Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
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Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis «Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?» August 2018
2 Projektträgerschaft Stadtrat Brig-Glis Auftragnehmende Planteam S AG Optingenstrasse 54 3013 Bern Kernteam Dr. Patrick Hildbrand, Stadtrat Brig-Glis Roland Imhof, Stadtarchitekt Brig-Glis (Projektleitung) Bernhard Straub, Planteam S AG Anna Borer, Planteam S AG Steuerungsgremium Reto Ghezzi, Bundesamt für Raumentwicklung ARE Daniel Arn, Bundesamt für Umelt BAFU Lukas Bühlmann, VLP-ASPAN Petra Hellemann, Bundesamt für Landwirtschaft BLW Damian Jerjen, Dienststelle für Raumentwicklung Rechtliche Begleitung Lukas Bühlmann, VLP-ASPAN (Redaktion Kapitel 3.3 und 3.4) Schlussbericht Isabel Ammann, Planteam S AG Ana Pereira, Planteam S AG Marion Zängerle, Planteam S AG
Inhalt 3 Inhalt 1. Ausgangslage����������������������������������������������������������������������������������������������� 6 1.1 Einleitung 6 1.2 Grundlagen 6 1.3 Das Modellvorhaben Brig-Glis 6 2. Leitbild der räumlichen Entwicklung������������������������������������������������������� 8 2.1 Analyse 8 2.2 Strategien 9 2.3 Entwicklungsziele und Handlungsplan 10 2.4 Zielsetzung 11 3. Prämissen der Bauzonendimensionierung������������������������������������������� 12 3.1 Grundsätze der Siedlungsentwicklung 12 3.2 Die Ausscheidung von Bau- und Nichtbauzonen 12 3.3 Aktuelle Rechtsprechung zur Rückzonungspflicht 13 3.4 Grundsätzlich entschädigungslose Rückzonung 14 3.5 Kantonale Vorgaben zur Siedlungsbegrenzung 14 3.6 Kommunale Grundsätze Bauzonenausscheidung 14 3.7 Überdimensionierte Bauzonen 16 3.8 Mehrwerte und Ausgleichsszenarien 18 4. Bedeutung für Brig-Glis�������������������������������������������������������������������������� 22 4.1 Kantonale Anforderungen 22 4.2 Definition Siedlungsgebiet in Brig-Glis 23 5. Anwendungsbeispiele������������������������������������������������������������������������������ 30 5.1 Ortsteil Brig 31 5.2 Ortsteil Glis 32 5.3 Ortsteil Gamsen 34 5.4 Ortsteil Brigerbad 36 6. Kommunikation der Ergebnisse������������������������������������������������������������� 37 6.1 Kommunikation und Beteiligung im Rahmen des Modellvorhabens 37 6.2 Beteiligungsprozess Brig-Glis 37 6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick 37 7. Handlungsempfehlungen ���������������������������������������������������������������������� 38 7.1 Räumliches Leitbild als Grundlage 38 7.2 Mobilisierung der Potenziale 38 7.3 Handlungsempfehlungen kommunale Ebene 39 7.4 Handlungsempfehlungen überkommunale Ebene 39 8. Quellenangaben��������������������������������������������������������������������������������������� 42 8.1 Literaturquellen 42 8.2 Projektverfassende Anwendungsbeispiele 42
Vorwort 5 Vorwort Die Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Lebens- Für die Stadtgemeinde wird bis 2030 ein Bevölkerungs- raumes steht im Kontext räumlicher Nutzungsansprüchen wachstum, gemäss kantonaler Prognose, von insgesamt der Gesellschaft einerseits und der Nichtvermehrbarkeit rund 10 % erwartet. Sie besitzt jedoch Baulandreserven, und räumlichen Gebundenheit der Ressource Boden an- welche weit über diesen Bedarf hinausgehen. Mit dem dererseits. Ziel einer qualitätsvollen Innenentwicklung hat die Stadt- Die Schweiz hat auf dem Wege der Gesetzgebung gemeinde Brig-Glis ein räumliches Leitbild erarbeitet, wel- Grundsätze für die zweckmässigen Nutzung des Bodens ches seither als wichtige Entscheidungsgrundlage für die und der