Einzelverkaufsleiter Norbert Weger die Süddeutsche Zeitung neu aufstellen Das Fachmagazin für Das Magazin für Pressevertrieb Das Fachmagazin für Presse, Das Magazin für Dental Marketing und Content-Erlöse Tabak und Convenience Content Marketing www.dentalmarketing-magazin.de www.dnv-online.net www.presse-report.de www.cp-monitor.de vision Nr. 2/ April 2020 .R $EZEMBER transfer *AHRGANG Medien Dx R 4/2020 | 17. Jahrgang Wirtschaft Europe Businessmagazin für Breitband, IPTV, Kabel und Satellit e Zeitschrift für Kommunikation und Markenmanagement Perspektiven der digitalen Transformation | Wirtschaftlichkeit parallelen Classical Conditioning in r bo e M the Era of Digitalization .d Glasfaserausbaus x o b d ! #ONTENT !NALYSIS OF #URRENT !PPLICATIONS e .r w IN 3OCIAL -EDIA -ARKETING w Value Based Brands w Werteorientierte Markenführung von Digitalplattformen Münchner Medientage 2020 ! g Panel von Bayerischem Rundfunk und MedienWirtschaft ctin Qualitätsbewertung der angewandten Medienforschung e Analyse der Marktforschungsaktivität im deutschen Werbemarkt n s Ingo Knuth, Thomas Petzold, Hochschule für Medien, Kommunikation und conativeional Wirtschaft, Berlin W Erlösmodelle von Medien- und Internet-Start-ups crefess Eine empirische Untersuchung für die Unternehmer- und Investorenperspektive Uwe Eisenbeis, Hochschule der Medien Stuttgart, und Team pro Die Audiolandschaft im Zeichen der Digitalisierung (III) co AUDIO NOW – Vom Radio zur Audioplattform Die Rolle von Emotionalität Christian Schalt, Chief Digital Officer und Authentizität in Fashion-Blogs RTL Radio Deutschland 7IE KANN EINE EMOTIONALE "INDUNG ZWISCHEN &OLLOWERN UND )NmUENCERN AUFGEBAUT WERDEN In der Rubrik Service Vorgestellt: Das Weizenbaum-Institut – Exzellente Forschung Erfolgsmessung des Influencer-Marketings für die vernetzte Gesellschaft 7ELCHE -ETHODEN KÚNNEN EINGESETZT WERDEN UM QUALITATIVE UND QUANTITATIVE %RGEBNISSE ZU ERHALTEN Praxisstudie: Verlagstrends 2020 – Publisher zwischen (' ""& # " "! ! $"&""& "" !! " ! !" " !"& # "" "" #" ! " '! " !" !"$% !"& ""!"!"'!!' !" ""!" !!!"""! # "" #" ! Coronakrise und Digitalisierungsschub Rechtlicher Blick auf Gerichtsentscheidungen zum Influencer-Marketing 7ELCHE &ALLSTRICKE SIND ZU BEACHTEN | 5G: Herausforderungen und | Neue Installer-App für | Der neue Standard $EUTSCHE 7ERBEWISSENSCHAFTLICHE neue Geschäftsmodelle Netzwerkbetreiber Wi-Fi 6 'ESELLSCHAFT E6 DWG )33. 8 Cover, Edi, Inhalt.indd 1 08.04.2020 15:02:25 Az Red Box 170x240.indd 1 15.07.2014 14:08:43 Das Fachmagazin für Medien- Das Fachmagazin für Kabel, Das Magazin für Kommunikation Connecting Creative management und -ökonomie Satellit, Breitband und Digital-TV und Markenmanagement Professionals www.medienwirtschaft-online.de www.cablevision-europe.de www.transfer-zeitschrift.net www.redbox.de
markenartikel extra 1/2021 108 Deutschlands Wirtschaft morgen Selbstzufriedenheit muss radikal gebrochen werden Der Erfolg von Unternehmen und Marken wird entscheidend durch die Qualität der Führungskräfte und ihrem Verhalten bzw. ihren Ansprüchen geprägt. Der Top-Manager Peter Rikowski legt den Finger in die Wunden und deckt Fehler sowie Fehlverhalten auf. markenartikel: Herr Rikowski, es wird viel geklagt über schlechtes Management, über die Trägheit in Unter- nehmen und über wenig ambitionierte Mitarbeiter. Stimmt das? Treten zu viele Unternehmen auf der Stelle? Peter Rikowski: Diese Klagen höre ich auch, aber diese Feststellungen sind mir zu pauschal. Entscheidend für den Erfolg von Unternehmen sind die Führungskräfte und ihr Spirit. Bevor ich auf diese Faktoren näher ein- gehe, möchte ich