REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...

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REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
RepertoirePluS
    Plurilinguale Sprachrepertoires
Südtiroler SchülerInnen: Erhebung,
        Beschreibung und Nutzung
 in mehrsprachigen Lernszenarien

            Abschlussbericht 2020
REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
RepertoirePluS
Plurilinguale Sprachrepertoires                                                                            Inhalt
Südtiroler SchülerInnen: Erhebung, Beschreibung
und Nutzung in mehrsprachigen Lernszenarien

Abschlussbericht 2020

Institut für Angewandte Sprachforschung
Eurac Research
Juni 2020
                                                                                                           5    1   Überblick
https://repertoireplus.eurac.edu/
                                                                                                           6        1.1 Das Projekt
                                                                                                           6        1.2 Partner und Finanzierung
                                                                                                           6        1.3 Kontext und theoretischer Hintergrund

                                                                                                           8    2   Forschungsdesign
IMPRESSUM                                                 AUTORINNEN
                                                                                                           9        2.1 Ziele
                                                          Dana Engel, Verena Platzgummer, Lorenzo Zanasi
Wir danken der Autonomen Provinz Bozen für die                                                             9        2.2 Stichprobe und Methodik
Finanzierung des Projekts RepertoirePluS (Landesgesetz    WISSENSCHAFTLICHE VERANTWORTLICHE                10       2.3 Sprachrepertoires beschreiben:
Nr. 14 der Autonomen Provinz Bozen vom 13. Dezember       Andrea Abel
                                                                                                                         Fragebogen-Erhebung (Frühjahr 2017)
2006). Wir danken auch der Stiftung Südtiroler Spar-
kasse für die Finanzierung der Doktorarbeit von Verena    DIREKTOR EURAC RESEARCH                          11       2.4 Sprachrepertoires aktivieren:
Platzgummer im Rahmen des Projekts.                       Stephan Ortner                                                 Sprachendorf-Erhebung (Frühjahr 2018)
                                                                                                           12       2.5 Über Sprachportraits reflektieren:
Weiterhin danken wir Joanna Barrett für ihre wertvolle    GRAFIK
Mitarbeit an der Sprachendorfstudie und der Projektdis-   Alessandra Stefanut                                            Fokusgruppeninterviews (Frühjahr 2018)
semination und danken zudem Olga Lopopolo für ihre
gründlichen Analysen und wertvollen Beiträge für die      FOTOS
Abschnitte 3.2 und 3.3 des vorliegenden Berichts.         5: Adobe Stock/Christian Schwier
                                                          8: Adobe Stock/FOTO SALE                         13   3   Ergebnisse
Die teilweise oder vollständige Wiedergabe des Inhalts    13: Adobe Stock/mrmohock                         14       3.1 Beschreibung des Umfangs von Sprachrepertoires
ist nur unter Angabe der folgenden Quelle gestattet:      17: Eurac Research
                                                                                                           16       3.2 Sprachrepertoires im Sprachendorf aktivieren
Engel, D., Platzgummer, V., Zanasi, L. (2020). Reper-     28: Adobe Stock/Christian Schwier
toirePluS - Plurilinguale Sprachrepertoires Südtiroler                                                     18       3.3 Zusammenführung: Triangulation-Fallstudie
SchülerInnen: Erhebung, Beschreibung und Nutzung in       INFORMATIONEN                                    25       3.4 Sprachrepertoires und Positionierungen: ein Dissertationsprojekt
mehrsprachigen Lernszenarien. Abschlussbericht 2020.      Eurac Research
Bozen, Eurac Research.                                    Drususallee 1
                                                          39100 Bozen - Italien
                                                          Tel: +39 0471 055 055                            28   4   Abschließende Bemerkungen
                                                          Fax: +39 0471 055 099
                                                                                                           29       4.1 Diskussion
                                                          E-mail: linguistics@eurac.edu
                                                                                                           30       4.2 Highlights der Projektaktivitäten in Wissenschaft und Praxis
                                                                                                           30       4.3 Schlussfolgerungen und Ausblick

                                                                                                           32       Literatur
AUTONOME          PROVINCIA
  PROVINZ         AUTONOMA
   BOZEN          DI BOLZANO
 SÜDTIROL         ALTO ADIGE

