Rohölpreis und Usd/eUr-Wechselkurs1
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Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs1 Andreas In dieser Studie wird untersucht, inwiefern sich Änderungen des USD/EUR-Wechselkurses auf Breitenfellner, die Rohölpreise auswirken. Die negative Korrelation dieser beiden Variablen wird fünf Jesús Crespo möglichen Kanälen zugeschrieben: angebotsseitig der Kaufkraft von Erdölexporteinnahmen, Cuaresma2 nachfrageseitig den lokalen Preisen in Ländern außerhalb des „US-Dollar-Raums“, den Inves- titionen auf rohölbezogenen Vermögensmärkten, dem währungspolitischen Regime Erdöl exportierender Länder und der Effizienz der Devisenmärkte. Es wird nachgewiesen, dass sich Rohölpreisprognosen unter Verwendung von Informationen über den USD/EUR-Wechselkurs (und seiner Determinanten) erheblich verbessern lassen. Mögliche Auswirkungen der vorlie- genden Ergebnisse im Hinblick auf die Stabilisierung der Erdölpreise oder die Korrektur der globalen Ungleichgewichte werden angesprochen. Aufgrund des jüngsten Erdölpreis- sert. Die hier entdeckten Effekte kön- schocks wenden sich Ökonomen ver- nen wohl auch indirekte Effekte ande- stärkt der Analyse der Energiemärkte rer ökonomischer Variablen widerspie- zu. Ebenso rücken angesichts des kon- geln, die in der Entwicklung der tinuierlichen Aufbaus globaler Un- Wechselkurse abgebildet werden. gleichgewichte Wechselkursfragen ver- Es lassen sich fünf mögliche Kanäle stärkt in den Mittelpunkt des Inter- identifizieren, über die ein negativer esses. Obgleich diese Entwicklungen Zusammenhang zwischen dem Wech- gleichzeitig auftreten, wurde der Be- selkurs des US-Dollar und den Roh ziehung zwischen Erdölpreisen und ölpreisen wirksam werden kann: ein Wechselkursen bisher kaum Aufmerk- Kaufkraftkanal, ein Lokalpreiskanal, ein samkeit geschenkt. Nur wenige Volks- Anlagekanal, ein geldpolitischer Kanal wirte haben sich mit der Frage befasst, und ein Devisenmarktkanal. Ableiten ob es reiner Zufall ist, dass die Rohöl- kann man die Existenz dieser Kanäle preise rasant steigen, während simultan aus den folgenden fünf Hypothesen: dazu der US-Dollar auf ein Rekordtief Erstens sind die Erdöl exportierenden fällt (und vice versa). Länder bestrebt, die Kaufkraft ihrer In dieser Studie wird anhand mo- Exporteinnahmen (in US-Dollar) im natlicher Daten aus dem Zeitraum von Hinblick auf ihre (vorwiegend in Euro, 1983 bis 2006 der Informationsgehalt und nicht in US-Dollar fakturierten) des USD/EUR-Wechselkurses im Hin- Einfuhren stabil zu halten. Zweitens blick auf die Prognose der Erdölpreise sinken durch eine US-Dollar-Abwer- untersucht. Dabei wird insbesondere tung die Rohölpreise (in lokalen Wäh- analysiert, ob die Berücksichtigung von rungen) für Verbraucher außerhalb des Angaben über den Wechselkurs und „US-Dollar-Raums“, wodurch deren seiner Determinanten in einfachen Rohölnachfrage steigt und es letztlich Zeitreihenmodellen für den Erdölpreis zu Anpassungen des Erdölpreises in die Prognosegüte der Modelle verbes- US-Dollar kommt. Drittens sinkt bei 1 Übersetzung aus dem Englischen. 2 andreas.breitenfellner@oenb.at; Oesterreichische Nationalbank, Abteilung für die Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen im Ausland; jesus.crespo-cuaresma@uibk.ac.at; Universität Innsbruck, Institut für Wirtschafts- Wissenschaftliche theorie, -politik und -geschichte. Die Autoren danken Monika Psenner, Doris Ritzberger-Grünwald, Martin Summer und den Teilnehmern interner Präsentationen bei der Oesterreichischen Nationalbank, der Europäischen Begutachtung: Zentralbank und der Banque de France sowie den Teilnehmern der Konferenz „Enerday“, die im April 2008 in Franz Wirl, Dresden stattfand, für ihre vielen hilfreichen Kommentare zu früheren Fassungen dieses Beitrags, und schließlich Universität Wien Andreas Nader für die Unterstützung bei der Datenaufbereitung. 110 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs fallendem US-Dollar-Kurs die Rendite prozess (der Ungleichgewichte) spielen von in US-Dollar denominierten Finanz kann (McCown et al., 2006, S. 7). Der anlagen, sodass Erdöl und andere Roh- IWF zieht aus der Debatte über globale stoffe als alternative Anlageformen für Ungleichgewichte den Schluss, dass hö- ausländische Investoren an Attraktivi- here Ausgaben der Förderländer zur tät gewinnen. Rohstoffanlagen dienen Verringerung der globalen Ungleichge- auch als Absicherung gegen Inflation, wichte beitragen könnten (IWF, 2006, da mit der Abwertung des US-Dollar S. 81). Da die Erdölexporteure vorwie- das Risiko eines Inflationsdrucks in den gend und vermehrt (industrielle) Güter Vereinigten Staaten zunimmt. Viertens aus Europa und Asien anstatt aus den führt eine US-Dollar-Abwertung zu Vereinigten Staaten einführen (z. B. einer Lockerung der Geldpolitik in an- Ruiz Perez und Vilarrubia, 2006) und deren Ländern, unter anderem in Erd- ihre Investitionen aus auf US-Dollar ölförderländern mit Wechselkursbin- lautenden Anlagen abziehen und diver- dung an den US-Dollar. Niedrigere sifizieren (BIZ, 2006), ist fraglich, ob Zinssätze wiederum erhöhen die Liqui- diese Empfehlung greifen wird. Für ge- dität, wodurch die Nachfrage im All- wöhnlich wird argumentiert, dass sich gemeinen – und damit auch die Erd- die globalen Ungleichgewichte gerade ölnachfrage – angekurbelt wird. Fünf- aufgrund des sogenannten Petrodollar- tens sind die Devisenmärkte mög- Recycling verschärft haben könnten, da licherweise effizienter als die Erdöl- dieses die dämpfende Wirkung des märkte und nehmen realwirtschaftliche aktuellen Erdölpreisschocks auf das Entwicklungen vorweg, die sich auf europäische Wirtschaftswachstum ab- Angebot und Nachfrage bei Erdöl aus- geschwächt haben könnte (Europäische wirken. Kommission, 2006). Des Weiteren Für den hier vertretenen For- wurden die Auswirkungen der Erdöl- schungsansatz spricht nicht nur die preise auf die europäische Wirtschaft Aussicht auf ein tieferes Verständnis durch die Aufwertung der europäischen der Erdölmärkte und eine Verbesserung Währungen – insbesondere des Euro – der Rohölpreisprognosen, sondern auch gegenüber dem US-Dollar gemildert. seine Relevanz für die aktuelle wirt- Insgesamt wurde so die europäische schaftspolitische Diskussion. Eine der Nachfrage nicht ausreichend gebremst; höchst relevanten Fragestellungen ist die Erdölpreise stiegen weiter und etwa der Beitrag der Erdöl exportie- trugen so zu noch unausgeglicheneren renden Länder zu den anhaltenden glo- Leistungsbilanzen in den USA bei. balen Ungleichgewichten. Der Anstieg Die vorliegende Studie steht auch in der Erdölpreise seit Ende der 1990er- Bezug zu Forschungsarbeiten über die Jahre hat in den Erdöl exportierenden Zusammenhänge zwischen Rohstoff- Ländern zu wachsenden Leistungs preisen, Währungen und ihren Funda- bilanzüberschüssen geführt, die jene mentaldaten. Chen et al. (2008) konn- der asiatischen Schwellenländer sogar ten unter Verwendung der Wechsel- übertreffen und weitgehend dem Leis- kurse bedeutender „Rohstoffwährun- tungsbilanzdefizit der USA entspre- gen“, das heißt Währungen von Volks- chen. Aus diesem Grund regte das US- wirtschaften mit flexiblen Wechsel- amerikanische Finanzministerium an, kursen und einem erheblichen Roh- dass die Erdölexporteure überlegen stoffanteil an ihren Exporten, erfolg- sollten, welche Rolle die Wahl des reich Prognosen für Rohstoffpreise Wechselkursregimes beim Anpassungs- erstellen. Den Zusammenhang zwi- Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 111
