Schifffahrt und Schiffssicherheit auf der Ostsee - Entwicklung, Chancen, Risiken und Vorsorge
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Schifffahrt und Schiffssicherheit auf der Ostsee Entwicklung, Chancen, Risiken und Vorsorge Eine Bestandsaufnahme und Empfehlungen für notwendige Maßnahmen Nautische Vereine Kiel, Lübeck, Neustadt, Rostock, Wismar und Vogelfluglinie September 2014
Inhaltsverzeichnis Einführung Seite 3 1. Wirtschaftliche Bedingungen im Ostseeraum Seite 5 2. Der Schiffsverkehr auf der Ostsee wird deutlich zunehmen Seite 9 3. Planung und Betrieb von Offshore-Windparks in der Ostsee Seite 13 4. Feste Fehmarn-Belt-Querung Seite 15 5. Herausforderungen und Risiken Seite 17 6. Empfehlungen für die Verbesserung der Verkehrssicherheit Seite 19 1
Einführung Das Ziel jeder Maßnahme zum Schutz der Ostsee ist, alle mariti- sen und werden weiter deutlich zunehmen. Zudem ist die Ostsee men Aktivitäten sicher und umweltfreundlich zu gestalten. Die inzwischen beliebtes Ziel zahlreicher großer Kreuzfahrtschiffe besonderen Charakteristika der Ostsee wie Flachwasser, geringer geworden, die besonders im Sommer auf der Ostsee verkehren. Wasseraustausch mit der Nordsee und Bodenschwellen machen sie für Umweltverschmutzung und andere Beeinträchtigungen Der Schiffsverkehr vollzieht sich innerhalb von Meerengen, kreu- durch den Menschen besonders verwundbar. zenden Schifffahrtsrouten und zum Teil in flachem Wasser. Ein Teil der Ostsee ist im Winter für längere Perioden mit Eis bedeckt. Die Schifffahrt auf der Ostsee ist entsprechend ihrem internatio- Dies alles macht die Ostsee zu einem Gebiet, in dem schwer zu nalen Charakter durch globale Vorschriften, insbesondere der navigieren ist. Aus allem ergibt sich ein zunehmendes Risiko für International Maritime Organisation (IMO) reguliert. Diese stellen Schiffsunfälle. unabhängig von nationalen Einzelregelungen Mindestanforde- rungen dar. Dem ist Rechnung zu tragen. Dies darf nicht zu dem Schluss führen, dass die Schifffahrt auf der Ostsee einzuschränken ist. Das Schiff ist nach wie vor eines der Die Ostsee gehört zu den verkehrsreichsten Regionen der Welt. umweltfreundlichsten Verkehrsmittel. Vielmehr geht es darum, die Die Anzahl und die Größe der Schiffe, vor allem der Container- neuen Risiken zu erkennen und mit geeigneten Maßnahmen den schiffe und Öltanker, sind in den vergangenen Jahren gewach- Verkehr auf der Ostsee so zu gestalten, dass er auch in Zukunft sicher, risikoarm und umweltfreundlich verläuft. 3
1. Wirtschaftliche Bedingungen im Ostseeraum Überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum in der östlichen Ostsee Wachstum BIP im Ostseeraum 2014 (%) (IWF - World Economic Outlook - Okt. 2013 mit Update Jan. 2014) Die Wirtschaft im östlichen Ostsee-Raum wächst nach wie vor 4,5 stärker als der gesamte EU-Raum. Der IWF-World Economic 4 Outlook 2013 sagt vor allem für Estland, Lettland, Litauen, Polen 3,5 und Rußland ein gegenüber dem gesamten EU-Raum überdurch- 3 schnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) voraus. EU 2,5 Deutschland Schweden Zu der künftigen Wirtschaftsentwicklung im östlichen Ostseeraum 2 Finnland stellt das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) 2011 in 1,5 Polen seiner Studie „Zukunft Ostseeraum: Potenziale und Herausforde- 1 Lettland Litauen rungen“ fest: 0,5 Estland 0 Rußland Eine wichtige Determinante der zukünftigen Entwicklung der Wachstum (BIP) im Ostseeraum 2014 (%) Handelsbeziehungen im Ostseeraum ist die Entwicklung der (IWF - Economic Outlook - Okt. 2013 mit Update Jan. 2014) nationalen