PROVINZIA AUTONOMA DE BULSAN
           SÜDTIROL

                                                                                                                                                                                           3
REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
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REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
Sprachrepertoire                                           Plurilinguale Kompetenz
1 Überblick                                                                                                             Das sprachliche Repertoire (oder Sprachrepertoire)
                                                                                                                        wird als ein Ganzes verstanden, das Sprachen, Dialek-
                                                                                                                                                                                   Plurilinguale Kompetenz beschreibt die Fähigkeit,
                                                                                                                                                                                   in drei oder mehr Sprachen zu kommunizieren,
                                                                                                                        te, Stile, Register, Codes, kurz alle Routinen umfasst,    und beinhaltet Sprachenwechsel, Codeswitching,
                                                                                                                        welche die Interaktion im Alltag prägen. Mit ande-         Sprachenmittlung und Transfer. Diese sprachenüber-
1.1 DAS PROJEKT                                            1.2 PARTNER UND FINANZIERUNG                                 ren Worten: Es umfasst alle sprachlichen Mittel und        greifenden Aktivitäten bilden die Brücke zwischen
                                                                                                                        Ressourcen, auf die SprecherInnen in spezifischen          den genutzten Sprachen. Sie können als Fertigkeiten
Das Projekt „RepertoirePluS“ (August 2016 - Dezember       Das Projekt „RepertoirePluS“ wurde von den drei Süd-         Interaktionen zurückgreifen können, um (soziale)           gelehrt und gelernt und in mehrsprachigen Situati-
2019) wurde ins Leben gerufen, um die sprachlichen         tiroler Bildungsdirektionen (Deutsche Bildungsdirek-         Bedeutung herzustellen (vgl. Busch 2012).                  onen als kommunikative Strategien genutzt werden
Repertoires von Südtiroler SekundarschülerInnen im Al-     tion, Direzione Istruzione e Formazione italiana und                                                                    (vgl. Henning & Schlabach 2018).
ter von 12 bis 15 Jahren zu untersuchen. Das Projekt um-   Intendënza y Cultura ladina) unterstützt. Brigitta Busch
fasste sowohl Schulen mit Deutsch oder Italienisch als     (Universität Wien), Britta Hufeisen (Technische Univer-      Multi-Kompetenz
Unterrichtssprache als auch Schulen in den ladinischen     sität Darmstadt) und Marina Chini (, Universität Pavia)     Multi-Kompetenz ist nicht einfach die Summe von            Plurilinguale Kompetenz beurteilen
Tälern. Die Forschungsfragen des Projekts lauteten:        begleiteten das Projekt als wissenschaftliche Beraterin-     zwei oder mehr Sprachen, sondern wird definiert als        Plurilinguale Kompetenz kann im Rahmen von
                                                           nen.                                                         die Kenntnis von mehr als einer Sprache durch eine         Settings beurteilt werden, die speziell als mehrspra-
•   Wie vielfältig sind die sprachlichen Repertoires von                                                                Sprecherin oder einen Sprecher. Dabei geht man             chige Szenarien gestaltet wurden und Aktivitäten wie
    SchülerInnen in Südtirol?                              Das Projekt wurde von der Autonomen Provinz Bozen            davon aus, dass jemand, der zwei oder mehr Sprachen        Mediation, Interkomprehension sowie polyglotten
•   Welche Art von plurilingualen Kompetenzen haben        finanziert (Landesgesetz Nr. 14 der Autonomen Provinz        beherrscht, über eine eigenständige mehrsprachige          Dialog beinhalten (vgl. Lenz & Berthele 2010):
    sie?                                                   Bozen vom 13. Dezember 2006). Die Stiftung Südtiroler        Kompetenz verfügt und dies nicht als mangelnde             • Strategien zur Mediation können die Kommu-
•   Wie nutzen sie ihr „Plus“ an Mehrsprachigkeit in       Sparkasse stellte zusätzliche Mittel für die Doktorarbeit,   Einsprachigkeit betrachtet werden kann. Die Mul-              nikation und Verständigung zwischen Personen
    interaktiven Lernszenarien und wie reflektieren sie    die Verena Platzgummer im Rahmen des Projekts ver-           ti-Kompetenz ist weder ein Modell noch eine Theorie,          erleichtern, die ansonsten nicht in der Lage wären,
    diese Erfahrung?                                       fasst, zur Verfügung.                                        sondern vielmehr eine Gesamtperspektive: Sie ver-             erfolgreich direkt miteinander zu kommunizieren.
                                                                                                                        ändert den Blickwinkel, aus dem der (Zweit-)Spra-             Als sehr spezifische Arten von Mediation werden
Die Antworten auf diese Fragen sind für die Weiterent-                                                                  cherwerb betrachtet wird. Sie stellt eine ganzheitliche       das exakte Übersetzen oder das Dolmetschen
wicklung der Mehrsprachigkeitsdidaktik von zentralem       1.3 KONTEXT UND THEORETISCHER                                Interpretation der Mehrsprachigkeit im Gegensatz zu           meist nicht dazugezählt.
Interesse. Unsere Studie im Rahmen von „Repertoi-          HINTERGRUND                                                  einer einsprachigen „fraktionierten“ Interpretation dar    • Der polyglotte Dialog beinhaltet die Verwendung
rePluS“ zeigt auf, wie Umfang und Nutzung von Sprach-                                                                   (vgl. Cook 2016).                                             von zwei oder mehr Sprachen oder Varietäten im
repertoires beschrieben werden können, und kann so         In vielen mehrsprachigen Regionen wie der Autono-                                                                          mündlichen zwischenmenschlichen Austausch
bei der effektiveren Beurteilung von plurilingualen        men Provinz Bozen, in denen SchülerInnen nicht nur                                                                         (produktiv oder rezeptiv). Meistens verwenden
Kompetenzen und bei der Planung von Mehrsprachen-          über Kenntnisse in zwei oder drei Landessprachen,            REPA (2009, 2012)                                             die Gesprächsteilnehmenden eine ihrer stärks-
curricula und dem Unterrichten nach mehrsprachigen         sondern auch in anderen Sprachvarietäten und/oder            Der Referenzrahmen für Plurale Ansätze (REPA) ist ein         ten Sprachen und sind in der Lage, die von ihren
Ansätzen unterstützen.                                     vielen anderen Fremd- oder Herkunftssprachen be-             Instrument zur Unterstützung der Entwicklung von              GesprächspartnerInnen verwendeten Sprachen
                                                           sitzen, werden Initiativen ergriffen, um integriertes        plurilingualen und interkulturellen Kompetenzen auf           zu verstehen, sodass eine Interaktion stattfinden
                                                           Sprachenlernen stärker zu fördern. Weder die integrierte     allen Bildungsebenen. Er enthält eine systematische           kann.
                                                           Sprachdidaktik noch die Entwicklung darauf basieren-         Darstellung von plurilingualen und plurikulturellen        • Strategien zur Interkomprehension ermöglichen
                                                           der Mehrsprachencurricula bauen jedoch umfassend             Kompetenzen und Ressourcen für Wissen (savoir), Ein-          es Lernenden, auf (schriftliche) Texte in Sprachen
                                                           auf den plurilingualen Kompetenzen der SchülerInnen          stellungen (savoir-être) und Fertigkeiten (savoir-faire)      zuzugreifen, die sie zwar nicht gelernt haben, die
                                                           auf, da es schwierig ist, die Gesamtheit ihrer sprachli-     und soll die Arbeit von Lehrpersonen bei der Entwick-         aber mit Sprachen verwandt sind, die bereits in
                                                           chen Repertoires und deren Potenzial zu erkennen und         lung, Planung und Evaluierung von Unterrichtsma-              ihrem sprachlichen Repertoire vorhanden sind.
                                                           zu beschreiben. Aus diesem Grund ist es notwendig,           terialien und -aktivitäten unterstützen. Das wissen-
                                                           das gesamte Spektrum der sprachlichen Ressourcen zu          schaftliche Fundament des REPA bietet Lehrpersonen
                                                           operationalisieren, doch keines der bis dato verfügbaren     eine Ausgangsbasis, um ihren Unterricht nach den           Sprachendorf
                                                           Instrumente zur Einschätzung von Sprachkenntnissen           neuesten Erkenntnissen der Mehrsprachigkeitsfor-           Die Methode des Sprachendorfs basiert auf einer
                                                           (z.B. GeRS 2001 und GeRS Companion Volume 2018)              schung zu gestalten.                                       Idee aus der Zweit- und Fremdsprachendidaktik. Das
                                                           erfüllt dieses Ziel. Einen alternativen Ansatz bietet der                                                               Hauptprinzip ist dabei, authentische Sprachsituatio-
                                                           Referenzrahmen für Plurale Ansätze (REPA 2009, 2012),                                                                   nen mit simulierten Alltagssituationen und Aufgaben
                                                           welcher zwar theoretische Deskriptoren für sprachüber-       GeRS-Begleitband (2018)                                    zu schaffen, bei denen die Kommunikation in einer
                                                           greifende Fähigkeiten und Ressourcen mehrsprachiger          Aufbauend auf dem Modell des Gemeinsamen euro-             oder mehreren Sprachen notwendig ist. Ursprünglich
                                                           SchülerInnen bietet, aber noch nicht empirisch validiert     päischen Referenzrahmens für Sprachen (GeRS) soll          als summatives Testverfahren konzipiert, kann das
                                                           wurde.                                                       das neue Referenzinstrument des GeRS-Begleitbandes         Sprachendorf auch als Unterrichtsmethode eingesetzt
                                                                                                                        („Companion Volume“) die Kernbotschaften des GeRS          werden, um für die Lernenden einen Raum zu schaf-
                                                           Im folgenden Abschnitt wollen wir einen Überblick über       aktualisieren und erweitern, indem es Skalen für neue      fen, in dem funktional-kommunikativer und situativer
                                                           die wichtigsten theoretischen Konzepte geben, die die        Bereiche und eine Anleitung mit einer Begründung           Sprachgebrauch geübt und weiterentwickelt werden
                                                           Grundlage des „RepertoirePluS“-Projekts bilden:              für jede Skala bietet, um die Förderung der Mediation      kann. Heute wird die Sprachendorf-Methode auch in
                                                                                                                        innerhalb und zwischen Sprachen und der plurilingua-       der integrierten Sprachdidaktik und zur Förderung von
                                                                                                                        len/plurikulturellen Kompetenz zu unterstützen.            plurilingualen Kompetenzen eingesetzt.

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REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
2 Forschungsdesign

    2.1 ZIELE                                                  2.2 STICHPROBE UND METHODIK

    Im Fokus des „RepertoirePluS“-Projekts stehen die Er-      Insgesamt umfasste die Studie zu „RepertoirePluS“ drei
    hebung und Operationalisierung individueller sprach-       Erhebungsphasen mit folgenden Inhalten und Teilneh-
    licher Repertoires und es wird untersucht, wie diese       menden: eine Fragebogenerhebung zu den Sprachreper-
    in der mehrsprachigen Interaktion verwendet werden.        toires von insgesamt 240 SchülerInnen (vgl. Zanasi &
    Zum einen erforschen und erklären wir den Umfang der       Platzgummer 2018; Zanasi, Platzgummer & Engel 2020)
    sprachlichen Repertoires von Südtiroler SchülerInnen       und eine experimentelle Beobachtung im Rahmen eines
    und untersuchen im Rahmen eines „Sprachendorfs“, wie       „Sprachendorfs“ mit insgesamt 128 SchülerInnen (vgl.
    sie ihr Sprachrepertoire in interaktiven mehrsprachigen    Engel, Barrett, Platzgummer & Zanasi 2020), gefolgt von
    Lernszenarien aktivieren und anwenden. Zum anderen         Fokusgruppeninterviews (vgl. Abb. 1).
    erforschen wir, inwieweit sich die SchülerInnen des
    Umfangs und der Anwendungsmöglichkeiten ihrer              An der Fragebogenerhebung nahmen SchülerInnen
    Repertoires in mehrsprachigen Situationen bewusst          aus Südtiroler Mittel- und Oberschulen jeweils mit
    sind. Wir entwickeln geeignete Instrumente zur Er-         Deutsch oder Italienisch als Unterrichtssprache bzw.
    forschung von Sprachrepertoires und evaluieren, wie        von Schulen in den ladinischen Tälern teil. Die Schüle-
    das Bewusstsein für deren strategischen Einsatz in der     rInnen besuchten die 2. Klasse Mittelschule (7. Jahrgang)
    Mehrsprachigkeitsdidaktik gefördert werden kann.           oder die 1. Klasse Oberschule (9. Jahrgang). Die Schulen
                                                               wurden gemeinsam mit den Projektpartnern an den
                                                               drei Südtiroler Bildungsdirektionen ausgewählt. Als
                                                               Kriterien wurden die Schulart, die Schulsprache(n), der
                                                               Standort und die Bereitschaft zur Teilnahme an einer
                                                               Mehrsprachigkeitsstudie herangezogen. Insgesamt
                                                               wurden sieben Schulen ausgewählt (vier Mittelschulen,
                                                               von denen eine privat finanziert ist, und drei Oberschu-
                                                               len), wobei die Fragebogenstudie dann in zwei Klassen
                                                               jeder Schule und das Sprachendorf mit einer der beiden
                                                               durchgeführt wurde.
                                                               Die erhobenen Daten wurden Übereinstimmung mit
                                                               den Bestimmungen der Europäischen Datenschutz-
                                                               verordnung Nr. 2016/679 (DSGVO) und der nationalen
                                                               Gesetzgebung gesammelt.

