Bildung und Inklusion Ganz Frau IV-Willkür - handicapforum
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2020 1 handicapforum Bildung und Inklusion Ganz Frau IV-Willkür Mitgliedorganisationen :: Schweizerische Vereinigung der Gelähmten ASPr-SVG – Orts gruppe beider Basel :: Band-Werkstätten Basel :: Fragile Suisse – Basler Vereinigung für hirnverletzte Menschen :: Gehörlosen-Fürsorgeverein der Region Basel :: insieme Basel – für Menschen mit einer geistigen Behinderung :: insieme Baselland – für Menschen mit einer geistigen Behin- derung :: IVB – Behindertenselbsthilfe :: Behinderten-Sport Basel :: Procap Nordwestschweiz – für Menschen mit Handicap :: Schweizerischer Blindenbund – Regionalgruppe Nordwestschweiz :: Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband – Sektion Nordwestschweiz :: Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft SMSG – Regionalgruppe beider Basel :: Schwerhörigen-Verein Nordwestschweiz :: Stiftung Rheinleben :: Vereinigung Cerebral Basel :: Zentrum Selbsthilfe :: Asperger-Hilfe Nordwestschweiz :: Blind-Jogging :: Leben mit Autismus Basel
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Inha ltsver zeich n is Edito rial THEMA Bildungschancen für alle 4 Trotz allem … ! 5 Über Mythen und Fakten zum Thema Inklusion 7 Inklusion ist keine Frage des Ortes 8 Zugang zur Welt der Musik 9 AKTUELL Liebe Leserin, Lieber Leser Musik für alle 10 Als ehemalige Waldorfschülerin habe ich Erfahrung Angebote der Behindertenhilfe 11 mit inklusiver Bildung. Wir hatten an unserer Inklusionsarbeit ist Arbeit – Schule alle Lern-Niveaus in derselben Klasse und auch für Frauen mit Behinderung 12 auch SchülerInnen mit Beeinträchtigungen wurden Ganz Frau … 13 aufgenommen. Für mich war das normal. Anstren- Meldestelle für Opfer der IV-Willkür 14 gend, bisweilen sogar belastend waren die Reakti- Endspurt bei der 7. IVG-Revision 15 onen der Aussenstehenden. Allein das Gerücht BEITRÄGE/HINWEISE «dort gibt es ‹Geistig Behinderte›» reichte aus, um auch meine kognitiven Fähigkeiten anzuzweifeln. Bahnhöfe erst teilweise zugänglich 16 Ich wurde als Sonderschülerin behandelt – leicht Transition17 distanziert und mitleidig. Später machte ich mein Wem sini Recht? Mini Recht! 18 Abitur mit Leichtigkeit und befand mich nun plötz- Disco Spezial 18 lich in einer anderen Kategorie … Diese Vorurteile! Christine Bühler hat sie während ihrer schulischen M I T G L I E D O R G A N I S AT I O N E N und beruflichen Laufbahn abbekommen, weil sie sich weigerte eine Sonderschülerin zu sein und in Insieme: «Die Ferienkurse sind meine Ferien!» 20 einer geschützten Werkstatt zu arbeiten. Sie musste Vereinigung Cerebral Basel 21 sehr hart kämpfen ( siehe Beitrag Seiten 5 und 6 ). Procap: Vereinsanlässe und Veranstaltungen 22 Wie viel durchlässiger sind die Schul- und Denksys- IVB: Jahresprogramm 2020 24 teme mittlerweile geworden? Diesen Fragen gehen Fragile: Von der Erdmännchen - wir in der vorliegenden Ausgabe des Handicap zur Vogelperspektive 25 forums nach. Wir berichten von den Fortschritten, A D R E S S E N U N D K O N TA K T E aber auch von den Baustellen, die man nicht aus den Augen zu verlieren darf. Wichtige Adressen ( BTB, Beratungsstellen etc.) 26–27 Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre Herzliche Grüsse An der inklusiven Sophie-Scholl Barbara Imobersteg Schule in Berlin Bild: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de handicapforum Nr. 1 | 2020 3
T h em a Bildungschancen für alle Ob man sich zugehörig fühlt, hat viel mit Schule zu tun. Separativ, integrativ oder inklusiv: die eigene Bil- dungs-Biografie prägt das Selbstbewusstsein und die gesellschaftliche Position. Die Volksschule Basel-Stadt versteht sich mittlerweile als integrative Schule: Sie nimmt alle Kinder auf, auch jene mit einer Behinderung, einer Lernschwäche oder einer besonderen Begabung. bim. Im Jahr 1657 forderte der Pädagoge und Theo- Nach wie vor Spezialangebote loge Johann Amos Comenius eine Schule «wo allen Im Kanton Basel-Stadt spricht man von integrativer alles umfassend gelehrt werden soll» ( im Original: ubi Schule. Der Begriff Inklusion wird vermieden, denn omnes omnia omnino duceantur ). Comenius war ein nach wie vor werden auch separative Angebote ge- früher Aufklärer und überzeugt, dass jede Geistes- macht. Die Wortwahl ist nur folgerichtig. Aber die Um- anlage durch Bildung verbessert werden könnte. Er setzung der UNO-BRK nimmt man ernst. Die Volksschu- verfasste später denn auch die erste Enzyklopädie für le soll wirklich allen Kindern offenstehen. Es gilt der Kinder. «Alle», das hiess bei Comenius nicht nur «Ade- Grundsatz: Integrative Schulungsformen sind die Regel, lige und Nicht-Adelige, Reiche und Arme, Knaben und separative Massnahmen sind zu begründen. Allerdings Mädchen aus Städten, Flecken, Dörfern und Gehöften», gibt es nach wie vor eine Reihe «Spezialangebote» – sondern auch die von «schwerfälliger Stumpfheit und zum Beispiel speziell kleine Klassen unter einer speziel- Dummheit». «Denn man findet keine so unglückliche len personellen Führung und verschiedene «integrative Geistesanlage, dass sie durch Pflege nicht verbessert Fördermassnahmen». werden könnte. Die Erfahrung lehrt sogar, dass von Natur aus äusserst Schwerfällige doch eine solch hohe Noch ist Vieles Neuland. Viele LehrerInnen sind noch wissenschaftliche Bildung erwarben, dass sie selbst nicht vertraut mit sonderpädagogischen Inhalten, mit Begabte überholt haben!» den Methoden einer nachhaltigen inklusiven Didaktik sowie mit der erforderlichen Teamarbeit und Zusam- Bildung für alle – eine Forderung aus dem 17. Jahr- menarbeit mit Fachpersonen. Förder-Institutionen und hundert, die so schnell nicht eingelöst wurde. Dass -Personen sind oft noch immer separat ausgerichtet Mädchen alle Fachgebiete offen stehen ist noch heute und nicht darauf eingestellt, sich einzubringen und eher Theorie als Praxis. Dass Kinder aus bildungsfernen mitzuwirken. Ein grosses Problem stellt der Mangel Schichten echte Chancen auf einen guten Schulab- an HeilpädagogInnen dar. Um im Zusammenhang mit schluss haben, ist immer noch die Ausnahme, dass verhaltensauffälligen Schülern kreative Lösungen zu Menschen mit Behinderung die Regelschule besuchen finden, müsste hier die Zusammenarbeit gestärkt wer- können, wird immer wieder neu in Frage gestellt. Aus- den können. Schwierige Kinder auszusondern, ist aber grenzung ist in unserem Schulsystem tief verankert. keine gute Lösung, denn unter anderen