Scharfmacher - Parakresse, Chili, Senf & Co - Dermaviduals
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Scharfmacher – Parakresse, Chili, Senf & Co. veröffentlicht in Beauty Forum medical 2020 (1), 14-17 Ernährung und das Aussehen der Haut sind untrennbar miteinander verbunden. Viele Nahrungsbestandteile werden seit jeher sogar direkt auf die Haut appliziert. Das gilt für Vitamine, Fettstoffe und viele andere körpereigene und pflanzliche Stoffe gleichermaßen. Aber wer hätte gedacht, dass man die Behandlungen in Kosmetik und Dermatologie auch mit Scharfmachern bereichern kann? Z unächst hört sich der Einsatz ge- Messung des Schärfegrads schmacklich scharfer Stoffe in der Haut- pflege eher wie eine Kuriosität an. Das Die meisten Pflanzen enthalten in ihren ober- "Würzen" hat aber einen durchaus seriösen und unterirdischen Teilen scharfe Substanzen. und wissenschaftlichen Hintergrund. Denn die Sie werden aber zum großen Teil aufgrund scharf schmeckenden Komponenten verfügen ihrer geringen Konzentration nicht als scharf über eine Vielzahl interessanter Eigenschaf- empfunden, tragen aber zum charakteristi- ten. schen Geschmack bei. Wer schon mal Chilis im Garten kultiviert hat, Wie entsteht Schärfe? weiß, dass nicht alle Organismen Schärfe gleich empfinden. Beispielsweise werden Die Empfindung von Schärfe resultiert aus der selbst Habanero-Chilis mit einem Schärfegrad Reaktion von Stoffen, die aus Früchten, Sa- von etwa 300.000 Scoville von Schnecken und men, Rhizomen oder Knollen stammen, mit Vögeln anstandslos verzehrt. Entsprechend den sogenannten Nociceptoren der Schleim- gering kann die Ernte ausfallen häute. Bei Nociceptoren geht es um freie sen- Die Scoville-Skala bezieht sich auf den Gehalt sorische Nervenenden, die sich in Mund, Ra- von Capsaicin, dem Hauptschärfestoff von chen und Nase befinden. Sie reagieren sensi- Chili, Peperoni und Paprika. Die Skala reicht bel auf Temperaturerhöhungen und viele che- von 0 (0% Capsaicin) bis 16.000.000 Scoville mische Strukturen, indem sie Schmerzempfin- (100% Capsaicin). Durch eine physikalische dungen erzeugen. Damit verbunden ist eine Gehaltsbestimmung (HPLC) erhält man heute verstärkte Durchblutung (Kapillarerweiterung) exakte Scoville-Werte, während die ursprüngli- des betroffenen Gewebes. chen Geschmacksvergleiche, die auf Verdün- Auf anderen Hautarealen werden beim Kontakt nungsreihen beruhten, relativ ungenau waren, mit Schärfestoffen Wärme und Brennen emp- da der Schärfereiz und die Toleranzgrenze funden – auf dem Dekolleté naturgemäß stär- individuell verschieden sind und darüber hin- ker als auf den mit einer dicken Hornschicht aus bei häufigem Verzehr scharfer Speisen ein ausgerüsteten Füße oder Innenhänden. anästhesierender Gewöhnungseffekt einsetzt Das Brennen auf der Haut und der Schärfereiz (Anästhesie = Empfindungsverlust). im Mund werden etwa durch warmes Wasser Für andere Schärfestoffe gibt es keine ver- oder heiße Getränke intensiviert. Diesen Effekt gleichbaren Skalen. Ihr Gehalt in einem Pflan- kann man auch bei Rheumasalben beobach- zenteil wird chemisch-physikalisch gemessen. ten, wenn man Stunden später nach dem Ein- Auch untereinander lassen sich die Schärfe- reiben unter eine warme Dusche steigt. Der grade nur unzureichend