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs schen Wechselkursen und Rohstoff- 1 R ückblick auf die jüngeren preisen erklären Chen et al. (2008) da- Entwicklungen der Erdölpreise mit, dass die Rohstoffwährungen we- und des USD-Wechselkurses sentliche Informationen zur künftigen Die Wirtschaftsgeschichte der Nach- Entwicklung der Rohstoffpreise enthal- kriegszeit (1950 bis 2007) lässt sich ten, während die Rohstoffmärkte we- hinsichtlich des Zusammenhangs zwi- niger zukunftsorientiert funktionieren. schen dem Erdölpreis und dem USD/ In diesem Sinn kann die vorliegende EUR-Wechselkurs grob in vier Phasen Studie als Erweiterung des Ansatzes unterteilen. Grafik 1 zeigt Zeitreihen von Chen et al. (2008) auf Nicht-Roh- mit den Jahreswerten für die Rohölein- stoffwährungen betrachtet werden, die fuhrpreise der USA und die nominalen zugleich ergänzende Erklärungen lie- USD/EUR-Wechselkurse (für die Jahre fert. vor 1999 wird ein synthetischer Euro Die vorliegende Studie ist wie folgt verwendet, vor 1978 die in synthetische gegliedert: In Kapitel 1 werden einige Euro konvertierte Deutsche Mark). stilisierte Fakten zur historischen Ent- Die vier unterschiedlichen Phasen wicklung des wichtigsten bilateralen sind anhand der Abweichungen bei Wechselkurses gegenüber dem US- Volatilität und Gleichläufigkeit der bei- Dollar und der Rohölpreise präsentiert. den Variablen leicht erkennbar. Bemer- In Kapitel 2 folgen ein Überblick über kenswert ist, dass diese Phasen mit die theoretische und empirische Litera- bedeutenden Regimeänderungen auf tur hinsichtlich des Zusammenhangs den Erdöl- und Geldmärkten zusam- zwischen diesen Variablen und eine menfallen. Die einzelnen Phasen lassen Erörterung der fünf Hypothesen über sich auch an den veränderten Korrelati- den vermuteten negativen (kausalen) onen der Rohölpreise und der nomi- Zusammenhang zwischen Devisen- und nalen USD/EUR-Wechselkurse able- Erdölmärkten. In Kapitel 3 werden die sen (Tabelle 1). Während sich für den Prognoseergebnisse präsentiert und in gesamten Datenbestand ein Korrela Kapitel 4 die Schlussfolgerungen gezo- tionskoeffizient von –0,64 ergibt, vari- gen. iert über die vier unterschiedlichen Grafik 1 USD-Wechselkurs und Rohölpreis 1950 bis 2007 (Veränderung gegenüber Vorjahr) in USD in EUR/USD 70 1,80 60 1,60 50 1,40 40 1,20 30 1,00 20 10 0,80 0 0,60 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 USD je Barrel Rohöl (linke Achse) EUR/USD-Wechselkurs (rechte Achse)1 Quelle: EIA, BIZ, Bloomberg, www.history.ucsb.edu. 1 Vor 1978 synthetisch (konvertierte DEM). 112 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Tabelle 1 Korrelation zwischen USD-Wechselkurs und Erdölpreisen in vier Zeitphasen Phase Zeitraum Wesentlicher Faktor Volatilität Korrelation 1 1950 bis 1970 Bretton-Woods-System niedrig –0,62 2 1971 bis 1984 Angebotsseitige Erdölschocks I und II hoch –0,18 3 1985 bis 1998 Zusammenbruch der OPEC mittel +0,44 4 1999 bis 2007 Nachfrage in Schwellenländern und knappes Angebot hoch –0,80 Quelle: OeNB. Phasen hinweg nicht nur das Vorzei- sogenannten Nixon-Schock (z. B. Kuroda, chen, sondern auch das Ausmaß der 2004), als Präsident Richard Nixon Korrelation erheblich. Diese Feststel- angesichts der sich verschlechternden lung wird außerdem durch rollende Zahlungsbilanz der Vereinigten Staaten Korrelationen bestätigt. die Aufhebung der Goldkonvertibilität Die erste Phase des Beobachtungs- des US-Dollar bekannt gab. Dieser zeitraums (1950 bis 1970) fällt mit dem Schritt führte zu einer steilen Abwer- Bestand des 1946 eingeführten Bret- tung des US-Dollar gegenüber Gold ton-Woods-Systems der festen Wech- und vielen anderen Währungen, insbe- selkurse zusammen. Durch die Ver- sondere der Deutschen Mark und dem pflichtung, den US-Dollar zu einem japanischen Yen. Da Erdöl in US-Dol- festen Kurs an Gold zu binden, ent- lar fakturiert wurde, bedeutete dies, stand der World Dollar Standard (McKin- dass die Einnahmen der Erdölprodu- non, 2005), bei dem alle anderen zenten bei gleichbleibendem Erdölpreis Wechselkurse gegenüber dem (Gold-) schrumpften. Anfangs reagierte die Dollar als Ankerwährung fixiert wa- Organisation Erdöl exportierender ren. Während dieses „goldenen Zeit Länder (OPEC) mit der Anpassung der alters“ (Marglin und Schor, 1990), das Erdölpreise an die US-Dollar-Abwer- von geringen Inflationsraten, niedrigen tung nur langsam. Doch nur zwei Jahre Zinssätzen und starkem Wachstum ge- nach dem Nixon-Schock drosselte die prägt war, waren die Rohölpreise auf OPEC während des Jom-Kippur-Kriegs einem niedrigen Niveau außerordent- die Erdölproduktion und verhängte ein lich stabil. Die Preisbildung erfolgte Embargo auf Rohöllieferungen in den unter der Kontrolle der sogenannten Westen. In der Folge vervierfachte sich „sieben Schwestern“, das heißt der sieben der Erdölpreis bis 1974 auf 12 USD pro internationalen Erdölgesellschaften, die Barrel. Zur zweiten Erdölkrise kam es Mitte des 20. Jahrhunderts die Produk- als Folge der Revolution im Iran, die zu tion, Raffination und den Vertrieb von einem vorübergehenden Ausfall der Erdöl beherrschten. iranischen Erdölproduktion führte. Die Auf diesen Zeitraum außergewöhn- dadurch ausgelöste Panik auf den Märk- licher Stabilität folgte von 1971 bis ten und die stufenweise Freigabe 1984 eine Umbruchphase, die für ge- der Erdölpreise durch die Regierung wöhnlich mit dem ersten und zweiten Carter lösten in den darauf folgenden Erdölpreisschock von 1973 bzw. 1979 zwölf Monaten einen neuerlichen stei- in Verbindung gebracht wird. Am len Anstieg der Erdölpreise auf knapp 15. August 1971, schon vor dem ersten 40 USD pro Barrel aus. Danach Erdölpreisschock, kam es jedoch zum mäßigten sich die Preise trotz des Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 113
