REISEBERICHT ARCHITEKTURREISE LYON - bis 5. Mai 2019 Licht schafft Atmosphäre und das Gefühl des Raums sowie den Ausdruck einer Struktur.
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St. Etienne, Firminy © ticket-b Licht schafft Atmosphäre und das Gefühl des Raums sowie den Ausdruck einer Struktur. Le Corbusier REISEBERICHT ARCHITEKTURREISE LYON 1. bis 5. Mai 2019
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Croix-Rousse © a-tour LYON Unsere Architekturreise führte uns in diesem Frühling nach ausgestattet wie eine „ehemalige Schule“ sind die Hoteltüren Lyon. „Eine Großstadt mit menschlichen Dimensionen“. Damit mit ehemaligen Klassenfotos gekennzeichnet, alte Schulbänke wirbt die Stadt und wurde 2016 von den World Travel Awards und Turngeräte stehen in den Aufenthaltsräumen, schwarz als bestes europäisches Wochenendziel ausgezeichnet. Ihr weiss Jugendfilme aus den 50 Jahren laufen am Empfang. Wir Großraum umfasst ca. 2 Millionen Einwohner. treffen uns am Nachmittag in der Hotellobby. Mittwoch, 1. Mai 2019 Lyon Nach einer Vorstellungsrunde lernen wir auch die beiden Der Umbau von Lyon ist im vollen Gange: Architekten Nicolas und Julie kennen, die uns in den nächsten Flaniermeile statt Kaianlage, Park statt Industriebrache, Muse- Tagen ihre Stadt zeigen werden. Nicolas gibt uns eine erste um statt Silos: Die Metropole will zum europäischen Zentrum Einführung in die Stadtentwicklung. Die gut 400 Hektar große für Forschung und Innovation aufsteigen. Altstadt von Lyon erstreckt sich zwischen den beiden Hügeln Croix Rousse und Fourvière bis an die Ufer der Saône. Die ehemalige Hauptstadt der Gallier legt ein lückenloses Außerdem erhalten wir einen Ausblick auf die kommenden Zeugnis über 2000 Jahre Geschichte ab. Für diese Tage. Wir werden den Umbau des alten Lyon, aber auch Lyon kontinuierliche Stadtentwicklung verlieh die Unesco 1998 Confluence, das neue Stadtviertel zwischen den Flüssen der Altstadt den Titel des Weltkulturerbes. Rhône und Saône, kennenlernen. Ein Tagesausflug zu den Le-Corbusier-Bauten in Firminy und La Tourette runden diese Dazu gesellen sich die Namen zeitgenössischer Architekten spannende Reise ab. wie Renzo Piano, Jean Nouvel, Santiago Calatrava und Her- zog & de Meuron. Wir beginnen unseren Stadtspaziergang nahe des Hotels am Hôtel Bulliod, das erste bekannte Bauwerk des Architekten Alle Teilnehmer kommen nach und nach am 1. Mai im Hotel Philibert Delorme von 1536. Im weiteren Verlauf durch die Le College an. Das Hotel macht seinem Namen alle Ehre, Altstadt von Lyon treffen wir auf unzählige Häuser im Stil der 2 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Hochrenaissance. Doch auch die übrigen vorherrschenden generelles Konzept Lyons erläutert, nämlich die Verlegung der Stilrichtungen Flamboyant, Frühklassizismus und französische Parkplätze in Lyon in unterirdische Parkhäuser, um Raum für Renaissance sind vertreten. Lyons Altstadt ist von der Un- Grünanlagen und Plätze zu schaffen. esco als Weltkulturerbe ausgezeichnet und gilt als eine der Das Parkhaus selbst wurde von dem Architekten Michel Targe schönsten und größten erhaltenen Renaissance-Viertel Euro- und Jean-Michel Wilmotte entworfen. Hier im Inneren finden pas. wir das wieder, was wir oben gesehen haben: einen riesigen Weiter geht es zum Place des Terreaux von Christian Drevet Spiegel, der die Rotunde des Parkhauses mit den bogenar- (Architekt) und Daniel Buren (Künstler) von 1994, der sich tigen Ausschnitten reflektiert. gerade im Umbau befindet. Nicolas erklärt die