RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit

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RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit
Ausgabe 2/2021
                                                                          www.gesundearbeit.at
                                                                  Eine Initiative von ÖGB und AK

                  RUNTER
                MIT DER LAST!
                 Muskel- und Skeletterkrankungen vorbeugen

Homeoffice                 Arbeitsmedizin                                       ÖGK
Neue Regeln bringen         DDr. Karl Hochgatterer: „Stehen vor   Bewegungsangebote für
Verbesserungen                großen Herausforderungen“           Betriebe und Versicherte

Seite 5                                 Seite 12–13                                   Seite 7
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    2/2021
RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit
E D I T O R I A L           /    I N H A L T

                                                                      EDITORIAL | INHALT                                             3

                                                                      AKTUELLES
                                                                      Cartoon4

                                                                      Weißer Hautkrebs erstmals als Berufskrankheit anerkannt        4

                                                                      Homeoffice-Paket geschnürt                                     5

Liebe Leserinnen, liebe Leser!                                        Salzburg: Hohe Arbeitsintensität, starke Arbeitsbelastungen  6

Muskel-Skelett-Erkrankungen – dazu gehören etwa Rücken-               Ein bewegtes Leben                                             7

schmerzen sowie Schmerzen im Bereich von Nacken, Schultern            Gesunde Arbeitsplätze – Entlasten Dich!                       31
und Armen – sind das häufigste arbeitsbedingte Gesundheitspro-
blem in Europa. Laut aktuellem Fehlzeitenreport sind mehr als ein     ARBEITNEHMERiNNENSCHUTZ
Fünftel (21,3 Prozent) aller Krankenstandstage in Österreich darauf   Runter mit der Last!                                            8
zurückzuführen – pro Krankenstand durchschnittlich 15,5 Tage.
                                                                      Arbeitsmedizin vor großen Herausforderungen                    12
   Aber nicht nur langes Sitzen oder schweres Heben und Tragen
schädigen den Muskel-Skelett-Apparat. Auch psychosoziale Fak-         In neuem Glanz: Jetzt sechs Leitmerkmalmethoden verfügbar 14

toren können eine Rolle spielen. Studien belegen, dass sich die       Belastungen des Muskel-Skelett-Apparates in der Pflege         16
Arbeitsumgebung, die Arbeitsaufgaben, die Arbeitsorganisation,
                                                                      Kopfschmerzen ade                                              17
die Arbeitsmittel sowie die sozialen Gegebenheiten im Betrieb
(Arbeitsklima) in Form von Muskel-Skelett-Beschwerden auswir-         Elektromobilität für moderne Baustellen                        18
ken können.                                                           Nickel-Grenzwert: Nicht genügend?                              21
   Die Gestaltung gesundheitssichernder und -fördernder Ar-
                                                                      Gesundheitsversprechen oder Marketingmaßnahme?                 22
beitsbedingungen ist das oberste Ziel des ArbeitnehmerInnen-
schutzes. Dazu braucht es eine menschengerechte Gestaltung            Muskel- und Skeletterkrankungen als Berufskrankheiten
der Arbeitsbedingungen. Also eine umfassende Belastungser-            anerkennen                                                     23
mittlung am Arbeitsplatz, zielgerichtete Unterweisung und Infor-
                                                                      5G und Senderbau unter der Lupe                                33
mation sowie eine „gelebte“ betriebliche Prävention.
   Darüber hinaus braucht es aber auch gesellschaftspolitische        PSYCHISCHE BEL ASTUNGEN
Bemühungen, Erwerbsarbeit generell weniger intensiv und belas-        Rückendeckung für die Psyche                                   19
tend zu gestalten sowie Ausgleichs- und Regenerationsmöglich-
keiten zu fördern – etwa durch Formen der Arbeitszeitverkürzung       AUS DER PR A XIS
(bei vollem Lohnausgleich).                                           Aktive Vorbeugung von Muskel- und
                                                                      Skeletterkrankungen am Bau                                     24
Bernd Wimmer
AK-Arbeitnehmerschützer                                               ARBEITSINSPEKTION UNTERWEGS
                                                                      Muskel-Skelett-Erkrankungen in Betrieben verhindern            29

                                                                      K AMPAGNEN
                                                                      EU-Kampagne: Muskel-Skelett-Erkrankungen verhindern            20

                                                                      Betriebe brauchen starke Stimmen                               32

                                                                      BUCHTIPPS26

                                                                      SERVICE30

                                                                      BROSCHÜREN | IMPRESSUM                                         34

                                                                                                                        2/2021       3
RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit
A K T U E L L E S
CARTOON VON PHILIPP SELLS

             Weißer Hautkrebs erstmals über Generalklausel
             als Berufskrankheit anerkannt
           W       eißer Hautkrebs bzw. die medizinische Diagnose „Plat-
                   tenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratosen“
           ist in Deutschland seit 2015 als Berufskrankheit anerkannt, nicht
                                                                                  Im Sinne der Transparenz sollte weißer Hautkrebs möglichst
                                                                                  rasch in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden. Dies
                                                                                  bedeutet für die Betroffenen in der Regel auch eine schnellere
           aber in Österreich. In Deutschland ist weißer Hautkrebs mittler-       Entscheidung über die Anerkennung.
           weile nach Lärmschwerhörigkeit die zweithäufigste Berufskrank-            Es gibt noch einen zweiten Fall einer Anerkennung über die
           heit. In Österreich kommt er in der Berufskrankheitenliste nicht       Generalklausel. Eine Kellnerin erkrankte an Lungenkrebs. Sie war
           vor. Es gibt nun aber einen ersten anerkannten Fall von weißem         durch ihre Tätigkeit jahrelang Passivrauch ausgesetzt. Auch diese
           Hautkrebs bei einem Dachdecker. Seine Erkrankung wurde über            Erkrankung ist nun als Berufskrankheit anerkannt worden.
           die sogenannte „Generalklausel“ im Sozialministerium auf An-              Im Regierungsprogramm wurde die Modernisierung der Be-
           trag der AUVA als Berufskrankheit anerkannt.                           rufskrankheitenliste angekündigt, allerdings gab es bis jetzt dazu
               Weißer Hautkrebs wird durch UV-Strahlung verursacht und            keine Aktivitäten des Sozialministeriums.
           betrifft vor allem ArbeitnehmerInnen, die im Freien arbeiten, wie
           z. B. BauarbeiterInnen, HandwerkerInnen, KellnerInnen auf Hüt-                                                     Ingrid Reifinger, ÖGB
           ten usw. Diese Gruppe umfasst ca. 400.000 ArbeitnehmerInnen                                                     ingrid.reifinger@oegb.at
           in Österreich. Eine Aufnahme in die österreichische Berufskrank-
           heitenliste ist überfällig. In Analogie zu Deutschland ist in Öster-
           reich von ca. 400 Fällen pro Jahr auszugehen.

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A K T U E L L E S

                          Homeoffice-Paket geschnürt
                          Die Sozialpartner haben 2020 ein Homeoffice-Paket ausverhandelt. Gewerkschaften und
                          AK konnten dabei Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen erreichen.

                          D      as Paket benennt arbeits-, steuer- und
                                 sozialrechtliche Rahmenbedingungen
                          fürs Homeoffice. Wie schon bisher ist die
                          Arbeit im Homeoffice freiwillig. Arbeitneh-
                          merInnen können nicht dazu gezwungen
                          werden, haben aber auch keinen Rechtsan-
                          spruch gegenüber dem/der ArbeitgeberIn.
                          Die Vereinbarung von regelmäßigem Home-
                          office muss schriftlich erfolgen und ist von
                          beiden Seiten aus wichtigen Gründen mit
                          einmonatiger Frist kündbar.
                              In den Gesetzesmaterialien wird klarge-
                          stellt, dass das ArbeitnehmerInnenschutz-
                          gesetz auch im Homeoffice anwendbar ist.
                          Ausgenommen sind die Bestimmungen,
                          die sich auf die Arbeitsstätte beziehen. Ar-
                          beitgeberInnen haben also sehr wohl die
© Adobe Stock / goodluz