2
                   Literaturanalyse

                                         Fragebogen-Erhebung

                                                                                              Daten-Trian-
                                                                                              gulation für
                                               Sprachendorf-Erhebung
                                                                                              integrierte
                                                                                              Ergebnisse

                                                  Fokusgruppeninterviews

    Abb. 1 RepertoirePluS-Forschungsdesign

                                                                                                                      9
REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
2.3 SPRACHREPERTOIRES BESCHREIBEN:                                Hause, in der Schule und in ihrer Umgebung hören und        2.4 SPRACHREPERTOIRES AKTIVIEREN:                               E-Mail zwei oder drei Freizeitaktivitäten vorschlagen, die
Fragebogen-Erhebung (Frühjahr 2017)                               sehen und welche Sprachen und Dialekte sie bei der          Sprachendorf-Erhebung (Frühjahr 2018)                           sie an bestimmten Terminen gemeinsam unternehmen
                                                                  Kommunikation mit verschiedenen Personen(gruppen)                                                                           könnten. Zu diesem Zweck stehen an einem Schwarzen
Im Rahmen der Literaturrecherchen und der konzep-                 sowie in verschiedenen situativen Kontexten, u.a. auch      In Anlehnung an die Prinzipien der Erhebung mehrspra-           Brett etwa zwanzig Freizeitaktivitäten zur Auswahl, die
tionellen Arbeit entwickelten wir einen Fragebogen                im digitalen Bereich, verwenden.                            chiger Kompetenzen (vgl. Lenz & Berthele 2010) wählten          jeweils in den folgenden zwei Wochen in Südtirol statt-
zur möglichst umfassenden Erhebung der sprachli-                                                                              wir ein Setting mit fünf Stationen (vgl. Abb. 3), das folgen-   finden werden. Die Aushänge sind teilweise in Deutsch,
chen Repertoires und der plurilingualen Kompetenzen               Teil D - Umgang mit mehrsprachigen Situationen: In          de Orientierungen in Aufgaben und Materialien beinhal-          in Italienisch, in Ladinisch und in Englisch verfasst.
von Südtiroler Mittel- bzw. OberschülerInnen. 240                 diesem Teil können die SchülerInnen zunächst Informa-       tete: (a) Interkomprehension (rezeptiv; schriftlich): Lösen
SchülerInnen füllten diesen Fragebogen nach eige-                 tionen über die Bedeutung und den von ihnen wahrge-         einer Aufgabe mit Hilfe von Texten in verschiedenen             (c) Polyglot Game
ner Wahl entweder auf Deutsch oder Italienisch im                 nommenen allgemeinen Nutzen ihrer Mehrsprachigkeit          Sprachen, (b) Mediation I (produktiv; schriftlich-schrift-      Das Thema dieser Station ist das „Polyglot Game“, ein
Papier-und-Bleistift-Verfahren aus. Der Fragebogen                angeben, bevor sie beurteilen, wie sie ihre plurilingua-    lich): eine begründete Auswahl aus verschiedenen                Sprachen-Twister-Spiel, das in einem dreiminütigen
bestand aus 47 Items und enthielt sowohl kreative                 len Kompetenzen in bestimmten vorgegebenen Alltags-         Angeboten treffen und eine Empfehlung formulieren,              Werbevideo von Babbel.com präsentiert wird. Die Schü-
Elemente (z.B. eine Vorlage für die Gestaltung eigener            situationen einsetzen würden.                               (c) Polyglotter Dialog I (rezeptiv; mündlich-schrift-           lerInnen sehen sich das Video zweimal an und notie-
Sprachenportraits) als auch geschlossene, halboffene                                                                          lich-mündlich): einem mehrsprachigen Gespräch folgen,           ren zunächst ihre Eindrücke in Einzelarbeit auf einem
und offene Fragen und war in fünf Abschnitte unterteilt           Teil E - Persönliche Metadaten: Am Ende des Fragebo-        ein Inhaltsprotokoll anfertigen und darüber reflektieren        vorbereiteten Protokollbogen. Nach der Erstellung eines
(vgl. Abb. 2):                                                    gens werden die Metadaten der SchülerInnen erhoben,         (d) Mediation II (produktiv; mündlich): sich aktiv an einer     Posters und der Präsentation der Ergebnisse sowie der
                                                                  so auch z.B. den bisherigen Bildungsverlauf und die         mehrsprachigen Gesprächssituation beteiligen und zu ei-         Klärung möglicher offener Fragen folgt eine Spielrunde
Teil A - Sprachenportrait und -biographie: In diesem Teil         Sprachen, die sie in Zukunft lernen möchten.                ner Problemlösung beitragen, und (e) Polyglotter Dialog II      mit dem (nachgebauten) „Language Twister“-Spiel und
können die SchülerInnen ihr Sprachenportrait gestalten                                                                        (rezeptiv; mündlich): sich aktiv und verstehend an einer        eine Diskussion zum Thema „Sollte es mehr Spiele im
und angeben, welche Sprachen und Dialekte bis zum                 Die Fragebögen wurden zunächst digitalisiert, um sie        mehrsprachigen Gesprächssituation beteiligen.                   Sprachunterricht geben?“ in verschiedenen Sprachen
aktuellen Zeitpunkt eine Rolle gespielt haben und auch            für die Auswertung vorzubereiten. Anschließend wurde                                                                        (und Dialekten).
in Zukunft spielen werden.                                        ein Teil der Daten quantitativ mit SPSS analysiert und      (a) Origami
                                                                  ein anderer Teil mithilfe des Programms ATLAS.ti einer      An dieser Station soll eine Bastelaufgabe mit Hilfe von         d) Lost and Found
Teil B - Selbsteinschätzung von Sprachkompetenzen:                qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2003) unterzogen.      Texten in verschiedenen Sprachen gelöst werden. Zu              Diese Station folgt der Logik eines Fundbüros in einem
Nach einer Beurteilung der Kompetenzen in allen für sie           Für die quantitativen Analysen erstellten wir eine          diesem Zweck werden Anleitungen zum Falten eines                Vergnügungspark: Die SchülerInnen nehmen an einer
relevanten Sprachen und Dialekten geben die SchülerIn-            Excel-Matrix, in die wir die Antworten der SchülerInnen     Origami-Fuchses ausgewählt und in fünf Sprachen zur             mehrsprachigen Interaktion teil und werden aufge-
nen auch Auskunft über die Häufigkeit der Verwendung              einfügten und diese dann in SPSS konvertierten. Für die     Verfügung gestellt: zwei aus der germanischen Sprach-           fordert, aktiv zu einer Problemlösung beizutragen. Sie
bestimmter Sprachen, ihre mehr oder weniger bevor-                qualitative Inhaltsanalyse haben wir 10% der Fragebö-       familie (Niederländisch, Schwedisch) und drei aus der           erklären der verantwortlichen Person am Schalter, dass
zugten Sprachen und ihre bisherigen Erfahrungen beim              gen induktiv kodiert und dann ein verfeinertes Kodie-       romanischen Sprachfamilie (Französisch, Rumänisch,              sie ein Gruppenmitglied verloren haben. Die Dame am
Sprachenlernen.                                                   rungssystem auf alle Fragebögen angewendet. Während         Spanisch).                                                      Schalter ist sehr hilfsbereit, spricht Französisch und ein
                                                                  wir in dieser Phase hauptsächlich deduktiv kodierten,                                                                       wenig Englisch und erklärt auch gerne, wie die Grup-
Teil C - Sprachverwendung im Alltag: Dieser Teil befasst          wurden im Verlauf der Datenverarbeitung auch einige         (b) Freetime                                                    pe nun die relevanten Informationen in ein Formular
sich mit Darstellungen rezeptiver und produktiver                 induktive Codes zugewiesen. Die Ergebnisse der quanti-      An dieser Station sollen sich die SchülerInnen vorstellen,      eintragen soll. Die SchülerInnen werden auch gebeten,
Mehrsprachigkeit in Alltagssituationen. Die Schüle-               tativen und qualitativen Analysen wurden dann in einer      dass bald eine Austauschklasse aus Frankreich an ihre           einer hinzukommenden Person zu helfen. Wenn alle
rInnen geben an, welche Sprachen und Dialekte sie zu              Zusammenschau miteinander in Beziehung gesetzt.             Schule kommt und dieser Partnerklasse sollen sie in einer       Informationen gesammelt und in die Formulare einge-

                                                                                                                                                                                                                  LOST & FOUND
                                                                                                                                                                                                          Mediation und polyglotter Dialog:
                                                                                                                                                                                                           Problemlösung in einem mehr-
                                                                                                                                              ORIGAMI                                                            sprachigen Kontext
                                                                                                                                        Interkomprehension:
                                                                                                                                     Anleitungen in verschiede-
                                                                                                                                      nen Sprachen verwenden                                                                          CAFÉ
                                                                                                                                                                                                                          Polyglotter Dialog: an einem
                                                                                                                                                                                                                          informellen mehrsprachigen
                                                                                                                                                                                                                              Gespräch teilnehmen

