Wasserstoff aus Oman für Deutschland und die EU - Einleitung
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NR. 18 MÄRZ 2023 Einleitung Wasserstoff aus Oman für Deutschland und die EU Nicht nur aus energiepolitischer Perspektive sinnvoll Dawud Ansari Deutschland und die EU möchten künftig Wasserstoff und dessen Derivate aus den arabischen Golfstaaten importieren. Zwar hat Deutschland dafür eine gemeinsame Absichtserklärung mit dem Sultanat Oman unterzeichnet, konzentriert seine Anstrengungen aber in erster Linie auf dessen größere Nachbarstaaten. Oman hintan- zustellen wäre jedoch ein energiepolitischer, geostrategischer und klimaaußenpoli- tischer Fehler. Nicht nur können Omans ambitionierte Wasserstoffpläne für bezahl- bare saubere Energie sorgen. Darüber hinaus entsprechen vertiefte (Handels-)Beziehun- gen mit dem Sultanat dem Ansatz einer werteorientierten Handelspolitik, fördern den internationalen Klimaschutz und tragen zur Stabilisierung der Machtverhältnisse im Golf bei. Damit beugen sie gefährlichen Konflikten vor. Die arabischen Golfstaaten – Saudi-Arabien, Knowhow erlauben es den Golfstaaten, Kuwait, Bahrain, Katar, die Vereinigten Ara- Pilotprojekte zügig und verlässlich um- bischen Emirate (VAE) und Oman – sind zusetzen und rasch den Handel mit Europa 2022 ins Blickfeld deutscher und europäi- aufzunehmen. scher Energiepolitik getreten. Nebst kurz- Die Golfstaaten haben dementsprechend fristig dringend benötigtem Flüssiggas soll ehrgeizige Wasserstoffpläne vorgelegt und Wasserstoff zur langfristigen Dekarbonisie- suchen nach Technologie-, Investitions- rung von Industrie und Luftfahrt akquiriert und Handelspartnern. Deutschland hat dazu werden. Hervorragende Bedingungen für Absichtserklärungen mit Saudi-Arabien, Wasserstoff aus erneuerbaren Energien den VAE, Katar und Oman unterzeichnet. platzieren die Golfstaaten am unteren Ende Allerdings führte keine der Golf-Reisen der der globalen Kostenkurve. Jenseits der Bundesregierung im Jahr 2022 nach Oman, Kosten geht es für Deutschland und die EU und auch das Engagement von Behörden um langfristige Importdiversifikation, aber und Unternehmen konzentriert sich auf die auch den Imperativ eines raschen Hoch- ersten drei Länder. Diese sind tendenziell fahrens des Wasserstoffsektors. Finanzie- in Europa stärker repräsentiert als Oman rungskapazitäten, bestehende (Export-)Infra- und außerdem vergleichsweise bedeuten- struktur, kurze Bauzeiten und führendes dere Öl- und Gasproduzenten.
Oman hintanzustellen wäre aber ein solidieren und setzt die Politik seines Vor- strategischer Fehler. Die Pläne des Sultanats gängers überwiegend fort. Er erbte jedoch sind überaus ernsthaft, auch weil es aus ökonomische und soziale Herausforde- innenpolitischen Gründen dringend neue rungen. 2021 führten Jugendarbeitslosigkeit Wirtschaftssektoren erschließen muss. und steigende Lebenshaltungskosten zu Zudem sollten geostrategische und klima- sonst seltenen Protesten. Die Demonstrie- außenpolitische Überlegungen in die deut- renden verlangten unter anderem, neue schen Wasserstoffambitionen einfließen. (staatliche) Arbeitsplätze zu schaffen, jüngst Gleichzeitig offenbart die Causa Oman eingeführte Steuern zu streichen und zuvor exemplarisch, welche Schwächen im deut- abgebaute Subventionen wiederherzustellen; schen Management des Sektors noch bis heute sind die Forderungen nicht voll- beseitigt werden müssen. ständig verstummt. Dem Ruf nach expansi- ver Fiskalpolitik entgegen stehen jedoch für Ölexporteure ungewöhnlich hohe Staats- Omans Wasserstoffpolitik: schulden von etwa 50% der Wirtschafts- Rahmen und Hintergrund leistung, welche ohne Einsparungen zu eskalieren