                          Pflicht, für Sicherheit und Gesundheits-
                          schutz zu sorgen, insbesondere
                          •• eine Arbeitsplatzevaluierung durchzu-
                             führen,
                          •• für präventivdienstliche Betreuung
                             sowie                                        Die Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes gelten auch im Homeoffice.
                          •• Information und Unterweisung zu
                             sorgen.
                                                                          Mitbestimmung                                  einzelne ArbeitnehmerIn dem zustimmen.
                          Auch das Arbeitszeit- und Arbeitsruhe-          Gibt es einen Betriebsrat, empfiehlt sich      Zur Unfallversicherung wird ausdrücklich
                          gesetz gelten bei der Arbeit zu Hause. So       eine Betriebsvereinbarung. Dazu wird ein       klargestellt, dass der Aufenthaltsort (Ho-
                          ist auf die Einhaltung von Ruhepausen,          eigener Betriebsvereinbarungs-Tatbestand       meoffice) erfasst ist. Zudem gibt es Haf-
                          Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten zu           „Festlegung von Rahmenbedingungen für          tungserleichterungen, sollten Haushalts-
                          achten.                                         Arbeit im Homeoffice“ geschaffen. In so        angehörige oder Tiere einen Schaden, z. B.
                             Die Arbeitsinspektion ist nicht berech-      einer Betriebsvereinbarung können z. B.        am Firmenlaptop, verursachen. Dem Geld-
                          tigt, Wohnungen von ArbeitnehmerInnen           die Bereitstellung von Arbeitsmitteln, das     börsel kommen steuerliche Erleichterungen
                          im Homeoffice zu betreten. Mit deren Zu-        Rückkehrrecht vom Homeoffice und Regeln        zugute: Unter anderem können Arbeitneh-
                          stimmung ist dies aber möglich. Arbeitneh-      zum (pauschalen) Kostenersatz festgelegt       merInnen Ausgaben für Drehstuhl, Schreib-
                          merInnen bleibt es somit unbenommen,            werden. AK und Gewerkschaften haben            tisch und Beleuchtung im Homeoffice in
                          sich an die Arbeitsinspektion zu wenden.        sich mit ihrer Forderung, dass die Betriebs-   gewissem Ausmaß von der Steuer absetzen.
                             Klargestellt wird, dass ArbeitgeberIn-       vereinbarung erzwingbar sein muss, nicht
                          nen die erforderlichen „digitalen Arbeits-      durchgesetzt. Der Abschluss ist freiwillig.                   Petra Streithofer, AK Wien
                          mittel“ zur Verfügung stellen müssen.           Bestimmte Maßnahmen benötigen aber                           petra.streithofer@akwien.at
                          Dazu zählen IT-Hardware, Software, Inter-       die Zustimmung des Betriebsrates, bei-
                          netverbindung, Diensthandy etc. Alterna-        spielsweise wenn ArbeitgeberInnen Kont-        Die Homeoffice-Regeln ab 1.4.2021
                          tiv kann vereinbart werden, dass der/die        rollmaßnahmen, die die Menschenwürde           https://tinyurl.com/horegeln
                          ArbeitnehmerIn dies stellt und die Kosten       berühren (z. B. per IT), einführen wollen.     Homeoffice-Broschüre der AK Wien
                          erstattet bekommt.                              Gibt es keinen Betriebsrat, muss der/die       https://tinyurl.com/hobr2021

                          www.gesundearbeit.at/aktuelles                                                                                               2/2021    5
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Salzburg: Hohe Arbeitsintensität,
starke Arbeitsbelastungen
Die Arbeitsbelastungen sind in Salzburg – wie in Österreich – stark gestiegen, der Arbeitsalltag der
Salzburger Beschäftigten ist geprägt von hoher Arbeitsintensität. Viele sorgen sich, ob sie ihren
derzeitigen Job bis zur Pension durchhalten können. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des
Salzburger Arbeitsklima Index der AK Salzburg.

                                                                                               fen macht. Knapp jede/r Dritte fühlt sich
                                                                                               (sehr) durch Zeitdruck am Arbeitsplatz be-
                                                                                               lastet. Gegenüber 2019 (18,2 Prozent) hat
    70%                                                                                        sich damit die Anzahl fast verdoppelt.
                60,7 59,5                                                                         Weiters stimmen 20 Prozent (2019: 15
    60%                                                                                        Prozent) der Salzburger Beschäftigten der
                             50,9                                                              Aussage zu, dass sie „dauernd unter Ar-
                                                                  Ständiges Multitasking
    50%                                                                                        beitsdruck arbeiten und keine Zeit zu ver-
                                                                  Pausenlos erforderliche
                                                                  Konzentration
                                                                                               schnaufen haben“. Hier zeigt sich 2020 ein
                                                                                               Anstieg von 30 Prozent gegenüber dem
    40%                                                           Häufig wechselnde
                                                                  Anforderungen                Vorjahr. Über 19 Prozent der Salzburger
                                    31,5 30,8                                                  Beschäftigten geben an, eine psychisch

                                                                                                                                             Quelle: Arbeitsklima Index 2020
    30%                                         27,2              Ständiger Arbeitsdruck
                                                                                               aufreibende und belastende Arbeit zu ha-
                                                                  Ständige Unterbrechungen
                                                                                               ben. 2019 waren es noch knapp 14 Prozent
    20%                                                           Häufige Wartezeiten          (Anstieg von 36 Prozent).
                                                                  und Leerläufe

    10%                                                                                        Fokus auf bessere Arbeits-
                                                                                               bedingungen
                                                                                               Geht es nach den Bedürfnissen der Arbeit-
      0%
                                                                                               nehmerInnen, ist klar, welche Maßnah-
                                                                                               men es braucht, um dieser Entwicklung
                                                                                               entgegenzusteuern und bis zur Pension
                                                                                               arbeiten zu können: Neben höheren Ein-
Die Arbeitsbelastungen der Salzburger ArbeitnehmerInnen sind stark gestiegen. Um die Gesund-
heit der Beschäftigten zu erhalten, müssen diese Belastungen reduziert werden.                 kommen sind es kürzere Arbeitszeiten,
                                                                                               eine Verringerung der Stressfaktoren, also
                                                                                               weniger psychische Belastung, und ge-

D     ie aktuellen Daten des Arbeitskli-
      ma Index 2020 verweisen auf eine
hohe Arbeitsintensität der Salzburger Be-
                                                läufe sind für 27 Prozent der Beschäftigten
                                                ein zentrales Thema.
                                                   Die durch die Digitalisierung sich rapide
                                                                                               sundheitsfördernde Maßnahmen, um die
                                                                                               Belastungen zu reduzieren.
                                                                                                  Ersichtlich wird, dass es nachhaltiger
schäftigten. Ca. 60 Prozent der Salzburger      verändernden Anforderungen an Beschäf-         Veränderungen in der Arbeitswelt bedarf,
Beschäftigten arbeiten unter den Bedin-         tigte werden vermehrt belastend wahr-          um die bestehenden Arbeitsbelastungen
gungen hoher Reizintensität, dauerhaften        genommen. Der Trend steigender psychi-         zu reduzieren und die Gesundheit der Be-
Multitaskings und pausenlos erforderli-         scher Belastungen wird fortgesetzt.            schäftigten erhalten zu können. Es braucht
cher Konzentration. Jede/r Zweite berich-                                                      eine gerechte Verteilung von Arbeit und
tet von häufig wechselnden Anforderun-          Arbeitsdruck steigt                            Einkommen sowie eine Entschleunigung
gen. Und knapp jede/r Dritte berichtet von      Bei einem genaueren Blick zeigt sich, dass     des Arbeitsprozesses. Grundvorausset-
dauerndem Arbeitsdruck. Über 30 Prozent         es vor allem der (hohe, gegenüber 2019         zung dafür ist eine deutliche Arbeitszeit-
der Beschäftigten können sich (eher) nicht      abermals gestiegene) Zeit- und Arbeits-        verkürzung, weil sie Arbeits- und Zeitdruck
ihrer Arbeit widmen, weil sie ständig un-       druck ist, der den Salzburger Arbeitneh-       herausnimmt und ermöglicht, die Arbeit
terbrochen werden. Wartezeiten und Leer-        merinnen und Arbeitnehmern zu schaf-           auf mehr Köpfe zu verteilen.

6      2/2021                                                                                          www.gesundearbeit.at/aktuelles
RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit
A K T U E L L E S

                             Ein bewegtes Leben
                             Bewegung und Aktivität haben einen großen Einfluss auf unsere körperliche Konstitution und Gesund-
                             heit. Oft fällt es uns schwer, in Bewegung zu kommen. Dabei gibt es sowohl für Betriebe als auch für
                             jede und jeden Einzelne/n einfache Möglichkeiten, um ein bewegteres Leben zu starten.

                             Unser Körper ist für ein aktives Leben ge-
                             macht. Langes Sitzen, Bewegungsman-
                             gel und eine falsche Haltung können zu
                             Verspannungen und Rückenschmerzen
                             führen. Körperliche Inaktivität begünstigt
                             zudem Übergewicht sowie Herz-Kreis-
                             lauf-Erkrankungen und vermindert den
                             Stressabbau. Um diesen Fehlbeanspru-
                             chungen entgegenzuwirken, bietet die
                             Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK)
                             Bewegungsangebote für Betriebe im Rah-
                             men der Betrieblichen Gesundheitsför-
                             derung und für alle ÖGK-Versicherten im
                             Bundesland Salzburg. Ziele der Angebote
                             sind ein Ausgleich für körperliche und psy-
                             chische Belastung, das Setzen neuer Im-
© Chris Hofer_ÖGK Salzburg

                             pulse für mehr Bewegung im Alltag und
                             die Steigerung der Freude an Bewegung.