          Teil A:                    Teil B:                 Teil C:                   Teil D:                    Teil E:
     Sprachenportrait       Selbsteinschätzung von     Sprachverwendung          Umgang mit mehr­               Persönliche                     POLYGLOT GAME
     und -biographie         Sprachkompetenzen              im Alltag          sprachigen Situationen           Metadaten                     Mediation: ein mehr­                                                           FREETIME
                                                                                                                                           sprachiges Spiel verstehen,                                               Interkomprehension und
                                                                                                                                              zusammenfassen und                                                   Mediation: Informationen zu
                    Fragebogen mit 47 items zur Ermittlung des Umfangs der Sprachrepertoires von SchülerInnen                                      diskutieren                                                    Freizeitaktivitäten an eine Aus-
                                                                                                                                                                                                                     tauschklasse übermitteln

Abb. 2 Überblick der Fragebogen-Abschnitte                                                                                    Abb. 3 Überblick über die Sprachendorf-Stationen

10                                                                                                                                                                                                                                                       11
REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
tragen sind, nehmen die SchülerInnen und die Fund-          Reflexionsrunde in Form einer Fokusgruppendiskus-
büro-Mitarbeiterin eine mehrsprachige Meldung über          sion zu beteiligen. Die Interviews waren so angelegt,
die vermissten Personen auf, die dann als Lautsprecher-     dass sich die SchülerInnen über ihre Teilnahme an der
durchsage abgespielt werden kann.                           „RepertoirePluS“-Studie und über ihre Erfahrungen im
                                                            Sprachendorf austauschen und weitere relevante Aspek-
e) Café                                                     te diskutieren konnten (vgl. Abb. 4).
Für diese Station werden die SchülerInnen gebeten, sich     Im Rahmen dieser Fokusgruppeninterviews konnten
vorzustellen, dass sie sich derzeit im russischen Wla-      die SchülerInnen zunächst eine Neubewertung ihrer
diwostok befinden. Sie erhalten von einem Studenten         Sprachenportraits, die sie vor einem Jahr im Rahmen
in der Einkaufsstraße Gutscheine für das neu eröffnete      der Fragebogenerhebung gestaltet hatten, vornehmen.
Café „Trefiloff“. Dann setzen sie sich zu einer anderen     Dabei waren sie dazu aufgefordert, über die Aktualität
Touristin an einen Tisch, die ihnen in ihrer Erstsprache    des Portraits und die darin enthaltenen Informationen
Arabisch bei der Orientierung in der russischen Spei-       zu ihrem Sprachrepertoire nachzudenken, und konnten
sekarte helfen möchte. Wenn die Bestellungen aufge-         auch eventuelle Änderungen vornehmen, die sie für
nommen und alle besonderen Ernährungswünsche                notwendig erachteten. Es folgte eine semistrukturierte
mitgeteilt worden sind, folgt der Smalltalk zwischen        Diskussion über das Sprachendorf, in der es nicht nur
den SchülerInnen und der anderen Touristin. Auch die        um einen allgemeinen Eindruck, sondern auch um eine
Kellnerin gibt während des Wartens auf das Essen gerne      Nacherzählung jeder Station und eine Einschätzung der
Auskunft über die Stadt.                                    kommunikativen und kollaborativen Aufgabenstellun-
                                                            gen, des erlebten Schwierigkeitsgrades und der sprach-
Die Sprachendorf-Erhebung fand in der Zeit vom 22. Fe-      lichen Ressourcen und Strategien ging, die sie während
bruar bis 19. März 2018 bei Eurac Research statt und 128    der Stationen benötigt und angewandt hatten. Am Ende
SchülerInnen (pro Schule die jeweils sprachlich vielfäl-    der Interviews konnten die SchülerInnen schließlich
tigere Klasse der beiden aus der ersten Erhebungsphase)     auch zukünftige und weitere für sie wichtige Aspekte
nahmen daran teil. Die Forschungsaktivität wurde mit        der sprachlichen Vielfalt und Mehrsprachigkeit diskutie-
Audio- und Videoaufnahmegeräten aufgezeichnet, für          ren. So konnte ein möglichst freier Austausch von Ideen
jede der fünf Stationen wurden zwei Audioaufnahme-          erfolgen und es war uns Forschenden auch möglich, neue
geräte (ein in der Kamera integriertes und ein separates    Inspirationen für zukünftige Projekte zu erhalten.
auf jedem Tisch) und eine fest installierte Videokamera     Die SchülerInnen verblieben in den gleichen Gruppen
verwendet. Die Ausrüstung wurde vom „Amt für Film           wie bei den Sprachendorf-Aktivitäten und auch die
und Medien“ zur Verfügung gestellt. Die Daten wurden        Interviewenden waren die gleichen wie an der Station,
auf den Server von Eurac Research übertragen, insge-        an der die jeweiligen Gruppen begonnen hatten. Allen
samt stehen für die Analysen 185 Videos (etwa 50 Stun-      Teilnehmenden stand es frei, Sprache(n) und Dialekt(e)
den Filmmaterial) zur Verfügung.                            je nach eigener Präferenz zu verwenden, auch das Wech-
                                                            seln und Mischen von Sprachen bzw. Dialekten war
                                                            erlaubt. Die Diskussionen wurden ebenfalls aufgezeich-
2.5 ÜBER SPRACHREPERTOIRES                                  net und waren auf eine Dauer von 45 Minuten angesetzt.
REFLEKTIEREN:                                               Die Interviewenden benutzten Moderationskarten, um

                                                                                                                       3
                                                            die Interviews in jeweils gleicher Weise zu strukturie-
Fokusgruppeninterviews (Frühjahr 2018)
                                                            ren, und achteten als ModeratorInnen darauf, dass alle
Nach Abschluss der Sprachendorf-Aktivitäten luden           SchülerInnen ausreichend Möglichkeiten hatten, sich
wir alle teilnehmenden SchülerInnen ein, sich an einer      an der Diskussion zu beteiligen.

                   Reflexion und                       Diskussion der                  Diskussion von Zukunft
                 Modifizierung des                      Erfahrungen                        und Bedeutung
                 Sprachenportraits                    im Sprachendorf                   von Sprachenvielfalt

Abb. 4 Themen der Fokusgruppeninterviews

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REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
Einzigartige Sprach-

3 Ergebnisse                                                                                                                                                                                                                               kombinationen für die
                                                                                                                                                                                                                                            Stichprobe, 30, 12%

                                                                                                                                                                  Italienisch, Deutsch,
3.1 BESCHREIBUNG DES UMFANGS                                                    Abb. 6 gibt einen besseren Einblick in die Kombinatio-                              Englisch, 71, 30%
VON SPRACHREPERTOIRES                                                           nen der Sprachen, die die SchülerInnen nach eigenen
                                                                                Angaben beherrschen. Die häufigste Kombination war
Die Auswertung der Fragebögen zeigt - nicht überra-                             Italienisch, Deutsch und Englisch (30%), gefolgt von                                                                                                                             Von 2-10 SchülerInnen
                                                                                                                                                                                                                                                                    geteilte Sprach-
schend -, dass alle befragten SchülerInnen (n=240),                             Kombinationen dieser drei Sprachen mit Ladinisch                                                                                                                                kombinationen, 48, 20%
mehrsprachig sind und erklärten, mindestens die drei                            (16%), mit Latein (14%) und mit Spanisch (8%). Bemer-
Sprachen Italienisch, Deutsch und Englisch zu spre-                             kenswert ist hier, dass der Rest der SchülerInnen (32%,
chen. Mehr als zwei Drittel der SchülerInnen (69%) spre-                        d.h. etwa ein Drittel) Sprachkombinationen angab,
chen jedoch tatsächlich mehr als diese drei Sprachen:                           die sie mit weniger als 10 anderen SchülerInnen der
44% erklärten, vier Sprachen zu sprechen, 14% fünf                              Stichprobe teilten - tatsächlich gaben 30 SchülerInnen
Sprachen und 10% sprechen sechs, sieben, acht oder                              (12%) Sprachkombinationen an, die in dieser Stichprobe
zehn Sprachen (vgl. Abb. 5).                                                    einzigartig waren. Dies lässt darauf schließen, dass das
Von diesen zusätzlichen Sprachen wurde Ladinisch am                             Sprachrepertoire der SchülerInnen in unserer Stich-                                                                                                             Italienisch, Deutsch,
häufigsten erwähnt: 79 SchülerInnen, d.h. ein Drittel der                       probe sehr vielfältig ist, und während man zwar davon                                                                                                            Englisch, Spanisch
                                                                                                                                                                       Italienisch, Englisch,                                                           18, 8%
Stichprobe, erklärten, auf verschiedenen Kompetenzni-                           ausgehen kann, dass SekundarschülerInnen in Südtirol                                    Deutsch, Ladinisch,
veaus Ladinisch sprechen zu können. Dies ist besonders                          über Sprachkenntnisse in mindestens drei Sprachen                                             39, 16%
interessant, da Ladinisch auch von SchülerInnen er-                             verfügen, gibt es darüber hinaus eine beträchtliche                                                                                   Italienisch, Deutsch,
wähnt wurde, die Schulen mit Deutsch oder Italienisch                           Vielfalt.                                                                                                                           Englisch, Latein, 34, 14%

