Schlafender Riese Kongo-Fluss
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SWP-Aktuell Einleitung Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Schlafender Riese Kongo-Fluss Wassernutzung zwischen regionaler Integration und sektoralen Zielkonflikten Tobias von Lossow Der Ausbau der Wassernutzung am Kongo könnte der Region einen Entwicklungsschub verschaffen, droht aber mit der Begünstigung partikulärer Nutzungsinteressen einher- zugehen. In seinem weitläufigen Einzugsgebiet ist der Fluss das wichtigste Verkehrs- netz und die Lebensader des afrikanischen Regenwalds, der wiederum die Existenz- grundlage von Millionen Menschen sichert. Die Wasser- und Nahrungsmittelversor- gung der Region ließe sich mit seinen Ressourcen deutlich verbessern, die Hydroenergie- potentiale könnten den Strombedarf des gesamten Kontinents decken. Der geplante Bau weiterer Großdämme an den Inga-Fällen zeigt, dass die zehn Anrainerstaaten ge- meinsame Ziele verfolgen, aber auch, dass sich Konflikte zwischen einzelnen Sektoren verschärfen. Die inkonsistente Haltung Deutschlands in heiklen Grundsatzfragen der Entwicklungszusammenarbeit und Wasseraußenpolitik erschwert es, diese Prozesse konstruktiv zu begleiten. Als die Finanzierung des Großdamms Inga 3 Kubikmeter Wasser in den Atlantik. Der im Sommer 2017 stockte, forderte die Regie- Kongo ist an einigen Passagen bis zu elf Kilo- rung der Demokratischen Republik Kongo meter breit und bis zu 220 Meter tief; das (DRK) potentielle Investoren auf, die Anlage größte Flusseinzugsgebiet Afrikas erstreckt neu und größer zu planen. Ein klares Signal, sich über 3,7 Millionen Quadratkilometer – dass die DRK am umstrittenen Ausbau der etwa die zehnfache Fläche Deutschlands. Hydroenergie festhält, der vor allem durch Zahllose Verästelungen von Haupt-, Zu- und die Effekte des Bergbaus erhebliche Risiken Nebenflüssen, Wasserstraßen und Kanälen für das riesige Flusssystem mit sich bringt. durchziehen Zentralafrika auf einer Gesamt- Der mit über 4700 Kilometern zweitläng- länge von 25 000 Kilometern wie das Bron- ste Strom Afrikas nach dem Nil entspringt chialsystem eine Lunge (siehe Karte, S. 2). im äquatorialen Bergplateau, bahnt sich Der Kongo ist das Herz der sozioökonomi- seinen Weg durch das größte afrikanische schen Entwicklung Zentralafrikas. Er ist das Regenwaldgebiet und mündet an der West- wichtigste regionale Verkehrsnetz, Takt- küste des Kontinents ins Meer. Aus dem geber eines riesigen Ökosystems, das größte nach dem Amazonas wasserreichsten Fluss Süßwasservorkommen in Afrika und die der Welt ergießen sich pro Sekunde 41 000 weltweit größte Hydroenergiereserve. Tobias von Lossow ist Stipendiat in der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika SWP-Aktuell 63 September 2017 1
Karte Der Kongo-Fluss und das Kongobecken Kongo I: Transport und Navigation noch erneuert. Die Schiffsbesatzungen sind Ein schlecht ausgebautes, zur Regenzeit oft unzureichend ausgebildet, so dass Hava- vielerorts unpassierbares Straßennetz, ein rien auf dem schwierig zu befahrenden maroder Schienenverkehr und nur begrenzt Fluss an der Tagesordnung sind. Aufgrund verfügbare, teure Flugverbindungen machen von Unwettern sowie Navigationsfehlern den Kongo als Transportweg bedeutender und weil seeuntaugliche oder überladene als andere afrikanische Flüsse. Viele ent- Schiffe eingesetzt werden, sterben jährlich legene Gegenden sind ausschließlich auf über 1000 Menschen bei Schiffsunglücken, dem Wasserweg erreichbar, so dass der die Dunkelziffer ist höher. Fluss für Teile der Bevölkerung die einzige Von Unfällen mit Gefahrengut gehen infrastrukturelle Anbindung ist. Vor allem auch