ROTTWEILER HEIMATBLÄTTER - Geschichts und ...
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ROTTWEILER HEIMATBLÄTTER Herausgegeben von Winfried Hecht für den Druck: Druckzentrum Südwest GmbH Rottweiler Geschichts- und Altertumsverein e.V. Redaktion: Andreas Pfannes, Rottweil 81. Jahrgang 2020 Nr. 4 Neues zur Geschichte der Rottweiler Johanniter von Winfried Hecht Die Geschichte der Rottweiler Niederlassung des Ritterordens der Johanniter ist in großen Zügen bekannt (vgl. W. Hecht, Die Johanniter- kommende Rottweil. Rottweil 1971 (= Veröf- fentlichungen des Stadtarchivs Rottweil Bd.2)). Ergänzungen dazu sind im Lauf der Jahre immer wieder einmal möglich geworden (z. B. durch W. G. Rödel, Die deutschen (Gross-)Prioren. In: Hel- vetia Sacra Abtl. IV Bd.7 (2006) S.51 ff. (zit.: Rö- del) oder mit lokalem Bezug W. Hecht, Zur Ge- schichte der Johanniterkommende Rottweil am Ende des 17. Jahrhunderts. In: Der Johanniter- orden in Baden-Württemberg 113 (2006) S. 19 - S. 22) oder W. Hecht, Zum Erwerb des Pfarrsat- zes von Betzingen durch die Rottweiler und Vil- linger Johanniter. Betzinger Blättle Nr. 38, 28. Jg. (2013) S. 5 - S. 7). Nur am Rande herangezogen werden konnten allerdings bisher die umfang- reichen Quellenbestände aus dem zentralen Archiv des Ordens, soweit sie sich in der Natio- nal Library of Malta in Valletta erhalten haben. Weiteres Material ist in der Biblioteca Apostoli- ca Vaticana in Rom, in der Bibliothèque Nationa- le in Paris, in der British Library in London oder im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München vorhanden. Es versteht sich, dass in den Unterlagen der ge- nannten Bibliotheken und Archive über einzelne Niederlassungen des Johanniterordens nur sehr am Rande berichtet wird, was entsprechende Nachforschungen sehr zeitaufwendig und schwierig macht. Um so wertvoller sind Studien, welche das bekannte Material insgesamt wenig- stens für kürzere Zeiträume intensiv untersu- chen. Dies gilt beispielsweise für die 750 Seiten starke Arbeit „Macht und Herrschaft im Johan- niterorden des 15. Jahrhunderts“ von Jürgen Sarnowsky, welche 2001 erschienen ist (zit: Sar- nowsky, Macht und Herrschaft). Dabei liegt es Wie auf diesem Gemälde des italienischen Malers Bernardo Pinturicchio wird man sich auch die nahe, vor allem nach den Nennungen von Kom- Rottweiler Johanniterkomture aus der Zeit vor und um 1500 vorzustellen haben. Foto: Privat turen zu suchen, die mit dem Rottweiler Johan- niterhaus in Verbindung standen. wortlich (vgl. Sarnowsky, Macht und Herrschaft erscheint in den Ordensakten 1433 ein Ordens- S. 670 und Rödel, S. 58 ff.) . ritter namens „Reymbold Zomtrobel“, welcher Um 1400 in hohen Ordensämtern Auf Hesso von Schlegelholz folgte in Rottweil seinem Orden in Rhodos unter dem 20. Juli spätestens 1388 Hans von Ow (vgl. Hecht S. 91 1433 ein Darlehen von 500 Dukaten gewährte Das Wirken des Rottweiler Komturs Hesso von ff. und S. 172). Er wurde in seinem Orden wie (vgl. Sarnowsky, Macht und Herrschaft S. 577). Schlegelholz (1375-1385) in und um Rhodos auch Hermann von Ow mit verschiedenen wich- Hier dürfte es sich mit großer Sicherheit um die war schon bisher bekannt (vgl. Hecht S. 89 ff.). tigen Aufgaben betraut. Hermann von Ow wur- gleiche Persönlichkeit handeln, die wir aus Rott- Dies hatte schon 1371 zur Folge, dass Hesso von de 1433 Prior von Böhmen (vgl. Sarnowsky, weil kennen. Schlegelholz im Gegensatz zu den Komturen so Macht und Herrschaft S. 686). Ein weiterer Or- Wenn Reinbold zum Trubel um 1433 für längere gut wie sämtlicher Nachbarkommenden nicht densritter namens Hans von Ow, der viermal Zeit in den Rottweiler Quellen nicht erscheint, am wichtigen Provinzialkapitel der deutschen nach Rhodos reiste, wurde 1464 in die Spitze