als Unterrichtssprache besuchten (elf bzw. zwei Schü-
lerInnen). Häufig wurden auch Sprachen genannt, die                             Dieses Bild wird noch komplexer, wenn wir auch die           Abb. 6: Häufigkeit der Kombinationen von selbsteingeschätzten Sprachkompetenzen der SchülerInnen
an Südtiroler Schulen unterrichtet werden, oder auch                            Sprachvarietäten in Betracht ziehen. Dazu gehören
häufige Familiensprachen sind: Latein (57 SchülerIn-                            spezifische Dialekte oder Sprachmischungen, die die
nen), Spanisch (42), Französisch (34), Albanisch (9) und                        SchülerInnen in ihrer Selbsteinschätzung als relevant
Russisch (7). Andere Sprachen traten mit einer geringe-                         erachteten. Insgesamt traten in den uns vorliegenden
ren Häufigkeit auf, umfassten aber eine beträchtliche                           Selbsteinschätzungen 32 verschiedene Varietäten auf.
Vielfalt an Sprachen: Arabisch, Chinesisch, Griechisch,                         Die meisten dieser Varietäten weisen eine Verbindung                                                      Italienisch, Deutsch,
Japanisch, Kroatisch, Portugiesisch (je drei Nennungen),                        zu Standards des Deutschen (z.B. Bayrisch, Schweizer-                                                  Englisch und eine deutsche
Polnisch, Rumänisch, Sardisch, Tschechisch (je zwei)                            deutsch, Wienerisch, Sarntaler Dialekt) oder zur italieni-                                                  Varietät, 26, 11%                                            für die Stichprobe einzig-
                                                                                                                                                                                                                                                         artige Kombinationen von
und Friaulisch, Istrisch, Niederländisch, Norwegisch,                           schen Standardsprache (z.B. Kalabrisch, Romano, Tren-                                                                                                                    Sprachen und Varietäten,
                                                                                                                                                                  Italienisch, Deutsch,
Punjabi, Slowenisch, Ungarisch und Urdu (je eine Nen-                           tino, Sizilien) auf. Andere Varietäten lassen sich nicht                         Englisch, Ladinisch und
                                                                                                                                                                                                                                                                  64, 27%
nung). Insgesamt wurden somit bei der Selbsteinschät-                           ohne Weiteres der einen oder anderen Standardsprache                             eine deutsche Varietät,
zung der Sprachenkenntnisse 29 verschiedene Sprachen                            zuordnen, insbesondere Bronzolotto und Laivesotto (vgl.                                   21, 9%
von den SchülerInnen genannt.                                                   Tartarotti 2010). Auch Varietäten des Ladinischen, des
                                                                                                                                                               Italienisch, Deutsch,
                                                                                                                                                                  Englisch, 13, 5%

                               120                                                                                                                         Italienisch, Deutsch,
                                                     45%                                                                                                 Englisch, Latein und eine
     Anzahl der SchülerInnen

                               100                                                                                                                       deutsche Varietät, 12, 5%

                                80     30%                                                                                                                    Italienisch, Deutsch,
                                                                                                                                                           Englisch, Ladinisch, 12, 5%
                                60
                                                                  15%
                                40                                                                                                                                                                                                                  auf 2-10 SchülerInnen
                                                                               8%                                                                                                                                                                zutreffende Kombinationen,
                                20                                                                                                                                                                                                                         92, 38%
                                                                                            0,4%          1,2%           0,4%
                                 0
                                     3 Sprachen   4 Sprachen   5 Sprachen   6 Sprachen   7 Sprachen    8 Sprachen    10 Sprachen

Abb. 5: Anzahl der SchülerInnen je nach Anzahl der mit Sprachkompetenzen angegebenen Sprachen                                                Abb. 7: Kombinationen aus Sprachen und Varietäten aus der Selbsteinschätzung der SchülerInnen