                             Was können Sie im Betrieb tun?
                             Betriebe, die gemeinsam mit der Sozial-
                             versicherung und den Sozialpartnern im
                             Rahmen des Österreichischen Netzwerks         Bei der ÖGK Salzburg gibt es zahlreiche Bewegungsangebote für Versicherte und Betriebe.
                             für Betriebliche Gesundheitsförderung
                             (ÖNBGF) ein Gesundheitsförderungspro-         werden. Im Frühjahr 2021 startete wieder          allen Menschen die Möglichkeit, sich in
                             jekt umsetzen, werden als BGF-Betrieb         das von der ÖGK unterstützte Programm             öffentlichen Parks kostenfrei und an der
                             geführt. Ihnen steht die Möglichkeit offen,   „Österreich radelt“. Alle Wege mit dem            frischen Luft zu bewegen. Das Kurspro-
                             spezielle Bewegungsangebote im Betrieb        Rad zählen, egal ob zur Arbeit, zum Ein-          gramm wird von den Sportverbänden
                             von der ÖGK in Anspruch zu nehmen.            kauf oder zum Sportplatz. Zur kostenlosen         ASKÖ, ASVÖ und SPORTUNION gestaltet
                                 Hier gibt es eine breite Auswahl. Bewe-   Teilnahme werden die geradelten Kilome-           und findet in Kooperation mit den Sozial-
                             gungstrainings mit den Schwerpunkten          ter online oder über die „Österreich ra-          versicherungen und Städten/Gemeinden
                             Rückenfit oder Yoga, MultiplikatorInnen-      delt“-App eingetragen.                            statt.
                             schulungen wie „Mitarbeiter*innen bewe-           Für alle, die an einem professionell
                             gen Mitarbeiter*innen“ oder das Erlernen      geleiteten Bewegungskurs teilnehmen               Österreichische Gesundheitskasse
                             von Ausgleichsübungen im Workshop             möchten, bietet die ÖGK in Salzburg kos-          in Salzburg, Abteilung Gesundheit
                             „Gestalten und Bewegen“. Wichtig ist,         tenlose Aktivgruppen unter dem Mot-               Sandra Berger, M.Sc.
                             dass bei den Angeboten nicht nur das indi-    to „Beweg dich – gemeinsam aktiv“ an.             s.berger@oegk.at
                             viduelle Verhalten, sondern auch betrieb-     In den Herz-Kreislauf-Gruppen werden              www.gesundheitskasse.at/bgf
                             liche Rahmenbedingungen und das Mitei-        Kraft und Ausdauer trainiert. In den
                             nander aufgegriffen werden.                   Rückenfit-Gruppen wird mit der Stärkung
                                                                           des Rückens Beschwerden und vorzeitigen
                             Weitere Angebote der ÖGK                      Abnützungserscheinungen vorgebeugt.
                             Auch außerhalb des Betriebs kann jede             In den Sommermonaten bietet die In-
                             und jeder Versicherte eigenständig aktiv      itiative „Bewegt im Park“ österreichweit

                             www.gesundearbeit.at/aktuelles                                                                                                  2/2021   7
RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z

Runter mit der Last!
ArbeitnehmerInnen sind tagtäglich mit vielen Belastungen konfrontiert, die zu Muskel- und Skeletter-
krankungen (MSE) führen können. Es braucht gesetzliche Vorgaben und ein größeres Bewusstsein für
die diesbezüglichen Risiken. Denn viele der Erkrankungen ließen sich durch präventive Maßnahmen
verhindern.

TEXT Beatrix Mittermann, FOTO Markus Zahradnik

B    elastungen des Muskel- und Skelett-
     apparates sind so unterschiedlich
wie die Tätigkeiten, die im Zuge des Ar-
                                             liche Pakete zahlreiche Belastungen. In
                                             der Pflege ergeben sich durch das Heben,
                                             Ziehen und Tragen Überbeanspruchungen
                                                                                             Erkrankungen hervorrufen, wie Dr. Erich
                                                                                             Pospischil, Facharzt für Arbeitsmedizin,
                                                                                             betont. Dazu zählen Erkrankungen des
beitsalltages verschiedenster Berufs-        der Rückenmuskeln und ungleichmäßige            Stützapparates (der Wirbelsäule), aber
gruppen ausgeführt werden. In den ein-       Bandscheibenbelastungen. Bei Berufs-            auch der Gelenke (Schultern, Ellenbogen,
zelnen Branchen gibt es dafür zahlreiche     kraftfahrerInnen kommt es durch die lang        Knie) sowie kleiner Gelenke (Fußwurzel
Beispiele:                                                                                   und Handwurzel). Aber auch chronische
    So stellen Tätigkeiten, die am Boden                                                     Erkrankungen sowie entzündliche Erkran-
verrichtet werden, wie beispielsweise bei                                                    kungen (Rheuma) können auftreten. Zu
FliesenlegerInnen, vor allem eine starke
                                                Je mehr Abwechslung                          unterscheiden ist zudem zwischen akuten
Belastung der Knie dar. In der Produkti-        in den Bewegungen                            Erkrankungen, wie beispielsweise einem
on ruft die Fließbandarbeit aufgrund der        ist, desto besser fühlt                      Bandscheibenvorfall oder Unfällen (zum
repetitiven Tätigkeit und Schnelligkeit                                                      Beispiel Muskeleinrisse oder Knochenbrü-
eine Daueranspannung der Rücken- und            sich der Körper.                             che), und Muskelerkrankungen, die durch
Armmuskeln hervor. Wenn am Bau Arbei-                                                        Überbeanspruchung, Fehlbeanspruchung
ten über Kopf ausgeführt werden müs-                                                         oder Verhärtungen im Muskelbereich her-
sen, wie beispielsweise beim Bedienen        andauernde sitzende Tätigkeit zu Über-          vorgerufen werden.
eines Bohrers über Kopf, bedeutet das        lastungen der Rückenmuskeln, ungleich-
eine Daueranspannung von Muskeln und         mäßiger Bandscheibenbelastung sowie             Unterschiedliche Belastungen
eine statische Überbelastung. Arbeiten in    Blutstauung in den Beinen. Darüber hi-          Bei den Belastungen des Muskel- und
gebückter Haltung über einen längeren        naus stellen je nach Straßenverhältnissen       Skelettapparates wird unterschieden
Zeitraum können zu einer Verbiegung der      Schwingungen und Stöße eine zusätzliche         zwischen Fehlbelastungen und Über-
Wirbelsäule führen. Im Handel kommt es       Belastung für den Muskel- und Skelettap-        belastungen. Neben schwerem Heben
beim Einräumen von Regalen zu einer kör-     parat dar.                                      und Tragen sind auch einseitige Zwangs-
perlichen Belastung durch das ständige          Dies sind nur einige Beispiele, die ver-     haltungen und Dauerbelastungen ohne
Hocken und Strecken, die die Rückenmus-      deutlichen, wie vielfältig die Belastungen      Abwechslung schädlich für den Körper.
kulatur überlastet und zu einer schlechten   im Berufsalltag sein können und wie viele       Grundsätzlich gilt: Je mehr Abwechslung
Durchblutung der Beinmuskeln führt. Bei      Tätigkeiten davon betroffen sind.               in den Bewegungen ist, desto besser fühlt
PaketzustellerInnen, die besonders seit                                                      sich der Körper.
Beginn der Corona-Pandemie vermehrt          Arten von Muskel- und                              Wenn es darum geht, die Belastungen
im Einsatz sind, ergeben sich aufgrund       Skeletterkrankungen                             zu klassifizieren, so kann in körperliche
der Geschwindigkeit, der Fehlbelastun-       Wie diese Beispiele bereits zeigen, kön-        und psychische Faktoren unterteilt wer-
gen sowie durch ungünstige Verhältnisse      nen die Belastungen auf den Muskel-             den (Quelle: AK-Broschüre „Heben und
wie Stockwerke ohne Lift oder unhand-        und Skelettapparat unterschiedliche             Tragen leicht gemacht“):

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RUNTER MIT DER LAST! - Gesunde Arbeit
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                                                                               Belastungen des Muskel- und Skelett-
                                                                               apparates können zu Erkrankungen des
                                                                               Stützapparates (der Wirbelsäule), aber
                                                                               auch der Gelenke (Schultern, Ellenbogen,
                                                                               Knie) sowie kleiner Gelenke (Fußwurzel
                                                                               und Handwurzel) führen.

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Bei Fließbandarbeit kann es zu Fehlbelastungen und Überlastungen des Muskel- und Skelettapparates kommen.

