Saison 2019 / 2020 BASF-Kulturprogramm - Sinfoniekonzerte - BASF.com
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Saison 2019 / 2020 BASF-Kulturprogramm Sinfoniekonzerte Tzimon Barto, Klavier Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz Michael Francis, Dirigent Mittwoch/Donnerstag, 22. /23. Januar 2020, 20.00 BASF-Feierabendhaus
Programm Birke J. Bertelsmeier (*1981) „Gebissen“ (Uraufführung) Sergej Prokofjew (1891 – 1953) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26 Andante. Allegro Tema con Variazioni. Andantino Finale. Allegro ma non troppo 1. Teil: ca. 50 min Pause Peter Tschaikowski (1840 – 1893) Sinfonie Nr. 2 c-Moll op. 17 „Kleinrussische“ Andante sostenuto. Allegro vivo Andantino marziale quasi Allegro moderato Scherzo. Allegro molto vivace Moderato assai. Allegro vivo 2. Teil: ca. 35 min 3
Tzimon Barto Michael Francis Die Verbindung zwischen Poesie und Musik ist für Der Brite Michael Francis ist seit der Saison 2019/20 Tzimon Barto als Pianist sowie auch in seinen schrift- Chefdirigent der Deutschen Staatsphilharmonie stellerischen Aktivitäten von höchster Bedeutung. Dies Rheinland-Pfalz. Zudem ist Francis parallel in fünfter drückt sich auch in seinen musikalischen Interpreta- Spielzeit Music Director des Florida Orchestra und tionen aus. Seine Sichtweise ist persönlich und unkon- verantwortet seit 2015 als musikalischer und künstle- ventionell, überzeugt durch Konsequenz, exquisiten rischer Leiter das Mainly Mozart Festival in San Diego. Klangsinn sowie faszinierende Kontraste und Differen- Wiedereinladungen führten Michael Francis zum zierungen. Eine farbige und breit gefächerte Ausdrucks- Cleveland Orchestra und nach Tampere. Es folgen palette von leichten melodischen Linien bis zu aus- zahlreiche Konzerte, unter anderen mit dem MDR- drucksstarken Akkordketten charakterisiert sein Spiel. Sinfonieorchester, der Nordwestdeutschen Philhar- Mitte der 1980er Jahre feierte Barto seinen Durch- monie, der Württembergischen Philharmonie Reut- bruch, als er auf Einladung Herbert von Karajans im lingen sowie mit den Sinfonieorchestern in St. Louis, Wiener Musikverein sowie bei den Salzburger Fest- San Diego und Indianapolis. spielen auftrat. Seither ist Barto mit beinahe allen Frühere Engagements führten Michael Francis in führenden Orchestern aufgetreten und gastiert regel- Europa zu renommierten Orchestern wie dem Rund- mäßig bei den renommiertesten Festivals. 2016/17 funk-Sinfonieorchester Berlin, MDR-Sinfonieorchester, residierte er beim SWR-Sinfonieorchester, mit dem er Dresdner Philharmonie, BBC Philharmonic, Royal auf einer Spanientournee Ravels Klavierkonzert Philharmonic Orchestra, Philharmonia Orchestra spielte. Im Rahmen des Présences Festivals 2019 in London, Orchestre Philharmonique de Radio France, Paris trat Barto mit dem Orchestre National de France Trondheim Symphony Orchestra und Helsinki Phil- und Wolfgang Rihms zweitem Klavierkonzert auf, das harmonic Orchestra. Auch das London Symphony Tzimon Barto gewidmet ist und 2014 bei den Salz- Orchestra leitete der gelernte Kontrabassist mehrfach. burger Festspielen gemeinsam mit dem Gustav Mahler Jugendorchester unter Christoph Eschenbach urauf- Gefördert hat ihn neben Valery Gergiev auch Sir Colin geführt wurde. Davis. In Asien dirigierte Francis das NHK Symphony Orchestra, Japan Philharmonic Orchestra, Seoul Phil- Tzimon Barto wuchs in Florida auf, wo er mit fünf harmonic Orchestra und Hong Kong Philharmonic. Jahren ersten Klavierunterricht von seiner Großmutter In Nordamerika die New York Philharmonic, das erhielt. An der Juilliard School in New York studierte er Cleveland Orchestra sowie die Sinfonieorchester in bei Adele Marcus. Bereits in dieser Zeit gewann er zwei Pittsburgh, Houston, Atlanta oder Cincinnati. Mal hintereinander den Gina Bachauer-Wettbewerb. Michael Francis arbeitete mit Solisten wie Lang Zur Förderung zeitgenössischer Musik rief Barto Lang, Arcadi Volodos, Emanuel Ax, Itzhak Perlman, 2006 einen Kompositionswettbewerb für Klavier solo Christian Tetzlaff, Anne-Sophie Mutter, Håkan Harden- – den „Barto Prize“ – ins Leben. Dessen Gewinner- berger, Truls Mørk, Ian Bostridge, Sting und Rufus werke präsentiert er regelmäßig in seinen Rezitalen. Wainwright zusammen. Tzimon Barto spricht fünf Sprachen fließend, liest Alt- griechisch, Latein sowie Hebräisch und lernt Mandarin. 4 5