Bruttoinlandsprodukte, weil diese das Handelsvolumen beeinflussen. … Die Zunahme des Handels im Ostseeraum wird eine weitere Ex- pansion des Seefrachtverkehrs nach sich ziehen, weil Schiffe hier eine hohe Bedeutung als Verkehrsträger haben. So lag beispiels- weise der Anteil des Seegüterverkehrs in Estland im Jahr 2008 bei 84 %, in Lettland bei 89 % und in Litauen bei 67 % (vgl. Bundesamt für Güterverkehr 2009). Dies wird von der EU-Studie „Baltic Transport Outlook 2030“ aus dem Jahr 2012 unterstützt. Sie beschäftigt sich mit der Transport- Infrastruktur und den Strömen von Waren und Passagieren inner- halb der Ostsee-Region sowie zwischen der Ostsee-Region und anderen Gebieten. In ihr sind Szenarios für die Entwicklung bis zum Jahr 2030 enthalten. Entwicklung des Brutto-Inlandsprodukts im Ostseeraum bis 2030 (%) Auch sie macht deutlich, dass besonders in den baltischen Län- (BTO 2030) dern und Russland in den kommenden Jahren mit einem beacht- Entwicklung des maritimen Transportvolumens 2010-2030 lichen Wachstum zu rechnen ist, dass sich in einem steigenden (%) Transportvolumen und damit deutlich zunehmendem Seeverkehr 60 auf der Ostsee niederschlägt. 50 40 Deutschland 30 Schweden Finnland 20 Polen Lettland 10 Litauen Estland 0 Rußland Entwicklung des Transport-Volumens auf der Ostsee 2010 - 2030 (%) (BTO 2030) 5
Forcierter Ausbau der Häfen in der östlichen Ostsee Ust Luga - Neubau Ventspils Liepaja Klaipeda Szczecin/Swinoujscie Hafenausbau an der Östlichen Ostsee Vor allem Russland, Polen und die baltischen Länder reagieren Die Hafenprojekte im Einzelnen auf diese Vorhersagen mit einem starken Ausbau ihrer Häfen und setzen auf stärkeren Schiffsverkehr. In Schweden und Finnland werden Häfen ausgebaut und modernisiert. Dabei richten sich Szczecin/Swinoujscie: mehrere Häfen auf die Abfertigung von Containerschiffen der Ausbau neuer Terminals und der Infrastruktur bis 2015 mit EU- XXL-Klasse (ca. 13.000 TEU | TEU = Twenty-foot Equivalent Unit) Mitteln. und inzwischen Schiffe der Triple-E-Klasse (18.000 TEU) ein. Gdynia: Weiterer Ausbau (Flächenerweiterung) und Kaierneuerungen mit EU – Mitteln und Vertiefung auf 13 Meter Abladetiefgang. Gdansk: Neubau des Außenhafens als Drehscheibe für Containerverkehre der XXL-Klasse mit EU-Mitteln. 6
Klaipeda: Neubau eines Allround- Hafens nur 136 km südlich von St. Peters- Neubau eines Außenhafens und Ausbau bis 2015 für Tiefgänge bis burg für XXL-Schiffe. 17,5 Meter St. Petersburg: Liepaja: Laufende Modernisierung und weiterer Ausbau des Hafens und Vertiefung von Fahrwasser und Hafenbecken auf 12,5 Meter. Aus- Vertiefung des Fahrwassers und der Hafenbecken. bau der Eisenbahn als hauptsächliche Hinterland-Anbindung. Helsinki: Riga: Erweiterung des Hafens für zusätzliche Dienste. Fahrwasservertiefung auf 15–17 Meter. Neubau eines Trocken- bulkterminals. Modernisierung des Eisenbahnnetzwerkes. Stockholm: Ausbau und Verlegung des Stadthafens und andere Modernisie- Ventspils: rungen. Ausbau und Modernisierung des Hafens mit EU-Mittel bis 2012 mit 2,8 Mill. EURO. Vertiefung des Hafens auf 12,5 Meter. Tallin: zusammen mit Muuga, Paldiski, Paljesaara und Saaremaa Häfen. Ust-Luga: Ein Beispiel für den Ausbau, der zur Zeit stattfindet, gibt die Hafenplanung von Gdansk. 7