                                                                                                                                           © Adobe Stock / Nejron Photo
Körperliche Belastungen                       Psychische Belastungen                         •• Belastungsarten
•• Zwangshaltungen des Körpers:               Auch psychische Belastungen haben eine         •• Belastungsstärke
   zum Beispiel länger dauerndes Stehen,      Auswirkung auf das Auftreten und die           •• Belastungsanzahl
   Sitzen, Bücken, Knien, Hocken etc.         Ausprägung von Rückenbeschwerden               •• Belastungshäufigkeit
•• Daueranspannung von einzelnen              und können zu Fehlbeanspruchungen des          •• Belastungsdauer
   Muskeln: zum Beispiel Bohrmaschine         Muskel- und Skelettsystems führen:
   über Kopf halten, Tragen einer Last etc.   •• Arbeitsunzufriedenheit                      Auch die Eigenschaften der Person sowie
•• Rasche Bewegungswiederholungen:            •• Monotonie                                   das Belastungsumfeld haben Auswirkun-
   zum Beispiel ständig wiederholte           •• Schlechte Arbeitsbeziehungen und            gen auf das Entstehen von MSE. Beim
   und rasche Bewegungsabläufe wie               Rollenkonflikte                             Belastungsumfeld spielen unter anderem
   Tastaturarbeit, Schraubendrehen,           •• Widersprüchliche Zielsetzungen              Faktoren wie Hitze, Kälte, Lichtverhältnis-
   Fließbandarbeit etc.                       •• Arbeitsstress, Zeitdruck und                se, der Bewegungsraum oder die Boden-
•• Hohe Muskelanstrengung: zum                   Arbeitstempo                                beschaffenheit eine Rolle.
   Beispiel Sand schaufeln, Gehen mit         •• Fehlende Entscheidungsmöglichkeiten
   einer Last etc.                            •• Geringe Anerkennung                         ArbeitnehmerInnenschutz
•• Schwingungen und Vibrationen:              •• Wahrgenommene Gefährlichkeit der            großschreiben
   zum Beispiel Vibrationen, die über            Arbeit                                      Laut aktuellen Angaben der Arbeitsin-
   Kontakt der Hände und Arme mit             •• Emotionale Anstrengung                      spektion sind etwa 20 Prozent aller Kran-
   Maschinen wirken (über einen Bohr-                                                        kenstände auf Muskel- und Skeletterkran-
   hammer oder eine Schleifmaschine)          Wie stark sich diese körperlichen und psy-     kungen (MSE) zurückzuführen. In einer eu-
   oder die über Kontakt der Füße, Beine      chischen Belastungen auf den Muskel-           ropäischen Erhebung der EU-OSHA über
   bzw. des gesamten Körpers mit              und Skelettapparat auswirken, hängt von        die Arbeitsbedingungen aus dem Jahr 2015
   Maschinen und Fahrzeugen wirken            mehreren Faktoren ab (Quelle: AK-Bro-          gaben sogar rund 3 von 5 ArbeitnehmerIn-
   (Traktoren, Gabelstapler, Kompresso-       schüre „Heben und Tragen leicht ge-            nen an, unter Muskel- und Skeletterkran-
   ren, Stanzen etc.)                         macht“):                                       kungen zu leiden, wobei Schmerzen im

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                                                         Rücken und in den oberen Gliedmaßen am          was sich durch Schmerzen im Bereich der        gewartet werden, bis es zu spät ist. Wenn
                                                         häufigsten genannt wurden.                      Handwurzel bemerkbar machte. Zwar              man von akuten Verletzungen absieht,
                                                            Was es vor allem braucht, um die Be-         kann durch eine Operation in diese chro-       sind MSE vor allem Erkrankungen, die
                                                         lastungen des Muskel- und Skelettappa-          nische Erkrankungsform eingegriffen            häufig eine lange Latenzzeit aufweisen.
                                                         rates zu verringern, sind verbindliche ge-      werden, doch was es laut Dr. Pospischil        Das bedeutet, dass die körperlichen Aus-
                                                         setzliche Vorgaben. Ein großer Kritikpunkt      in einem solchen Fall vor allem braucht,       wirkungen oft nicht sofort sichtbar sind,
                                                         der     ArbeitnehmervertreterInnen       ist,   ist eine Intervention am Arbeitsplatz, die     sondern erst über einen längeren Zeit-
                                                         dass es keine Verordnung für das Heben          die ergonomischen Verhältnisse verbes-         raum bzw. ab einem gewissen Alter auf-
                                                         und Tragen gibt. Hier müssten dringend          sert. Durch den Einsatz einer Handauflage      treten.
                                                         Obergrenzen für Einzellasten und Gren-          konnten bereits wesentliche Verbesse-
                                                         zen für maximal zulässige Gesamtlasten          rungen erzielt werden, sodass der chroni-      Fokus Prävention
                                                         pro Tag festgelegt werden. Zwar gibt es         sche Verlauf der Erkrankung unterbrochen       Dies macht den Stellenwert von Präventi-
                                                         im Mutterschutz sowie im Jugendschutz           werden konnte und eine Operation nicht         on deutlich. Denn jede Erkrankung – egal
                                                         gesetzliche Obergrenzen, aber im Arbeit-        mehr nötig war.                                ob Rückenschmerzen oder Verschleißer-
                                                         nehmerInnenschutz existieren lediglich                                                         krankungen bei Arm- und Fußgelenken,
                                                         Empfehlungen, die rechtlich nicht ver-                                                         Knien und Bandscheiben –, die bereits von
                                                         bindlich sind. „Bis dato gibt es keine Ver-                                                    vornherein vermieden wird, erspart in der
                                                                                                            Es sollte niemals
                                                         ordnung zur Lastenhandhabung“, kriti-                                                          Zukunft körperliches Leid der Arbeitneh-
                                                         siert Dr. Pospischil.                              gewartet werden,                            merInnen bzw. im schlimmsten Fall sogar
                                                            Die systematische Ermittlung von Ge-            bis es zu spät ist.                         eine Arbeitsunfähigkeit. Darüber hinaus
                                                         fahren am Arbeitsplatz (Arbeitsplatzeva-                                                       reduzieren heute gesetzte präventive
                                                         luierung) ist ein wichtiger Schritt in Rich-                                                   Maßnahmen auch Krankenstände in der
Quelle: AK-Broschüre „Heben und Tragen leicht gemacht“

                                                         tung gesündere Arbeitsbedingungen und                                                          Zukunft sowie Kosten für ambulante und
                                                         die Eindämmung der Belastungen. Nur             Ein weiterer Fall betraf einen Arbeitneh-      stationäre Behandlungen oder Rehabilita-
                                                         so kann proaktiv gehandelt und sicherge-        mer, der aufgrund der repetitiven Tä-          tions- und Therapiemaßnahmen.
                                                         stellt werden, dass Erkrankungen gar nicht      tigkeit am Fließband an einem Tennisel-            Wichtig sind laut Dr. Pospischil ausrei-
                                                         erst auftreten.                                 lenbogen litt. Dies schränkte ihn in den       chende Erholungspausen zwischen den
                                                                                                         Drehbewegungen der Hände ein, was zu           Tätigkeiten, Ausgleichsübungen, Arbeits-
                                                         Nicht warten, bis es zu spät ist                einem Kraftverlust und zu vermehrten           hilfen, die die Belastungen reduzieren, er-
                                                         Arbeitsmediziner Dr. Erich Pospischil kennt     Krankenständen führte. Die Behandlung          gonomische Anpassungen des Arbeitsbe-
                                                         einige Beispiele aus seinem Berufsalltag,       ist mit vielen Strapazen verbunden, doch       reiches sowie ein stärkeres Bewusstsein
                                                         bei denen er mit den Auswirkungen von           schon minimale Änderungen im Bewe-             für die Gefahren durch regelmäßige Schu-
                                                         Belastungen des Muskel- und Skelettap-          gungsablauf können eine solche Erkran-         lungen, Beratungen und ein entsprechen-
                                                         parates konfrontiert war. So berichtet er       kung verhindern. Dr. Pospischil betont         des Trainingsangebot.
                                                         von einer Arbeitnehmerin, die im Bürobe-        daher die Wichtigkeit von präventiven
                                                         reich tätig ist und aufgrund des abgewin-       Maßnahmen, um solche Erkrankungen              AK-Broschüre
                                                         kelten Handgelenks bei der Bildschirmar-        gar nicht erst entstehen zu lassen. Denn       „Heben und Tragen leicht gemacht“
                                                         beit an einem Carpaltunnelsyndrom litt,         der Grundsatz lautet: Es sollte niemals        https://tinyurl.com/hutlg

                                                         Wenn Belastungen täglich über Wochen, Monate und Jahre auftreten, dann nimmt auch die Wahrscheinlichkeit, davon krank zu werden, stark zu.