verhaltensge- störten Kindern wird bestimmt keine wünschenswerte Verbesserung erzielt, im Gegenteil. Ein grosser Veränderungsprozess Und nun kommt diese Uno-Behindertenrechtskonven- tion und definiert inklusive Bildung als Menschenrecht. Für Kinder mit und ohne Behinderungen Der Begriff Integration ist in der deutschen Übersetzung Die Schulreformen halten die Lehrkräfte seit Jahren verworfen worden, denn es soll nicht darum gehen, auf Trab. Es gab unendlich viel umzustrukturieren und Aussenstehende bei Bedarf miteinzubeziehen, sondern neu zu konzipieren. Es gab eine nicht zu bewältigende von Anfang an mit allen gemeinsam Schule zu machen. Papierflut, Sitzungen, Besprechungen und organisato- Alle gehören dazu. Das ist eine Haltung und ein Lebens- rische Herausforderungen jeder Art. Das Thema Integ- gefühl. Sich zugehörig fühlen nimmt sich anders aus als ration respektive Inklusion stand dabei meist nicht im manchmal dabei sein dürfen. Die Bildungsinstitutionen Zentrum. Langsam kann man sich wieder zurechtfinden in der Schweiz sind nun dabei, die neue Denkweise und viele motivierte und engagierte Lehrerinnen und umzusetzen und die Schulen entsprechend umzubauen. Lehrer freuen sich, wieder vermehrt Kapazitäten fürs Das ist ein grosser Veränderungsprozess. Das Separieren Klassenzimmer zur Verfügung zu haben, für Kinder mit ist einfacher und ist das System, das alle kennen und und ohne Behinderungen – für alle, die dazugehören können. Die inklusive Schule ist pionierhaft, sie muss und ihr Recht auf Teilhabe wahrnehmen. erst erfunden und erprobt werden und sie stellt die bisherigen Denkmuster in Frage. Das verunsichert. 4 handicapforum Nr. 1 | 2020
Them a Trotz allem … ! Der separative Weg war vorgezeichnet und ist ihr unerbittlich nahe gelegt worden. Gleichwohl hat C hristine Bühler als körperbehinderte Frau ihre eigene schulische und berufliche Laufbahn eingeschlagen und P sychologie studiert. bim. «Zu meiner Zeit ist einem nichts geschenkt wor- die wachen Augen und das erste Lächeln. Gleichwohl den.» Wann war das? Damals, in grauer Vorzeit? Damals, ergab die erste heilpädagogische Untersuchung die als Krieg war, als die Leute arm waren und die Kinder klare Prognose: nicht schulbildungsfähig. Begründung: mit Prügelstrafen «erzogen» wurden? Wenn man den das Kind kann nicht greifen … Christine Bühler lacht. Erzählungen Christine Bühlers folgt, könnte man mei- Im Nachhinein klingt die Begebenheit wie eine lus- nen, in eine Zeit versetzt zu werden, die längst nur tige Anekdote. Was die Fehldiagnose dann ausgelöst noch in Geschichtsbüchern existiert. Aber es ist kaum hat, war allerdings äusserst leidvoll – aber damals die ein halbes Jahrhundert vergangen seither. Wir befin- einzige Chance für eine Bildung, die den kognitiven den uns auch nicht in einem abgelegenen Dorf, weitab Fähigkeiten entsprach. Wenn man jetzt die fröhliche, der Zivilisation, sondern in Basel und Agglomeration. sprühende Person vor sich sieht, kann man nur erah- Christine Bühler kam mit einer seltenen Erkrankung zur nen, mit wieviel Energie und Durchhaltewillen Christine Welt: Arthrogryposis Multiplex Congenita, kurz «AMC», Bühler ihren Weg gebahnt hat, ohne sich zermürben ein Krankheitsbild, das auch unter dem Begriff «Ge- zu lassen. lenksteife» zusammengefasst wird. Das kleine Mäd- chen wurde verkrümmt und körperlich beeinträchtigt «Lic.phil. Christine Bühler, Klinische Psychologie», steht geboren. Die Ärzte des Kinderspitals diagnostizierten auf ihrer Visitenkarte. An der Fachklinik für Rehabili- aber auch gleich eine «geistige» Behinderung - bei so tation, Rheumatologie und Osteoporose in Schinznach starken körperlichen Einschränkungen war damals of- ist sie nach wie vor tätig, wenn auch aufgrund zuneh- fenbar nichts anderes vorstellbar. Nur die Eltern hatten mender Altersbeschwerden nur noch mit einem kleinen einen klaren Blick. Sie konnten eine normale Entwick- Pensum. Ihre Arbeit macht ihr so viel Freude, dass lung bei ihrer kleinen Tochter beobachten. Sie sahen sie auch den langen Arbeitsweg auf sich nimmt. Dass Christine Bühler: An einem geschützten Arbeitsplatz wäre ich verkümmert Bild: Barbara Imobersteg handicapforum Nr. 1 | 2020 5
T h em a sie als Psychologin ihren Kenntnissen und Fähigkeiten Das konnten die sich einfach nicht vorstellen … emäss eingesetzt wird: darauf hat sie schliesslich sehr g Das Gymnasium Muttenz war Erholung. Langsam fasste lange warten müssen. Warten, respektive kämpfen – sie wieder Selbstvertrauen, denn hier wurde ihre An- ihr Bildungs- und Berufsweg ist seit der unsäglichen wesenheit nicht mehr in Frage gestellt. Der Weg an die Diagnose im Kleinkindalter stets aufs Neue verbarri- Uni stand ihr bald frei. Rechtswissenschaften empfahl kadiert worden. ihr die IV-Berufsberaterin. Christine Bühler schüttelt den Kopf und fragt lakonisch: Weshalb reden bei be- hinderten Menschen immer alle mit?» Sie studierte Am besten aufgehoben im Heim … jedenfalls nicht Jus, sondern Klinische Psychologie und Die erste Bildungsetappe hat Christine Bühler dank war bald bereit, ins Berufsleben einzusteigen. Aller- drei mutigen Frauen geschafft, die sich den amtlichen dings war sie im Hinblick auf ihre Therapie-Ausbildung Verordnungen einfach widersetzt haben. Ihre Mutter auch wieder mit neuen Schranken konfrontiert: «Eine konnte die Kindergärtnerin ihres Erstgeborenen dafür körperbehinderte Therapeutin: das konnten die sich gewinnen, dass sie die jüngere Schwester, trotz Behin- einfach nicht vorstellen.» Ihre Bewerbung wurde nicht derung, aufnahm. Somit konnte die kleine Christine berücksichtigt, die Ausbildungsorte waren auch kaum je den regulären Kindergarten besuchen. Anschliessend rollstuhlgängig. Was ihren Schulbildungsweg erschwert war von offizieller Seite her die TSM Münchenstein vor- hatte, wiederholte sich nun in der Berufswelt. Erst gesehen, Schulzentrum für Kinder mit Behinderungen. spät fand sie doch noch ein Institut, an dem sie ihre Wiederum liess sich aber eine Ausnahmeregelung psychotherapeutische Ausbildung absolvieren konnte. treffen, indem die Primarlehrerin des Bruders Hand Christine Bühler liess sich aber ihre Selbständigkeit bot, das aufgeweckte Mädchen regulär einzuschulen. nicht nehmen. Rente kam nicht mehr in Frage, eher Unterstützung bei diesem Vorgehen gab es nicht, im hielt sie sich mit kleinen Jobs über Wasser. «Pfadi trotz Gegenteil. Der Sozialdienst des Kinderspitals weigerte allem» war auch hier wieder eine Hilfe. Als erfahre- sich, die