Instandhal- tungsmaßnahmen und natürlich auch den berühmten Brunnen Am Place de la Comédie befindet sich die von Jean Nouvel des Bildhauers Bartholdi. Wir erfahren, dass der Brunnen umgebaute Opera National de Lyon. Die Oper wurde in den ursprünglich für die Stadt Bordeaux entworfen wurde, denn 90er Jahren von Nouvel komplett renoviert beziehungswei- die Darstellung symbolisiert den Fluss Garonne und die se entkernt und neu gestaltet – von außen deutlich sichtbar Nebenflüsse, hat also mit Rhône und Saône gar nichts zu tun. durch das halbrunde Dach, das im Dunkeln rot beleuchtet ist. Von dort aus gehen wir zum Place des Célestines, den Platz Gewöhnungsbedürftig für Besucher und Bewohner, hat Jean vor dem Theater. Nicolas kann uns den Umbau des Theaters Nouvel sehr viel mit der Farbe Schwarz gearbeitet. Sogar die von 2003-2005 durch das Büro Archidev in allen Einzelheiten Rolltreppen sind schwarz. Passend zum wichtigen Lichtkon- erklären, da er selber dort als Architekt tätig war. Besonders zept der Stadt, sind auch hier im Eingangsbereich rote Lichter rührend die Geschichte, das alle am Umbau beteiligten Arbei- aufgehängt. Auch die Poller werden nachts rot beleuchtet und ter zur ersten Vorstellung im neuen Theater eingeladen waren. weisen so den Weg. Eine Installation des Künstlers Daniel Buren auf dem Platz gibt uns Rätsel auf. Nicolas klärt auf, indem er uns in das Parkhaus Über den Place des Jacobines, den Place de la Republique unter dem Platz führt – und damit auf anschauliche Weise ein und den Place de la Bourse geht es weiter bis zum Hôtel Dieu. LYON Parkhaus Ville Urbanne © a-tour 3 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Oper Lyon © Frederic Prochasson 4 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Das Grand Hôtel-Dieu wurde 2011 zum “historischen Denk- Donnerstag, 2. Mai 2019 Croix-Rousse mal” erklärt, wodurch die durchgeführten Restaurierungsar- La Croix-Rousse nennt sich einer der Hügel und das gleich- beiten eine besondere Bedeutung erhielten. namige Stadtquartier. Unser zweiter ortsansässiger Guide, die Im Kern des ambitionierten Projekts stehen Innovation und deutsch/französische Architektin Julie holt uns am Hotel ab die Erhaltung des kulturellen Erbes. Zum neuen Hôtel-Dieu und wir überqueren den Fluss. Danach wollen wir weiter mit gehören ein Hotelkomplex, Geschäfte, Wohnungen und mit dem Bus hinauffahren, müssen aber auf halber Strecke wegen Bäumen bepflanzte Gärten. Überlastung aussteigen. Wir können uns ein schmunzeln nicht verkneifen. Macht nichts, der nächste Bus ist schon da. Das Hôtel-Dieu wurde ursprünglich für Pilger, Arme und Kran- In diesem Viertel wohnt Julie, sie kennt sich also bestens ke gegründet. Später wurde es von Mönchen bewirtschaftet aus. Oben angekommen auf dem Plateau ist es fast wie in und bot in 74 Betten dank dreifacher Belegung Platz für gut einem Dorf, etwas abseits der Großstadt und doch mittendrin. 200 Patienten. Unter den Bischöfen, die in der Renaissance Zentrum des Lebens ist der Marktplatz auf dem Place de la die Verwaltung übernahmen, wurden die mittelalterlichen Mau- Croix-Rousse. ern ersetzt: Es entstanden ein Kloster, eine Kapelle und ein La Croix-Rousse ist ein altes Arbeiterviertel, in dem vor allem damals fortschrittlicher Grundriss in Kreuzform. die Seidenweber ihre Werkstätten hatten. Daher auch die vier Meter hohen Geschoßhöhen im Erdgeschoss. Hier konnten Im 18. Jahrhundert schuf Jacques-Germain Soufflot die die Webstühle an den Deckenbalken aufgehängt werden. In klassizistische Gestaltung entlang der