Risiken für die Umwelt aus. Zwar kann im Osten der DRK nehmen viele Menschen der Kongo mit seinem enormen Wasser- wochenlange Reisen auf sich, um in die volumen Giftstoffe vergleichsweise gut ab- Hauptstadt Kinshasa zu gelangen – meist sorbieren, die Zahl solcher Havarien nimmt auf zusammengetauten Lastenkähnen. Auch aber zu. Ein weiteres Problem sind sogenann- die Wirtschaft ist auf die Schifffahrt angewie- te »Zölle«, die lokale Netzwerke und krimi- sen: So werden zwischen Bangui und Kin- nelle Banden entlang einzelner Strecken- shasa pro Jahr über 1,5 Millionen Brutto- abschnitte illegal erheben – eine Folge registertonnen auf dem Kongo transpor- unter anderem der mangelnden staatlichen tiert. Das tatsächliche Volumen ist größer, Regulierung, die den Personen- und Han- da das Gros der verladenen Güter aus dem delsverkehr maßgeblich beeinträchtigt. informellen Sektor nicht erfasst wird. Zudem kämpft die Schifffahrt insbesondere Trotz der zentralen Bedeutung des Kongo im Südosten und im Norden des Kongo- als Transportweg ist die Schifffahrtsinfra- beckens mit sinkenden Wasserpegeln infol- struktur mangelhaft: Viele Häfen gleichen ge rückläufiger Niederschläge. Am Ouban- Ruinen, Anlegestellen verfallen, Signale oder gui beispielsweise, einem wichtigen Zufluss (Warn-)Schilder werden weder gewartet im Norden, hat sich die Wasserabflussmenge SWP-Aktuell 63 September 2017 2
in den letzten 40 Jahren um ein Fünftel fahrt beeinträchtigt und die Hydroenergie- reduziert, so dass früher dauerhaft schiff- potentiale mindert. Auch infolge des Klima- bare Flussabschnitte an mehr als 200 Tagen wandels fällt vielerorts weniger Regen, was im Jahr nicht befahren werden können und sich an sinkenden Pegelständen am Ober- einige Orte dann von der Außenwelt ab- und Mittellauf bereits bemerkbar macht. geschnitten sind. Kongo III: Wasserversorgung und Kongo II: Ökosystem und Landwirtschaft Biodiversität Der Kongo führt mit Abstand die größte Der Kongo und das ihn umgebende zweit- Wassermenge aller afrikanischen Flüsse – größte zusammenhängende Regenwald- mit jährlich 1,3 Billionen Kubikmeter rund gebiet der Welt stehen in einem wechselsei- das Zehnfache des Nils oder das Fünffache tigen Abhängigkeitsverhältnis zueinander. des Sambesi. Er stellt ein Drittel der Süß- Das Flusssystem mit seinen Sumpfgebieten wasservorkommen des Kontinents bereit. Mit ist sozusagen die Schlagader des Regen- diesen Ressourcen ließen sich neben dem walds, denn es liefert die Wasserressourcen Ausbau der Wasserversorgung in der Region für das feucht-tropische Regenwaldklima. etwa 60000 Quadratkilometer landwirtschaft- Die Niederschläge über dem Regenwald lich nutzbare Fläche bewässern, um die pre- wiederum führen dem Fluss am Mittellauf käre Ernährungssicherheit zu verbessern. große Wassermengen zu. Etwa 50 Prozent Doch werden die Ressourcen des Kongo des Kongo-Wasserkreislaufs vollzieht sich bislang nur in geringem Maße genutzt. Die hier, 75–95 Prozent der Regenfälle in der Wasserversorgung im Flussbecken ist kata- Region entstehen durch die Verdunstung strophal. In der DRK verfügen weniger als über dem Regenwald. zehn Prozent der Haushalte über einen Der zentralafrikanische Regenwald ist Wasseranschluss; nur 26 Prozent der Bevöl- der artenreichste der Welt. Er beheimatet kerung haben adäquaten Zugang zu saube- über 10 000 Pflanzen- und 2500 Tierarten, rem Trinkwasser. In den anderen Anrainer- darunter zwei Drittel aller Primaten. Da der staaten sind diese Zahlen zwar unwesent- Regenwald bis zu 39 Milliarden Tonnen CO2 lich besser; aufgrund des unzureichenden absorbiert, was ungefähr den weltweiten Wassermanagements und fehlender Mittel