2. Der Schiffsverkehr auf der Ostsee wird deutlich zunehmen Containerschiff-Routen auf der Ostsee: Die Ostsee gehört zu den Gewässern der Welt mit dem dichtesten Schiffsverkehr. (Grafik: Baltic Transport Journal 2012) Zunahme der Verkehre bis zum Jahr 2030 Die Ostsee gehört zu den Gewässern der Welt mit der höchsten Verkehrsdichte. Der Blick auf eine Karte, die unter Auswertung der AIS- Daten (Automatic Identification System) den Verkehr im Lauf eines Jahres im Bereich des Fehmarn Belt und der Kadetrinne zeigt, macht die Dichte der Schiffsbewegungen und die befah- renen Routen deutlich. Einen guten Überblick über die Verkehre gibt die Grafik des Baltic Transport Journal aus dem Jahr 2012 (oben). Bedingt durch das dynamische Wirtschaftswachstum im östlichen Ostseeraum wird der Schiffsverkehr zunehmen – sowohl in der Menge als auch in der Größe der Schiffe. Ein besonders sensibler Punkt ist der Fehmarn Belt. Hier kreuzen sich der Ost-Westverkehr mit dem Fährverkehr zwischen Deutsch- Schiffsrouten im Bereich Fehmarn Belt und Kadetrinne nach AIS aus dem land und Dänemark . Jahr 2010 2013 durchquerten nach Zählung der Wasser- und Schifffahrts- 9
55°N Kleiner Belt Ostsee 2843 verwaltung 37.487 Schiffe den Fehmarn Belt und 49.569 Schiffe 1412 " " 804 " 4149 - jeweils in beiden Ost-Westrichtungen. die Kadetrinne " 1431 Großer Belt Flensburger Förde 18621 10492 Nördlich Rügen 8207 " 1603 799 " 8129 4058 " " 3069 " "17403 1075 Eine Schiffszählung Sassnitz im Auftrag Adlergrund der dänischen Femern A/S aus 6245 " " Mecklenburger Bucht 15054 " 3176 Schlei 2139 1064 Kieler Bucht Fehmarnbelt 37487 dem Jahr 2008 - kurz vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskri- 7565 7489 " Kadetrinne e Bucht se - ergab sogar rundPom 47.000 merschSchiffspassagen im Fehmarn Belt. Mit " " 489 20084 " 49569 " 14141 19327 " Eckernförder Bucht Kieler Förde " 30 25803 " 23766 der2358 Erholung Stralsund N-Anst. der Konjunktur 1177 Mukran 2784 steigen die Passagezahlen wieder an. " 42264 " esterhever 980 491 " Fehmarnsund 1260 33468 " " " 1522 21181 1181 Swin DeepWater " " 21083 2757 2361 " 2471 " 5145 13206 " 1211 657 " Eider NOK Ost 13296 Bei allen"Unwägbarkeiten Strelasund " der Greifswalder Konjunktur-Entwicklung ist davon Bodden 26502 1299 642 " 5421 auszugehen, dass 2526 die2664 Verkehre auf der Ostsee deutlich zuneh- " ider 25879 " 282 " 25707 Rostock 2557 " " 74 Verkehrszahlen im Bereich der westlichen Ostsee. men Greifswald werden. Schon bei einem „low case“ -Scenario ist mit einer " NOK 284 Peenestrom Lübe cker Unterwarnow 51586 566 (Quelle: Wasser- und Schifffahrtsverwaltung) 5083 54°N piep Verdoppelung des Verkehrs im Fehmarn 10304 Belt von 40.000 auf " t 9 Lübeck-Travemünde Buch 10352 " Brunsbüttel 25864 80.000 SchiffspassagenSwin zu rechnen. Das ergibt sich aus einer Pro- Nordansteuerung 12937 12927 Peene " 38304 20656 gnose, die im Auftrag der Femern A/S von Wirtschaftsforschungs- " 5038 " 28062 19110 " 5051 Wismar " Trave " 14741 10089 instituten für die Verkehrsentwicklung im Fehmarn Belt erstellt " en 19194 Elbe Stör worden ist. " 6 13656 28397 Arm 15325 Die Zunahme des Verkehrs wird vor allem durch Dry Cargo-Schiffe " Tinsdal " 30432 und hier besonders Containerschiffe getragen. Weiter fällt die 15107 Verdoppelung der Zahl der Tankschiffe auf. Ebenso auffällig ist die Zunahme des Passagierverkehrs, der sich nicht zuletzt aus der zunehmenden Kreuzschiffahrt in der Ostsee ergibt. Die Schiffe werden immer größer: Ein Beispiel für XXL-Container- 53°N schiffe, die bereits heute auf der Ostsee verkehren, ist die MAERSK Schiffzählung 2008 (Quelle: Femern A/S) ELBA mit über 13.000 TEU, die wöchentlich Gdansk anläuft. Weite- re Schiffe dieser Größe sind bereits gefolgt. Inzwischen verkehren auch die ersten „Triple E“-Schiffe mit 18.000 TEU der Reederei Maersk auf der Ostsee. Vergleichbare Größen weisen inzwischen auch Kreuzfahrtschiffe auf, die zunehmend auf der Ostsee ver- kehren. 9°O 10°O 11°O 12°O 13°O 14°O Datum: 28.02.2014 Zunahme des Verkehrs im Fehmarn Belt bis 2030 - Prognose Femern A/S Zunahme des Verkehrs auf der gesamten Ostsee bis 2030 Prognose Femern A/S (2011) 10