drohen. Die Verschuldung wuchs Omans Wasserstoffpolitik steht im Zusam- seit dem Ölpreiseinbruch 2014 stetig und menhang mit allgemeinen Entwicklungs- hat sich infolge der Corona-Pandemie ver- zielen des Landes wie auch ökonomischen vielfacht. Mit einem jährlichen Pro-Kopf- Herausforderungen und Klimaschutzbestre- Einkommen von etwa 19.000 Euro ist Oman bungen. Sie erhält ihren allgemeinen Rah- wohlhabend, wenngleich weniger als seine men durch die Vision 2040, eine übergeord- Nachbarstaaten. Auch der Staatsfonds ist nete nachhaltige Entwicklungsagenda für mit etwa 39 Milliarden Euro eher klein, den Zeitraum 2021–2040. Darin hat das sodass der Spielraum für richtungsweisende Sultanat eine Reihe von Zielen definiert und Investitionen eingeschränkt ist. festgelegt, wie deren Umsetzung harmoni- Omans Wirtschafts- und Energieexport- siert und überwacht werden soll. Angestrebt strategie sieht daher vor, durch Hebeleffek- wird unter anderem ökonomische Vorreiter- te und Zukunftsförderung aktuelle Aus- schaft und Diversifizierung. Zu diesem gaben zu begrenzen und zugleich mittel- Zweck sollen vor allem komplementäre fristige Perspektiven zu schaffen. Erstens Schlüsselsektoren und Zukunftsindustrien sorgen Teilprivatisierungen und Fremd- identifiziert und gefördert werden. In diesem kapitalisierung für zusätzliche Liquidität Kontext soll der Anteil nichtfossiler Wirt- und senken gegenwärtige Verbindlichkei- schaft von 61 auf 91,6% der Wirtschaftsleis- ten, was den Staatshaushalt entlastet. So tung wachsen. Geplant ist auch, ihren An- wurden beispielsweise im Jahr 2021 Kon- teil am öffentlichen Budget auf 18% zu ver- zessionen für die Ausbeutung wichtiger doppeln. Um die omanische Wettbewerbs- Ölfelder an staatliche, aber kreditfinanzier- fähigkeit zu erhöhen, soll außerdem die te Unternehmen ausgegliedert. Anteilige grüne Ökonomie und dabei besonders die Veräußerungen weiterer öffentlicher (Ener- erneuerbaren Energien ausgebaut werden. gie-)Unternehmen stehen an. Auch im Bis 2030 sollen sie 20% des Energiebedarfs Wasserstoffbereich wird auf ausländisches decken, bis 2040 zwischen 35 und 39%. Kapital gesetzt. Dabei sieht Oman sich Die Agenda wirkt für einen Golfstaat hauptsächlich als Bereitsteller natürlicher zunächst nicht ungewöhnlich, hat jedoch Ressourcen. Zweitens versucht das Sultanat, eine besondere Bewandtnis. 2020 verstarb mit Onshoring, der Reservierung von Ar- Sultan Qaboos bin Said nach 50 Jahren im beitsplätzen für Einheimische und geziel- Amt. Befürchtungen einer politischen ten Vorstößen in Zukunftsschlüsseltechno- Destabilisierung bewahrheiteten sich indes logien die Arbeitslosigkeit langfristig nicht. Der neue Herrscher, Sultan Haitham abzubauen. Neben Rahmenstrategien wie bin Tariq, konnte seine Macht schnell kon- der Vision 2040 sieht ein »In-Country SWP-Aktuell 18 März 2023 2
Value«-Rahmenwerk vor, dass die omani- Mögliche Produktionsregionen sind über sche (Energie-)Wirtschaft einen substantiel- das Land verteilt und mit den (Tiefwasser-) len Beitrag zur sozioökonomischen Ent- Häfen verknüpft (siehe Grafik). Duqm, Sala- wicklung des Sultanats demonstrieren lah und Sohar sind ausgebaute Industrie- muss. Auf dem Wasserstoffsektor liegt viel häfen und Sonderwirtschaftszonen, während Hoffnung: Oman erwartet 70.000 neue Sur die Flüssiggasterminals des Sultanats Arbeitsplätze im Inland. beheimatet. Aktuell hat das omanische Arbeitsplätze durch Zukunftssektoren Energieministerium die Regionen um Sala- zu schaffen ist auch ein Kernpunkt der im lah im Gouvernement Dhofar sowie Duqm November 2022 veröffentlichten Klima- und Al-Jazir im Gouvernement Al-Wusta neutralitätsstrategie des Landes. Diese