Emissionen von 2016 entspricht, beeinflusst ist der Großteil der Bevölkerung zur Wasser- der Wasserhaushalt des Kongo nicht nur versorgung aber auf Brunnen oder ungefil- das Mikroklima in der Region, sondern auch terte Oberflächengewässer angewiesen, was das globale Klima. Etwa dieselbe Menge CO2 zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträch- wird zudem in Torfböden und Feuchtgebie- tigungen und erhöhter Sterblichkeit führt. ten des Flussbeckens gebunden. Ein ähnliches Bild gibt die Nahrungs- Allerdings ist dieses wichtige Ökosystem mittelproduktion ab, die weit hinter dem massiv bedroht: Die fortschreitende Abhol- Bedarf und den Möglichkeiten zurückbleibt. zung und der Bergbau setzen dem Regen- Es gibt nur wenige größere Bewässerungs- wald zu. Jährlich geht eine Fläche von etwa projekte im Kongobecken, wegen der hohen 2000 Quadratkilometern verloren – mit Niederschläge wird Landwirtschaft zumeist Auswirkungen, die über die unmittelbare im Regenfeldbau betrieben. Der Großteil Zerstörung des Regenwalds und den Rück- der Bevölkerung bestreitet zudem seinen gang der Artenvielfalt hinausgehen. Weil Lebensunterhalt in Subsistenzlandwirt- das Ökosystem dadurch immer weniger schaft. Aufgrund der unzureichend aus- Wasser speichern und abgeben kann, ver- gebauten landwirtschaftlichen Strukturen ringern sich die Flusswassermenge und die sind alle zehn Kongoanrainer Netto-Impor- Niederschläge, ein Prozess, der den Regen- teure von Lebensmitteln, unter anderem wald in seiner Existenz gefährdet, die Schiff- von Getreide, Mais und Reis. SWP-Aktuell 63 September 2017 3
Kongo IV: Hydroenergie zitäten oder stellen die Arbeit wegen der Auf den Kongo entfallen rund 13 Prozent unzureichenden Stromversorgung immer der weltweiten Hydroenergiepotentiale, was wieder zeitweise ein. In manchen Fällen einer Leistung von 100 000 Megawatt (MW) wurden Förderstätten dauerhaft aufgege- entspricht. Damit ließe sich der gegen- ben, die Neuerschließung einiger Minen wärtige Strombedarf auf dem gesamten liegt auf Eis. afrikanischen Kontinent decken. Für die hydroenergetische Nutzung gibt es günsti- ge Voraussetzungen: das teils große Gefälle, Motor regionaler Integration: Kon- geeignete geologische Formationen, die flikt und Kooperation der Anrainer hohe Fließgeschwindigkeit und der starke Am Kongo liegen zehn Staaten: Die DRK mit Wasserdruck sowie die große Wassermen- einem Anteil am Flussbecken von 62 Pro- ge, die keinen größeren jahreszeitlichen zent, die Zentralafrikanische Republik Schwankungen unterliegt. (11 Prozent), Angola (8 Prozent), die Repu- Dennoch werden bis dato weniger als blik Kongo (7 Prozent), Sambia (5 Prozent), drei Prozent dieses Potentials genutzt. Unter Tansania (4 Prozent), Kamerun (2 Prozent) den etwa 40 Anlagen erzeugen lediglich die sowie Gabun, Burundi und Ruanda (je weni- Inga-Talsperren südlich von Kinshasa größe- ger als 1 Prozent). Da nur ein geringer An- re Strommengen: teil des Kongowassers genutzt wird, gibt es Inga 1 wurde 1972 fertiggestellt und hat zwischen den Anliegern bislang kaum klas- eine Maximalleistung von 351 MW. sische Nutzungskonkurrenzen und Vertei- Inga 2 ging 1982 in Betrieb und generiert lungskonflikte. Neben der großen Wasser- bis zu 1424 MW. menge wirkt die Geographie konflikthem- Inga 3 sollte ab 2017 mit einer Kapazität mend: So ist die DRK gleichzeitig Ober-, von 4800 MW errichtet werden und, als Mittel- und Unterlieger, zahlreiche Zuflüsse erste Ausbaustufe von Grand Inga, 13 Mil- und Niederschlagseinzugsgebiete über dem liarden Euro kosten. Regenwald liegen im Staatsgebiet der DRK. Grand Inga soll in mehreren Ausbaustu- An einigen Passagen ist der