www.aaku.ch Juni 2018 Nr. 16 - Aargauer Kulturmagazin

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       Juni 2018
         Nr. 16

     EINBEZIEHUNG

 Das gewohnt schräge
    Figura Theater­-
festival in Baden bietet
     Kultur für alle

       EINBLICK

     Szenekenner
   Leo Niessner im
Interview zur hiesigen
   Musik­industrie

      EINZIGARTIG

Der Boswiler Sommer
    besticht durch
  seine Klassik und
     Atmos­phäre
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DI.    15. MAI 2018 HAMLET
                                                                              ALTE REITHALLE, AARAU

                                                   MI.    16. MAI 2018 KING CHARLES III
                                                                              ALTE REITHALLE, AARAU

                                                   MO. 22. OKT 2018 VATER
                                                   MI. 14. NOV 2018 LEHMAN BROTHERS —
                                                                    AUFSTIEG UND FALL EINER DYNASTIE
                                                   DO. 29. NOV 2018 CAFETERIA
                                                   DI.     11. DEZ 2018 TOD EINES HANDLUNGSREISENDEN
                                                   MO. 14. JAN 2019 EIN BRAUTKLEID AUS WARSCHAU
                                                   DO. 14. FEB 2019 DIE MAUSEFALLE
                                                   MI. 27. FEB 2019 URSUS & NADESCHKIN
                                                   DO. 28. FEB 2019 URSUS & NADESCHKIN
                                                   FR.     1. MÄR 2019 URSUS & NADESCHKIN
                                                   DI. 26. MÄR 2019 THE WHO AND THE WHAT

                                                   NÄHERE ANGABEN ZU DEN EINZELNEN          VORVERKAUF EINZELKARTEN IN
                                                   STÜCKEN UNTER:                           DER ALTEN REITHALLE:
                                                   www.theatergemeinde.ch                   www.tuchlaube.ch oder
                                                                                            aarau info, Metzgergasse 2, 5000 Aarau

                                                   VORVERKAUF EINZELKARTEN IM               ABO-BESTELLUNG BIS
                                                   KUK AB 1.9.2018:                         31. JULI 2018 AN:
                                                   www.theatergemeinde.ch oder              Ursula Lehner
                                                   aarau info, Metzgergasse 2, 5000 Aarau   Delfterstrasse 38, 5004 Aarau
                                                   Tel. 062 834 10 34 oder                  Tel. 062 822 28 77 oder
                                                   mail@aarauinfo.ch                        abo@theatergemeinde.ch

Istvan Balogh
«Konfabulation»

Kunstraum Baden
29. April bis 7. Juli 2018
Haselstrasse 15, 5400 Baden, Eingang: Bahnhof West – Toreinfahrt Regionalwerke
+41 56 200 84 48, kunstraum@baden.ch, wwwkunstraum.baden.ch
Öffnungszeiten: Mi bis Fr 14-17 Uhr, Sa & So 12-17 Uhr, Eintritt frei
www.aaku.ch Juni 2018 Nr. 16 - Aargauer Kulturmagazin
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                             Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                     Editorial

                                         Gelebte Vielfalt
                                         «Unus pro omnibus, omnes pro uno» – das berühmte Zitat aus Alexandre Dumas’
                                         «Die drei Musketiere» ist so etwas wie das traditionelle Motto der Schweiz. Schliess­
                                         lich steht es auf der Glaskuppel des Bundeshauses. Einer für alle, alle für einen, also.
                                         Ein­facher gesagt als getan, denn in einer pluralistischen Gesellschaft bedarf es dafür
                                         einer offenen Haltung gegenüber vermeintlich fremden Perspektiven. Es bedingt
                Philippe Neidhart        Solidarität und Respekt. Kulturelle Beiträge sind ein geeignetes Mittel, um das Anders­
                          Redaktor       artige zu thematisieren, das Unangepasste in den Fokus zu rücken und Lust auf
         philippe.neidhart@aaku.ch       Toleranz zu schaffen.

                                         Ein gutes Beispiel hierfür ist das Label «Kultur inklusiv» – damit zeigen Veranstalter*­
                                         innen, dass sie für einen möglichst hindernisfreien Zugang zu ihren Angeboten stehen
                                         und sich für die kulturelle Teilhabe aller Menschen einsetzen – auch jenen mit Beein­
                                         trächtigung. Zum ersten Mal trägt das vom 12. bis 17. Juni auf den Badener Strassen
                                         und Bühnen stattfindende Theaterfestival Figura dieses Label und verstärkt damit den
                                         Fokus auf das Publikum. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie von Kristin T. Schnider,
                                         welche Darbietungen Sie auf keinen Fall verpassen sollten.

                                         Das Motto der Musketiere haben sich auch die Aargauer Festivalveranstalter*innen zu
                                         Herzen genommen und ein Forum für verstärkte Zusammenarbeit ins Leben gerufen.
                                         Durch die Vernetzung kann ein individuelles Programm auf die Beine gestellt und
                                         dafür gesorgt werden, dass für jede*n etwas Passendes dabei ist. An dieser Stelle
                                         sei ein Dank an die unzähligen freiwilligen Helfer*innen ausgesprochen, die Jahr für
                                         Jahr unzählige Stunden Arbeit auf sich nehmen, um für unvergessliche Momente zu
                                         sor­gen. Weshalb solche nichtkommerzielle Festivals für lokale Bands wichtig sind,
                                         erfahren Sie im Interview mit dem Musiker und Szenekenner Leo Niessner im Magazin­
                                         teil dieses Hefts.

                                         In diesem Sinn: Lassen Sie sich auf das Ungewohnte ein, wagen Sie einen Blick über
                                         den Mainstreamtellerrand, und geniessen Sie die Vielfalt der Aargauer Kultur.
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ODEON BRUGG                                                                          VORSCHAU HERBST:
                                                                                      VORSCHAU
das Kulturhaus beim Bahnhof                                                          21.09.2018 Taubitz/Dobler Swing Quar-

CINEMA                BÜHNE                    BAR Sommeröffnungszeiten
                                                                                      HERBST
                                                                                     tett
                                                                                     22.09.2018 Crazy Diamond
Info 056 450 35 65    Vorverkauf               Mo – Do      17.30 – 23 Uhr
Tickets               Mo – Fr ab 13 Uhr        Freitag      17.30 – 24 Uhr           19.10.2018 The Creole Clarinets
odeon-brugg.ch        Sa + So ab 10 Uhr        Samstag      14 – 24 Uhr
                                               Sonntag      14 – 21 Uhr
                                                                                     02.11.2018TAUBITZ/DOBLER
                                                                                 21.09.2018     20 Jahre Salzhaus   Special
                                                                                                                 SWING  QUARTETT
                                                                                     Concert CRAZY DIAMOND
                                                                                 22.09.2018
                                                                                     23.11.2018THE
                                                                                 19.10.2018     Wawau    Adler
                                                                                                    CREOLE     Group Sandor
                                                                                                            CLARINETS
                                                                                     Roy
                                                                                 02.11.2018    20 JAHRE SALZHAUS SPECIAL

                       OdeOn
                                                                                     30.11.2018CONCERT
                                                                                                8 x 15, 8 Bands je 15 Minuten
                                                                                 23.11.2018       WAUWAU ADLER GROUP SANDOR ROY

                       garten
                     Wir eröffnen unseren Garten und laden Sie
                                                                                 30.11.2018       8 x 15, 8 BANDS JE 15 MINUTEN

                         herzlich ein, mit uns den Sommer
                                    zu geniessen.

                  KonFi tenSMann                                   KolleKte
                                                                                 www.salzhaus-brugg.ch
          27.05   Wahrscheinlich die romantischste kalifornisch-   19 Uhr
                  zürcherische Americana-Band der Schweiz

                  denniS KiSS & the SleeperS                       KolleKte
          08.06   Frisches Indie Folk Quintett aus Baden,          20 Uhr
                  nun mit neuer EP im Gepäck

                  hinterWäldler                                    KolleKte
          10.06   Singen drüstimmig Country und Folksongs, aber 15 Uhr
                  uf Mundart. Herzschmerz, Schnaps und Vieh
                                                                                                     Aarauerstrasse 26 I 5200 Brugg
                  VeSte                                         KolleKte
          16.06   Ist das Resultat von Singer-Songwritertum mit
                                                                20 Uhr
                  Synthklängen, Drummachines und Reduziertheit

                  WM: SchWeiz–braSilien                                                    WOR LD
                                                                 eintritt Frei
          17.06   Bei schönem Wetter im Garten auf der
                  Leinwand mit feinem Mojito                     20 Uhr                    «BAHUR GHAZI‘S PALMYRA BIDAYA»
                  WM: SchWeiz–Serbien                            eintritt Frei             So 03. Juni | 19 Uhr
          22.06   Bei schönem Wetter im Garten auf der
                  Leinwand mit kühlem Sliwowitz                  20 Uhr
                                                                                           Mit «Bidaya» verbinden Bahur Ghazi und sein helveti-
                  WM: SchWeiz–coSta rica                         eintritt Frei             sches Quartett sagenhafte Antike und schmerzliches
          27.06   Bei schönem Wetter im Garten auf der
                  Leinwand mit erfrischendem Daiquiri            20 Uhr                    Heute zu beeindruckenden Klanglandschaften – stets
                                                                                           mit einem hochaktuellem Bezug, der weit über die
    ten-
Plat fe        Sheep on the Moon                                   KolleKte                althergebrachten Klischees von 1001 Nacht hinaus-
  taU    30.06 Die Songs von Sheep on the Moon oszillieren
                  zwischen Americana, Folk, Blues und Rock.        21 Uhr                  weist.
                                                                                           www.dampfschiff brugg.ch

                                                                                           Hol dir deinen kostenlosen World-Drink!