den Blick auf die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Situation lenken. Dann lässt sich diese Thematik besser verstehen und ein- ordnen: Wir haben es weit gebracht als Gesellschaft – eigentlich ging es 60 Jahre nur aufwärts. Es gibt viel Wohlstand. Wir konnten zufrieden sein mit dem Erreichten. Es braucht Mut, Neues anzupacken, neue Wehe zu gehen, neue Dinge umzusetzen. Da ist im- mer ein Risiko dabei und es besteht die Gefahr, viel zu verlieren. Im Management vieler Unternehmen war das ähnlich. Es lief es über Jahre ziemlich gut. Da war man nicht gezwungen, etwas zu ändern. Das hat sich seit einigen Jahren radikal geändert. Plötzlich lassen sich Schwächen nicht mehr ignorieren oder ka- schieren. Da brechen erfolgreiche Geschäftsmodelle binnen kurzer Zeit zusammen. markenartikel: Sie sprechen von der Disruption, die durch die Digitalisierung ausgelöst wurde. Rikowski: Es geht tatsächlich um die Disruption und es geht um zusammenbrechende Geschäftsmodel- le. Aber die Aussage, dass die Digitalisierung die Foto: Tchibo Peter Rikowski, Geschäftsführer der Tchibo Coffee Service GmbH in Hamburg
» markenartikel extra 1/2021 Deutschlands Wirtschaft morgen 109 Geschäftsmodelle zerstört, ist totaler Blödsinn. Die Die Geschäftsmodelle werden Geschäftsmodelle werden nicht durch die Digitali- sierung zerstört, sondern von innen heraus. Von den nicht durch die Digitalisierung Führungskräften des Unternehmens, weil sie aufge- zerstört, sondern von innen hört haben, auf ihre Kunden und deren Pain Points heraus. Von den Führungs- zu gucken. kräften, weil sie aufgehört markenartikel: Das müssen Sie näher erklären. haben, auf ihre Kunden und Rikowski: Gerne. Da greife ich auf eines meiner Lieb- lings-Charts zurück. Da finden sich Branchen wie Vi- deren Pain Points zu gucken. deo-Kameras, Foto-Apparate, Navigationssysteme, Peter Rikowski, Tchibo Coffee Services Wecker sowie Organziser oder Namen wie Nokia, Filofax, Time/System oder Tom-Tom. Und ich frage Sie, was haben die gemein? markenartikel: Ein düsteres Bild, das Sie vom Top-Ma- nagement malen. Spielt sich das so in allen Unterneh- markenartikel: Diese Produkte sind alle weg vom Fenster. men ab? Rikowski: Ja und alle waren einmal Big Player oder Rikowski: Natürlich gilt das nicht generell. Sie wollten sogar Weltmarktführer – über viele Jahre. Die Füh- wissen, was Führungskräfte hindert, die richtigen rungskräfte in diesen Unternehmen freuten sich über Schritte zu tun. Ich habe die wichtigsten Gründe für den Erfolg, über die guten Zahlen. Sie fühlten sich das Scheitern genannt. Besonders anfällig sind ma- unangreifbar. Dann kam ein neues Gerät – das iPho- nagement-geführte Großkonzerne. Die neigen zur ne. Keiner der Top-Manager hat gemerkt, welche Ge- Eigenverwaltung oder besser gesagt zur organisier- fahr da lauert. Keiner hat erkannt, dass das iPhone ten Un-Verantwortlichkeit. Da gibt es viele Kästchen, das Ende ihres erfolgreichen Geschäftsmodells oder viele Schnittstellen. So wird die Verantwortung ver- gar das Ende des Unternehmens bedeuten wird. Diese und aufgeteilt. Aber tatsächlich verantwortlich ist in Führungskräfte haben sich nicht genug hinterfragt. den Großkonzernen niemand mehr. Das ist wie beim Sie haben sich nicht genug mit ihren Kunden und de- Tennis-Doppel. Der Ball kommt in die Mitte und für ren Bedürfnissen beschäftigt. das Doing fühlt sich keiner zuständig. Eine ganz ande- re Kultur haben Sie in der Start-up-Szene. Das herrscht markenartikel: Was hat die Führungskräfte daran gehin- ein Unternehmer-Spirit, da spürt man den Mut der dert? Gründer und die Agilität der Teams. Ähnlich