Organisation und Finanzierung eines Fahr- ne Lagerleiterin erhielt sie eine Anstellung beim Frei- dienstes zu veranlassen und bestand auf Sonderschule. zeitzentrum von insieme. «Bedenken hatten immer Die IV vertrat denselben Standpunkt und liess sich auch die so genannten Profis, die HeilpädagogInnen, die von guten Noten keineswegs überzeugen. Der Weg der Psychologen, die SozialarbeiterInnen …» das musste Sonderschule war fest installiert bei allen involvierten Christine Bühler immer wieder erfahren. Selbst in In- Stellen und erst recht in den Köpfen. Selbst Eltern in stitutionen für Menschen mit Behinderungen – oder ähnlichen Situationen waren damals überzeugt, dass vielleicht gerade dort – erhielten ihre qualifizierten ihre behinderten Kinder im Heim am besten aufgeho- Leistungen kaum Beachtung. «Ich war einfach ‘die ben wären. Behinderte’, als Fachperson wurde ich nicht wahr- genommen, fasst Christine Bühler ihre Erfahrungen «Dann musste ich wirklich hart durch», erinnert sich zusammen. Ihre KlientInnen hingegen bestätigten sie Christine Bühler. Am Progymnasium entfiel plötz- stets in ihrer Kompetenz. Sie schätzten die versierte lich jegliche Unterstützung durch Lehrkräfte und sie Psychologin und bestärkten sie darin, ihren berufli- wurde als Schülerin ausgegrenzt. Der Lehrer verkündete chen Weg weiterzuverfolgen. «Geschenkt wurden mir öffentlich, dass sie nicht an diese Schule gehöre und schliesslich ihre vielen guten Rückmeldungen», sagt liess es damit auch zu, dass sie durch ihre Mitschüle- die Kämpferin. Dass sich der Kampf gelohnt hat, steht rinnen gemobbt wurde. «Man schloss den Kreis vor mir, ausser Frage. «An einem geschützten Arbeitsplatz wäre wenn ich in den Pausenhof kam und man rannte weg, ich verkümmert;» Christine Bühler lacht mit all ihrem wenn ich Hilfe bei der Benützung des Lifts brauchte», Schalk: «Da blieb mir doch nichts anderes übrig, als erzählt Christine Bühler. Ein Gespräch mit der Klasse durchzuhalten.» wurde den Eltern verweigert. Wie liess sich das alles ertragen? Christine Bühler wird nachdenklich: «Ja, ich bin psychisch fast draufgegangen.» Aber sie hatte auch stets ein Ziel vor Augen: die Matur, die ihr Möglich- keiten und eine berufliche Laufbahn eröffnen würde. Und sie hatte ausserschulische Erfahrungen, die ihre Lebensfreude nährten: bei den «Pfadi trotz allem» war sie voll integriert, dort wurde sie später auch die erste Leiterin mit Behinderung. Zuhause hatte sie ebenfalls die volle Unterstützung. Ihre Eltern sorgten dafür, dass Christine bei allen Familienaktivitäten mit ihren Ge- schwistern dabei sein konnte. 6 handicapforum Nr. 1 | 2020
Them a Über Mythen und Fakten zum Thema Inklusion Inklusion ist keine Sozialromantik Bild: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de Inklusionsfakten.de ist eine Seite über Mythen und Barrieren, die heute gleichberechtigte Teilhabe verhin- Fakten rund um inklusive Bildung. Was man heimlich dern. Diese Barrieren gab es an meinen Schulen nicht». denkt, offen beanstandet oder als Skepsis mit sich her- umträgt, findet man bestimmt unter den gesammelten Unter Inklusionsfakten.de/ Was ich über inklusive Bil- vorurteilhaften Aussagen aufgelistet. Den 37 Beispielen dung sagen kann, wenn jemand sagt …, kann man stehen ebenso viele fundierte, Fakten basierte und gut beispielsweise folgende Aussagen überprüfen: verständliche Widerlegungen gegenüber. • «Kinder mit Behinderung brauchen einen Lisa Reimann, Pädagogin, und Inklusionsberaterin ist Schonraum/Schutzraum» die Autorin der Seite Inklusionsfakten.de. Sie nennt • «Also die ganz verhaltensauffälligen Schüler, die sich selber eine Verbreiterin von vorurteilssensiblen können nicht in den Gemeinsamen Unterricht. Ansätzen für die inklusive Praxis. Inklusive Bildung Das geht ja gar nicht» kennt sie aus eigener Erfahrung: • «Die Kinder mit Behinderung werden gehänselt» «Ich selber lernte von der ersten Klasse bis zum Abitur • «Die Schulen sind nicht ausgestattet für Kinder mit MitschülerInnen mit und ohne Behinderung. Zu- mit Behinderung» erst an der ersten staatlichen Integrationsschule im • «Die Lehrer der Regelschule wollen doch gar keine deutschsprachigen Raum ( Fläming-Grundschule ) und Inklusion» dann an der Sophie-Scholl-Oberschule. Ich kannte von • «Inklusion ist Sozialromantik» klein auf Kinder, die ihren Kopf nicht bewegen konnten, die manchmal laut schrien oder die nie lesen lernten. Einfach anklicken und lesen, stöbern, Informatio- Ich erlebte Sie als Teil der Schulgemeinschaft. Behin- nen finden und Wissen vertiefen! derung fasziniert und interessiert mich nicht. Behin- Inklusionsfakten.de derung ist ein Aspekt von Vielfalt. Mich interessieren «Die Arbeit mit den behinderten Kindern hat unsere Schule und uns tiefgreifend verändert. Der Kern dieser Veränderung besteht in einer Richtigstellung der Verantwortlichkeit für den pädagogischen Prozess: Aus der Frage: «Wie muss ein Kind sein, damit es an unsere Schule darf?», wurde die Frage: «Wie müssen wir Schule machen, damit hier jedes Kind sein darf?» ( Fred Ziebarth, Sonderpädagoge der Fläming-Grund- schule Berlin 2006 ). handicapforum Nr. 1 | 2020 7
A ktu e l l Inklusion ist keine Frage des Ortes Inklusion heisst; dass sich alle zugehörig fühlen Bild: Andi Weiland, Gesellschaftsbilder.de Viele meinen: Wenn Kinder mit Behinderung in Regel- tatsächlich für alle sind, messbare Erfolge bringt, das klassen lernen, sei das Inklusion. Nachdem Deutsch- besser dasteht als die Ergebnisse unseres 200 Jahre land im Jahr 2009 eine Konvention unterschrieben alten Schulsystems. Wir müssen weg vom Denken in hatte, lassen sie nun Kinder mit Behinderung in die geschlossenen Systemen – diese Systeme gehören auf- Regelklassen. Aber dabei bleibt es. Sowas nennt man gebrochen. Dazu braucht es Geld, aber es braucht auch jetzt Inklusion, sozusagen per order, ist aber weit davon ein neues Denken. Dieses ist nicht besonders revoluti- entfernt. Inklusion bedeutet eben nicht, dass Kinder onär, und vom Himmel fällt es auch nicht. mit Behinderung zu 100 Prozent in einem Regelklas- senraum unterrichtet werden. Inklusion fordert ganz Wir alle müssen erfahren, was wir können und was anderes, richtet sich nämlich an alle SchülerInnen. Es nicht. Auch mit Niederlagen in den Klassenräumen ist ein Konzept, ein Rahmen zur Erziehung von Kindern als Basen neuen Lernens ist umzugehen, da wird es mit und ohne Behinderung. Da soll niemand hinein, Mobbing geben, weil es das immer gab, aber damit ist «integriert» oder «inkludiert» werden, sondern es sind sowieso umzugehen – sei es beim Hänseln von Kindern schon alle da. mit Behinderung, von Rothaarigen, Dicken oder Stre- bern. Wenn wir anfangen, Inklusion uns umfassender Inklusion hat eine Bedingung: Dass alle sich zuge- vorzustellen, dann klappt das schon: Je mehr Berüh- hörig fühlen, in der Gemeinschaft, im Klassenraum. rung, desto weniger Vorbehalte, Vorurteile und Ängste. Dass sie ein «Commitment» verspüren. Dann ist der Klassenraum eine Art Basis des Lernens, aber keine Raul Krauthausen ausschließliche: Wenn es individuell Sinn macht, ge- wisse Stunden woanders zu verbringen, und das gilt für Kinder mit und ohne Behinderung, verlagert sich der Unterricht. Wir müssen kreativer denken, die Schule den Kindern anpassen – bisher läuft es andersrum. Wir brauchen also ein System, in dem Lehrkräfte und Förderpädagoginnen gemeinsam schauen, wie die Kin- der bestmöglich begleitet werden. Aber der Staat spart. Dabei sind die Beispiele, wie es besser laufen kann, unübersehbar. Finnland und Kanada schneiden in den Schulleistungstests von PISA regelmäßig stark ab. Beide Länder haben keine Förderschulen – und doku- mentieren, wie gemeinsames Lernen in Schulen, die 8 handicapforum Nr. 1 | 2020
Aktu e l l Zugang zur Welt der Musik Mögen Sie Musik? Ich mag Musik und meine Tochter sie die Bläser, durch ein Vibrieren auf der Brust, die Mina liebt sie noch viel mehr. Zurzeit steht sie – so habe Streicher erzeugen Vibrationen an den Armen, je nach ich den Eindruck – auf tiefe, rauchige Männerstimmen. Tonlage und Lautstärke. Tom Waits zum Beispiel mag sie sehr. Wir setzen die Musik von Tom Waits, zum Beispiel oft im öffentlichen Gehörlos, aber nicht sprachlos Verkehr ein, wenn wir mit Mina im Tram unterwegs Mittlerweile wird der Junge so wie ich ebenfalls um die sind. Als Kind mit einer Autismusspektrumsstörung Mitte Vierzig sein. Und ich frage mich, ob er vielleicht ist Mina gerade im ÖV sehr vielen Reizen und Geräu- sogar an eines der von Mux ( Verein für Musik und schen ausgesetzt. Da helfen ein paar Kopfhörer und die Gebärdensprache ) organisierten Konzerte geht. Mux laute, rauchige Stimme von Tom Waits. Das funktioniert ermöglicht den Gehörlosen Zugang zu Musik, indem zwar nicht immer, aber immerhin ab und zu. zum Beispiel Konzerte auf der Bühne zusätzlich von Übersetzerinnen in Gebärdensprache übersetzt wer- Musik beruhigt, begeistert, tröstet. Musik bringt uns den. Eine ziemliche Meisterleistung so den Stakka- zum Weinen und Tanzen. Die Wirkung der Musik auf to-Rap eines Hip-Hoppers in die Gehörlosensprache uns Menschen ist noch immer nicht abgeschlossen zu übersetzen, finde ich. und es gibt Theorien, die attestieren der Musik sogar heilende Wirkung. Das Schöne daran ist, dass solche Projekte immer auch eine Möglichkeit sind, um mit Menschen mit einer Be- Oft wird Musik auch im therapeutischen Bereich ein- hinderung in Kontakt zu treten. Es müsste mehr solche gesetzt. Mina kam schon früh in den Genuss einer Mu- Begegnungsstätten geben, wo Menschen gemeinsam siktherapie, wo sie anhand verschiedener Musikinstru- und unabhängig von ihrer Behinderung einem Konzert mente das Prinzip der Ursache-Wirkung kennenlernte. beiwohnen können. Noch heute haut sie mit einem Pathos auf die Tasten des Keyboards, welches ihr die damalige Musikthera- Musik unterscheidet nicht peutin schenkte, dass es eine helle Freude ist. Ich bin Doch oft scheitern solche Projekte schon an den bau- froh, dass Mina Zugang zur Welt der Musik hat. Doch lichen Voraussetzungen, weil der Zugang zum Kon- was ist mit Menschen, die zum Beispiel gehörlos sind? zertsaal oder zur Disco nicht rollstuhlgängig ist. Wenn diese Hürden genommen sind, dann sind Anlässe Nichts hören, aber trotzdem spüren wie die von Pro Infimis lancierte Musikveranstaltung Meine erste Begegnung mit einem Menschen mit einer «Musik unterscheidet nicht» eine wunderbare Gele- Behinderung war mit einem Gehörlosen. Damals hatte genheit, um mit Menschen mit Behinderung in Kon- ich in der Oberstufe eine Freundin. Und die hatte einen takt zu treten und sogar gemeinsam Musik zu machen. Nachbarn, der hörte manchmal so laut Musik, dass ich Denn wie der Name der Veranstaltung schon sagt, dachte, da sei eine Disco im Gange. Einmal gingen wir ist die Idee, dass Menschen gemeinsam Musik ma- ihn besuchen. Als wir in die Wohnung eintraten, sahen chen. Unabhängig von ihrer Behinderung oder ihrer wir den Jungen zu meinem Erstaunen ganz alleine und Herkunft. Ein schönes Beispiel gelebter Inklusion. wild tanzend zur Musik. Erst später begriff ich, dass der Überhaupt: Wir sollten uns an der Musik ein Beispiel gehörlose Nachbarsjunge die Musik so laut aufdrehte, nehmen. Musik unterscheidet nicht. Nicht zwischen damit er die Vibrationen des Basses mitkriegt. schwarz und weiss. Nicht zwischen behindert und Was es damals noch nicht gab, war das sogenannte nicht-behindert. Musik ist einfach da. Für alle. Immer ‚Soundshirt‘. Eine Weste für Gehörlose, welche Vibra- schon. Oder wie es Tom Waits einmal gesagt hat: «The tionen auslöst, je nach Lautstärke der Musik. In einem universe is making Music all the time». Video ist zu sehen, wie eine gehörlose Frau zum ers- ten Mal an einem Symphonie-Konzert dabei ist. In die Patrick Dubach Weste sind Vibrationsmotoren eingebaut. Und so spürt handicapforum Nr. 1 | 2020 9
A ktu e l l Musik für alle Das politische Klima hat sich verändert: Am 2.12.2019 konnte das Initiativkomitee das neue BRG feiern Bild: Hitzigraphy bim. Das kantonale Behindertenrechtegesetz ( BRG ) ist Die zahlreichen Diskussionen im Vorfeld der Abstim- in Kraft. Basel-Stadt kann stolz sein, als erster Kan- mung haben Teile der Bevölkerung und auch politische ton die Gleichstellung verankert zu haben und somit EntscheidungsträgerInnen sensibilisiert. Ein aktuel- über eine gesetzliche Basis zu verfügen, die konkrete les Beispiel ist die Zugänglichkeit der Musikakademie. Umsetzungen auch möglich macht. Merken Menschen Natürlich haben wir es hier einmal mehr mit einigen mit Behinderung überhaupt etwas davon? Wird es in Altstadthäusern zu tun, die nicht ohne weiteres roll- nützlicher Frist konkrete Verbesserung in ihrem Le- stuhlgängig gemacht werden können. Gleichwohl ist bensalltag geben? Georg Mattmüller, Geschäftsleiter im Dezember 2019 ein Anzug überwiesen worden, mit des Behindertenforums und Initiant des BRG sieht es dem der Regierungsrat gebeten wird, zu prüfen, welche realistisch: «Die Bäume werden nicht plötzlich in den Massnahmen getroffen werden könnten um den Zugang Himmel wachsen, aber das politische Klima hat sich zu den Gebäuden und ihrer Infrastruktur zu verbessern. tatsächlich verbessert zu Gunsten von Menschen mit Ein solches Ansinnen stösst mittlerweile auf Verständnis Behinderungen.» Was lange Zeit ein Thema war, das und da die gesetzlichen Grundlagen nun auch vorhan- kaum Beachtung fand, das im besten Fall als «nice to den sind, steht der Prüfung eines berechtigten Anlie- have», aber bestimmt nicht als wichtig oder notwendig gens nichts mehr im Wege. Wir freuen uns, wenn bald erachtet wurde, ist gesellschaftlich relevant geworden. auch Menschen mit Behinderungen die Angebote der Dass Menschen mit Behinderungen gesellschaftliche Musikakademie nutzen können. Teilhabe zusteht, finden inzwischen Viele ganz normal. w w w . H E L B I N G - S H O P . C H der Onlineshop für Recht, Portofreie Lieferung bei bestellungen Steuern, über CHF 150.