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Ein Heft über Wasser, Wind und Sonne und das schöne Leben mit 2000 Watt. Ausserdem: Inside VBSG, Outsider in der Kunst. Und sogar der Pfahl- bauer spürt den Frühling.
Wo man hinschaut und hinhört: Energie. Den Test kann im Netz jede und jeder Sogar in Frankreich, dem Land der machen – wie sinnvoll er ist, mag fraglich AKWs und der ungestraften Umweltsün- sein. Susan Boos etwa, Mitautorin den, propagierte im April ein Tag der dieses Hefts und Energiefachfrau, hält offenen Tür die «transition énergétique». von der Methode nicht viel mit dem Und im Süden des Landes brechen Argument: «Die Energiefrage wird mit Bürgerproteste gegen die Gewinnung von diesen persönlichen Energiebilanzen «gaz de schiste» auf – hierzulande als moralisch aufgeladen: Gute Menschen Fracking ebenfalls umstritten. brauchen wenig Energie … Falsch, Das Thema steht zuoberst auf der würde ich sagen: Wir brauchen Struktu- Dringlichkeitsliste, lokal wie global. ren, in denen ich gar kein guter Aber auch weit oben auf der schwarzen Mensch sein muss – oder eben gar kein Liste der zeitgenössischen Perversio- schlechter sein kann.» Das Thema nen: Alle sind für Atomausstieg und für lohnte eine ausführlichere Diskussion – alternative Energien, kaum jemand Gelegenheiten dazu gibt es im Mai, ist bereit, bei sich selber, im persönlichen dem Monat der kräftigen Sonnen- und Alltagsverhalten Konsequenzen zu anderen Lebensenergien, vielfach. ziehen. Die Saiten-Redaktion nimmt sich Unter anderem am 24./25. Mai am Ost- davon nicht aus – aber wir widmen schweizer Sozial- und Umweltforum dieses Heft zumindest der Energiewende: Sufo oder einen Tag zuvor am Ökomarkt Wir fragen, wo St. Gallen energetisch in St. Gallen. Wo man hinschaut und steht, warum die Geothermie in der Stadt hinhört: Energiewende. gefeiert und im Thurgau verteufelt Ausserdem in diesem Heft: wird und wie das Appenzellerland zum Zwist ums Klubhaus, Kontroverse um die Windpark werden könnte. Daneben VBSG, Lob der Aussenseiterkunst, besuchen wir das pionierhafte ökologi- Möslangs neue Trilogie. Die Welt ist unter sche Gross-Wohnprojekt Giesserei Strom. Winterthur, wo in Sachen Energieeffizi- Peter Surber und enz buchstäblich an alles gedacht Andrea Kessler worden ist. Und wir nehmen uns an der Nase und skizzieren den Energie- haushalt des Saiten-Magazins von der Idee bis zum Postversand – eine Rechnung mit vielen Unbekannten, aber ein Stück Bewusstseinsförderung. Man merkt schnell: Der Energieteufel steckt im Detail. Saiten ist für einmal Mainstream: Der persönliche ökologische Fuss- abdruck der Redaktion bewegt sich, trotz möglichst umweltbewusstem Arbeits- lebenswandel, im schweizerischen Mittel. EDITORIAL
Saiten Ostschweizer Kulturmagazin 223. Ausgabe, Mai 2013, 20. Jahrgang, 9 Reaktionen erscheint monatlich HERAUSGEBER Verein Saiten, Verlag, Schmiedgasse 15 Postfach 556, 9004 St.Gallen Positionen Tel. 071 222 30 66, Fax 071 222 30 77 REDAKTION Andrea Kessler, Peter Surber, 11 Blickwinkel redaktion@saiten.ch 12 Redeplatz VERLAG/ANZEIGEN mit Hansueli Stettler Peter Olibet, verlag@saiten.ch SEKRETARIAT 13 Einspruch Gabriela Baumann, von Martin Amstutz sekretariat@saiten.ch KALENDER 14 Stadtlärm Michael Felix Grieder kalender@saiten.ch 14 Neue schlechte Kunde GESTALTUNG Samuel Bänziger, Larissa Kasper für die Literatur Rosario Florio, grafik@saiten.ch 15 Ein Memento für Peter Kamm VEREINSVORSTAND Susan Boos, Lorenz Bühler, Heidi Eisenhut, Christine Enz, Hanspeter Spörri (Präsident), Rubel Vetsch VERTRIEB 8 days a week, Rubel Vetsch DRUCK Niedermann Druck AG, St.Gallen AUFLAGE 5600 Ex. Saiten 05/2013 ANZEIGENTARIFE siehe Mediadaten 2013 SAITEN BESTELLEN Standardbeitrag Fr. 70.–, Unterstützungs- Unter Strom beitrag Fr. 100.–, Gönnerbeitrag Fr. 280.– Tel. 071 222 30 66, sekretariat@saiten.ch INTERNET 18 Die unaufgeregte Revolution www.saiten.ch Ein energiepolitischer Rundgang AN DIESER AUSGABE HABEN durch die Stadt St.Gallen. MITGEARBEITET Martin Amstutz, Ursula Badrutt, von Susan Boos Ladina Bischof, Susan Boos, Kurt Bracharz, Wendelin Brühwiler, Richard Butz, 20 Der Herr der Winde Gyatso Drongpatsang, Tine Edel, Dorothee Ein Besuch bei Heini Schneider, der auf Elmiger, Eleonora Farinello, H.R. Fricker, dem Gäbris ein Windrad gebaut hat. Georg Gatsas, Meinrad Gschwend, von Peter Surber Marco Kamber, Stefan Keller, Andreas Kneubühler, Painhead, Charles Pfahlbauer 22 Das erhoffte Bohr-Wunder jr., Corinne Riedener, Harry Rosenbaum, In St.Gallen wird sie bejubelt, im thurgauischen Super8, Pit Wuhrer, Jiajia Zhang, Etzwilen bekämpft: die Geothermie. Roman Zwicky von Harry Rosenbaum KORREKTUR Esther Hungerbühler, Noëmi Landolt 24 Kilo, Kilowatt, Kilometer Die Saiten-Ressourcen 26 Wo selbst der Kühlschrank Ferien kennt In Winterthur ziehen die letzten Mieter in das wohl grösste © 2013: Verein Saiten, St.Gallen. Alle Rechte Minergie-P-Eco-Haus der Schweiz. vorbehalten. Nachdruck, auch auszugs- von Andrea Kessler weise, nur mit Genehmigung. Die Urheber- rechte der Beiträge und Anzeigenentwürfe Bilder bleiben beim Verlag. Keine Gewähr für von Marco Kamber unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen. INHALTSVERZEICHNIS
Perspektiven Kultur 32 Polen 44 Die Aussenseiter schaffen Flaschenpost «wahre Kunst» von super8 Das Museum im Lagerhaus feiert sein 25jähriges Bestehen mit einem 34 Rapperswil umfassenden Blick auf die Naive Kunst. 34 Vorarlberg von Meinrad Gschwend 35 Winterthur 48 Literatur 35 Stimmrecht 49 Theater 50 Musik Der Meister der unerhörten Report Frequenzen: Norbert Möslang von Georg Gatsas 36 Wir sitzen alle im gleichen Bus Die VBSG privat. von Corinne Riedener und Ladina Bischof Saiten 05/2013 52 Film 53 Weiss auf schwarz von Painhead 57 Kalender Abgesang 41 Kontrollverlust 82 Kellers Geschichten In Konstanz wurden die Stadtwerke bereits privatisiert. 83 Bureau Elmiger von Pit Wuhrer 85 Charles Pfahlbauer jr. 87 Boulevard NR. 223, MAI 2013