sieht es Rikowski: Es gibt da nicht einen einzigen Grund, son- in Familienunternehmen aus, in denen der Inhaber dern mehrere. Ich beginne einmal mit der Selbstzu- oder die Inhaberin noch selber aktiv ist. Da werden friedenheit. Das Top-Management freut sich über den auch unangenehme Dinge beim Namen genannt, da Erfolg und die Erfolgssträhne. Hinweise auf mögliche werden Organisationen umgebaut, wenn sie zu behä- Gefahren werden gerne ignoriert, weil sie schlechte big geworden sind bzw. nicht schnell genug agieren. Stimmung verbreiten. Es schwimmt sich ja gut auf der Welle des Erfolgs. Ein weiterer Grund sind die markenartikel: Wo kommen die Unterschiede her? Benchmarks. Man vergleicht sich, sein Unternehmen Rikowski: Ursächlich ist das eine Frage der Mentalität und seine Produkte mit dem Wettbewerb. Wenn sich und der Einstellung. Für Führungskräfte gilt der Be- da keine bedrohlichen Negativ-Abweichungen er- griff 'Beginner’s mind' aus dem Zen-Buddhismus. Sie geben, lehnt sich alles entspannt zurück. Die Welt sind und bleiben beruflich ein Leben lang Schüler. scheint in Ordnung zu sein. Man bewegt sich ja im Diese Haltung ermöglicht es ihnen, offen und neu- Benchmark. Dann gibt es noch das Thema Compli- gierig zu sein. Bei Gründern und Unternehmern oder ance und die Compliance-Vorschriften. Die gilt es Inhabern findet man die Eager-to-learn-Mentalität. einzuhalten. Das heißt, Vorgänge werden gemäß der Dank dieser Wissbegierde schauen sie immer einen Compliance-Regeln überprüft. Das dauert, denn so Schritt weiter. Das ist in großen Organisationen häu- lange heißt es, still zu halten. Wir dürfen auch die fig anders. Da wird ungern der Kopf aus der kon- Null-Risiko-Kultur nicht vergessen. Wer Risiken ein- formen Masse gesteckt. Da steht das Prinzip der Ab- geht, dem passieren auch Fehler. Die Fehler fallen auf sicherungspolitik ganz oben auf der Tagesordnung. und derjenige, die Person, die den Fehler gemacht Hier spiegelt sich auch eine gesellschaftliche Entwick- oder zu verantworten hat, fällt ebenfalls. lung wider. Wir wollen keine Verantwortung über-
markenartikel extra 1/2021 » 110 Deutschlands Wirtschaft morgen Orientiere dich nicht am Wettbewerb, sondern an den Bedürfnissen deiner Kunden. Klavier im Raum. Diese Denke lebt in der Start-up- Peter Rikowski, Tchibo Coffee Service Szene und auch in Familienunternehmen. markenartikel: Können Sie da konkrete Beispiele nennen? Rikowski: Gerne. Das erste stammt aus dem Haus, für nehmen, wir scheuen das Risiko. Das sieht man auch sich ich seit 2009 wieder tätig bin. Als ich damals von in der gegenwärtigen Corona-Debatte. Wer hier eine Bitburger zurückkam, hatte die Finanzkrise zuge- eigene Meinung äußert, läuft Gefahr, dass draufge- schlagen und auch Tchibo schlechte Zahlen beschert. hauen wird. Dann kommt das Narrativ der Querden- Überall war Sparen angesagt. So kam auch der Vor- ker und es wird alles platt gemacht, was nicht dem schlag auf den Tisch, dass wir beim Kaffee-Einkauf Mainstream entspricht. circa 50 Millionen Euro sparen könnten, wenn wir bei der Qualität nur geringe Abstriche machen wür- markenartikel: Was bedeutet das? Wie kann man dieses den. Beim Geschmack würde man das nicht merken. Problem lösen? Für den Inhaber war das keine Option. Er entschied Rikowski: Das bedeutet zunächst einmal, dass wir früher sich für das Gegenteil und erhöhte die Qualität. anfangen müssen mit dem Thema Eigen-Verantwor- Damit konnten wir mit den Tchibo-Produkten den tung. Die wird uns genommen. Man bekommt ge- ‚Pepsi-Test‘ machen. Das haben wir kräftig bewor- sagt, was gut und was schlecht für einen