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Krieges zwischen Irak und Iran leicht, hängigkeit der Importländer vom ver- blieben aber auf einem hohen Niveau. meintlichen Kartell führten. Parallel dazu kam es aufgrund des soge- Mit dem im September 1985 unter- nannten Volcker-Schocks zu einem Wie- zeichneten Plaza-Abkommen wurde eine dererstarken des US-Dollar. Durch Abwertung des US-Dollar gegenüber eine Beschränkung der Geldmenge und dem japanischen Yen und der Deut- die Aufgabe der Zinssatzziele konnte schen Mark angestrebt, um die Verei- US-Notenbankchef Paul Volcker die nigten Staaten beim Abbau ihres Leis- Inflation in den Vereinigten Staaten in- tungsbilanzdefizits und beim Über- nerhalb von zwei Jahren erfolgreich um winden der gravierenden Rezession zu mehr als 10 Prozentpunkte senken; unterstützen. Im Lauf der folgenden allerdings lösten diese Maßnahmen zwei Jahre sorgten koordinierte Inter- eine erhebliche Rezession aus. Bis 1985 ventionen der Zentralbanken auf den ist eine negative Korrelation zwischen Devisenmärkten für eine mehr als dem USD-Wechselkurs und dem Roh 50-prozentige Abwertung des US-Dol- ölpreis zu beobachten. lar gegenüber dem japanischen Yen. Von 1985 bis 1998 nahm die Korre- Der Rückgang des USD-Wechselkurses lation zwischen dem USD-Wechselkurs wurde durch das 1987 von sechs G-7- und dem Erdölpreis, die nun beide Staaten unterzeichnete Louvre-Abkom- auffällig stabil blieben, absolut betrach- men zwar verlangsamt, doch die US- tet, ab (Krichene, 2006). Diese Phase Währung erholte sich erst wieder Mitte war durch den Verfall des Rohölpreises der 1990er-Jahre. und einen schwachen US-Dollar nach Der Rohölpreis schnellte 1990 wäh- Abschluss des Plaza-Abkommens zwi- rend der irakischen Besetzung Kuwaits schen den G-7-Staaten geprägt. Große vorübergehend nach oben, sank aber Veränderungen innerhalb der OPEC nach dem anschließenden Golfkrieg mit schränkten deren Macht ein, die Preise wenig Unterbrechungen – teilweise auf dem Rohölmarkt zu beeinflussen. aufgrund der durch den Reformprozess Im August 1985 gab Saudi-Arabien ausgelösten Rezession in der ehema- seine Strategie eines Swing Producers auf, ligen Sowjetunion sowie in Zentral- der seine Produktion gelegentlich ein- und Osteuropa (Borensztein und Rein- schränkt, um einen Preisverfall zu ver- hart, 1994) – und erreichte während hindern. Das Land richtete seine Erdöl- der Asien-Krise von 1997 bis 1998 sei- preise vielmehr nach dem Spotmarkt nen Tiefststand. für Rohöl aus und steigerte die Förder- Die letzte hier untersuchte Phase, menge um mehr als das Doppelte. Bis das heißt der Zeitraum von 1999 bis Mitte 1986 fielen die Erdölpreise auf 20073 ist von einem Erdölpreisanstieg rund 10 USD pro Barrel. In den restli- gekennzeichnet, der auf verstärkte chen Jahren bis 1998 blieben die Erdöl- Nachfrage seitens der Schwellenländer preise niedrig, und die Versuche der (insbesondere China) zurückzuführen OPEC, Preisvorgaben festzulegen, ist. Da einerseits die Erdölproduzenten schlugen nicht zuletzt deshalb fehl, weil nicht mit der raschen Erholung der die rasch wachsenden Spot-, Forward- asiatischen Volkswirtschaften gerech- und Future-Märkte zu höherer Preis- net hatten und andererseits aufgrund transparenz und einer stärkeren Unab- der niedrigen Rohölpreise in der voran- 3 Aus gegenwärtiger Sicht reicht diese Phase bis Mitte 2008. 114 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs gegangenen Phase kaum in Erdölexplo- der eindeutig negativ korreliert. Durch ration investiert wurde, kam es zu die wachsenden außenwirtschaftlichen einer Angebotsverknappung. Zuneh- Ungleichgewichte der Vereinigten Staa- mend Anlass zur Sorge gab außerdem ten nahm der Druck auf den US-Dollar die künftige Erdölversorgung, zumal zu, wobei sich die Lage durch steigende die weltweite Rohölförderung seit zwei Zinsdifferenziale gegenüber dem Euro- Jahren nicht ausgeweitet wurde und ein gebiet noch verschärfte. Erst kürzlich Nachfrageüberhang nur durch Flüssig- (seit Mitte 2008) kam es jedoch zu ei- gas (natural gas liquids – NGL) gedeckt ner teilweisen Umkehr des rückläu- werden konnte. Da die nicht zur OPEC figen US-Dollar-Kurses und des stei- gehörenden Erdölproduzenten ihr För- genden Erdölpreises, als sich herausge- dermaximum bereits überschritten ha- stellt hatte, dass sich Europa und der ben, wird die wachsende Nachfrage nur Rest der Welt nicht vom Konjunktur- durch Lieferungen aus OPEC-Staaten einbruch in den Vereinigten Staaten ab- gedeckt werden können. Die Tatsache, koppeln können. dass es sich dabei um teils politisch in- Wie dieser kurze Überblick nahe- stabile Länder handelt, schürte die Be- legt, ist eine Interpretation der Daten fürchtungen über das zukünftige Erd- nur unter Berücksichtigung geopoli- ölangebot nur noch mehr. Als Lender of tischer und wirtschaftshistorischer Last Resort erlebt die OPEC eine parti- Ereignisse sinnvoll. Ungeachtet der elle Renaissance ihrer Marktmacht, zu- Schwierigkeiten, die sich ergeben, mal angekündigte Drosselungen der wenn man von diesen punktuellen Fak- Produktion nun zumindest teilweise ten abstrahiert, wurden bereits einige wieder Wirkung zeigen. Tatsächliche allgemeinere Theorien zur Erklärung und erwartete Entwicklungen der Fun- des Zusammenhangs aufgestellt, auf die damentaldaten4 des Erdölmarktes, geo- im Folgenden kurz eingegangen wer- politische Spannungen sowie Turbu- den soll. lenzen auf den Finanzmärkten – nicht zuletzt aufgrund eines Liquiditätsüber- 2 T heoretische Modelle und hangs – haben zu finanziellen Spekula- empirische Evidenz für den tionen geführt, die wiederum zu einem Zusammenhang zwischen Overshooting auf dem Erdölmarkt beige- Erdölpreis und Wechselkurs tragen haben. Mundell (2002, S. 1) definiert den Zu- Zu Beginn der letzten Beobach- sammenhang zwischen Wechselkurs tungsphase wurde der US-Dollar von und Erdölpreis als natürlich, da „eine der boomenden Wirtschaft in den Ver- klare Verbindung zwischen Geldpoli- einigten Staaten getragen. Seit unge- tik, Wechselkurs und Rohstoffpreisen“ fähr 2002, nach kurzfristigem Einbruch besteht. Diese Sichtweise trägt der des Erdölpreises,5 sind der USD-Wech- schlichten Tatsache Rechnung, dass sich selkurs und der Erdölpreis jedoch wie- in Preisschwankungen auch Verände- 4 Die Rohölpreise können zusätzlich durch viele weitere Faktoren getrieben worden sein. Bezüglich der Raffinerie- kapazitäten ist allerdings festzuhalten, dass im Gegensatz zu gängigen Annahmen die Beziehung zum Erdölpreis negativ ist, sodass höhere Raffineriekapazitätsauslastung den Rohölpreis senkt. Dieser Effekt leitet sich von Produktionsverschiebungen zwischen schweren und leichten Rohölsorten ab, die zu veränderten Preisdifferenzen zwischen diesen Sorten führen und von der Zusammensetzung der Nachfrage sowie technischen Anforderungen der Raffination abhängen (Kaufmann et al., 2008). 5 Angesichts dieses Einbruchs des Erdölpreises könnte man die letzte Beobachtungsphase auch in zwei Schockphasen aufteilen. Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 115