14                                                                                                                                                                                                                                                                                       15
REPERTOIREPLUS PLURILINGUALE SPRACHREPERTOIRES SÜDTIROLER SCHÜLERINNEN: ERHEBUNG, BESCHREIBUNG UND NUTZUNG IN MEHRSPRACHIGEN LERNSZENARIEN ...
Englischen und des Albanischen wurden genannt.               chen. Die häufigste Kombination in diesem Zusammen-
Abb. 7 stellt die Kombinationen von Sprachen und             hang ist wiederum Deutsch, Italienisch und Englisch
Varietäten dar, in denen die SchülerInnen nach eigenen       (92, d.h. 38%), bei einigen auch eine deutsche Varietät.
Angaben Kompetenzen besitzen, wobei allerdings nur           Viele SchülerInnen geben an, die in der Schule gelernten
zwischen verschiedenen Gruppen an Varietäten (z.B.           Sprachen (Französisch, Spanisch und Russisch) oder
italienisch-, deutsch- oder ladinischbasierte Varietäten)    Familiensprachen (z.B. Albanisch, Polnisch, Rumänisch)
unterschieden wird. Die häufigste Kombination, die von       auch in verschiedenen Freizeitkontexten zu verwenden.
26 SchülerInnen (11%) geteilt wird, ist die aus den drei     Die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung geben auch
Sprachen Deutsch, Italienisch, Englisch und einer deut-      Aufschluss darüber, wie die SchülerInnen ihre eigene
schen Varietät. Weitere Kombinationen, die auf mehr als      Mehrsprachigkeit empfinden und wie sie mit bestimm-
zehn SchülerInnen zutreffen, sind ebenfalls in der Grafik    ten Hindernissen, Herausforderungen und Besonder-
aufgeführt. Die von weniger als zehn SchülerInnen ge-        heiten in selbst erlebten oder hypothetischen Situatio-
nannten Kombinationen belaufen sich unter Berücksich-        nen umgehen (würden). Insgesamt ergibt sich ein sehr
tigung der Varietäten auf fast zwei Drittel der Stichprobe   differenziertes, aber positives Bild: Die überwiegende
(156 SchülerInnen). Bei 64 dieser Befragten (mehr als ein    Mehrheit der Befragten geht selbstbewusst und proaktiv
Viertel der Stichprobe) handelt es sich um einzigartige      mit ihrer Mehrsprachigkeit um. Sie verbinden positive
Kombinationen. Das Ergebnis zeigt einmal mehr eine           Erfahrungen mit dem Erlernen und dem Gebrauch von
sehr große Vielfalt der sprachlichen Repertoires.            Sprachen und sind überzeugt, dass ihre mehrsprachigen
                                                             Kompetenzen auch in Zukunft und in vielen persönli-
Der Fragebogen erlaubte nicht nur Einblicke in die           chen, sozialen und beruflichen Situationen wichtig und
Sprachen und Varietäten, für welche die SchülerInnen         nützlich sein werden.
Sprachkompetenzen angaben, sondern auch in ihren
Sprachgebrauch in verschiedenen Alltagskontexten.                                                                        betrifft, so bestand die Stichprobe aus 13 Gruppen. Bei     nen verwendet wurde - Deutsch oder Italienisch -, ge-
Hierbei haben wir nach ihrer Sprachverwendung in den         3.2 SPRACHREPERTOIRES IM                                    neun von ihnen liegt ein positives Feedback für alle Sta-   folgt von einer ausgewogenen Verwendung der jeweils
Domänen Schule, Zuhause und Freizeit gefragt.                                                                            tionen im Sprachendorf vor, nur bei drei Gruppen war        anderen Sprache und von Englisch und/oder des deut-
                                                             SPRACHENDORF AKTIVIEREN
Die Angaben in den Fragebögen zeigen, dass die Schüle-                                                                   das Feedback gemischt. In den meisten Fällen und im         schen Dialekts. Ladinisch wurde ebenfalls verwendet,
rInnen in der Schule dazu neigen, meistens die an ihren      Für alle 32 beteiligten SchülerInnengruppen wurde           Vergleich zu den Mittelschulgruppen stellten die Stati-     allerdings nur von den SchülerInnen der Mittelschulen.
jeweiligen Schulen unterrichteten Sprachen zu verwen-        eine umfassende Erstanalyse aller vorliegenden Da-          onsleiterInnen fest, dass die SchülerInnen die Aufgaben     Das Sprachen-Twister-Spiel beinhaltete zudem eine frei
den. Eine Ausnahme bilden erwartungsgemäß lokale             ten durchgeführt. Sie sollte einen Ausgangspunkt für        besonders schnell erfassen und bewältigen konnten.          wählbare „Jokersprache“, was viele SchülerInnen moti-
Varietäten des Deutschen: diese werden in der Schule         eine Gesamtbewertung des sprachlichen Handelns der                                                                      vierte, auch andere Sprachressourcen ihres Repertoires
von 101 SchülerInnen der Stichprobe (42%) verwendet,         beobachteten Gruppen auf der Grundlage gemeinsa-            An der Station „Origami“ benutzten die SchülerInnen in      zu aktivieren, wie beispielsweise Französisch, Portugie-
darunter 16 SchülerInnen an Schulen in den ladinischen       mer Indikatoren bieten. Neben einer Zusammenfas-            der Regel die Hauptsprache der Stationsleitung, entwe-      sisch, Russisch, Spanisch und Ungarisch (Mittelschulen)
Tälern und drei SchülerInnen an Schulen mit Italienisch      sung der Ergebnisse der Station umfasste die globale        der Deutsch oder Italienisch, und untereinander auch        und Französisch, Koreanisch, Moldauisch, Norwegisch,
als Unterrichtssprache. Italienische Varietäten werden       Beschreibung und offene Analyse aller Stationen eine        die andere „zweite“ Sprache, den deutschen Dialekt und/     Polnisch und Russisch (Oberschulen).
hingegen nur von vier SchülerInnen der Stichprobe in         Übersicht über alle während der Aktivität verwendeten       oder etwas Ladinisch (Oberschulen). Häufig kam es zu        An der Station „Lost and Found“ bevorzugten die Mittel-
der Schule verwendet. Ausnahmen in Bezug auf andere          Sprachen und Varietäten (Art der Interaktion, Einsatz       sprachlichen Reflexionen über Ähnlichkeiten zwischen        schülerInnen bei der Interaktion mit der Stationsleiterin
in der Schule verwendete Sprachen sind selten: Alba-         der mündlichen und schriftlichen Fertigkeiten, Rich-        verschiedenen romanischen und germanischen Spra-            das Englische, wobei Französisch ebenfalls recht häufig
nisch wurde von drei SchülerInnen und Ungarisch von          tung des Kommunikationsflusses). Wir erstellten auch        chen, und insbesondere in den Oberschulen wurden            verwendet wurde und in zwei Gruppen auch Albanisch
einem Schüler erwähnt, aber beide Sprachen werden            einen Überblick über die auffälligsten Phasen während       weitere Sprachressourcen in Rumänisch, Französisch          hinzukam. Untereinander kommunizierten die Schü-
immer nur in den Pausen und auf dem Schulhof, nicht          jeder Stationsaktivität im Hinblick auf die Verwendung      und Spanisch aktiv von den SchülerInnen genutzt.            lerInnen hauptsächlich in Italienisch, Deutsch oder
aber im Unterricht verwendet.                                der einzelnen sprachlichen Ressourcen und Sprachge-         An der Station „Freetime“ war Englisch die am häufigs-      deutschem Dialekt. Die OberschülerInnen benutzten
Die überwiegende Mehrheit der SchülerInnen (194, d.h.        brauchsstrategien.                                          ten verwendete Sprache für alle SchülerInnengruppen.        hauptsächlich Englisch und Italienisch für die direkte
81%) verwendet zu Hause mehr als eine Sprache, der           Von den Mittelschulen nahmen 19 Gruppen am Spra-            Die Teilnehmenden der Mittelschulen benutzten dane-         Kommunikation, gefolgt von Französisch und deut-
größte Teil davon (117 SchülerInnen, d.h. 49%) verwen-       chendorf teil. Für 12 von ihnen gibt es ein durchweg        ben sehr oft deutsche Dialekte, Italienisch und Deutsch,    schem Dialekt. Italienisch diente oft als Brückenspra-
det zu Hause zwei Sprachen. Von diesen SchülerInnen          positives Feedback für alle fünf Stationen des Sprachen-    die SchülerInnen der ladinischen Schulen manchmal           che für Französisch, während viele SchülerInnen auch
verwenden 81 (d.h. 34% der gesamten Stichprobe) zu           dorfs. In diesen Fällen nahmen die SchülerInnen aktiv       auch Ladinisch. Die OberschülerInnen verwendeten            versuchten, französische Begriffe und Phrasen in die
Hause eine Kombination aus italienischer und deut-           an der Aufgabe teil, arbeiteten mit den StationsleiterIn-   hauptsächlich Italienisch, Deutsch und einen deutschen      Interaktion einzubeziehen. Die Kommunikation war aus-
scher Standardsprache und/oder Varietäten. Andere            nen zusammen und engagierten sich gemeinsam für             Dialekt in relativ ausgewogener Art und Weise, aber kein    gewogen zwischen mündlichen und schriftlichen Teilen,
Befragte verwenden zu Hause zwischen drei und fünf           eine Lösung der Aufgaben. Zu sechs Gruppen gibt es ein      Ladinisch. Der vorherrschende Kommunikationsmodus           und die Station wurde von allen Gruppen sehr geschätzt.
Sprachen in verschiedenen Kombinationen.                     gemischtes Feedback, da es jeweils ein oder manchmal        war konzeptionell schriftlich (Lesen und Schreiben), da     An der Station „Café“ benutzten alle SchülerInnen
In der Freizeit verwendet ein noch größerer Anteil der       zwei Stationen gab, bei denen die SchülerInnen nicht so     die Art der Aufgabe die SchülerInnen zur Zusammenar-        die Schulsprachen Deutsch, Italienisch und Englisch,
SchülerInnen (226, d.h. 94%) mehr als eine Sprache: für      deutlich in die Aufgabe eingebunden schienen. Schließ-      beit beim Lesen und bei der Auswahl von Freizeitange-       aber weder deutschen Dialekt noch Ladinisch. Einige
die Mehrheit der SchülerInnen (115, d.h. 48%) sind es        lich gibt es zwei Gruppen, bei denen die Bewertung auf      boten auffordert und sie in das Schreiben einer E-Mail      SchülerInnen versuchten, einige arabische und russi-
drei verschiedene Sprachen. Andere SchülerInnen ver-         eine geringe Beteiligung aufgrund von Schüchternheit        involviert.                                                 sche Wörter, die sie in der Interaktion mit den Stations-
wenden in ihrer Freizeit zwei, vier oder fünf Sprachen,      oder mangelndem Interesse seitens einzelner SchülerIn-      An der Station „Polyglot Game“ war die Hauptkommuni-        leiterinnen erkannt hatten, zu wiederholen oder sogar
und nur wenige Befragte zwischen sechs und acht Spra-        nen hindeutete. Was die SchülerInnen der Oberschulen        kationssprache diejenige, die von den StationsleiterIn-     selbständig zu verwenden, und die Mehrheit der Teil-