                                                         www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz                                                                                      2/2021     11
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Arbeitsmedizin vor großen
Herausforderungen
Der Facharzt für Arbeitsmedizin und hauptberufliche Leiter des Arbeitsmedizinischen Zentrums Perg,
DDr. Karl Hochgatterer, M.Sc., trat mit Anfang 2021 die Präsidentschaft in der etablierten Österreichi-
schen Gesellschaft für Arbeitsmedizin (ÖGA) an. Gleichzeitig ist er seit Oktober 2019 Präsident der
Österreichischen Akademie für Arbeitsmedizin und Prävention (AAMP) – die marktbeherrschende
arbeitsmedizinische Ausbildungsstätte in Österreich. Damit steht erstmals seit vielen Jahren wieder
eine Person beiden Organisationen vor. „Gesunde Arbeit“ fragt nach, wie es mit der Arbeitsmedizin
weitergeht.

INTERVIEW Alexander Heider, AK Wien | FOTOS Markus Zahradnik

                                                                                            Welche wichtigsten Herausforderungen
                                                                                            gehen Sie an?
                                                                                            Am Beginn meiner Funktion als
                                                                                            AAMP-Präsident stand die Formulierung
                                                                                            eines neuen, zeitgemäßen Berufsbildes
                                                                                            ArbeitsmedizinerIn, das den Beruf als at-
                                                                                            traktives Aufgabengebiet darstellt. Dieses
                                                                                            Berufsbild wurde im vergangenen Jahr
                                                                                            publiziert und bildet eine wesentliche
                                                                                            Grundlage für eines der wichtigsten Ziele
                                                                                            überhaupt: die Erhöhung des Images der
                                                                                            Arbeitsmedizin als herausfordernde, in-
                                                                                            terdisziplinäre Tätigkeit. Aufgrund der de-
                                                                                            mografischen Entwicklung brauchen wir
                                                                                            nämlich unbedingt zahlreichen arbeits-
                                                                                            medizinischen Nachwuchs.
                                                                                               Weiters ist vor Kurzem ein Buch mit
                                                                                            dem Titel „Basiswissen Arbeitsmedizin“
                                                                                            erschienen, welches das Standardwerk für
                                                                                            die arbeitsmedizinische Ausbildung in Ös-
                                                                                            terreich werden soll. Qualitätssicherung
                                                                                            bei arbeitsmedizinischen Ausbildungsein-
                                                                                            richtungen ist mir nämlich ebenfalls ein
                                                                                            wichtiges Anliegen. Und schließlich möch-
                                                                                            te ich auch die Basis dafür schaffen, dass
                                                                                            geschultes arbeitsmedizinisches Fachper-
                                                                                            sonal zu einer strukturellen Entlastung der
                                                                                            ArbeitsmedizinerInnen beiträgt.

                                                                                            Wie kann das Image der Arbeitsmedizin
                                                                                            verbessert werden?
                                                                                            Professionelle Öffentlichkeitsarbeit ist er-
                                                                                            forderlich, um die MedizinerInnen für das
„Eine kompetente arbeitsmedizinische Betreuung ist wesentlich für das Funktionieren des     Fach zu gewinnen. Uns schwebt ein ziel-
 betrieblichen Alltags.“                                                                    gruppenorientiertes PR-Konzept vor, das

12      2/2021                                                                            www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z

                                                                „Die präventivmedizinische Beratungs-
                                                                 kompetenz der ArbeitsmedizinerInnen
                                                                 ist während der Corona-Krise noch
                                                                 mehr gefordert als sonst.“
                                                                 DDr. Karl Hochgatterer, M.Sc.

auch langfristig und nachhaltig wirksam       April 2021 unter das Motto „Arbeitsmedi-       de Aufgabenstellungen auch unmittelbar
wird. Und wir brauchen wissenschaftli-        zin in Zeiten der Pandemie“ gestellt und       zu bearbeiten.
che Leuchttürme! Die Schaffung eines          bei dieser Veranstaltung allen KollegInnen
Bewusstseins, dass es ohne Förderung der      fundierte Fachinformationen gegeben.           Was können ArbeitsmedizinerInnen in
universitären Arbeitsmedizin, z. B. durch                                                    den Betrieben zur EU-Kampagne „Gesun-
Einrichtung von Arbeitsmedizin-Instituten                                                    de Arbeitsplätze – Entlasten Dich!“ bei-
an allen Medizin-Universitäten, nicht ge-                                                    tragen?
lingen kann, ein aktuell gehaltenes wissen-      „Ich möchte das                             Erkrankungen des Stütz- und Bewegungs-
schaftliches Fundament zu legen.                                                             apparates sind nach wie vor sehr häufig.
                                                 Image der Arbeits-
                                                                                             ArbeitsmedizinerInnen verfügen über
Die Corona-Krisenzeit fordert uns alle.          medizin als heraus-                         Kenntnisse in Ergonomie, das heißt in der
Wo hilft da die Arbeitsmedizin?                  fordernde, interdis-                        menschengerechten Gestaltung von Ar-
Mit Ausnahme von Gesundheitseinrich-                                                         beit und Arbeitsplätzen. Dieses Wissen
tungen sind ArbeitsmedizinerInnen die
                                                 ziplinäre Tätigkeit                         um die Gesundheitsschäden und deren
einzigen ExpertInnen in den Unterneh-            erhöhen.“                                   Verhütung können ArbeitsmedizinerIn-
men, die dem Management und den Be-                                                          nen zur fundierten Beratung sowohl der
schäftigten als Ansprechpersonen in allen                                                    betroffenen Menschen als auch in die Ar-
Fragen rund um die Corona-Pandemie                                                           beitsgestaltung im Betrieb einbringen. Die
unmittelbar und niederschwellig zur Ver-      Kommt dann nicht der ArbeitnehmerIn-           Beratung berücksichtigt damit verhältnis-
fügung stehen. Die präventivmedizinische      nenschutz mit den mageren Mindestein-          und verhaltenspräventive Aspekte.
Beratungskompetenz der Arbeitsmedizi-         satzzeiten zu kurz?
nerInnen ist hier noch mehr gefordert als     In besonderen Zeiten wie diesen erkennen       Wo soll die Arbeitsmedizin in fünf Jahren
sonst, weil häufig Ängste bestehen und        Unternehmen, dass eine kompetente ar-          stehen?
leider „Fake News“ viel an Unsicherheiten     beitsmedizinische Betreuung wesentlich         Ich würde gerne in fünf Jahren zurückbli-
auslösen. Aufgrund des bestehenden Ver-       für das Funktionieren des betrieblichen        cken und feststellen, dass es uns gelungen
trauensverhältnisses zum Arzt/zur Ärztin      Alltags ist. Die aktuelle Pandemie ist nun     ist, eine ausreichende Zahl an Mediziner-
im Betrieb kommt den Arbeitsmedizine-         einmal das bestimmende Gesundheits-            Innen für den Beruf begeistert und ausge-
rInnen hier eine wichtige Informations-       thema und die Anstrengungen gegen ihre         bildet zu haben. Um diese Entwicklung als
und Kommunikationsrolle zu. Durch die         Ausbreitung stehen verständlicherweise         nachhaltig bezeichnen zu können, möchte
Einbindung in Teststrategien und in die       im Fokus. Ich erlebe in den von mir be-        ich dann auch das Licht von mindestens
Impfkampagne können Arbeitsmedizine-          treuten Betrieben durchwegs, dass Zeitli-      drei Leuchttürmen an den Medizin-Uni-
rInnen eine zentrale Rolle für große Teile    mits im Moment kein großes Thema sind.         versitäten Österreichs leuchten sehen.
der Bevölkerung im Setting Arbeit einneh-     Dort, wo arbeitsmedizinische Expertise
men. Die ÖGA hat naheliegenderweise           benötigt wird, wird sie auch angefragt,        www.aamp.at
das 22. Wiener Forum Arbeitsmedizin im        und wir sind angehalten, akut auftreten-       www.gamed.at

www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz                                                                                   2/2021   13
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z

In neuem Glanz: Jetzt sechs Leit-
merkmalmethoden verfügbar
Durch das Projekt „MEGAPHYS“ wurden die drei bekannten Leitmerkmalmethoden zur Evaluierung
körperlicher Arbeitsbelastungen neu adaptiert und durch drei weitere ergänzt. Damit stehen aktuali-
sierte und treffsichere Methoden im Kampf gegen Muskel-Skelett-Erkrankungen zur Verfügung. Jetzt
heißt es nur noch richtig anpacken bei der Arbeitsplatzevaluierung!

M      uskel-Skelett-Erkrankungen (MSE)
       gehören weiterhin zu den häu-
figsten arbeitsbedingten Erkrankungen
in Europa – Österreich miteingeschlossen.
Trotz technischem Fortschritt in der Ar-
beitsgestaltung werden auch zukünftig
die körperlichen Arbeitsbelastungen, nicht
zuletzt aufgrund des demografischen
Wandels, eine Rolle spielen. Die Präventi-
on von MSE ist mehr gefragt denn je. Auf
Basis neuer wissenschaftlicher Erkennt-
nisse bei deren Bewertung und aufgrund

                                                                                                                                           © Adobe Stock / jannoon028
anstehender Kampagnen rückt das Thema
wieder stärker in den Fokus!