Birke J. Bertelsmeier Doch was hat man sich unter „Gebissen“ vorzu- stellen? „Es gibt eine Tradition in Süditalien (Apulien), Birke J. Bertelsmeier – das J. steht für Jasmin – wo die Leute (hauptsächlich Frauen) versuchen, das gehört zu jenen Komponistinnen, deren Klangphan- Gift einer Spinne durch Bewegung bzw. Musik loszu- tasien nicht nur große Herausforderungen für andere werden“, erläutert Birke J. Bertelsmeier und verweist Interpreten darstellen, sie legt als Pianistin auch regel- auf Anregungen durch das italienische Buch „La terra mäßig selbst Hand an. „Ich habe immer sehr extreme, del rimorso“ von Ernesto de Martino. In diesem werden oft sehr schnelle Tempi, aber ich weiß, dass sie mach- die komplexen psychologischen Hintergründe dar- bar sind“, erzählte sie in einem Interview. Bei einer gestellt. „Ich habe überlegt das Stück ‚rimorso‘ zu CD-Einspielung ihrer „Amoretten für vier Pianisten“ nennen, aber rimorso heißt nicht nur ‚wieder gebissen‘, übernahm sie den schwierigsten Teil höchstpersönlich sondern auch ‚Reue‘. Und Reue, fand ich, passt nicht und hat ihn „in meinem Originaltempo geübt, damit zu meinem Werk“, so Bertelsmeier, denn „es ist eine die anderen nichts zu meckern hatten“. einerseits heidnische, aber auch religiöse Zeremonie Geboren in Hilden, Nordrhein-Westfalen, beschäf- (nah zum Exorzismus) und ist bekannt unter dem tigte sich Birke J. Bertelsmeier schon in früher Kindheit Namen Taranta (nicht Tarantella).“ mit Musik. Sie erhielt Klavierunterricht an der Robert „Gebissen“ zeichnet sich aus durch große dyna- Schumann-Hochschule und besuchte parallel dazu mische Kontraste, vielfach geteilte Streicher, lebhafte seit ihrem neunten Lebensjahr eine Kompositions- Bläserpassagen und ein farbenreiches Schlagwerk, klasse an der Clara Schumann-Musikschule in Düssel- das unter anderem mit Tamtam, Glockenspiel, Tam- dorf. Nach dem Abitur studierte sie Klavier bei Pavel burin, Pauke und Bongo besetzt ist. In ihrem neuen Gililov an der Musikhochschule Köln und Komposition Opus bleibt Birke J. Bertelsmeier ihren Prinzipien bei Wolfgang Rihm an der Musikhochschule Karlsruhe. treu. „In der Musik brauche ich eine Einfachheit, eine Ihr Werk umfasst neben Sinfonik, Kammermusik und Schlichtheit, eine Basis, mit der ich dann spielen Klavierwerken auch Oratorien oder Filmmusik. kann, die sozusagen stolpern kann“, sagt sie in einem BASF Kunst & Kultur widmet Birke J. Bertelsmeier Porträtfilm. „Aber um dieses Grobe zu verstehen, in der Saison 2019/20 ein umfangreiches Porträt, das brauche ich eine schlichte, einfache Motivik, die in der auch ein Auftragswerk für Orchester beinhaltet. Das Erinnerung haften bleibt, sodass der Zuhörer dieses neue Stück charakterisieren mitunter abrupte Tempo- Ungewisse, dieses vielleicht sogar Schmutzige wahr- wechsel und ein Titel, der nicht minder aufhorchen nehmen kann.“ Doch es sei nicht zu viel verraten, lässt. Durchaus typisch für die junge Komponistin, denn: „Umso weniger Informationen, umso freier schließlich tragen etliche ihrer Instrumentalstücke kann der Hörer dem Stück begegnen“, meint die ungewöhnliche Bezeichnungen wie „Zimzum für Komponistin. Orchester“ (2015), „ ... reichen Hall für Orchester“ (Festival Alpenklassik, Bad Reichenhall 2010) oder „Im Nu für Orchester“ (2009). 6 7
