Rosen-Regen HERZTÖNE - KONZERTE ZUR SAISONERÖFFNUNG MI 15. SEP 2021 | 19.30 UHR KULTURPALAST - Dresdner Philharmonie
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HERZTÖNE — KONZERTE ZUR SAISONERÖFFNUNG Rosen-Regen MI 15. SEP 2021 | 19.30 UHR KULTURPALAST
KONZERTE ZUR SAISON- ERÖFFNUNG 10.-12. SEP 2021 BEETHOVEN MAREK JANOWSKI | Dirigent MARÍA DUEÑAS | Violine DRESDNER PHILHARMONIE 13.-15. SEP 2021 SCIARRINO (ek)statisch – Sciarrino im Kontext Skrjabin, Feldman, B. A. Zimmermann, Sciarrino Wege zu Sciarrino Schubert, Debussy, Ravel Uraufführung Auftragswerk ›150 Jahre Dresdner Philharmonie‹ Vanitas – Musikalisches Stillleben 18./19. SEP 2021 MAHLER STANISLAV KOCHANOVSKY | Dirigent DRESDNER PHILHARMONIE
PROGRAMM Salvatore Sciarrino (* 1947) »Vanitas« – Stilleben in einem Akt für Stimme, Violoncello und Klavier (1981) Introduzione – »Rosa« (Die Rose) – »Marea di rose« (Meer von Rosen) – »L’eco« (Das Echo) – »Lo specchio infranto« (Der zerbrochene Spiegel) – »Ultime rose« (Letzte Rosen) Noa Frenkel | Mezzosopran Martina Schucan | Violoncello Florian Hoelscher | Klavier PAUSE Salvatore Sciarrino »Piogge diverse« (Regen verschiedener Art) – Fünf Gesänge für Bariton und großes Orchester 1. »Polvere, assetata sorella del fango« (Staub, durstige Schwester des Schlamms), Text: Matsuo Basho 2. »Pioggia di sole« (Sonnenregen), Text: nach Aischylos 3. »Piovono fiori« (Blütenregen), Text: nach Ghirlanda 4. »Gocce di mercurio dal cielo«, Quecksilbertropfen vom Himmel (Text: Salvatore Sciarrino) 5. »Harusame« (Text: Epigraph aus Ugento) (Kompositionsauftrag zum 150-jährigen Jubiläum der Dresdner Philharmonie, Uraufführung) Emilio Pomàrico | Dirigent Michael Nagy | Bariton Dresdner Philharmonie
Jacob de Gheyn (1565 – 1629): »Vanitas« (1603) 4
JENS SCHUBBE Alles ist eitel Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern, Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen. Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern, ihm immerwährende Aktualität. Indes wie blasser Kinder Todesreigen An der Wende vom 16. zum 17. Jahr- Um dunkle Brunnenränder, die verwittern, hundert, also am Übergang von Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen. der Renaissance zum Barock, be- gann der Vanitas-Gedanke in den So lauten einige todestrunkene Zeilen europäischen Kulturen die Geistes- aus einem »Verfall« überschriebenen haltung der Menschen immer stärker Gedicht von Georg Trakl, entstanden am zu durchdringen. Nach den Wirren der Vorabend des Ersten Weltkrieges. Es sind Reformation und durch die rapide Zu- Symbole und Bilder der Vergänglichkeit, nahme naturwissenschaftlicher Erkennt- die hier gereiht sind – und die haben in nisse standen überkommene Glaubens- der abendländischen Kunst- und Kultur- gewissheiten in Frage. Epidemien, geschichte eine lange Tradition. wirtschaftliche Krisen und kriegerische »Vanitas vanitatum« – »Alles ist eitel«, Auseinandersetzungen – allen voran die verkündet der Prediger Salomo im Alten verheerende Katastrophe des Dreißigjäh- Testament und entlarvt alle irdischen rigen Krieges – taten ein Übriges, um die Hoffnungen des Menschen, der unaus- Menschen dem vergleichsweise stabilen weichlich seiner eigenen Vergänglichkeit Weltgefüge der Renaissance zu entreißen. ausgeliefert ist, als Illusion. Hier findet Der religiösen Sicherheiten wenigstens der Vanitas-Gedanke, der die Nichtigkeit, teilweise beraubt, konzentrierte sich der Leere und Sinnlosigkeit menschlicher barocke Mensch auf das Diesseits, war Existenz meint, seine exemplarische Aus- sich jedoch gleichzeitig der Endlichkeit formung. Deren permanente Gefährdung aller weltlichen Genüsse bewusst: – sei es durch Kriege, Krankheiten, Hun- gersnöte, Naturkatastrophen – sichert 5
Das Mündlein von Korallen Wird ungestalt, Die Händ’ als Schnee verfallen, Und du wirst alt. Drum lass uns jetzt genießen Der Jugend Frucht, Eh’ dann wir folgen müssen Der Jahre Flucht. Das rät der deutsche Poet Martin Opitz ganz im Geiste seiner Zeit. Die hier anklin- gende Spannung zwischen Lebenslust und dem Bewusst- sein der Hinfälligkeit spiegelt sich in den Künsten des Barock allenthalben in Motiven der Vanitas wider. In der Malerei stehen der Darstellung üp- pigen Lebens Todessymbole gegenüber – manchmal kaum wahrnehmbar, dann wieder ganz offenkundig. Man den- Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571 – 1610): ke an Caravaggios »Bacchino »Bacchino malato« (1593) 6
malato«: Sein Bacchino ist ein junger, Ebenso wie in der Malerei wird das The- kräftiger Mann. Dessen Gesicht freilich ma der Eitelkeit der Welt von der Litera- ist von Blässe gezeichnet, die Augen tur des Barock aufgenommen, und das – fixieren den Betrachter glanzlos, matt und wie an der Herkunft der von Sciarrino voll Melancholie, sein Lächeln scheint einbezogenen Autoren nachzuvollziehen müde. Die Trauben in seiner Hand zeigen ist – in ganz Mittel- und Westeuropa. Spuren von Fäulnis; die Blätter, die sein Auch hier wird ein Arsenal von Chiffren Haupt umkränzen, beginnen zu welken. ausgeprägt, sind es bestimmte wieder- Zumal in der Stillebenmalerei jener Zeit kehrende sprachliche Metaphern, die werden vergleichbare mit symbolischer in immer neuen Varianten aufgegriffen Bedeutung versehene Objekte zu einem werden, um die Vergänglichkeit des ganzen Zeichenrepertoire entwickelt. Irdischen zu umschreiben: Die welkende Dazu gehören Blumen, Luxusgüter und Blume, die brandende Welle, die verlö- Machtinsignien, Spiegel als Sinnbilder schende Flamme, das Echo, dessen Hall irdischer Freuden und narzisstischer kaum vernommen wieder verschwindet – Selbstverliebtheit, denen Schädel, das sind bezeichnende Topoi, die auch in Sanduhren, Ungeziefer, zerbrochene »Vanitas« aufscheinen. Gegenstände, vergilbte Buchseiten oder Manuskripte, verlöschende Kerzen, Spuren der Fäulnis und des Verwelkens als Symbole der Vergänglichkeit gegen- übergestellt werden. Die pessimistische Grundstimmung der Stilleben, das latent Unheilvolle, wird oftmals durch dunkle Farbtöne unterstrichen. 7