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs rungen der jeweiligen Bezugsgröße fuhren stabil zu halten (Amuzegar, widerspiegeln können. Solange der 1978).6 Aus der Funktion des US-Dol- Golddollarstandard galt, war es logisch, lar als Bezugsgröße für Standardroh- für die Preise und Notierungen von stoffe (Dollar-Rohstoffe) ergibt sich, dass homogenen Gütern, wie Rohstoffen, sich durch eine Änderung der USD- den US-Dollar zu verwenden. Im Sys- Wechselkurse auch die Terms of Trade tem flexibler Wechselkurse wurde der zwischen jedem beliebigen Staatenpaar US-Dollar auf den Märkten unter an- ändern. Das Ausmaß dieser Änderung derem aus Effizienzgründen als einzige hängt vom Verhältnis zwischen den in Referenz- und Leitwährung beibehal- US-Dollar gehandelten Waren und den ten. Allerdings übertrug sich auf diese nicht in US-Dollar gehandelten Waren Weise die extreme Instabilität des in der Handelsstruktur der betref- Außenwerts des US-Dollar auf die fenden Länder ab (Schulmeister, 2000). USD-Preise von Rohstoffen, wie Rohöl. Da die Erdöl exportierenden Länder Die grundlegenden Ursachen für die- beim Anteil der in US-Dollar gehan- sen augenscheinlichen Zusammenhang delten Waren an Ausfuhren bzw. Ein- zwischen dem Rohstoffpreiszyklus und fuhren die größte Spanne aufweisen, dem US-Dollar-Zyklus sind jedoch um- wird ihre Einkommensposition von stritten, da sich die beiden Zyklen so- Schwankungen des USD-Wechselkur wohl gegenseitig beeinflussen als auch ses am stärksten beeinflusst. Somit von gemeinsamen Faktoren bestimmt besteht für sie ein Anreiz, auf eine werden können. Je nach dem Übertra- Abwertung des US-Dollar mit einer gungskanal, der in den relevanten Anhebung der Exportpreise zu reagie- Theorien betont wird, kann der Zu- ren.7 sammenhang zwischen den beiden Die Plausibilität dieses Kaufkraft Zyklen positiv oder negativ sein bzw. kanals hängt von mindestens drei Vor- sich von einem Beobachtungszeitraum aussetzungen ab: Erstens, dass die Erd- zum nächsten ändern. Es lassen sich ölexporteure bis zu einem gewissen fünf mögliche Kanäle identifizieren, Grad in der Lage sind, die Preise vor- über die ein negativer kausaler Zusam- zugeben; zweitens, dass sie einen be- menhang zwischen dem Außenwert des trächtlichen Teil ihrer Einfuhren aus US-Dollar und den Rohölpreisen wirk- Europa (insbesondere aus Ländern des sam werden kann (z. B. Cheng, 2008). Euroraums) beziehen; und drittens, dass Erdöllieferungen aus triftigen 2.1 Kaufkraftkanal Gründen in US-Dollar verrechnet wer- Änderungen des USD/EUR-Wechsel- den. In der Folge wird kurz überprüft, kurses können sich insofern auf die ob diese drei Voraussetzungen erfüllt Preisgestaltung durch die Erdölexpor- sind. teure niederschlagen, da die Erdöl ex- Hinsichtlich der ersten Vorausset- portierenden Länder bestrebt sind, die zung wird häufig behauptet, der Rohöl- Kaufkraft ihrer Exporteinnahmen (in markt würde von einem Kartell be- US-Dollar) im Hinblick auf ihre (vor- herrscht, was bestenfalls als grobe wiegend in Euro fakturierten) Ein- Vereinfachung gewertet werden kann 6 Obwohl sich die Literatur oft auf das „Preissetzungsverhalten der Erdöl exportierenden Länder“ bezieht, sollte doch präzisiert werden, dass die OPEC seit 1986 nicht mehr versucht, die Preise direkt festzusetzen, sondern eine Men- genfestlegungsstrategie verfolgt, die den Markträumungspreis indirekt beeinflusst. 7 Zu beachten ist, dass eine solche Reaktion asymmetrisch sein kann, da eine Aufwertung des US-Dollar eher tole- riert wird als eine Abwertung. 116 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs (Krugman, 2000).8 Tatsächlich ent- die Länder teilen sich den nach Quali- sprechen das zeitgleiche Auftreten von tätsunterschieden (süß/sauer, schwer/ Produktionsrückgängen und fallenden leicht usw.) segmentierten Weltmarkt Preisen zu Beginn der 1980er-Jahre für Erdöl teilweise untereinander auf. sowie die anschließende Umkehr des In den einzelnen Marktsegmenten ver- Verlaufs beider Zeitreihen nicht dem fügt jeder Mitgliedstaat aufgrund der Bild eines kartellisierten Marktes Inhomogenität des Rohöls (unvollstän- (Yousefi und Wirjanto, 2005). Zwar dige Substitute) über eine gewisse verfügen die Mitglieder der OPEC über Marktmacht. Dies führt zu einem eine gewisse Marktmacht, doch weist Bertrand-Wettbewerb mit unvollständiger deren Ausmaß in Abhängigkeit von den Preisangleichung, wobei Saudi-Arabien allgemeinen Marktgegebenheiten im – mit etwa einem Drittel der OPEC- Zeitablauf deutliche Schwankungen auf. Fördermenge der mit Abstand größte Aufgrund der rasant steigenden Nach- Erdölproduzent in der OPEC – als frage aus China und anderen Schwel- Preisführer auftritt. lenländern sowie der allmählichen Er- Im Hinblick auf die zweite Voraus- schöpfung der Lagerstätten in nicht der setzung wird in Tabelle 2 die Asym- OPEC angehörenden Ländern ist die metrie in der Handelsstruktur der OPEC heute durchaus wieder in der Erdöl exportierenden Volkswirtschaf Lage, die Preise teilweise zu bestim- ten dargestellt. Während die Fakturie- men. Im Jahr 2006 entfielen auf die rung von Erdöl in US-Dollar zunächst 13 Mitgliedstaaten der OPEC 55 % der bedeutet, dass praktisch sämtliche Ex- Rohölexporte, 45 % der Erdölproduk- porte der Förderländer in den „US-Dol- tion und rund 78 % der Erdölreserven lar-Raum“ gehen, spielt der US-Dollar weltweit. umgekehrt für die Einfuhren der Erd- Die wohl passendste Beschreibung ölexporteure nur eine untergeordnete des Erdölmarktes haben Yousefi und Rolle. Vielmehr fungiert insbesondere Wirjanto (2005) vorgelegt. Sie entwerfen die EU (und hier vor allem das Euro ein Modell, demzufolge unter den gebiet) als wichtigster Lieferant für die Erdöl exportierenden Ländern oligo- mit Petrodollar bezahlten Konsum- und polistische Rivalität herrscht, das heißt, Investitionsgüter.9 Tabelle 2 Geografische Aufschlüsselung der Handelsströme für zehn bedeutende Erdölexporteure (2005)1 USA Euroraum EU Asien Anteil in % Exportmärkte 13,9 27,4 38,7 25,6 Importbezugsquellen 6,8 29,2 41,9 25,4 Quelle: EZB (2007). 1 Algerien, Iran, Kuwait, Libyen, Nigeria, Norwegen, Russland, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela. 8 Krugman (2000) bezieht sich auf das von Cremer und Isfahani (1991) entwickelte Konzept der multiplen Gleich- gewichte, demzufolge der Verzicht auf Erdölförderung eine Form von Investition darstellt, da es sich bei Erdöl um eine erschöpfbare Ressource handelt. Eine andere Erklärung findet sich in Rauscher (1992). 9 In dieser Tabelle werden Russland und Norwegen, die im Vergleich zur OPEC noch engere Beziehungen zur EU als zu Asien haben, als Förderländer mitberücksichtigt. Laut Mazraati (2005) bezog die OPEC von 1970 bis 2004 im Durchschnitt 28,82 % ihrer Importe aus dem Eurogebiet und nur 13,45 % aus den USA. Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 117