so ist anzunehmen, dass der Komtur am Gene- Johanniter in Heimbach in der Pfalz teilnehmen der deutschen Johanniter gewählt (vgl. Sarnow- ralkapitel der Johanniter teilgenommen hat, konnte (vgl. W. Engel, Die Krise der Ballei Fran- sky, Macht und Herrschaft S. 58 und Rödel S. 60 welches von Ende April bis zum 8. Mai des ge- ken des Johanniterordens zur Mitte des 14. ff.). nannten Jahres am Hauptsitz des Ordens in Jahrhunderts. Zeitschrift für bayerische Landes- Rhodos stattgefunden hat. Offenbar blieb der geschichte 18 (1955) S. 256 ff.). Auf Rhodos ver- Zu den Komturen Reinbold zum Trubel Ordensritter aber auch noch danach für längere trat der weit gereiste Ordensritter zeitweilig und Johannes Trulleray Zeit auf Rhodos. Möglicherweise hängt seine den Großmeister seines Ordens und war, wie Abwesenheit auf Rhodos zusammen mit den jetzt feststeht, bis zu seinem Tod 1412 für die in Komtur in Rottweil war 1424 bis 1435 Reinbold schweren Angriffen der Mamelucken auf den Johanniterbesitz befindliche Insel Kos verant- zum Trubel (vgl. Hecht S. 94 ff. und S. 172). Nun Hauptsitz des Johanniterordens in den Jahren
1440 und 1444 (vgl. Großer Bildatlas der Kreuz- sungen des Johanniterordens in Deutschland, ihn so in die Reihe der bedeutenden Persönlich- züge hrsg. von J. Riley-Smith. Freiburg i. Br. 1992 Böhmen, Skandinavien und in Brandenburg zu keiten stellen können, die am Ende des Mittel- S. 136 ff.). Bemerkenswert in seiner Höhe ist auf visitieren (vgl. Sarnowsky, Macht und Herrschaft alters aus seiner schwäbischen Heimatstadt jeden Fall jener Geldbetrag, den der Rottweiler S. 133) . Dies war eine überaus ehrenvolle Auf- Rottweil hervorgegangen sind. Komtur der Leitung seines Ordens zur Verfü- gabe, handelte es sich doch darum, die religiösen gung stellen konnte. und wirtschaftlichen Verhältnisse von wahr- Zu Komtur Konrad von Schwalbach 1446 erscheint unter dem 9. November nach scheinlich mehr als 100 Ordensniederlassungen Reinbold zum Trubel ein Rottweiler Komtur na- in den genannten Gebieten zu überprüfen. An- Unmittelbarer Nachfolger von Georg von Ow mens „Johannes Truller“ (vgl. Sarnowsky, Macht dererseits ist damit die Teilnahme Komtur Kon- war im Rottweiler Ordenshaus Konrad von und Herrschaft S. 158 Anm. 58). Dieser Komtur rad Schappels an einem zweiten Generalkapitel Schwalbach in den Jahren 1501 bis 1505 (vgl. mit dem korrekten Namen Johannes Trulleray nachgewiesen und erklärt, warum er vergleichs- Hecht S. 110 und S. 172). Außer Rottweil waren tritt sonst in Rottweil bisher nicht in Erschei- weise selten in Rottweil genannt wird, denn die von Schwalbach zwei weitere Ordenshäuser an- nung und dürfte für das Rottweiler Ordenshaus von ihm unternommene Visitationsreise bedeu- vertraut. Er bekleidete aber auch in Rhodos das nur kurze Zeit amtiert haben. 1451 ist er Kom- tete zweifellos einen erheblichen Aufwand an Amt des Kastellans und nahm wichtige militäri- tur in Villingen. Es ist anzunehmen, dass Johan- Zeit. sche Aufgaben wie 1504 die Inspektion des nes Truller aus Schaffhausen stammte und der Vor dem Generalkapitel des Johanniterordens Kastells St. Peter von Halikarnassos auf dem dortigen Familie Trulleray zuzuordnen ist, die von 1459 hielt sich Konrad Schappel aber nach- kleinasiatischen Festland vor (vgl. Sarnowsky, verwandtschaftliche Beziehungen nach Rottweil weislich bereits im Juli 1459 in Rhodos auf. Da- Macht und Herrschaft S. 289 und S. 663). Nach zu den Schappel unterhalten hat (vgl. R. Elben, mals musste innerhalb der deutschen Zunge – seiner Rottweiler Zeit war er von 1512 bis 1515 Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil. Stuttgart der Johanniter aus Deutschland – über die Be- Großbailli und damit der ranghöchste deutsche 1964 S. 130 