                  OdeOn air
                                                                                           Ausschneiden und mitbringen! (gültig am 03.06.18)
                                                                                           www.facebook.com/dampfschiff kultur

                              7. – 22.Juli 2018

                                   FILMPERLEn                                                                         KUNST & APÉRO
                                    KuLInARIK
                                   GARtEn-BEIz                                                                        JEDEN DONNERSTAG
                                                                                                                      16.45 – ca. 21.45 Uhr
                                                                                 Aarauerstrasse 96a
                                                                                 CH-5200 Brugg
                                                                                 galerie@immaginazione.ch             BEGEGNUNGEN,
                                                                                 www.immaginazione.ch                 KUNST UND SEIN
www.aaku.ch Juni 2018 Nr. 16 - Aargauer Kulturmagazin
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                         Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                        Inhalt

                                                            VORSCHAU

                                                      Figura für alle 6
         Das Theaterfestival Figura präsentiert auf den Badener Bühnen,
Plätzen und Strassen gesellschaftspolitische Stücke mit Publikumsfokus

                                                                            MAGAZIN

                                                                            20 Weshalb die meisten Menschen Mainstreammusik
                                                                                hören und wo die Digitalisierung für junge Bands
                                                                                eine Chance bieten kann
                                                                                Der Musiker, Journalist und Labelgründer Leo Niessner (Bild)
                                                                                spricht im Interview über die Vorzüge von kleinen Festivals und
                                                                                die Kommerzialisierung in der hiesigen Musikbranche.

                                                  Boswiler Sommer 9
            Sanfte Wechselwirkung zwischen Natur und Konzertraum

                               «Das Leben ist kein Ponyhof» 9
                  Der Schweizer Generalstreik im Kunstmuseum Olten

                          Wütend-melancholische Sensation 10
                                        Das Friends Fest im Kiff in Aarau

                                Musizieren mit Freund*innen 10
  Die 13. Ausgabe des SOLsberg-Festivals zelebriert die Kammermusik

                 Ein Feuerwerk pianistischer Virtuosität 11
                            Tigran Hamasyan im Badener Merker-Areal         24 Aargauer Festivalforum
                                                                                Lukas Renckly über die regionale Festivalkultur
                                                «Atmosphären III» 11
            Musikalische Collage in neun Teilen von Stephan Diethelm        25 Hier spielt die Musik
                                                                                Die Aargauer Festivals im Überblick
                                    Pädagogisches Tanzprojekt 12
                          «Kopfüber» in der Klosterkirche Königsfelden      26 Olga Tucek
                                                                                Kolumne
                        Monumentalwerk der Weltliteratur 12
     Lesung und Gespräch mit Péter Nádas im Aargauer Literaturhaus          26 Backstage
                                                                                Von Patti Basler
                                                       Familienseite 13
                                                                            27 Das Objekt
                                                      Kultursplitter 15         Sammlerstücke von Rudolf Velhagen

                                                           Filmtipps 17     27 Arashs Welt
                                                                                Kolumne
                                                            Hörtipps 18
                                                                            28 Tour de Kaff
                                                            Lesetipps 19        Nächster Halt: Murgenthal

                                                                            AGENDA

                                                                            30	Kultur im Aargau auf einen Blick
                                                                                Veranstaltungen im Juni

                                                                            Cover: «Sweet Home, sans états dʼâme» von Théâtre La Licorne.
                                                                            Foto: Christophe Loiseau
www.aaku.ch Juni 2018 Nr. 16 - Aargauer Kulturmagazin
TEXTE KRISTIN T. SCHNIDER | FOTO ANSSI JOKIRANTA

   Alles inklusive
BÜHNE Sechs Tage lang gehört Baden den 36 Inszenierungen des Figura Theaterfestivals
        mit Highlights aus der nationalen und internationalen Figurentheaterszene.
       Neu ist, dass mit dem Label «Kultur inklusiv» der Einbezug von Menschen mit
                             Beeinträchtigungen verstärkt wird.

   Im Juni entfaltet sich auf Strassen und Bühnen die lebhafte      zieht ein leiser Hauch des Makabren das Programm des
   Pracht einer Theaterform, die sich weit hinausgehend über        diesjährigen Festivals. Seite an Seite mit heiteren Stücken
   den «Chaschperli», mit dem sie noch allzu oft assoziiert wird,   sind Aufführungen anzutreffen, die nicht minder verspielt
   schon immer einer breiten Öffentlichkeit zugewandt hat, un­      existenzielle Fragen nach Zugehörigkeit, Flucht, Macht und
   abhängig von Alters- oder jeder anderen «Klasse». Stimmig        Manipulation nahebringen und so den Anspruch, dass Thea­
   also, dass ein Amuse-Bouche als Hinweis auf kommende             ter auch gesellschaftspolitisch anregend sein soll, erfüllen.
   Theaterfreuden bereits auf dem Badener Samstagsmarkt am          Der dem Festival eigene und schon immer gewichtige Fokus
   9. Juni aufgetischt wird. An einem der Marktstände wird eine     aufs Publikum wird durch verstärkte Inklusivität erweitert:
   verrückte Metzgerfamilie – es sind die Baculs der belgischen     Niemand soll wegen einer Beeinträchtigung von der Teil­
   Gruppe Pikz Palace – ihre bizarre Ware unzimperlich vor Ort      nahme am Kulturgenuss, der doch zum «normalen» Leben
   mundgerecht herrichten und verkaufen. Überhaupt durch­           zählt, ausgeschlossen sein.

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Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                              Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                   Vorschau

                                         «Meet Fred»

                                                                                                                   FIG UR A
                                         Was, bitte, heisst denn                                                          ER­
                                                                                                                  THE AT
                                         hier «normal»?                                                                    AL
                                                                                                                   FE S TIV den        a
                                                                                                                            Juni in B
                                         Die inklusive Theatergruppe Hijinx aus Wales                              12.–17.            t al.ch
                                                                                                                                       iv
                                                                                                                             ura -fes
                                         bringt in Zusammenarbeit mit dem Figurenthea-                             w w w.fig
                                         ter Blind Summit die kauzige, schnauzige, aber
                                         unglaublich liebenswürdige Stoffpuppe Fred in
                                         Schwierigkeiten.

                                         Aus einer Schachtel geholt und sorgfältig aufgestellt steht er da. Im Rampenlicht.
                                         Er weiss, er ist eine Puppe. Er heisst Fred, und was jetzt beginnt, ist seine Show.
                                         Aber eigentlich möchte er ein ganz normaler Typ sein, einer mit einem Job und einer
                                         Freundin. Für eine nackte Puppe ohne Gesicht ist das schon schwierig genug. Als
                                         Fred befürchten muss, dass seine Puppenzusatzleistungen reduziert werden, gerät
                                         seine Welt völlig aus den Fugen, denn das heisst, dass einer seiner drei Puppenspieler
                                         ausfallen würde und Fred sich nicht mehr richtig bewegen könnte.
                                             Hijinx, eine Gruppe von Schauspieler*innen mit und ohne Beeinträchtigungen,
                                         hat zusammen mit Blind Summit das Stück «Meet Fred» auf der Basis der japanischen
                                         Bunraku-Puppenspieltechnik entwickelt, in der die Puppe von drei sichtbaren Spie­
                                         ler*innen bewegt wird. Fred und seine menschlichen Mitspieler*innen stellen mit viel
                                         Schalk und Getöse, aber auch sehr leisen Zwischentönen so spielerisch wie gnadenlos
                                         existenzielle Fragen in den Raum.

                                         BADEN Alte Schmiede
                                         Di, 12. Juni, 20.30 (Festivaleröffnung)
                                         Mi, 13. Juni, 21 Uhr

                                          Existenziell: Ohne Puppenspieler*innen kein Fred. Foto: Tom Beardshaw

                                                                                                                                  7
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Vorschau                       Juni 18 Aargauer Kulturmagazin

            «Weisst du was? Dann tanze jetzt!»

            Und wir tanzen alle
            für das liebe Leben
            Sie tanzt den Tanz aller Kreaturen, die kleine Grille in ihrer
            Not. Unter dem strengen Blick der Ameise stellt sie sich
            für ein Krümelchen Brot buchstäblich auf den Kopf, denn
            vor lauter Singen und Zirpen hat sie vergessen, für den Win­
            ter vorzusorgen. Wird sich die Ameise erweichen lassen?
                Ilka Schönbein inszeniert mit ihrer Umsetzung und
            Erweiterung der Fabel von der fleissigen Ameise und der
            verspielten Grille in ihrer unnachahmlichen Art den Tanz
            ums nackte Leben.
                Steppen und zappeln wir nicht alle, um jenen zu gefal­
            len, von denen wir abhängig sind? Vom Fisch im Netz über
            das Küken in der Masthuhnanlage bis hin zur Schnecke,
            die mehr als eine feuchte Spur hinterlassen möchte, tanzt
            jede Kreatur auf ihre eigene Weise um die Existenz, sagt
            Schönbein und nimmt sich selbst nicht aus. Und wie sie
            tanzt, die Puppenspielerin und Schöpferin ihrer Figuren, mit
            denen sie gemeinsam um die Gunst des Publikums buhlt,
            um des Überlebens willen: Nur eine Minute noch, noch eine
            kleine Ewigkeit, nochmals, nochmals …

            BADEN Nordportal
            Mi, 13. Juni, 20 Uhr                                              Tanzen um des Überlebens willen: Figurenspielerin
                                                                              Ilka Schönbein mit ihrer Puppe. Foto: Marinette Delanne

                                                                             «Much Ado about Nothing»

                                                                             Wie kann man denn
                                                                             noch Shakespeare
                                                                             spielen!
                                                                             Der katalanische Künstler David Espinosa interessiert sich
                                                                             viel mehr für die Möglichkeiten des Theaters jenseits der
                                                                             traditionellen Erzählweise als für die Klassiker. Aber Shake­
                                                                             s­peare ist dennoch einer der grössten Theaterautoren,
                                                                             und auf kaum einen anderen wird so oft verwiesen wie auf
                                                                             ihn. Warum also nicht gleich sein Gesamtwerk aufführen?
                                                                             Espinosa erweist ihm die Ehre mit Hunderten von Spiel-,
                                                                             Action- und Tierfiguren, deren Schatten in einem deliriösen
                                                                             Spiel von Lichteffekten, Musik und Geräusch über die Wände
                                                                             tanzen und das Publikum in das shakes­pearesche Univer­
                                                                             sum mit seinen grossen und zeitlosen Erzählungen von
                                                                             Liebe, Leidenschaft, Begierde, Krieg und Tod entführen.