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Eine solche Asymmetrie sollte sich und der den Inflations- und Wechsel- letztlich in den Terms of Trade nieder- kursschwankungen Rechnung trägt schlagen.10 Bereits 1972 schlossen einige (OPEC, 2006).11 Fast die Hälfte dieses OPEC-Staaten und internationale Erd- Währungskorbs entfällt auf den Euro ölgesellschaften das Erste Genfer Abkom- (Mazraati, 2005). men (Genf I), mit dem zwecks Berück- Angesichts des maßgeblichen An- sichtigung von Wechselkursschwan teils des Euro an diesem Währungs- kungen eine vierteljährliche Anpassung korb erscheint es gerechtfertigt, die der festgelegten Listenpreise eingeführt vorliegende empirische Analyse durch wurde. Mit diesem Ziel wurde ein die Verwendung des USD/EUR-Wech- Index geschaffen, der später durch Ge- selkurses anstelle der nominal-effek- wichtung der Importe in den derzeit tiven Wechselkurse zu vereinfachen. gültigen modifizierten Genf I + US-Dol- Allerdings nimmt, wie Grafik 3 zeigt, lar-Währungskorb umgewandelt wurde im Zeitverlauf selbst der Anteil des Euroraums im Gesamtvergleich aller Grafik 2 Importe der OPEC ab, und zwar Genf I + US-Dollar-Währungskorb zugunsten von Entwicklungs- und 1998 bis 2002 Schwellenländern. Anteile am Währungskorb Bezüglich der dritten Vorausset- (entsprechend den Importgewichten) zung ist zu sagen, dass die Erdölexpor- in % teure vor der Aufgabe stehen, für drei 2,9 zusammenhängende Bereiche – Faktu- 10,1 rierung, Erdöleinnahmenrecycling und Wechselkursbindung – eine geeignete Währung auszuwählen. In Mileva und 15,3 Siegfried (2007) wird die beinahe aus- 46,4 schließliche Fakturierung in US-Dol- lar12 damit erklärt, dass Erdöl ein ho- mogenes Gut ist, das an den Warenbör- sen gehandelt wird. Die ursprüngliche Entscheidung für die Fakturierung in US-Dollar war wohl auf den Ruf der 25,3 USA als stabile Volkswirtschaft und die Schweizer Franken Angebotstiefe ihres Finanzmarktes zu- Euro US-Dollar rückzuführen, doch lassen sich für Japanischer Yen Pfund Sterling diese Entscheidung auch politische Gründe finden. Mitte der 1970er-Jahre Quelle: Mazraati (2005). war der Einfluss Saudi-Arabiens aus- 10 Nach den Berechnungen von Mazraati (2005) verringerte sich zwischen 1970 und 2004 durch die US-Dollar- Abwertung die Kaufkraft der Erdöleinnahmen für die OPEC beträchtlich (–15,6 %), wobei der inflationsbedingte Verlust jedoch noch stärker ausfiel (–57,4 %). Diese beiden Effekte lassen sich jedoch kaum voneinander trennen, da in praktisch allen Erdöl produzierenden Ländern mit einer nicht diversifizierten Wirtschaft und an den US- Dollar gebundenen Währungen ein inverser Zusammenhang zwischen dem Wert des US-Dollar und der Inflation besteht (Alhajji, 2004). 11 Tatsächlich verwendete die OPEC eine Zeit lang Währungsverschiebungen im Genfer Währungskorb, um Preisan- stiege zu rechtfertigen; allerdings ist unklar, in welchem Ausmaß dies tatsächlich eine Rolle spielte. 12 Versuche zur Umstellung der Verrechnung auf Euro wurden vom Iran, Irak und von Venezuela unternommen. 118 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Grafik 3 Anteile an OPEC-Importen (ohne Intra-OPEC-Handel) in % der Gesamtimporte 120 100 80 60 40 20 0 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Euroraum Vereinigtes Königreich Schweiz USA Japan Rest der Welt Quelle: IWF. schlaggebend dafür, dass die Erdöl- Die Dollarisierung erweist sich für preise in US-Dollar festgelegt wur- diese Länder nicht nur aufgrund ihrer den.13 Seitdem stützen die späteren Abhängigkeit vom Export eines ein- Mitgliedsländer des Golf-Kooperati- zigen, in US-Dollar abgerechneten onsrats (GKR) den Wert des US-Dol- Rohstoffs als vorteilhaft, sondern auch, lar durch seine Verwendung als Faktu- weil dadurch Finanzierungskosten ver- rierungswährung und durch die Veran- ringert, Auslandsinvestitionen angezo- lagung in USD-Reserven und -Wert- gen und die makroökonomische Stabi- papieren. Trotz ihrer Nervosität lität gefördert werden.14 Die Abwer- hinsichtlich der US-amerikanischen tung des US-Dollar und die expansive Handelsungleichgewichte und des sin- US-amerikanische Geldpolitik verstär- kenden Werts ihrer USD-Reserven ken jedoch den – durch den Höhenflug halten die im GKR vertretenen Erdöl- der Erdölpreise ohnehin schon stei- exporteure weiterhin umfangreiche genden – Inflationsdruck in den Erdöl Beteiligungen in den USA (Momani, exportierenden Ländern. Darüber hin- 2006). In beinahe allen Erdöl exportie- aus begünstigen der Ausbau der Han- renden Ländern und insbesondere in delsbeziehungen zu Europa und die den GKR-Staaten sind die Wechsel- angestrebte Verringerung der Erdölab- kurse entweder formell an den US- hängigkeit die wirtschaftliche Neuaus- Dollar gebunden oder stark auf diese richtung dieser Länder vom US-Dollar Währung ausgerichtet (EZB, 2007). zum Euro.15 Die dominante Rolle des 13 Im Jahr 1975 wurde ein bestehendes Übereinkommen zwischen den USA und Saudi-Arabien über die Anlage saudischen Vermögens in US-Anleihen durch eine Vereinbarung über die Fakturierung von Erdöl in US-Dollar ergänzt. Saudi-Arabien nutzte seinen Einfluss in der OPEC dazu, die anderen Mitgliedstaaten dafür zu gewin- nen, OPEC-Erdöl in US-Dollar zu fakturieren – im Gegenzug für stärkeren Einfluss im IWF und militärischen Schutz (Momani, 2006). 14 Des Weiteren erleichtert die Dollarisierung den GKR-Staaten den bis 2010 geplanten Übergang zu einer Währungsunion, die als Instrument zur Integration und Diversifizierung der Volkswirtschaften in der Region dienen soll. Der Beschluss zur Einführung einer gemeinsamen Währung wurde bereits bei der Gründung des GKR im Jahr 1981 gefasst. Die offizielle Verwendung des US-Dollar als gemeinsame Verrechnungsbasis wurde 2001 vereinbart. Erst nach der tatsächlichen Einführung einer gemeinsamen Währung könnte man diese entweder an den Euro bzw. einen Währungskorb binden oder frei floaten lassen (BIZ, 2003). 15 Der OPEC-Generalsekretär Abdalla El-Badri stellte kürzlich fest: „Vielleicht können wir Erdöl in Euro faktu rieren. Möglich ist es, aber es wird nicht von heute auf morgen geschehen.“ (www.gulfnews.com/business/Oil_and_Gas/10188508.html, veröffentlicht am 9. Februar 2008). Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 119