9 Saiten Nr. 222, April 2013 Ich gratuliere Euch zur gelungenen wahrlich ein wunderbares heft! weiss Neugestaltung des Magazins. Der neue gar nicht, wo anfangen zu lesen und wo Auftritt gefällt mir sehr gut, auch wenn aufhören zu staunen. Noëmi Landolt, sich meine Augen zu Beginn ans neue Zürich Lesebild gewöhnen mussten und ein wenig hilflos über die Spalten irrten. Das Ostschweizer Kulturmagazin hat Doch schon nach wenigen Seiten gings ein Redesign hinter sich & ist nun – wie wunderbar und ich habe die April- man auch von Luzern aus anerkennen ausgabe von vorn bis hinten mit Genuss muss – das wahrscheinlich grossartigs- durchgelesen. Hannes Geisser, te Monatsmagazin der Schweiz. Pablo Frauenfeld Haller, Luzern Gestolpert bin ich über die Cover- Das neue Saiten gefällt mir sehr gut. Behauptung «Saiten findet ...», was die Luftig und angriffig. Schön. Richi Küttel, Zum neuen Saiten Frage nach sich zieht: Ist Saiten die Re- Trogen daktion oder/und der Vorstand, die Die neue Heftgestaltung AutorInnen und sind alle gleicher beim ersten durchblättern habe ich vor Meinung? Die unglückliche Formulie- mich hingemötzelt: nicht gerade lese- hat zahlreiche und zum rung ist ausschliessend: «Bist du nicht freundlich, so dunkle bilder auch. einen Teil kontroverse Reaktio- dieser Meinung, dann bist du nicht cool tag später gemütlich auf dem sofa habe nen ausgelöst. Nachste- und gehörst nicht zum Club.» Bis anhin ich es durchgelesen von A bis Z. also habe ich Saiten als sehr integrierendes doch lesefreundlich. schöne und freche hend eine Auswahl – die Heft mit einer heterogenen AutorIn- texte. Andrea Gerster, Arbon mit N.N. gekennzeich- nen- und Leserschaft wahrgenommen. neten kritischen Stimmen N.N. wollten nicht mit Namen Wir haben bisher mit grossem Interesse genannt sein. Im Sinn der und Freude das Magazin jeden Monat Vielfalt geben wir ihre gelesen und studiert. Die erste Ausgabe Saiten 05/2013 in neuer Aufmachung ist bei uns gar Kritik dennoch in Auszü- nicht gut angekommen: gen wieder. – Zu dominant, die selbstgefällige Selbstdarstellung zeitgenössischer Kunstschaffender – Wir vermissen Kulturkritik, ange- sichts der Flut von Anlässen in Mash-down: Der sogenannte Schmutz- der Ostschweiz – hier könnten Sie titel (2. Titelseite) des Aprilhefts am Ende Orientierungshilfe leisten einer Party. Bild: Rosario Florio – Migros-Kulturprozent: hier störte mich, dass der Vertreter der Migros nicht selber die neue Ver- gabepolitik und Begründung dargelegt hat, hingegen viel Raum gewährt wurde für die Kritik eines davon direkt Betroffenen. Das wäre ein guter Aufhänger gewesen, sich mit der privaten Kulturförderung in der Ost- schweiz auseinanderzusetzen. – Verquere, ja störende grafische Gestaltung. Schwer lesbar Sie ärgern sich über einen der Text auf schwarzem Grund Bericht? Ihnen gefällt – Bilder gefielen gar nicht das neue Saiten? Sie wollen – Fehlen interessanter Reportagen aus uns Ihre Sicht der Dinge der Region, zu stadtlastige Themen darlegen? Kommentieren Sie unser Magazin und unsere Wir bleiben Abonnenten, Sie geniessen Netzeinträge auf saiten.ch unsere Sympathie, aber Sie sind unter oder schreiben Sie uns einen «Beobachtung». Wir sind gespannt auf Leserbrief an redaktion@ die nächsten Nummern. N.N. saiten.ch REAKTIONEN
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11 Blickwinkel Ein behutsames Manifest Saiten 05/2013 «I am for messy vitality over obvious unity...» The saints are in town und verkünden das «behutsame Manifest». Gegen den Abriss des Klubhauses, für eine lebendige Stadt(architektur). Jiajia Zhang fotografierte am 5. April den Künstler, Grafiker, Musiker Alexis Saile im Klubhaus Hogar Español und zitiert aus Complexity and Contradiction in Architecture von Robert Venturi. POSITIONEN
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13 Fussgänger soll man nicht in den Untergrund ver- Einspruch: Martin Amstutz bannen, sagen die Gegner einer Unterführung. Die Stadt plant einen «breiten Korridor», auf dem wir den «Das kommt mir spanisch vor», Platz queren sollen. Das ist hanebüchen, weil die Fussgän- wiehert Rosinante ger immer den kürzesten Weg suchen und finden werden. Und: Zwei Drittel kommen jetzt schon unterirdisch an, vom Bahnhof her. Eine moderne, verlängerte Passage ist kein ge- fährlicher Ort, wie Kritiker sagen, und sie wäre erst noch mit Läden finanzierbar. Aber darüber will niemand mit mir dis- kutieren, sogar der VCS nicht. Warum nicht? Man liebt Debatten in dieser Stadt nicht wirklich. (pd) Vielleicht liegt es an Ihrer streitbaren Art? Kaum jemand ist dagegen: Das Klubhaus muss er- Ich bin hartnäckig, für manche argumentiere ich zu breit. halten bleiben. Vielleicht mit einer anderen Trä- Aber ich bleibe kritisch und will die Probleme selber durch- gerschaft, vielleicht in angepasster Form. Aber auf denken, aus gesamtgesellschaftlicher und ökologischer alle Fälle im Sinn einer offenen Gesellschaft und Sicht. Die Bevölkerung will das übrigens auch, sie ist inter- in den historischen Räumen, die diese Institution essiert an guten Argumenten. einmalig machen. Doch wer versucht, verlässliche Infor- Wie sähe ein lebenswerter Bahnhofplatz in mationen zum Stand der Dinge zu bekommen, be- Ihrer Vision aus? gibt sich in einen schier undurchdringlichen Ne- Der Verkehr fliesst oben stetig; die Unterführung bietet Si- bel aus Widersprüchen, Angst, Scheinargumenten cherheit, der Kornhausplatz wird ein wirklicher Platz. Über- und Aberglauben. Einige Beispiele: Der Genossen- sicht, Freiraum und Geschichte, das gehört zu einem städti- schaftsvorstand, beauftragt mit der Rettung des schen Platz. Er könnte flexible Nutzungen zulassen, aber spanischen Klubhauses, hebelt mit Tricks und Ma- nicht mit einem Zickzackbrunnen möbliert sein – solche nipulationen seine eigene Daseinsberechtigung Spielplätze gehören in die Quartiere. Ich bin dafür, den aus und versucht, die Liegenschaft zu verspekulie- Saiten 05/2013 Platz leer zu halten; St.Gallen braucht solche Freiräume. ren. Die