sieht ausgewählt. Diese weisen die besten Sonnen- bis 2050 die vollständige Dekarbonisierung und Windbedingungen auf und liegen in des Sultanats entlang eines pragmatischen, Küstennähe. Das ist vorteilhaft, weil das für aber ehrgeizigen Transformationspfades die Elektrolyse notwendige Wasser durch vor. Die Wasserstoffökonomie bildet in Meerwasserentsalzung gewonnen wird und zweierlei Hinsicht ein Kernelement der Stra- keine teuren Transportpipelines zu den tegie. Zum einen soll sie die Dekarbonisie- Häfen gebaut werden müssen. Salalah ist rung von Industrie und Verkehr im Inland (ebenso wie Sohar) ein Bevölkerungs- vorantreiben, zum anderen den Aufbau zentrum, was den Sektoraufbau erleichtert. grüner Wirtschaft und grüner Arbeitsplätze Während diverse Staatskonzerne für die befördern. Gemäß der Strategie sollen 55% (getrennt vergebene) Wasserstoffinfrastruk- der in der Transformation geschaffenen tur in Oman verantwortlich sind, sollen Arbeitsplätze und zwei Drittel des in ihr entsprechend Omans allgemeinem ökono- generierten Wirtschaftswachstums aus der mischem Vorgehen private internationale Wasserstoffökonomie stammen. Konsortien die Wasserstoffproduktion umsetzen. Dazu werden vom Königshaus bestimmte (Land-)Blöcke mit Produktions- Die Anfänge der omanischen konzessionen für einen Zeitraum von Wasserstoffwirtschaft 47 Jahren ausgeschrieben. In der aktuellen Phase A sind dies sechs Blöcke, aufgeteilt Im Oktober 2022 hat Oman die nationalen in zwei Runden: zunächst zwei Blöcke in Wasserstoffpläne quantifiziert und ver- Duqm (siehe Grafik), welche im April 2023 öffentlicht. Bis 2030 avisiert es die Produk- vergeben werden, und darauffolgend vier tion von 1 bis 1,25 Millionen Tonnen (Mt) Blöcke in Dhofar, für welche das Gebots- Wasserstoff; bis 2040 und 2050 soll sich verfahren im Mai 2023 beginnt. diese Zahl auf 3,5 bzw. 8 Mt erhöhen. Für Die Ausschreibungsbedingungen sollen den eher kleinen Golfstaat sind dies giganti- sowohl inländische Entwicklung und Teil- sche Pläne. Zum Vergleich: Das benachbar- habe als auch Fremdkapitalisierung und te, flächen- und bevölkerungsmäßig etwa Attraktivität für Investoren gewährleisten. achtmal so große Saudi-Arabien will bis Dabei werden gewisse Mindestgebote vor- 2030 jährlich 4 Mt Wasserstoff produzieren, gegeben: circa 0,04 Euro pro Quadratmeter die gesamte EU im selben Zeitraum »nur« für die Pacht des Bodens und 5% des produ- 10 Mt pro Jahr. Das Sultanat schätzt die für zierten Wasserstoffs als Sachleistung zu- sein Vorhaben notwendigen Elektrolyseur- sätzlich zu Gewinnabgaben. Auch muss der kapazitäten und zusätzliche erneuerbare omanische Konzern OQ, vertreten durch Stromerzeugung auf 8–10 bzw. 16–20 seine Alternative-Energien-Sparte, mit min- Gigawatt (GW) bis 2030 und 100 bzw. 185 destens 20% am Eigenkapital des zu grün- GW bis 2050. Einschließlich sämtlicher denden Produktionsunternehmens beteiligt Infrastruktur beziffert das Energieministe- werden. Weiterhin besteht Unternehmens- rium den Gesamtinvestitionsbedarf auf steuerpflicht. Die Vergabe der Produktions- 132 Milliarden Euro. projekte erfolgt vertikal integriert von der SWP-Aktuell 18 März 2023 3