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs US-Dollar als Fakturierungs-, Anlage- Investoren interessanter werden. Über- und Ankerwährung erscheint bisher dies werden diese Anlageformen auch dennoch unangefochten, obwohl sie die als Absicherung gegen die Inflation im- Erdölexporteure in ein geldpolitisches mer attraktiver, da mit einer US-Dol- Dilemma und in einen Widerspruch zu lar-Abwertung auch die Risiken für ihren eigenen Entwicklungsstrategien einen verstärkten Inflationsdruck in gebracht hat. Solange keine prakti den Vereinigten Staaten zunehmen. kablen Alternativen in Sicht sind,16 er- Dies erinnert an die aktuelle Debatte weist sich die derzeitige OPEC-Strate- darüber, inwiefern die gegenwärtige gie der Dollarisierung und Erdölpreis- Erdölpreisentwicklung von Speku stabilisierung als vernünftig. lationen anstatt von den Fundamental- daten bestimmt wird. Krugman (2008) 2.2 Lokalpreiskanal spricht von einer „Oil Nonbubble“. Er Neben dem beschriebenen angebotssei- argumentiert, dass „Spekulation nur tigen Kaufkraftkanal 17 wirken die loka- dann einen bleibenden Effekt auf Rohöl- len Preise als nachfrageseitiger Kanal. preise haben kann, wenn sie zu phy- Austvik (1987) zufolge führen Schwan- sischer Hortung führt“; eine solche kungen des USD-Wechselkurses fol- könne er jedoch nicht erkennen. gendermaßen zu Ungleichgewichten Stevans und Sessions (2008) widerspre- auf dem Rohölmarkt. Sinkt der Wert chen jedoch: „(...) es gibt empirische des US-Dollar, so wird Kraftstoff für Evidenz für Hortung auf dem Rohöl- die Verbraucher außerhalb des „US- markt: Rohöllager und Future-Preise Dollar-Raums“ (in lokaler Währung) korrelieren positiv miteinander.“ Diese billiger, wodurch wiederum die Nach- Diskussion ist noch nicht abgeschlos- frage steigt und es letztlich zu sen, nicht zuletzt deshalb, weil diese Anpassungen des Erdölpreises in US- Spekulationen, die vorrangig kurzfris- Dollar kommt. Als erster Hinweis auf tige Volatilität auswerten, von jenen diesen nachfrageseitigen Kanal ist an- Absicherungsmaßnahmen zur Diversi- hand der Jahresdaten des Energieunter- fizierung von Portfolios, zur Vorbeu- nehmens British Petroleum (BP) für gung gegen preisbezogene Risiken und den Zeitraum von 1965 bis 2007 eine zur Ausnutzung der angenommenen stark negative Korrelation (–0,81) zwi- antizyklischen Performance von Waren schen der Nachfrage nach Erdölpro- termingeschäften schwer zu unterschei- dukten in Europa und dem USD/EUR- den sind. Im Rahmen dieser Studie ist Wechselkurs festzustellen. diesbezüglich nur festzuhalten, dass das Geschäft mit Terminkontrakten für 2.3 Anlagekanal West Texas Intermediate (WTI) seit Zusätzlich kommt ein Anlagekanal ins dem Jahr 2000 einen auffälligen An- Spiel, da ein fallender US-Dollar die stieg verzeichnete. Von Jänner 2004 Rendite von in US-Dollar denomi- bis Juni 2008 hat sich die Anzahl der nierten Finanzanlagen verringert, so- offenen Positionen für sämtliche rele- dass Erdöl und andere Güter als alter- vanten Kontraktarten, die allein an native Anlageformen für ausländische der New York Mercantile Exchange 16 Frankel (2006) schlug eine Bindung an die Erdölexportpreise vor, was die Volatilität möglicherweise noch vergrößern würde. Mundell (2002) regte die Fakturierung in Sonderziehungsrechten an. 17 Alhajji (2004) stellt außerdem fest, dass im Gefolge einer US-Dollar-Abwertung die Bohrtätigkeit in Europa und im Nahen Osten abnimmt. 120 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Grafik 4 USD-Leitzinssatz und Rohölpreis 1971 bis 2007 (Veränderung gegenüber Vorjahr) in USD in % 70 18,0 16,0 60 14,0 50 12,0 40 10,0 30 8,0 6,0 20 4,0 10 2,0 0 0,0 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 USD je Barrel Rohöl (linke Achse) USD-Leitzinssatz – Federal Funds Rate (rechte Achse) Quelle: EIA, Thomson Financial. (NYMEX) gehandelt werden, von rund kurs) gemeinsame Ursachen haben. 900.000 auf über 2,9 Millionen mehr Insbesondere die Hypothese, dass die als verdreifacht. Allerdings deutet die Preisentwicklung bei Erdöl und ande- empirische Evidenz darauf hin, dass ren Rohstoffen von den Zinssätzen be- künftige Erdölpreisschwankungen eher einflusst wird (Frankel, 2006), würde zu Veränderungen bei Kontraktpositi- – in Verbindung mit der Theorie der onen führen als umgekehrt (ITF, (ungedeckten) Zinsparität für Wech- 2008). selkurse – eine solche Begründung er- lauben. 2.4 Geldpolitischer Kanal Ein Gleichlauf des USD-Wechselkurses 2.5 Devisenmarktkanal und der Erdölpreise könnte auch über Letztlich könnte auch ein Devisenmarkt- den geldpolitischen Kanal herbeigeführt kanal zum Tragen kommen, da auf den werden, da eine US-Dollar-Abwertung Devisenmärkten, die möglicherweise zu einer Lockerung der Geldpolitik effizienter sind als Erdölmärkte, real- auch in jenen Erdöl produzierenden wirtschaftliche Entwicklungen vor- Staaten führt, deren Währungen an weggenommen werden, die auf Ange- den US-Dollar gebunden sind. Nied- bot und Nachfrage bei Erdöl einwirken rigere Zinssätze erhöhen wiederum die (Chen et al., 2008). Bei diesem letztge- Liquidität, wodurch die Nachfrage im nannten Kanal scheint die Kausalität Allgemeinen – und damit auch die vom US-Dollar in Richtung Erdölpreise Nachfrage nach Erdöl – angekurbelt zu wirken, während tatsächlich eine wird (Cheng, 2008). Dieser Kanal lässt gegenläufige Beziehung zugrunde liegt. sich dadurch belegen, dass der Anstieg In diesem Sinn würden Hypothesen der weltweiten Nachfrage nach Rohöl zum negativen Zusammenhang, die derzeit zum Großteil auf China und den darauf hinauslaufen, dass sich der Erd- Nahen Osten entfällt, wo bekanntlich ölpreis auf den US-Dollar auswirkt, die der US-Dollar als Ankerwährung fun- hier bevorzugte Hypothese einer ge- giert. Ebenso könnte man argumentie- genläufigen Kausalität (vom US-Dollar ren, dass die beiden relativen Preisent- auf den Erdölpreis) eher ergänzen als wicklungen (Erdölpreis und Wechsel- ersetzen. Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 121