Kongo Grenz- fen eine Gesamtleistung von 40 000 MW fluss, was besondere rechtliche Rahmen- erbringen – knapp die Hälfte des derzei- bedingungen mit sich bringt und bei Stau- tigen Strombedarfs in Afrika. Die Kosten dammprojekten die Zusammenarbeit bei- des weltweit größten Hydroenergie- der Uferseiten zwangsläufig macht. projekts liegen bei 50–60 Milliarden Euro. Die politische Debatte über die Kontrolle des Kongo verläuft demzufolge wenig kon- Hohe Kosten, die fragile Sicherheitslage trovers. Die DRK sieht den Fluss im Großen und schlechte Investitionsbedingungen und Ganzen zwar als ihren an. Die anderen waren ursächlich für den schleppenden Anrainer rütteln aber auch nur bedingt an Ausbau der Hydroenergie in den letzten diesem Selbstverständnis, da ein Ausbau der Dekaden. Nicht einmal die installierten Wassernutzung seit jeher unter regionaler Kapazitäten werden ausgeschöpft. Inga 1 Perspektive diskutiert und geplant wurde. und Inga 2 laufen mit einer Auslastung von Zudem würden von solchen Maßnahmen unter 50 Prozent, auch weil notwendige In- mehrere Staaten profitieren. Schließlich ist standhaltungsmaßnahmen nicht durch- die DRK auf finanzkräftige Partner angewie- geführt werden. Gleichzeitig leidet die Re- sen, um größere Wasserbauvorhaben zu gion unter Strommangel: In der DRK haben stemmen. Andere Anlieger, die hier inves- weniger als zehn Prozent der Bevölkerung tieren, versprechen sich davon eine gewisse Zugang zu Elektrizität, auch die wirtschaft- Kontrolle über die Ressourcen des Kongo. liche Entwicklung ist durch dieses Defizit Das grundsätzliche Einvernehmen wird stark beeinträchtigt. So fördern im Süden lediglich von wiederkehrenden Überlegun- der DRK viele Minen mit gedrosselten Kapa- gen getrübt, dem Kongo Wasser zu entneh- SWP-Aktuell 63 September 2017 4
men, um es über Leitungssysteme anderen chenden Stromversorgung und verfolgen in Wassereinzugsgebieten zuzuführen. Seit diesem Punkt ähnliche Ziele und Interessen. den 1980er Jahren gibt es Pläne, das Becken Mit Südafrika treibt zudem ein regionales des Kongo mit denen des Nils, des Niger politisches und wirtschaftliches Schwer- oder des Tschadsees zu verbinden, etwa um gewicht, das nicht im Flussbecken liegt, den die ökologische Katastrophe des rapide aus- Ausbau der Wasserkraft am Kongo voran, trocknenden Tschadsees abzufedern. Solche um seinen Energiehunger auch mit ver- Gedankenspiele um Wassertransfers bergen gleichsweise günstigen Stromimporten zu Konfliktpotential und haben die DRK nach stillen. In einer Übereinkunft mit Südafrika und nach dazu bewogen, den grenzüber- hatte sich die DRK verpflichtet, ab 2021 jähr- schreitenden Charakter des Kongo stärker lich eine Leistung von 2500 MW aus der ge- zu betonen, um die eigenen Interessen über planten Anlage Inga 3 zu liefern – über die eine beckenweite, international begleitete Hälfte der vorgesehenen Gesamtleistung. Kooperation abzusichern. Ausgangspunkt für die bislang weit- gehend harmonische Zusammenarbeit zwi- Intersektorale Konflikte und schen den Anrainerstaaten war die Schiff- Dominanz des Bergbaus fahrt. Das Flusssystem verbindet wichtige Auch wenn zwischenstaatliche Kontrover- Binnenhäfen miteinander und bietet den sen über das Kongowasser noch keine große Staaten in der Region der Großen Seen Zu- Rolle spielen, kündigen sich direkt und in- gang zum Atlantik. Kamerun, die Zentral- direkt intersektorale Zielkonflikte an. Ge- afrikanische Republik, die Republik Kongo rade die von den Anrainern gemeinsam und die DRK haben 1999 die Commission forcierten, auf eine intensivere Nutzung des Internationale du Bassin Congo-Oubangui- Kongo gerichteten Projekte schüren solche