Grafik Die der Grafik zugrunde liegenden Quellen sind aufgelistet unter https://bit.ly/SWP23A18Links Strom- bis zur Wasserstoffderivaterzeugung. Ammoniaks aus 1,3 GW Solar- und Wind- Elektrizität soll mit einem kosteneffizienten energie in der Duqm-Region. Regionale und dynamisch erweiterbaren Solar-Wind- Koordination und Kooperation findet bisher Mix produziert werden. Das Konsortium kaum statt. Allerdings bestehen Absichts- kann die Elektrolyseurtechnologie wie auch erklärungen für saudische und emiratische die Form des Derivats selbst bestimmen. Da- Investitionen in Omans Wasserstoffsektor. für aber sollten Bieter (möglichst verbindli- Auch Kuwaits Staatsfonds hatte zwischen- che) Exportabnehmer (Offtaker) mitbringen. zeitlich sein Interesse bekundet. Schon im Vorfeld hat Omans Energie- Eine weitere Besonderheit der omani- ministerium zahlreiche Absichtserklärun- schen Pläne ist, dass sie die inländische gen unterzeichnet, sowohl mit potentiellen Nutzung des Wasserstoffs und seiner Deri- Importländern wie Deutschland, Belgien, vate ausdrücklich einbeziehen. So wird ein Niederlande und Japan als auch mit strate- lokales Verteilernetz geplant, über welches gischen Partnern wie dem Energiekonzern der bereits im Öl- und Gassektor sowie in Shell. Jenseits des Ausschreibungsverfah- der Landwirtschaft bestehende Bedarf de- rens haben bereits erste Konsortien Land- karbonisiert wird. Das Sultanat setzt aktiv nutzungsvereinbarungen geschlossen. Das auf das Potenzial der Häfen als Wasserstoff- Hyport-Duqm-Projekt unter Leitung des Hub mit Export- und Produktionsanlagen. belgischen Unternehmens DEME zum Bei- Vor allem Herstellung und Ausfuhr grünen spiel arbeitet an der Herstellung grünen Stahls sind Teil der omanischen Vorhaben. SWP-Aktuell 18 März 2023 4
So will Jindal Shadeed, der lokale Ableger Downstreamsektor vertreten (siehe Grafik). des indischen Giganten Jindal Steel and Allen voran ist hier OQ zu nennen, eine Power, etwa 2,8 Milliarden Euro in eine vertikal integrierte Holding omanischer Anlage zur Produktion von fünf Millionen Unternehmen mit Bezug zum Energiesektor. Tonnen Stahl jährlich investieren. Die oma- OQ stellt nicht nur Infrastruktur bereit, nische Holding OQ äußerte ebenfalls Inter- sondern ist im Rahmen seiner Alternative- esse, und zwar am Aufbau von Anlagen Energien-Sparte auch an der Wasserstoff- für grünen Zement. Weiterhin bestehen Ab- produktion beteiligt. Die ASYAD Group, nahmevereinbarungen mit dem norwegi- Omans zentrale Logistikholding, ist für den schen Unternehmen Yara International zur Seetransport von Wasserstoff und seinen Nutzung grünen Ammoniaks als Schiffs- Derivaten sowie die Verwaltung mehrerer treibstoff und exportierbarem Düngemittel. Exporthäfen zuständig. Diese sind individu- ell agierende Sonderwirtschaftszonen, ver- netzt durch internationale Teilhabe, näm- Die Schlüsselakteure in Omans lich Belgiens und der Niederlande. Im Sinne Wasserstoffwirtschaft der europäischen »Hydrogen Valleys« sollen sie zu integrierten Wasserstoffökosystemen Der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft liegt ausgebaut werden. Aufgrund ihrer Lage im in den Händen eines nationalen Netzwerks Arabischen Meer, also entlang internationa- aus öffentlichen Unternehmen und Mini- ler Handelsströme, eignen sich die Häfen sterien, allen voran dem Ministerium für nicht nur als inländische Wasserstoff-Hubs, Energie und Mineralien (MEM) sowie dem sondern auch als potenzielle internationale 2022 gegründeten Staatsunternehmen Umschlagplätze für Wasserstoff und seine Hydrom (siehe Grafik). Das MEM leitet den Derivate. Eine übergeordnete Behörde regu- Sektor politisch, strategisch und regulato- liert sie und ist für die Gesamtkoordination risch und hat dabei sowohl ein energie- als der Downstream-Infrastruktur verantwort- auch wirtschaftspolitisches Mandat. Dieses lich. Die 2021 gegründete Hy-Fly Alliance schließt die Öl- und Gasbranche ein und fungiert als umfassendes nationales Koordi- orientiert sich an übergeordneten Zielen, nationsgremium mit öffentlichen und pri- vor allem der Vision 2040. Hydrom orche- vaten sowie nationalen und internationalen striert den Sektor und ist