                                                                             BADEN Druckerei
                                                                             Mi, 13. Juni, 17 Uhr
                                                                             Do, 14. Juni, 18.30 Uhr

Deliriös: Shakespeares Gesamtwerk
in 50 Minuten.
             8 Foto: David Espinosa
www.aaku.ch Juni 2018 Nr. 16 - Aargauer Kulturmagazin
Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                      Vorschau

            Ein Sommer ohne Sorgenfalten
            KLASSIK Um ein schönes Motto ist der Boswiler                       und viele weitere Mitstreiter*innen werden das Boswiler
            Sommer nie verlegen. Der diesjährige lockt mit                      Motto «Sans Souci» mit Werken unter anderen von Zem­
            «Sans Souci».                                                       linsky, Pärt, Bach, Friedrich dem Grossen, Schumann,
                                                                                Beet­hoven und den Beatles (!) so verlebendigen, dass sich
            Fehlt einem nicht etwas bei diesem «Sans
            Souci»? Stünde man im Park von Potsdam
            ganz bestimmt. Dann hätte man Sanssouci vor
            Augen, das Sommerschloss des preussischen
            Königs Friedrich II. Im Juli werden wir uns aber
            nicht in Potsdam, sondern in Boswil befinden.
            Dort gibt es keinen Park, dafür die Alte Kirche
            und so viel Umschwung, dass einem «Erwa­
            chen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem
            Lande» nichts im Wege steht. Dazu passt das
            Motto «Sans Souci» ausgezeichnet, verheisst
            es doch eine vom Landleben und von Sorgen­
            freiheit inspirierte Musik. Und wir, die wir sie
            hören, lassen uns von ihr gerne bezaubern.
            Nicht zuletzt deshalb, weil wir hoffen, dass un­
            sere Sorgenfalten im Gesicht verschwinden und
            einer wolkenlosen Heiterkeit Platz machen.
                 Wo beginnen? Mit «Walk & Wonder». Von
            9 bis 17 Uhr darf man wandern und sich
            wundern – zum Beispiel über das musikalische             Der junge albanisch-griechische Geiger
            Intermezzo in der Kloster­k irche oder bei den           Jonian-Ilias Kadesha beglückt den Boswiler
                                                                     Sommer. zvg
            einstigen Strohbaronen in der herrschaftlichen
            Villa Isler in Wohlen. Wundern darf man sich
            aber auch weiterhin; etwa über die Festival Artists Sophie             wohl das einstellt, was Andreas Fleck, Leiter des Boswiler
            Klussmann (Sopran) und Jonian-Ilias Kadesha (Violine). Sind            Sommers, anstrebt: «Die Klänge im Konzertraum und die
            Sie jetzt förmlich elektrisiert? Dann denken Sie sicher an das         Natur draussen gehen eine sanfte, aber unwiderstehliche
            letzt­jährige Konzert mit Astor Piazzollas «Die vier Jahres­           Wechselwirkung ein, die das Erleben von Konzerten zu ein­
            zeiten». Da agierte der albanisch-griechische Musiker als              zigartigen Geschehnissen werden lassen.» Von Elisabeth Feller
            «Teufels­geiger», der jede Klangschattierung ausnutzte –
            vom klappernden, kratzenden Geräusch bis zur gesang­
            lichen Melodielinie. Dass er auch ganz anders kann, bewies             BOSWIL Künstlerhaus
            Kadesha mit einer ergreifend schlichten Bach-Zugabe. Er                Boswiler Sommer: 30. Juni bis 8. Juli

                                                     «Das Leben ist kein Ponyhof»
                                                     KUNST Wir schreiben das Jahr 1918, die Schweiz steht am Rande des Bürger-
                                                     kriegs – die Lebensmittel sind knapp, die Löhne tief. Der Führungsstab der Arbeiter­-
                                                     schaft, das Oltener Aktionskomitee, ruft den Generalsteik aus. Ausgehend vom
                                                     100-Jahr-Jubiläum dieses prägenden Ereignisses beschäftigt sich die Sommer­
                                                     ausstellung «Das Leben ist kein Ponyhof» mit dem Bezug der Kunst zur Arbeit,
                                                     der industriellen Fertigung und des Handwerks. Dabei werden Projekte von zeit­­ge­
                                                     nössischen Kunstschaffenden mit Werken aus der Sammlung kombiniert. phn

                                                     OLTEN Kunstmuseum
                                                     Vernissage: Sa, 2. Juni, 18.30 Uhr
                                                     Bis 19. August

Rudolf Maeglin (1892–1971): Chemiearbeiter, o. J.,
Lithografie, Kunstmuseum Olten                                                                                                                 9
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Vorschau                           Juni 18 Aargauer Kulturmagazin

Freude herrscht! Modern Life Is War spielen eines ihrer
äusserst seltenen Konzerte – in Aarau. zvg

        Ein Fest für Freunde
            SOUNDS Ein Tag, drei Bühnen und über zehn                           Feiern, dass Modern Life is War mit eindringlichen Texten,
            Bands – das Friends Fest im Kiff geht in die                        düsteren Melodien und Punkattacken als Headliner am
            vierte Runde. Mit dabei sind hochkarätige Gäste                     Friends Fest im Kiff aufspielen werden.
            aus allen Ecken der Welt und des Kantons.                               Doch damit nicht genug: Die Veranstalter von Rüebliland
                                                                                Hardcore haben sich mächtig ins Zeug gelegt und präsentie­
            Da bahnt sich eine kleine Sensation an. Eine wütend-melan­          ren während des ganzen Tages ein Lineup der Spitzenklasse.
            cholische Sensation in Form von Modern Life Is War. Gut und         Die im japanischen Osaka beheimateten Crossfaith werden
            gerne kann man sie als Ikonen des (Post-)Hardcore bezeich­          mit ihrem Mix aus mächtigen Gitarrenwänden und Trance
            nen, liessen sich doch etliche Bands aus diesem Genre von           jegliche Genremauern einreissen – ausgefallen, extrem und
            ihrem Sound inspirieren. Nur zu sehen bekommt man die               einzigartig. Oben drauf gibt es im Foyer und im Aussenbe­
            fünf Jungs aus Iowa äusserst selten. Nicht nur, weil sie sich       reich eine Menge lokaler Bands zu sehen, und natürlich ist
            2008 auflösten und erst fünf Jahre später überraschend mit          für veganes Essen gesorgt. Von Philippe Neidhart
            einer neuen Scheibe zurückmeldeten. Nein, auch Europa-­
            touren und Konzerte im Allgemeinen waren und sind noch
            immer eine Rarität. Deshalb ist es durchaus ein Grund zum           AARAU Kiff, So, 17. Juni, ab 16 Uhr

            Einmal mehr geht in Olsberg die Sonne auf
            KLASSIK Das kleine Olsberg ist für ein erlesenes Kammer­
            musikfestival wie geschaffen: SOLsberg findet dieses Jahr
            zum 13. Mal statt. Einmal etwas länger an einem ruhigen,
            schönen Ort verweilen und dort Kraft tanken, um danach im
            hektischen Konzertalltag bestehen zu können – ein Traum
            für weltweit auftretende Klassikstars. Die argentinische
            Cellistin Sol Gabetta hat sich diesen Traum in der kleinen,
            dem Aargau wie dem Baselland ebenso nahen Gemeinde
            Olsberg erfüllt. 2006 ging dort das erste SOLsberg Festival           Cellistin und Gastgeberin:
                                                                                  Sol Gabetta. Foto: Julia Wesely
            über die Bühne und zog sofort ein grosses, kammermusik­
            begeistertes Publikum von nah und fern an. Überwiegend
            finden die Veranstaltungen zwar in der Klosterkirche Olsberg        Sharon Kam, der Cellist Ivan Monighetti und das Schumann
            statt, doch das St. Fridolinsmünster im deutschen Bad               Quartett zählen, werden dem Publikum präsentieren, was
            Säckingen sowie die Stadtkirche Rheinfelden werden ebenso           sie auf ihrer Perlensuche gefunden haben – Werke unter an­
            berücksichtigt: auch sie wunderbare Spielstätten, in denen          deren von Anton Arensky, Benjamin Britten, Franz Schubert,
            Konzerte stattfinden, die so wundersame Titel tragen wie            Gabriel Fauré und Robert Schumann: Auf dass am Festival
            zum Beispiel «Widmungen an Freunde», «Melancholische                zum 13. Mal die Sonne (Sol) aufgehen möge. Von Elisabeth Feller
            Heiterkeit» oder «Liebliche Sinfonie».
                Sol Gabetta und ihr Freundeskreis, zu dem etwa der
            Pianist Bertrand Chamayou, die Geigerin Veronika Eberle,            OLSBERG Klosterkirche
            der Oboist und Komponist Heinz Holliger, die Klarinettistin         SOLsberg Festival, 8.–24. Juni, www.solsberg.ch

            10
Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                       Vorschau

           Klavier­
           derwisch aus
           Armenien
           SOUNDS Jazz sei amerikanische Musik? Das
           war einmal. Heute stürmen hoch ausgebildete
           Musiker*innen aus aller Welt die Bühnen. Und
           sie haben etwas zu sagen: zum Beispiel der
           30-jährige armenische Pianist Tigran Hamasyan.