Sangha (CICOS) mit Sitz in Kinshasa ein- Konflikte, weil sie bestehende Ungleich- gerichtet, um die Bedingungen des Schiffs- gewichte zwischen Sektoren verstärken, verkehrs auf dem Kongo zu verbessern. Das negative Entwicklungen beschleunigen und Mandat wurde 2007 um das grenzübergrei- häufig das Ökosystem in Mitleidenschaft fende Wassermanagement erweitert. CICOS ziehen. Ein Ausbau der Wasserversorgung wurde damit zu einer koordinierenden und und der Landwirtschaft etwa geht damit beratenden Flussgebietskommission, die einher, dass vermehrt ungeklärte Abwässer sich unter anderem auf die Fahnen geschrie- eingeleitet und Flüsse mit Pestizideinträgen ben hat, die Bewässerungslandwirtschaft belastet werden. auszubauen. Die Erfahrung der erfolg- Ungleich größer sind die Konsequenzen reichen Zusammenarbeit im Bereich der des von allen Staaten angestrebten massiven Schifffahrt hat die Mitgliedstaaten zu einer Ausbaus der Hydroenergie, der nicht nur entschiedeneren politischen Unterstützung von der Afrikanischen Union (AU), der für CICOS bewogen. Auch Gabun ist seit Afrikanischen Entwicklungsbank und der 2010 Mitgliedstaat, Angola folgte 2016. Die New Partnership for Africa’s Development Kooperation in der Kommission dämpft (NEPAD), sondern auch von der Bergbau- auch andere Konflikte zwischen den Anlie- industrie begrüßt und unterstützt wird. Vor gerstaaten ab, wie zum Beispiel Territorial- allem mit der Realisierung des Vorhabens streitigkeiten der DRK mit der Republik Grand Inga würde zwar ein substantieller Kongo und Angola. Beitrag zur Elektrifizierung und Entwick- Neben der Schifffahrt und überwiegend lung des Kontinents geleistet; allerdings außerhalb von CICOS ist der Ausbau der ginge mit der merklich erhöhten Strom- Hydroenergieerzeugung, insbesondere an produktion ein deutlicher Ausbau des Berg- den Inga-Fällen, ein zentraler Pfeiler der Zu- baus einher, der eine Schädigung des Öko- sammenarbeit unter den Kongo-Anrainern. systems nach sich ziehen würde: Die Förder- Denn sie leiden alle unter einer unzurei- tätigkeiten beeinträchtigen zum einen un- SWP-Aktuell 63 September 2017 5
mittelbar die Wasserqualität, wenn giftige 2015 erste vorbehaltliche Zusagen für Kapi- Stoffe das Flusswasser verunreinigen. Zum talbeteiligungen vor. anderen nimmt die Wassermenge ab, da Da auch der Abbau von Rohstoffvorkom- der Bergbau sehr wasserintensiv ist. Die men im Norden Südafrikas, vor allem Dia- Quantität leidet auch indirekt: Werden manten und Eisenerz, von der Stromproduk- neue Förderstätten erschlossen und Infra- tion profitieren soll, ist auch Pretoria be- strukturen für den Rohstoffexport aus- reit, einen wesentlichen Beitrag zu leisten – gebaut, beschleunigt das die Abholzung des umso mehr, seit die Hydroenergie dort Regenwalds. Dies wiederum beeinträchtigt wieder im Aufwind ist. Denn die ambitio- den sensiblen Wasserkreislauf im Kongo- nierten Atomkraftpläne des Landes erhiel- becken und damit die Funktionsweise des ten im April 2017 einen Dämpfer, als der gesamten Flusssystems, unter anderem weil oberste Gerichtshof ein Abkommen mit sich die rückläufigen Niederschläge weiter Russland über den Bau von acht Kernkraft- verringern. Führt der Kongo weniger Was- werken aufhob. Zudem verzögert sich der ser, schränkt dies die Schifffahrt und damit Ausbau der Kohlekraftwerke. Auch weil der die Mobilität der Bevölkerung ein. Ebenso Kohleanteil am Energiemix Südafrikas bis verschlechtern sich die Bedingungen für 2030 von derzeit über 90 Prozent auf zwei die Wasserversorgung und Nahrungsmittel- Drittel sinken soll, müssen alternative produktion; zudem reduziert sich die an Kapazitäten geschaffen werden. den