Russland plant, die Hälfte seiner Ölproduktion über die Ostsee zu verschiffen Der Grund für die künftige starke Zunahme von Tankerverkehren Auf den Transport derartiger Mengen bereiten sich die Reederei- auf der Ostsee ist Russlands Planung, die Hälfte seiner Ölprodukti- en vor. Auf den Reißbrettern der Schiffs-Konstrukteure entsteht ein on über den Hafen Primorsk zu verschiffen. sehr großes Tankschiff: Der Baltic Max-Tanker. Primorsk, das 140 km westlich von St. Petersburg auf der Nordseite des Golfs von Finnland liegt, verfügt bereits heute über 4 Öl- Terminals, über die 34,5 Mio. t Öl pro Jahr umgeschlagen werden. Hier werden rund 350 Tanker jährlich abgefertigt. Die russischen Planungen sehen eine Steigerung des Umschlags auf ca. 120 Mio. t pro Jahr vor. Für diesen Zweck wird der Hafen weiter ausgebaut. Dies entspricht einer künftigen Abfertigung von ca. 1.200 Tank- schiffen pro Jahr. Baltic-MAX-Tanker – Hauptdaten: Tragfähigkeit: 209.000 tdw; Länge über alles: 325,5 m; Breite: 66 m; Tiefgang: 15 m; Finnische Eisklasse 1A Das Schiff ist speziell für die besondere Situation der sensiblen Ostsee entworfen worden. Besonderer Wert wird auf den Umwelt- schutz gelegt: Es besitzt Doppelhülle, Doppelruder, zwei unabhän- gig voneinander arbeitende Maschinen, zwei Propeller und zwei getrennte Kontrollsysteme. Damit soll erreicht werden, das Schiff unter allen Umständen manövrierfähig zu erhalten. Hafen Primorsk heute: 4 Tanker können gleichzeitig abgefertigt werden. 11
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3. Planung und Betrieb von Offshore Windparks in der Ostsee Ostsee: Offshore Windparks 10°0'0"E 11°0'0"E 12°0'0"E 13°0'0"E 14°0'0"E Grenzen Küstenmeer S S cc h hwwe edde enn Festlandsockel / AWZ Internationale Grenze Offshore Windparks D Dään neem maa rr kk in Betrieb im Bau Betrieb genehmigt beantragt 55°0'0"N 55°0'0"N nicht genehmigt Energie-Plattformen Umspannplattform, in Betrieb Flensburg Planung Umspannplattform, im Bau Umspannplattform, genehmigt Umspannplattform, beantragt Netzanbindungen Schleswig in Betrieb im Bau genehmigt Kiel Stralsund beantragt Rostock Greifswald 54°0'0"N 54°0'0"N Betrieb Wismar Lübeck Hamburg Planung P Poo ll e enn Externe Datenquellen: Geodätisches Datum: WGS 84 Ministerium für ländliche Räume (S-H) Kartenprojektion: Mercator (54°N) Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung (M-V) 53°0'0"N Bezirksregierung Kalmar (Schweden) 53°0'0"N BSH / M5 - 28.02.2014 10°0'0"E 11°0'0"E 12°0'0"E 13°0'0"E 14°0'0"E http://www.bsh.de/de/Meeresnutzung/Wirtschaft/CONTIS-Informationssystem/index.jsp In der Ostsee genehmigte deutsche Windparks Ostsee (AWZ) Alle Windparks befinden sich nahe der Hauptschifffahrtsrouten Arkona-Becken Südost - 35 km nordöstl. von Rügen, und engen damit die bisher zur Verfügung stehende Verkehrsflä- 80 Anlagen mit 360 MW che deutlich ein. Risiken entstehen dabei zum Beispiel durch: EnBW Windpark Baltic 2 (ehemals Kriegers Flak) • Die Einschränkung der freien Manöverfläche großer Schiffe 32 km nördl. von Rügen - 80 Anlagen mit 288 MW • Die Geringere Driftfläche und damit erheblich kürzere Zugriffszeit bei manövrierunfähig treibenden Schiffen Wikinger (ehemals Ventotec Ost 2) - 35 km nordöstl. von Rügen, • Starke zusätzliche Verkehre von Service- und Errichterfahrzeu- 80 Anlagen mit 400 MW gen für die Windparks • Die erheblich eingeschränkte ARPA-Wahrnehmung von Klein- Ostsee (12-SMZ) fahrzeugen, die den Windpark verlassen GEOFReE - Mecklenburger Bucht - 5 Anlagen mit 25 MW • Sportboote und Fischereifahrzeuge, die gerade bei widrigen Bedingungen den Windpark in den Bereich der Großschifffahrt Insgesamt: 4 Windparks, 255 Anlagen mit rd. 1.073 MW verlassen müssen. AWZ = Ausschließliche Wirtschaftszone: Genehmigung Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 12 SMZ = 12 Seemeilen-Zone: Genehmigung Landes- und Bezirksregierungen 13