Presse publiziert ungeprüft vorgesetzte Halb- und Unwahrheiten. Der Stadtrat könnte das Gibt es für Ihre Ideen offene Ohren? Haus kaufen und bewahren, drückt sich aber vor Ich hoffe, langfristig beim Kanton und den Busbetrieben. einer öffentlichen Auseinandersetzung. Das Parla- Der Kanton setzt zu Recht auf den Durchflussverkehr. Ich ment stellt ihn für dieses undemokratische Geba- bin letzthin wieder einmal am frühen Morgen zwei Stunden ren nicht zur Rede. Genossenschafter setzen sich auf dem Platz gestanden und habe zugeschaut, wie das zu- mal für den Erhalt ein, mal suhlen sie sich in Un- und hergeht. Also nein! So nicht mehr! Das Projekt, über das tergangsphantasien. Selbst verirrte Geister wer- wir abstimmen, bringt keine reale Verbesserung und lässt den zitiert. Manche hoffen auf ein Wunder. sich auch nicht «heilen» mit der Zusatzfrage. Kein Wunder ist es ob solchem Obsku- rantismus, dass das böse Wort der ungetreuen Ge- Sie stehen dort und schauen, was abgeht? schäftsführung die Runde macht, dass wilde Ge- Ja, ich mache das ab und zu, einfach beobachten und überle- rüchte von willkürlich behaupteten oder gen. Ich habe auch Modellrechnungen gemacht, hier, diese vorsätzlich verpassten Terminen umgehen, dass Grafik, mit allen Abfahrten Richtung Ost/Nord und West/ hinter vorgehaltener Hand von Lüge, Erpressung Süd, und den Verbesserungen dank Durchflussverkehr. Aber und Günstlingswirtschaft gemunkelt wird, dass ich steige auch in den Bus, um zu schauen wo es sonst noch nicht ohne Ironie betont wird, hierzulande gebe es klemmt. Mein Hobby ist auch empirisch … man muss wis- bekanntlich keine Korruption. sen, wie die Leute funktionieren, ihre Bedürfnisse kennen Die Öffentlichkeit ist aufmerksam ge- und teilen. worden, wird Klarheit fordern und Wege finden, ihr Klubhaus erneut zu retten. Gut möglich, dass Hansueli Stettler ist Bauökologe einige der fast 500 Mitglieder der Genossenschaft in St.Gallen, ehemals grüner Gemeinderat, die Machenschaften des Vorstandes gerichtlich fährt viel Velo, Zug, ab und zu überprüfen lassen. Wahrscheinlich, dass der Pres- Bus, selten Auto und ganz selten LKW. se harte Fakten zugespielt werden. Nicht ausge- schlossen, dass sich der Stadtrat seiner kulturellen Interview: Peter Surber und sozialen Verantwortung erinnert. Denkbar, Bild: Tine Edel dass ihn das Parlament zu einer konstruktiven Dis- kussion drängt. Sicher, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Martin Amstutz, 1965, ist Herausgeber des Wochenblattes. Er wünscht sich ein Pferd. POSITIONEN
14 Stadtlärm Literaturtage Keine Stimme für die Stadt Fertig leer schlucken! Die hiesigen Literaturschaffenden haben leer ge- schluckt, als sie beim Wettbewerb für Literatur, den das Bundesamt für Kultur (BAK) ausgerichtet hat, schlicht vergessen gingen. Auch bei der vom BAK finanzierten daran anschliessenden Promo- tionstour wurden sie übergangen (Eva Bachmann hat im April-Saiten darüber geschrieben). Kaum haben sie beides verdaut, dringt neue schlechte Kunde zu ihnen. Absender: Solothurner Litera- turtage 2013. Trotz eifrigem Durchblättern des um- fangreichen Programms, unterdessen ein dickes Heft, finden sich einzig zwei Autorinnen, die mit Manchmal dominiert die Lokalpolitik den Kantonsrat. Wenn der Ostschweiz in Verbindung gebracht werden eine Ausbildung in eine andere Region verlegt werden soll. können: die seit langem im Tessin wohnende Eve- Oder eine Haltestelle aufgehoben werden könnte. Dann line Hasler sowie die im Thurgau lebende Zsuzsan- heisst es: Sparen ja – aber nicht bei uns! Oder: Nicht in mei- na Gahse. Aber keine Andrea Gerster, Christine nem Dorf! Ob FDP, CVP oder SP spielt keine Rolle: Der Wi- Fischer, Erica Engeler oder Elsbeth Maag und kein derstand wird parteiübergreifend organisiert. Ist das Poltern Clemens Umbricht oder Ivo Ledergerber, um nur laut genug, besteht sogar Aussicht auf Erfolg. einige zu nennen. Selbst in der «Debüt»-Kategorie Nicht alle Gemeinde- oder Stadtoberhäupter im findet die Ostschweiz nicht statt. Die einzige sons- Kantonsrat verstehen sich in erster Linie als Vertreter ihrer tige Verbindung zu St.Gallen ist eine Veranstaltung Kommune. Es gibt auch Ausnahmen. Eine davon ist der zum 20. Todestag von Niklaus Meienberg. St.Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin. Das Fehlen der Ostschweiz ist kein ein- Das zentrale politische Thema der letzten Jahre ist maliger «Ausrutscher». Beim Zurückblättern in die rigorose Sparpolitik des Kantons. Die Stadt ist stark be- den Programmen bis 2009 tauchen nur selten Ost- Saiten 05/2013 troffen: als Bildungs- und Schulstadt, als kulturelles und so- schweizer Namen auf, so Andrea Graf, Andrea ziales Zentrum und nicht zuletzt als Wohnort vieler Kantons- Gerster, Lika Nüssli und eine Waldgut-Verlag-Prä- angestellter. Doch der St.Galler Stadtpräsident stimmte sentation im Zelt. In der Programmkommission ist immer nur Ja: zu den Sparpakten, zu den konkreten Kürzun- die Ostschweiz ebenfalls nicht mehr vertreten. gen in der Bildung und im Sozialbereich. Gibt es nichts zu Was tun? Wieder leer schlucken? Nein, verteidigen? In der Kommission, die in den letzten Monaten handeln, und etwas für die Literatur tun! Hier ein das dritte Sparpaket aushandelte, war Thomas Scheitlin nicht Vorschlag: eine gezielte Publikationsförderung für vertreten. Dem «Tagblatt» erklärte er, im Gremium sitze Rein- Ostschweizer Autorinnen. Dies könnte zum Bei- hard Rüesch aus Wittenbach, der die Interessen der Stadt be- spiel in Form eines eigenen Verlags oder als eine rücksichtigen werde. Reinhard Rüesch? Editions-Reihe, die von einem bereits bestehen- Man würde sich für die grösste Stadt der Ost- den Verlag betreut wird, sein. Wie das gehen kann, schweiz einen Stadtpräsidenten wünschen, der für sein Ge- macht die Innerschweiz mit dem Verlag Pro Libro halt von 270 000 Franken Wirbel macht, wenn es um die In- (Literatur und Sachbücher) vor. Er wird getragen teressen der Hauptstadt geht. Einen, der sagt: Diese von einer Stiftung und finanziert von Sponsorin- Finanzpolitik des Kantons ist falsch. Wir in der Stadt wissen, nen und Sponsoren, darunter alle Innerschweizer dass es nur eine Entwicklung gibt, wenn auch investiert wird. Kantone, und Donatoren sowie Gönnern. Der lite- Einen, der feststellt: Wir haben viele Zuzüger, auch wenn bei rarische Katalog umfasst seit 2007 rund 25 Titel, uns die Steuern hoch sind. Einen, der warnt: Die Stadt war neue kommen ständig hinzu. dreissig Jahre lang wie tiefgefroren, weil sie kein Geld ausge- Wie wichtig eine solche Initiative wäre, ben konnte. Es herrschte danach eine Stimmung, so depres- zeigt sich am Beispiel von Literaturtagen (nicht siv wie die Farbe der Busstationen. nur in Solothurn), aber auch grundsätzlich deut- Diese Rolle ist nicht diejenige von Thomas Scheitlin. lich: Es wird immer schwieriger, literarische Wer- Im Kantonsrat ist er vor allem FDP-Vertreter. 2009 hat er ke in einem Verlag unterzubringen. Für Autorin- letztmals einen Vorstoss eingereicht. Seit 2012 sitzt er nicht nen und Autoren aus Randlagen gilt dies in mehr in der einflussreichen Finanzkommission. Gegen die verstärktem Masse. Aber ohne Bücher entsteht Abbruchpolitik des Kantons besitzt die Stadt keine Vertei- kein lebendiges literarisches Leben, es fehlt ihm digungslinie. das Echo – auch in Solothurn! Andreas Kneubühler, 1963, Richard Butz, 1943, kommentiert monatlich die Stadtpolitik. ist Kulturvermittler und Journalist in St.Gallen. POSITIONEN
15 Überfall war der Zeitpunkt, als er seine Stein-Arbeit in der ehemaligen Fabrikhalle wieder aufnehmen wollte, nachdem er den Win- Memento für Peter Kamm ter über in St.Gallen gearbeitet hatte. Peter Kamm, der Künst- Es muss ein entsetzlicher Moment gewesen sein: Ende März ler des komplexen Erinnerns, getroffen von einer Tat, began- fand der Künstler Peter Kamm sein Atelier auf dem Saurer- gen aus mutmasslich dumpfster Erinnerungslosigkeit ... Der Areal in Arbon verwüstet vor, seine Arbeiten, Bücher, Werk- Überfall ist bisher unaufgeklärt – hier Überlegungen von zeuge beschmiert mit Hakenkreuzen und Nazi-Parolen. Es Ursula Badrutt sowie ein Kommentar von HR Fricker. Homo sacer? Umwandlung als Strategie Es geht um das Leben. Um das geordnete Leben. Aber auch Kürzlich sah ich auf Facebook eine Anleitung: Wie aus die- um das nackte Leben. Es geht darum, das geordnete Leben sem menschenverachtenden Symbol (auf der Spitze stehen- wieder aufzunehmen. Der Nacktheit Schutz zu bieten. Die des Kreuz, mit nach rechtsgewinkelten Armen) durch wenige nach Grösse sortierten Bohrer und Stifte dem Alltag zu über- Striche eine holländische Windmühle entsteht. Es ist verblüf- geben, sie ihm zurückzugeben. Die Gläser putzen. Formen fend, aber die aggressive und provozierende Wirkung ver- finden. Der Masse des Steins wieder Löcher entlocken, Porö- pufft danach sofort. ses, Gänge. Gänge, die hinein, Gänge, die hinaus führen. For- Peter Kamm ist zwar nicht als Zeichner von Wind- men Boden geben. Körper werden lassen. mühlen bekannt, seine steinernen Zeichen als Künstler sind Nur so kann dem Ausnahmezustand Paroli gebo- subtiler. In diesem Falle ist wohl auch eine gründliche Rei- ten, dem Versehrten, der Versehrtheit begegnet werden. WIR nigung des Ateliers das Richtige. Aber auch im Geiste wird er VERSCHWINDEN NIE. die martialische Besudelung «zeichnerisch» umwandeln und Ein Anschlag auf das Werk ist ein Anschlag auf sei- entschärfen müssen. nen Autor, seine Autorin. Immer. Denn Kunst ist Körper, ist Ich sehe sowieso im Erfinden oder Umwandeln von Stellvertreterin für das Leben. Für Lebenszusammenhänge. Zeichen und Symbolen eine wichtige Aufgabe künstlerischer Kunst ist so politisch wie der Mensch, der sie macht. Bei Peter Arbeit. Oft genügen wenige Striche oder Worte, um einen Kamm wie bei anderen. Peter Kamm mischt sich ein, kennt Sachverhalt zu klären, um so der Wahrnehmung eine neue Saiten 05/2013 Dringlichkeit, Engagement, Verausgabung. Er analysiert und Richtung zu ermöglichen. HR Fricker denkt. WIR VERSCHWINDEN NIE. Wehrst du dich oder lässt du dich verwahren? «Patientenhaus – Das nackte Leben» titelte er einst eine Ausstellung in St.Katharinen in St.Gallen. Darin legte er sein Referenzsystem offen. In kruder Schablonenschrift ge- sprayt waren Wörter zu lesen von ABSURD bis PHANTOM, von AGONIE bis KIPPEN, von HALT bis AUSSER SICH, von SCHOCK und PANIK, STIGMA und SCHMERZ. Jetzt tau- chen sie wieder auf. WIR VERSCHWINDEN NIE. In seiner Schrift «Homo sacer: Die souveräne Macht und das nackte Leben» behauptet der Philosoph Gior- gio Agamben die Rechtlosigkeit im Rechtsstaat; Demokratie erlaubt Folter und Vertreibung und Zerstörung von Leben jenseits allen Rechts. Ist Agamben in Arbon eingetroffen? Der Anschlag auf das Atelier von Peter Kamm ist ein Anschlag auf seine Person, auf das Künstlersubjekt Kamm. Unabhängig von der Absicht des Anschlages, der Spu- ren von Zufälligem zeigt. Der Künstler ist in die Flucht ge- schlagen, ein Flüchtling, ein Verbannter. Der Homo sacer ist nicht nur ein heiliger, sondern auch ein verbannter Mensch. Für einen Moment steht das nackte Leben unter der aufge- brochenen Tür. Das könnte leicht als Zynismus des Zufalls gelesen werden. «Sei nicht zynisch. Besser die Dinge dehnen biegen knacken zerbrechen und sie zusammenlegen.» Das schreibt Peter Kamm in seinem Brevier im September-Heft 2002 von Saiten. Anfangen tut sein Brevier mit dem Wort ANKOM- MEN: «Es gewinnen nicht die, die zuerst ankommen.» Daran erinnern wir uns. Und lassen die Tür offen. Ursula Badrutt Bild: Bettina Wollinsky POSITIONEN
16 Wie baut man eine Gesellschaft so um, dass sie mit weniger Strom und Wärme auskommt – und trotzdem Saiten 05/2013 nicht darben muss? UNTER STROM
17 Saiten 05/2013 Eine Reise zu den Elementen. Und zu den Pionieren. UNTER STROM