Sergej Prokofjew Oper „Der Spieler“ op. 24, die „Symphonie classique“ op. 25 und ein Liederzyklus auf Texte von Anna Als Sergej Prokofjew von einer New Yorker Zeitung Achmatowa op. 27. einmal gebeten wurde, zu definieren, was ein klassi- scher Komponist sei, wollte er sich nach eigenem Die ersten Aufführungen des neuen Klavierkonzerts Bekunden „einen kleinen Scherz erlauben“. „Ein klassi- in den USA waren für den Komponisten enttäuschend. scher Komponist ist ein Verrückter, der Musik kompo- „In Chicago reagierte man weniger mit Verständnis niert, die seiner eigenen Generation unverständlich ist“, als mit Wohlwollen (der Komponist, dessen Oper ‚Die sagte er. „Wenn man nur nach den Regeln schreibt, Liebe zu den drei Orangen‘ wir uraufgeführt haben), die sich aus den Werken der Klassiker ableiten lassen, in New York weder mit Verständnis, noch mit Wohl- so bleibt man stets ein Schüler und wird nie ein wollen“, resümierte Prokofjew verbittert. Erst bei Meister. Ein Komponist, der von seinen Zeitgenossen Gastspielen in Europa fühlte er sich verstanden, denn ohne weiteres verstanden wird, hat keine Aussicht, in Paris und London „wurde es gut aufgenommen“. seine Generation zu überleben.“ Am 28. Juni 1932 begab sich Prokofjew sogar in das Londoner Abbey Road Studio, um zusammen mit Ein Teil von Prokofjews Popularität ergab sich indes dem London Symphony Orchestra unter der Leitung dadurch, dass er den unterschiedlichsten Gruppen von Piero Coppola das C-Dur-Klavierkonzert einzu- Attraktives bot: Als junger Mann trat er in der Zaren- spielen – es blieb die einzige Aufnahme seiner Solo- zeit noch als Enfant terrible mit dissonanzreichen konzerte mit ihm als Interpreten. Solokonzerten und brachialen Orchesterstücken in Erscheinung; später gewann er nach seiner Emigra- Gerade bei diesem Konzert hatte Prokofjew das tion und schließlichen Rückkehr nach Russland neue Gefühl, dass die bis dahin unterschätzten lyrischen Anhänger mit dem Kinderstück „Peter und der Wolf“, Qualitäten seiner Werke angemessen gewürdigt dem Ballett „Romeo und Julia“ und dem dritten werden. Das vor musikalischen Ideen übersprudelnde Klavierkonzert. Die russische Redensart „Als Tiger Werk besticht durch seine entspannte Melodie- starten und als Bettvorleger enden“ kann insofern führung, eine farbenreich schillernde Instrumentation auf Prokofjew angewendet werden, als aus dem eins- und – wie der einflussreiche sowjetische Musik- tigen Gipfelstürmer ein staatskonformer Komponist gelehrte Boris Assafjew betonte – der Idee, „C-Dur wurde, der mit seinem Stil der „neuen Einfachheit“ zu zu bekräftigen und zu verherrlichen, nicht als eine gefallen suchte. Das dritte von fünf Klavierkonzerten Tonart unter vielen, sondern als ganz spezifischen nimmt dabei eine zentrale Stellung ein. Modus, als ganz eigene Sphäre, die völlig sich selber genügt“. Das Werk wurde auch zum Türöffner bei Die ersten Ideen entstanden schon 1913, doch Prokofjews umjubelter Gastspielreise in die Sowjet- wegen der Arbeit an komplexen Opernprojekten und union 1927, die ihn letztendlich dazu verleitete, in der Emigration in den Wirren nach der Revolution seine alte Heimat zurückzukehren – eine Fehlent- 1917, verzögerte sich die Vollendung bis 1921. scheidung für ihn und seine Familie, was er jedoch zu Bezeichnend für die Umbruchphase in Prokofjews spät durchschaute. Schaffen ist das Umfeld seines Opus 26. Neben dem Klavierkonzert beschäftigten ihn zu jener Zeit auch die 8 9