damit unter ande- Wasserstoffakteuren. rem für Konzessionen zur Landnutzung, Jenseits dieses Kerns prägen weitere Ak- gemeinsame Upstream-Infrastruktur, Pro- teure das Bild. Internationale Ölkonzerne jektvergabe, Absatz der Produkte sowie die halten Anteile der nationalen Energieindu- Koordination zwischen den verschiedenen strie (siehe Grafik) und konnten so auch beteiligten Stellen verantwortlich. Hydrom rasch Fuß im Wasserstoffsektor fassen. Sie untersteht dem MEM und ist eine Tochter- haben bereits Projekte in erneuerbaren gesellschaft der Energy Development Oman Energien realisiert und Absichtserklärun- (EDO), welcher 2021 in einer Umstrukturie- gen für gemeinsame Wasserstoffprojekte rung des Energiesektors auch der staatliche unterzeichnet. Praxisnahe Forschungs- Ölkonzern Petroleum Development Oman institute, besonders das Oman Hydrogen (PDO) unterstellt wurde. PDO ist zwar kein Centre, begleiten den Sektor mit techni- Wasserstoffakteur per se, treibt jedoch schen und projektbezogenen Studien. durch enge personelle Verflechtungen und Das Gesamtbild zeigt, dass der Wasser- Teilhabe in Wasserstoffgremien den Sektor stoffsektor institutionell verteilt, aber mit an. Über sämtlichen Akteuren steht das zugleich von Verschränkungen wichtiger Königshaus, welches durch Dekrete den Akteure gekennzeichnet ist (siehe Grafik). Rahmen vorgibt und nationale Ressourcen Es gibt eine durch das MEM dominierte wie etwa Boden verteilt. Seite und eine, die durch die staatlichen Weitere öffentliche Unternehmen und Unternehmen unter der Oman Investment Behörden sind vor allem im Mid- und Authority geprägt ist. Letztere ist der 2020 SWP-Aktuell 18 März 2023 5
gegründete Staatsfonds, welcher nahezu alle tragen und agiert als humanitärer Akteur, öffentlichen Unternehmen umfasst und etwa durch Gesundheitsversorgung und dem Ministerrat des Landes, dem obersten Transitvisa für die jemenitische Diaspora. Exekutivorgan, untersteht. Anderseits sind Sultan Haitham bin Tariq plant offenbar, die Aufsichtsräte der öffentlichen Unter- diesen Ansatz beizubehalten und omani- nehmen stets mit Vertretern mehrerer sche Diplomaten weiter »als Vermittler des Stellen besetzt. Damit ergibt sich trotz der Friedens und Mitwirkende zur Konflikt- Dominanz des MEM und der allumfassen- lösung« einzusetzen. Die ökonomische Lage den Macht des Monarchen eine Verschrän- begrenzt jedoch Omans Kapazitäten zur kung der Akteure im Wasserstoffsektor, Friedensschaffung: Zwischen 2015 und 2022 die für gegenseitige Kontrolle sorgt. Diese ist der Etat des Außenministeriums um zunehmende Institutionalisierung erhöht 24% gesunken, und auch auf absehbare Zeit zwar den Koordinationsbedarf für inter- werden sozioökonomische und haushalts- nationale Partner, aber ebenso die Verläss- politische Themen Vorrang haben. Mit der lichkeit einer möglichen Zusammenarbeit. Vision 2040 und dem Klimaneutralitätsplan setzt Oman alles auf die Zukunftssektoren. Damit wird ein rascher Erfolg der Wasser- Gründe für die Zusammenarbeit stoffindustrie de facto zur Bedingung für tieferes außenpolitisches Engagement. Das geopolitische Gleichgewicht Eine erfolgreiche omanische Wasserstoff- am Golf ökonomie würde den Golfstaat stärken, was für Europa von geopolitischem Interesse ist. Neben energiepolitischen Gründen, beson- Der Arabische Frühling hat die zuvor eher ders der diversifizierten und schnellen Ver- innenpolitisch orientierten Golfstaaten in sorgung mit bezahlbarer sauberer Energie, eine aktivere Außenpolitik und vor allem sprechen vor allem geopolitische Interessen Saudi-Arabien und die VAE sowie teils Katar für Wasserstoffimporte aus und Kooperatio- in einen verschärften