Uferanlagen mit einer den Traboules wurden dann die langen Stoffbahnen der We- majestätischen 327 Meter langen Fassade. Gekrönt wurde das ber ausgerollt. Traboules? Das Wort wird uns in Lyon beglei- Ganze von der „großen Kuppel“, einem Prunkbau mit luftigen ten, denn die Traboules sind eines der Wahrzeichen der Stadt. Räumen, Gärten und Regenwassersammlung. Die Front zur Das Wort stammt aus dem lateinischen transambulare, „durch- Rhône nimmt heute ein Fünf-Sterne-Hotel ein. Dabei wird das gehen“. Die Traboules sind Durchgänge durch Innenhöfe, um Volumen der ursprünglichen Krankensäle genutzt, in denen von einer in eine andere Straße zu gelangen. Sie führen durch die Patienten weit unterhalb der Fenster ruhten, um nicht von Hausflure, Innenhöfe und Treppenhäuser. Sie wurden von den kaltem Luftzug erreicht zu werden: Hier sind Maisonette-Suiten Webern nicht nur zum Ausrollen, sondern auch zum Transport entstanden, unten ein Wohnteil mit Blick auf den Fluss, oben der Stoffe genutzt. Auf diese Weise wurden damals die Stoffe der Schlaftrakt. vor dem Regen geschützt. Der Eingang zum Flussufer wurde wieder geöffnet und die Das Highlight dieses Morgens ist sicherlich die Besichtigung lärmende vierspurige Verkehrsschneise und wichtigste Nord- zweier ehemaliger Seidenweber-Wohnungen, auch Cornu Süd-Verbindung Lyons verkleinert. Die Parkplätze weichen Wohnungen genannt. Julie führt uns durch ein offenes Trep- einer breiten Promenade und einem Bootsanleger für den penhaus (mit Blick bis zum Mont Blanc!) erst in eine Nachbar- innerstädtischen Pendelverkehr. Vielleicht die wichtigste wohnung, dann in ihre eigene. Die Wohnungen sind in etwa Veränderung: Das Haus wurde dank fünf neuer Zugänge zur 75 qm groß. Davon waren damals 50 qm zum Arbeiten und für Flaniermeile, wo Höfe, Gärten und Gewölbegänge sich zu den Webstuhl vorgesehen, durch die hohen Fenster schien die einem harmonischen Ganzen verbinden. Sonne bis zu 14 Stunden am Tag. Spannend, wie zwei Fami- lien diese ungewöhnlichen Wohnungen völlig unterschiedlich Unterwegs erzählt uns Nicolas neben vielen Details zur nutzen. städtebaulichen Situation und Platzgestaltung auch etwas zum Nachdem wir nun durch das Viertel nach unten trabuliert sind, ungewöhnlichen Lichtkonzept der Stadt. Lyon gilt als Vorbild teilt sich die Gruppe. Ein Teil fährt mit Fahrrädern, ein anderer dafür mit Lichtarten und -farben zu spielen und öffentliche dem Bus bis zur Cité International von Renzo Piano. Räume zu inszenieren. Von dem ursprünglich 1918 von Charles Meysson erbauten Von hier aus gehen wir weiter zum Schwimmbad von Lyon, Palais de la Foire ist nur ein einziges Gebäude übriggeblie- das ursprünglich für die erhofften Olympischen Spiele gebaut ben. Hier befindet sich heute das Museum für zeitgenössische wurde. Im Restaurant La Piscine lassen wir den Tag mit einem Kunst. Renzo Piano hat von 1984-2006, also über 22 Jahre, tollen Blick auf die Stadt ausklingen. das Ensemble mit Terrakotta Außenhaut erbaut. Es beher- bergt unter anderem ein Kongresszentrum, Wohnungen und ein Hotel. Am Ende des Komplexes befindet sich ein großer Veranstaltungssaal und nebenan ein 17ha großer Park. 5 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Lyon © a-tour LYON Danach fahren wir weiter nach Villeurbanne. Wir treffen noch Aufzüge. Alle Wohnungen werden über Gänge erschlossen eine weitere Spezialistin, Charlotte, in der Maison de la Projet, und auf ornamentaler Ebene durch dzweifarbigen Fliesen mit die uns dort zuerst anschaulich das Projekt Villeurbanne Motiven an den