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4. Feste Fehmarn-Belt-Querung Der Bau einer festen Querung des Fehmarnbelts zwischen Dä- nemark und Deutschland ist ein europäisches Verkehrsprojekt. Es sieht eine 19 Kilometer lange Querung und einen Ausbau der Schienen- und Straßen-Hinterlandanbindungen in Deutsch- land und Dänemark vor. Die Kosten von ca. 5,5 Mrd. Euro trägt überwiegend Dänemark. Mautgebühren in Höhe heute üblicher Schiffspassagegebühren sollen das Projekt refinanzieren. Nach heutigem Stand ist davon auszugehen, dass das Projekt, dessen Für und Wider hier nicht erörtert werden kann, realisiert wird. Die dänische Betreibergesellschaft „Femern A/S“ wollte Ende 2012 mit den Bauarbeiten beginnen; 2018 sollte die Querung in Betrieb genommen werden. Mittlerweile wurden diese Daten aber zwei Jahre nach hinten verschoben. Zudem soll nun anstatt der erst favorisierten Brücke ein Tunnel gebaut werden. Für die Hinterlandanbindung auf deutscher Seite begannen im Oktober 2010 Voruntersuchungen für das Raumordnungsverfah- ren. Die Baureife wird für 2016 und die Inbetriebnahme für 2020 angestrebt. Eine – nach heutigem Stand unwahrscheinliche - Brückenlösung würde zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs führen, die besondere Vorkehrungen erfordert, um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu ermöglichen. Der Bau eines Tunnels unter dem Fehmarn Belt wird nicht zu einer dauerhaften Beeinträchtigung führen, erfordert jedoch für die Zeit der Bauphase ebenfalls besondere Sicherheitsvorkehrungen, um neben um neben der Sicherheit des Schiffsverkehrs auch einen sicheren Baustellenbetrieb zu gewährleisten. 15
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5. Die Herausforderungen und Risiken Unfälle und ihre Ursachen Generell ist die Schifffahrt sicherer geworden, und die Zahl der Un- fälle nimmt kontinuierlich ab. Dennoch bleiben Risiken und neue Herausforderungen, die auch die Ostsee betreffen. Die häufigsten direkten Folgen von Havarien in der internationa- len Schifffahrt waren 2012 Untergang (49% der Fälle), Schiffbruch/ Auflaufen auf Grund (22%) und Brand/Explosion (10 Prozent), wogegen Defekte des Schiffskörpers oder Maschinenversagen lediglich rund 2% der Schäden ausmachen. 59% aller Verluste betreffen Handelsschiffe und Fischereifahrzeuge. (1) Die meisten Schäden gehen auf „menschliches Versagen“ zu- rück – eine breit gefasste Kategorie, die für etwa 75% bis 96% der tödlichen Unfälle auf See verantwortlich ist. Konkurrenzdruck unter den Reedereien sowie Übermüdung gelten häufig als Ursachen. Dies ist insbesondere in verkehrsreichen Gebieten wie der Ostsee ein großes Problem, da die Besatzungen dort nur kurze Ruhezeiten zwischen den Einsätzen haben. Der „Human Factor“ betrifft (2): Ausbildung und Arbeit: Angesichts des steigenden Kostendrucks versuchen viele Reeder, Besatzungen aus Schwellenländern anzuwerben, da deren Lohn- forderungen geringer sind. Obwohl sich die IMO diesem Thema widmet und internationale Standards einführt, sind Schulungspro- gramme und Beurteilungen