Gesundheitsgefahren
am Arbeitsplatz entdecken
und bewerten
Die Evaluierung – in Deutschland „Gefähr-
dungsbeurteilung“ – von Belastungen am
Arbeitsplatz bildet die Basis für die Prä-     Zeitgemäße Bewertungen von körperlichen Belastungen für einen besseren Schutz der
vention von Gesundheitsschäden. Durch          ArbeitnehmerInnen.
die detaillierte Analyse und Bewertung
von Tätigkeiten können Maßnahmen zur           Von der Arbeitswissenschaft auf               geben. Insgesamt sind nun sechs Metho-
besseren Arbeitsgestaltung und der da-         die Anwenderebene                             den zur Beurteilung von unterschiedlichen
mit einhergehenden körperlichen Entlas-        Nachdem seit 2013 die betriebliche Prä-       körperlichen Belastungsarten vorhanden,
tung der ArbeitnehmerInnen entwickelt          vention von Muskel-Skelett-Erkrankun-         die für Präventivfachkräfte und Exper-
werden. In Deutschland gibt es seit vielen     gen ein Schwerpunkt der Deutschen             tInnen anderer Disziplinen eine wichtige
Jahren eine Tradition bei der wissenschaft-    Gemeinsamen        Arbeitsschutzstrategie     Grundlage schaffen, um Gefahren durch
lichen Bearbeitung dieses Themas.              (GDA) ist, wurde das umfangreiche Pro-        körperliche Belastungen besser zu beurtei-
    Alles begann im Jahr 2001, als die erste   jekt „MEGAPHYS“ (Mehrstufige Gefähr-          len. Allein die Vorstudie zur Erprobung der
„Leitmerkmalmethode“ zur Beurteilung           dungsanalyse physischer Belastungen am        LMM umfasste 40 Unternehmen, mehr
von manuellem Heben, Tragen und Halten         Arbeitsplatz) durch die Bundesanstalt für     als 200 betriebliche AkteurInnen und ca.
von Lasten von der deutschen Bundesan-         Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)       600 Tätigkeitsbewertungen. Durch an-
stalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedi-       und die Deutsche Gesetzliche Unfallver-       schließende Modifizierung und Prüfung
zin (BAuA) herausgegeben wurde. 2002           sicherung (DGUV) gestartet. Im Rahmen         der Gütekriterien stehen nun arbeitswis-
und 2012 folgten zwei weitere Leitmerk-        des Gemeinschaftsprojektes wurden die         senschaftlich gesichert sechs neu- und
malmethoden zum manuellen Ziehen und           drei vorhandenen Leitmerkmalmethoden          weiterentwickelte Leitmerkmalmethoden
Schieben von Lasten und zu manuellen Ar-       weiterentwickelt und drei weitere neue        zur Verfügung, die zur Anwendung in der
beitsprozessen.                                Leitmerkmalmethoden (LMM) herausge-           Praxis empfohlen werden.

14     2/2021                                                                              www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
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                          Die neuen Leitmerkmalmethoden                 baus Druck zu erzeugen. Dabei sollte am
                          im Detail                                     Anfang eine fachgerechte Bewertung der
                                                                                                                             Die Diskussion um eine
                          Die neuen Leitmerkmalmethoden ermög-          realen, körperlichen Belastungen stehen.
                          lichen das Erkennen von Defiziten bei         Die neuen LMM können die unterschied-                verbesserte, ergonomi-
                          der Arbeitsgestaltung. Weiters geben sie      lichen Belastungsarten im Zuge der Ar-               sche Gestaltung von
                          Hinweise auf Maßnahmen, die das Risiko        beitsplatzevaluierung jetzt detaillierter
                          für negative gesundheitliche Auswirkun-       erfassen und bewerten. Präventivfach-                Arbeitsplätzen oder
                          gen verringern können. Sie zählen zu den      kräfte und andere ExpertInnen haben                  Arbeitsabläufen wird im
                          Screening-Methoden, setzen aber eine          damit ein zeitgemäßes Instrument zur
                                                                                                                             Regelfall kaum geführt.
                          gute Kenntnis der zu beurteilenden Arbeits-   Hand, um Fehlbelastungen zu erkennen,
                          plätze voraus. Die neuen Methoden haben       zu vermeiden oder so weit wie möglich zu
                          umfangreiche Prüfungen der Gütekriterien
                          durchlaufen und können jetzt in der Praxis
                          eingesetzt werden. Die sechs LMM unter-
                          teilt in folgende Belastungsarten:
                          •• LMM-HHT: Manuelles Heben, Halten
                             und Tragen von Lasten
                          •• LMM-ZS: Manuelles Ziehen und Schie-
                             ben von Lasten
                          •• LMM-MA: Manuelle Arbeitsprozesse
                          •• LMM-GK: Ganzkörperkräfte
                          •• LMM-KH: Körperzwangshaltung
                          •• LMM-KB: Körperfortbewegung
© Adobe Stock / Pormezz

                          Auf www.baua.de stehen die Formblätter
                          zum kostenlosen Download zur Verfü-
                          gung.

                          Erkenntnisse auf der betrieblichen
                          Ebene noch weit entfernt
                          Wissenschaftliche Grundlagen gibt es
                          seit 2001 aufgrund der LMM – gleichzei-
                          tig ist seit Jahrzehnten das Dauerproblem     In der Beratung und in Gesprächen mit BetriebsrätInnen zeigt sich schnell, dass konkrete Erkran-
                          Muskel-Skelett-Erkrankungen vorhanden!        kungen immer wieder als individuelles Problem der ArbeitnehmerInnen abgetan werden.
                          Wie passt das zusammen bzw. woran
                          hakt es hier? In der Beratung und in Ge-      minimieren. Nun muss es nur noch auf der         Deutschland regelt seit Langem eine Ver-
                          sprächen mit BetriebsrätInnen zeigt sich      betrieblichen Ebene angewandt werden.            ordnung die betrieblichen Pflichten bei
                          schnell, dass konkrete Erkrankungen im-                                                        körperlich belastenden Arbeiten. In Ös-
                          mer wieder als individuelles Problem der      Gesetzliche Verordnung in                        terreich fehlt diese jedoch weiterhin. Ar-
                          ArbeitnehmerInnen abgetan werden. Das         Österreich notwendig                             beiterkammern und Gewerkschaften
                          Abschieben auf die persönliche Ebene          Die neuen Leitmerkmalmethoden werden             fordern diese Verordnung ein – damit die
                          der ArbeitnehmerInnen (und deren Sport-       auf ExpertInnenebene für einen neuen             Prävention in diesem Bereich endlich vor-
                          oder Freizeitverhalten) verlagert das The-    Impuls sorgen, wie auch die kommende             anschreitet.
                          ma raus aus dem Betrieb. Die Diskussion       europäische Kampagne zu MSE. Nationale
                          um eine verbesserte, ergonomische Ge-         Kampagnen von Unfallversicherungsträ-                             Marlene Zemann, AK Wien
                          staltung von Arbeitsplätzen oder Arbeits-     gern und Projekte in Vorzeigebetrieben                           marlene.zemann@akwien.at
                          abläufen wird im Regelfall kaum geführt.      werden für einen gewissen Rückenwind                               Harald Bruckner, AK Wien
                          Es sei denn, ein Betriebsrat oder ein/e en-   sorgen. Erfahrungen und Umfragen zei-                             harald.bruckner@akwien.at
                          gagierte/r ArbeitsmedizinerIn nimmt sich      gen aber, dass es neben Bewusstseinsbil-
                          des Themas an. Im Regelfall wird versucht,    dung auch gesetzliche Mindestvorgaben             BAuA-Infos zur Arbeitsplatzevaluierung
                          mit dem Totschlagargument der Kosten          braucht, damit Prävention großflächig             mit den Leitmerkmalmethoden
                          eines eventuell nötigen Arbeitsplatzum-       auf betrieblicher Ebene gelebt wird. In           https://tinyurl.com/baua221

                          www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz                                                                                         2/2021     15
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z

Belastungen des Muskel-
Skelett-Apparates in der Pflege
Ungünstige Bewegungen und übermäßiges Heben bei der Pflegearbeit sowie fehlende technische Aus-
stattung können zu Belastungen des Muskel-Skelett-Apparates von Pflegekräften führen. Um dies zu
verhindern, braucht es mehr Bewusstsein durch präventive Maßnahmen und regelmäßige Schulungen.