ff.). rechtigung von drei Mitbrüdern zur Übernahme Johanniter im engsten Rat um den Großmeister Im Johanniterorden brachte es Johannes Trulle- wichtiger Ordensämter entschieden werden. des Ordens (vgl. Sarnowsky, Macht und Herr- ray immerhin zum Stellvertreter des Großbailli Mit Konrad Schappel stimmten dabei zwölf schaft S. 658). aus der deutschen Zunge des Ordens. Bei einer deutsche Johanniter für Georg von Ow, der ab Ordensversammlung in Rom sollte er 1446 of- 1467 auch als Komtur von Rottweil bekannt ist Neue Perspektiven fensichtlich seine deutschen Ordensbrüder ver- (vgl. Hecht S. 101 ff.), und nur drei gegen ihn treten (vgl. Sarnowsky, Macht und Herrschaft (vgl. Sarnowsky, Macht und Herrschaft S. 165). Insgesamt ergeben sich mit solchen Angaben S. 124 Anm. 37). Im gleichen Jahr wird er im Zu- Für die damals hervorragende Stellung von Kon- neue Erkenntnisse zur Geschichte der Rottwei- sammenhang mit einem Darlehen erwähnt, wel- rad Schappel im Johanniterorden spricht, dass ler Johanniter. Es wird ferner deutlich, dass ches ihm seine deutschen Ordensbrüder ge- Schappel Stellvertreter des Großbailli war, der Rottweil mit seiner Komturei zumindest von währt hatten (vgl. Sarnowsky, Macht und Herr- dem innersten Machtzirkel um den Großmeister 1421 bis 1522 vielfach Sprungbrett für Ordens- schaft S. 158 Anm. 58). An Weihnachten 1450 angehörte und außerdem „pillerius“ der deut- angehörige in höhere und wichtige Ämter ihres vertrat er den Großbailli der deutschen Johanni- schen Zunge und damit Verantwortlicher für die Ordens gewesen ist. Auffällig ist in diesem Zu- ter in Rhodos (vgl. Sarnowsky, Macht und Herr- Herberge der deutschen Johanniterordensritter sammenhang, dass Nachbarkommenden wie Vil- schaft S. 153 Anm. 34). in Rhodos war. Um diese Zeit (1461) hielten sich lingen oder Überlingen in dieser Zeit kaum ein- 17 deutsche Johanniter im Konvent zu Rhodos mal erwähnt werden. Es lässt sich außerdem zei- Komtur Konrad Schappel in Rhodos auf, bei insgesamt 286 dort befindlichen Or- gen, dass sich das Johanniterhaus Rottweil wirt- densangehörigen. schaftlich so gut entwickelte, dass es im 15. Einer weiterer Nachfolger von Komtur Reinbold In der Liste der Großbaillis erscheint für die Zeit Jahrhundert die weniger gut versorgten Or- zum Trubel war der aus einer Rottweiler Familie zwischen November 1460 und Ende April 1464 densbrüder der italienischen Zunge finanziell der Oberschicht stammende Konrad Schappel, ein Ordensritter namens „Konrad Zaspel“ (vgl. unterstützen konnte (vgl. Sarnowsky, Macht und der auf jeden Fall 1450 bis 1460 an der Spitze Sarnowsky, Macht und Herrschaft S. 657 und Herrschaft S. 160 Anm. 73). der Rottweiler Johanniterkommende stand (vgl. S. 430 Anm. 143). Hier dürfte es sich gleichfalls Schließlich wird man annehmen dürfen, dass Hecht S. 99 ff. und S. 172). Von ihm war bereits um Konrad Schappel handeln, dessen Namen auf durch die persönlichen Verbindungen aus Rott- bekannt, dass er Ende November 1454 in Rho- Grund eines Hör-, Schreib- oder Lesefehlers weil in die Spitze des Johanniterordens deutlich dos am Generalkapitel seines Ordens teilnahm nicht richtig in die Fachliteratur gefunden hat. mehr Informationen über die politischen Ent- und bei dieser Gelegenheit den Anschluss der Ein Konrad Zaspel taucht nämlich in den Quel- wicklungen im östlichen Mittelmeer in die Rottweiler Büchsenschützen an den Johanniter- len sonst nirgends auf, während in der durchaus schwäbische Reichsstadt gelangten als sonst üb- orden durch Großmeister Jacques de Milly überschaubaren Schar der deutschen Ordensrit- lich. Dabei ist daran zu denken, dass die mit der (1454-1461) noch 1454 genehmigen ließ. ter nur Bruder Konrad Schappel einen ähnlichen Rottweiler Kommende verbundenen Ritter