           Wenn sich Tigran Hamasyan ans Klavier setzt, ist fast alles
                                                                              Ein Feuerwerk: Die Musik von Tigran Hamasyan. zvg
           möglich, immer aber gilt: Es ist ein Feuerwerk an pianistischer
           Virtuosität zu erwarten, eine flamboyante Performance zwi­
           schen Jazz, Rock und armenischen Rhythmen und Melodien.               Die wirkliche Heimat von Hamasyan ist wahrscheinlich
               Tigran Hamasyan stammt aus Gjumri, 120 Kilometer von          das Klavier. Es ist der Ort, wo er sich selber sein kann, wo
           Jerewan entfernt, der armenischen Hauptstadt. Als er ein          er sich austoben kann und der ihm zugleich Kraft gibt, ein
           Jahr alt ist, verwüstet ein Erdbeben seine Stadt; seit seiner     Hort der Sicherheit und des Vertrauens. Und wir Zuhörer*in­
           Kindheit lebt Armenien im Krieg mit dem Nachbarn Aser­            nen spüren das, man fühlt sich wohl in Tigran Hamasyans
           baidschan, es ist eine Kindheit im Ausnahmezustand. Aber          musikalischer Welt, er holt uns ab in unseren unterschied­
           überall ist Musik, die Grossmutter singt Volkslieder, der Vater   lichen Hörgewohnheiten und führt uns an neue Orte, wo es
           hört Classic Rock, und ein Onkel spielt Bebop. Und Tigran         unerheblich ist, ob die Musik Jazz oder Rock oder Crossover
           mittendrin lernt Klavier.                                         genannt wird.
               All das ist auch heute in seinem Spiel zu hören, die              Mit dem Konzert im wunderbaren Merker-Innenhof ist
           armenische Tradition, die furiose Kraft von Black Sabbath         dem Veranstalter Kulak eigentlich ein Geniestreich gelun­
           und Deep Purple, die glitzernde Artistik von Charlie Parker.      gen; das Wetter wird mitspielen, da sind wir uns sicher, es
           Dazu allerdings hat Tigran Hamasyan viel Eigenes hin­zu­­         kann gar nicht anders! Von Beat Blaser
           gefügt, Musik, die seine Biografie reflektiert: Aus den Trüm­
           mern von Gjumri nach Jerewan, mit sechzehn in die USA,
           nach Paris, wieder nach New York und seit er knapp erwach­        BADEN Innenhof Merker-Areal
           sen ist, als Ausnahmetalent konstant auf Tournee in vier          Fr, 8. Juni, 21 Uhr
           Kontinenten.

                                                   Atmosphärische Collage
                                                   KLASSIK 1998 und 2008 schrieb Stephan Diethelm für das 10- bzw. 20-Jahr-Jubiläum
                                                   des Kantiforums Wohlen die Musikcollage «Atmosphären». 120 Aufführende verwirk­
                                                   lichten Diethelms Vision einer musizierenden Schule. 2018 – eine Dekade später –
                                                   wird der dritte Teil gefeiert: «Atmosphären III» mit Schüler*innen und Lehrer*innen
                                                   der Kantonsschule. Der Schlagzeuglehrer und Musiker Diethelm komponierte eine
                                                   Collage in neun Teilen: Ein stilsicherer Mix unter anderem mit einem Duo für zwei
                                                   Flügel, einem Streichquartett, einem Vokalensemble, das einen Satz von Oscar Wilde
                                                   vertont, ein Jazz­ensemble, Chor und Orchester.
                                                       Stephan Diethelm – Mitglied des Aargauer Kuratoriums – ist auch begnadeter
                                                   Konzertveranstalter; in der Konzertreihe musig im pflegidach in Muri bringt er immer
                                                   wieder Jazzmusiker*innen aus aller Welt ins Freiamt. Von Corinne Rufli

                                                   WOHLEN Kantonsschule (Rondell)
                                                   So, 3. Juni, 17 Uhr und 20 Uhr

Stephan Diethelm: Komponist, Musiker, Pädagoge
und Konzertveranstalter. Foto: Marilyn Clark

                                                                                                                                        11
Vorschau                         Juni 18 Aargauer Kulturmagazin

             Die Lenzburger Jugend am Tanzworkshop von «kopfüber». Foto: Alex Spichale

           Rein ins Kopfüberland
                                                                                   Wie die einzelnen, monatelang mit Künstlerinnen und
                                                                               Künstlern der verschiedenen Sparten sowie enthusiasti­
                                                                               schen Lehrpersonen erarbeiteten Puzzleteile zusammenge­
           BÜHNE «Kopfüber» heisst das dritte pädagogische                     fügt werden, bleibt Brigitta Luisa Merkis Geheimnis. Motiviert
           Projekt von Tanz & Kunst Königsfelden, das                          und beflügelt wird die Choreografin von den Elf- und Zwölf­
           Tanz, visuelle Kunst, Wort und Musik verbindet:                     jährigen: «In diesem Alter haben sie noch eine blühende
           75 Jugendliche der Lenzburger Schule Angel­rain                     Fantasie.» Und diese wartet nur darauf, auf mannigfache Art
           machen mit.                                                         und Weise geweckt zu werden; beispielsweise im Workshop
                                                                               mit dem Schriftsteller Andreas Neeser, in Hip-Hop-Lektionen
           Kopfüber: Was für ein fantasieanregender Titel. Vielleicht          mit Patrick Grigo oder in zeitgenössischem Tanz mit Teresa
           kommen einem sogleich Georg Baselitz‘ Bilder in den Sinn,           Rotemberg und Lucía Baumgartner. «Die Jungen erfahren
           auf denen die Figuren kopfüber hängen und somit (nicht              dabei, dass es viele künstlerische Sprachen gibt», betont Bri­
           nur) optisch auf der Kippe stehen. Sie lassen wir jetzt aber        gitta Luisa Merki und verweist dann auf die Livemusik: Der
           beiseite, weil «unser» Kopfüber nicht für Kippen, sondern           Komponist und Saxofonist Christoph Huber gestaltet den
           für Neugier und Mut steht. Mutig stürzen sich im Juni               «Soundtrack» zu Bildern, die ihm Brigitta Luisa Merki vorge­
           75 Ju­gendliche im Alter von elf und zwölf Jahren der Schule        geben hat. Mit von der Partie sind überdies die Sängerin Co­
           Angelrain Lenzburg in eine Zauberwelt; in ein Kopfüberland.         rinne Huber und der Perkussionist Julian Häusermann: drei
           Wie die jungen Menschen dieses Fantasiereich erobern –              junge, inspirierende Menschen, die mit ihren Klängen für
           nämlich spielerisch leicht und mit einem Stehvermögen, bei          einen ganz neuen, zeitgenössischen «Musikteppich» in der
           dem Kopf und Hände gefragt sind – ist im dritten pädago­            Klosterkirche sorgen. Auf jeden Fall passt dieser hervorra­
           gischen Projekt zu erleben, das die künstlerische Leiterin          gend zu einer Produktion, die ihre visuell starke Umsetzung
           von Tanz & Kunst Königsfelden, Brigitta Luisa Merki, für            in vielen kopfüber vom Kirchenhimmel hängenden Bäumen
           die Klosterkirche kreiert. Die Choreografin kennt diesen            findet. Von Elisabeth Feller
           geschichtsträchtigen sakralen Raum seit der ersten Produk­
           tion 2007 in- und auswendig, und dennoch entlockt sie ihm
           immer wieder neue Spielmöglichkeiten im Zusammenklang               WINDISCH Klosterkirche Königsfelden
           von Tanz, visueller Kunst, Wort und Musik.                          Fr–Mi, 1.–6. Juni, 20.30 Uhr

                                                                 Finsteres Jahrhundert
                                                                 LITERATUR «Aufleuchtende Details» kann ohne Übertreibung als
                                                                 Monumentalwerk der Weltliteratur bezeichnet werden. Das jüngste Buch
                                                                 des 1942 in Budapest geborenen Schriftstellers Péter Nádas trägt den
                                                                 Untertitel «Memoiren eines Erzählers» und beschäftigt sich mit der
                                                                 ungeschönten Kindheit des Autors. In präzisen Momentaufnahmen –
                                                                 mal essayistisch, mal analytisch – schreibt er über das von Verrat
                                                                 und Ideologie verseuchte 20. Jahrhundert und darüber, wie Identität
                                                                 unter solchen Bedingungen wächst. Ein gleichsam persönliches wie
                                                                 zeitgeschichtliches Werk mit Tiefgang. phn

Péter Nádas liest aus seinem neusten Werk «Aufleuchtende         LENZBURG Literaturhaus
Details». Foto: Gáspár Stekovics
                                                                 So, 17. Juni, 17 Uhr

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Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                        Vorschau