18 Die unaufgeregte Revolution Ein energiepolitischer Rundgang durch St.Gallen. von Susan Boos Unser Verhältnis zur Energie ist so innig, wie das zu Luft Erste Station des Rundgangs: Kreuzung Burgstrasse, und Wasser. Wir zahlen nichts für Luft, doch rein soll Vonwilstrasse. Hinter der Kaserne ist die Strasse aufgerissen. sie sein. Wir zahlen kaum fürs Wasser, aber sauber muss es Lange, schwarze Rohre warten darauf, eingebaut zu sein. Und so hätten wir es auch gerne bei der Energie, sie werden – hier wird das Fernwärmenetz ausgebaut. Künftig soll jederzeit verfügbar, billig und sauber sein. sollen möglichst viele Häuser in der Talsohle nicht mehr Energie hat etwas Magisches und lässt uns feudal fossil, sondern mit der Abwärme der Kehrichtverbrennungs- leben. Tausende von unsichtbaren Dienern erledigen anlage respektive dem geplanten Geothermieheizkraft- die Arbeit, die wir noch vor nicht allzu langer Zeit hätten werk (siehe Seite 22) versorgt werden. Das Fernwärmenetz selber leisten müssen. Das ist keine moralische, sondern wird Schritt für Schritt von West nach Ost in den Tal- eine physikalische Feststellung. boden gezogen. Die Innenstadt lässt man vorerst aus, weil Energie kann man in Watt messen – Watt steht da der Bau komplexer und teurer ist. für Energie pro Zeit. Ein Leistungssportler bringt es Hausbesitzer, die wollen, sollen künftig die Wärme auf 200 Watt. Früher rechnete man in Pferdestärken. Eine von den Stadtwerken beziehen können. Gezwungen wird Saiten 05/2013 bildhafte Einheit, die vor 200 Jahren sofort allen klar niemand. «Der Preis muss so sein, dass es für die Hausbesit- machte, was Dampfmaschinen leisten. Eine Pferdestärke zer attraktiv ist, sich anschliessen zu lassen», sagt Zaugg. entspricht gut 700 Watt. Die Fernwärme sollte nicht mehr kosten als eine neue In der Stadt St.Gallen leben 74 000 Menschen. Öl- oder Gasheizung. Das kann sich bald rechnen, weil der Jeder von ihnen braucht im Durchschnitt 5000 Watt, das Preis für die fossilen Rohstoffe innert kürzester Zeit in entspricht der Arbeitskraft von 25 Menschen. Anders gesagt: die Höhe schnellen kann. Gäbe es keine Maschinen, sondern nur Menschen, die Die Strategie der Stadt ist klug: Sie denkt die Ener- diese Energie bereitstellen müssten, hätte St.Gallen fast zwei gie als Ganzes und sieht Strom, Wärme und Verkehr als Millionen Einwohnerinnen und Einwohner – das sind Einheit. Heute verbrauchen Autos wie Heizungen Benzin, die unsichtbaren Energiediener, die im Benzin, im Heizöl Öl oder Gas. Die einen zum Fahren, die andern nur zumHei- und im Strom stecken. Mit 2000 Watt liesse sich so leben, zen. Öl oder Gas sollte man aber nicht verbrennen, nur dass auch künftige Generationen noch eine lebenswerte um zu heizen. Und Autos sind letztlich so etwas wie fahren- Welt vorfinden. Die Stadt St.Gallen hat sich das Ziel gesetzt, de Heizungen. bis ins Jahr 2050 nahe an dieses Ziel heranzukommen Die beste Energie ist im übrigen die, die man nicht und bis dann den CO2-Ausstoss von heute sechs auf eine braucht. Das bedeutet zum Beispiel: Häuser isolieren. Tonne zu reduzieren. Danach soll die Wärme eingesetzt werden, die bereits da ist – das heisse Wasser tief aus der Erde oder eben die Wär- Ein preisgekröntes Energiekonzept me, die entsteht, wenn unser Müll verbrannt wird. Damit Die Stadtbevölkerung hat schon vor dem dreifachen Super- sollte sich, wenn alles wunschgemäss läuft, ein Grossteil der Gau in Fukushima beschlossen, dass sie ab 2030 keinen Häuser in der Stadt heizen lassen. Das ist nicht nur um- Atomstrom mehr beziehen möchte. Die Verwaltung hat das weltfreundlicher, als wenn jedes Haus seine eigne Ölheizung «Energiekonzept 2050» entwickelt, das sich einer nach- betreibt, es dürfte auch günstiger sein. haltigen Energieversorgung verschreibt und vom Bund preis- gekrönt wurde. Das klingt gut, es aber tatsächlich umzu- Strom aus Sonne und Wasser setzen, ist eine Jahrhundertaufgabe. Zweite Station: Schulhaus Schönenwegen. Oben auf dem Die Arbeiten haben schon begonnen. Fredy Zaugg Dach des Neubaus steht eine prächtige Solaranlage, vom Amt für Umwelt und Energie ist täglich mit der Um- die Strom produziert. Im Jahr liefert sie 28’600 Kilowatt- setzung des Energiekonzeptes beschäftigt. Mit einem Mobi- stunden, das reicht, um sieben bis acht Haushalte mit lity-Auto führt er durch St.Gallen und zeigt an einigen Strom zu versorgen. Damit lassen sich jährlich sechzehn Stellen, wie die Stadt sichtbar neu gedacht und umgebaut Tonnen CO2 einsparen. Weil die Preise der Solarpanels wird. eingebrochen sind, kann man inzwischen zu einem vernünf- tigen Preis aus der Sonne Strom gewinnen, sagt Zaugg. UNTER STROM
19 durch dunkle Wolken, über Engelburg geht bereits ein erstes Gewitter nieder. Die Birnbäumensiedlung ist neu und steht am Hang, zu hoch, um einmal ans Fernwärmenetz an- geschlossen zu werden. Deshalb hat die Stadt beschlos- sen, hier ein Blockheizkraftwerk einzubauen. Das Raffinierte an diesen kleinen Gaskraftwerken: Sie produzieren in erster Linie Strom – die Wärme, die dabei ebenfalls anfällt, kann man nutzen, um die Häuser zu heizen. Bei allen thermischen Kraftwerken, die Strom produzieren, kann nur ein Drittel der eingesetzten Energie wirklich in Strom umgesetzt werden. Die Abwärme der Schweizer Atomkraftwerke würde reichen, um sämtliche Häuser des Landes zu heizen. Doch diese Wärme ver- pufft zum allergrössten Teil ungenutzt, sie heizt sinnlos das Aarewasser oder entweicht als Dampf über die Kühltürme. Dasselbe gilt für grosse Gaskraftwerke, wenn sie weit weg von Dörfern und Städten gebaut werden und man des- halb die Abwärme nicht sinnvoll einsetzen kann. Mit den Blockheizkraftwerken passiert das nicht. Die stehen dort, wo man die Wärme braucht – und pro- duzieren eben auch Strom. Damit holt man aus der eingesetz- ten Energie vielmehr raus als das bislang der Fall war. Weiter oben auf der Notkersegg wird es allerdings schwieriger. Dieses Quartier hat keinen Gasanschluss und es wäre zu teuer, eine Gasleitung nach oben zu ziehen. Die Stadt möchte aber auch in der Notkersegg ein kleines Fernwärmenetz mit einer Holzheizzentrale bau- en, das mit Restholz