– Wirtschaft. HLV_Ins_webshop_180x61mm.indd 1 23.1.2008 9:36:46 Uhr 10 handicapforum Nr. 1 | 2020
Aktu e l l Angebote der Behindertenhilfe Selber entscheiden oder mitentscheiden wie der Alltag mit Unterstützungsbedarf gestaltet wird, heisst auch, sich einen Weg durch den Informations-Dschungel zu bahnen. Das Amt für Sozialbeiträge hat mit seiner Website eine gute Übersicht geschaffen und legt ein spezielles Augenmerk auf die Zugänglichkeit. bim. Seit dem 1.1.2017 ist in den Kantonen Basel-Stadt Liste und Basel-Landschaft das Behindertenhilfegesetz Wenn man sich einen Überblick über die verschiedenen ( BHG ) in Kraft. Es hat Auswirkungen auf alle Personen Einrichtungen der Behindertenhilfe verschaffen möch- mit Behinderung, die eine IV-Rente beziehen Das Ge- te, findet man in einer Angebotsübersicht eine Liste setz wurde im Zuge des Nationalen Finanzausgleichs, mit allen zugehörigen Institutionen, ihren spezifischen der die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kanto- Merkmalen und den derzeitigen freien Plätzen. Sie ist nen neu ausgestaltete, erarbeitet. Nach Annahme der nun aufgrund von entsprechenden Rückmeldungen UNO-Behindertenrechtskonvention wurde dabei auch auf die letztjährige Umfrage des ASB zugänglicher und dem Recht auf Selbstbestimmung, respektive auf Mit- übersichtlicher gestaltet worden. Mitwirken kann ja nur, wirkung Rechnung getragen, so dass Menschen mit Be- wer sich die notwendigen Informationen auch beschaf- hinderungen ihr Leben möglichst eigenverantwortlich fen kann. Weitere Anregungen zur Website werden vom organisieren können. Das BHG regelt unter anderem, Amt für Sozialbeiträge auch gern entgegengenommen. welche Leistungen man erhält, wer für diese Leistungen bezahlt und wie diese Leistungen allenfalls verändert werden können. Broschüre Der Behindertenhilfe obliegt die finanzielle Unterstüt- zung von Anspruchsberechtigten sowie das Bereitstel- len und Betreiben von geeigneten Angeboten in den Bereichen Wohnen, Tagesstruktur und Beratung. Sie ist dem Amt für Sozialbeiträge ( ASB ) angegliedert. Wer sich nun auf den Weg machen möchte, Leistungen der Behindertenhilfe zu beziehen oder bestehende Leistungen zu ändern, kann sich auf der Website des ASB orientieren. Eine leicht verständliche Broschüre er- klärt die wesentlichen Änderungen in der Behinderten- hilfe und zeigt die möglichen Handlungsschritte auf. Sie kann unter www.asb.bs.ch/alter-behinderung/behin- dertenhilfe eingesehen oder heruntergeladen werden. Angebotsübersicht Hier finden Sie eine Übersicht über die Angebote der Behindertenhilfe im Kanton Basel-Stadt. In der Excel-Tabelle haben Sie die Möglichkeit, die Angebote nach verschiedenen Kriterien zu filtern und nach Angeboten mit freien Plätzen zu suchen. Die Übersicht wird mindestens einmal monatlich aktualisiert. Die Übersichten stehen auch als PDF-Dokumente zur Verfügung. Unter der Übersicht finden Sie zudem ein Merkblatt, welches die wichtigsten Filter- und Suchfunktionen erklärt. Eine Übersicht über die Angebote im Kanton Basel-Landschaft finden Sie unter www.stiftungmosaik.ch/beratungsstelle/institutionen. Haben Sie Fragen zur Bedienung der Angebotsübersicht? Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen zur Verfü- gung, per E-Mail ( behindertenhilfe@bs.ch ) oder Telefon ( 061 267 84 81). Für weitere Unterstützung bei der Wohnplatzsuche stehen Ihnen die beiden Beratungsstellen Stiftung Rheinleben und Pro Infirmis zur Verfügung. handicapforum Nr. 1 | 2020 11
A ktu e l l Inklusionsarbeit ist Arbeit – auch für Frauen mit Behinderung Was nichts kostet, ist nichts wert. Doch von Menschen mit Behinderung wird oft erwartet, dass sie an Tagungen, bei Studien oder in Arbeitsgruppen gratis mitarbeiten. Menschen mit Behinderung haben ein riesiges Wissen, uns noch schlechter stellt als Frauen ohne Behinderung wenn es um Pflege, Inklusion und Zugang geht, denn oder Männer mit Behinderung. unsere gelebte Erfahrung führt zu der täglichen Aus- einandersetzung mit diesen Themen. Ironischerweise wird diese Expertise jedoch häufig nur in Menschen Get that Money, Ladies! ohne Behinderung als ebensolche wahrgenommen Auch wenn es nicht immer einfach ist, können wir die- und entsprechend entlohnt. Von uns Menschen mit ses Verhalten ändern und lernen einzufordern, was uns Behinderung hingegen wird häufig erwartet, dass wir zusteht. Helfen kann dabei, sich mit anderen Menschen über diese Themen in Vorträgen und Gesprächsrunden auszutauschen und zu erfahren, wie vergleichbare Ar- sprechen oder über sie schreiben – ohne Honorar, da beit bezahlt wird. Ausserdem müssen wir uns bewusst wir ja schliesslich Inklusion zum Ziel haben und es «für werden, wie wertvoll unsere Expertise ist, dass auch uns selber tun». «Alltagswissen» eine unverzichtbare Form von Wissen ist, und dass «Inklusion» und «Diversity» Schlagwörter Dieser Logik bin ich schon oft begegnet, und sie wirft sind, aus denen nicht nur Institutionen und Menschen bei mir ein paar Fragen auf: Haben Menschen ohne Be- ohne Behinderung Kapital schlagen sollten. Mir per- hinderung denn Inklusion nicht zum Ziel? Und müssen sönlich fällt es auch nicht immer leicht, nach angemes- wir uns nicht auch auf diese Arbeit vorbereiten, indem sener Entlohnung zu fragen. Es braucht Selbstbewusst- wir uns mit Themen und Argumenten befassen, die sein und Mut. Trotzdem ist es wichtig, dass wir es tun. über unsere eigene Erfahrung hinausgehen, womit das Nicht nur für unser eigenes Portemonnaie, denn: Nur Argument, dass wir diese Arbeit nur «für uns selber» so