vergleichen, da sich dann verspürte Schmerz gleicht dann manch- Strukturen und Wirkungsmechanismen unter- mal dem einer Verbrennung oder der Berüh- schieden. rung mit einem heißen Gegenstand. Scharfe Speisen vermitteln auch im kalten Capsaicin in der Kosmetik? Zustand eine Hitzeempfindung. Das umge- kehrte gibt es auch: Schärfestoffe, die Der anästhesierende Effekt des Capsaicin und Schmerz und eine scheinbare Kühlung statt einer Reihe sehr ähnlich aufgebauter Stoffe Wärme erzeugen. Ein Beispiel ist Menthol. Er- (Capsaicinoide), die an TRPV1-Rezeptoren wähnenswert hinsichtlich der Speisen ist noch, andocken, erstreckt sich auch auf die Reiz- dass scharfe Gewürze eine geschmacks- übertragung von den Nerven zu den kleinen intensivierende Wirkung besitzen. Muskeln unter der Hautoberfläche. Daraus resultiert eine Dilatation (Relaxation) der an mimischen Fältchen anliegenden Muskeln und damit verbunden eine messbare Faltenreduk- Kosmetik Konzept KOKO GmbH & Co.KG • D-42799 Leichlingen • Moltkestr. 25 • www.dermaviduals.com • Seite 1 von 4
Scharfmacher – Parakresse, Chili, Senf & Co. Seite 2 von 4 tion – ähnlich einer Botox-Behandlung. Daher derholter Anwendung die Dosierung bei hat man auch mit Capsaicin-haltigen kosmeti- gleichbleibender Wirkung allmählich senken schen Masken experimentiert. Sie sind aller- kann. Vorteil der Parakresse gegenüber Botu- dings sehr gewöhnungsbedürftig, da sie neben linumtoxin: Die Wirkung beruht nicht auf einer der nur in niedrigen Konzentrationen wohligen toxischen Wirkung. Daher sind versehentliche Wärme leicht Brennen und Rötungen hervor- Überdosierungen auch nicht kritisch. rufen. Selbstverständlich müssen die empfind- Spilanthol ist auch in anderen Extrakten in lichen Augen dabei vollständig abgedeckt wer- geringer Menge enthalten. Als Beispiel sei der den, da bereits Spuren die Bindehaut unge- in der Pflege der Rosacea- und Couperose- mein reizen. Daher beschränken sich topische Haut verwendete Echinacea-Extrakt genannt. Capsaicin-Anwendungen mehr oder weniger auf die bereits erwähnten pharmazeutischen Mediterrane Ernährung Wärme- und Rheuma-Salben und -Pflaster. Das Capsaicin (trans-8-Methyl-N-vanillyl-6-no- Da einem bei scharfen Speisen schon mal der nensäureamid) hat eine amidische Struktur Schweiß ausbrechen kann, ist es vorstellbar, (CO-NH): dass auch die Haut davon profitiert. Doch das ist auf diese Weise sicher nicht der Fall. Fest steht aber, dass mediterrane Ernährung – d. h. pikante bis scharfe Gewürze in Kombination mit einem vergleichsweise hohen (Oliven-)Öl Konsum – zu einer sinnvollen Ernährung bei- trägt und nicht zuletzt für eine Beschleunigung des Durchsatzes in den Verdauungsorganen Capsaicin sorgt. Es ist nicht neu, dass der Zustand des Darm-Mikrobioms Auswirkungen auf die Haut Parakresse hat. Allenfalls bei Menschen, die unter Ro- sacea leiden, ist ein wenig Vorsicht ange- Interessant ist, dass auch andere Säureamide bracht, da die gesteigerte Durchblutung zur relaxierende Eigenschaften haben, diese aber temporären Intensivierung der Gesichtsrötung mit einer wesentlich geringeren Schärfewir- führen kann. kung verbunden sind. Ein Beispiel ist das Spi- Die empfundene Schärfe eines Gerichtes wird lanthol, alias N-2-Isobutyl-2,6,8-decatrienamid: nicht nur durch Öl und andere Fettstoffe, son- dern auch durch Käse stark reduziert. Das hängt mit der besseren Löslichkeit der Capsai- cinoide in Fettphasen und mit der Bindung von Amiden an die Polyamid-Struktur von Prote- inen zusammen. Der Versuch, die Schärfe einer Speise mit dem Trinken von Wasser zu mindern, bewirkt das Gegenteil: Das Capsaicin wird stärker an die Magenschleimhaut gebun- Spilanthol den und so die Schärfe gesteigert. Spilanthol ist in Extrakten der Parakresse ent- Ingwer halten. Die Parakresse ist ein tropisches Ge- wächs, das in Südamerika, Afrika und Asien Ähnlich wie bei Chili & Co werden den Ingwer- angebaut wird. Die in Brasilien unter dem Na- rhizomen und seinen scharfen Komponenten, men "Jambú" bekannte Pflanze wird als Ge- den Gingerolen und den insbesondere auch müse verwendet. Ähnlich den Chili-Schoten beim Trocknen der Rhizome entstehenden hat Parakresse eine leichte lokalanästhetische α,β-ungesättigte Shogaolen, diverse Heilwir- Wirkung. Die Wirkung stellt sich sehr schnell kungen zugesprochen, u. a. schmerzlindernde, ein, insbesondere wenn der Extrakt liposomal entzündungshemmende und antikarzinogene aufbereitet ist und dadurch leicht und schnell in Wirkungen. die Haut eindringt. Der Effekt hält über Stun- den an und lässt dann durch Abbau des Spi- lanthols allmählich nach. Bei sehr sensibler Haut wird manchmal von einem schnell vorübergehenden leichten Reiz oder/und temporärer Hautrötung berichtet, wie man es von Chili-Extrakten her kennt. Dann kann es empfehlenswert sein, zuerst mit nied- rigen Dosierungen zu beginnen. Im Übrigen hat sich gezeigt, dass man umgekehrt bei wie- 10-Gingerol Kosmetik Konzept KOKO GmbH & Co.KG • D-42799 Leichlingen • Moltkestr. 25 • www.dermaviduals.com • Seite 2 von 4
Scharfmacher – Parakresse, Chili, Senf & Co. Seite 3 von 4 aber auch zur alternativen Konservierung kosmetischer Cremes dient. Die konservie- rende Wirkung beruht einerseits auf der hohen Reaktivität der Benzaldehydgruppe und ande- rerseits der Methylendioxygruppe, die im sau- ren Milieu ein Formaldehydabspalter ist. Letz- teres gilt auch für das Piperin des Pfeffers, so dass es beim Genuss größerer Pfeffermengen 6-Shogaol während der Magenpassage (pH nahezu 1) zu (entsteht aus 10-Gingerol) Schädigungen durch Formaldehyd kommen kann. Die Abspaltung von Formaldehyd erklärt Wie bei Nahrungsergänzungsmitteln gibt es zu die antimikrobielle Wirkung des Pfeffers. Ingwer-Extrakten neben volksmedizinischen Das analog dem Ingweröl hergestellte Pfefferöl Erfahrungswerten eine Fülle von Studien, de- enthält Terpene und Sesquiterpene. Pfefferöl ren Relevanz nur schwer zu beurteilen ist, da dient in Verbindung mit anderen Ölen der die Studien häufig auf in-vitro- und Tiermodel- Raumbeduftung und wird zuweilen in geringer len basieren. Es empfiehlt sich daher, die Aus- Dosierung in Rinse-off-Produkten wie Seifen sagen zu einzelnen Indikationen im Original verwendet. Mit Pfefferspray hat es nichts zu anzusehen. Topische, kosmetische Anwen- tun. Der Wirkstoff von Pfeffersprays ist in Wirk- dungen von Ingwerextrakten konzentrieren lichkeit Capsaicin. sich auf unreine Haut und Akne und diesbe- züglich auf durchblutungsfördernde und antiin- Senf flammatorische Wirkungen. Es wird dann