Liederzyklus und Musiktheater Sciarrinos »Vanitas« Pieter Claesz (1597 – 1661) : Vanitas-Stilleben mit Selbstportrait (1628) Sciarrinos »Vanitas«, komponiert 1981 Gesang ebenfalls um ein weiteres Solo- und am 11. Dezember des Jahres in der Instrument (Klarinette bzw. Horn) erwei- Piccola Scala in Mailand uraufgeführt, tert wurde. erinnert in seiner Anlage an einen Lieder- Freilich haben diese Bezüge zu einer tra- zyklus. Die Besetzung mit Singstimme, ditionellen musikalischen Gattung nichts Klavier und Violoncello lässt zudem an oberflächlich Nostalgisches oder meinen Schuberts »Hirt auf dem Felsen« oder ein »Zurück zu …«, sondern Sciarrino ver- »Auf dem Strom« denken – Gesänge, in wandelt und verzaubert die historischen denen das traditionelle Duo Klavier und Modelle. Ohne dass »Vanitas« mit einer 8
herkömmlichen Oper zu vergleichen Herkunft noch zu erinnern vermöchten; wäre – weder gibt es eine Handlung, noch sie gleichen Trümmern einer längst klar umrissene Protagonisten im Sinne vergangenen Musik. eines szenischen Spiels –, fügen sich die Vergänglichkeit wird in »Vanitas« vorab fünf Gesänge zu einer Folge korrespon- im Verklingen erfahrbar. Jene Akkorde, dierender Tableaux, wird der Raum, in die den Klavierpart des ersten Gesanges dem sich die Klänge entfalten, gleich- durchziehen, verstummen durch suk- sam zum tönenden Stillleben. Darüber zessives Aufheben der Tasten von unten hinaus aber spiegelt sich die Idee der nach oben. Die langen Haltetöne, auf Vanitas in den Strukturen der Musik. Das denen die Singstimme das Wort »Rosa« betrifft zunächst die zeitliche Dimension. über viele Takte hinweg immer wieder Zwar borgt sich »Vanitas« vom Lied die wie traumverloren intoniert, verflüchti- Intimität und den lyrischen Tonfall, aber gen sich am Ende in einem absinkenden dessen übliche zeitliche Grenzen werden Melisma und in einer Lage, in der die aufgehoben. So wie die Sonne vor ihrem Stimme zum Hauch wird. Der Klang des Untergang das Schattenbild eines Cellos ist über weite Strecken zum Imma- Baumes immer mehr vergrößert, bevor teriellen, Irrlichternden hin verfremdet es in der Dämmerung zergeht, wird in und durch Flageoletts, Spiel am Steg oder »Vanitas« die Zeit gedehnt. Die Musik am Griffbrett sowie durch Verwendung scheint kein Ziel zu kennen, sondern ihre eines Dämpfers seiner Körperlichkeit be- Bewegung ist die des Kreisens. Im ersten raubt. Dieser Eindruck wird noch durch Gesang, »Rosa«, werden Akkorde und eine Dynamik verstärkt, die aus der Stille melodische Floskeln – gleichsam die kommt und in sie zurücksinkt. So wächst Worte der musikalischen Sprache – aus der der Musik insgesamt etwas Fragiles, Syntax eines sogleich nachvollziehbaren Gefährdetes zu. In solchem Kontext Zusammenhangs gelöst, scheinen sie für wirken die wenigen eingestreuten Fortis- sich zu stehen und ein Eigenleben zu füh- simo-Einwürfe umso schockierender für ren. Erst das wiederholte Hören oder der ein durch das ansonsten dominierende Blick in die Partitur lassen erkennen, dass Pianissimo sensibilisiertes Ohr. Im vierten sich der dissoziierte Gesang strophischen Gesang haben diese Momente fast visuelle Strukturen zumindest ansatzweise fügt. Qualitäten, als würde das Bild vom zerbro- Die sanft dissonierenden Akkorde klin- chenen Spiegel, das der Titel beschwört, gen vertraut, ohne dass wir ihre genaue ganz drastisch in Klang übersetzt. 9
Ein Netz von Bezügen verbindet die fünf Die Anamorphose ist eigentlich eine Gesänge. »Marea di rose« wird aus einer Technik in der Malerei, bei der Gegen- chromatisch sinkenden Figur entwickelt, stände perspektivisch verzerrt dargestellt die zuvor im ersten Gesang als kontras- werden und nur bei der Betrachtung tierende Gestalt eingeführt worden war. aus einem bestimmten, vorzugsweise »L’eco« setzt das im Titel benannte akus- extremen Blickwinkel das enthüllen, tische Phänomen zum einen um, indem was sie eigentlich darstellen. Innerhalb im Cello-Part die Melodik der Singstimme dieses Satzes wird für einen Takt kurz vor teilweise imitiert wird. Zum anderen aber Ende des Satzes vom Cello eine Gestalt werden in das von Arpeggien geprägte zitiert, die Sciarrino in einem anderen, Klangband des Klaviers Passagen der nur wenig älteren Werk benutzt hat: in ersten beiden Gesänge versenkt, deren »Blue Dream«, einer Art szenischen Re- Floskeln zudem in Singstimme und Cello vue, in der er 21 Songs aus der goldenen nachhallen. Der letzte Gesang gleicht Ära von Musical und Film, bevorzugt aus einer überaus zarten Reminiszenz an den den 1920er und 1930er Jahren, aufge- Beginn – Versuch der Bewahrung des Ver- griffen und bearbeitet hat. Das erwähnte loschenen im Erinnern. Melodiefragment stammt aus der Nr. 13 von »Blue Dream«, einer Bearbeitung VERBORGENE DIMENSIONEN des Songs »Stardust« (Sternenstaub), der Jenseits des an der klanglichen Oberflä- 1927 von Hoagy Carmichael komponiert che unmittelbar Wahrnehmbaren enthält und erst nachträglich von Mitchell Parish »Vanitas« gleichsam in die Tiefe führende textiert wurde. Joachim Steinheuer, der in Dimensionen, auf die in zunächst rätsel- seiner höchst aufschlussreichen Betrach- haft erscheinender Form verwiesen wird: tung diese und andere Tiefendimensio- etwa durch manche der Motti, die den ein- nen von »Vanitas« erkundet hat, verweist zelnen Teilen vorangestellt sind oder auch zunächst darauf, dass der Songtext sich durch einen kryptisch erscheinenden in manchen Zeilen mit der Gedankenwelt Titel. Der vierte Satz ist überschrieben: von »Vanitas« berührt, um sodann auszu- führen: »Doch übernimmt ›Vanitas‹ nicht Der zerbrochene Spiegel nur einzelne motivische Elemente aus (Sternenstaub) dem Text von ›Stardust‹, sondern ›Vanitas‹ in dem sich die Anamorphose enthüllt ist letztlich insgesamt selbst als eine Ana- morphose von ›Stardust‹ zu verstehen, 10
Hans Holbein der Jüngere: »Die Gesandten«, 1533. Bei den abgebildeten Personen handelt es sich um Jean de Dinteville (links), und Georges de Selve (rechts), der bereits im Alter von siebzehn Jahren Bischof von Lavaur geworden war. Beide waren 1533 französische Gesandte am Hof Heinrichs VIII. von England. »Zu den verstörenden und ungeklärten Details innerhalb des Bildes müssen das matt silbrig glänzende Kruzifix links oben sowie der zum Anamorph verzerrte Totenschädel gezählt werden. Der Totenschädel lässt sich nur aus extremer Nahsicht von rechts nach links unten erkennen. Wahrscheinlich ist er einer Vanitas-Symbolik zuzuschreiben, um zugleich jedoch als Augentäuschung die malerischen Fähigkeiten zu unterstreichen. Das Kruzifix hingegen verweist in Zeiten der Religionskonflikte auf den heilsgeschichtlichen Kern der christlichen Botschaft und mag angesichts der wissenschaftlichen Attribute zur Einheit des Christentums mahnen. Auffällig ist auch, dass ein katholischer Bischof sich mit einem Gesangbuch mit Lutherliedern abbilden ließ.« (Wikipedia) 11