Dämmen erzeugte Strommenge – hier Die sozioökonomische Lage im Kongo- schließt sich der Kreis – mit negativen Aus- becken macht eine intensivere Nutzung des wirkungen für den Bergbau. Flusswassers nahezu unumgänglich. Sollen Anders als an anderen Flussbecken Afri- die Ressourcen und die damit verbundenen kas haben am Kongo die fördernden Indus- Möglichkeiten langfristig zur Verfügung trien als wichtigster Wirtschaftszweig beson- stehen, müssen eine Übernutzung allerdings deren Einfluss auf die Wasserbauprojekte. verhindert, die Interessen aller Nutzer und Die Branche drängt auf einen intensivierten Sektoren berücksichtigt und das Ökosystem Abbau der Rohstoffreserven im Osten des ausreichend geschützt werden. Andernfalls Beckens und entlang des sogenannten Kup- drohen drastische ökologische Auswirkun- fergürtels, der sich von Angola über den gen, die nicht nur mit Blick auf den Klima- Süden der DRK bis nach Sambia erstreckt. wandel über die Region und den Kontinent Die Förderung von Bodenschätzen wie Col- hinausreichen werden. Die Kongo-Anrainer tan, Gold, Kupfer oder Kobalt (hier lagern bewegen sich daher auf einem schmalen über 50 Prozent der weltweiten Kobalt- Grat: Sie sind mit dem Paradoxon konfron- Reserven) scheiterte bisher auch an der tiert, dass ein Ausbau der Wassernutzung Stromversorgung. Ein Ausbau von Inga war dringend geboten ist, sie gleichzeitig genau angesichts der hohen Kosten, des unattrak- damit aber die grundlegenden Funktions- tiven Investitionsklimas und der fragilen weisen des Flusssystems samt seiner immen- Sicherheitslage lange keine Option. Die sen Potentiale gefährden. global rasant steigende Rohstoffnachfrage und die anziehenden Weltmarktpreise haben die Ausgangssituation jedoch ver- Grundsatzfragen der deutschen und ändert und die Investitionsbereitschaft er- europäischen Wasseraußenpolitik höht. Der etwa 13 Milliarden Euro teure Die besondere Brisanz der Fragen rund um Ausbau von Inga 3 wurde 2015 auf den Weg die Nutzung des Kongo ergibt sich aus seinen gebracht, wenngleich die Finanzierung der- geographischen, klimatischen und sozio- zeit stockt und Kinshasa eine Neuplanung ökonomischen Maßstäben – im Vergleich des Projekts erwägt. Schien eine Realisie- mit anderen Flussbecken entfalten positive rung des Megaprojekts Grand Inga vor wie negative Entwicklungen hier eine un- wenigen Jahren noch utopisch, liegen seit gleich größere Wirkung. Die Bundesregie- SWP-Aktuell 63 September 2017 6
rung setzt sich seit über zehn Jahren für den reiche Zwangsumsiedelungen wie am Drei- Ausbau von CICOS ein und engagiert sich Schluchten-Damm in China, wo 1,5 Millio- mit Maßnahmen zur Verbesserung der nen Menschen ihre Heimat verlassen muss- Schifffahrt. Im Mittelpunkt der deutschen ten, oder irreparable, umfassende ökologi- Aktivitäten steht dabei die Ausbildung von sche Schäden wie nach dem Bau des Kapitänen, Lotsen und Mechanikern. Solche Assuan-Damms in Ägypten, als flussabwärts »capacity building«-Projekte haben ein posi- die Fischbestände drastisch zurückgingen. tives Echo hervorgerufen, da sie langfristig Zweifellos sind zahlreiche Bedenken und über das Kongobecken hinaus wirken. gegen Großdämme berechtigt, die rigorose Das finanzielle und institutionelle Engage- ablehnende Haltung einiger europäischer ment der Gesellschaft für internationale Staaten beschränkt sich allerdings lediglich Zusammenarbeit (GIZ) im Rahmen des Pro- darauf, den Vorhaben eine direkte politische jekts GETRACO (Gestion Transfrontalière de oder finanzielle Unterstützung zu verweh- l’Eau dans le Bassin du Congo) wurde 2016 ren. Diese Position ist nur bedingt glaub- um drei Jahre verlängert – ein