sich Jetzt erfahren wir, dass Konrad Schappel bei Namen trug. Wenn dies zutrifft, hat der Rott- allein schon angesichts ihrer Pflicht, von Rhodos einem nächsten Generalkapitel seines Ordens weiler Komtur, von dem 1478 als Todesjahr aus ein Jahr Karawane zu fahren, auf der Or- im Herbst 1459 zusammen mit Bruder Rolando überliefert ist, gegen Ende seines Ordenslebens densflotte im östlichen Meer Dienst zu tun, er- de Rubeis vom venezianischen Priorat der Jo- die höchste Würde erreicht, auf die er bei den heblich länger als nur einige kurze Wochen auf hanniter dazu bestimmt wurde, die Niederlas- Johannitern gelangen konnte. Sicher wird man der Ägäis-Insel aufzuhalten pflegten. Tod eines Mündels von Rudolf Strasser Mündel, das, BGB (für beide Geschlechter) […] mit einem Gedenkstein. Daneben der Plastik- Dimmler, Rottweil, gewesen. Gestorben bin ich (Rechtspr. unter Vormundschaft stehende Per- kasten mit der Namenliste. Greving blättert das übrigens in der Landes-Pflegeanstalt Grafeneck son) [Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 24. Buch durch. All die Namen, denkt er. „Das kann am 10. Oktober 1940 – eines guten Todes; wa- Aufl. 2006] man sich nicht vorstellen“, sagt er. „Jeder ein- che Zeitgenossen und kundige Nachgeborene zelne eine Geschichte. Jeder ein Leben.“ „Muss kennen diesen als Euthanasie. „Da ist jetzt wieder eine Psychiatrische Klinik einer sich das überhaupt vorstellen, frag ich Am 4. Januar 1941 ersucht Frau Rosa Müller- drin“, erklärt Mauser. „Die Häuser sind Woh- mich manchmal“, sagt Mauser, der neben ihm Dimmler als mein Vormund brieflich die Direk- nungen für die Patienten und für die Mitarbei- steht. (Reiner Gross, Grafeneck, Roman, Mün- tion der Heilanstalt Rottenmünster – meine of- ter.“ Greving schaut und nimmt jede Einzelheit chen 2010, S. 216 f.) fensichtliche „Unmündigkeit“ und der „Adres- auf. „Da müssen die Baracken gestanden ha- sat“ des Briefs rechtfertigen einige Vermutun- ben“, sagt er. „Man muss es sich vorstellen kön- Knapp 80 Jahre nach meinem Tod melde ich gen – ihr den derzeitigen Aufenthalt ihres nen“, sagt Greving. „Man braucht Vorstellungs- mich in einem fiktiven Inneren Monolog zu Mündels mitzuteilen; sie wird am 8. Januar von kraft.“ „Vorstellungskraft.“ Mauser nickt. „Sonst Wort, lange genug habe ich geschwiegen. Wer dort abschlägig beschieden, da darüber nur das könnt einer das für ein ganz normales Schloss ich bin? Ich bin einer dieser Namen, eines dieser Württembergische Innenministerium Stuttgart- halten.“ Unter den Bäumen liegt im Schatten ein Leben gewesen. Ich bin als Fräulein Maria Hierle- S, Wilhelm-Murr-Straße 1, Auskunft erteile. Rund aus Beton, in dessen Mitte ein Pavillon mann einst das Mündel von Frau Rosa Müller- Auf das Nachbohren meines Vormundes vom
aus anliegendem Schreiben ersehen, ist Frl. Maria Hierlemann in unserer Anstalt am 10. Ok- tober 1940 verstorben. Von dem Ableben ha- ben wir den Vater der Verstorbenen sofort be- nachrichtigt. Das Schreiben kam jedoch mit dem Vermerk: ’Empfänger verstorben’ […] zurück. Da uns die Anschrift des Bruders der Verstorbenen nicht bekannt ist, dürfen wir Sie bitten, demsel- ben das anliegende Schreiben nebst 2 Sterbe- urkunden zu übersenden. […]“ Schließlich muss ja alles seine bürokratische Ordnung haben! Erstaunt bin ich aber doch, wel- che Gefahr ich zu Lebzeiten und auch danach noch unter seuchenpolizeilicher Perspektive für meine Umgebung dargestellt haben muss, wie aus dem anliegenden Schreiben an meinen Bru- der Heinrich Hierlemann in Niefern bei Pforz- heim vom 11. Oktober 1940 hervorgeht: „Zu unserem Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, 7. Januar 1941, wobei die Vorlegung einer dass Ihre Schwester Maria Hierlemann, die am Steuerkarte für mich für das Jahr 1941 zur Vor- 25. September 1940 auf ministerielle Anord- lage an die Württ. Landeshauptkasse angemahnt nung gemäß Weisung des Reichsverteidigungs- wird, teilt die Heilanstalt Rottenmünster lapidar kommissars in die hiesige Anstalt verlegt wer- mit, „Frl. Maria Hierlemann befindet sich seit 25. den musste, unerwartet am 10. Oktober 1940 Sept. 40 nicht mehr hier. Eine Steuerkarte kön- an Grippe mit nachfolgender Lungenentzün- nen wir für sie nicht mehr beschaffen. Heil Hit- dung verstorben ist. Bei ihrer schweren, unheil- ler!