Lange musikalische Nacht
SOUNDS Kein klassisches Dorffest soll es sein, es soll ein kultureller
Höhepunkt werden. Die erste «Lange Nacht der Musik» im alten Dorfkern
von Kaiseraugst bietet nicht nur für jeden musikalischen Gusto etwas,
sondern auch für jedes Alter. Auf 15 Bühnen treten über 40 Formationen
der verschiedensten Stilrichtungen auf – Pop, Jazz, Klassik und Volksmu­
sik. Die «Jungi Bühni» wartet neben der Kinderdisco am Nachmittag auch
mit einem Konzert von Gorki Gagarin, einer Newcomerband mit tanzba­
rem, schnörkellosem Sound auf. Soul, Funk and African Music bringen
Xipenda, mit Sänger Daniel Casimiro, auf die Bühne, eine Band aus Basel
mit internationalen Hintergründen irgendwo zwischen Angola und Bra­
silien. Nicole Bernegger, «The Voice of Switzerland»-Gewinnerin wird auf
ihre Fans aus TVs-Zeiten zählen können. cru

KAISERAUGST Dorfkern
Sa, 2. Juni, ab 16 Uhr                                                         Der Basler Daniel Casimiro singt mit seiner
                                                                               internationalen Band Xipenda. zvg

                                                    Flurina und Schellen­ursli
                                                     AUSSTELLUNG Wer         lein», «Zottel, Zick und Zwerg» sowie «Maurus und Madleina»
                                                     kennt ihn nicht, den    aus und machte sie erstmals einem breiten Publikum im
                                                     Schellenursli? Die      Aargau zugänglich. Das Projekt startete im August 2017 als
                                                     Illus­trationen des     Kooperation von Museum, Bibliothek, Schulen und Kultur­
                                                     Trunser Künstlers       kommission und hat seither über Buchs hinaus viele Inter­
                                                     Alois Carigiet (1902–   essierte angelockt. Die Finissage steht nun vor der Tür, ein
 «Flurina und das Wildvöglein». Foto: (c) 1971       1985) haben schon       letzter Besuch lohnt sich, denn die Leihgabe wird bald wieder
 Orell Füssli Verlag, Zürich
                                                     manches Kind ent­       ins Museum Sursilvan im Bündner Oberland gebracht. cru
                                                     zückt. Carigiet weiss
               die Bergwelt mit seinem eigenen, schroffen Stil einzufangen
               und spannungsvolle Geschichten zu erzählen.                   BUCHS Dorfmuseum
                   Das Dorfmuseum Buchs stellt 48 Originalillustrationen     So, 3. Juni, 14 bis 16 Uhr
               des Künstlers aus den Büchern «Flurina und das Wildvög­       So, 24. Juni, 14 bis 16 Uhr: Finissage

Ovid’sche Erotik und Popmusik
FESTIVAL «Sed tu praecipue curvis venare theatris: / Haec loca sunt voto fertiliora tuo. / Illic in­
venies, quod ames, quod ludere possis, / Quodque semel tangas, quodque tenere velis.» Ovid soll
hier im Original zitiert werden, da seine «Ars Amatoria» nicht ganz jugendfrei und manchmal etwas
gar sexistisch ist, und das hier ist ja die anständige Familienseite. Am Vindonissa-Festival Roots
gibt es also auch Events für Erwachsene, wie die Lesung aus Ovids erotischem und humorvollem
Ratgeber aus der Antike.
    Doch das grosse Sommerfestival offeriert auch Musik, Theater, Kunst und Kulinarik für die ganze
Familie. Am Familiensonntag wird das Figurentheater von Gustavs Schwestern «Räuber Motzus! –
Ein Kasperlitheater für zwei Spielerinnen, zehn Handfiguren und eine Wäscheleine» gezeigt. Der Star
des Tages ist jedoch Frank Powers – denn das Festival ist für den Brugger ein Heimspiel. Der 26-jäh­
rige Musiker spielt ein poppiges Potpourri. Basis sind akustische Instrumente und Sprachspielereien
in mehreren Sprachen. Mit seinem letzten Album «Laisser faire» tourte er durch halb Europa. cru

BRUGG Vindonissa Museum, 13.–17. Juni
                                                                                                            Ein Heimspiel für Frank Powers. Foto: Lukas Mäder
Programm: www.vindonissamuseum.ch

                                                                                                                                             13
Programm
                           Vorschau                        Juni 18 Aargauer Kulturmagazin
                                                                                      MUSIK
                                                                                    MUSEEN
                                                                             AUSSTELLUNGEN
                                                                                                            KIFF
                                                                                  LITERATUR

             Murikultur                                                             THEATER

             Juni                                                                                                                                        AARAU
                                                                                                            07.06                               23.06
                                                     Sonntag, 17.06.2018 → 17.00 Uhr
                                                                                                            THY ART IS                          SAISONSCHLUSS
                                                     MUSIK IN DER KLOSTERKIRCHE
                                                     Concertino versus
                                                                                     MUSIK
                                                                                                            MURDER AUS                          LATE NIGHT PARTY
             Sonntag, 03.06.2018 → 17.00 Uhr
                                                     Ripieno                                                13.06
                                                                                                                                                /W EMINISTAN
             MUSIK IN DER KLOSTERKIRCHE      MUSIK
                                                     Orchester ad astra der Schola                          THRICE US                           SOUND SISTEM
             Der Geist weht,                         Cantorum Basiliensis                                                                       24.06
             wo er will                              Amandine Beyer und Leila Schayegh –                    17.06
                                                                                                            FRIENDS FEST VOL. IV                TERROR US
             Vokalensemble Singer Pur                Leitung
             Sonntag, 10.06.2018 → 14.00 Uhr         Sonntag, 17.06.2018 → 14.00 Uhr
                                                                                                            MODERN LIFE IS                      05.10
             Donnerstag, 14.06.2018 → 14.00 Uhr      MUSEUM KLOSTER MURI             MUSEEN                 WAR US                              GUSGUS ISL
             MUSEUM KLOSTER MURI            MUSEEN   MUSEUM FÜR MEDIZINHISTORISCHE                                                              12.10
                                                                                                            22.06
             Einblick in den Alltag                  BÜCHER MURI
                                                     Besucherzentrum im Kloster Muri
                                                                                                            SAISONSCHLUSS
                                                                                                                                                UMSE D
             der Mönche                          Öffentliche                                                PHIL RUDD AUS                       07.11
             Vertrauliches aus dem Klosteralltag                                                            DRUMMER OF AC/DC
             aus dem Tagebuch von Pater Jodok    Museums-Führungen                                          23.06
                                                                                                                                                MAX LÄSSER CH
             Stirnimann.                                                                                    SAISONSCHLUSS                       24.11
                                                     Samstag, 23.06.2018 → 20.30 Uhr
             Sonntag, 10.06.2018 → 17.00 Uhr         MUSIK IM FESTSAAL
                                                     Klosterhof Muri
                                                                                     MUSIK                  LABRASSBANDA D                      GREEEN D
             MUSIK IN DER KLOSTERKIRCHE      MUSIK
                                                     Im Freien zu singen -                                  TOMPAUL CH                          07.12
             Orgelkonzert                                                                                   COLLIE HERB CH                      SHANTEL & THE
             Jürg Brunner                            Sommerserenade
             Marc Fitze                              Zürcher Sing-Akademie                                  MAMA                                BUKOVINA CLUB
                                                     Florian Helgath – Leitung                              JEFFERSON CH                        ORKESTAR D
                                                                                                            DRINKS, FOOD, FUSSBALL, PING        14.12
             Tickets & mehr Infos:
                                                                                                            PONG & DISCO
             Muri Info, Marktstrasse 4,
             Telefon 056 670 96 63
                                                                                                                                                IMPALA RAY D
             sekretariat@murikultur.ch
             www.murikultur.ch
                                                                                                                                TICKETS: WWW.STARTICKET.CH
                                                                                                                              MORE INFOS & SHOWS: WWW.KIFF.CH

                         Ueli Bichsel und Silvana Gargiulo – Nichtsnutz

                              «Schöne Momänt ...»

                                                                                                             Fünf Tage Theater,
                                                                                                             Musik und Kulinarik
                                                                                                             in Brugg

                                                                                                            13.– 15. 6. Der Brennnessel
                                                                                                                             ganz nah ist oft die Rose
                                                                                                                             Stationen-Theater
                                                                                                                             von Georg Rootering
                                                                                                            Sa, 16. 6. Live in Concert:
                                                                                                                             Meta and the Cornerstones
                                                                                                                             Support: YAEP
                                                                                                            So, 17. 6. Live in Concert:
                                                                                                                             Frank Powers

                                                                                                            www.vindonissafestival.ch

Ins.TihK_102.40x142.50-JUNI_018-RZ.indd 1                                                  15.05.18 11:23 Festival_Inserat 102x142.5mm.indd 1
                                                                                            VM_Vindonissa                                                          14.05.18 13:19
Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                  Vorschau