Beleg für würdig: Denn gleichzeitig sind es neben dessen Erfolg, das aufgebaute Vertrauen chinesischen vor allem europäische Unter- und die Kontinuität der Zusammenarbeit. nehmen und Konsortien, die diese hoch- Deutschland und seine europäischen umstrittenen, milliardenschweren Damm- Partner sollten sich angesichts des bevor- projekte umsetzen und ihre Investitionen stehenden Ausbaus der Wassernutzung teils sogar mit staatlichen Exportkreditgaran- noch stärker – und auch jenseits von CICOS tien (Hermesbürgschaften) absichern. Bei- – in diesen Prozess einbringen. Dazu gilt es spiele dafür sind die gewährten Bürgschaf- zuallererst, eine zielgerichtete, ausdifferen- ten Deutschlands für Bauteile des Soga- zierte, ausbalancierte und stringente Posi- moso-Staudamms in Kolumbien (2012) und tion zu den Großdammprojekten Inga 3 die Italiens für den Itare-Damm in Kenia und Grand Inga zu entwickeln. Dies fällt (2015). Hier wurden Studien zu Machbarkeit bislang schwer, weil solche Vorhaben die und Folgenabschätzung nur oberflächlich deutsche und europäische Entwicklungs- durchgeführt, die Ergebnisse teils geschönt. zusammenarbeit im Wassersektor immer Im Nachgang des eigentlichen Dammbaus wieder mit sensiblen und unbequemen wird die inkonsistente Haltung internatio- Grundsatzfragen konfrontieren. naler Geldgeber mitunter ebenfalls offen- Der Bau von Großdämmen hat in Afrika bar. So lehnte die Weltbank vor rund zehn und in Asien wieder Konjunktur, doch Jahren eine finanzielle Unterstützung des europäische Staaten und westliche Geld- Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) geber halten sich mit der Unterstützung in Äthiopien ab. Nachdem Addis Abeba derartiger Vorhaben zurück. Megadämme weitgehend selbst für den Bau aufgekom- bergen jede Menge politischen Sprengstoff, men ist, erwägt sie seit 2015 offen eine da sie sozioökonomische Spannungen ver- Finanzierung von Stromtrassen ins Landes- stärken können und häufig gegen Wider- innere und in Nachbarstaaten. Für einen stände aus der Bevölkerung durchgesetzt solchen realpolitischen Schwenk mag es in werden. Nicht selten werden gravierende der Sache plausible Gründe geben, er sen- technische, finanzielle, soziale oder öko- det jedoch ein fatales Signal an Staaten, die logische Einwände gegen solche Vorhaben ähnliche Projekte planen. aus politischen Gründen beiseitegeschoben. Die prinzipiell ablehnende und trotzdem Das Ergebnis sind dann zum Beispiel un- inkonsistente Grundhaltung vermag pro- geeignete Standorte wie beim Mossul- blematische Großdammprojekte weder zu Damm, der auf porösem Grund errichtet begrenzen noch zu verhindern. Stattdessen wurde; ausufernde Kosten wie beim Belo- macht sie europäische Staaten und inter- Monte-Damm in Brasilien, der um ein Drit- nationale Geldgeber bei solchen Vorhaben tel teurer war als veranschlagt, umfang- zu unglaubwürdigen Zaungästen, deren SWP-Aktuell 63 September 2017 7
Einfluss auf die Projektgestaltung im weite- Laufwasserkraftwerk benötigt ein vergleichs- ren Verlauf bestenfalls limitiert ist. Wäh- weise kleines Staubecken. Und schließlich renddessen ist Saudi Arabien beispielsweise handelt es sich um ein regionales Vorhaben, in Wasserbauvorhaben im Sudan involviert, das mehreren Staaten zu Gute kommt. in Sambia und Ghana etwa übernimmt Insbesondere für die DRK genießt Inga 3 China die Rolle des Finanzpaten. trotz Finanzierungsschwierigkeiten weiter Priorität. Auf mittlere oder lange Sicht wird auch Grand Inga realisiert werden – die Mittendrin oder außen vor Frage ist nicht mehr ob, sondern wann. Das Grand-Inga-Projekt ist Ausdruck eines Deutschland und seine europäischen Part- Prestige-getriebenen