“ (Schließlich bin ich ja auch schon seit dem baren Erkrankung bedeutet ihr Tod eine Erlö- 10. Oktober 1940 tot!) sung für sie. Auf Anweisung der Polizeibehörde Bestätigt finde ich das Datum vom 25. Septem- musste aus seuchenpolizeilichen Erwägungen ber 1940 in der Zeugenaussage von 1947 von heraus die Verstorbene sofort eingeäschert Dr. Josef Wrede, dem damaligen Leiter der Heil- werden. Wir bitten um Mitteilung, an welchen Der Verweis auf die Störche erinnert mich an anstalt Rottenmünster, im Grafeneck-Prozess, Friedhof wir die Übersendung der Urne mit den den ornithologisch geschulten Alexander Gau- der für 1940 drei vom „württ. Innenministe- sterblichen Überresten der Heimgegangenen land von der AfD, der erst noch 2018 als „Vogel- rium“ verfügte „Verlegungen von Rottenmün- durch die Polizeibehörde veranlassen sollen. Zu- schiss“-Historiker das verbrecherische Regime, ster“ bestätigt, wobei bei der letzten vom 25. treffendenfalls ist eine Bescheinigung über den das mir 1940 diesen guten Tod bescherte, so September 1940 es der Heilanstalt gezielt gelin- Erwerb einer Begräbnisstätte hierher zu senden. unsäglich bagatellisiert. ge, „anstelle von 91 nur 46 Kranke auszuliefern. Etwaige Anfragen bitten wir schriftlich an uns zu Immerhin – wird für uns ermordete Patienten Wiederum handelte es sich um ausgesprochen richten, da Besuche hier gegenwärtig aus seu- aus dem Rottenmünster dort im Jahr 2000 auf geistig Sieche, deren Sicherung anders unmög- chenpolizeilichen Gründen verboten sind. […] Veranlassung von Verwaltungsdirektor Hans Jo- lich war“. (Vgl. Staatsarchiv Sigmaringen, Wü Zwei Sterbeurkunden, die Sie für eine evtl. Vor- sef Birner ein Mahnmal errichtet. Immerhin – 29/3 T1 Nr. 1756/01/07). Dazu gehöre offen- legung bei Behörden sorgfältig aufbewahren könnte ich, wenn ich in „Kleindenkmale im sichtlich auch ich! wollen, fügen wir bei.“ Landkreis Rottweil“ (2018 hrsg. von Bernhard Zu Beginn seiner Aussage erfahre ich von Dr. Welche Fürsorge spricht doch aus diesem Rüth und Armin Braun) blättere, mich in den Wrede, dass bereits mehrere Wochen nach dem Schreiben: Fürsorge wegen meiner unheilbaren Rang eines Kleindenkmals erhoben sehen. Im- ersten Abtransport am 2. Februar 1940 von Erkrankung, so dass meine Vergasung eine Erlö- merhin – entziffere ich im Schriftkranz des „Angehörigen einiger abgeführter Kranken sung für mich gewesen sein müsse! Fürsorge um Mahnmals das Wort „Hoffnung“ –eher für euch Nachrichten [zugingen], dass die Kranken plötz- die Heimgegangene, Fürsorge um ihre letzte Ru- Nachgeborene. Ich aber habe in Grafeneck Dan- lich gestorben seien“, wobei ihm nach zehn Fäl- hestätte, die durch eine Bestätigung gesichert tes „Hölle“ erleiden müssen: „Die ihr herein- len „die Begleitumstände eigentümlich erschie- werden soll! Fürsorge um mögliche Besucher kommt: Lasst alle Hoffnung fahren!