als eine durch Einbeziehung zahlreicher Damit spielt Steinheuer auf jene für zusätzlicher Elemente enorm ausgewei- »Vanitas« so charakteristischen verstum- tete und fast bis zur Unkenntlichkeit per- menden Akkorde an, die Schattenbildern spektivisch veränderte Bearbeitung des rauschender Arpeggien gleichen. Die auf zugrunde liegenden Songs, der paradoxer »Stardust« zurückgehenden Prägungen Weise ständig präsent und doch zumin- spielen bis auf den einen erwähnten Takt dest auf der Oberfläche abwesend bzw. allerdings im vierten Satz von »Vanitas« weitgehend unkenntlich ist.« Bezogen ansonsten keine Rolle – dafür aber in auf das zitierte Melodiefragment heißt es: den Sätzen 1, 3 und 5. Im vierten Satz »Dies ist jener Moment, ›ove si svela l’ana- aber greift Sciarrino dennoch auf älteres morfosi‹, wo also die Anamorphose in ih- Material zurück, nämlich auf eine Szene rer rätselhaften Verstellung enthüllt wird. seiner Oper »Cailles en sarcophages«, in Die Stelle korrespondiert dabei im ganz der Teile des Gedichts »Le contre-chant« anders gearteten, zeitlich verlaufenden aus »Le Fou d’Elsa« von Louis Aragon Medium der Musik jenem einen Blick- vertont wurden. Diese Vertonung wurde punkt, von dem aus eine bildnerische von Sciarrino aus der Oper herausgelöst Anamorphose allein dasjenige eindeutig und unter dem Titel »Canto degli spec- zu erkennen gibt, was sie in normaler An- chi« (Gesang von den Spiegeln) zu einem sicht nur in stark verzerrter Perspektive eigenständigen Werk für Klavier und Ge- darstellt. Auch wenn die Melodie ansons- sang umgearbeitet. Ähnlich wie im Falle ten nicht direkt erklingt, so ist dennoch von ›Stardust‹ gibt es einige Analogien ›Stardust‹ über weite Strecken präsent zwischen Aragons Text und der Bilder- in ›Vanitas‹, denn Sciarrino übernimmt welt von »Vanitas«. Freilich übernimmt die von ihm in ›Blue Dream‹ zur Melodie Sciarrino aus dem »Canto degli specchi« hinzukomponierte Begleitung im Klavier, nur die Musik und verbindet sie mit die damit gleichsam als eine ›forma einem ganz anderen Text, der bestenfalls negativa‹ die Leerstelle der nicht selbst auf indirekte Weise mit Aragons Gedicht erklingenden, aber durch die Begleitung korrespondiert. Das Sonett-Fragment von indirekt präsenten Melodie andeutet.« Jean de Sponde, das Sciarrino benutzt, beschwört das Bild einer verlöschenden Fackel, ohne deren Licht auch das Bild, 12
das sie beleuchtet, nicht mehr wahrzu- Der Titel des zweiten Teils, »Meer von Ro- nehmen ist. In Aragons Text ist hingegen sen«, verkoppelt die ersten beiden Gesän- das Motiv des Spiegels zentral: ge miteinander, hat mit dem eigentlich vertonten Textfragment Der Unglückliche bin ich den Spiegeln zu vergleichen nur in der vagen Korres- Die reflektieren zwar jedoch nicht sehen können pondenz von »Meer« und »Sintflut« etwas zu tun. Darauf verweist bei Sciarrino nur noch Im dritten Teil scheinen die Elemente der der Titel »Der zerbrochene Spiegel«, der ersten beiden Teile wieder auf, gelegent- als sprachliches Bild ein Vanitas-Motiv lich unmittelbar oder aber in transfor- beschwört und gleichzeitig in verrätselter mierter Form. Die durch den Tonraum Form einen Hinweis darauf gibt, dass jagenden Quintarpeggien sind mit den dieser Gesang auf Bruchstücken eines verlöschenden Akkorden des ersten Teils älteren Werkes gegründet ist. verwandt. Die Sforzato-Akkorde des Aber zurück zu den aus »Stardust« ent- ersten und zweiten Teils korrespondieren lehnten Elementen, also insbesondere mit jenen eigentümlichen Echo-Klängen, zu jenen gleichsam von der Stille auf- die erzeugt werden, indem die Tasten gesogenen, verlöschenden Akkorden. Sie stumm niedergedrückt und die Saiten dominieren die beiden großformatigen, nur vermittels des Pedals zum Resonie- »Vanitas« eröffnenden und beschließen- ren gebracht werden. Das Phänomen des den Teile. Echos, das der Titel des Satzes beschwört, Jenes Motiv aus Sforzato-Akkord und wird so unmittelbar Klang. Sciarrino ver- chromatischer Figur, das im ersten Teil schränkt hier zwei Texte ineinander: die als kontrastierender Einwurf erstmals Bruchstücke aus Giambattista Marinos exponiert war, wird im zweiten Teil zum Gedicht beziehen sich auf die mythische beherrschenden Element. Auch diese Nymphe Echo, die von Jupiter den Auf- Gestalt geht auf »Blue Dream« zurück, trag erhalten hatte, seine Gemahlin Hera nämlich auf Sciarrinos eigene Klavierbe- durch das Erzählen von Geschichten gleitung zu Cole Porters Song »Night and abzulenken, so dass er ungestört seinen Day«, der Nummer 3 der Revue, in der Liebesabenteuern nachgehen konnte diese Figur nur einmal auftaucht. und die dafür von Hera bestraft wurde, 13
indem sie nicht mehr selbst sprechen, ›Second Hand Rose‹ trägt. Die Rose aus sondern nur noch die letzten Worte Clarkes Songtext verbindet nur ihr Vor- wiederholen konnte, die von anderen name mit der in ›Vanitas‹ emblematisch an sie gerichtet wurden. Das mit die- für Vergänglichkeit stehenden Blume, sem Text verschränkte Gedicht Robert doch dürfte die Zeile vor dem Hinter- Blairs spielt auf den Klang einer Glocke grund des Gedichtinhalts wohl dafür auf einem nächtlichen Friedhof an, die stehen, dass ähnlich wie im Leben von unberührt zu tönen beginnt – gleichsam Rose auch in ›Vanitas‹ und besonders in Widerhall der in die Sphäre des Todes diesem dritten Teil musikalisch alles aus Verbannten. Dieser Glockenklang hallt in zweiter oder dritter Hand ist. Doch wäh- den oben erwähnten Schattenakkorden rend Rose mit ihrem Schicksal hadert, wider. Insgesamt aber ist der Satz darüber sind die Second-Hand-Rosen in ›Vanitas‹ hinaus als Echo des in den ersten beiden das Ergebnis einer gezielten komposito- Gesängen Erklungenen zu verstehen, die rischen Entscheidung. [… ] Dies zeigt sich wiederum Nachhall der Songs aus »Blue gerade in den vielen Umdeutungen des Dream« sind. Das Motto, das dem Gesang verwendeten musikalischen Materials in voran steht – »That’s why they call me diesem dritten Teil besonders deutlich.« Second Hand Rose« – nimmt einerseits (Joachim Steinheuer) ein zentrales Motiv der beiden voran- gegangenen Gesänge auf und mischt gleichzeitig eine ironische Brechung ein: Die Worte stammen aus Grand Clarkes Text zu dem Song »Second Hand Rose« von James F. Hanley, den Sciarrino eben- falls in »Blue Dream« bearbeitet hatte: »Der Text erzählt von der Tochter eines Second-Hand-Ladenbesitzers namens Rose, die sich über ihr Schicksal beklagt, nur Gebrauchtes und nie etwas Neues zu bekommen, von den Kleidern über die Locken bis hin zu dem Installateur Jake, der schon einmal verheiratet war, wes- halb sie den leicht spöttischen Beinamen 14