geordneten Besiedlung des Landes geschaffen. anstehenden raumplanerischen Fragen dient. Dass eine funktionierende Raumplanung notwendig ist, Damit die Raumplanung erfolgreich sein kann und gilt heute als weithin geteilte Überzeugung in der Schwei- auch die notwendigen Rückzonungen am richtigen Ort zer Politik. Die möglichen Lösungsansätze zu deren Um- durchgeführt werden, muss die Siedlungsentwicklung der setzung erweisen sich dabei als äusserst vielfältig. Beliebigkeit enthoben werden und dauerhaft auf eine Die Raumplanung - als Aufgabe der öffentlichen Hand gesamtheitliche Denkweise hingeführt werden. - kann entweder nach dem laissez-faire-Prinzip oder mit Zwar können immer noch zahlreiche Einzelmassnah- der starken Lenkung einer ausgedehnten Ordnungspolitik men umgesetzt werden, diese sollen sich aber an den verstanden werden. So soll auch das wichtige Ziel eines übergeordneten Entwicklungsabsichten – formuliert im haushälterischen Umgangs mit dem Boden mit unter- räumlichen Leitbild – der Gemeinde Brig-Glis orientieren. schiedlichen Mitteln erreicht werden. Damit wird ermöglicht, dass die einzelnen Bauabsichten Obwohl mit dem Beschluss des Raumplanungsgesetzes mit ihren individuellen Bedürfnissen mit den Interessen (RPG) Ende der 70-er Jahre bereits der Grundstein in der Allgemeinheit übereinstimmen. die Richtung eines haushälterischen Umgangs mit dem Der Boden bildet die Grundlage, um öffentliche Aufga- Boden gelegt worden war und damit auch über die Jahre ben zu erfüllen und ist zugleich Gegenstand des privaten hinweg positive Effekte im Raum erzielt werden konnten, Eigentums. Da dieser jedoch nur beschränkt verfüg- haben sich im Laufe der Zeit doch auch Mängel und bar ist, lassen sich nicht alle Ansprüche unbeschränkt Lücken des geltenden Rechts gezeigt. verwirklichen. Damit umfasst die Raumplanung letztlich Mit der Revision des RPG im Jahre 2014 ist vom Bun- das Gebot eines gerechten Ausgleichs aller Interessen in desrat und vom Parlament und schliesslich auch vom einem Raum. Schweizer Volk ein deutliches Statement in die Richtung Mit diesen grundsätzlichen Fragestellungen einerseits einer stärkeren Lenkung als bisher eingeschlagen worden. und der Umsetzung in Brig-Glis im Konkreten setzt sich Die Umsetzung zur Förderung einer kompakten Sied- das Modellvorhaben der räumlichen Entwicklung ausein- lungsentwicklung und damit das Eindämmen der Zersied- ander. lung liegt in den Händen der Kantone und schliesslich der Die Erarbeitung erfolgte mit der Absicht, Lösungsan- einzelnen Gemeinden. sätze der haushälterischen Nutzung des Bodens für die Obwohl - oder gerade weil - im Kanton Wallis keine Stadtgemeinde Brig-Glis zu finden, um die von Bund Mehrheit für die Revision des RPG zustande gekommen und Kanton gestellten Aufgaben erfüllen zu können. ist, hat die Stadtgemeinde Brig-Glis beschlossen, die Gleichzeitig sollten daraus allgemeingültige Erkenntnisse anstehenden Aufgaben proaktiv in Angriff zu nehmen. abgeleitet werden können, die für andere Gemeinden, Eine der grössten Herausforderungen, die sich aus der insbesondere im Oberwallis, jedoch auch im ganzen Revision des RPG ergeben hat, besteht in der Verkleine- Kanton oder gar in der Schweiz von Bedeutung bei der rung der zu grossen Bauzonen. Damit hängt auch die Redimensionierung der Bauzonen sein werden. effizientere Nutzung von brachliegendem oder unter- nutztem Bauland zusammen. Daraus ergeben sich einerseits die Notwendigkeit die kommunalen Nutzungsplanungen zu überarbeiten und andererseits die Aufgabe an die Gemeinden, ihr künftiges Siedlungsgebiet zu definieren.