der Valida betrieben würde. Die Valida beschäftigt Menschen mit Behinderung und produ- Saiten 05/2013 ziert Holzwaren. Dabei entstehen viele Holzabfälle, die Fredy Zaugg zeigt die Solarpanels auf dem Schul- die Valida ursprünglich in einem eigenen Heizkraftwerk ver- hausdach von Schönenwegen. feuern wollte. Nur wäre das nicht gescheit gewesen, weil die Valida schon am Fernwärmenetz angeschlossen ist. Dritte Station: Burentobel. Da kommt man hin, Also ist es effizienter, das neue Holzkraftwerk in der Notker- wenn man vom Friedhof Feldli Richtung Engelburg segg zu bauen. Noch ist nichts entschieden, aber logisch fährt. Unten im Sittertal quert man bei der Filtrox den Fluss erscheint das Projekt. und folgt ihm aufwärts. Am Strassenrand blüht der Hu- Und die Logik der Stadt überzeugt: Wenn die flattich. Die Sitter ist an diesem Tag ein reissender Fluss und gesamte Energieversorgung zusammen gedacht wird, erge- bringt braunes Schmelzwasser aus dem Appenzellerland. ben sich völlig neu und bessere Lösungen. Am Ufer steht ein moderner, nüchterner Betonbau – das Kleinwasserkraftwerk Burentobel. Ein schmuckes Werk mit Zurückhaltung beim privaten Verkehr Fischtreppe, das umweltfreundlichen Strom bereitstellt. Auch der Verkehr müsste in diese Überlegung einbe- Vor fünf Jahren ging es in Betrieb und produziert jährlich zogen werden. Doch das sei der schwierigste Teil, sagt 1,3 Millionen Kilowattstunden, womit sich 370 Haushalte Fredy Zaugg. Die Stadt will nicht gross darüber reden, denn versorgen lassen. das private Auto ist eben mehr als ein Fahrzeug. Also Fredy Zaugg sagt, sie würden zurzeit weitere macht die Stadt, was sich machen lässt, ohne gleich heftige Bäche auf Stadtgebiet prüfen, ob sie sich vielleicht energetisch Dispute auszulösen. sinnvoll nutzen liessen. Am idealsten wäre natürlich die Als erstes sollen die Busse eine eigene Spur erhal- Steinach in der Mülenenschlucht. Nach starken Regenfällen ten. Dadurch kommen sie schneller durch die Stadt und stürzt sie dort tosend über die Felsen. Auch da überlege geraten in keinen Stau. Diskutiert wird auch die Wiederein- man sich, ob es sich lohne, ein kleines Kraftwerk zu bauen, führung eines Trams, was noch effizienter wäre. Zudem sagt Zaugg. Früher besassen die meisten Häuser in der setzt die Stadt auf Elektromobilität, weil strombetriebene Schlucht ihren eigenen, kleinen Anschluss und betrieben Fahrzeuge rund viermal effizienter sind als solche, die mit dem Steinach-Wasser ihre privaten Wasserräder. Aber mit Benzin unterwegs sind. keine Bange, sagt Zaugg, es sei heute ein toller, ungestümer Frappierend an der Energiestrategie der Stadt ist: Bach, denn man sicher nicht zum Rinnsal verkommen Sie hat etwas unaufgeregt Revolutionäres. Selbst rot- lassen wolle, nur um möglichst viel Strom rauszuholen. grün regierte Städte, in denen wesentlich heftiger über die Energiezukunft debattiert wird, bringen das nicht besser hin. Effiziente Blockheizkraftwerke Susan Boos, 1963, ist Redaktionsleiterin Vierte Station: Meienbergstrasse, Birnbäumen. Die Aussicht der «Woz». 2012 erschien ihr Buch ist pittoresk, im Westen der Stadt scheint noch die Sonne «Fukushima lässt grüssen». UNTER STROM
20 Der Herr der Winde Auf dem Chürstein unter dem Gäbris steht eines der wenigen Windräder der Ostschweiz. Noch – denn das Appenzellerland hat laut einer Studie grosses Windpotential. Ein windiger Tippel mit Initiant Heini Schneider. von Peter Surber Saiten 05/2013 «Es läuft und läuft – bei Westwind»: Heini Schneider beim Windrad. Bild: Marco Kamber UNTER STROM
21 Es geht um den Wind, klar. Aber muss es gleich so heftig muss er jeweils erklären: Windradwetter ist das Gegenteil sein? Schon beim Aufstieg von der Wissegg her Richtung von Wanderwetter. Ideal ist ein starker Westwind, tradi- Gäbris sieht man im Westen den hellgrauen Schleier tionellerweise der Schlechtwetterwind. Föhn dagegen weht hängen. Er kommt rasch näher mit sturmartigen Böen, erst zwar heftig, aber zu sprunghaft. Und je schöner der Tag, Regen, dann Hagel. Er peitscht uns um die Köpfe, da desto schlapper das Rad. bleibt nur: unterstehen unter den Wettertannen vor dem Bis heute ist die Anlage auf dem Chürstein eine Chürstein. Weiter vorn, majestätisch auf der Hügelsenke der ganz wenigen in der Ostschweiz. Aber das könnte zwischen zwei Anhöhen, dreht das Windrad seine Rotoren sich ändern. Gemäss einer Studie der Kantone Appenzell heftig im Hagelzug. Ein paar Minuten später ist der Spuk Ausserrhoden und Innerrhoden (sie wurde 2011 noch vorbei, der Himmel zeigt ein paar blaue Flecken. vor dem Reaktorunfall von Fukushima in Auftrag gegeben) «Majestätisch»: Das Wort wird Heini Schneider könnte Ausserrhoden rund zwölf Prozent seines Strom- später auch benutzen, und es stimmt: Stattlich und elegant bedarfs durch Windkraft decken – denn die Hügel seien nicht zugleich wirkt das Windrad mit den zwei weissen Flügeln, nur sonnenverwöhnt, sondern stellenweise auch wind- dem blauen Motorkasten und dem schmalen Mast. Naben- reich. Die drei besten Stellen sind laut der im Herbst 2012 höhe neunzehn Meter, Spannweite achtzehn Meter, Leis- publizierten Studie die Hochalp und der Hochhamm bei tung ungefähr 33 000 Kilowattstunden pro Jahr, das gibt Urnäsch sowie der Suruggen in den Gemeinden Trogen und Strom für acht bis zwölf Durchschnittshaushalte – oder Gais. Jetzt ab Frühling 2013 sind Windmessungen auf für einige zusätzliche, wenn man energieeffizient haushaltet dem favorisierten Berg, der Hochalp, geplant. wie Schneider selber: 1200 kWh reichen ihm pro Jahr, Das Windrad auf dem Chürstein wäre im Vergleich dreimal weniger als die durchschnittlich rund 3500 kWh zu den künftigen, pro Standort rund acht Anlagen winzig, pro Haushalt in einem Mehrfamilienhaus oder 4500 im «e Spielzüüg», sagt Schneider: Nabenhöhe 108 Meter, Rotor- Einfamilienhaus. Schneiders Haushaltgeräte sind AAA-zer- blattlänge 41 Meter – also weithin sichtbare Strom-Zeige- tifiziert, den Kühlschrank ersetzt im Winter