Hendrik Andriessen (1607 – 1655) oder David Bailly (1584–1657): Vanitas mit einem Schädel und einem Jungen, der ein Portrait des Malers hält. 15
SALVATORE SCIARRINO Kommentar zu »Vanitas« Vanitas ist ein Wort, das wir gewohnheits- nicht in unserer Wahrnehmung und in mäßig benutzen. Dennoch haben wir den Weisen, sie darzustellen. Auf Grund seine Bedeutung vergessen. Mit Mühe er- dessen können auf der illusionshaften kennen wir es als das nämliche Wort aus Oberfläche der Töne einige Erinnerungen dem alttestamentarischen Buch Koheleth zu Tage treten: die abendlichen Grillen, wieder. Und das lateinische Wörterbuch, das Ticken einer alten Pendeluhr, das mit dem wir nicht mehr vertraut sind, Zerbrechen von Gläsern, eine entfernte überrascht uns: Vanitas heißt Leere. Mit Flöte und anderes: alles Dinge, die die demselben Wort wird (im Italienischen) Zeit hat vergehen lassen. zudem eine Gattung von Gemälden mit Vanitas gravitiert im Leeren, nicht nur starker allegorischer Aufladung bezeich- wegen der Ausdünnung der Musik selbst, net [die im Deutschen Stillleben genannt sondern auch weil der Begriff der Leere, wird]. Eine solche Gattung gemahnte an um es so auszudrücken, dort in der das Verfließen der Zeit und die Hinfällig- Realisierung der Einzelmomente wider- keit der Dinge. In Italien sprechen wir gespiegelt ist. auch von »natura morta«. Die Anwesenheit des Klaviers als Begleit- […]. instrument macht die Atmosphäre so Der Sinn von »natura morta« ist in die unscharf, dass sie, leicht verschleiert, in Musik selbst eingegangen, er wohnt dem eine entfernte Liedhaftigkeit projiziert Widerhall der sie aufnehmenden klin- wird. Dennoch ist der Klavierpart reich genden Wirklichkeit inne. Heute besit- an technischen und klangfarblichen Er- zen wir eine analytischere Kenntnis der findungen, die so zart sind, dass manch- Wirklichkeit, und uns ist bewusst, dass mal sogar der Hauptklang vorenthalten die Wirklichkeit nicht existiert, wenn und in die Ferne gerückt wird, wodurch 16
eine psychologische Leere in den Vorder- Menschen demaskiert. Mitten in den ent- grund tritt, als ob »ein anderes« Klavier legensten und verlorensten Erinnerungen »von dort« erklänge. In der Stille tauchen hat jeder von uns irgendeinen Schlager, dann künstliche Nachklänge auf, und der, gerade weil er an eine bestimmte man ahnt die Dimension der großen, Periode der Vergangenheit geknüpft ist, unbewohnten Räume; eine unendlich ein Konzentrat der Nostalgie darstellt. widerhallende Leere, wo die Stimme und Man stelle sich also eine Musik aus einem ihr klangvolles Doppel, das Violoncello, so weitmaschigen Gewebe vor, dass sie fluktuieren – lyrische Trugbilder einer eine andere Musik durchscheinen lässt: Nachtigall. Dies ist »Vanitas«, eine riesige Anamor- Die Schlager stellen im Bereich der Musik phose eines alten Schlagers, von dem sie ein Äquivalent zu den Blumen dar, zwar auf mysteriöse Weise den Duft bewahrt. schön, doch ephemer. Niemals könnte die hohe Musik mit ihrem Universalitäts- anspruch das Gefühl des Todes vermit- teln, das eine Komposition des leichten Genres ausschwitzt. Sie bietet sich in ihrer maximalen Stilisierung mit liebens- würdigen Ausdrucksweisen dar, sie hat keine Ansprüche; doch gegenüber der von einer trügerischen Sinfonie prokla- mierten Ewigkeit ergreift der Schlager einen Augenblick, der die Fragilität des 17
SALVATORE SCIARRINO * 4. April 1947 in Palermo »Vanitas« – Stilleben in einem Akt für Stimme, Violoncello und Klavier ENTSTEHUNG 1981 URAUFFÜHRUNG 11. Dezember 1981, Mailand, Piccola Scala, mit Daisy Lumini (Mezzosopran), Arturo Bonucci (Violoncello) und Gabriella Barsotti (Klavier) ERSTMALS IN EINEM KONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE DAUER ca. 50 Minuten 18
SALVATORE SCIARRINO Piogge diverse Schwer zu sagen, wo sich die Quellen der in die Irre geht und vielleicht gar stirbt, Gesänge verbergen, auch für den, der während er von einer Entdeckung und sein Leben lang zahlreiche erdacht und in der Vollendung träumt. Ein fernöstlicher Zyklen gesammelt hat. Unsere Vorfahren Meister meint, die Trockenheit sei ein meinten, die Musen zeigten sich un- Zustand, der die Seele überragt, sie stehe erwartet, zuweilen launenhaft, nie, wenn über jeder Erfahrung. wir sie anrufen. Dieser Haiku von Bashō evoziert für uns Auf der Suche nach dem Ursprung der westliche Menschen die Bitterkeit des Gesänge meinen wir, sie in der Über- Endes, während er eigentlich von Ver- lieferung zu finden, die in unsere Zeit feinerung spricht: letztes Stadium des hineinreicht, die sich in Aufzeichnungen Verzichts, das zur Erleuchtung führt. am Rand von Buchseiten oder Karten Nr. 2: Zu einem »Sonnenregen« ist der verliert und wiederfindet. Also blättern zur Unbeweglichkeit gezwungene Pro- wir in Heften, in denen sorgsam oder metheus verdammt. Als ich an einem hastig Texte verschiedener Länge nieder- Theaterprojekt über Aischylos arbeitete, geschrieben wurden. Auch dort finden schrieb ich mir – lange bevor es Form wir Hinweise, aber nicht das Warum der annahm – in ein Heft den Prolog des Gesänge. Gefesselten Prometheus ab. Der Wunsch, Dunkel ist der Sinn der Reise jenseits des ihn in Klänge zu übertragen, erschien mir Gebirges, jenseits der Zeit. Und der Wan- lange Zeit unrealistisch. Aber es kommt derer ist die Schlüsselfigur eines Singens, ein Moment, in dem auch das rätselhaf- das auf eine Landschaft antwortet, die sich teste oder unscheinbarste Fragment zu wandelt, auf Dinge und auf Begegnungen. Gesang werden kann, wenn die Musen »Arten des Regens« hat nichts mit Meteo- gnädig sind. rologie zu tun, sondern öffnet ungewohn- Zwei Personen sprechen erregt miteinan- te Blickwinkel, durch die ich die Welt zu der, unterschieden durch verschiedene erkunden suche. Orchestergrundierungen: neutral die des Nr. 1: »Staub, durstige Schwester des Mächtigen; transparent und klar die des Schlammes«. Der Staub ist der ewige Hephaistos, des Urvaters der Künstler, Begleiter des Wanderers, der krank wird, der Prometheus an den Felsen ketten soll. 19