Wettbewerb um nen mit Oman. Hegemonie gezwungen. Die kleineren Golf- Das Sultanat tritt aktiv in der regionalen staaten, allen voran Oman, bremsen einer- Konfliktvermeidung und -vermittlung auf. seits Konfrontationen (wie die Katar-Krise Omanische Missionen haben vom ersten 2017). Anderseits begrenzt der durch sie Golfkrieg bis zum iranischen Atomabkom- geschaffene regionale Pluralismus die Macht- men geholfen, die Region zu stabilisieren. ausübung in überregionalen Konflikten. Die Oman ist der einzige regionale Akteur mit Folgen eines Autonomieverlustes zeigt bei- konstruktiven Beziehungen zu und in sämt- spielsweise Bahrain. Seit es bei Protesten lichen Staaten der Region. Omans Rolle ist 2011 besonders Saudi-Arabiens militärische fluider und nuancierter als (aktive) Neutra- Hilfe in Anspruch nahm, ist es außenpoli- lität und zielt häufig darauf ab, den Status tisch zunehmend an Riad orientiert und hat quo zu wahren. In der Katar-Krise von 2017 Eskalationen wie die Katar-Blockade und den – damals hatten Saudi-Arabien, Bahrain Jemen-Krieg aktiv unterstützt. Eine wach- und die VAE binnen eines Tages diplomati- sende Konzentrierung der Macht unter den sche Beziehungen sowie jeglichen Wirt- Golfstaaten könnte regionale Konflikte wie schafts- und Personenverkehr mit Katar den Kalten Krieg mit Iran und den Jemen- ausgesetzt – blieb Oman offiziell unpartei- Krieg oder auch überregionales militäri- isch. Es hat jedoch ausbleibende Lebens- sches Engagement in Levante, Nordafrika mittellieferungen an Katar ersetzt, bilatera- und am Horn von Afrika anheizen. le Beziehungen zu Katar vertieft und später Vor allem aber sind Deutschland und die neben Kuwait zwischen den Parteien vermit- EU auch darauf angewiesen, neue Verbün- telt. Auch im Jemen-Krieg ist das Sultanat dete in der Region zu finden. In der globa- unerlässlich. Beispielsweise hat es maßgeb- len Ordnung avancieren die Golfstaaten lich zum Waffenstillstand von 2022 beige- immer mehr zum Machtakteur. Zugleich SWP-Aktuell 18 März 2023 6
haben Europa wie auch die USA ihre Bezie- Klimaaußenpolitik wird sein, Öl- und Gas- hungen zu der Region lange vernachlässigt produzenten pragmatisch in Klimaschutz- und deutlich an Einfluss verloren. Zum bestrebungen einzubinden. Außer Katar einen ist Europa kaum noch in der Lage, haben sämtliche Golfstaaten unlängst Klima- seine Interessen am Golf zu vertreten. Die neutralitätsziele bekanntgegeben. Oman Ohnmacht angesichts der OPEC-Entschei- sticht mit dem ehrgeizigsten Zieljahr (2050, dung gegen Produktionsausweitungen 2022 ebenso wie die VAE), der ausgereiftesten hat dies eindrucksvoll belegt. Zum anderen Strategie und einem direkten Bezug zur bildet sich eine Golf-China-Achse heraus, Wasserstoffökonomie hervor und könnte welche das Machtverhältnis im Systemkon- eine Vorreiterrolle einnehmen. Wird die flikt zwischen dem Westen und China zu Wasserstoffproduktion zügig hochgefahren, beeinträchtigen droht. Wasserstoffbezug kann die Dekarbonisierung der omanischen und -kooperation legen ein breiteres diplo- Industrie rasch vorangetrieben werden. matisches Fundament mit Oman und Da Umweltschutz unter den Golfstaaten können so der zunehmenden Abspaltung von national(istisch)er Konkurrenz geprägt der Region von Europa entgegenwirken. ist, könnte dieser Prozess zu Spillover- Effekten auf die anderen Golfstaaten führen Werteorientierte Handelspolitik, und auf diese Weise zum wirksamen Mittel Klimaaußenpolitik und Berechen- internationalen Klimaschutzes werden. barkeit Vor allem aber hat sich Oman in seiner Politikgestaltung während der letzten zehn Deutschlands Entkoppelung von Russland Jahre als äußerst berechenbar erwiesen. hat