Im siebten Himmel                      Mantras für den Frieden                   Splätterlitheater                     Strassenkunstfestival
Seit 2006 finden auf Schloss           Die tibetisch-schweizerische              Es ist nicht weiter erstaunlich,      Das Vaduzer Städtle verwandelt
Meg­genhorn Kammermusiktage            Sängerin Dechen Shak-Dagsay               dass sich das Splätterlitheater       sich in eine einzigartige Bühne
statt. Unter dem Motto «Im             arbeitete mit Philip Glass, Isabella      Shakespeares «Titus Andronicus»       für verschiedenste Strassenkünst­
sieb­ten Himmel» kommen die vier       Rosselini und Andreas Vollen­weider       ausgesucht hat, denn für sie gilt:    ler*­innen (engl. Buskers) aus aller
dies­jährigen Konzerte wie ein         zusammen und setzt sich mit               je blutiger, desto besser. Und        Welt. Musikerinnen, Zauberer,
bunter Blumenstrauss daher: Ein        ihren Liedern und Mantras für den         wenn auf der Bühne gemordet           Fakire, Clowns und Jongleurinnen
ad-hoc-Bläserquintett, das             Frieden und die Erhaltung der tibe­       wird, dann ergiesst sich schon        werden beim dritten «Buskers» in
Fiacorda Ensemble mit Mozarts          tischen Kultur ein. Im Juni und Juli      mal ein Schwall Lebenssaft über       Vaduz das Publikum entzücken
«Kleiner Nachtmusik», das              spielt sie mit dem Zürcher Kammer­        die Zuschauerschaft. Statt in der     und überraschen. An verschie­
Quartetto Energie Nove mit             orchester, dem Jewel Ensemble und         Römischen Armee ist diese Ver­        denen Orten unter freiem Him­
Werken von Schubert bis Smetana        Gast­musikern das Konzert «Call for       sion übrigens in einem Schweizer      mel – vom Rathaus bis hin zum
und schliess­­lich das Amar Quartett   Peace» in St. Gallen (1. 6.), Zürich      Bergdorf angesiedelt.                 Liechtenstein Center – werden die
mit Fabio Di Càsola (Bild).            (9. 6.) und Bern.                                                               bunten Künste zu sehen sein.
                                                                                 WINTERTHUR Theater am Gleis
MEGGEN Schloss Meggenhorn              BERN Kursaal                              Do, 7. Juni, 20.15 Uhr                VADUZ Diverse Orte
15.–17. Juni                           So, 1. Juli, 20 Uhr                                                             2./3. Juni
www.klang.ch                           www.dechen-shak.com                                                             www.buskers.li

Kunstparcours                          Entmaterialisierung                       Auf Walfang                           Kaleidobolt
Parallel zur Art Basel lädt der        Seine Aktionen sind Legende.              Wir sagens mit Jan Delay: Du bist     Die einen Rocker lassen dich
«Parcours» mit über zwanzig orts­      Roman Signer hat die Skulptur             vielleicht ganz schön, aber du bist   schwitzen, die anderen katapul­
spezifischen Projekten zum kos­        revolutioniert und einen singulären       aus Plastik. Die Zuger Künstlerin     tieren dich in andere Sphären
tenlosen innerstädtischen Kunst­       Skulpturbegriff geschaffen: das           Patricia Jacomella ist per Contai­    und die finnischen Stoner-Jungs
spaziergang ein. Er erschliesst        Sichtbarmachen von Prozessen              ner­schiff von Genua nach Newark      Kaleidobolt machen gleich beides
diverse Innen- und Aussenräume         und die Entmaterialisierung der           gefahren und ist dabei statt Walen    auf einmal. Irgendwo zwischen
wie Höfe, Gärten, private Liegen­      Form. Trotz seiner Weltläufigkeit         nur Plastik begegnet. Ihre Instal­    Elder und Motörhead, zwischen
schaften und Kunstinstitutionen.       hat er die Verbindung zur Ost­            lation «Pequod» ist ein Ergebnis      Cream und The Atomic Bitchwax.
Bild: Marian Goodman Gallery,          schweiz nie gekappt, und auch da          dieser Reise: Eine Liegestatt aus     Bierfreudige Riffs treffen hier auf
Thomas Struth, Zebra, 2017.            Spuren hinterlassen.                      835 bio­­logisch nicht abbaubaren     bekiffte Jams zu einem feucht­
                                                                                 und, zumindest für Wale, po­­ten­     nebligen Stoner-Rock-Fest.
BASEL Diverse Orte                     ST. GALLEN Kunstmuseum                            ziell tödlichen Plastik­
Parcours: 11.–17. Juni, 10–20 Uhr      Bis 12. August                                         säcken.                  OLTEN Coq d’Or
www.artbasel.com                                                                                                       Sa, 9. Juni, 20.30 Uhr
                                                                                               BAAR Galerie Billing
                                                                                               Bis 24. Juni

                                                                                                                                         15
Wir versprechen Ihnen ein
                                                            fulminates Eröffnungskonzert,
                                                            19. Juni, auf Schloss Lenzburg mit
                                                            JULIA LEZHNEVA SOPRAN
                                                            DMITRY SINKOVSKY VIOLINE

                                   Folk Inte    rnational
                       Klassik und
                                       un       i 2018
                           19. – 24. J
                                  19:30

Tickets online kaufen
www.lenzburgiade.ch
Hotline Ticketpark:
0900 320 320 (1.00/Min)

Kulturengangements:

 ALTE REITHALLE AARAU
 19.6.18 Première
 21.6.18 | 22.6.18 | 23.6.18 | 24.6.18
 INFOS & VORVERKAUF
 www.tuchlaube.ch | aarau info

 EIN THEATERPROJEKT DER B’BÜHNE IN
 KOPRODUKTION MIT DEM THEATER TUCHLAUBE AARAU

               16
Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                    Vorschau

                                                              Das Damals im Heute erzählt
                                                              «Transit» von Christian Petzold, Deutschland, 2018

                                                              Auf der Basis des gleichnamigen Romans von Anna Seghers erzählt Christian
                                                              Petzold in «Transit» von der Flucht im besetzten Frankreich. Die deutschen
                                                              Truppen stehen vor Paris. Georg, ein deutscher Flüchtling, entkommt im
                                                              letzten Moment nach Marseille, wo er durch einen Zufall die Identität eines
                                                              verstorbenen Schriftstellers annehmen kann, der seine Schiffspassage und
                                                              das Transitvisum bereits gesichert hat. Kurz vor der Abreise trifft er auf die
                                                              geheimnisvolle Marie, die auf der Suche nach ihrem Mann ist, den man in
                                                              Marseille gesehen haben will. Petzold inszeniert die Geschichte aus 1941 im
                                                              Marseille von heute und verwebt so die Fluchtgeschichten aus
                                                              jener Zeit des Faschismus mit der Zeit heute. Das Experiment
                                                              überrascht und gelingt: Hervorragendes deutsches Kino
                                                              mit starker Besetzung.

                                                              AB 31. MAI im Kino

Letzter Film der Gebrüder Taviani
«Una questione privata» von Paolo und Vittorio Taviani,
Italien, 2017

Es ist der letzte Film eines der erfolgreichsten Filmerpaars der Filmgeschichte:
Im Geist ihres Meisterwerks «La notte di San Lorenzo» blenden Paolo und Vittorio
Taviani noch einmal zurück ins Jahr 1944. «Una questione privata» ist ein atmos­
phärisch dichtes Drama um einen jungen Partisanen, der seinen gefangen genom­
menen Freund freibekommen möchte und sich an die grosse Liebe erinnert, die
die beiden für die schöne Fulvia empfanden.

AB 14. JUNI im Kino

                                                                           Am Puls der Jugend
                                                                           im Iran
                                                                           «Malaria» von Parviz Shahbazi, Iran, 2016

                                                                           Hanna flieht mit ihrem Freund aus der Provinz nach Teheran.
                                                                           Ihrem Vater erzählt sie, sie sei entführt worden, in Wahrheit
                                                                           verbringt sie aber ihre Zeit mit der Strassenmusikergruppe
                                                                           Malaria. Gemeinsam mit ihnen taucht das Paar ein in die
                                                                           fiebrige Metropole. «Malaria» porträtiert eine Jugend, die un­
                                                                           ter schwierigen Bedingungen versucht, einen eigenen Weg zu
                                                                           finden in einem Land, das von den Mullahs beherrscht wird.

                                                                           AB 31. MAI im Kino

                                                                                                                                       17
Vorschau                         Juni 18 Aargauer Kulturmagazin

           Radiotreffpunkt für Migrant*­innen
           Diese Menschen haben eine Stimme! Das geht häufig
           vergessen, wenn es um Personen geht, die aus den unter­
           schiedlichsten Gründen in die Schweiz eingewandert sind.
           Oft wird über sie berichtet, debattiert und mit ihrer Situa­
           tion politisiert, doch selbst kommen sie dabei nur selten
           zu Wort. Bei Kanal K reden wir nicht über sie, sondern mit
           ihnen! Die beiden Radioprojekte «Tag des offenen Radio­
           studios» und «Treffpunkt Radio» richten sich deshalb an
           Treffpunkte für Zugewanderte, die als Gruppe bei einer
           Radiosendung mitwirken wollen. Die Themen dürfen von
           den Teilnehmer*innen selbst gewählt werden.
               Durch die Sendung können sie sich Gehör in der Öf­
           fentlichkeit verschaffen, aber auch ihr Deutsch verbessern
                  und Ängste vor dem Reden in der Öffentlichkeit
                        abbauen. Die Beiträge werden auf Kanal K
                           gesendet und auf der Website als Podcast
                             veröffentlicht. Interessierte Treffpunkte
                              sind herzlich eingeladen, mit uns Radio zu
                              machen. kk

                        «TREFFPUNKT RADIO», eine Sendung
                     in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Asyl.
                 Nächste Ausstrahlung am Mi, 20. Juni, 19 Uhr.                                    «Treffpunkt Radio» verleiht Zugewanderten eine Stimme
                                                                                                  in der Öffentlichkeit. Foto: Roman Gaigg
           Alle Sendungen als Podcast auf www.kanalk.ch

                                    Musik für den Frühlingssturm
ORCHESTRE TOUT PUIS­                                             APHROTEK                                             FLEXFAB
SANT MARCEL DUCHAMP                                                Neuchâtel/Basel                                        Neuchâtel

                     Genf
                                                                    «Stories»                                  «Places feat.
       «Sauvage Formes»                              Das Debütalbum vom Produzenten Aphrotek
                                                                                                          The Venopian Solitude»
                                                     (aka Eliyah Reichen) und dem Komponisten             Pablo Fernandez alias FlexFab releast nun
  Diese Band braucht viel Platz! Denn das          Dominik Burkhalter ist ein musikalischer Wirbel­     wieder erstes Material nach seiner LOAS EP
avantgardistische Improvistationskollektiv ist       wind: Jazz meets Hip-Hop meets Punk meets           2016, mit welcher der am 25-Jahre-KiFF-Ju­
mittlerweile auf 14 Mitglieder angewachsen.        Featurings unter anderem von Meshell Ndegeo­          biläum den Saal abfackelte. Bassmusik aus
 Eine grosse Bühne verdient auch ihr Jazz-­         cello, David Bowies «Blackstar» Band Members        Neuchâtel. Wir sind gespannt auf das Album!
World-Rock-Pop-Sound, der von John Parish                Donny McCaslin und Tim BanLefebvre.
 (P.J. Harvey, Eels u. v. m.) produziert wurde.