Eingängen und die Art Deco-Fenster in den erläutert. Treppenhäusern bereichert. Die Stadt verändern, um das Leben zu verändern: Das war Danach geht es noch weiter zum Palais du Travail, das sich das Ziel des sozialistischen Bürgermeisters von Villeurbanne, gegenüber der Rückfassade des Rathauses befindet. Die Dr. Lazare Goujon. Im Mittelpunkt des breit angelegten monumentale Perspektive des gesamten Komplexes wird Projekts stand die Schaffung eines neuen modernen, voll- durch die beiden Gebäude abgeschlossen. Das Rathaus, ständigen Stadtzentrums. Die in einem Stück auf viereinhalb vom Architekten Robert Giroud entworfen, zeichnet sich durch Hektar eröffnete Baustelle wurde von 1931 bis 1935 von der seinen sechzig Meter hohen Glockenturm und seinen strengen damals völlig unbekannten jungen Architektin Môrice Leroux Grundriss aus. geleitet. Der neue Stadtteil umfasste 1.400 preiswerte Wohn- einheiten, ein Verwaltungszentrum, soziale Einrichtungen und Vom Theater aus besuchen wir ein weiteres Parkhaus unter Geschäfte. dem Platz und treten dann nach vielen unterschiedlichen Ein- Im Mittelpunkt des Ganzen: Gratte Ciels, der „Wolkenkratz- drücken die Heimreise mit dem Bus in unser Hotel an. erbezirk“, der zwischen den beiden Weltkriegen als eines der wenigen großen städtebaulichen Projekte in Frankreich galt Lichtspaziergang und für seine Qualität gelobt wurde. Am Abend steht für die Nimmermüden (etwa die Hälfte der Gruppe) noch ein Lichtspaziergang mit Nicolas und dem Licht- Wir besichtigen eine Musterwohnung und Charlotte erklärt uns planer Pierre Morat auf dem Programm. den hohen Komfort der damaligen Zeit: Wasser, Gas, Strom, Die traditionelle Fête des lumières hat jahrhundertealte Fernwärme aus einem Heizkraftwerk, Müllschlucker und Wurzeln. Seit der Schwarze Tod im Jahr 1643 die Region 6 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 La Tourette © Couvent de La Tourette LYON heimgesucht hatte, pilgerten die Einwohner Lyons jeweils am Lichterfestes sowohl gestalterisch wie technisch anspruchs- 8. September zu Ehren der Jungfrau Marie zur Kapelle Notre- volle Lichtinstallationen zu präsentieren. Dame-de-Fourvière. Knapp 200 Jahre später sollte eine Mari- enstatue errichtet werden, die Einweihung musste jedoch we- Freitag, 3. Mai 2019 gen schlechtem Wetter zweimal um vier Wochen verschoben Nach einem ausgiebigen Frühstück starten wir unseren Tag werden. Die Eröffnung schien unter einem schlechten Stern zu ganz im Zeichen von Le Corbusier. Das Picknick von der be- stehen, als sich am 8. Dezember der Himmel plötzlich erhellte. nachbarten Bäckerei wird eingepackt und nach gut eineinhalb Als Dank für das Wunder zündeten die Bewohner Kerzen in Stunden erreichen wir Firminy. ihren Fenstern an und erhellten mit unzähligen Laternen und Öllampen die Stadt. Nirgends in Europa gibt es mehr Bauten von Le Corbusier. Der Ort war einst blühende Kohle- und Industriestadt. Zur Seitdem kann man jedes Jahr um den 8. Dezember herum Erweiterung und Modernisierung sollte hier Wohnraum in in Lyon ein wahres Lichtermeer bewundern, das Spektakel großem Stil geschaffen werden. Es war Corbusiers einziges zieht mittlerweile bis zu vier Millionen Besucher an. Selbst Stadtplanungsprojekt in Europa. Gemeinsam mit einem Archi- das Wahrzeichen über den Dächern der Stadt, die Basilika tektenteam sollte hier die perfekte Stadt des 20. Jahrhunderts Notre-Dame de Fourvière, wird zur Leinwand überraschender entstehen. Lichteffekte. Pierre erklärt uns auf diesem nächtlichen Spaziergang, warum Wir erfahrem von