noch nicht einheitlich und können so zu unterschiedlichen Kenntnissen bei Besatzung und Offizieren führen. Zudem stellen die internationalen Ausbildungsvorschriften lediglich Mindeststandards dar. Besatzung: Die Besatzungsstärke ist in einem wettbewerbsintensiven Sektor, Sprachbarrieren: trotz der beträchtlich verbesserten Effizienz moderner Schiffe, Sprachbarrieren sind angesichts der Abhängigkeit vom Engli- nach wie vor ein Risiko und kann den Sicherheitsspielraum gefähr- schen als der „Sprache der Seefahrt“ ebenfalls eine potenzielle den. Einige Experten halten die vorgeschriebene Mindest-Besat- Gefahr. Die zunehmende Internationalisierung der Besatzungen zungsstärke für zu gering und weisen darauf hin, dass bei minima- erschwert die Kommunikation im Notfall und führt zu folgen- lem Personal keine Zeit für die unvermeidbaren Extraaufgaben schweren Missverständnissen im Tagesgeschäft. bleibt, die ein 24-Stunden-Betrieb erfordert. So stellen Risiken durch menschliche Faktoren, wie z.B. Müdigkeit, eine entschei- Ungenügendes Risikomanagement: dende Unglücksursache dar. … ist und bleibt eine Herausforderung, denn in einer Umfrage wurde es als Haupt- oder zumindest Mitursache für fast 40% der Unfälle genannt. 1 Allianz Global Corporate & Specialty: Safety and Shipping Review 2013 2 Studie “Safety and Shipping 1912-2012: From Titanic to Costa Concorida”, Allianz Global Corporate & Specialty in Zusammenarbeit mit dem Seafarers‘ International Research Centre der Universität Cardiff. 17
Bürokratie: Besondere Risiken: Ölunfälle Bürokratie stellt eine weitere Belastung für Besatzung und Offiziere dar, da sie von anderen Aufgaben ablenkt und so ein potenziel- Ein besonderes Risiko stellt der zunehmende Öltransport dar. Er les Sicherheitsrisiko birgt. Minimal-Besatzungsstärken verschlim- birgt ein schweres Risiko für die Ostsee, die ein besonders sensibles mern diese Situation noch, da so die ohnehin schon überforderte Meer ist. Sie ist sauerstoffarm und vergleichsweise kalt. Daher ist Besatzung noch größerem Druck ausgesetzt wird. ihre Fähigkeit, Öl abzubauen besonders gering ausgeprägt. Nicht ohne Grund zählt auch sie zu den SECA- Zonen. Ein schwerer Ölunfall würde verheerenden Einfluss auf das Öko-System der Mehr Verkehr - Größere Schiffe Ostsee haben und negative Folgen wie sie nach dem Unfall der Deepwater Horizon im Golf von Mexiko aufgetreten sind, bei wei- Schon heute sind die Ostsee, ihre Zufahrten und Engen dichten tem und für Jahrzehnte übertreffen. Schiffverkehr ausgesetzt. Zugleich wachsen bereits heute die Schiffsgrößen an. Im Containerschiffsverkehr bricht mit dem Einzug Erinnert sei hier an den Fall des Tankers PRESTIGE, der im Jahr 2002 von XXL- und Triple E-Schiffen und vergleichbar großen Kreuz- auf seiner Reise von Lettland, durch die Kadetrinne und den Feh- fahrtschiffen eine neue Ära an. Und heute schon befahren große marnbelt nach Singapur in einem Sturm vor der spanischen Küste Tankschiffe mit zum Teil über 100.000 t Tragfähigkeit die Ostsee. zerbrach. Dabei liefen 64.000 t Öl aus und verursachten dort eine Allein über den Hafen Primorsk werden heute über 300 Tankschiffe der bisher größten Umweltkatastrophen der Seefahrt an euro- abgefertigt. Ihre Zahl wird bei vollem Ausbau des Hafens auf rund päischen Küsten. Das 26 Jahre alte Schiff, das auf den Bahamas 1.200 wachsen. registriert, unter Management einer liberianischen Firma mit Sitz in Griechenland, von der russischen Zweigstelle eines Konzerns mit Zugleich wird beobachtet, dass der Ausbildungsstand insbeson- Sitz in der Schweiz gechartert war, befand