6 Ausgangslage 1. Ausgangslage 1.1 Einleitung 1.2 Grundlagen «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung» Am 3. März 2013 sagten 62.9 % der Stimmberechtigten Mit den «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwick- der Schweiz Ja zur Revision des Raumplanungsgesetzes lung» fördert der Bund neue Ansätze und Methoden um (RPG), welche schweizweit einer Dimensionierung der lokalen, regionalen und kantonalen Akteuren einen An- Bauzonenreserven auf den Bedarf der nächsten 15 Jahre reiz zu geben, Lösungsideen in den vom Bund gesetzten zur Durchsetzung verhelfen soll. Als einziger Kanton der Schwerpunkten zu entwickeln und vor Ort zu erproben. Schweiz stimmte der Kanton Wallis mit einer grossen Die Projekte sollen mit innovativen Ansätzen und ab- Mehrheit gegen die Vorlage und nur knapp 20% befür- gestimmt auf die Ziele des Raumkonzepts Schweiz die worteten das revidierte Gesetz. Lebensqualität und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern Kernstück des neuen Gesetzes ist die Pflicht, überdi- sowie die Solidarität innerhalb und zwischen den Regio- mensionierte Bauzonen zu reduzieren. Da der Kanton nen stärken. Wallis über grosse Baulandreserven verfügt, können all- Die Modellvorhaben stellen Laboratorien dar und fällige Rückzonungen finanziell erhebliche Nachteile für erlauben es, neue Methoden, Ansätze und Verfahren die Grundeigentümer bedeuten- im Fall von zu leisten- zu erproben. Die bereits vorhandenen Instrumente den Entschädigungen auch für die öffentliche Hand. Da der nachhaltigen Raumentwicklung werden so gezielt die Eigentümerstruktur oftmals sehr komplex ist und die ergänzt. Von den Erfahrungen soll anschliessend ein Parzellen kleinteilig , insbesondere in dörflichen Gebieten, möglichst breiter Kreis weiterer Akteure profitieren. Die erscheint das Abstimmungsergebnis vor diesem Hinter- Modellvorhaben sollen auch Hinweise für die Anpassung grund plausibel. und Weiterentwicklung der raumwirksamen Politiken des Mit dem neuen Raumplanungsgesetz wurden die Bundes geben. Kantone verpflichtet, den kantonalen Richtplan der über- Für die dritte Phase des Programmes «Modellvorhaben geordneten Gesetzgebung anzupassen. Neu muss der Nachhaltige Raumentwicklung» wurde die sektoren- Richtplan im Bereich Siedlung unter anderem quantitativ übergreifende Zusammenarbeit auf Bundesebene noch festlegen, wie gross die Siedlungsfläche insgesamt sein stärker intensiviert. Rund acht Bundesämter beteiligen soll und wie sie im Kanton verteilt sein soll (Art. 8a RPG). sich am Programm und unterstützen 31 Projekte in fünf Themenschwerpunkten. 1.3 Das Modellvorhaben Brig-Glis Neben dem federführenden Bundesamt für Raument- Die Stadtgemeinde Brig-Glis erwartet, gemäss kantonaler wicklung (ARE) beteiligen sich das Staatssekretariat für Prognose, eine Bevölkerungsunahme von insgesamt rund Wirtschaft SECO, die Bundesämter für Umwelt (BAFU), 10 %. Die Stadtgemeinde verfügt jedoch über Baulandre- Landwirtschaft (BLW), Wohnungswesen (BWO), Gesund- serven, welche weit über den dafür notwendigen Bedarf heit (BAG), Strassen (ASTRA) sowie Sport (BASPO) an der hinausgehen. dritten Phase. Die Stadtgemeinde Brig-Glis hat die Herausforderung, Die «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung» das Siedlungegebiet zu bezeichnen, frühzeitig erkannt gliedern sich in fünf Themenschwerpunkte. Das vorlie- und hinsichtlich möglicher Rückstufungen im Sinne von gende Modellvorhaben «Modellvorhaben Räumliche Rückzonungen von Bauland im Jahr 2013/2014 ein räumli- Entwicklung Brig-Glis: Verdichtung, Nichteinzonungen ches Leitbild erarbeitet. Diese Grundlage der Entwicklung und Rückstufungen gleichzeitig – ohne Verlierer?» ist von Brig-Glis zeigt auf, wo die Schwerpunkte der bau- eines von sieben Modellvorhaben in der Zeitperiode 2014 lichen Entwicklung in Zukunft liegen sollen, wo Land- – 2018 unter dem Themenschwerpunkt «Siedlungsent- schafts- und Freiräume gestärkt werden und wie beste- wicklung nach innen umsetzen». hende Defizite behoben und Qualitäten weiterentwickelt