Anne, unserem Guide, die uns schon im letz- Lyon Pionier der ökologischen Lichtplanung ist. Er berichtet ten Jahr begleitet hat, das ein Kulturzentrum, die Kirche St. voller Enthusiasmus von einem langjährigen Projekt Deutscher Etienne, Schwimmbad und Stadion sowie drei Wohnmaschi- und französischer Studierender aus den Fachrichtungen Licht- nen in einiger Entfernung, aber in Sichtweite geplant waren. technik und Architektur, die jährlich in interdisziplinären und Le Corbusier erlebte nur die Fertigstellung des Kulturzentrums, interkulturellen Teams zusammenarbeiten, um im Rahmen des alle anderen Projekte wurden erst nach seinem Tod 1965 zu 7 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Ende gebaut. Von den geplanten drei Unités d’Habitation wur- de nur eine realisiert. Die Stadt verlor zwei ihrer wichtigsten Daran anschließend besuchen wir auf der gegenüberliegenden Einnahmequellen, Eisenerz und Kohleabbau versiegten, und Seite die Kirche St. Etienne. Aufgrund eines Budgetproblems in der Stadt stieg die Arbeitslosigkeit. blieb der Sockel lange Zeit der einzig realisierte Teil der Kir- che. Erst Anfang der 2000er erhielt der ehemalige Mitarbeiter Der Stadtrat beauftragte Le Corbusier 1955 mit dem Bau eines von Le Corbusier, José Oubrerie, den Auftrag zur Fertigstel- Sport- und Kunstzentrums. Das Resultat sind das Maison de lung der Kirche. Über eine seitliche Rampe gelangen wir ins la Culture und ein Stadion, das nicht nur die verschiedenen Innere der Kirche. Die Betonwände werden unterbrochen von Bereiche und Disziplinen vereinte, sondern auch Firminy-Vert verschiedenfarbigen Lichtschlitzen, Lichtstreifen zeichnen (das „grüne“ Firminy, so der Name der Neuplanung) mit der feine Muster an die nackten Betonwände. Der Raum besticht Stadt verbinden sollte. Das Kulturzentrum beherbergt einen durch seine Klarheit und das Spiel von Licht und Schatten. Nur Konzert- und Theatersaal, Bibliothek, Arbeitsräume und Büros. die Akustik, so Anne, ist nicht ideal. Das können wir nachvoll- Vom Stadion aus gesehen scheint das Kulturzentrum aus dem ziehen, denn schon aus wenigen Metern Entfernung ist unser Stein zu wachsen. Ein ganz unterschiedlicher Anblick bietet Guide kaum mehr zu verstehen. Man habe daher die Got- sich von der anderen Seite. Hier wirkt die Betonhaut mit den tesdienste angepasst und sich mehr auf Musik, weniger auf schmalen, vertikalen Fensterschlitzen wie eine musikalische Worte konzentriert. Verständlich. Komposition und so hat es Le Corbusier auch geplant. Zum Abschluss besichtigen wir die Wohnmaschine und ma- Das Stadion wurde nach dem Tod von Le Corbusier von sei- chen uns geteilt in zwei Gruppen auf den Weg. Da wir viele nen Kollegen André Wogenscky und Fernand Gardien Ende Schweizer in unserer Gruppe haben findet eine Führung auf der 60er Jahre fertiggestellt. Die Haupttribüne korrespondiert Französisch statt. mit dem Kulturzentrum, das mit dem Stadion über eine Prome- Die Idee einer gesamten Stadt im Haus, stellte Corbusier nade verbunden ist. bereits 1925 vor. Gebaut wurde in Firminy nur eine von drei La Tourette © a-tour 8 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 La Tourette © Couvent de La Tourette 9 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 geplanten Unités d’Habitation mit ursprünglich 414 Wohnein- an den Erschließungsrundgang. heiten. Drei weitere gibt es in Frankreich und eine in Berlin. Unser Guide Anne erklärt uns zuerst die Absicht Le Corbu- Eine Vorschule und ein Kinderspielplatz auf dem Dach siers, den Sockel anzuheben und so