           18
Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                     Vorschau

Symbiotische                                                      Arbeit der beiden
                                                                  Schwestern. Während
                                                                  Anna versucht, die

Zwillinge                                                         äusserst feinen Un­
                                                                  terschiede zwischen
                                                                  den Flechtengattun­
Die Flechtenforscherin Anna und die Fotografin Leta sind          gen zu differenzieren,
eineiige Zwillinge. Während die Erzählerin Anna durch             macht Leta eigent­
ihr Mikroskop die Klassifizierung von Flechten vornimmt,          lich dasselbe mit
fotografiert Leta seit ihrer Kindheit obsessiv ihre Schwester.    ihrer Kamera. Einen
Anna empfand das schon immer als übergriffig. Nun ist sie         Hoffnungsschimmer
jedoch tief erschüttert, als Leta bei einer Ausstellung aus­      in ihrer Suche nach
              schliesslich Bilder von Anna zeigt und dabei das    einem «Verhältnis
              einzige Unterscheidungsmerkmal, eine kleine         zur Welt» zeigt sich
              Narbe an der Wange, wegretuschiert hat. Die         schliesslich für Anna
              beiden Schwestern ringen mit der Suche nach         just in den speziellen
              ihrer Identität. Welche Verletzungen in der         Eigenschaften der
              Geschichte der Familie dahinterstehen, eröffnet     Beziehung zwischen
                                                                                             Barbara Schibli. Foto: Johanna Bossart
              sich erst allmählich und nur andeutungswei­         Pilz und Alge.
              se bei der Lektüre. Ein schönes Bild für diese          Barbara Schibli,
              Geschichte sind die titelgebenden Flechten,         1975 in Baden geboren und heute in Zürich lebend, legt
              eine Verbindung aus Pilz und Alge. Sie werden       einen sehr lesenswerten Debütroman vor, der sprachlich
              ebenso als Sym­biose, sowie als «kontrollierter     und motivisch fein gearbeitet ist. Von Laurin Jäggi
              Parasitismus» bezeichnet. Dieser Widerspruch
              zwischen Nähe und Distanz liegt auch in der         Barbara Schibli. Flechten. Dörlemann 2017.

Wunderbare Wieder­                                                Reise in die
entdeckung                                                        Vergangenheit
               Lucia Berlin (1936–2004) hinterliess ein Werk      Hannes Köhlers Roman erzählt einfühlsam
               von 76 Kurzgeschichten, die in den 1980er-Jah­     und mit einer schönen, metaphernreichen
               ren publiziert und danach vergessen wurden,        Sprache von den Auswirkungen des zweiten
               bis sie wiederentdeckt wurden und auf der          Weltkriegs auf vier Generationen einer Familie.
               «New York Times»-Bestsellerliste landeten:         Über zwei Erzählstränge entfaltet der Autor die
               Von Schriftsteller*innen gelobt, mit einigen der   Lebensgeschichte des ehemaligen deutschen
               Grossen verglichen. Dabei erzählt Berlin schein­   Kriegsgefangenen Franz, der mit seinem Enkel
               bar Banales, oft aus dem Leben gewöhnlicher        nach Amerika reist, um die Stationen seines von Krieg und
               Menschen: Haushaltshilfen, Krankenschwestern       Gefangenschaft gezeichneten Lebens aufzusuchen. Dabei
               und Lehrerinnen. Es geht um scheiternde Ehen       stehen Fragen nach dem Grund für die Bitterkeit und Dis­
               und schwangere Mädchen, um Immigranten,            tanziertheit zwischen Franz und seiner Tochter im Zentrum,
               um Einsamkeit, Liebe und Gewalt. Ihre Sprache      oder weshalb Franz nach Kriegsende nach Deutschland
               ist pointiert-trocken und voller Melancholie.      zurückkehrte, statt in Amerika Fuss zu fassen. Ebenso zentral
Das Herausragende an diesen Erzählungen ist die Liebe, die        ist Franzʼ Freundschaft zum Deutsch-Amerikaner Paul, der
die Autorin ihren Figuren entgegenbringt, die Kenntnis ihrer      zu Kriegsbeginn aus den Staaten nach Deutschland reist, um
Verzweiflungen und der Mühsal des Lebenskampfes. Das              für den Führer zu kämpfen. Pauls Weltbild ändert sich
Rohmaterial zu diesen Erzählungen ist Berlins eigenes Leben:      grundlegend mit seinem Einsatz an der Front in
Sie ist in Alaska geboren, wo ihr Vater als Bergbauingenieur      Russland. In amerikanischer Gefangenschaft
arbeitete. Als Kind erlitt sie Missbrauch, als Erwachsene war     wird Pauls neue, kritische Sicht auf den Krieg
sie alkoholabhängig. Mit dreissig war sie dreimal geschieden      allerdings nicht von allen Mitgefangenen
und hatte vier Söhne. Geld verdiente sie als Putzfrau oder        gern gesehen. Ein spannender und berüh­
Krankenpflegerin. Berlin hat aus diesem Fundus geschöpft          render Roman, bei dessen Lektüre man die
und ein lesenswertes Werk hinterlassen. Von Susanne Jäggi         fundierte Recherche erahnt. Von Debora Stoffel

Lucia Berlin. Was ich sonst noch verpasst habe.                   Hannes Köhler. Ein mögliches Leben.
Stories. dtv 2017.                                                Ullstein 2018.

                                                                                                                                19
MAGAZIN             Juni 18 Aargauer Kulturmagazin

                                                                                         Frisch gedruckt: Meret Schneider und Charly Ruff, beide 21, besuchen das gestalterische Propädeutikum an der SFGA in Aarau. Er sei ein verrücktes Huhn und sie das Gelbe vom Ei.
                                    INTERVIEW CORINNE RUFLI

           «Mein Herz
            schlägt für
            die kleinen
             Fes­tivals»
      SOUNDS Er ist Indie- und Gothic-Fan, Musiker, DJ, Radiomacher, Journalist
 und Labelgründer: Der Badener Leo Niessner kennt die Musikszene wie kein anderer.
Im Interview spricht er über die Vorzüge von kleinen Festivals, die Kommerzialisierung
                    der Musik und gibt gute Tipps an junge Bands.
 20
Juni 18 Aargauer Kulturmagazin                        MAGAZIN