die Debatte über Werteorientierung, Dies steht im Gegensatz zu anderen Staaten Risiken und mögliche positive Nebeneffekte der Region, deren Außenpolitik immer dyna- des Außenhandels neu entfacht. Das gilt mischer wurde. So hat die Katar-Blockade vor allem mit Blick auf Energieimporte aus gezeigt, dass zum Beispiel seitens Saudi-Ara- den Golfstaaten. biens und der VAE außenpolitische Manöver Jenseits des orientalistischen »Monarchie«- auch auf Kosten vertraglicher Wirtschafts- Etiketts steht Oman regional als inklusiv beziehungen nicht mehr ausgeschlossen und gemäßigt da. Bevölkerungsgruppen sind. Prinzipiell bieten alle Golfstaaten Ver- und Minderheiten werden breit repräsen- tragstreue und Beschaffungssicherheit, tiert, und der zivilgesellschaftliche Dialog allerdings sind die zuvor erwähnten Nuan- ist weitgehend offen. So wurden Demon- cen in der Politikgestaltung und -berechen- strationen während des Arabischen Früh- barkeit relevant: Ähnliche Szenarien für lings nicht mit Repression, sondern durch den Wasserstoffhandel sind unwahrschein- Reformen beantwortet. Trotz einer nur ein- lich, wenngleich nicht unmöglich. Dieses geschränkten Rolle des Parlaments besteht politische Risiko könnte sich auch in einem ein großteils funktionales System aus Verlust außenpolitischer Durchsetzungs- Checks and Balances zwischen den Institu- fähigkeit Deutschlands widerspiegeln. So tionen, welches einen rechtsstaatlichen hat die Bundesregierung 2022 im Vorfeld Charakter herstellt. Ebenfalls im Hinblick der Golf-Reise des Kanzlers erstmals das auf wertebasierten Außenhandel ist wegen des Jemen-Krieges verhängte Waffen- Omans konstruktive Rolle zur Beilegung embargo aufgeweicht. In Oman mildert des Jemen-Krieges hervorzuheben. nicht zuletzt der hohe Institutionalisierungs- Auch hinsichtlich der Klimaaußenpolitik grad, der auch in der Wasserstoffwirtschaft ist die Wasserstoffzusammenarbeit mit sichtbar wird, das Risiko einer erratischen Oman zu berücksichtigen. Nicht nur durch Politikgestaltung des Herrscherhauses. Ausfuhr von Öl und Gas sind die Golfstaa- Omans angespannte fiskalische Lage und ten Treibhausgasexporteure. Auch im In- seine deswegen schwache Bonität bergen land sind sie die weltweit größten Pro-Kopf- einerseits ein finanzielles Risiko, anderseits Emittenten. Eine wesentliche Aufgabe der aber auch eine wertvolle Verpflichtung. SWP-Aktuell 18 März 2023 7
Während in anderen Golfstaaten der Ferner könnten im Rahmen direkter Wasserstoffsektor eher nebensächlich ist, Regierungskooperationen gemeinsame bildet sein Aufbau für Oman ein mittel- Konzessionsträger unter Beteiligung des fristig essenzielles Ziel, da das Sultanat Privatsektors gebildet werden. Das würde neue Wirtschaftszweige erschließen muss. den Ausbau deutscher und europäischer Das ist ein starker Treiber für die Verwirk- Technologieführerschaft bei Wasserstoff lichung der omanischen Pläne und erklärt unterstützen und gleichzeitig Importe ihre Ernsthaftigkeit. sicherstellen. Die Bundesregierung sollte nicht davor zurückschrecken, eine aktivere Rolle als bisher für die Sicherstellung von © Stiftung Wissenschaft Fazit: Außenpolitische Ziele Wasserstoff einzunehmen, beispielsweise und Politik, 2023 rasch mit Wasserstoffimporten in Form einer strategischen Reserve. Alle Rechte vorbehalten kombinieren Zugleich können und sollten Wasser- stoffimporte mit geopolitischen, werteorien- Das Aktuell gibt die Auf- Deutschland und Oman eint seit Juli 2022 tierten und klimaaußenpolitischen Zielen fassung des Autors wieder. eine Absichtserklärung zur Wasserstoff- verknüpft werden. So dient in Oman die In der Online-Version dieser zusammenarbeit. Deren