sich in einem desola- dere auf Schiffen unter Billigflaggen trotz aller internationalen ten Zustand. Es hätte bereits in der Ostsee havarieren können. Bestrebungen und Abkommen über die Ausbildung von Schiffs- besatzungen und die Sicherheit der Schiffsführung zu wünschen Die Gefahren, die von auslaufendem Öl ausgehen, beschränken übrig lässt. sich jedoch bei weitem nicht auf Tankschiffe. Wie der Fall der RENA zeigt, die 2011 vor Neuseeland aufgrund nachlässiger Navi- Mit der erwarteten Zunahme der Schiffsverkehre steigt die Kolli- gation auf Grund lief und die größte Umweltkatastrophe in dieser sionsgefahr vor allem in den engen Passagen des Fehmarn Belts Region auslöste, bergen auch Containerschiffe vergleichbare und der Kadetrinne. Eine Lotsenpflicht besteht bis heute nicht. Gefahren bei Kollisionen oder Strandungen. Freiwillige Lotsendienste werden jedoch angeboten und zum Teil auch in Anspruch genommen. Die Zuständigkeit für den Katastropheneinsatz auf See liegt beim Havariekommando, das bereits in der Vergangenheit kompetent Die Ostsee-Anrainer verhandeln seit Jahren über die Einführung gute Arbeit geleistet hat. einer Lotsenpflicht im internationalen Fahrwasser ins besondere der Kadetrinne, ohne dass es zu einer Lösung gekommen ist. Eine Für schwere See-Unfälle liegen in der Ostsee Notschlepper bereit, schnelle Lösung ist nicht zu erwarten. Dagegen bietet die Schaf- und Notankerplätze, deren Position nicht öffentlich bekannt ge- fung von Anreizen für die freiwillige Annahme von Lotsen gute geben wird, sind vorhanden. Darüber kann das Havariekomman- Aussicht auf Erfolg. do havarierte Schiffe in geeignete Häfen schleppen lassen – auch Schiffe, aus denen Öl in großen Mengen ausströmt. Ein hierfür Weiter bestehen in der Kadetrinne und im Fehmarn Belt Ver- besonders eingerichteter Nothafen ist nicht vorhanden. kehrsüberwachungen auf deutscher wie auf dänischer Seite. Sie haben beratende Funktion, dürfen jedoch keine zwingenden Dennoch: Dies ist unbefriedigend, da keine der vorhandenen Anweisungen erteilen. Lösungen die Ostsee wirksam vor einer Ölpest schützt. Daher ist gemeinsam mit dem Havariekommando zu prüfen, welche Der Bau einer festen Fehmarn Belt-Querung wird Beeinträchti- zusätzlichen Hilfsmittel eingesetzt werden können und müssen. gungen des Schiffsverkehrs mit sich bringen. Ihre Dauer ist davon Ebenso wichtig ist, ihm die dafür benötigten Finanzmittel und abhängig, welche Lösung für die Querung gewählt wird. Bleibt zusätzliches zur Verfügung zu stellen. es bei dem Bau eines Tunnels, sind die Beeinträchtigungen zwar temporär, aber doch schwerwiegend. Dies ist auf Dauer eine gute Investition in den Umweltschutz auf der Ostsee. 18
6. Empfehlungen für eine Verbesserung der Verkehrssicherheit Vorbemerkung Empfehlungen Die Nautischen Vereine sind sich darüber im Klaren, dass die im Generelle Empfehlungen für Fehmarn Belt und Kadetrinne Folgenden aufgeführten Empfehlungen nicht von Deutschland allein durchgesetzt werden können, sondern internationale Rege- Lotsenannahme: lungen auf der Ostsee berühren. Daher begrüßen sie die Bemü- Anreize für die freiwillige Annahme von Lotsen geben. hungen von HELCOM und unterstützen ausdrücklich den Baltic Ein Desiderat bleibt dennoch die Einführung der Lotsenpflicht für Sea Plan. Die hier ausgesprochenen Empfehlungen beziehen sich bestimmte Schiffsgrößen und Tiefgänge in der Kadettrinne. in erster Line auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der Ostsee und sollten Eingang in die Beratungen des Baltic Sea Verkehre in engen Gewässern: Plan finden. Soweit sie