wird unsere Arbeit in der Gesellschaft auch wirklich machen, hinfällig ist? Sollte unsere Erfahrung nicht als als Arbeit angesehen, die zum Teil viel Kraft braucht. zusätzliche Qualifikation gesehen werden, die unseren Get that money, ladies! Beitrag noch wertvoller macht? Leisten Menschen mit Behinderung nicht schon genug unbezahlte Arbeit, avanti donne, Nina Mühlemann wenn es darum geht andere Menschen zu sensibili- Erschienen in Netzbrief avanti donne 16 sieren? Ein Zeichen der Wertschätzung Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen ich bewusst ohne Honorar arbeite. Ich engagiere mich bei «avanti donne» und bei «selbstbestimmung.ch» im Vorstand und nehme auch sonst manchmal unentgelt- Tipps für die Praxis liche Aufträge an, wenn sie sonst reizvoll erscheinen Nach dem Honorar und Spesen ( Anreise etc.) oder von Vereinen oder Zwecken kommen, für die ich fragen, bevor eine Mitwirkung zugesagt bzw. mich gerne umsonst engagiere und die wenig Geld ein Auftrag angenommen wird. haben. Generell ist es allerdings so, dass in unserer • Es kann hilfreich sein zu fragen, welche Ho- kapitalistischen Gesellschaft Wertschätzung auf dem norare üblicherweise bezahlt werden. Arbeitsmarkt vor allem durch finanzielle Vergütung • Der Austausch mit anderen Menschen ( ins- ausgedrückt wird, und dies sollte gerade auch für die besondere mit Männern! ) bezüglich ihrer Arbeit von Menschen mit Behinderung gelten, die auf Bezahlung kann sehr aufschlussreich sein dem Arbeitsmarkt sowieso schon mit vielen Barrieren • Gibt es keine oder nur eine sehr tiefe Bezah- konfrontiert sind. Leider fällt es vielen von uns schwer, lung, gilt es abzuwägen, ob andere Faktoren diese Vergütung einzufordern. Insbesondere Frauen ( Networking oder die Plattform, die gegeben mit Behinderung werden oft in einer Art und Weise wird ) dies wettmachen. Werden allerdings sozialisiert, die ihnen beibringt, sich zurückzunehmen andere Menschen für die gleiche Arbeit be- und keine eigenen Bedingungen zu stellen: Gender und zahlt, ist dies eindeutig ein Warnzeichen. Behinderung wirken hier auf eine Weise zusammen, die 12 handicapforum Nr. 1 | 2020
Aktu e l l Ganz Frau … … für all jene, die mehr über weibliche Sexualität und Liebe aus der Perspektive von Frauen mit einer Körper-, Sinnes- oder Kommunikationsbehinderung wissen möchten bim. «Ganz Frau» – für einmal keine Schminktipps, telt. Erfahrungsberichte bilden einen wichtigen Teil keine Mode und auch keine Ratschläge, wie es Män- der Dokumentation. Meistens haben andere das Wort: nern am besten gefällt, sondern ein Webportal, das Fachexpertinnen ohne eigene Behinderungserfahrung, Selbstbestimmung und Frauenrechte ins Zentrum stellt. Eltern, Männer mit Behinderung – «ganz Frau», lässt Es geht um weibliche Sexualität, Liebe und Behinde- bewusst ExpertInnen in eigener Sache sprechen. Das rung. Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchtigun- Web-Portal greift Themen der Broschüre auf und ent- gen haben sich auf Initiative von «avanti donne» mit hält zudem aktuelle Infos, Links und Angebote. Im Blog diesen Themen auseinandergesetzt, eine umfassende besprechen Fachexpertinnen und betroffene Frauen Dokumentation erarbeitet und ein neues Web-Portal ( Peers ) Fragen, die die NutzerInnen des Portals be- aufgebaut. schäftigen. Die Broschüre informiert über die wichtigsten Aspekte «Ganz Frau» richtet sich an Mädchen und junge Frauen, von Sexualität sowie über die sexuellen Rechte von die mit einer Behinderung aufwachsen oder aufge- Mädchen und Frauen mit einer Behinderung. Im prak- wachsen sind, an ihre Mütter und Vertrauenspersonen, tischen Teil kommen Themen aus dem Alltag und Erfah- an Fachpersonen und alle andern, die sich mit dem rungen von Frauen mit unterschiedlichen Beeinträchti- Thema auseinandersetzen wollen. Während in den gungen zur Sprache. Den Schwerpunkt bilden Körper-, letzten Jahren vermehrt über Sexualität und kognitive Sinnes- und Kommunikationsbehinderungen. Beeinträchtigungen informiert und publiziert worden Die Inhalte ermöglichen eine Annäherung ans Thema ist, wurden die Auswirkungen einer Körper-, Sinnes- «Sexualität, Liebe und Behinderung» auf verschiedene oder Kommunikationsbehinderung auf die weibliche Weise: sachlich, informativ und alltagsnah. Alle The- Sexualität und Partnerschaften wenig beachtet. Avan- men werden kompakt und leicht verständlich vermit- tidonne hat hier ein notwendiges Projekt gestartet und einen wichtigen Beitrag geleistet, dass betroffene Mädchen und junge Frauen zu einem selbstbestimmten und liebevollen Umgang mit ihrer Sexualität und ihrem Körper finden. Bestellungen, aktuelle Informationen, Links und wei- tere Beiträge zum Thema: www.ganz-frau.ch Avanti donne, Interessenvertretung Frauen und Mäd- chen mit Behinderung: www.avantidonne.ch handicapforum Nr. 1 | 2020 13
A ktu e l l Meldestelle für Opfer der IV-Willkür Medienmitteilung von Inclusion Handicap Haarsträubende Qualität von medizinischen Gutachten, Ein paar Bespiele: unhaltbare Sparvorgaben von den Behörden: Inclusion • Die IV verweigerte einer Frau aufgrund ihres schlech- Handicap ist entrüstet über die mittlerweile enthüllten ten Gesundheitszustandes berufliche Eingliede- Missstände bei der IV. Das Nachsehen haben Men- rungsmassnahmen. Gleichzeitig attestierte ihr der schen mit Behinderungen, die nicht oder nur zum Teil Gutachter eine hundertprozentige Arbeitsfähigkeit. arbeitsfähig sind, die ihnen zustehenden Versiche- • Ein Gericht stellte bei einem Gutachter «gewisse rungsleistungen aber nicht erhalten. Inclusion Handi- Fehlleistungen» fest. Er erhält aber Aufträge von cap befürchtet, dass die Enthüllungen nur die Spitze insgesamt 3.1 Millionen Franken. des Eisbergs sind. • Ein Arzt hat in 16 Gutachten einen komplett iden- tischen Text verwendet – und dabei jeweils 100 Prozent Arbeitsfähigkeit attestiert. Die Missstände sind erheblich Kopierte Berichte, Aufträge in Millionenhöhe, tenden- Zudem sollen die IV-Stellen vom Bundesamt für Sozi- ziöser Inhalt – die Missstände bei den medizinischen alversicherungen ( BSV ) gezielt Sparvorgaben erhalten Gutachten der IV sind erheblich, deren Qualität ver- haben. Dies ist einer öffentlichen Versicherung nicht einzelt «schludrig». Mehrere skandalöse Fälle sind in- würdig. Gemäss Versicherungsprinzip ist es die Aufgabe zwischen publik geworden, bei denen gewisse Ärzte zu der IV-Stellen, den Rechtsanspruch auf eine Leistung Ungunsten von Menschen mit Behinderungen unseriöse ergebnisoffen zu