Implementierung Stärkung der nationalen Wasserstoffökono- Publikation sind Verweise kommt jedoch nur schleppend voran. Dies mie ebenfalls dem internationalen Klima- auf SWP-Schriften und sollte sich ändern, nicht nur aus energie- schutz, regionaler Stabilität und der Akqui- wichtige Quellen anklickbar. politischen Gründen. rierung diplomatischer Schlüsselpartner für SWP-Aktuells werden intern Deutschlands Vorgehen beim Wasser- die Bundesrepublik. Gleichzeitig profiliert einem Begutachtungsverfah- stoff scheint immer noch von der Vorstel- sich das Sultanat als Konfliktvermittler mit ren, einem Faktencheck und lung geprägt, dass es sich mittelfristig um relativ geringem politischem Risiko. Auch einem Lektorat unterzogen. einen Nachfragermarkt handeln wird und grüne Endprodukte wie Stahl oder Schiffs- Weitere Informationen die behutsame Suche nach Exporteuren treibstoff entlang der Transportroute EU- zur Qualitätssicherung der fortgesetzt werden kann. Allerdings wächst China bieten Schnittmengen mit deutschen SWP finden Sie auf der SWP- Website unter https://www. bereits die Zahl der Nachfrager, vor allem Interessen. Es bleiben aber die zentralen swp-berlin.org/ueber-uns/ aus Japan und Korea, aber ebenso aus EU- Herausforderungen aller potenziellen Ex- qualitaetssicherung/ Staaten wie Belgien und den Niederlanden. porteure außerhalb der EU-Nachbarschaft: Letztere kalkulieren bei ihren Importen Welche Kostenrückgänge werden sich bei SWP schon ein, den Wasserstoff teurer nach maritimen Wasserstofftransporten ergeben, Stiftung Wissenschaft und Politik Deutschland weiterzuverkaufen. Auch Ex- und wie einfach werden sich Derivate wie Deutsches Institut für porteure wissen mittlerweile um ihre Ammoniak nutzen lassen? Internationale Politik und Attraktivität, was die Preise in die Höhe statt Es empfiehlt sich, eine ständige Wasser- Sicherheit in die Tiefe treiben könnte. Nicht vernach- stoff-Task-Force zwischen dem Auswärtigen lässigt werden sollte, dass Kapazitätseng- Amt und dem Bundesministerium für Wirt- Ludwigkirchplatz 3–4 pässe im Elektrolyseurbau Wasserstoff zu- schaft und Klimaschutz einzurichten. Sie 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 nächst zur Mangelware machen werden. wäre ein wirksames Instrument, um künf- Fax +49 30 880 07-100 Deutschland sollte sich also sputen und tig vertiefte Partnerschaften gleichrangig www.swp-berlin.org in einem koordinierten Akt zwischen öffent- unter (energie)ökonomischen und außen- swp@swp-berlin.org lichen und privaten Akteuren Wasserstoff- politischen Aspekten zu beurteilen. importe akquirieren, um hohe Preise und Neben dem Hochfahren des Sektors sollte ISSN (Print) 1611-6364 ISSN (Online) 2747-5018 weitere Deindustrialisierung zu verhindern. in der Wasserstoffimportstrategie inter- DOI: 10.18449/2023A18 Neben dem bisherigen Vorgehen könnten national wie regional auf langfristige Diver- dazu Joint-Ventures mit anderen EU-Mit- sifizierung geachtet werden. Wasserstoff gliedstaaten helfen, besonders mit den aus den Golfstaaten und besonders aus Niederlanden, Belgien und Italien. Derartige Oman ist dazu ein wichtiges Element. Geo- Formate schaffen Synergien und beugen politische Aspekte bieten nicht nur Heraus- Gefällen in Energiepreisen und Wett- forderungen, sondern auch Chancen für bewerbsfähigkeit innerhalb der EU vor. die Politik- und Marktgestaltung. Dr. Dawud Ansari ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen. Dieses SWP-Aktuell entstand im Rahmen SWP-Aktuell 18 des Projekts »Geopolitik der Energiewende – Wasserstoff«, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird. März 2023 8
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