Jener hat dem Schmied der Götter das Nr. 4: »Quecksilbertropfen vom Himmel« Feuer gestohlen um es den Menschen zu bezieht sich auf die aktuelle Umweltver- bringen; dafür will Zeus ihn bestrafen. schmutzung mit ihrem giftigen Regen. Das Motiv ist in Wahrheit jedoch ein Auch dieser Gesang trägt dramatische anderes: obwohl er in die Zukunft blicken Akzente. Die Szenerie, in der er sich abzu- kann, weigert er sich, Zeus zu sagen, wer spielen scheint, ist desolat: eine zerstörte ihn entmachten wird. Stadt, in der es nichts mehr gibt; ein Die Technologie des Feuers, die den paar Verrückte, die überlebt haben, irren Menschen gebracht wird, steht für den durch den ohrenbetäubenden Wind, der Beginn der Zivilisation, und Prometheus in der Stille wohnt. ist der erste, der universale Brüderlich- Nr. 5: »Harusame« steht im Japanischen keit proklamiert. Wir dagegen wissen, für den Frühlingsregen, er ist geräuschlos dass sich die Vorteile der Technik, wenn und dringt überall ein. Der Text verbindet sie an blindes wirtschaftliches Interesse das Lesbare und doch Unverständliche gebunden sind, ins schlimmste Gegen- eines Epigraphs. Zur Erklärung: Die teil verwandeln und unseren Planeten Messapier bewohnten einst den süd- zerstören. lichen Zipfel Apuliens und übernahmen Hephaistos widersetzt sich dem Willen das griechische Alphabet für ihre Schrift; des Mächtigen, Prometheus anzuketten, ihre Literatur bleibt aber unübersetzbar. aber er muss dem Willen des Göttervaters Sie beteten eine Bronzestatue des Gottes gehorchen. Am Ende der Welt wird die Zis an; diese hatte eine dunkle Patina und Stille zerrissen von seinen Hammerschlä- stand auf einer Reihe niedriger dorischer gen; als die Ketten geschmiedet, die Rin- Säulen im Mittelpunkt eines heiligen Be- ge geschlossen, das Werk vollendet ist, zirks. Die Mauer ringsum war mannshoch lässt der Schmied sein Werkzeug fallen und der Raum nach oben offen, also den und verflucht das Werk seiner Hände. Unbilden der Witterung ausgesetzt. Allein gelassen, ruft nun Prometheus den Das Stück ist gewollt disproportional Himmel an, den Wind, die Erde, das Meer komponiert: es kombiniert großes und die Sonne selbst, die seinen Körper Orchestertutti, eine Art Tröpfeln der Ins- bedroht. Und hier bricht der Gesang ab. trumente und das Summen der mensch- Nr. 3: »Blumenregen«. Es handelt sich um lichen Stimme. ein Liebesgedicht, um eine alte javanesi- sche Dichtung: jede Blüte steht für eine weibliche Tugend. Übersetzung: Claudia Woldt 20
Der Beginn des letzten Gesanges in Sciarrinos Partitur. 21
ALBERT BREIER Fruchtbarkeit aus Dürre Zu Sciarrinos »Piogge diverse« Seit ewig fällt der Regen auf die Welt, eine risten haben diese Technik zum Extrem Botschaft des Himmels an die Erde. Er getrieben. Sie hat auch ihr Bedenkliches, wird verschieden aufgenommen, wie er weil sie die Texte bisweilen hoffnungslos auch selbst verschieden sein kann. Der verdunkelt. geradlinig fallende Regen macht blind, Den Staub als »durstig« zu bezeichnen, der schräg fallende eröffnet Perspektiven fügt in der Tat der Vorstellung etwas – so hat Salvatore Sciarrino es für seine hinzu. Zugleich hat eine solche Aus- Komposition »Piogge diverse« gesagt. drucksweise etwas Spitzes, Intellektuel- Regen bedeutet Veränderung, bedeutet les. Sie operiert mit den Rändern der Leben, bedeutet Geschichte und Bewusst- Dinge und der Wörter. Die Kompositions- werdung. Sein Gegenbild, die Trocken- weise Sciarrinos passt dazu vortrefflich: heit, die Dürre, erhält durch ihn seine Ihre Vorliebe für sehr kurze Impulse, in Bestimmung, wie es auch ihn bestimmt. rätselhafter, jedoch genau bestimmter Sciarrinos Texte handeln nicht vom Reihung, spannt die Kräfte des Hörers Wasser, allenfalls – wie im Gedicht des außerordentlich an, schafft aber auch zu- Haiku-Meisters Bashō – von seinem gleich eine Klangatmosphäre, in der jedes Fehlen. Sciarrino überschreibt dieses Ereignis als einer geschlossenen Welt an- Gedicht mit »Staub, durstige Schwester gehörig empfunden wird. Denn die Kürze des Schlamms«. Das nimmt die alte weist bei Sciarrino nicht aufs Fragment, literarische Praxis auf, in der Dichtung eher auf einen kohärenten ästhetischen Dinge durch ihr Gegenteil auszudrücken, Kosmos, der sich dem Wahrnehmenden und sie damit vielleicht noch schärfer immer zugleich öffnet und verschließt. sichtbar zu machen als es die unmittel- In den »Piogge diverse« finden Zeugnisse bare Darstellung vermöchte. Die Manie- aus ganz verschiedenen literarischen Welten Platz. Das zweite Gedicht, vom 22
Komponisten selbst nach Aischylos ge- schrieben, verweist auf die griechische Mythologie und führt die paradoxe Vor- stellung eines Sonnenregens ein. Das dritte, von der Insel Java, gemahnt daran, SALVATORE SCIARRINO dass die Blüten aus dem Zusammenspiel von Sonne und Wasser entstehen – und »Piogge diverse« – Fünf so zu Regen und Sonnenregen zugleich Gesänge für Bariton und werden können. Das vierte, wieder vom großes Orchester Komponisten selbst, ist vielleicht das persönlichste, in seiner Aussage aber ENTSTEHUNG 2019, Kompositionsauftrag der Dresdner das allgemeinste. »Was erzählt das Wort, Philharmonie. wenn es abbricht« – das könnte auch URAUFFÜHRUNG zur Beschreibung von Sciarrinos Musik In diesem Konzert. dienen, die immer dann besonders klar BESETZUNG »erzählt«, wenn sie die Ränder der Klänge Solo-Bariton, Piccolo, 2 Flöten, Altflöte, inszeniert, die Momente, wo sie in die 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Stille übergehen, die, obgleich stumm, Bassklarinette, 3 Fagotte (3. auch Kontra- fagott), 4 Hörner, 4 Trompeten, 4 Posaunen, auf diese Weise eine sprechende wird. Schlagwerk (Marimba, Xylophon, Vibraphon, Das letzte Gedicht, in der kaum ent- Röhrenglocken, Metallhammer auf Amboss, schlüsselten Sprache der Messapier, Becken, hängendes Becken mit Kontra- bassbogen zu streichen, Donnerblech, gibt das Geheimnis seine Sinnes nicht Tamtam, Große Trommel), Klavier, Harfe, preis. Aber auch hier fallen die Silben Streicher und Töne wie Tropfen, befördern die DAUER Fruchtbarkeit des Geistes. ca. 25 Minuten 23