P    flegekräfte leisten tagtäglich essenzi-
     elle Arbeit und sind wichtige Bezugs-
personen für pflegebedürftige Menschen.
                                                 beim Aufstehen und Gehen, beim Heben
                                                 in den Rollstuhl, aber auch die Hilfestel-
                                                 lung bei täglichen Barrieren wie etwa
                                                                                                tont Guglberger. In der mobilen Pflege
                                                                                                sind die Standards jedoch sehr unter-
                                                                                                schiedlich. In privaten Haushalten ist
Im Zuge ihrer Arbeit kommt es jedoch             Treppen. In der mobilen Pflege kommen          nicht immer die modernste bzw. ergono-
immer wieder zu Belastungen ihres Mus-           oft auch noch Tätigkeiten wie Einkaufen        mischste Ausstattung vorhanden. Nicht
kel-Skelett-Apparates – durch Heben und          hinzu und in ländlichen Bereichen das          jede Wohnung in höheren Stockwer-
Tragen, vor allem aber auch durch ungüns-        Schneeschaufeln von Ausfahrten, um             ken ist mit einem Aufzug ausgestattet,
tige Bewegungen, weiß Michaela Guglber-          überhaupt freie Zufahrt zum Arbeitsort in      nicht überall ist ein barrierefreier Zugang
ger, Fachbereichssekretärin der Gewerk-          einem privaten Haushalt zu erlangen. „Das      möglich, nicht jedes Badezimmer ver-
schaft vida für den Fachbereich Soziale          sind Tätigkeiten, die nicht zu den Haupt-      fügt über einen Lifter (Hebehilfe). „Vor
Dienste: „Oft werden falsche Bewegungen          aufgaben von PflegerInnen gehören, die         allem im mobilen Bereich, wo Pflegekräf-
aus Zeitmangel durchgeführt oder weil un-        daher häufig auch nicht gesehen werden,        te in privaten Haushalten arbeiten, ist es
ter Druck keine Zeit bleibt, nachzudenken.“      aber dennoch erledigt werden müssen“,          schwierig, ArbeitnehmerInnenschutzbe-

                                                                                                                                               © Adobe Stock / Tyler Olson
                                                 gibt Guglberger zu bedenken.                   stimmungen einzuhalten“, so Guglberger.
Viele körperliche Belastungen                                                                   „Natürlich gibt es auch moderne Haus-
Ihr zufolge gibt es bei der Pflegearbeit vie-    Unterschiedliche Standards                     halte bzw. Angehörige, die dafür sorgen,
les, das den Muskel-Skelett-Apparat einer        „Vor allem im stationären Umfeld ist in        dass Pflegekräften alles zur Verfügung
Pflegekraft belastet: die Unterstützung          den letzten 20 Jahren viel passiert“, be-      steht, was ihnen den Arbeitsalltag er-
                                                                                                leichtert. Aber es ist wichtig, in den ande-
                                                                                                ren Haushalten auch die heutigen Stan-
                                                                                                dards einzuführen.“

                                                                                                Prävention ist wichtig
                                                                                                Richtiges Heben und Bewegen wird in
                                                                                                zeitkritischen Situationen oft vergessen.
                                                                                                „Deswegen braucht es regelmäßige Schu-
                                                                                                lungen“, fordert Guglberger. Ebenso sind
                                                                                                Angebote zur Rückengymnastik wichtig
                                                                                                und dass regelmäßige Ausgleichsbewe-
                                                                                                gungen durchgeführt werden. „Es muss
                                                                                                noch mehr Bewusstsein geschaffen wer-
                                                                                                den. Mit Prävention muss bereits in jungen
                                                                                                Jahren begonnen werden, um Schäden im
                                                                                                weiteren Berufsleben zu verhindern. Jede
                                                                                                in Prävention investierte Stunde spart
                                                                                                Schmerzen und Krankenstände in der Zu-
                                                                                                kunft – damit ArbeitnehmerInnen länger
                                                                                                in Gesundheit leben können.“

                                                                                                                     Beatrix Mittermann
Hebehilfen (Lifter) entlasten den Muskel-Skelett-Apparat der Pflegekräfte.                            beatrix.mittermann@oegbverlag.at

16     2/2021                                                                                 www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z

                        Kopfschmerzen ade
                        Nach längerem Arbeiten im Homeoffice können Kopfschmerzen vermehrt auftreten.
                        Nur Symptome zu lindern, hilft kaum. Die ergonomische Gestaltung des Arbeitsplatzes
                        und Bewegungspausen beugen dem Schmerz vor.

                        S   eitdem Lea S. im Homeoffice arbei-
                            tet, leidet sie sehr häufig unter Kopf-
                        schmerzen. Obwohl sie sich über die
                        dadurch gewonnene Zeit – Lea S. hatte
                        bisher immer einen langen Arbeitsweg –
                        ursprünglich gefreut hatte, wurde ihr der
                        Arbeitsalltag mittlerweile zur Qual. Lea S.
                        versuchte die Schmerzen zunächst mit der
                        Einnahme von Kopfschmerztabletten zu
                        lindern. Doch Selbstmedikation hat ihre
                        Grenzen, denn die häufige Einnahme von
                        Kopfschmerztabletten kann auch zu einer
                        Chronifizierung der Schmerzen führen.

                        Chronische Kopfschmerzen
                        schränken die Lebensqualität ein
                        Ein großer Teil der österreichischen Bevölke-
© Adobe Stock / sebra

                        rung leidet regelmäßig unter Kopfschmer-
                        zen, weshalb dies als weitverbreitetes
                        Gesundheitsproblem nicht außer Acht zu
                        lassen ist. Oft klagen PatientInnen nicht
                        nur über unerträgliche stechende, pochen-
                        de oder hämmernde Schmerzen, sondern            Zwangshaltungen bei Bildschirmarbeitsplätzen sind oftmals Ursache von Kopfschmerzen.
                        auch über Begleiterscheinungen wie Übel-
                        keit, Schwindel- und Nackenschmerzen,           schirm, separate Tastatur und Maus, hö-         Gestaltung ihres Bildschirmarbeitsplat-
                        Überempfindlichkeit gegen Lärm und Licht,       henverstellbarer Tisch mit ausreichender        zes zu finden. Lea S. wurde von ihrem Ar-
                        allgemeine Konzentrationsschwäche und           Arbeitsfläche, höhenverstellbarer Büro-         beitgeber weder ein Monitor noch eine
                        Sehstörungen. Darüber hinaus können             drehstuhl) zu achten.                           Tastatur zum Einsatz im Homeoffice zur
                        chronische Schmerzen in schlimmeren Fäl-           Neben der Verhältnisprävention (z. B.        Verfügung gestellt. Sie arbeitete täglich
                        len zu Depressionen führen.                     gute Arbeitsplatzergonomie) kann auch           mit einem Laptop, was zu einer perma-
                                                                        das richtige Verhalten Kopfschmerzen vor-       nent vorgebeugten Haltung, Verspannun-
                        Ursachen entdecken – Schmerzen                  beugen. Hilfreich sind regelmäßige Pausen       gen im Nacken und schließlich zu diesen
                        vorbeugen                                       an der frischen Luft und Bewegung nach          unerträglichen Spannungskopfschmerzen
                        Hinter Kopfschmerzen können verschie-           mehrstündigen, sitzenden Tätigkeiten. Die       führte.
                        denste Ursachen stecken. Oft wird Stress        optimale Verteilung der Arbeitszeit bei Bü-
                        als Ursache genannt. Doch chronische            roarbeit besteht aus 50 Prozent Sitzen, 25                     Marlene Zemann, AK Wien
                        Kopfschmerzen, die keinen organischen           Prozent Stehen und 25 Prozent Bewegen.                         marlene.zemann@akwien.at
                        Befund aufweisen, sind oft auch auf Fehl-       Zusätzlich sind kurze Nackenmassagen
                        haltungen im Kopf-Nacken-Bereich und            – welche in 5-minütigen Arbeitspausen            Bildschirmpause mit den
                        Verspannungen in der Muskulatur zurück-         Platz haben – mit einem Faszien-Massa-           12 Bildschirm-Tibetern
                        zuführen. Gerade bei ArbeitnehmerInnen,         ge-Ball hilfreich, um so die Verspannungen       https://tinyurl.com/bstibeter
                        die einer Bildschirmarbeit nachgehen, ist       zu lockern.
                        auf die richtige Ergonomie des Arbeits-            Auch bei Lea S. war schlussendlich der
                        platzes (z. B. großer reflexionsarmer Bild-     Auslöser für ihre Kopfschmerzen in der

                        www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz                                                                                         2/2021   17
A R B E I T N E H M E R i N N E N S C H U T Z

Elektromobilität für
moderne Baustellen
Der massive Abgasausstoß durch Baumaschinen und die damit einhergehende Schadstoff- und
Lärmexposition werden auf Baustellen oftmals unhinterfragt von ArbeitnehmerInnen hingenommen.
Dabei liegen enorme Verbesserungsmöglichkeiten durch die Elektromobilität auf der Hand.