sich auf die Gewässer der Bundesrepub- Verkehrstrennungsgebiet im Fehmarn Belt über IMO einrichten. lik Deutschland beziehen, sollten sie möglichst bald umgesetzt werden. Tanker-Verkehre: Tankerroute einrichten mit Sicherheitsabstand zu den anderen Verkehren. Tanker an Tiefwasserwege binden. Verkehrsüberwachung: Einrichtung eines Vessel Tracking Systems (VTS) nach internationa- len Standards. Überwachung und Führung des Verkehrs wie in der Luftfahrt. Ständige und international abgestimmte Präsenz auf See von Schiffen und Luftfahrzeugen der Küstenwachen. Ahndung von Regelverstößen: Regelverstöße müssen konsequent und im Ostseeraum vergleich- bar geahndet werden. Vorkehrungen gegen Folgen von Ölunfällen: Speziell für diesen Fall ist das Notfallkonzept der Anrainerstaaten zu überprüfen und zu aktualisieren. Weiter ist zu prüfen, ob, wo und wie ein Nothafen angelegt werden oder ob eine vergleich- bar effektive Lösung gefunden werden kann, um die Ostsee zuverlässig vor den Folgen von Ölkatastrophen zu schützen. Verbesserte Ausstattung der Schifffahrtsbehörden: Das Havariekommando ist mit mehr Personal und Finanzmitteln auszustatten. Dies gilt ebenfalls für das BSU, das nur durch sorgfäl- tige Untersuchungen von Unfällen zukünftige Gefahren identi- fizieren und daraus Präventionsmaßnahmen entwickeln kann. Dies darf nicht zulasten des allgemeinen Verkehrshaushalts und zulasten von Verkehrsinvestitionen gehen. Gründung einer zentralen „Deutschen Küstenwache“ mit hoher Präsenz, Interventionsfähigkeit und Ausdauer auf See, auch als zukünftiger Partner einer engeren grenzüberschreitenden Zu- sammenarbeit der verschiedenen Küstenwachen in der Ostsee. 19
Sicherheitsvorkehrungen für die Bauphase der festen Fehmarn Belt-Querung Die deutsche Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt -Au- Vorfahrtsregeln für Große Tanker und Containerschiffe (Free ßenstelle Nord- und ihr dänisches Pendant befinden sich bereits Flow) zum Passieren des Baustellenbereiches erlauben. in vertrauensvollen und zielführenden Gesprächen für Sicherheits- maßnahmen während der Bauphase einer festen Fehmarn Belt- Eskortierungspflicht mit Schlepper für Tanker. Querung. Dabei geht es um: Schlepper-Annahmepflicht oder Eskortierung von Schiffen mit großen Windflächen ab einer festzulegenden Wetterlage bei großer Verkehrsdichte festlegen. Annahme von Steurern vorhalten. Sicherheitszonen um die Baustellen einrichten. Überholverbote im Baustellenbereich einrichten. Wach- und Beobachtungsboote auf Positionen verteilen. Notfallschlepper in unmittelbarer Nähe positionieren. Rettungsfahrzeuge, Helikopter ausreichend vorhalten. Notaufnahmestationen in umliegender Umgebung einrichten. Arbeitskoordinierungsgruppe für den Bauablauf aufbauen. Behördenüberwachung sicherstellen. Die Sicherheitsvorkehrungen für die Passage des Fehmarn Belts nach Fertigstellung der festen Fehmarn Belt-Querung sind abhän- gig von der endgültig gewählten und realisierten Lösung. 20
5. Oktober 2011: MV RENA läuft vor Neuseeland wegen fahrlässiger Navi- gation auf Grund und löst die größte Umweltkatastrophe in dieser Region aus. Unglücksursache: Human Factor. Die Zukunft auf der Ostsee - ein Beispiel: MSC IRENE - 13.800 TEU - Tragfähigkeit 157.092 tdw Länge: 365,50m - Breite: 51,20 m - Seitenhöhe 29,90 m - Tiefgang: 15,50 m Maschinenleistung 72.240 kW (98.219 PS) - max. 24,1 kn 23
Für die Nautische Vereine Kiel, Lübeck, Neustadt, Rostock, Wismar und Vogelfluglinie: Nautischer Verein zu Kiel e.V. c/o Sartori & Berger Wall 47/51, D-24103 Kiel
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