DIE GESANGSTEXTE Vanitas Den einzelnen Teilen des Werkes hat Sciarrino kurze Motti vorangestellt, die in der Partitur zu lesen sind, aber nicht gesungen werden. Wir stellen sie hier kursiv gesetzt den Gesangstexten voran. I grosero aliento acabará ti suerte. Ein einfacher Hauch genügt, um dein Glück zu zerstören. Luis de Góngora y Argote (1561 – 1627) Rosa Die Rose Rosa quae moritur, Die Rose, die stirbt, Unda quae labitur die Welle, die eilet, Mundi delicias sie lehren, wie flüchtig, docent fugaces. die Freuden der Welt. Vix fronte amabili Ein liebliches Antlitz Mulcent cum labili ergötzt kaum, schon entschwinden Pede, praetervolant mit eilendem Schritte larvae fallaces. die Masken voll Trug. anonymer Arientext zu Antonio Vivaldis Motette »O qui coeli terraeque serenitas« 24
II Ed ecco che nel deserto appare … Und siehe, er erscheint in der Wüste … Marea die Rose Meer von Rosen e un diluvio di fiamme apoco a poco scioglie; Und eine Sintflut von Flammen löst sich allmählich; Scioglie, quasi cometa, il crine ardente es löst sich, kometengleich, das brennende Haar, Per minacciar la morte. um dem Tod zu drohen. Giovan Leone Sempronio (ca. 1600 – 1636?), aus dem Sonett »Chioma rossa di bella donna«, 1633 III That’s why they call me Second Hand Rose Deshalb nennt man mich Second Hand Rose. aus dem Song »Second hand Rose« von Grant Clarke (Text) und James F. Hanley (Musik) L’eco Das Echo Oracolo de’ boschi, Weissagung der Wälder, Anima delle selve, Seele der Wildnis, Cittadina dell’ombre, ombra sonante. Schattenbewohnerin, klingender Schatten. aus »Eco« (1614) von Giovan Battista Marino (1596 - 1625) And the great bell has toll’d Und die große Glocke hat geläutet, Unrung, untouch’d Ungeschlagen, unberührt. aus dem Gedicht »The grave« (1743) von Robert Blair (1699 – 1746) Stridul’aura infelice Es ächzt die unglückselige Luft, Dell’altrui parlar vago unsichtbares Bild Invisibili imago des undeutlichen Sprechens eines anderen. aus »Eco« von Giovan Battista Marino 25
IV serén ceniza, mas tendrán sentido; Asche werden sie, doch von Verlangen voll; polvo serán, mas polvo enamorado zu Staub werden sie, doch verliebter Staub. Francesco de Quevedo (1580 – 1645) Lo specchio infranto Der zerbrochene Spiegel (pulvis stellaris) (Sternenstaub) ove si svela l’anamorfosi in dem sich die Anamorphose enthüllt Ce beau flambeau qui lance une flamme fumeuse, Die schöne Fackel, die eine rauchende Flamme ausstößt, Sur le vert de la cire éteindra ses ardeurs, wird auf dem Grün des Wachses ihre Gluten verlöschen, L’huie de ce tableau ternira ses couleurs, das Öl dieses Bildes in den Farben ermatten Et les flots se rompront à la rive écumeuse und am gischtigen Ufer werden die Wellen sich brechen. aus dem Sonett »Mais si faut-il mourir, et la vie orgueilleuse« (1588) von Jean de Sponde (1557 – 1595) Et moritur mors. Und es stirbt selbst der Tod. aus dem anonymen Conductus ad laudes »Natus est hodie Dominus« aus dem Festum asinorum 26
V Celsus est in humili, Das Himmlische ist im Irdischen solidus in fragili Das Feste im Zerbrechlichen figulus in fictili Da Starre im Biegsamen aus »Patrem parit filia« von Pierre de Corbeil deutsche Übertragungen: Joachim Steinheuer (um 1150 – 1222) Ultime Rose Letzte Rosen Das Mündlein von Korallen Wird ungestalt. aus dem Gedicht »Ach Liebste, lass uns eilen« (1624) von Martin Opitz (1597 – 1639) Mit Rosen schmück ich Haupt und Haare, Die Rosen tauch ich in den Wein. aus dem Gedicht »Scherzhafte Gedanken über die Rosen« (1717 - 1719) von Johann Christian Günther (1695 – 1723) Komm Trost der Nacht, o Nachtigall! Lass deine Stimm mit Freudenschall Aufs lieblichste erklingen! aus dem Gedicht »Lied des Einsiedels« (1662) von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (um 1622 – 1676) Die Rose zieret meine Flöten. aus dem Gedicht »Scherzhafte Gedanken über die Rosen« (1717 - 1719) von Johann Christian Günther 27
Piogge diverse N. 1 - Polvere, assetata sorella del fango N. 1 – Staub, durstige Schwester des Schlamms Ammalato in viaggio Krank von der Reise il sogno mio percorre Durchstreift mein Traum pianure aride dürre Ebenen Matsuo Bashō N. 2 - Pioggia di sole N. 2 – Sonnenregen [Il Potere] La luce artefice di tutto, il fuoco [Der Herrscher] Deinem künstlichen Licht stahl tuo, egli ha rubato. er einen Funken. Che impari a odiare Zeus il tiranno! Damit du Zeus den Tyrannen hassen lernst! [Efesto] Figlio di Temi, dai pensieri alti, [Hephaistos] Hochsinniger Sohn der Themis, [Il Potere] Perché indugi? [Der Herrscher] Was zögerst du? [Efesto] io non vorrei [Hephaistos] ich will es nicht [Il Potere] Perché indugi? [Der Herrscher] Warum zögerst du? [Efesto] tu non vorresti, figlio di Temi, [Hephaistos] du willst es nicht, Sohn der Themis, io non vorrei, ma t’inchioderò ich will es nicht, aber ich werde dich a questa rupe an diesen Felsen nageln né udrai voce du wirst keine Stimme hören immobile sarai dich nicht bewegen können alla fi amma del sole, in der Glut der Sonne, e il fiore del tuo corpo muterà und die blühende Kraft deiner Glieder wird dahinwelken. 28
[Il Potere] Esiti ancora, esiti? [Der Herrscher] Zögerst du noch, zögerst du? [Efesto] il fiore del tuo corpo muterà. [Hephaistos] die blühende Kraft deiner Glieder wird dahinwelken. [Il Potere] Perché interrompi? [Der Herrscher] Warum hältst du inne? [Efesto] Questo ti frutta l’amore per gli [Hephaistos] Das hast du von deiner Liebe zu den uomini Menschen [Il Potere] Perché interrompi? [Der Herrscher] Warum hältst du inne? [Efesto] Questo ti frutta l’amore per, per, [Hephaistos] Das hast du von deiner Liebe zu, zu [Il Potere] Più forte! [Der Herrscher] Mach weiter! [Efesto] per gli uomini. [Hephaistos] zu den Menschen. [Il Potere] Più forte! Che Prometeo ora [Der Herrscher] Mach weiter! Damit Prometheus das scopra l’impossibile, Unvorstellbare erkennt, scopra ora l’impossibile! jetzt das Unvorstellbare erkennt. [Efesto, fra sé] Maledetta arte delle mie [Hephaistos, zu sich selbst] Verfluchte Kunst meiner mani! Hände! [Prometeo, solo] Cielo, vento, fonti, [Prometheus, allein] Himmel, Wind, Quellen, sorriso interminabile del mare, unendliches Lächeln des Meeres, terra madre, e tu occhio del sole, tu... Mutter Erde, und du Auge der Sonne, du… Salvatore Sciarrino, da Eschilo Salvatore Sciarrino, nach Aischylos 29