wie früher finger. Die saubere Energie im Clinch mit der intakten Land- ein kleiner Küchenvorbau, das «Lädeli», die Lampen sind schaft: Den Konflikt verschweigt auch die Studie nicht. LED. «Das sind so Sachen, auf die man achten kann», Eine «Verspargelung» der Landschaft will der Kanton aber sagt er, ohne daraus eine Ideologie machen zu wollen. vermeiden und Windparks deshalb an wenigen Standor- «Sparen heisst nicht verzichten.» ten konzentrieren. Ein Windrad dieses Kalibers liefert Strom für 500 Haushalte. Es könnte gemäss den Grobberechnun- Von der Sonne zum Wind gen nach etwa dreizehn Jahren amortisiert sein und von da Saiten 05/2013 Heini Schneiders 1200 kWh liefert ihm die Sonne, dank an 2,5 Millionen Franken jährlich in die Kassen spülen. Photovoltaik. Mit der Solarenergie hatte auch alles angefan- gen. In den Achtzigerjahren plante Schneider auf dem Konkurrenzfähige «Windernte» Dach des historischen «Ziithüsli» bei der Grossen Säge am Luftschlösser, vorläufig. Aber das Appenzellerland hat damit Fuss des Gäbris Sonnenkollektoren. Davon sprach da- die Nase wortwörtlich im Wind. Zwar liegen die wind- mals noch kaum jemand. Während der Planungszeit sei ihm trächtigsten Regionen Europas am Meer: die Nordsee samt aufgegangen: «Schläuer wär sowieso Wind.» Dann gings angrenzenden Ländern sowie Südfrankreich mit dem im Sturmtempo: Schneider und ein paar Nachbarn gründe- Golfe du Lion. Der korrumpierte Begriff «Offshore» bekommt ten die IG Wind, machten unterstützt vom Ökozentrum so unversehens eine andere, positive Bedeutung: Windparks Langenbruck Windmessungen auf dem Gäbris-Gipfel und im Meer, in Küstennähe, mit Rotorblättern von 100 Metern merkten rasch: Hier auf dem Chürstein wäre der ideale Länge sind die Wind-Zukunft. Doch auch in der Schweiz Ort, weil die Gäbris-Nordflanke den Westwind gleichsam könnte an den besten Orten, so im Jura, die «Windernte» mit kanalisiert. Von den ersten Messungen 1991 bis zum Bau Nordeuropa mithalten, schreibt die Lobby-Organisation im Herbst 1995 dauerte es vergleichsweise kurze fünf Jahre; Suisse-Eole. Das sieht Heini Schneider ähnlich: «Sonnen- und die Initianten organisierten sich in der Appenzellischen Windstrom ergänzen sich; bei Schönwetter und im Sommer Vereinigung zur Förderung umweltfreundlicher Energien, Sonne, bei Schlechtwetter und im Winter Wind.» Die Schweiz die bis heute das Windrad und weitere Stromprojekte be- habe international Vorteile dank ihrer Speicherseen, die treibt, bezogen Nachbarn, Behörden und Verbände früh mit sich mit Billigstrom aus überschüssiger Solar- oder Wind- ein – und brachten das Projekt ohne Einsprache durch. elektrizität füllen lassen. Das wundert Heini Schneider noch heute: «Vermutlich lag Damals, Ende Oktober 1995, war schon der zweite es daran, dass niemand, auch wir selber nicht, so ganz Betriebstag ein Rekord: fast 1000 kWh an einem einzigen damit gerechnet hat, dass sie überhaupt bewilligt wird.» Wenn Tag, bei Sturmwinden von neun Metern pro Sekunde. Heute er vom Windrad spricht, dann meist in der weiblichen Form. jedoch bleibt es nach dem Hagelsturm bei Windstärken von etwa drei Metern die Sekunde, das Rad dreht gemäch- Der Kanton plant die Windzukunft lich flappend seine Kreise. «Das Wetter erkennt man am Der Westwind hat inzwischen den Himmel blankblau gefegt, Winde wie den Herrn am Gesinde», steht auf der Infotafel die Rotoren haben sich in die optimale Windposition auf dem Chürstein. bewegt und drehen regelmässig, mit flappendem Geräusch. Peter Surber, 1957, ist Saiten-Redaktor. Heini Schneider kontrolliert im kleinen Windhäuschen und stellt fest: Noch produziert sie keinen Strom, der Wind ist zu schwach. «Dein Rad dreht ja nicht!» Den Satz be- komme er von Wanderern bis heute öfter zu hören. Dann UNTER STROM
22 Das erhoffte Bohr-Wunder In Zeiten der Energiewende hat in St.Gallen die Geothermie einen unwahrscheinlich hohen Stellenwert. Im thurgauischen Etzwilen ist es total umgekehrt. von Harry Rosenbaum Saiten 05/2013 Richtig laut wird es im St.Galler Sittertobel erst, wenn das spannung und Nervosität bedeutet dieses Projekt schon», Openair los röhrt, vom 27. bis 30. Juni. Der Bohrer, der gibt Huwiler zu. Über den Bohrverlauf sei er bis jetzt aber sich jetzt in den Grund des Geländes frisst, ist dagegen nur äusserst zufrieden. ein Wispern. Die Wühlerei soll kurz vor dem rockigen Monsteranlass ein Ende haben. Dann hofft man, in 4000 Akzeptanz oder 4500 Metern auf das vermutete heisse Wasser ge- Wird man im Erdenschlund auch wirklich heisses Wasser stossen zu sein. Zunächst ist das Szenario noch wenig spek- finden? Dafür will Huwiler die Hand noch nicht ins takulär, trotzdem wirkt die Baustelle aber wie ein Magnet. Feuer legen. Aber höchstwahrscheinlich werde man schon Über 200 Führungen habe es seit dem Beginn der Bohrung drauf stossen, die Vorausabklärungen stimmten diesbe- am 4. März schon gegeben, sagt Projektleiter Marco züglich sehr zuversichtlich. Die Sache habe schon auch etwas Huwiler. Mit diesem Ansturm habe man nicht gerechnet. Pionierhaftes, meint er, eine normale Baustelle sei das Es kämen Leute aus der Stadt, der Region, der Schweiz sicher nicht. Solche Tiefenbohrungen würden in der Schweiz und auch aus dem Ausland. schliesslich das erste Mal durchgeführt. «Ich fühle mich Der Diamantbohrer frisst sich bis zu acht Meter dabei absolut sicher», sagt der Projektleiter, «wir arbeiten pro Stunde in die Tiefe, in der laufenden zweiten Bohr- transparent, der Bürger ist ein Teil des Projektes. Deshalb sektion sogar in schrägem Winkel. Hundertvierzig Grad haben wir auch diese hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.» oder noch heisser soll das gesuchte Wasser sein, das, einmal heraufgepumpt, rund die Hälfte der St.Galler Haus- Kritik halte beheizen wird. Je nachdem wie heiss im Untergrund Davon weit entfernt ist man im Thurgau. Auf einem früheren gekocht wird, könnte mit dem Wasser zusätzlich noch Strom Bahngelände am Dorfrand von Etzwilen in der Gemeinde erzeugt werden. Für die Nutzung der Geothermie steht ein Wagenhausen will die Geo Energie Suisse AG für hundert vom Volk bewilligter Rahmenkredit von 159 Millionen Millionen Franken ein Geothermiekraftwerk bauen, das Franken zur Verfügung. Das verpflichtet. «Eine gewisse An- rund 6000 Haushalte mit Strom versorgen soll. Das Dorf und UNTER STROM