Peter Tschaikowski verwandt und gleich stark sind“, schrieb einst Nikolai Gogol. „Es ist unmöglich, der einen auf Kosten der Nikolai Dmitrijewitsch Kaschkin – Musikkritiker, anderen den Vorzug zu geben.“ Der Komponist, früher Tschaikowski-Apologet und dessen Kollege im so überlieferte Kaschkin an anderer Stelle, gehörte Lehrkörper des Moskauer Konservatoriums – erwies als „durch und durch russischer Mensch“ durch seinem Freund einen Bärendienst, als er in seinen „Erziehung und Bildung zur pan-europäischen Reminiszenzen an den Komponisten nach dessen Gemeinschaft“, wobei ihm „der Geist des engen Natio- Tod der zweiten Sinfonie den Beinamen „Die Klein- nalismus gänzlich fremd“ war. Tschaikowski jeden- russische“ verpasste. Das Werk entstand 1872, lange falls zeigte sich überrascht, dass die Anhänger der bevor die Ideologen der „kleinrussischen Identität“ nationalrussischen Kreise in Sankt Petersburg ihn bzw. der „ukrainischen Idee“ Zwietracht streuten und vor Begeisterung über die Sinfonie „fast in Stücke die Bolschewiken im Zuge ihrer Vielvölkerpolitik die zerfetzten“, wie er einem Freund schrieb. Mit Aus- Bezeichnung „Ukraine“ bevorzugten, die ursprünglich nahme von Nikolai Rimski-Korsakow gestand er ‚Grenzland‘ bzw. ‚Mark‘ bedeutete. Tschaikowskis ihnen nur die „schrecklichste Selbstüberhebung“ Schwester Aleksandra lebte dort in der Provinzstadt sowie eine „echt dilettantische Überzeugung“ zu. Kamjanka und bei einem Besuch skizzierte Tschai- kowski sein Opus 17 – deshalb der Beiname. Die 1873 in Moskau uraufgeführte Sinfonie prägt auch eine völlig andere Satzdisposition und Drama- Die Instrumentierung arbeitete er erst nach seiner turgie als die Sinfonien von Mili Balakirew oder Rückkehr in Moskau aus und mit der endgülti- Alexander Borodin. Das c-Moll als Grundtonart gen Überarbeitung begann er Ende 1879 in Rom. verweist auf Beethovens „Fünfte“, das Variieren Lediglich im Mittelteil des vierten Satzes verwendete eingängiger Melodiezitate auf dessen „Eroica“. Auch Tschaikowski ein originales ukrainisches Volkslied, Tsachikowskis Sinfonie ist bisweilen etwas Heroisches und zwar „Der Kranich“. Andere Zitate – wie im ersten zu eigen. Unzufrieden mit etlichen Details, überar- Satz die volkstümliche Melodie „Drunten bei der beitete er bereits kurz nach der Premiere das Werk Mutter Wolga“ (die bis zu eintausend Kilometer öst- für die nächste Aufführung leicht. Doch sechs Jahre lich von „Kleinrussland“ liegt), im zweiten Satz der später wagte Tschaikowski einschneidende Eingriffe, Hochzeitszug von Huldbrand und Berthalda aus der denn er empfand die Erstfassung als „schwer, zurückgezogenen Tschaikowski-Oper „Undine“ und lärmend und zerrissen“. Bis auf die Einleitung und die das russische Volkslied „Spinn, meine Spinnerin“ – Koda entwickelte er den ersten Satz neu und kürzte sind auf die Arbeiten zurückzuführen, die den Kom- ihn um 118 Takte, ließ das Andante weitgehend unan- ponisten seinerzeit beschäftigten. Auf Bitten von getastet, schrieb das Scherzo völlig um und nahm im Marija Mamontowa harmonisierte Tschaikowski Volks- Finale einen radikalen Schnitt von 146 Takten vor. melodien für ihre 1872 erschienene Sammlung „Kinder- Erst nach der Premiere der neuen Version Anfang lieder auf russische und kleinrussische Melodien“. 1881 in Sankt Petersburg fand Tschaikowski einen Kein Wunder also, dass er zur Zeit der Komposition Verleger für die Partitur. Auf der Titelseite der Erstaus- die eingängigsten von ihnen im Sinn hatte. gabe ist der fragwürdige Beiname nicht zu finden. „Der Kleinrusse und der Großrusse, das sind die Seelen zweier Zwillinge, die einander ergänzen, eng Meinhard Sarmeba 10 11
Künstlergespräch 22./23. Januar 2020, 19.00, Kammermusiksaal Almut Ochsmann im Gespräch mit der Komponistin Birke J. Bertelsmeier Veranstaltungshinweis 28. Januar 2020, 20.00, BASF-Feierabendhaus „Night Music“ Anna Prohaska, Sopran Ensemble 1700 Dorothee Oberlinger, Blockflöte & Leitung 12
BASF SE FHG/TC – Z 24 · Kunst & Kultur Tel.: 0621- 60 99911 · Email: basf.konzerte@basf.com www.facebook.de/BASF.Kultur · Twitter: @BASF−Kultur www.basf.de/kultur
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