“ nen – immer wurden Infektionskrankheiten oder wegen der Seuchengefahr! Fürsorge um die äußere Erkrankungen von der uns bis dahin un- sorgfältige Aufbewahrung meiner Sterbeurkun- bekannten Anstalt Grafeneck den Angehörigen den! Welch vielfältige Fürsorge, die mir zu Leb- mitgeteilt, obgleich die Kranken bei uns körper- zeiten nie zuteil wurde! Im Gegenteil! lich ganz gesund waren“. (Vgl. Staatsarchiv Sig- Aus dem Dokumentationszentrum der Gedenk- maringen, ebd.) stätte Grafeneck, in dessen Namensbuch ich mit Auch meine Frau Vormund bleibt hartnäckig meinem Geburtsdatum 1. März 1883 verzeich- und schreibt am nämlichen 8. Januar 1941 an net bin, erfahre ich, dass ich am gleichen Tag, an das Württembergische Innenministerium in dem ich von Rottenmünster nach Grafeneck Stuttgart: „Als Vormund von Frl. Maria Hierle- verbracht werde, ermordet werde. Das offizielle mann bin ich verpflichtet, die Steuerkarte für Todesdatum vom 10. Oktober 1940 wie auch das Jahr 1941 an die Wttbg. Landeshauptkasse die Todesursachen sind also Fälschungen, um Stuttgart N, Königstraße 44 einzusenden. Die nach außen die wahren Todesumstände zu ver- Heilanstalt Rottenmünster teilt mir mit, dass schleiern. (Der Verfasser dankt Herrn Daniel sich Frl. Hierlemann seit September nicht mehr Hildwein von der Gedenkstätte Grafeneck in in Rottenmünster befindet und dass ich durch Gomadingen für die Hinweise vom 10. März Ihre Stelle Auskunft über deren jetzigen Aufent- 2020.) halt bekommen kann. Für eine Aushändigung Hätte ich zu Lebzeiten zum Beispiel eine Ober- der Steuerkarte wäre ich dankbar. Außerdem schule besuchen können, wäre ich ja vorgewarnt bitte ich, mir mitzuteilen, wo sich Frl. Hierle- gewesen! Da trug ein „Biologisches Unterrichts- mann z. Zt. befindet, da der Bruder von Frl. Hier- werk für höhere Schulen“ damals [3. Auflage, lemann von mir darüber Auskunft haben möch- 1942, S. 48 ff.] im Band 3 den bezeichnenden Ti- te.“ tel „Das Leben“, wobei im Kapitel „Die Minder- Bereits am 22. Januar 1941 geht bei meinem wertigkeit und ihre Bekämpfung“ dieses Schau- Vormund ein Brief der Landes-Pflegeanstalt bild zur Schlussfolgerung verleiten soll, dass Grafeneck, Kreis Münsingen, datiert vom 20. Ja- beim „Kampf ums Dasein“ durch „Auslese“ alles nuar, ein mit folgendem Wortlaut: „Sehr geehr- „Schlechte“ ausgemerzt werden müsse. Den te Frau Müller! Durch Ihr Schreiben an das Schülern wird dabei anempfohlen, aus Band 1 Württ. Innenministerium vom 8. Januar 1941 den Abschnitt „Ausmerze bei Störchen“ zur ver- „Euthanasie“-Mahnmal Rottenmünster kamen wir in den Besitz Ihrer Anschrift. Wie sie tiefenden Bestätigung zu wiederholen. Foto: Strasser
Rottweils Edwin-Glükher-Platz von Michael Rauschert Seine Zurruhesetzung am 1. Dezember 1923 tenhoferanlage, des Rosswasens oder anderer war greifbar nahe, im Gemeinderat wurde über Flächen finden. Eine weitere bleibende Erinne- Vorschläge diskutiert, in welcher Art und Weise rung neben dem oben erwähnten Bild ist der er- man Edwin Glükher für 36 Amtsjahre als Rott- wähnte Gedenkstein, der 1960 im Zug der Bau- weiler Stadtschultheiß ehren könne. maßnahmen für ein neues Kreisverwaltungsge- Die obligatorischen Dank- und Glückwunsch- bäude (heute Landratsamt) von dort weg ver- schreiben, Reden im festlich geschmückten Rats- setzt wurde. Vom Technischen Ausschuss wurde saal mit Rückblicken über das Wirken und die im Mai 1959 angeregt, „nach Entwidmung der Tätigkeit des Scheidenden, die Darbringung bisherigen Glükheranlage an der Königstraße eines Ständchens unter Mitwirkung des Män- dem Teil der Stadtgrabenanlage, südlich der nergesangsvereins und der Stadtkapelle sowie Hochmaiengasse gegen die Hochbrücke künftig sonstiger kleinerer und größerer Geschenke und die Bezeichnung Glükheranlage zu geben“. Wei- Ehrengaben waren dabei fester Bestandteil. ter schlug Gemeinderat Bruno Limberger im Aber dies waren nur kurzweilige Dinge. Etwas Oktober 1960 vor, „dem östlich der Hochmai- lang Anhaltendes sollte die Erinnerung an Edwin engasse gelegenen Teil des Gänswasens die Be- Glükher wachhalten: Bereits am 4. Dezember