16                                                                                                                                                                                                                                         17
nehmenden benutzte viel nonverbale Kommunikation               3.3 ZUSAMMENFÜHRUNG:                                        für die tiefergehende Analyse aus. Wir transkribierten     zusammenführenden und vergleichenden Beschreibung
(meist in Form von Gestik). Die Station wurde von den          TRIANGULATION-FALLSTUDIE                                    die audiovisuellen Daten mit ELAN, einer linguisti-        der Schüler-Profile abschließen.
Gruppen ebenfalls sehr positiv beurteilt und als die her-                                                                  schen Analysesoftware, die für eine Identifizierung und
ausforderndste des gesamten Sprachendorf angesehen.            Ziel unserer Studie war es, das sprachliche Repertoire      Ordnung der dichten Passagen in der mehrsprachigen         Fall 1: Max
                                                               von SchülerInnen auf umfassende Art und Weise zu            Kommunikation nützlich ist. Anschließend führten wir       Bei Max liegt sowohl eine sehr interessante biographi-
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die beiden        beschreiben. Um möglichst viele Dimensionen des             eine detaillierte Analyse der verarbeiteten multimoda-     sche Erfahrung eines mehrsprachigen Sprechers als
Hauptunterrichtssprachen (Deutsch und Italienisch)             Repertoires erfassen zu können, entschieden wir uns         len Daten durch, um die Dynamik der Gruppe in einem        auch ein bemerkenswertes Beispiel für die Komplexität
an allen Stationen sehr häufig verwendet wurden. Auch          für die Durchführung einer Triangulationsanalyse            spezifischen situativen Kontext zu verstehen, eine         eines Sprachrepertoires vor.
der deutsche Dialekt wurde recht häufig genutzt, jedoch        unter Verwendung aller verfügbaren Daten aus den drei       Dynamik, die oft aus einer rein linguistischen Analyse     Beim Betrachten des Sprachenportraits (vgl. Abb. 9) fällt
nie an der „Café“-Station, was möglicherweise auf ihren        Teilen der Studie: dem Fragebogen, dem Sprachendorf         der Transkriptionen (z.B. Körpersprache, Deixis, Raum-     sofort eine sehr weit gefasste, fluide Darstellung seines
„internationalen“ Charakter zurückzuführen ist, da die         und der Fokusgruppendiskussion. Wir wählten eine            nutzung) nicht ersichtlich ist, und die insbesondere die   sprachlichen Repertoires auf, die mit den im Fragebogen
SchülerInnen bei der Interaktion in diesem eindeutig           qualitative Vorgehensweise und konzentrierten uns           beiden Schüler betrifft.                                   aufgeführten Sprachen (Italienisch, Deutsch, Englisch,
nicht-lokalen Kontext auf die Verwendung eines lokalen         auf eine Fallstudie anhand von zwei Schülern. Un-           Darüber hinaus wurde in der Analyse der Fokus auf eine     Französisch, Ladinisch, Spanisch) übereinstimmt. Nur
Dialekts verzichtet haben könnten. Englisch wurde eben-        ser Ziel war es dabei, das sprachliche Verhalten einer      Einschätzung der plurilingualen Kompetenz gesetzt, ein     der Dialekt aus dem Veneto und das Südtirolerische,
falls häufig verwendet - d.h. diese Sprache kam an allen       ausgewählten Gruppe von Schülern zu beobachten, um          Prozess, der einen explorativen Aspekt der Forschung       welche er im Fragebogen als Teil seines Repertoires
Stationen vor, außer bei „Origami“, wo der Schwerpunkt         herauszufinden, wann und wie ihre mehrsprachigen            darstellt, auch angesichts der Tatsache, dass dies ein     aufführt, wurden im Portrait nicht berücksichtigt.
auf einer Interkomprehensionsaufgabe ohne englisches           Repertoires aktiviert werden und welche Strategien für      aktuelles und viel diskutiertes Thema im wissenschaft-     Der Körper ist ganz in Rot gefärbt, was bei Max für die
Material lag. Die Schulsprachen Deutsch, Italienisch und       deren Gebrauch beobachtet werden können. Innerhalb          lichen Diskurs ist. Max und Carlo wurden bei ihren         italienische Sprache steht, während das Hellblau auf der
Englisch wurden von allen Schülergruppen mit Leichtig-         einer ausgewählten Schülergruppe konzentrierten wir         Kommunikationsinteraktionen im Sprachendorf (Stati-        Höhe der Arme und des Kopfes für Deutsch steht. Diese
keit und in einer ziemlich ausgewogenen Weise verwen-          uns auf eine detaillierte Analyse von zwei Schülern, die    onen „Lost and Found“ und „Café“) beobachtet. Unsere       sind in der Tat seine Hauptsprachen, diejenigen, die ihn
det. MittelschülerInnen zeigten eine höhere Tendenz,           wir Max und Carlo nennen werden. Sie besuchten eine         Analysen wurden mit entsprechenden Deskriptoren des        seit seiner Kindheit begleiten, wie er im Fragebogen an-
auch Ladinisch in ihren Interaktionen zu verwenden,            der Schulklassen der Mittelschule und waren in ihrem        REPA (2012) und des GeRS-Begleitbandes (2018) abge-        gibt, und deren Kompetenzen er in der Selbsteinschät-
als dies bei den Gruppen der Oberschulen der Fall war          (sprachlichen) Verhalten während der gesamten Studie        glichen. Letzterer baut auf der theoretischen Struktur     zung gleich wertet. Auch wenn jede Farbe je nach den
(zwei Stationen vs. eine Station). In vielen Gruppen           in vielerlei Hinsicht sehr bemerkenswert.                   mehrerer Rahmenwerke (u.a. auch REPA) auf, ist jedoch      individuellen Erfahrungen mit unterschiedlichen Kon-
wurden zusätzlich Französisch, Arabisch, Russisch und          Die Überlegungen der Schüler zu ihren Einschätzun-          ein eher praxisorientiertes Instrument, das nun neue       notationen assoziiert werden könnte (vgl. Busch 2018),
Spanisch verwendet, wenn die Stationen explizit einen          gen des Sprachendorfs stellten den Ausgangspunkt für        Skalen und Deskriptoren enthält, die speziell auf indi-    ist es möglich, das Rot für Italienisch dahingehend zu
Fokus auf weitere sprachliche Ressourcen beinhalteten.         unsere Analysen dar, da diese viel Aufschluss darüber       viduelle Mehrsprachigkeit und Mediation ausgerichtet       interpretieren, dass Rot eine „emotionale“ Farbe ist, die
SchülerInnen der Mittelschule brachten auch Albanisch,         gaben, welche Stationen für die SchülerInnen am her-        sind. Die Art und Weise, wie Max und Carlo von ihrem       normalerweise mit Emotionen und Gefühlen verbunden
Ungarisch und Portugiesisch ein, SchülerInnen der              ausforderndsten und sinnvollsten waren. Ihre Berichte       Sprachrepertoire Gebrauch machen, hat uns dazu ver-        ist. Im Fragebogen gibt Max zudem an, dass Italienisch
Oberschule auch Koreanisch, Moldauisch, Norwegisch,            über die Stationen wurden auch dazu verwendet, jene         anlasst, zwei Skalen der plurilingualen Kompetenz (d.h.    seine bevorzugte und stärkste Sprache ist und er es mit
Polnisch und Rumänisch. Diese „zusätzlichen“ Sprachen          Aspekte zu bestimmen, die analysiert und mit den            Aufbau auf dem plurilingualen Repertoire, plurilingu-      seinen Familienmitgliedern (mit denen er manchmal
entsprechen auch einigen (nicht allen) der sprachlichen        bereits in der Fragebogenerhebung und den Fokus-            ales Verstehen) und sieben Skalen der Mediation (d.h.      auch den Dialekt aus dem Veneto verwendet) assoziiert.
Kompetenzen, die die SchülerInnen in ihren Fragebögen          gruppeninterviews gesammelten Sprachprofilen der            Erleichterung der Zusammenarbeit mit Gleichaltrigen,       An den Beinen und Füßen hat er Spanisch und Franzö-
angaben; eine anschließende Triangulation wird weitere         Schüler in Bezug gesetzt werden sollten (vgl. Abb. 8). So   Management der Interaktionen, Vermittlung in infor-        sisch farblich dargestellt. Beide sind Sprachen, die er in
Einzelheiten zu diesem Aspekt zeigen.                          wählten wir die Stationen „Lost and Found“ und „Café“       mellen Situationen, Erleichterung der Kommunikation        der Schule gelernt hat und die er in Zukunft verbessern
                                                                                                                           in heiklen Situationen und bei Meinungsverschieden-        möchte: Die Beine könnten als Metapher dafür dienen,
                                                                                                                           heiten, Verknüpfung mit Vorkenntnissen, Anpassung          dass er in Zukunft mit diesen Sprachen „weitergehen“
                                                                                                                           der Sprachen, Aufschlüsselung komplizierter Informa-       wird. Darüber hinaus ist anzumerken, dass Max wäh-
                                                                                                                           tionen) zu wählen und den beiden Schülern einen De-        rend der „Lost and Found“-Station, bei der Französisch
                  FRAGEBOGEN                                                   FOKUSGRUPPEN-                               skriptor und somit das entsprechende Niveau zuzuwei-       die von der Stationsleiterin meistgesprochene Sprache
                  MIT SPRACHENPORTRAIT                                         INTERVIEW                                   sen. Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über      ist, deutliche Anstrengungen zeigt, diese Sprache auch
                                                                                                                           erste Ergebnisse.                                          zur Lösung der Aufgabe zu verwenden. Auch wenn er in
     SPRACHEN-                                                                                                                                                                        der Selbsteinschätzung Französisch als seine schwächs-
     DORF                   SPRACHREPERTOIRES IN ANWENDUNG                                                                 Fallstudie                                                 te Sprache bewertet, versucht er, sich trotz der Schwie-
                                                                                                                                                                                      rigkeiten an seine Gesprächspartnerin anzupassen,
                                                                                                                           Wie im vorigen Abschnitt beschrieben, konnte eine          indem er die Sprache in der Interaktion kreativ einsetzt
      STATION                 Ressourcen                    REFERENZRAHMEN                                                 Daten-Triangulation aufzeigen, inwiefern die Schüler       und auch neue ungewöhnliche Wörter verwendet („L‘est
      „LOST AND                                                                                                            ihre Sprachrepertoires konsistent verwenden und worin      sparì“), was auf eine hohe Motivation hinweist.
      FOUND“                                                                                                               sich diese Verwendung in verschiedenen Analysekon-         Max‘ Aussagen im Fokusgruppeninterview liefern weite-
                                                             REPA (2012)      GeRS-                                        texten unterscheidet. In diesem Kapitel werden wir         re interessante Aspekte für die Analyse. Wie viele andere
                                                                              Begleitband
                                                                                                                           zunächst die beiden Fälle getrennt betrachten. Für jede    SchülerInnen gibt Max an, dass er sich nicht mehr
      STATION                 kommunikative                                   (2018)
      „CAFÉ“                  Strategien                                                                                   der beiden Fallstudien werden wir das Sprachenportrait,    erinnert, warum er beim Ausfüllen des Fragebogens sein
                                                                                                                           das Fokusgruppeninterview und die beiden unter-            Sprachrepertoire im Portrait so dargestellt hat, aber er
                                                                                                                           suchten Sprachendorfstationen diskutieren, wobei wir       bittet darum, etwas ändern zu dürfen. Er fügt Blau in
                                                                                                                           stets die Erkenntnisse aus den anderen Datenquellen        den Augen für Ladinisch hinzu und sagt der Intervie-
Abb. 8 Methodenüberblick für die Fallstudien-Analyse                                                                       einbeziehen. Wir werden unsere Analyse dann mit einer      werin, dass er in dieser Sprache nicht gut (zu)hören,