ist. Dadurch ben. Und die Verbraucher überzeugt. Stellen Sie sich verliert der Einzelne die Verantwortung für sich und mal vor, ein CEO würde dem Aufsichtsrat mitteilen: sein Handeln. Hier ist die Politik gefordert. Ich als Uns steht das Wasser bis zum Hals, jetzt kippen wir Manager bin im Unternehmen gefordert. Generell noch was drauf. Der CEO wäre sofort weg. gilt die Faustformel: je kleiner jünger und inhaberge- führt, desto agiler und mutiger. Nach diesem Prinzip markenartikel: Und Ihr zweites Beispiel? breche ich große Unternehmen oder Organisation in Rikowski: Das ist aktueller. Es geht um die Marke Pelo- kleine Pieces auf. In kleine, selbstständige Einheiten ton. Die Manager haben die Bedürfnisse ihrer Klientel mit einem Kapitän an der Spitze. Der bekommt von erkannt: Fitness unter Corona-Bedingungen. Fitness mir die Doppel-Null-Lizenz. Und die Schnittstel- für Leute, die ein Faible für Personal Trainer haben len werden weitgehend gekappt. Das nenne ich die und sich messen wollen. Denen die Studiobedingungen Speedboat-Politik. Am besten funktioniert die mit ein Gräuel sind. Peloton liefert nicht nur ein simples neuen Projekten. Sportgerät, sondern ein Programm mit allem Drum und Dran. Man kann sich seinen Personal Trainer aus- markenartikel: Wie finden Sie die Kapitäne bzw. identifi- suchen und dann Sport machen, wenn es einem passt. zieren Sie die richtigen Führungsfiguren? Man kann sich die Gruppe aussuchen, die einem gefällt. Rikowski: Das ist schon eine besondere Herausfor- derung, denn nach dem Muster von früher – mehr markenartikel: Welche Schlussfolgerungen ziehen nun? Geld – funktioniert das nicht. Heute sehen die Be- Welche Empfehlungen haben Sie, damit sich die dürfnisse anders aus. Das gilt es zu akzeptieren. Trägheit überwinden lässt? Trotzdem gelingt es, die Kapitäne zu identifizieren. Rikowski: Orientiere dich nicht am Wettbewerb, son- Ich gebe den Nachwuchsleuten eine Aufgabe, die dern an den Bedürfnissen deiner Kunden. Als Füh- auf den ersten Blick nicht lösbar ist – zum Beispiel rungskraft musst du heute noch wacher, noch schnel- muss ein Klavier, das zu groß für die Türöffnung ler sein. Frage dich, wie du die Pain Points deiner ist, in den Raum gebracht werden. Die eine Gruppe Kunden lösen kannst. Wenn du dich immer nur am setzt sich hin und macht eine Benchmnark-Analyse Durchschnitt orientierst, wenn du zufrieden mit dem mit Excel-Sheets und Befragungen. Die teilt einem bist, was du erreicht hast – mit der Deiner Leistung, dann mit: Das geht nicht. Was Du willst, ist un- mit deiner Marktposition, mit deiner Marktführer- möglich. Die andere Gruppe sucht nicht Rechtferti- schaft – dann hast du als Führungskraft ein Problem. gungen oder Entschuldigungen, sondern schafft eine Das kannst du dir als Führungskraft nicht leisten. Lösung. Dann ist das Klavier auch nicht im Raum, Selbstzufriedenheit muss radikal gebrochen werden. n aber die Klaviermusik ist so zu hören, als wäre das Interview: Peter Strahlendorf
markenartikel extra 1/2021 Deutschlands Wirtschaft morgen 111 Trägheit in Deutschland Es wird viel geklagt über Stillstand, Verzögerungen und Auf-der- Stelle-treten. Über die Ursachen dieser Trägheit in Unternehmen tauschen sich drei Berater aus und zeigen, wie aus Bequemlichkeit, Rücksicht oder Vorschriften gewaltige gordische Knoten entstehen. Jens Lönneker: Der Grundtenor unserer Gesellschaft, auf Lönneker: Auch in Deutschland haben wir aber digital den auch die Wirtschaft abfährt, ist ein Credo, das erfolgreiche Händler – zum Beispiel Zalando. lautet: Alles muss zugelassen werden, niemand darf Strack: Zalando oder