23 das benachbarte historische Schaffhauser Städtchen Stein aus dem Elsass und aus Australien angeschaut. Beim Stimu- am Rhein sind aufgeschreckt und melden Widerstand an. lieren wird es keine spürbaren Erschütterungen in der Erde geben. Wir haben absolut keine Bedenken, dass unsere Erdbeben Bohrungen in Etzwilen irgendwelche negativen Auswir- Die Vorgänger-Firma der Geo Energie Suisse hatte 2006 kungen haben werden.» durch Geothermie-Bohrungen im Rahmen des Erdwär- meprojektes «Deep Heat Mining» im Basler Stadtteil Klein- Begleitgruppe hüningen mehrere Erdbeben ausgelöst, die an Hunderten Die Geo Energie Suisse will ab 2020 in Etzwilen Strom von Häusern Schäden in zweistelliger Millionenhöhe verur- produzieren. Das Unternehmen hat für die Tiefenbohrungen sachten. Bei der Erdwärmebohrung sollte Wasser in fünf und den Kraftwerkbau die Schaffung einer Begleitgruppe Kilometer Tiefe verpresst werden, wo es durch die dort herr- versprochen, in welche sich die betroffene Bevölkerung mit schenden höheren Temperaturen aufgeheizt worden wäre. ihren Sorgen und Wünschen einbringen kann. Laut Meier Dabei wurde das petrothermale und nicht das erprobtere werden jetzt die Planung und das Bewilligungsverfahren für hydrothermale Verfahren wie im Sittertobel angewandt. Das das Projekt, wozu auch eine Umweltverträglichkeitsprü- Basler-Projekt ist eingestellt und die Firma liquidiert wor- fung gehört, vorangetrieben. Beim Betrieb des Kraftwerkes den. Das neugegründete Unternehmen hält jedoch am alten könne es schon passieren, dass zeitweise eine Dampfwolke Ziel fest: Strom und Wärme aus tiefengeothermischen entstehe, meint er. Um einen Versuchsbetrieb handle es sich Energiequellen zu gewinnen. Diese sollen als erneuerbare in Etzwilen aber eindeutig nicht. Die Anlage würde trotz Quellen in der Schweiz etabliert werden, zur sicheren, der hohen Investitionen rentieren. Die anderen Bedenken der wettbewerbsfähigen und klimafreundlichen Energiever- Kritiker weist der CEO von Geo Energie Suisse zurück. sorgung. Das petrothermale Verfahren kommt auch in Aktionäre der Geo Energie Suisse sind sieben öffentlich- Etzwilen zur Anwendung, in Ermangelung von Wasser im rechtliche Energieunternehmen, darunter die Elektrizi- Untergrund. Um die Seismik nicht erneut herauszu- tätswerke der Stadt Zürich (EWZ) und die Westschweizer fordern, will Geo Energie Suisse dabei auf das Aufbrechen EOS-Gruppe. grosser Gesteinsschichten wie seinerzeit in Basel ver- zichten. Im Thurgau soll «stimuliert» vorgegangen werden, Euphorie das heisst, die natürlichen Risse im Gestein sollen für München ist zurzeit die führende Geothermiestadt. In 3000 die Wasserdurchlässigkeit nicht aufgebrochen, sondern Metern Tiefe gibt es 140-grädiges Wasser. Bis 2040 ist lediglich erweitert werden. geplant, die Fernwärme für die Haushalte und Unternehmen Saiten 05/2013 Das Verfahren unterscheide sich aber nicht wirk- der Millionenmetropole zu hundert Prozent aus erneuer- lich von dem in Basel, meinen viele Dorfbewohnerinnen baren Quellen, vornehmlich aus der Tiefengeothermie, zu und –bewohner von Etzwilen und gehen auf die Barrikaden. gewinnen. Einige Heisswasserkraftwerke sind bereits Die «Gruppe besorgter Etzwiler» will das Kraftwerk um in Betrieb. Die Geothermie in Deutschland ist in einigen alles in der Welt verhindern. Regionen aber auch in Verruf geraten, weil es bei den Bohrungen respektive beim Betrieb geothermischer Anlagen Fragenkatalog zu Erdbeben, Überschwemmungen und Anhebungen Geo Energie Suisse stellte sich in zwei Infoveranstaltungen, des Bodens kam. am 20. Februar und am 26. März, Fragen aus der Bevöl- In der Schweiz hat die Geothermie einen Wunder- kerung. Vieles blieb aber unbeantwortet und die Bedenken glauben ausgelöst. In der Energiestrategie des Bundesrats wurden nicht ausgeräumt, heisst es bei der «Gruppe be- wird damit gerechnet, dass 2035 Geothermieanlagen bereits sorgter Etzwiler». Ein Fragenkatalog verlangt Klarheit: über 1,4 und 2050 4,4 Terawattstunden jährlich liefern. Noch die Fördertechnik, das Entstehen einer Dampfwolke beim euphorischer sind die beiden Parlamentskammern: Gegen Betrieb des Kraftwerks, Einsprachemöglichkeiten der Bevöl- den Willen der Landesregierung ist die Motion von FDP- kerung und wer für den möglichen Minderwert von Lie- Ständerat Felix Gutzwiller überwiesen worden, die verlangt, genschaften in der Umgebung des Kraftwerks aufkommt. dass der Bund schweizweit ein Programm zur Erkundung Bis Redaktionsschluss sind bei den besorgten Etzwilern des Untergrundes aufgleist und finanziert. Eine solche Bohr- noch keine Antworten eingetroffen. offensive würde über eine Milliarde Franken kosten. Aller- René Bein von der Oppositionsgruppe sagt klar: dings zeigen bis jetzt die grossen Energiekonzerne erst mäs- «Wir sind nicht grundsätzlich gegen Geothermie. Aber siges Interesse an der Geothermie. aufgrund des bisherigen Auftretens der Geo Energie Suisse Harry Rosenbaum, 1951, ist freier Journalist. und ihrer Informationspolitik sind wir überzeugt, dass dies die falsche Firma mit der falschen Methode am falschen Ort ist. Daher lehnen wir das Projekt entschieden ab. In Etzwilen handelt es sich um eine reine Versuchsbohrung. Hundert Millionen Franken kosten die Bohrungen und der Bau des Kraftwerkes. Aber lediglich 6000 Haushalte sollen mit Strom versorgt werden. Das rechnet sich un- serer Meinung nach nicht.» Der CEO von Geo Energie Suisse, Peter Meier, be- schwichtigt: «Wir haben eine Studie zu unserem verfei- nerten Verfahren gemacht und dabei viele Daten aus Basel, UNTER STROM
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