18                                                                                                                                                                                                                                           19
for confirmation (Production strategy for compensating,                    Des Weiteren zeigt er durch die Verwendung des Satzes
                                                                                                                                  B1); Can use an inadequate word from his/her repertoire and                „Il est sparí“ weitere Flexibilität in seinen sprachlichen
                                                                                                                                  use gesture to clarify what he/she wants to say (Production                Ressourcen, indem er sich an die aktuelle Situation
                                                                                                                                  strategy for compensating, A2);                                            anpasst:
                                                                                                                                  REPA: Sensibilität sowohl für die Unterschiede als auch für
                                                                                                                                  die Gemeinsamkeiten verschiedener Sprachen oder Kultu-                            CEFR-CV: Can exploit creatively his/her limited repertoire
                                                                                                                                  ren (A-2.4).                                                                      in different languages in his/her plurilingual repertoire
                                                                                                                                                                                                                    for everyday contexts, in order to cope with an unexpected
                                                                                                                               Darüber hinaus liest Alex einen bestimmten Begriff                                   situation (Building on plurilingual repertoire, B1);
                                                                                                                               im Französischen und vergleicht ihn mit der entspre-                                 REPA: Einen grammatikalischen Transfer (Funktionstransfer)
                                                                                                                               chenden Form im Englischen: „ok, è un bambino o un                                   durchführen können; Grammatikalische Regularitäten in
                                                                                                                               ragazzo? Allora è un enfant“ – dies zeigt eine Strategie,                            einer nicht vertrauten Sprache auf der Basis von Regularitäten
                                                                                                                               die sich auf die folgenden Deskriptoren bezieht:                                     in einer vertrauten Sprache aufstellen können (S-5.3.3).

                                                                                                                                  CEFR-CV: Can deduce the message of a text by exploiting what               Abb. 10 gibt einen visuellen Überblick über unsere Tri-
                                                                                                                                  he/she has understood from texts on the same theme written                 angulationsanalyse und zeigt alle wichtigen Datenquel-
                                                                                                                                  in different languages (Plurilingual comprehension, B1);                   len, die wir für diese Fallstudie kombiniert haben, um
                                                                                                                                  REPA: Die in einer Sprache verfügbaren Kenntnisse und                      zu einer umfassenden Darstellung des Repertoires des
                                                                                                                                  Fertigkeiten für Handlungen des Sprachverstehens oder der                  Schülers zu gelangen.
                                                                                                                                  Sprachproduktion in einer anderen Sprache nutzen können
                                                                                                                                  (S-5).

Abb. 9 Max’ Sprachenportrait – im Rahmen des Fokusgruppeninterviews angepasst                                                                                                                      Sprachendorf

aber fast alles lesen und verstehen kann (dies könnte          Repertoire ableitet. Zum Beispiel erinnert er sich im
der Grund dafür sein, dass er sich dafür entscheidet,          Interview an das russische Wort „Limonyi“, das während
                                                                                                                                                                                                                               “Ehm.. come si
Ladinisch in den Augen darzustellen). Darüber hinaus           der Station „Café“ tatsächlich mehrmals wiederholt                                                                                   Deutsch,                   vive in Russia?”
erklärt er im Rahmen des Fokusgruppeninterviews auch           wird. Was diesen Punkt anbelangt, so scheint Max wie                                                                                   Itali-
                                                                                                                                                                                                     enisch,
die fehlenden Dialekte im Portrait: „Ich bin lieber Hoch-      auch andere SchülerInnen nicht über seine mehrspra-
                                                                                                                                                                                                  Französisch,
sprache. Ich versteh nicht so viel Dialekt, ich vertraue       chigen Praktiken während der Stationen überrascht zu                                                                                 Englisch;
mir besser auf die Hochsprache“.                               sein, die als die herausforderndsten empfunden wurden                                                                            neue zusätzliche
Während der Sprachendorf-Aktivitäten zog Max wegen             und in denen einige Sprachen überhaupt nicht zu ihrem                                                                           Sprache: Russisch;
                                                                                                                                                                                           Strategien: Körpersprache
seiner ausgeprägten Proaktivität und seines starken            Repertoire gehörten.
                                                                                                                                                                                        mit stark ausgeprägter Gestik,
Engagements an den Stationen sofort unsere Aufmerk-            Sein großes Interesse und Engagement für die Aufgabe                                                                       Augen- und Körperkontakt,
samkeit auf sich. Bei ihm zeigt sich das Profil eines          zeigt sich auch in der Neugier, die er an den Tag legt,                                                                Interkomprehension, Rückgriff auf                               “In the future, there
Schülers, der sehr extrovertiert, leidenschaftlich, aktiv      wenn er seine GesprächspartnerInnen um mehr Infor-                                                                         Materialien und Umgebung                                    would be the need to
und kooperativ ist. Die Aktivierung seines sprach-             mationen über ihr Herkunftsland bittet (z.B. zum Wetter                                                                                                                            have an awful lot of transla-
                                                                                                                                                                                                  Max‘ Repertoire                                 tions e.g. for rules in the bus
lichen Repertoires hängt sicherlich von einer Reihe            in Russland). Dies ist ein wichtiger Aspekt bei den pluri-
                                                                                                                                                                                                                                                   (on the window behind the
von Faktoren ab: von den Sprachen der Stationen, der           lingualen Deskriptoren im REPA wie auch im GeRS-Be-                                                                                                                                 driver), in German, Italian,
Wahrnehmung der Aufgabe und natürlich von seinen               gleitband, die beide die Bedeutung der Neugier für den               “Sono curioso di sapere
                                                                                                                                                                                                                                                    English, Arabic, Chinese,
                                                                                                                                    come si dice una parola                                                                     “Ich
Charaktereigenschaften. In der Station „Lost and Found“        Aufbau des plurilingualen Repertoires unterstreichen.                                                        Deutsch,                                                                         Russian”
                                                                                                                                   in un’altra lingua e il suo                                                               bin lieber
zum Beispiel ist Max der Kern der Gruppe, der mit              Beispielsweise verwendet Alex das Wort „portefuelle“,                      significato”                    Italienisch,
                                                                                                                                                                                                                            Hochsprache.
verschiedenen Arten von Kommunikation experimen-               nachdem er die Stationsleiterin „portefeuille“ sagen                                                        Ladinisch,
                                                                                                                                                                                                                          Ich vertraue mir
                                                                                                                                                                       Englisch, Franzö-
tiert, auch in ihm unbekannten Sprachen wie Albanisch          hörte. Es kann davon ausgegangen werden, dass er das                                                                                                     besser auf die Hoch-
                                                                                                                                                                     sisch, Südtirolerisch,
oder Russisch. Er nutzt all seine sprachlichen Ressour-        neue Wort mit ähnlichen Wörtern in seinem Repertoire                                                                                                           sprache”
                                                                                                                                                                         Venezianisch;
cen, um am Gespräch teilzunehmen, und wenn er sich             vergleicht. Dies kann mit den folgenden Deskriptoren                                                  zukünftige Sprachen:
einmal nicht ausdrücken kann, bedient er sich der              im GeRS-Begleitband (= CEFR-CV, Common European                                                   Französisch, Spanisch, Latein,
Körpersprache. Im Interview erklärt er, dass er „zu sehr“      Framework of Reference - Companion Volume 2018) und                                                        Griechisch
auf Gesten zurückgreift, und in der Tat sind Gesten in         im REPA in Verbindung gebracht werden:
seinen Interaktionen sehr häufig anzutreffen. Wenn er
                                                                                                                                                Fragebogen                                                                                           Fokusgruppe
mit für ihn neuen Sprachen konfrontiert wird, wieder-              CEFR-CV: Can use a simple word meaning something
holt er manchmal Begriffe, die er aus dem Kontext oder             similar to the concept he/she wants to convey and invites
aus ihrer Ähnlichkeit mit anderen Sprachen aus seinem              “correction”. Can foreignise a mother tongue word and ask   Abb. 10 Triangulation des Sprachrepertoires von Max

20                                                                                                                                                                                                                                                                                  21
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