Gigantismus bei Infra- ner sollten sich bald und klar entscheiden, strukturprojekten und birgt erhebliche ob die zweifelsohne schwerwiegenden tech- Risiken. Allein die enormen Kosten von nischen und finanziellen Bedenken sowie 50–60 Milliarden Euro sprengen den Rah- die ökologischen und sozioökonomischen © Stiftung Wissenschaft und men sämtlicher Referenzprojekte, muten Nachteile überwiegen und ein Engagement Politik, 2017 angesichts eines aktuellen Staatshaushalts unmöglich machen. Dann verbietet sich Alle Rechte vorbehalten der DRK von 5,8 Milliarden Euro geradezu politisch aber auch die Unterstützung Das Aktuell gibt die Auf- absurd an und werden trotz der Beteiligung involvierter Unternehmen bei der Zuliefe- fassung des Autors wieder externer Investoren das Haushaltsdefizit rung von Einzelbauteilen, bei der Beteili- SWP der DRK zusätzlich belasten. Im Zuge der gung an nachgelagerten Prozessen oder Stiftung Wissenschaft und Baumaßnahmen müssen mindestens 35 000 durch die Vergabe von Bürgschaften. Eine Politik Deutsches Institut für Menschen umgesiedelt werden; gleichzeitig entsprechende Position muss konsequent Internationale Politik und droht die Bevölkerung bei der Stromvertei- und über Zeit aufrechterhalten werden, um Sicherheit lung das Nachsehen zu haben, da Groß- Wirkung zu entfalten. Ludwigkirchplatz 3−4 abnehmer und -investoren von Beginn an Oder es gilt auszuloten, in welcher Form 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 im Fokus des Mammutvorhabens standen. diese vergleichsweise CO2-freundliche und Fax +49 30 880 07-100 Im Fall von Inga 3 sollte nach den ursprüng- kostengünstige Form der Stromerzeugung www.swp-berlin.org swp@swp-berlin.org lichen Plänen eine jährliche Leistung von am Kongo politisch, technologisch oder 2500 MW nach Südafrika exportiert werden, finanziell unterstützt oder begleitet werden ISSN 1611-6364 weitere 1300 MW waren für die Bergbau- kann. Dann sind eingeforderte Maßstäbe industrie in der DRK vorgesehen, so dass und Standards aber auch tatsächlich ein- mit 1000 MW nur rund ein Fünftel für die zuhalten, wie unabhängige und sorgsam Haushalte und andere Wirtschaftszweige durchgeführte Machbarkeitsstudien, die übrigblieb. Da Leitungsverluste nicht ein- eventuell konstruktionstechnische Änderun- gerechnet wurden, drohte der Anteil für die gen erfordern. Bevölkerung auf weniger als 100 MW zu Wie auch immer eine Positionierung aus- sinken. Unterhalb der Anlage sind zudem sehen mag: Eine vertrauensvolle, langfristig die reichhaltigen Fischbestände gefährdet. angelegte Zusammenarbeit mit den Kongo- Gleichwohl hebt sich das Vorhaben in Anrainern in Wassernutzungsfragen ist ohne einigen Punkten positiv von vergleichbaren eine klare Haltung in der gleichermaßen Hydroenergieprojekten ab: Aufgrund des zentralen wie heiklen Frage der Hydroener- großen Gefälles an den Inga-Fällen, des gieerzeugung perspektivisch nicht glaub- hohen Wasserdrucks und der enormen haft aufrechtzuerhalten. Eine solche klare Fließgeschwindigkeit des Kongo erzielt die Position ist die Voraussetzung, um mit ent- Anlage einen relativ hohen Effektivitäts- sprechenden Beratungsangeboten die tech- grad bei einem vergleichsweise überschau- nischen Grenzen des Projekts aufzuzeigen, baren ökologischen Eingriff; da die Anlage eine ausreichende Beteiligung der Bevölke- am Unterlauf liegt, betreffen negative Effek- rung an den »benefits« anzumahnen und te einen relativ kurzen Flussabschnitt von dabei mitzuwirken, die Konsequenzen für 150 Kilometern. Das für Inga 3 vorgesehene das Ökosystem Kongo zu begrenzen. SWP-Aktuell 63 September 2017 8
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