im unteren Bereich Licht kommen hinzu. Beide sind leider inzwischen geschlossen und Durchlässigkeit zu schaffen. Das massive Gebäude be- und können nur im Rahmen unserer Besichtigung erkundet ginnt erst im dritten OG, so wirkt es leichter und man hat auch werden. noch direkt davorstehend Ausblick auf die umgebende schöne Bei unserem Rundgang gehen wir zusammen mit Anne nun Landschaft. auf das Dach. Die Vorschule überrascht mit Licht und Leichtig- keit. Es sieht aus, als wäre gerade nur Pause, und die Kleinen Die „vertikale Stadt“ wie Corbusier sie nannte, ist ein Stahlbe- würden gleich wiederkommen und ihren Tag hier fortsetzen. ton-Skelettbau mit 18 Geschossen. Über sogenannte Straßen Der Blick von hier oben reicht über die grünen Hügel der Au- werden die einzelnen Stockwerke erschlossen. Corbusiers ßenbereiche der Stadt. Idee war es, den Raum von den Bewohnern lebhaft nutzen zu lassen. Anders als in Marseille, wo die Wohnungen privatisiert Auf der Fahrt nach La Tourette essen wir bei angeregten Ge- worden sind und Quadratmeterpreise von 10.000 € (mit Meer- sprächen unser Picknick im Bus und genießen auf den letzten blick) erzielen, ist in Firminy nicht vom Konzept des ehemals Kilometern den Blick auf das ländliche Frankreich. sozialen Wohnungsbaus abgewichen worden. Wir besich- Das Dominikanerkloster Ste-Marie-de-la-Tourette wurde von tigen eine der Wohnungen, die in der ersten Etage Küche 1956 bis 1959 von Le Corbusier erbaut. und Wohnzimmer enthält. Über eine innenliegende Treppe Geführt werden wir von einem der Bewohner auf Zeit, einem gelangen wir ins Eltern- und in die zwei Kinderschlafzimmer jungen asiatischen Dominikanermönch, der seit acht Monaten und zum Bad und WC. Die Appartements sind als Maisonette- in La Tourette lebt. wohnungen konzipiert: in einem Geschoss die ganze Stock- An einem Hang gelegen fügt sich La Tourette in die natürliche werksbreite einnehmend, im anderen die Hälfte mit Anschluss Topographie von den umgebenden Wald und Wiesen ein. LYON La Tourette © a-tour 10 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Place Nautique © a-tour LYON Mächtige Pilotis tragen die Baukörper. Das aus Sichtbeton Samstag, 4. Mai 2019 Confluence errichtete Kloster bildet ein Viereck, das im Norden durch eine Wo noch bis 2003 Fabriken, Lagerhallen und Gleisanlagen schlichte Kirche abgeschlossen wird. Unter den beiden Zim- brachlagen entsteht ein neues Wohn- und Büroviertel mit ho- mergeschossen befindet sich die kreuzförmige Klosteranlage hem Anspruch an nachhaltiger und sozialer Stadtplanung. mit direkter Verbindung zur Kirche und dem Refektorium. Der Die Stadtplanung verantwortete das Atelier Ruelle, die zweite in den Innenhof der Vierflügelanlage in Form eines Kreuzes Phase wurde von Herzog & de Meuron und dem Landschafts- angeordnete Kreuzgang führt zur Kirche aus einfachem Guss- architekt Michel Devigne geplant. Schon heute leben auf 41 beton ohne jeden Schmuck. Das Licht fällt durch vertikale und Hektar 10.000 Menschen, 14.000 Arbeitsplätze gibt es im horizontale Lichtschlitze und „Lichtkanonen“. Viertel Confluence. Da nur noch wenige Mönche im Kloster leben, kann man die Auf dem Teilfeld A3, zwischen der Rue Casimir-Pèrier und schmalen Zellen mit Blick auf die angrenzenden Wiesen und dem neuen Regierungssitz ist, nach dem Masterplan von Wälder auch mieten. Nachdem wir den Model-Grundriss eines Herzog & de Meuron, ein Komplex aus acht Gebäuden unter- Zimmers als Holzmodel im Boden eingelassen vor dem Kloster schiedlicher Nutzung entstanden. Dem Mix aus Wohnen