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Auch wenn einer der zuvor be- negativer Zusammenhang zwischen schriebenen Kanäle die Beziehung zwi- US-Dollar und Erdölpreis immer mehr schen USD-Wechselkursen und Erdöl- Zustimmung (Cheng, 2008; Krichene, preisen dominiert, ist nicht ausge- 2005; Yousefi und Wirjanto, 2005). schlossen, dass (vorübergehend) sogar Diesem Argument steht eine beträcht- gegensätzliche Kräfte zum Tragen kom- liche Anzahl an Autoren jedoch ableh- men. Krugman (1980) schlug z. B. ein nend gegenüber (Amano und van Drei-Länder-Modell vor, bei dem die Norden, 1998; Bénassy-Quéré et al., Wirkungsrichtung von einem Vergleich 2005; Schimmel, 2008). der Auswirkungen eines Erdölpreisan- Der Einfluss der Erdölpreise auf die stiegs auf die Zahlungsbilanz mit jenen Wechselkurse von Nicht-USD-Wäh- des Petrodollar-Recycling abhängt. Zu- rungen wurde in verschiedenen Stu- nächst wäre der Zusammenhang posi- dien zumindest teilweise bestätigt tiv, da die Erdölgewinne in USD-Anla- (Akram, 2004; Chen und Chen, 2007; gen investiert werden, doch könnte er Habib und Kalamova, 2007; Korhonen sich langfristig ins Negative umkehren, und Juurikkala, 2007). In der Regel da im Zeitverlauf die Ausgaben der konzentrieren sich solche Studien auf OPEC-Staaten für Industrieerzeugnisse die Währungen der Erdöl exportie- steigen, und diese Produkte vorzugs- renden Länder, wo der Zusammenhang weise aus anderen Ländern als den Ver- direkter gegeben ist als im Fall des einigten Staaten kommen. Erweite- US-Dollar. Der offensichtliche Unter- rungen dieses Modells durch Krugman schied zwischen der dort festgestellten (1984) führen zu ähnlichen Ergebnis- Kausalitätsrichtung und jener, die in sen: Ein Erdölschock wirkt sich auf alle den meisten Studien (einschließlich der Länder aus, und seine Folgen für die vorliegenden) über die Beziehung zwi- Wechselkurse ergeben sich aus Asym- schen USD-Wechselkurs und Erdöl- metrien zwischen den Ländern. Diesel- preis präsentiert wird, deutet darauf ben Asymmetrien bestimmen auch die hin, dass der US-Dollar aufgrund sei- Wirkung des erwähnten Kaufkraft ner Funktion als Fakturierungswäh- kanals für die umgekehrte Kausalität. rung für Erdöl eine Ausnahme darstel- Letztlich kann die Frage, welcher len könnte. der genannten Kanäle vorherrscht, In letzter Zeit wurden in ähnlichen nur empirisch angegangen werden. Studien über einen allgemeineren Zu- Tabelle 3 gibt einen Überblick über die sammenhang zwischen Wechselkursen wichtigste empirische Literatur über und Rohstoffpreisen bedeutende Er- den Zusammenhang zwischen Wech- gebnisse erarbeitet. Bei Rohstoffwäh- selkurs und Erdölpreis. Aufgrund un- rungen mit flexiblen Wechselkursen terschiedlicher theoretischer Konzepte, scheinen die Argumente dafür, dass die Datendefinitionen und zeitlicher Ab- Rohstoffpreise von den Währungen grenzungen variieren die darin prä beeinflusst werden (und nicht umge- sentierten Schätzungsergebnisse sehr kehrt), zu überwiegen (Chen et al., stark.18 Im Zeitverlauf betrachtet, fin- 2008; Clements und Fry, 2006). Für det ein vom Wechselkurs bestimmter eine größere, weniger selektive Stich- 18 Ein beachtenswertes Detail besteht darin, dass sich die meisten Studien auf reale und nicht auf nominale Daten stützen. Nominale Daten erscheinen jedoch zweckmäßiger, da die Erdölpreise direkt und indirekt über andere Input-Kosten, wie Energie oder andere Rohstoffe, zur Inflation beitragen. Somit gehen durch die Inflationsberei- nigung einige wichtige Informationen über diesen relativen Preis verloren. Die ebenso gelegentlich verwendeten Realwechselkurse verdecken die Tatsache, dass sich Wechselkurs und Inflation gegenseitig beinflussen. 122 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs Tabelle 3 Ausgewählte Studien über die Beziehung zwischen Rohölpreis und USD-Wechselkurs Studie Richtung Kausalität Theorie Modell Zeitraum Wechselkurs Erdöldaten Methode daten Cheng, 2008 Kurz- und USD ➝ Erdöl Kanäle: Nachfrage/ 1980–2007 NEWK und Durchschnitt Dynamische langfristig Kaufkraft, Angebot- REWK USD licher Erdöl- OLS-Schät- negativ (außer lokale Preise, Rahmen spotpreis zung in den 1980er- Anlagen und (Borensztein/ Jahren) Geldpolitik Reinhart, 1994) Bénassy-Quéré Kointegration; Erdöl real ➝ Einflüsse von Vier-Länder- 1974–2004 REWK USD; Realer Markt- Kointegration, et al., 2005 langfristig USD real China durch Modell preis für Rohöl positiv, aber Umkehr der Bindung an (Krugman, negativ ab Kausalität ab den US-Dollar 1980): USA, 2002 2002 und energie China, OPEC (1980–2004) (EUR-USD VECM, intensives (US-Dollar- robust) Granger-Test Wachstum Block); EU Krichene, 2005 Kointegration, USD ➝ Erdöl Kanäle: Simultanglei- 1970–2004 NEWK USD Rohölpreis VAR lang- und Kaufkraft und chungsmodell, index des IWF kurzfristig lokale Preise Strukturmodell negative + Zinssätze Wirkung und NEWK Yousefi und Negative USD real ➝ Kanal: Kauf- Unvollständige 1989–1999 REWK USD, Monatliche OLS-Schät- Wirjanto, 2005 Exportpreis Erdöl kraft der Erd- Transmission Index Spotpreise für zung mit elastizität öleinnahmen von Wechsel- 4 OPEC- Standard- kursschwan- Staaten fehler kungen, korrektur oligopolisti- sche Rivalität in OPEC Yousefi und Negative USD ➝ Erdöl Kanal: Modell der 1989–1999 REWK USD WTI, Brent, Generalisierte Wirjanto, 2004 Korrelation Kaufkraft der partiellen (preisberei- OPEC und Momenten- Erdöleinnah- Marktauftei- nigter Broad monatliche methode men; lung, Saudi- Index und Spotpreise nach Hansen, unvollständige Arabien als Major Curren perfekte Transmission Preisführer cies Index der Korrelation von Wechsel- Fed kurs- schwankungen Amano und Positive Erdöl ➝ WK Realer Fehlerkorrek- 1972–1992 REWK USD WTI real Dynamische van Norden, Kointegration Erdölpreis turmodell mit Simulationen 1998 reflektiert Einzel- Terms-of- gleichung Trade-Schocks Quelle:OeNB. Anmerkung: NEWK: nominal-effektiver Wechselkurs; REWK: real-effektiver Wechselkurs; WTI: West Texas Intermediate; VAR: Vektorautoregression; VECM: Vektorfehlerkorrek- turmodell; OLS: gewöhnliche Kleinstquadratmethode. Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 123