zeichnung Glükheranlage zu geben, nachdem wurde „dem hochverdienten Stadtvorstand ... in der Glükherstein dorthin versetzt worden ist“. dankbarer Anerkennung seiner unermüdlichen Am 11. November 1960 wurde im Gemeinderat und erfolgreichen 36jährigen Amtsführung“ das beschlossen, dem genannten Teil bis zur Treppe Ehrenbürgerrecht verliehen. Er war der sechste in den Stadtgraben die Bezeichnung Glükher- von mittlerweile 14 Ehrenbürgern und der erste Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1927. platz zu geben. (7) Auch dies ist in keinem Ad- der bislang drei Bürgermeister, die Ehrenbürger Foto: Rauschert, Stadtplan im Stadtarchiv ressbuch und Stadtplan seither vermerkt. wurden. (1) Auch sollte ein Geschenk „bestehend in einer der Kreuzung zur Lindenstraße, dort wo sie heu- Benennung von Straßen und Gassen Stiftung zur Anschaffung von 2 Glocken für die te beginnt, in die Hauptstraße (Altstadt) über. Heiligkreuzkirche“ überreicht werden. Die Ab 1925 wird dann die Tuttlinger Straße, mit Bezüglich der Benennung von Straßen und Gas- Mehrheit hielt diesen Gedanken für „sehr dem Forstamt unter der Hausnummer 1 und der sen nach Stadtschultheißen ist Johann Baptist schön“, man sah aber mit Rücksicht auf die fi- Firma Automobile Otto Spindler unter 2 und 8 Marx (Amtszeit 1852-1887) der einzige Stadt- nanziellen Verhältnisse der Stadt davon ab, wo- beginnend, im Adressbuch geführt. vorstand seit Ende der Reichsstadtzeit 1802, hingegen der Vorschlag, „ein Bild des Stadt- Der frühere Reichshof, Kurze Straße 2, heute dem diese Ehre zu Teil wurde. Diesbezüglich schultheißen Glükher in Oel fertigen zu lassen das Gebäude Stadionstraße 4, war ursprünglich gibt es eine hohe Flexibilität für die Stadt Rott- und dasselbe im Ratssaal aufzuhängen“, einstim- das Sondersiechenhaus, auch Leprosenhaus ge- weil, was die Findung von künftigen Straßenna- mige Annahme fand. Dieses Bild und das seines nannt, und ab 1810 als Wirtschaft „Bonne Au- men in neu erschlossenen Wohngebieten be- Amtsvorgängers Johann Baptist Marx wurden berge“ vielen Rottweilern bekannt. Als zu unpa- trifft. Die Marxstraße wird seit 1911 in den Ad- für 1000 Mark von Kunstmaler Otto Schwarz triotisch, da in französischer Sprache, wurde der ressbüchern geführt und verlief nach damaligen gefertigt und fanden den „Beifall des Gemeinde- Name „Deutscher Reichshof“ ab August 1914 Plänen lediglich das kurze Stück von der König- rates“. Heute hängen beide Bilder im Ratssaal im während der Zeit des 1. Weltkrieges geführt. straße bis zur heutigen Körnerstraße, damals Im Alten Rathaus neben dem Ofen, der wegen zu Die Wirtschaft wurde 1922 aufgegeben und das Himmelreich. Für die Khuonstraße in der Nähe hohen Brennholzverbrauches von Hafnermei- Gebäude von den Franziskanern genutzt. (5) des Friedhofs ist nicht Marx’ Amtsvorgänger ster Banholzer ab November 1924 umgebaut Im Verzeichnis der Ende 1935 geänderten Stra- Max Joseph von Khuon (Amtszeit 1820-1833), wurde. (2) ßennamen im Adressbuch von 1936 wird die sondern der Generalwachtmeister Johann Jakob Da es schon eine Glükhergasse gab, benannt Umbenennung der Hauptstraße (Altstadt) in von Khuon (1673-1726), ein Waffengefährte nach dem Volksschullehrer Markus Glükher Tuttlinger Straße und die Tuttlinger Straße bis Prinz Eugens, der Namensgeber. (8) Eine kleine (1773-1840), wurde bereits im November 1923 zur Lindenstraße in Königstraße gelistet. Tafel unter dem Straßennamensschild be- über die Benennung „des freien Platzes an der schreibt die Familie Khuon im 17. und 18. Jahr- Tuttlinger Straße zwischen dem früheren Der Glükherplatz wird verlegt hundert, die führend im Rottweiler Stadtregi- Reichshof und der Firma Spindler-Müller als Ed- ment war. Des Weiteren gibt es am östlichen win-Glükherplatz