und sehen sind wir froh nachher wieder in unseren etwas Arbeiten haben sich gleich sechs verschiedene Designer und geräumigeren Hotelzimmer zurückzukehren. Architekten angenommen. Heller Beton hat sich während des Entwicklungsprozesses als Nach einer interessanten Führung steigen wir wieder in den maßgebliches Fassadenmaterial fast aller beteiligter Büros he- Bus und fahren zurück nach Lyon, um den Abend bei indivi- rausgebildet. In Abwandlungen, etwa mit Holz wie bei Tatiana duellen Abendessen ausklingen zu lassen. Eine der Teilneh- Bilbao oder mit viel Glas wie bei AFAA (Lyon), kommt er zur merinnen geht sogar Tango tanzen. Verwendung. Wir sehen ein Bürogebäude des Züricher Architekten Chri- stian Kerez’ mit einem klaren Stützen-Raster-System und 11 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Cube von Jakob + MacFarlane © a-tour 12 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 wülstigen Pfeilern, die mit jeder Etagenhöhe immer schlanker Nach einer Kaffeepause gehen wir vorbei am Place Nautique. werden oder Tatiana Bilbaos (Mexiko Stadt) drei verschie- Hier wechseln sich die im Licht changierenden Aluminiumfas- dene Apartmenthäuser, die mit dezent skulpturalen Fassaden saden mit Holz, Glas und halbtransparenten Solarfassaden ab. auffallen. Goldfarbener Beton mit dreidimensional wirkenden Mustern steht neben dunklem Beton, der fast wie Schiefer aussieht. Gemeinsam mit dem Pariser Landschaftsarchitekten Michel Zwischen den Häusern führt uns Nicolas in einen Park und Desvigne legten Herzog & de Meuron den neuen Stadtteil wir finden die zurückgenommene Komposition von Clément um einen öffentlichen Hof an. Eine alte Blumenauktionshal- Vergély Architects. Sieben Gebäude aus Holz und Beton. le im Zentrum des nun mit Laubbäumen und Hochbeeten Rohbeton als einzigartiges Material reagiert auf die fragmen- bepflanzten Innenhofes erhielten sie und ließen den Bestand tierte Geometrie und verleiht dem gesamten Gebäude einen von Didier Dalmas (Lyon) in eine Sportanlage umbauen. Ein massiven und monolithischen Charakter. Die Optik des matten nur über drei Etagen reichender Wohnbau von Manuel Herz Materials mit Fensterläden aus Lärche geben dem Gebäude (Basel) stellt den anderen, niedrigen Teil des Platzes dar. Zu eine besondere Tonalität. diesem ruhigen Inneren des Geländes orientierten die betei- Wir kommen zum Ensemble Le Monolithe. MVRDV gestaltete ligten Büros auch die sechs Wohnbauten. Wie in Lyon üblich hier den Bebauungsplan. Die einzelnen Gebäudeteile wur- sind sie mit großen Balkonen ausgestattet. Während Herzog & den von fünf verschiedenen Büros realisiert: MVRDV, Pierre de Meuron im Inneren des Areals viele Vor- und Rücksprünge Gautier, Manuelle Gautrand, ECDM und Erik van Egeraat. An zuließen schließen sie das neue Viertel zu den umliegenden diesem Ensemble will Confluence exemplarisch zeigen, dass Straßen in geraden Linien ab. verschiedenste Denk- und Gestaltungsprinzipien zueinander- Blickfang des neuen Viertels ist die mit halbrunden Balkonen finden können. und gewölbten Fassaden ausschwingende Architektur des Von dort aus führt uns Nicolas zum Gebäude B2. Hier höchsten und über die Anlage hinausragenden Gebäudes B5, arbeiten die Schweizer Architekten Diener und Diener mit entworfen von Herzog & de Meuron selbst. Clément Vergély zusammen. B5, Herzog & de Meuron © a-tour 13 www.a-tour.de