international MyTheresa sind benachteiligt werden. Damit kommt man in ein psy- positive Beispiel. Bei diesen Anbietern ist nicht alles chologisches Konstruktionsproblem. Jede Entschie- nur billig, sondern sie sind extrem serviceorientiert denheit bedeutet, dass jemand ausgeschlossen wird. und sehr modern. In Deutschland gibt es viele ur- Umgekehrt heißt das: Wenn wir alle und alles zulas- sprünglich sehr erfolgreiche Einzelhändler wie C&A, sen, kommen wir nicht in eine Entschiedenheit. Wenn Peek&Cloppenburg oder Adler. Die sind alle tot. Der heute in Deutschland eine Brücke gebaut wird, gibt es Möbelhandel wird die nächste Branche sein, die es eine riesige Diskussion, ob sie überhaupt notwendig erwischt. Dort geht es nur um den Preis. Im Handel ist. Im nächsten Moment wird darüber gestritten, wo haben wir viele Branchen, die nicht modern sind und diese Brücke gebaut wird. Dann gibt es Bürgeriniti- nicht mit den Verbraucherinteressen gehen. Da wür- ativen und Gerichtsverhandlungen. So kommen wir de ein Blick nach Asien lohnen, wo es sehr moderne schnell auf einen Bauzeitraum von 15 Jahren. Alles Konzepte gibt – auch mit Blick auf das Sourcing. bleibt am Ende träge stehen. Lönneker: Hier gibt es durch das Lieferkettengesetzt Dr. David Strack: In Deutschland sind wir sehr sensibel hierzulande Bewegung. und schauen immer, wen etwas negativ betreffen Strack: In vielen Teilen ist die Intention des Lieferket- könnte. Das führt zu einem Handlungsstillstand. tengesetzes auch gut. Ein wichtiger Ansatz wäre aber, Diskriminierung ist ein wichtiges Thema, aber wir sich proaktiv mit den Haupterzeugerländern wie müssen aufpassen, dass wir nicht überregulieren China zusammenzusetzen, um Sourcing-Strategien und uns nur in unserer kleinen Welt drehen. Denn zu entwickeln. Stattdessen warten wir ab. Wir igno- der Handel ist ein internationales, globales System. rieren konsequent junge Konsumentengruppen. Im Wir beschäftigen uns hier mit Dingen, mit denen sich Grunde müsste jedes Unternehmen seine Marktfor- andere nicht beschäftigen. Wenn wir uns anschauen, scher auf TikTok loslassen. Ich kenne kein einziges wie sich Handelsmodelle entwickeln und Entschei- Unternehmen, das sich mit TikTok auseinandersetzt. dungsprozesse ablaufen, zeigt sich unsere Trägheit. Wir sitzen in unserem Schneckenhäuschen und igno- Lönneker: Dann könnte man allerdings einwenden, rieren die Welt. Die gesamtpolitische Konstellation, in dass der deutsche Einzelhandel international ein der stark auf »verwalten statt regieren« gesetzt wird, Erfolgsmodell ist. färbt das auf die Unternehmen ab. »Bloß mit keiner Strack: Wenn man auf den Lebensmittelhandel in Erneuerung ankommen« – so lautet die Devise. Deutschland schaut, sieht man, dass manche Dinge Lönneker: Vor Jahren schon habe ich für einen Teeprodu- nur sehr schleppend vorangetrieben werden. Zwei zenten gearbeitet und wir waren für Verpackungen zu- Hauptthemen sind Waste Management und nachhal- ständig. Die Range war lange nicht verändert worden. tiges Sourcing. Die Themen spielen international eine Plötzlich standen sie vor dem Thema, dass sie doch große Rolle, bei uns aber nicht. Das liegt vor allem da- verändert werden musste, weil das Packungsdesign in ran, dass wir im Bereich Digitalisierung nicht so weit die Jahre gekommen war. Doch das Unternehmen hatte sind. Die Angelsachsen sind bei der Abfallwirtschaft über Jahre hinweg die Preise erhöht. In den Tests wurde viel fortschrittlicher, weil sie Vorhersagesysteme ha- nun deutlich, dass die Konsumenten genauer hinschau- ben, die ihnen helfen, Müll zu vermeiden. en, was die Produkte kosten, wenn die Packungen ver-