Leo Niessner, der Sommer kommt, und mit ihm                         Bands zu astronomischen Preisen einlädt. Hier kommen die
strömen die Musikfans an die Festivals. Im Aargau                   grossen Firmen zum Zug, für die kann eine solche Investi­
gibt es viele kleine, einzigartige Open Airs. Was                   tion lukrativ sein. Das ist wie ein russischer Oligarch, der ein
zeichnet diese gegenüber den grossen aus?                           Skigebiet kauft.
    Leo Niessner: Mein Herz schlägt für die kleinen Fes­
tivals. Sie haben originelle Ideen, eine schöne Stimmung            In den letzten Jahren wurden Musikfestivals – wie
und dezente Sponsoren. Wer es nicht mag, wenn grosse Le­            das Open Air Frauenfeld – vom grossen amerikani­
bensmittelketten Stände mit ihren Produkten aufstellen und          schen Player Live Nation gekauft und für ihre Zwecke
überall Werbung machen, muss grosse Festivals meiden.               benutzt. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Bei den kleinen Open Airs gibt es noch Musik zu entdecken.              Live Nation und ähnliche Firmen wollen ein Programm
Vergleichbar ist das mit den Mikrobrauereien, viele Leute           machen, das Gewinn abwirft, sonst würden sie nicht inves­
wollen kein Industriebier mehr trinken, sondern eines mit           tieren. Sie nehmen auch Bands unter Vertrag. Die Firmen
Charakter. Die grossen passen sich dem gängigen Musik­              bezahlen ihnen Merchandise, Aufnahmen und alles drumher­
geschmack an, ohne mit Eigenheiten zu punkten.                      um, dafür sind sie an den Erträgen der gesamten Wertschöp­
                                                                    fungskette beteiligt. So geschieht es auch bei Schweizer
Wo liegen die Vorteile kleiner Festivals für Bands?                 Bands, die bei Sony Music, Universal Music oder anderen
Das Publikum ist ja viel kleiner.                                   Major Labels unter Vertrag sind. Diese Labels fordern das
    Diese Festivals sind sehr vielfältig und machen Basis­          investierte Geld zurück. Da bleibt nicht viel übrig. Ein Irrglau­
arbeit für Bands. Es ist der Ort, wo sie auftreten können, oft      be ist, dass die Labels einem alles bezahlen, aus Goodwill
auch zum ersten Mal. Klar kann es bei einem Nach­mittags-           macht das niemand. Das ist ein Geschäftsmodell. Dessen
Gig auch passieren, dass kein Knochen zuhört. Doch das              Vorteil ist aber, dass diese Firmen gute internationale Kon­
Publikum ist bereit, auch mal einen schrägen Hip-Hop-Act            takte und eine grosse Marktmacht haben.
zu sehen. Die Festivals werden liebevoll gestaltet, da steckt
Herzblut und Engagement drin. Es wird geschaut, dass es
den Bands gut geht, diese sollen das auch estimieren, denn
selbstverständlich ist das nicht. Vorbildlich sind hiesige Festi­   «Die Kunst wird ausgepresst
vals wie Sichtfeld, Zambaloca oder Festival des Arcs.
                                                                    wie eine Zitrone»
Ist ein Festival auch ein Kontaktort für die Bands?
    Auf jeden Fall, denn man wird gesehen. An kleinen Fes­
tivals begegnet man sich, kennt sich mit der Zeit auch und          Musik verkommt immer mehr zu einem Geschäft.
schaut sich gegenseitig das Set an. Es findet ein wichtiger         Wann begann diese Entwicklung?
Austausch statt. Auch Veranstalter*innen besuchen sich ge­               So richtig begann sie in den 50er-Jahren, als die Musik­
genseitig. Dabei herrscht hier weniger ein Konkurrenzkampf          konzerne die Jugendlichen als Zielgruppe für die immer
als unter den grossen Playern, bei denen viel Geld auf dem          billiger produzierbaren Schallplatten entdeckten. Doch sie
Spiel steht.                                                        war schon immer ein Teil dieses Business. Die gecasteten
                                                                    Boy­groups sind keine Erfindung der 90er-Jahre, in den
Dann finden Sie Initiativen wie das Aargauer Festival­              60er-Jahren gab es Fabian, der mit «Like a Tiger» einen
forum, bei dem sich die nichtkommerziellen Festivals                Riesenhit landete. Ins Musikgeschäft kam er, weil er von
austauschen und treffen, wichtig?                                   einem Produzenten auf der Strasse angesprochen wurde, da
    Ja, denn hier spürt man das Miteinander und nicht               er gut aussah. Prioritär war also nicht, ob er gut singen oder
ein Gegeneinander. Man gönnt den anderen ihre Ideen.                Musik machen kann. Plattenfirmen konnten und wollten Geld
Es werden Programmpunkte diskutiert, damit nicht die                verdienen. Das funktionierte ja auch lange gut. Und wo
gleiche Band in einem Sommer dreimal im Aargau spielt.              man Geld verdienen kann, gibt es viele findige Leute, die
Jedes Festival hat seine Eigenheiten und will diese auch            schnell viel Musik auf den Markt werfen.
behalten.
                                                                    Der künstlerische Aspekt der Musik trat also in
Das Ticket für ein mehrtägiges grosses Festival                     den Hintergrund?
beläuft sich schnell mal auf über 200 Franken.                          In gewissen Bereichen, ja. Durch die ganzen Vermark­
Bezahlen wir zu viel?                                               tungsstrategien setzte in den 80ern ein Wertezerfall ein,
    Tatsächlich kommen bekannte, internationale Bands               der immer grösser wurde. Der «Trash»-Begriff kam auf. Musik
gerne in die Schweiz, da sie ihr Portemonnaie aufbessern            hat dabei im kollektiven Bewusstsein an Wert verloren.
können. Auch wenn alle über die Preise jammern, reicht              «Mu­sic­s tar» und andere Casting-Shows unterstützten diese
ein Blick auf die Ausgabenseiten dieser Festivals. Headliner        Entwicklung. Musik steht dabei nicht mehr im Zentrum, es
kosten schnell einmal hohe sechsstellige Beiträge, oder noch        geht um People-Geschichten. Die Kunst wird ausgepresst
mehr. Veranstalter*innen beklagen zwar diesen Irrsinn und           wie eine Zitrone. Darum denken viele, Musik sei nichts wert,
wollen da nicht mehr mitmachen, doch mitunter schiesst ein          also lädt man sie auch gratis herunter.
neues Festival aus dem Boden, das viel Geld hat und exklusiv

                                                                                                                                   21
MAGAZIN                        Juni 18 Aargauer Kulturmagazin

Nimmt der Einheitsbrei weiter zu?
    Es gibt den Mainstream, den Top-40-Plastikpop, da wird
Musik gemacht, um Geld zu verdienen. Die grossen Platten­
firmen, die meist dahinterstehen, drücken den Bands ihren
Stempel auf. Ich finde diese Musik furchtbar, die berührt
mich überhaupt nicht. In den 80er-Jahren war die Vielfalt
noch gross, als all die alternativen Radios aufkamen. Doch
Radiopionier Roger Schawinski prognostizierte damals, dass
in zehn Jahren alle Radios gleich tönen werden, und er hatte
recht. Die Musikredaktionen haben heute Angst, Musik zu
spielen, die die Hörer*innen vergraulen könnte, denn es
muss ja Werbung verkauft werden können. Mainstreamradios
haben ihr Profil, wenn du gespielt werden willst, musst du
dich anpassen. Zusätzlich kommt die riesige internationale
Konkurrenz hinzu. In einigen Radios werden pro Woche nur
rund fünf neue Titel aufgenommen – internationale und
einheimische zusammengezählt. Da bleibt nicht viel Platz
für Neues. Die musikalische Identität ist in der Schweiz auch
anders als zum Beispiel in England. Was dort unter Main­
stream im Radiotagesprogramm läuft, zeigt mehr Mut und
Eigenständigkeit. Die Stationen und Fans feiern ihre Bands.
Hier supporten dich bestenfalls deine Freunde. Es herrscht
viel Eifersucht. Das ist eine Frage der Mentalität.

Warum hört das Gros der Leute Mainstreammusik?
     Weil die niemandem wehtut, weil Musik vielen nicht wich­
tig ist, nur im Hintergrund läuft. Wohlfühlmusik ohne Ecken
und Kanten. Der Erfolg gibt den Radios recht. Viele hören
gerne Hits, tausendmal «Perfect» von Ed Sheeran oder «Ho­
tel California» von den Eagles. Das reicht den meisten.                                                      Weder Plastikpop noch Main­
                                                                                                             stream: Leo Niessner geht eigene
                                                                                                             Wege. Foto: Cornelius Fischer
Für junge Bands ist der Einstieg in die Musikwelt also
sehr schwierig. Was raten Sie ihnen?
     Auf keinen Fall übermütig werden. Dass ein grosses Label     Social-Media-Kampagnen für Bands, das ist ein Knochenjob.
auftaucht und dich unter seine Fittiche nimmt, ist unwahr­        Musiklabels müssen heutzutage zudem versuchen, ihre
scheinlich, oder wenn, dann wollen sie der Band ihren Stem­       Bands auf Spotify-Playlisten zu bringen, das kann eine Band
pel aufdrücken. Die meisten Bands sind für sie nicht interes­     alleine nicht, denn Spotify arbeitet nicht mit Bands zusam­
sant, da sie nur ein kleines Publikum erreichen. Sie schauen      men, sondern mit Promotern und Labels. Gute Labels stehen
oft nur auf deine Zahlen, deine Downloads, die Grösse deiner      für Qualität. Sie sind eine Marke, die hilft, aus der riesigen
Fan-Community. Eine Band muss sich sehr gut überlegen,            Menge an Musik Qualität zu finden.
was sie will. Soll das Musikmachen reines Hobby bleiben,
mögen drei Konzerte pro Jahr in der Region genügen. Wenn          Wie wählen Sie die Bands aus?
die Band mehr erreichen will, kommt einiges auf sie zu, auch          Wir arbeiten nur mit Musiker*innen zusammen, die wir
in finanzieller Hinsicht. Meist sind es die kleinen, unabhän­     gut finden. Wenn wir jede Wald- und Wiesenband nehmen
gigen Indielabels, welche die Bands aufbauen. Da ist viel         würden, hätten wir kurzfristig zwar viele Aufträge, doch
Idealismus dabei.                                                 langfristig würde man sich seinen Namen ruinieren. Ich sage
                                                                  allen Bands oder Labels: Bleib dich selbst. Du wirst anecken,
Sie selber haben mehrere Indielabels aufgebaut.                   wenn du was Schräges machst, und kommerzielle Sender
Was genau ist die Aufgabe eines Labels?                           werden dich nicht spielen. Aber du musst dir in die Augen
    Ein Plattenlabel hat die Möglichkeit, dich zu vermarkten,     schauen können. Mit Authentizität kann man dafür bei
zu schauen, dass deine Musik erhältlich ist. Labels beraten       einem Nischenpublikum punkten.
die Bands auch. Wir sitzen mit den Bands zusammen und
fragen sie: Wer seid ihr, was könnt und wollt ihr? Wir eruieren   Was kommt alles auf eine Band zu, wenn sie bekannt
den USP, den Unique Selling Point, also das bezeichnende          werden will?
Merkmal einer Band. Labels haben Kontakte ins Ausland,                Du musst coole Songs haben, die gut produziert sind.
denn der Schweizer Markt ist klein, vor allem für Szenemusik.     Falsch ist aber, 30 000 Franken für die Aufnahmen aus­
Ein Label sollte auch Strategien entwickeln, wie man eine         zugeben und für die Promo nichts mehr übrig zu haben. Ein
Band längerfristig aufbauen kann. Unser Label macht auch          ungeschriebenes Gesetz sagt, so viel Geld, wie du ins Album

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