Reisebericht Architekturreise Lyon vom 1. bis 5. Mai 2019 Musée des Confluences © a-tour Bei der Gestaltung der fünf Gebäude, so Nicolas, wird beson- Dazwischen ein alter, renovierter Zweckbau, La Sucriére, ders auf Nachhaltigkeit der Baustoffe geachtet (Holz-Beton- ein Zuckerspeicher mit zwei riesigen Silos. Der Zuckerspei- Konstruktion, Lehmziegel). Die Gebäude befinden sich gerade cher wurde in den 1930er-Jahren erbaut und 2003 zum im Bau. Biennale d’Art Contemporain umgestaltet. Die Biennale für Laut Roger Diener bietet der B2-Block eine einheitliche Hand- zeitgenössische Kunst in Lyon hat sich seitdem zu einer der schrift und trotzdem individuelle Identitäten. Das Gebäude auf wichtigsten in Europa entwickelt. der Promenade präsentiert eine skulpturale Architektur mit Der Pavillon des Douanes: Das ehemalige Zollgebäude wurde gedrehten Betonstützen in doppelter Geschoßhöhe. von Jean-Michel Wilmotte umgestaltet. Die Verlade- öffnungen für die Güter verwandelte er in Balkone, an der alten Fassade Gleich daneben hat das Büro von Christian de Portzamparc hängen jetzt dunkle Aluminiumvorhänge. den neuen Sitz der Region Auvergne Rhône-Alpes konzipiert. Ein 40.000 Quadratmeter großer Bürokomplex mit viel Grün im Leider fängt es an zu regnen und unsere Schritte beschleu- Inneren. Zuvor war das Hôtel de Région Rhône-Alpes in einem nigen sich. Vor dem Museum passieren wir Le Dark Point, Park. Die parkähnliche Anmutung hat der Architekt in das der ebenso viel Aufsehen erregt wie seine punkig auftre- große Atrium übertragen. tende Schöpferin Odile Decq: Der Stahlskelettbau, mit einer Wir schlendern entlang der beiden Büro-Würfel von Jakob + Schwarz-Weiß Fotos bedruckten Glasfassade, nimmt Bezug MacFarlane. Der Quietschorange Kubus ist eine Neuinterpre- auf die industrielle Vergangenheit des Stadtteils. tation der Formen des Nachbargebäudes: Les Salins du Midi, Dann kommen wir zum Endpunkt des neuen Viertels, “Conflu- einem alten Salzdepot. ence“. Hier ein schöner Platz am Schriftzug „Lyon“ für ein In dem in Knallgrün gehaltenen Pendant ist die Zentrale von abschließendes Gruppenfoto, denn hier, am Zusammenfluss Euronews untergebracht. Beide Würfel habe Fassaden aus von Rhône und Saône, endet unsere Architekturreise. fein gelaserten Stahlblechen. Aber vorher erläutert Nicolas noch die Grundzüge des Ge- bäudes der Wiener Architekten Coop Himmelb(l)au, die das 14 www.a-tour.de
Gruppenbild © a-tour LYON neue Musée des Confluences entwarfen. Nicht weniger als die Entstehung des Universums und des Lebens auf unserem Haben Sie Lust bekommen und Planeten, die Geschichte der Menschheit und ihrer Gesell- möchten nach Lyon zu reisen? schaften sowie die Frage eines Lebens nach dem Tod werden in den Dauerausstellungen behandelt. Die Außenhaut der sogenannten “Wolke“ besteht aus 3 mm starken, glasperlengestrahlten Edelstahlplatten. Durch diese spezielle Oberflächenbehandlung werden das Licht und die Farben der Umgebung reflektiert. Das Eingangsgebäude des a-tour travel GmbH Kristalls ist frei zugänglich. Über eine Rolltreppe, eine Treppe Dipl.-Ing. Antje Seele & Architekt Torsten Stern und eine spiralförmige Rampe gelangt man in den Donnerstraße 5 „Espace liant“, eine Verbindungsstraße, an der links und rechts 22763 Hamburg die einzelnen Ausstellungssäle angeordnet sind. Tel. +49 40 - 23939717 Wir haben Glück auf dem Rückweg zu Fuß klart der Himmel wieder auf und Confluence erlaubt noch ein paar Fotos bei Sonnenschein. Dann geht es mit dem Vaporetto, einem klei- nen Boot, zurück in die Innenstadt. Merci Nicolas und Julie für diese spannende und abwechslungsreiche Reise! reisen@a-tour.de www.a-tour.de 15 www.a-tour.de
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