Ausgangslage 7 werden können. Entwicklungsgebieten innerhalb des Handlungsplanes. Während der kantonale Richtplan Vorgaben über die Das «Modellvorhaben Räumliche Entwicklung Brig-Glis» Grösse der Bauzonen für jede Gemeinde macht und soll aufzeigen, wie ein Leitbild der räumlichen Entwicklung zudem allgemeine Vorgaben zur Bauzonenqualität als Hilfestellungen für Gemeinden bei der Bauzonendi- formuliert, können dem Leitbild konkrete Aussagen zur mensionierung mit einem qualitativen Ansatz ergänzt räumliche Entwicklung lokalisiert und zur Ausgestaltung werden kann, um daraus allgemeingültige Erkenntnisse der Bauzonen entnommen werden. Die Relevanz des zu gewinnen. Modellhaft soll aufgezeigt werden, wie eine Leitbildes Brig-Glis liegt daher neben der quantitativen in Umsetzung der Forderungen aus dem Raumplanungsge- der qualitativen und ortsspezifischen Sichtweise auf die setz und dem kantonalen Richtplan aussehen kann. Bauzonendimensionierung. Ziel ist es, aufzuzeigen, wo die notwendigen Rückzo- Durch die Revision des Raumplanungsgesetzes von nungen idealerweise vorgenommen werden sollen und 2014 und die anschliessende Richtplanrevision wird eine welche kompensatorischen Möglichkeiten Rückzonungen Überarbeitung der kommunalen Nutzungsplanungen begünstigen können. mittelfristig notwendig. Das Leitbild dient dabei als Len- Ausgehend vom «Leitbild der Räumlichen Entwicklung kungsinstrument der gewünschten räumlichen Entwick- Brig-Glis» werden versuchsweise Vorschläge für Konzepte lung. entwickelt, welche nebst den finanziellen Minderwerten Obwohl das Leitbild ein kommunales Planungsinstru- auf den betroffenen Parzellen Mehrwerte (z.B. in Form ment darstellt, ist es eng mit den Vorgaben des kan- von Mehrnutzungen an anderen Orten, oder gesteigerte tonalen Richtplanes verknüpft. Die beiden Instrumente Qualitäten von Siedlung und Freiraum generiert werden behandeln vergleichbare Inhalte wie beispielsweise die können. Dabei muss nicht immer von monetären Mehr- Abstimmung von Verkehr, Siedlung und Landschaft. Das werten ausgegangen werden, da teilweise auch ent- Leitbild stellt dabei die qualitative Ergänzung der mehr- schädigungslose Rückstufungen vorgenommen werden heitlich quantitativen Inhalte des Kantonalen Richtplanes können. Vielmehr müssen diese Mehrwerte aus einer dar. Dadurch können die von der kantonalen Dienststelle gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet werden: für Raumentwicklung (DRE) genannten «Synergien zwi- Im Diskurs um Zersiedelung und Verstädterung gewinnen schen Kanton und Gemeinden» optimal genutzt werden beispielsweise Grünflächen innerhalb des Siedlungsgebie- und die raumwirksamen Tätigkeiten auf kommunaler tes oder am Siedlungsrand an Bedeutung und Wert im Ebene in den Gesamtkoordinationsprozess integriert nicht monetären Sinne. werden. Dieses Vorgehen entspricht Art. 47 RPV über die In einzelnen Gebieten soll auf der Grundlage der Kon- «Berichterstattung der kantonalen Genehmigungsbehör- zepte ein Dialog mit der direkt betroffenen Bevölkerung de». Gemäss Art. 47 Abs. 2 muss