prüfen, und nicht fragwürdige Quo- IV-Gutachten erstellt haben. Die veröffentlichten Fälle tenziele zu erfüllen. zeigen, dass die IV-Stellen immer wieder Aufträge an Gutachter vergeben, die tendenziöse Einschätzungen liefern. An Ärztinnen und Ärzte, die teilweise Millio- Notwendige Untersuchung – Inclusion Handicap nenbeträge kassieren und im Gegenzug systematisch schafft Meldestelle die Arbeitsfähigkeit zu hoch einschätzen – dies auch Bundesrat Alain Berset hat angekündigt, die Missstände immer mal wieder völlig gegensätzlich zu den Ein- untersuchen zu lassen. Inclusion Handicap begrüsst schätzungen der behandelnden Ärzte. Die Folgen für diesen Schritt und fordert rasche Massnahmen, um die Betroffenen können tragisch sein. die unhaltbaren Zustände bei der IV zu beseitigen. Der Dachverband der Behindertenorganisationen bietet Hand, die Untersuchungen zu unterstützen und wird dafür eine unabhängige Meldestelle einrichten, an die sich die Opfer der bisherigen IV-Praxis wenden können. www.inclusion-handicap.ch Die Folgen einer willkürlichen Begutachtung können für die Betroffenen tragisch sein. Bild: Bruno Lindau 14 handicapforum Nr. 1 | 2020
Beiträge Endspurt bei der 7. IVG-Revision Die 7. IVG-Revision steht vor dem Abschluss. Die Schlussabstimmung ist für die Frühlingssession 2020 ge- plant. Die Zeit ist damit reif, eine Gesamtbilanz der 7. IVG-Revision zu ziehen. Und natürlich steht auch die Frage im Raum, wie sich AGILE.CH und die Mitgliedorganisationen zur Referendumsfrage stellen. Mit Vehemenz haben sich die Behindertenorganisatio- Auch eher positiv bewertet werden kann, dass die Ein- nen gegen das vom Bundesrat vorgeschlagene stufen- gliederungsbemühungen zugunsten von Jugendlichen, lose Rentensystem gewehrt. Das Parlament hat nicht jungen Erwachsenen und psychisch Erkrankten ver- auf sie gehört und sich für die Einführung dieses neuen stärkt werden sollen, unter anderem mit dem Ausbau Rentensystems ausgesprochen. Immerhin wird auch der Beratung und Begleitung dieser Gruppen sowie zukünftig eine ganze Rente ab einem IV-Grad von 70% mit der Ausweitung der Früherfassung und der Inte- ausgerichtet, und Menschen unter 30 Jahren bleiben grationsmassnahmen auf Jugendliche. Die Einführung rentenberechtigt. Beim Übergang ins neue Rentensys- eines Personalverleihs und die Zusammenarbeitsver- tem wird die Besitzstandwahrung ab 55 Jahren ge- einbarung mit Dachorganisationen der Arbeitswelt sind währt, wie dies der Ständerat eingebracht hat. weitere Pluspunkte der Vorlage. Dank der Beharrlichkeit von Ständerätin Pascale Bruderer ist in den Materialien Der Aufwand, bewährte Begriffe in Gesetzen, Verord- festgehalten worden, dass die berufliche Erstausbil- nungen, Weisungen, Kreisschreiben, Lehrbüchern etc. dung von Jugendlichen mit Behinderungen weiterhin zu ändern, ist immens, das hat der Bundesrat in seiner zwei Jahre dauern soll. Antwort auf eine Anfrage von Nationalrat Adrian Wüth- rich bestätigt. Doch der Nationalrat schreckt vor einem solchen Aufwand nicht zurück. Der Begriff Kinderren- Eine Rente stabilisiert die Situation te soll – wenn es nach dem Willen des Nationalrats Der Vorstand von AGILE.CH setzte sich mit der Vorla- geht – in «Zusatzrente für Eltern» umbenannt werden. ge auseinander und sprach sich gegen ein Referen AGILE.CH hofft, dass der umbenennungsfreudige Nati- dum aus. Das Zentralsekretariat ist aber gefordert, die onalrat Konsequenz an den Tag legt und endlich auch Umsetzung genau zu beobachten. Der Vorstand er- den veralteten und diskreditierenden Begriff «invalid» wartet, dass bei einer Umbenennung der Kinderrente aus der Schweizer Gesetzgebung verbannen wird. der veraltete und diskriminierende Begriff «invalid» endlich aus der Gesetzgebung entfernt wird. Und in der nächsten IVG-Revision, der 8. IVG-Revision oder Verbesserungen bei den Gutachten der zweiten Weiterentwicklung der IV, sollte unbe- Die Kürzung der Kinderrente von 40 auf 30% der ent- dingt die Eintrittsschwelle für eine IV-Rente von 40 auf sprechenden IV-Rente konnte glücklicherweise dank 10% gesenkt werden. Der Vorstand ist überzeugt, dass des Ständerats abgewendet werden. Damit wird das sich eine solche Senkung positiv auf die Eingliederung Versprechen der Kostenneutralität der Vorlage in letzter auswirken würde. Eine Rente stabilisiert die Situati- Minute doch noch eingelöst. Unerfreulich hingegen ist, on und ermöglicht so Betroffenen, sich voll und ganz dass die Auskunftspflicht von Ärztinnen und Ärzten auf die Eingliederung zu konzentrieren. Auch könnten ausgeweitet wird und dass die Taggeldregelungen für Menschen mit langandauernden Gesundheitsschäden die erste berufliche Ausbildung und die allgemeine – insbesondere mit einer kontinuierlichen Verschlech- Schule verschlechtert werden. terung – noch früher erreicht werden. Die grössten Verbesserungen bringt die 7. IVG-Revision Agile.ch im Bereich der Gutachten: Die Pflicht zur Statistik, Ton- bandaufnahmen von Interviews und eine Kommission sind wichtig für mehr Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Qualität. Die Serie des Blicks zum Thema, die u.a. in Zusammenarbeit mit AGILE.CH, Procap und touché.ch entstanden ist, hat zu den positiven parlamentarischen Entscheiden im Bereich der Gutachten beigetragen. Es besteht die Hoffnung, dass zukünftig Menschen mit einer langandauernden Gesundheitsschädigung nicht willkürlich von Gutachtern gesundgeschrieben werden können. handicapforum Nr. 1 | 2020 15
Bei träge Bahnhöfe erst teilweise zugänglich Bis endlich alle Bahnhöfe für Menschen mit Behinderung zugänglich sind, braucht es Durchhaltevermögen. Bild: zVg 2023 sollten alle Bahnhöfe in der Schweiz barrierefrei Die Verpflichtung hat kein Ablaufdatum – das heisst für Menschen mit Behinderungen selbstän- Seit dem vergangenen Jahr wurden weitere 74 Bahn dig benutzbar – sein. So verlangt es das Behinderten- höfe als BehiG-gerecht klassifiziert, womit insgesamt gleichstellungsgesetz. Sie sollten, sie sind es aber nicht. 819 für Passagiere mit Behinderungen autonom be- «Transportunternehmen und auch das Bundesamt für nutzbar sind. Insgesamt gibt es in der Schweiz aber Verkehr ( BAV ) haben seit der Inkraftsetzung des BehiG rund 1800 Bahnhöfe. Die gesetzliche Frist wird nicht 2003 lange geschlafen, bis die Umsetzung der Ver- eingehalten werden können, das heisst bis zu ihrem pflichtungen an die Hand genommen wurde», schreibt Ablauf im Jahr 2023 sollen laut BAV nur drei Viertel «Inclusion Handicap», der Schweizerische Dachverband aller Bahnhöfe behindertengerecht sein. Zudem wird der Behindertenorganisationen. Er intervenierte bereits der Umbau bei neun Prozent der Bahnhöfe als unver- 2017 beim BAV und erreichte, dass die Bestrebungen hältnismässig taxiert. Für Inclusion Handicap ist klar: zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben intensiviert Das Vorgehen ist zwar richtig im Sinne einer Priorisie- wurden. Jedes Jahr listet das BAV sämtliche Bahnhöfe rung der Projekte, aber man muss laufend überprü- auf und gibt an, ob diese behindertengerecht sind bzw. fen, ob eine bauliche Anpassung nicht doch notwendig bis wann dies erreicht werden soll. ist und nach Ablauf der Frist muss mit den baulichen Massnahmen selbstverständlich fortgefahren werden. Die Verpflichtung Zugänglichkeit zu schaffen hat kein Ablaufdatum. 16 handicapforum Nr. 1 | 2020