markenartikel extra 1/2021 112 Deutschlands Wirtschaft morgen ändert wurden. Darüber gerieten sie in ein paradoxes Problem: Wenn ich die Packung nicht verändere, ver- liere ich immer mehr Kundschaft. Wenn ich sie ändere, verliere ich sie aber auch. Es war eine Trägheit, von der man eine Zeitlang sogar profitiert hat und die sich erst Jahre später als problematisch herausstellte. Strack: Ja, das sind Skimming-Strategien. Als ich bei Peter Maeschig, CEO bei Design for Business AG in Düsseldorf: »Es Mediamarkt war und vorschlug, dass man sich als muss sich vieles verändern, aber im Sinne eines konstruktiven Zerstö- rungsprozesses, in dem man sich überlegt, was man erhält und wie Elektronikhändler mit dem Thema Internet stärker man dem Ganzen ein neues Wahrnehmungsspektrum gibt.« beschäftigen sollte, haben alle gesagt: »Wir schreiben ein Rekordergebnis nach dem nächsten. Was willst du eigentlich von uns?« Mir wurde gesagt, dass die Kun- den niemals Unterhaltungselektronik im großen Stil im Netz kaufen werden, weil sie zu erklärungsbedürftig ist. Man hätte eine eigene Digitalisierungsoffensive starten müssen. Vor allem die Schulung und Beratung der Mitarbeiter sind dabei wichtig. Als es anfing, dem Unternehmen schlecht zu gehen, hat man aber als erstes die Schulungskonzepte gestrichen. Die Konsumenten waren teilweise besser informiert als die Mitarbeiter. Warum werden solche Dinge nicht früher proaktiv an- gefasst? Warum fragt man sich nicht kritisch, ob das, was ich dem Kunden anbiete, noch überzeugend ist – und es vor allem auch in Zukunft sein wird? Konzepte müssen für morgen gedacht werden. Lönneker: Ich glaube, wir sind uns einig, dass eine Träg- Jens Lönneker, Gründer und Geschäfts- heit vielfach in den Strukturen vorhanden ist. Es wä- führer der Markt und Medienforschungs- re sinnvoll, sich stärker damit zu befassen, was der agentur Rheingold Salon in Köln: » Wenn wir alle und alles zulassen, kommen wir Grund dafür ist und was man dagegen tun kann. Ei- nicht in eine Entschiedenheit.« ne Empfehlung wäre, Störungsroutinen einzuführen. Was können wir abschaffen? Was muss neu werden? Peter Maeschig: Es gibt zunehmend eine Diskrepanz in den Corporate-Strategien und der Schnelligkeit, mit der sich die Gesellschaft und damit die Kunden verän- dern. Wir haben auf der Geschwindigkeitsachse un- terschiedliche Momenti. Sie haben mit Rheingold den Begriff Hypersensibilität entwickelt. Die jungen Ge- nerationen reagieren viel sensibler auf moralisierende Verhaltenskodizes als es vor ein paar Jahrzehnten der Fall war. Wir haben eine wachsende Schar von Kon- Fotos: Design for Business; Roland Breitschuh; Strack Beteiligungsgesellschaft sumenten, die einen überfunktionalen Nutzen von Produkten und Dienstleistungen erwarten, die für einen wirtschaftlich Denkenden unvorstellbar sind. Wir nehmen Rücksicht auf Befindlichkeiten, die ei- ne Art Lifestyle geworden sind. Jedes Unternehmen sollte mit einer größeren Entschiedenheit über das reden, über das es reden will. Wichtig ist eine erhöhte Einfühlsamkeit. Nicht alles, was man performan- cemäßig gut findet, sollte man auch so sagen. Man Dr. David Strack, Gründer & Managing Partner bei Fengda Finance, Ham- sollte ehrliche Angebote unterbreiten, die jedem Ein- burg: »Warum fragt man sich nicht kritisch, ob das, was ich dem Kunden zelnen das Gefühl geben, dass man sich nicht außer- anbiete, noch überzeugend ist – und es vor allem auch in Zukunft sein halb einer Norm befindet. Wir müssen uns von dem wird? Konzepte müssen für morgen gedacht werden.«
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