insbesondere dargelegt gesucht werden. Im Idealfall wird zusammen mit den werden, welche Nutzungsreserven in den bestehenden Grundeigentümern in einem Gebiet die Basis geschaffen, Bauzonen vorhanden sind und welche Massnahmen in die Ziele vom Leitbild umzusetzen und Hinweise für den welchem zeitlichen Horizont verfolgt werden, um die kantonalen Richtplan zu liefern. Reserven zu mobilisieren. Auf kantonaler Ebene verlangt Art. 11 Abs. 5 kRPG von Für das Modellvorhaben wurden mit dem Bund die den Gemeinden, dass sie ihre «vorgesehenen Entwick- folgenden Projektziele vereinbart: lungsoptionen gemäss Art. 47 RPV» rechtfertigen. Das Erarbeiten eines strategischen Grundlagendokumentes ist somit im Kanton Wallis obligatorisch. Offengelassen wird ·· Das Vorhaben soll im betreffenden Gebiet praktische die Form, in welcher dies geschieht. und unmittelbare Wirkungen entfalten und nach- Ein räumliches Leitbild, wie es in Brig-Glis erarbeitet weislich einem Bedürfnis entsprechen. Während der worden ist, stellt eine Option dar. Das Leitbild ist jedoch Dauer des Programms müssen greifbare Ergebnisse als Planungsinstrument in der Raumplanung nicht so erzielt werden bezüglich weitreichend implementiert, wie beispielsweise Zonen- ·· Entwicklung nach innen (Schutz der Landschaft, Ver- nutzungspläne. dichtung und Stärkung der Ortsqualität, Verbes- Der Inhalt des Leitbildes der räumlichen Entwicklung, serung der Raum- und Lebensqualität) gestützt auf Brig-Glis entspricht einerseits den Vorgaben des Kantons die Umsetzung eines konkreten Siedlungsleitbildes und hat sich andererseits als richtungsweisende strategi- ·· Umsetzung in der Nutzungsplanung (Auswahl der sche Grundlage für das Modellvorhaben herausgestellt. Gebiete von Nichteinzonungen/Aus-/Rück- und Die inhaltliche Ausgestaltung eines Leitbildes zur räum- Aufzonungen) lichen Entwicklung auf kommunaler Ebene ist frei und an ·· konkrete Verhandlungen und die dazu die jeweiligen Bedürfnisse der Gemeinde anpassbar. Im notwendigen Verfahren vorliegenden Fall des Modellvorhabens Brig-Glis gliedert ·· die Entwicklung eines Instrumentariums im Zusam- sich das Leitbild in drei Teile: Die Analyse als Grundlage, menhang mit Aus- Rück- und Umzonungen. sechs Strategien zur Abstimmung von Siedlung, Verkehr und Landschaft sowie die Bezeichnung von konkreten
8 Leitbild der räumlichen Entwicklung 2. Leitbild der räumlichen Entwicklung Wie bereits eingangs erläutert, stellt das Leitbild der Die wichtigsten Freiräume: räumlichen Entwicklung eine wichtige Grundlage für die ·· Rhone mit Uferbereichen und Schwemmland Bauzonendimensionierung dar und kann mit seinem qua- ·· Saltina mit Uferbereichen und Talgrund litativen Ansatz dazu beitragen, die quantitativen Vor- ·· Hügellandschaften Gamsen, Brig, Biela, Acherbielen, gaben (Koordinationsblatt C.1, kantonaler Richtplan) und Schweggje, Brigerberg, Wickert, Buwjini gleichzeitig die Vorgaben zur Bauzonenqualität (Koordi- nationsblatt C.2, kantonaler Richtplan) zu erreichen. Brig-Glis hat sich über Jahrhunderte aus mehreren Orten Das Leitbild bietet wichtige Ansatzpunkte, wo die Flä- entwickelt, welche allmählich zusammengewachsen sind. chen zur Rückzonung vorzuschlagen sind und in welchen Die historischen Wahrzeichen stehen im Kontrast zur me- Gebieten durch eine Verdichtung und Mehrnutzung Aus- diterranen Altstadt und den aufgefüllten Siedlungsteilen gleiche dafür geschaffen wird. dazwischen. Die Alpenstadt ist umgeben von gewaltigen Ein wichtiger Ansatz des Leitbildes ist der Mehrwert für Bergen und sanften grünen Hügeln. Aus