N. 3 – Piovono fiori Nr. 3 – Blütenregen Fior die kenkùr Blüte des Kenkùr s’invoca con gioia man denkt an sie mit Freude di forme armoniose von harmonischer Form si muove ed incanta bewegt sie sich und verzaubert che grazia nel dire die Anmut ihres Namens rapisce l’anima überwältigt die Seele Fior die Blimbìng Blüte des Blimbing gìrati, spòrgiti dreh dich, recke dich splendente còglila pflück sie, wenn sie leuchtet gioiello sul vuoto Schmuck über dem Abgrund corolla regina Krone der Königin essenza di donna Essenz der Frau Fiore die arèn Blüte der Arenga reclina su altro ramo geneigt hoch über dem Zweig sempre scende immer senkt sich al vederti um dich zu sehen sui miei versi auf meine Verse un‘ombra ein Schatten Fior di Pandàn Blüte des Pandang soffice suolo flaumweicher Boden tu vieni da me du kommst zu mir entri tritt ein ma scorda il timore aber vergiss die Furcht eccoti l’anima hier ist deine Seele da Ghirlanda, Giava, sec. XVII nach Ghirlanda, Giava, 18. Jahrhundert 30
N. 4 - Gocce di mercurio dal cielo N. 4 – Quecksilbertropfen vom Himmel - V’è una lingua del silenzio? Un rombo - Wo ist eine Sprache der Stille? Ein Hall, cova fra parole? verborgen zwischen den Wörtern? Della città non restava niente. Uno gridava: Von der Stadt blieb nichts. Einer schrie: - Ma il silenzio è vuoto, o pieno? - Ist die Stille leer oder voll? È rifi uto della lingua o memoria antica? Ist sie ausgestoßen von der Sprache oder uraltes Gedächtnis? E gridava: Und er schrie: - Cosa racconta la parola, se interrompe? - Was erzählt das Wort, wenn es abbricht? Non sentite? Hört ihr nicht? Il vecchio sbucò dalle macerie: Der Alte kroch aus den Trümmern: - V’è una lingua del silenzio? - Wo ist eine Sprache der Stille? Salvatore Sciarrino Salvatore Sciarrino N. 5 - Harusame N. 5 – Harusame La pàtina di Zis (Die Patina von Zis) tisin/etei/tanin/dedi/rantha/thonkra/kohen/ (t)isin/etei/tanin/dedi/rantha/thonkra/kohen/ pritai/mathia/lam-l/liatin/krina/nam/in pritai/mathia/lam-l/liatin/krina/nam/in epigrafe messapica di Ugento Epigraph der Messapier von Ugento Übertragungen ins Deutsche: Claudia Woldt 31
MEZZOSOPRAN NOA FRENKEL Zu jüngsten Opernengagements gehören Gubaidulinas »Stunde der Seele« am Konzerthaus Wien, die Uraufführung von Thierry Pécous »Nahasdzáán« mit dem Ensemble Variances an der Opéra de Rouen, Chaya Czernowins »Infinite Now« an der Vlaamse Opera und am Nationaltheater Mannheim sowie Hans Zenders »Don Quijote de la Mancha« mit dem Klangforum Heidelberg beim Frankfurt LAB. Zu weiteren Opernpartien gehören Woman in »Zaide/Adama« von Mo- zart/Czernowin bei den Salzburger Festspielen, Frau Ocholowska in der Uraufführung von Johannes Kalitzkes »Die Besessenen« am Theater an der Wien, La révéren- de Mère in François Parls’ »Maria Republica« und Dritte Dame in Mozarts »Die Zauberflöte« an der Angers Nantes Opéra, Madame Die israelische Altistin Noa Frenkel, Flora in Menottis »The Medium« die in Tel Aviv und Den Haag Ge- und Philip Glass’ »Akhnaten« in sang studiert hat, ist eine äußerst Rotterdam, die Madrigaloper »La wandlungsfähige Künstlerin, die barca« an der Nationale Reisope- mit ihrem großen Stimmumfang in ra, Stockhausens SONNTAG aus einem breit gefächerten Repertoire LICHT an der Oper Köln unter von der Renaissance bis zur zeitge- nössischen Musik zu Hause ist. 32
Peter Rundel und »Pnima« von Als gefragter Interpretin zeitge- Chaya Czernowin an der Staats- nössischer Musik haben zahlreiche oper Stuttgart. Komponisten Stücke für sie ge- Auf der Konzertbühne war sie in schrieben. Zusammen mit Ensem- Bernsteins »Songfest« mit dem bles wie Ensemble Modern, Schön- MDR Sinfonieorchester, Brahms’ berg Ensemble, Klangforum Wien, »Alt-Rhapsodie« mit dem Israel L’Ensemble Intercontemporain, Chamber Orchestra, Händels MusikFabrik, Ensemble Variances, »Dixit Dominus« und Luigi Nonos den Israeli Contemporary Players »Prometeo« mit dem SWR Sinfo- sowie dem Experimental Studio nieorchester Freiburg/Baden- Freiburg (SWR) ist sie regelmäßig Baden und Ingo Metzmacher am bei den großen Festivals in Europa Teatro alla Scala in Mailand, der zu Gast. Philharmonie Berlin, der Ruhr- Zu den Höhepunkten der Spielzeit triennale, beim Lucerne Festival 2019/20 gehörten Luigi Nonos »Al sowie dem Festival d’Automne Paris gran sole carico d'amore« am Thea- zu hören sowie mit dem israeli- ter Basel, eine Hauptrolle in der schen Ensemble Musica Nova und Uraufführung von »Heart Chamber« Nonos »Guai ai gelidi mostri« bei von Chaya Czernowin an der den Salzburger Festspielen Deutschen Oper Berlin, die Rolle und den Wiener Festwochen. der Amba in Thierry Pécous Urauf- Noa Frenkel ist mit Barock- führung »Until The Lions« an der Ensembles wie Les Arts Florissants, Opéra national du Rhin sowie eine Elyma Ensemble, Combattimento Uraufführung von Óscar Escudero Amsterdam und dem Utrecht bei der Münchener Biennale 2020. Baroque Consort aufgetreten. Zudem ist sie Mitbegründerin des Kassiopeia Quintetts, einer A-Cappella-Gruppe, mit der sie sämtliche Madrigale Carlo Gesualdos aufgenommen hat. 33
VIOLONCELLO MARTINA SCHUCAN Im Alter von 14 Jahren wurde die aus Graubünden stam- mende Martina Schucan in die Meisterklasse von André Navarra in Detmold aufge- nommen. Nach dem Konzert- examen setzte sie ihre Studien bei Heinrich Schiff, Daniel Shafran und Janos Starker fort. Ein erster Preis beim Gaspar Cassadò Wettbewerb in Florenz und zahlreiche weitere Auszeichnungen eröffneten ihr den Weg zu internationaler Konzerttätigkeit. 34
Als Solistin konzertierte sie mit Das Erarbeiten der zeitgenös- renommierten Orchestern wie sischen Musik ist ein zentraler den Bamberger Sinfonikern, dem Bestandteil ihres künstlerischen Metropolitan Orchestra Tokyo, Engagements. Ihre Interpreta- dem Orchestre de la Suisse tionen des Konzertes von Henri Romande oder dem Tonhalle- Dutilleux, der »Assonance V« von orchester Zürich und spielte an Michael Jarrell und der Solosonate den internationalen Festivals von von Bernd Alois Zimmermann Salzburg, Luzern, Schleswig- wurden von der Fachwelt und Holstein, Witten, Montpellier und dem Publikum gefeiert. Bratislava. Als gefragte Kammer- Martina Schucan ist Professorin musikerin nahm sie an den Kam- an der Zürcher Hochschule der mermusikfestivals von Kuhmo, Künste und Mitglied des Collegium Prussia Cove und Davos teil und Novum Zürich. zählten Musiker wie Yuri Bashmet, György Kurtág, Heinz Holliger, Shlomo Mintz, Veronika Hagen, Jürg Wyttenbach, und das Carmi- na Quartett zu ihren Partnern. 35