im Gemeinderat beraten. (3) Auf dem freien Platz an der Tuttlinger Straße Ende der Heerstraße einen Schultheißenweg. Da der damalige Straßenverlauf der Tuttlinger zwischen dem früheren Reichshof und Firma Straße dem heutigen nicht mehr entspricht, Spindler-Müller steht heute das Landratsamt. Anmerkungen: muss ein bisschen ausgeholt werden. Die Straße Aus den Bauprotokollen geht hervor, dass der 1) Wortlaut zur Ehrenbürgerrechtsurkunde, Gemeinderatsprotokoll 23. begann damals an der Hochbrücke, im Adress- gesamte Bereich der im Stadtplan zu sehenden November 1923 § 486, Liste der Ehrenbürger Rottweils im Stadtarchiv, buch von 1909 ist die Duttenhofervilla unter Grünanlage (Auf der) Breite schon ab 1924 als weitere Bürgermeister sind Arnulf Gutknecht (Amtszeit 1946-1965, 11. Tuttlinger Straße 1 geführt. Eine Ausgabe später Edwin-Glükher-Anlage beziehungsweise Glük- Ehrenbürger 1965) und Dr. Ulrich Regelmann (Amtszeit 1965-1985, 13. (1911) – das erste Teilstück wurde unter Beibe- heranlage bezeichnet wurde; auch im Voran- Ehrenbürger 1989). Dazu auch W. Hecht, Rottweiler Bürgermeister und haltung der Hausnummern in Königstraße um- schlag der Haushaltsplanung für 1925 wurde für Bürgermeisterwahlen seit 1802. RHbl 45. Jg (1984) Nr. 6 S. 3 benannt – erscheint die Villa als Königstraße 1. die Pflege der Edwin-Glükher-Anlage der Betrag 2) GemProtokolle 23. November 1923 §§ 486, 487 und 4. Dezember Nun liegt die Vermutung nahe, dass der einige von 513 Mark genannt. Nach dem Zweiten 1923 § 488, Bauabteilungsprotokoll 18. Juli 1924 § 166, GemProtokoll Jahre zurückliegende Besuch König Wilhelm II. Weltkrieg taucht der Begriff Glükherplatz auf. 22. Oktober 1924 § 848, 26. November 1924 § 870 von Württemberg der Umbenennung zu Grun- Erst im Dezember 1953 wurde hier ein Teil der 3) GemProtokolle 23. November 1923 § 486 c) de liegt. Dem Adressbuch 1931, dem ersten, in Anlage von den Franzosen für die öffentliche 4) Bauprotokoll 30. April 1928 § 471 „Die Anbringung von Tafeln unter dem die Straßennamen mit Erklärung und Her- Nutzung frei gegeben. (6) den Straßenbezeichnungen zur Erläuterung der letzteren wird nicht für kunft gelistet werden (4), ist zu entnehmen, dass Wie und wann die Anlage beziehungsweise der zweckmäßig erachtet und soll deshalb unterbleiben, dagegen sollen sol- die „in den Urkunden schon sehr früh genannte Platz nun zu diesen Namen kam und ob das che Erläuterungen künftig in das Rottweiler Adressbuch aufgenommen „offene freie Königstraße“, die zum „Königshof“ durch die Stadt oder die umgangssprachliche werden.“ führt und unter dem Königsfrieden stand“, vor Verwendung, da dort ein Gedenkstein für Edwin 5) Dr. Jattkowski: Das Leprahaus in Rottweil in RHbl. 18. Jg. (1951), Nr. 5, dem Weltkrieg „zur Erinnerung an des erste Glükher stand, geschah, geht aus den Protokol- S. 1 und W. Hecht: Die Rottweiler Wirtschaft „Bonne Auberge“ in RHbl. Deutsche Reich“ (Adressbuch 1936) wieder so len und der Tagespresse nicht hervor. In den 47. Jg. (1986), Nr. 5, S. 1 benannt wurde. Stadtplänen von 1927, 1940 und 1950 gibt es 6) Protokoll Technischer Ausschuss 16. Dezember 1953 § 799 Die Tuttlinger Straße begann nun am jetzigen keine Eintragung für den Edwin-Glükher-Platz 7) Protokolle Technischer Ausschuss 13. November 1958 § 0591, 13. Kreisel am Landratsamt mit der Staatsfinanzver- beziehungsweise die Anlage, ebenso nicht in den Mai 1959 § 38, 18. Oktober 1960 § 120, Gemeinderat 11. November waltung und dem Forstamt (bis zum Abriss 2014 Adressbüchern. Es lassen sich in diesem Zusam- 1960 § 167 Waldorfschule), Hausnummer 39, und ging an menhang aber auch keine Eintragungen der Dut- 8) Adressbücher der Stadt Rottweil im Stadtarchiv
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