Beiträge Transition Transition heisst Übergang. In der Medizin versteht man darunter den geplanten Übergang von Jugendli- chen mit chronischen Erkrankungen von einer kindzentrierten zu einer erwachsenenorientierten Gesund- heitsversorgung. bim. Das Jugendalter ist mit vielen Herausforderun- Menschen oft neue Freiheiten und eine möglichst au- gen verbunden: eine Zeit voller Veränderungen und tonome Lebensführung. Der Verein «Transition 1525» Verheissungen, die meist auch mit Schwierigkeiten ist neu gegründet worden, um den jungen Menschen in und zeitweisen Problemen einhergeht. Das ist normal. dieser Übergangszeit beizustehen. Leitende ÄrztInnen In der Pubertät gehören Krisen dazu und helfen, den und weitere Fachpersonen aus den Bereichen Rehabi- Weg ins Erwachsenenalter zu finden. Wenn chronisch litation und Neuropädiatrie haben sich zusammenge- kranke oder behinderte Kinder in die Pubertät kom- funden, um diesen Prozess interdisziplinär zu begleiten, men, sind sie mit zusätzlichen Herausforderungen kon- denn es braucht hier jedenfalls mehr als eine Übergabe frontiert. Ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, ist von Arzt zu Arzt. Aufbauend auf europäischen Transi- anspruchsvoll. Die Loslösung vom Elternhaus gestaltet tions-Programmen sollen im Rahmen von «Transition sich schwieriger, mit verschiedenen Beeinträchtigun- 1525» Standards entwickelt werden bezüglich Fallma- gen respektive Unterstützungsbedarf die Welt zu er- nagement, Epikrisen, Dokumentation und die Anspra- obern, ist kein Sonntagsspaziergang. Die medizinische che der Betroffenen. Aber auch im Zusammenhang Versorgung, auf die die jungen PatientInnen speziell mit Sozialversicherungsfragen, mit der psychosozialen angewiesen sind, ändert sich ausgerechnet in dieser Betreuung sowie der Arbeits- Wohn- und Lebensform Zeit grundlegend. Die Kinder kommen von der Pädiatrie möchte der Verein Unterstützung anbieten, dazu soll in die Erwachsenenmedizin, das heisst, sie müssen nun die Zusammenarbeit mit allen relevanten Organi- oft ihre über Jahre vertrauten ÄrztInnen und medizi- sationen in der Schweiz aktiviert werden. Der Verein nische Betreuungspersonen wechseln, meist auch die ist noch im Aufbau, Interessierte haben aber bereits Institutionen, selbst wenn sie zum zweiten Zuhause die Möglichkeit Kontakt aufzunehmen und/oder mit- geworden sind. Die rechtliche Situation, insbesondere zuwirken. bezüglich Sozialversicherungen, ändert sich ebenfalls, die Kostenübernahme von Hilfsmitteln muss neu gere- www.transition1525.ch/transition gelt werden und gleichzeitig wünschen sich die jungen Erwachsen werden mit einer chronischen Krankheit oder Behinderung ist besonders herausfordernd. Bild: Bruno Lindau handicapforum Nr. 1 | 2020 17
H inwei se Wem sini Recht? Mini Recht! bim. Die UNO-Behindertenrechskonvention geht alle Beispiele, Forderungen und unter der Rubrik «aufge- etwas an – auch die Institutionen. INSOS, der nationale schnappt» mögliche Aussagen von Betroffenen geben Branchenverband der Behinderteninstitutionen setzt einen Einblick in die Thematik und greifen Erfahrungen sich dafür ein, seine Angebote im Sinne der UNO-BRK auf, die Menschen mit Behinderung kennen. Es geht weiterzuentwickeln. Die Ostschweizer Sektion SG-AI hat weiter mit den Themen Selbstbestimmung, Mitsprache, im Laufe der letzten zwei Jahre in Zusammenarbeit mit Barrierefreiheit und Teilhabe. «Sich für die eigenen zwölf Institutionen ein entsprechendes Projekt durch- Rechte einsetzen, ist nicht einfach. Dazu braucht es geführt. Entstanden sind dreizehn Aktionspläne, eine Wissen, Mut, Hartnäckigkeit, Eigen-Sinn, Überzeugung, Broschüre für KlientInnen als Instrument des Empower- Leidenschaft und vielleicht noch mehr. Wichtig ist: Man ments, Fragebogen ( Selbstüberprüfung ) zur Umsetzung muss irgendwo anfangen. Im Hier und Jetzt. Wie man Disco Spezial der UN-BRK in den Institutionen und Empfehlungen der anfangen kann, will diese Broschüre zeigen.» Fachhochschule St. Gallen, wie Partizipation wirksam umgesetzt werden kann. Auf der Webseite von INSOS SG-AI stehen alle dreizehn Aktionspläne zum Download zur Verfügung. Zudem fin- «Wem sini Recht? Mini Recht!» heisst der Titel der klei- det man dort ein Tool in Form von Fragebogen, anhand nen Broschüre, die in einfacher Sprache und mit Il- derer man gemeinsam mit den KlientInnen die Umset- lustrationen und Fotos Betroffene ermutigen möchte, zung der UN-BRK in den Institutionen überprüfen kann. Disco mit dem Basler Tanzfest sich für ihre Visionen und Träume einzusetzen. Die Publikation ist kein Regelwerk mit Paragrafen, son- Das Projekt wurde von der Fachhochschule St. Gallen dern möchte Anstösse vermitteln,An wie diesem und Abend wo mantanzen wir zusammen ausgewertet: mit dem findet man ebenfalls Ihre Empfehlungen anfangen könnte, sich für ein selbstbestimmtes Leben auf www.insos-sg-ai.ch. Eine Version der UNO-BRK in Basler Tanzfest. einzusetzen – auch in einer Institution. Es beginnt Wir machen Leichter eine Karaoke-Disco. Sprache findet man auch unter www.behin- mit der «Bewussseinsbildung»: Lassen was sindSieVorurteile? sich überraschen. dertenforum.ch/Infos/ a ktuelle-infos Wir hoffen auf viele tanzlustige Gäste. Disco Spezial Disco mit dem Basler Tanzfest und 15.Mai 2020 mit insieme Basel ab 19 Uhr bis 23 Uhr An diesem Abend tanzen wir zusammen mit dem Basler (an diesem Abend dauert die Disco bis 23 Uhr ) Tanzfest. Wir machen eine Karaoke-Disco. Lassen Sie sich überraschen. Markthalle Basel Viaduktstrasse 10 Wir hoffen auf viele tanzlustige Gäste. 4051 Basel 18 handicapforum Nr. 1 | 2020
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