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs probe von Rohstoffwährungen kann einigten Staaten und im Euroraum be- jedoch die gegenteilige Schlussfolge- stimmt wird. rung gezogen werden (Cashin et al., Für beide Volkswirtschaften bezie- 2004). hen sich die Daten für das Geldangebot auf M1, Produktion wird durch den 3 U SD-Wechselkurs und Industrieproduktionsindex dargestellt, Erdölpreis: eine Prognose und der Ein-Monats-Geldmarkt-Zins- In diesem Kapitel wird eine einfache satz als relevanter Zinssatz herangezo- Prognose erstellt, um die Aussagekraft gen. Für den USD/EUR-Wechselkurs von Veränderungen des USD/EUR- vor 1999 wird der synthetische Euro Wechselkurses im Hinblick auf die verwendet, und der nominelle Erdöl- künftige Erdölpreisentwicklung zu be- preis ist in US-Dollar je Barrel (West urteilen.19 Zu diesem Zweck werden Texas Intermediate) gemessen. Sämt- die mit einem einfachen autoregres- liche Daten liegen in monatlicher Fre- siven (AR-)Modell ermittelten Vorher- quenz vor, decken die Periode 1983 bis sagen über Veränderungen der Erdöl- 2007 ab und wurden von Datastream preise mit Ergebnissen einer Vektor bezogen – mit Ausnahme des Erdöl- autoregression (VAR) verglichen, in der preises, dessen Quelle die Energy In- Änderungen des Wechselkurses, seiner formation Administration ist.20 Determinanten und der Erdölpreise so- Für die beiden konkurrierenden wie ein Vektorfehlerkorrekturmodell Modelle erhält man folgende Spezifika- (Vector Error Correction – VEC) für tionen: diese Variablen berücksichtigt sind. Im p Fall der VAR- und VEC-Modelle kann ∆pt = φ0 + ∑ φ ∆p k =1 k t −k + εt (1) die Spezifikation als ein um eine Vari- able für den Erdölpreis erweitertes und monetäres Modell der Wechselkurs p bestimmung betrachtet werden (z. B. ∆vt = Θ 0 + ∑ Θ ∆v k =1 k t −k + ut (2) Frenkel, 1976; Meese und Rogoff, 1983; MacDonald und Taylor, 1992 wobei vt = ( pt et mt yt it ), pt = ln(pt ), et = und 1994), wobei angenommen wird, ln(et ), mt = ln(Mt,US/Mt,EUR ), yt = ln(Yt,US/ dass der Wechselkurs durch Verände- Yt,EUR), it = (rt,US – rt,EUR ) und et = ln(et ) gilt rungen der relativen Geldmenge, des und pt den Erdölpreis, Mt die Geld- Outputs und der Zinssätze in den Ver- menge, Yt den Output, rt den Zinssatz 19 Es gibt zwei Gründe für die Anwendung eines Out-of-Sample-Ansatzes. Zum einen ist das Unterfangen, alle möglichen Zusammenhänge in ein einziges strukturelles Theoriemodell zu verschachteln, hoffnungslos, obwohl dies notwendig wäre, um die verschiedenen Kanäle sauber zu testen. Das würde jedoch die Entwicklung eines vollständigen Modells der ganzen Welt implizieren, dessen Annahmen ebenso kritisierbar wären, wie die Konzen tration auf das hier verwendete in kleiner, partiell reduzierter Form. Dieses Problem wird noch dazu durch die Tatsache verstärkt, dass einige der Kanäle gleichwertige Beobachtungen hervorrufen. Zum anderen kann der Fokus auf Vorhersagbarkeit außerhalb der Stichprobe auch als Extramehrwert dieser Studie angesehen werden, zumal sich die Literatur meist auf In-Sample-Korrelationen konzentriert, die unter Umständen wertvolle Infor- mationen für Prognosen beinhalten. 20 Es wurden monatliche Daten gewählt, um das „weiße Rauschen“ zu begrenzen, das mit höheren Frequenzen einhergeht, und um besser auf die fundamentalen Kräfte von Datenbewegungen fokussieren zu können. Die Ver- wendung nomineller Daten beruht nicht zuletzt darauf, dass reale Daten den Konsumentenpreisindex einführen würden, der selbst endogen zu Erdölpreisen und Wechselkursen ist. Die verwendete Zeitreihe ist der nächstliegen- de Monatsvertragspreis (Front-Month Contract Price) eines Barrels West Texas Intermediate (WTI), einer der drei Standard-Rohölsorten (zusammen mit Brent und Dubai), deren Preise stark miteinander verknüpft sind. 124 Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08
Rohölpreis und USD/EUR-Wechselkurs und et den nominalen USD/EUR- zont von einem Monat bis zu drei Jah- Wechselkurs bezeichnen. Θ0 ist ein 5- ren (36 Monaten). Für die Vorhersagen dimensionaler Vektor der Intercept- wird der Prognosefehler anhand der Terme, und Θk stellen 5x5-Parameter- für die verschiedenen Prognosehori- matrizen dar. Es wird angenommen, zonte tatsächlich verzeichneten Erdöl- dass der Fehlerterm εt einem „weißen preise ermittelt. Dann werden die für Rauschen“ mit konstanter Varianz σ2 Jänner 1997 beobachteten Werte zum entspricht und ut = (u1t u2t u3t u4t u5t) Schätz-Sample hinzugefügt, die Schät- einen unabhängig und identisch verteil- zungen für die Modelle neu berechnet ten Vektorprozess mit einem Mittel- (nach Auswahl einer potenziell neuen wert von Null und einer konstanten optimalen Lag-Länge) und das zuvor Varianz-Kovarianz-Matrix Σ darstellt. beschriebene Verfahren für diese neue Da es Belege für eine Einheitswur- In-Sample-Periode wieder durchge- zel aller Variablen im Vektor v gibt, führt. Dieser Vorgang wird so lange wäre eine mögliche Spezifikation, die wiederholt, bis keine verwertbaren diese Variablen zueinander in Bezie- Out-of-Sample-Beobachtungen mehr hung setzt, ein VEC-Modell, bei dem vorliegen. langfristig eine Anpassung an eine Die Prognosegenauigkeit wurde auf Kointegrationsbeziehung erfolgt, die zwei Arten gemessen: durch eine lineare Funktion für die a) Einerseits mittels Root Mean Squared Kovarianten des Modells gegeben ist: Error (RMSE), definiert als p 1 T +h+ N h ∆vt = Γ 0 + ∑ Γ ∆v k =1 k t −k + αβ ' vt −1 + u t (3) RMSE (h ) = ∑( N n =T + h pn − pn ) 2 (4) wobei β den (Spalten-)Kointegrations- wobei pht die Prognose für pt, die im vektor, der das durch ∫’vt gegebene verwendeten Modell anhand von langfristige Gleichgewicht unter den Daten bis t–h ermittelt wurde, und Variablen des Systems definiert, und α N die Anzahl der durchgeführten den (Spalten-)Vektor, der die Anpas- Out-of-Sample-Prognosen bezeich- sungsgeschwindigkeit jeder einzelnen nen. Der RMSE wird für Prognose- Komponente von vt erfasst, bezeich- horizonte (h) von einem Monat bis nen. 36 Monate berechnet. Die Prognose wird folgendermaßen b) Andererseits mittels Direction-of- durchgeführt: Für die durch die Glei- Change-Statistik (DOC-Statistik), chungen (1), (2) und (3) dargestellten die als Anzahl richtig vorhergesag- Modelle werden Schätzungen anhand ter Erdölpreisänderungen für den der Monatsdaten für den Zeitraum von Prognosehorizont h dividiert durch Jänner 1983 bis Dezember 1996 be- die Gesamtgröße der Prognosestich- rechnet, wobei die optimale Lag-Länge probe für den betreffenden Prog ( p in den angeführten Spezifikationen) nosehorizont definiert ist. Diese durch Minimierung des Bayes-Infor- Methode liefert ein Maß für die mationskriteriums (Bayesian Informa- Fehlerlosigkeit, mit der das Modell tion Criterion – BIC) für die Lag-Län- die Richtung der Erdölpreisände- gen eins bis zwölf gewählt wird. Mit rung vorhersagen kann. den Schätzungen für die Modelle erhält Wenn die beiden Modelle Prognosen man Out-of-Sample-Prognosen des unterschiedlicher Güte liefern (z. B. im Erdölpreises für einen Prognosehori- Hinblick auf den RMSE), so stellt sich Geldpolitik & Wirtschaft Q4/08 125
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