                                                                                             mittel. Auch im Bereich des Bauwesens
                                                                                             kommen nun laufend neue Produkte auf
                                                                                             den Markt. Das serienreife Angebot reicht
                                                                                             mittlerweile von Rüttelplatten bis zum
                                                                                             Kleinbagger. Eigentlich handelt es sich ge-
                                                                                             nau um jene Arbeitsmittel und Einsatzbe-
                                                                                             reiche, wo BauarbeiterInnen aufgrund der
                                                                                             räumlichen Begrenztheit besonders ex-
                                                                                             poniert sind. Die Herstellerfirmen bieten
                                                                                             diese Baumaschinen auch als Leihgeräte
                                                                                             auf ihren Plattformen an. Das gibt allen
                                                                                             Baufirmen bereits jetzt die Möglichkeit,
                                                                                             diese Geräte in kritischen Bereichen auch

                                                                                                                                           © Adobe Stock / Hoda Bogdan
                                                                                             einzusetzen oder einfach einmal zu testen.

                                                                                             Schadstoffreduktion mittelfristig
                                                                                             unvermeidbar
                                                                                             Niedrigere Grenzwerte bei gesundheits-
                                                                                             gefährdenden Arbeitsstoffen werden in
                                                                                             absehbarer Zukunft dazu führen, dass
                                                                                             neue Arbeitstechniken und -verfahren
E-Baumaschinen: keine Abgase, weniger Lärm am Bau.                                           oder emissionsreduzierte Arbeitsmittel
                                                                                             erforderlich werden. Um auf diese Situa-

E   missionen am Arbeitsplatz werden
    oftmals unterschätzt. Während man
bei der Baustellenabwicklung immer mehr
                                              Gefahr, langfristig eine arbeitsbedingte
                                              Krebserkrankung zu entwickeln, einfach
                                              verdrängt. Dabei wären viele der einge-
                                                                                             tion gut vorbereitet zu sein, sollte daher
                                                                                             bereits jetzt am Ziel der emissionslosen
                                                                                             Baustelle gearbeitet werden. Neben dem
auf Digitalisierung setzt, ist beim Einsatz   setzten Maschinen mittlerweile auch als        ArbeitnehmerInnenschutz ist im städte-
und der Auswahl der Arbeitsmittel die         emissionsfreie Elektrovariante erhältlich.     baulichen Kontext auch die Beeinträch-
technologische Entwicklung weit weniger                                                      tigung der BaustellenanrainerInnen eine
sichtbar. Jahrzehntealte Geräte kommen        Elektromobilität am Bau bietet                 wichtige Kenngröße, welche immer öfter
zum Einsatz, solange diese funktionieren.     Chancen                                        für Konflikte sorgt. Dieses Problem könn-
Gerade dort, wo in geschlossenen Räu-         Die    ArbeitnehmerInnenschutzvorteile,        te auf elektrisch betriebenen Baustellen
men oder an ähnlichen Arbeitsplätzen          welche sich durch die Elektro- und Ak-         massiv minimiert werden. Nicht zuletzt
(Baugruben, Künetten, Innenausbau usw.)       kutechnologie am Arbeitsplatz ergeben,         sind auch der Klimaschutz und die daraus
mit Verbrennungsmotorenantrieben ge-          liegen auf der Hand: keine gesundheits-        notwendige Reduktion von Abgasen ein
arbeitet wird, ist die Situation besonders    schädigende Schadstoffexposition von Ar-       großes und öffentlich relevantes Thema.
bedenklich. ArbeitnehmerInnen befin-          beitnehmerInnen und dazu noch weniger          Auch hier wird vermehrt das Baugesche-
den sich an diesen Arbeitsplätzen über        Lärm und Gestank – auch für die Baustel-       hen ins Blickfeld rücken.
lange Zeit direkt in der Abgaswolke der       lenanrainerInnen. Im Privatbereich gibt es
Arbeitsmittel. Solange es nicht zu akuten     mittlerweile bereits eine starke Verbrei-                      Harald Bruckner, AK Wien
Gesundheitsproblemen kommt, wird die          tung und Akzeptanz elektrischer Arbeits-                      harald.bruckner@akwien.at

18    2/2021                                                                               www.gesundearbeit.at/arbeitnehmerschutz
P S Y C H I S C H E           B E L A S T U N G E N

                                 Rückendeckung für die Psyche
                                 Für die Psyche ungünstig gestaltete Arbeitsbedingungen stellen ein Risiko für
                                 Muskel-Skelett-Erkrankungen dar. Bei deren Prävention gilt es daher auch psychosoziale
                                 Aspekte zu berücksichtigen.

                                 M       uskel-Skelett-Erkrankungen gehö-
                                         ren zu den häufigsten arbeitsbe-
                                 dingten Erkrankungen in Österreich – laut
                                 aktuellem Fehlzeitenreport verursachen
                                 sie 21,3 Prozent aller Krankenstandstage
                                 und 13,4 Prozent aller Krankenstandsfäl-
                                 le. Rückenbeschwerden sind dabei das
                                 Schmerzthema Nummer eins: Rund ein
                                 Viertel der Bevölkerung berichtet von
                                 chronischen Kreuzschmerzen oder ande-
                                 ren chronischen Rückenleiden (Statistik
                                 Austria, 2020). Wenig bekannt ist jedoch:
                                 Auch die psychische Belastung in der Ar-
                                 beit kann bei der Entstehung von Mus-
                                 kel-Skelett-Erkrankungen eine gewichtige
                                 Rolle spielen – die psychische Last, die
© Adobe Stock / Antonioguillem

                                 jobbedingt geschultert werden muss, ist
                                 buchstäblich zu schwer geworden.

                                 Ungünstige Arbeitsbedingungen
                                 fördern Muskel-Skelett-
                                 Erkrankungen
                                 Heute orientiert sich die moderne Wis-
                                 senschaft meist am sogenannten biopsy-       Für die Psyche ungünstige Arbeitsbedingungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von
                                 chosozialen Krankheitsmodell: Die Ursa-      Muskel-Skelett-Erkrankungen.
                                 che einer Erkrankung wird hierbei nicht
                                 mehr allein körperlich bedingt gesehen       durch KollegInnen und Vorgesetzte, sozia-      Schwäche, muskuläre Verhärtungen, man-
                                 – körperliche, psychische und auch sozi-     le Konflikte am Arbeitsplatz und die hie-      gelhafte Durchblutung oder eine einge-
                                 ale Faktoren sind vielmehr miteinander       raus entstehende Unzufriedenheit. Eine         schränkte Stoffwechselversorgung.
                                 verbunden und beeinflussen sich gegen-       besondere Gefahr stellt eine Kombination
                                 seitig. Dennoch: Psychosoziale Risikofak-    von psychischen und körperlichen Risiko-       Psychosoziale Risiken nicht auf
                                 toren werden bei der Prävention von Mus-     faktoren dar.                                  leichte Schulter nehmen
                                 kel-Skelett-Erkrankungen am Arbeitsplatz                                                    Für ArbeitgeberInnen gilt es bei der
                                 oft zu wenig mitbedacht.                     Stress als eine Ursache                        Prävention von arbeitsbedingten Mus-
                                     Dabei zeigen verschiedene Studien: Für   Wie aber hängen nun arbeitsbedingte psy-       kel-Skelett-Erkrankungen auch psycho-
                                 die Psyche ungünstige Arbeitsbedingun-       chische Belastung und Muskel-Skelett-Er-       soziale Arbeitsplatzrisiken nicht auf die
                                 gen erhöhen die Wahrscheinlichkeit von       krankungen zusammen? Bekannt ist: Für          leichte Schulter zu nehmen und diese zu
                                 Muskel-Skelett-Erkrankungen beträcht-        die Psyche schlecht gestaltete Arbeit (wie     berücksichtigen. Klar muss sein: Neben
                                 lich. Risikofaktoren für Rückenschmerzen     etwa hoher Arbeitsdruck, wenig Feed-           dem Schutz vor körperlichem Verschleiß
                                 sind beispielsweise ein hohes Arbeitstem-    back) verursacht Stress. Stress wiederum       braucht es stets auch Rückendeckung für
                                 po, monotone Arbeitsaufgaben, mangeln-       führt zu einer, oft unbemerkten, Anspan-       die Psyche der ArbeitnehmerInnen.
                                 de Rückmeldung, eine geringe Kontrolle       nung der Muskulatur – Beschwerden und
                                 über die eigenen Arbeitsbedingungen,         Schmerzen können längerfristig die Folge                        Johanna Klösch, AK Wien
                                 Gratifikationskrisen, wenig Unterstützung    sein. Beispiele sind etwa Müdigkeit und                       johanna.kloesch@akwien.at

                                 www.gesundearbeit.at/psychischebelastungen                                                                                2/2021   19
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