branchenüblich gerne von einem Wundermittel Die Schärfenote von Senfsamen, Meerrettich, gesprochen, das gleich mehrere Eigenschaf- Wasabi und Rettich, aber auch von Kohl, ten in sich vereinigt. Direkte Vergleiche mit Kresse und Broccoli beruht zum großen Teil anderen Wirkstoffen gibt es nicht. auf Senfölglykosiden, die beim Abbau und der Das durch Wasserdampfdestillation gewon- Verdauung Senföle alias Isothiocyanate unter- nene Ingweröl enthält hauptsächlich terpeno- schiedlichster Zusammensetzung freisetzen. ide Komponenten. Es wird zuweilen in Kosme- tika eingesetzt, hat aber wirkungstechnisch R–N=C=S keine Bedeutung. Isothiocyanat (R = organischer Molekül-Rest) Pfeffer Bei den teils flüchtigen, schwefelhaltigen Iso- Die Schärfe des schwarzen und weißen Pfef- thiocyanaten handelt es sich um hochreaktive fers resultiert im Wesentlichen aus dem Pipe- Verbindungen, die ähnlich wie die in Bau- rin, einem sekundären Amid: schäumen verwendeten schwefelfreien Iso- cyanate Haut und Atemwege reizen und aus dem gleichen Grund antimikrobielle, mitunter sogar antivirale Wirkung zeigen. Größere, oral aufgenommene Mengen sind gesundheits- schädlich. In der Kosmetik spielen daher Pflanzenex- trakte mit hohen Senfölglycosid-Anteilen keine Rolle. Dagegen wird das gleichnamige, aus Triglyceriden langkettiger Fettsäuren beste- hende fette Senföl, das durch Kaltpressung Piperin von Senfsamen hergestellt wird, sowohl als Speiseöl als auch als Fettstoffkomponente in Kosmetika oder zur Massage verarbeitet. Das als Kampfstoff verwendete Senfgas hat mit Senf & Co. nur Farbe und Geruch gemein. Knoblauch und Zwiebel Piperonal Allicin ist ein scharfer, schwefelhaltiger, aus der Aminosäure Alliin entstehender Inhaltsstoff Piperin ist verwandt mit dem Piperonal (3,4- des Knoblauchs, der beim Verarbeiten, insbe- Methylendioxybenzaldehyd), auch bekannt un- sondere beim Erhitzen schnell entschärft wird. ter der Bezeichnung Heliotropin, das zum Ähnlich verhält es sich mit dem flüchtigen und Aromatisieren von Waschmitteln und Seifen, in den Augen brennenden Propanthial-S-oxid, Kosmetik Konzept KOKO GmbH & Co.KG • D-42799 Leichlingen • Moltkestr. 25 • www.dermaviduals.com • Seite 3 von 4
Scharfmacher – Parakresse, Chili, Senf & Co. Seite 4 von 4 das aus der Aminosäure Isoalliin beim Schnei- den von Zwiebeln gebildet wird. Propanthial-S-oxid Allicin Die beiden Schwefelverbindungen sind zwar hervorragende Antioxidantien, die Verwendung von Knoblauch- und Zwiebel-Extrakten ist aber wegen der irritativen und olfaktorischen Eigen- schaften auf den Lebensmittelbereich be- schränkt. Auf einen Blick Schärfestoffe verfügen über sehr unterschied- liche Zusammensetzungen. Dabei dominieren α,β-ungesättigte Verbindungen, ungesättigte Schwefelverbindungen und vor allem Amide. Die Amide sind für Hautpflege und Dermatolo- gie die wichtigsten. Sie penetrieren leicht und besitzen allgemein einen Juckreiz-hemmenden Effekt. Diesbezüglich ist auch die endocan- nabinoidartige Wirkung von Fettsäuremono- ethanolamiden zu erwähnen, die bei atopi- scher Haut eingesetzt werden. Dr. Hans Lautenschläger Kosmetik Konzept KOKO GmbH & Co.KG • D-42799 Leichlingen • Moltkestr. 25 • www.dermaviduals.com • Seite 4 von 4
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