KLAVIER FLORIAN HOELSCHER Florian Hoelscher studierte bei orchester Baden-Baden und Robert Levin, Michel Béroff und Freiburg, dem Luzerner Sinfonie- Pierre-Laurent Aimard in Freiburg, orchester und dem Orchester der Paris und Köln. Entscheidende Staatsoper Stuttgart; zu seinen Impulse erhielt er darüber hinaus Kammermusikpartnern gehören durch den Dirigenten Peter u.a. Pirmin Grehl, Jean-Guihen Eötvös. Sein Repertoire umfasst Queyras und Chen Halevi. Solo- und Kammermusikwerke aus Mit Soloprogrammen war er Gast dem 17. bis 21. Jahrhundert. Mit bei Festivals wie Présences (Radio besonderer Leidenschaft widmet France, Paris), Eclat Stuttgart, er sich der Uraufführung neuer Agora (IRCAM, Paris), beim Bartók- Werke. Seit vielen Jahren verbin- Festival Szombathély, bei den det Florian Hoelscher eine inten- Salzburger Festspielen, beim sive Zusammenarbeit mit Kompo- Heidelberger Frühling, beim nisten unserer Zeit, besonders mit Lucerne Festival, im Théâtre du Marco Stroppa, Alberto Posadas Châtelet Paris, in der Tonhalle und Jonathan Harvey. Zürich, der Philharmonie Luxem- Als Solist arbeitete er mit Dirigen- burg und den Kunstfestspielen ten wie Peter Eötvös, Christopher Hannover-Herrenhausen. Hogwood, David Zinman, Francois- Florian Hoelscher hat eine um- Xavier Roth, Kent Nagano, Sylvain fangreiche Diskographie vorgelegt. Cambreling und Johannes Kalitzke Die CD-Einspielung der »Miniature sowie mit Orchestern wie dem estrose« von Marco Stroppa und Tonhalle-Orchester Zürich, dem seine Aufnahme mit Solo- und SWR Radio-Sinfonieorchester Duowerken von Jonathan Harvey Stuttgart, den Hamburger Sym- wurden mehrfach ausgezeichnet, phonikern, dem SWR Sinfonie- u.a. mit dem diapason d’or. Seine 36
Einspielung mit Solowerken von Prof. Florian Hoelscher leitete Salvatore Sciarrino fand in der seit 2008 eine Hauptfachklasse ganzen Welt ein überaus positives für Klavier- und Kammermusik Medienecho. Er ist Gründungsmit- an der Hochschule Luzern. Zum glied des Stuttgarter Ensembles Wintersemester 2018 wurde er als ascolta, mit dem er regelmäßig bei Professor an die Hochschule für vielen wichtigen Festivals für zeit- Musik und Darstellende Kunst genössische Musik auftritt und ein in Frankfurt am Main berufen. Repertoire von über 300 Ensemble- werken aufgebaut hat. 37
DIRIGENT EMILIO Emmanuel Nunes’ »Quodlibet« in Lissabon (1991), »Omnia Mutantur POMÀRICO Nihil Interit« in Paris (1994) und »Musivus« in Lissabon (1996); der gesamte Zyklus der »Cami- nantes« von Luigi Nono in Paris (1999); Wolfgang Rihms »Seraphin Symphonie« in Donaueschingen (2012); Georg Friedrich Haas‘ Oper »Melancholia« an der Opera Gar- nier in Paris (2008), sein Konzert für Baritonsaxophon und Or- chester in Köln (2008) sowie »Ich suchte, aber ich fand ihn nicht« in München (2012). Nach der Auf- führung des gesamten Zyklus der »Carceri d'Invenzione« von Brian Ferneyhough in Genf, Basel und Paris (1996) hat Pomàrico auch Der in Buenos Aires geborene »Finis Terrae« an der Opera Bas- italienische Dirigent und Kompo- tille in Paris (2012) uraufgeführt. nist Emilio Pomàrico gilt heute als Hans Zender betraute ihn mit einer der führenden Interpreten der Uraufführung seiner »Logos der zeitgenössischen Musik. Er Fragmente« in der Berliner Phil- tritt regelmäßig bei den wichtigs- harmonie (Mitschnitt WERGO). ten internationalen Musikfestivals Auf Einladung des Teatro Colon in sowie in bedeutenden Opern- und seiner Heimatstadt Buenos Aires Konzerthäusern in Europa und gab Emilio Pomàrico eine erfolg- darüber hinaus auf. reiche lateinamerikanische Erst- Als leidenschaftlicher Fürsprecher aufführung von Luciano Berios der zeitgenössischen Musik hat »Coro« (2014). Emilio Pomàrico eine Vielzahl In den letzten zehn Jahren hat von Werken von bedeutenden Emilio Pomàrico eng mit dem grie- Komponisten der Gegenwart aus chischen Komponisten Georges der Taufe gehoben. Dazu gehören Aperghis zusammengearbeitet 38
und viele seiner Werke in Europa uraufgeführt. Dazu gehören »Tee- Castellucci, 2014). Im Jahr darauf ter-Totter« (2008) und »Situations« dirigierte er einen umjubelten (2013) mit dem Klangforum Wien »Wozzeck« an der Opera de Dijon bei den Donaueschinger Musik- mit dem SWR Sinfonieorchester. tagen, Etudes Pour Orchestre I–IV Bei den Wiener Festwochen 2016 in der Kölner Philharmonie (2013) leitete er das Klangforum Wien in und Etudes Pour Orchestre V–VI einer Neuproduktion von Salvato- und Concerto pour Accordeon re Sciarrinos »Luci mie traditrici« mit dem BRSO beim Musica Viva (Regie: Achim Freyer). Mit dem Festival (2015 bzw. 2016) und zu- Ensemble Modern brachte er 2016 letzt »Migrants« mit dem Ensem- Johannes Maria Stauds »Specter ble Resonanz bei MaerzMusik in of the Gardenia oder Der Tag wird Berlin (2018). Die Etudes Pour kommen« beim Steirischen Herbst Orchestre und das Concerto pour Festival in Graz zur Uraufführung. Accordeon wurden von NEOS auf- Das Internationale Musikfestival genommen und in deren Musica Aix en Provence 2017 eröffnete er Viva Vol. 28 (2017) veröffentlicht. mit der Uraufführung von Philip- Als Conductor in Residence des pe Boesmans’ Oper »Pinocchio« Ensemble Resonanz in Hamburg (Regie: Joël Pommerat). Auch für die Jahre 2017 und 2018 wurde Christian Spucks Neuproduktion Pomàrico eingeladen, den Kleinen von Zenders »Winterreise« unter Saal der Elbphilharmonie mit Emilio Pomàricos musikalischer Werken von Haas, Berg und Bartók Leitung wurde am Opernhaus Zü- einzuweihen. rich (2018) mit viel Beifall bedacht. Auch Opernproduktionen sind ein Im Herbst 2019 leitete er das wichtiger Bestandteil in der Arbeit Philharmonische Orchester von Emilio Pomàricos. So leitete er bei Radio France bei der Premiere von der Ruhrtriennale das HR-Sinfo- Francesco Filideis »L'inondation« nieorchester bei der Produktion (Regie: Joël Pommerat) an der von Helmut Lachenmanns »Das Opera Comique in Paris. Im Febru- Mädchen mit den Schwefelhöl- ar 2020 leitete er die Premiere von zern« in der Inszenierung von Ro- »Les Châtiments« von Brice Pauset bert Wilson (2013) sowie in Morton an der Opera de Dijon. Feldmans »Neither« (Regie: Romeo 39
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