den Eigenhei- die gesamte Bevölkerung, indem bei der Entwicklung auf ten von Brig-Glis werden die Grundsätze für das Leitbild die Identität der Ortsteile, die landschaftliche Qualität in entwickelt: und um die Stadt sowie auf eine effiziente Verteilung der Das, was vorliegt, wird weiterentwickelt und gestärkt. Es Verkehrsströme unter Beachtung der räumlichen Qualitä- sollen lokale Antworten auf lokale Bedürfnisse gefunden ten gesetzt wird. werden. Die Herkunft und Tradition der Gemeinde soll Nachfolgend werden die wichtigsten Inhalte des räumli- erkennbar und erlebbar sein. Die Stadt liegt in der Land- chen Leitbildes erläutert. Dies dient dem Verständnis und schaft und ist sich ihrer besonderen Umgebung bewusst. der Nachvollziehbarkeit für die nachfolgenden Kapitel. Die Ziele sind Lösungen, die aus dem Ort heraus entwickelt wurden, die jedoch auch auf überkommunale 2.1 Analyse Anforderungen und Herausforderungen reagieren. Die Die Analyse diverser räumlicher Aspekte wie der Topo Analyse von Brig-Glis und die daraus entwickelten An- graphie, der Freiräume, der Stadtstruktur oder der Er- sätze zeigen, dass die Erhaltung, die Aufwertung und die schliessungsstrukturen bringt die wichtigsten Elemente Weiterentwicklung der wichtigsten Elemente des Lebens- des Lebensraumes Brig-Glis hervor. raumes zentral für die Entwicklung der Stadtgemeinde sind. Die wichtigsten Siedlungen: ·· Altstadt mit den umgebenden Bauten und Freiräu- men ·· Das Geviert zwischen der alten und der neuen Sim- plonstrasse ·· Dorfkern Glis mit den umgebenden Freiräumen ·· Dorfkern Gamsen mit den umgebenden Freiräumen Die wichtigsten Bauten (Wahrzeichen): ·· Stockalperschloss ·· Kollegiumskirche ·· Kirche Glis Die wichtigsten Achsen: ·· Neue Simplonstrasse, Bahnhofstrasse, Furkastrasse ·· Gliserallee ·· Napoleonstrasse
Leitbild der räumlichen Entwicklung 9 2.2 Strategien Das Leitbild der räumlichen Entwicklung wurde im Auf- Brig-Glis soll die Qualitäten der verschiedenen Quartiere trag der Stadtgemeinde Brig-Glis erarbeitet und im Jahr und Ortskerne bewahren, dabei jedoch im Ganzen ihre 2014 verabschiedet. Das Modellvorhaben räumliche Ent- Identität als Stadt sichtbar machen und weiterentwickeln. wicklung Brig-Glis stellt eine thematische Weiterführung Wichtige Verbindungen zwischen den Quartieren gilt es des Leitbildes dar. zu stärken. Zu den Themen Landschaft, Stadtraum und Verkehr Die Entwicklung – Wachstum, Urbanisierung, Beru- wurden im Leitbild der räumlichen Entwicklung Brig-Glis higung – soll auf die jeweiligen Quartiere angepasst sechs Strategien erarbeitet, um das erwartete Bevölke- geschehen, so dass deren jeweilige Qualitäten gestärkt rungswachstum qualitätsvoll zu meistern: werden. Städtische Gebiete werden entwickelt und ver- dichtet, Hanggebiete und die wichtigen Freiräume der ·· L1: Die Landschaft als Umfassung halten Stadt sind von Bebauung freizuhalten. ·· L2: Die Landschaft strukturiert die Stadt Die Autobahn soll als übergeordnete Hauptverbindung ·· S1: Wir sind eine Stadt! zwischen den einzelnen Gemeindeteilen und den Nach- ·· S2: Die Stadträume differenzieren bargemeinden genutzt werden, um eine Kammerung der ·· V1: Die Schnellstrassen für Brig-Glis nutzen Verkehrsströme zu erreichen und die städtischen Achsen ·· V2: Die Stadtachsen für Brig-Glis zurückgewinnen zu entlasten und aufzuwerten. Die rote Meile auf der ehemaligen Bahnstrecke der Furka-Oberalp-Linie wird für den Langsamverkehr dank Brig-Glis wird von der Rhone auf der einen und von attraktiver Freiraumgestaltung und Baumalleen zur zent- Schwemmkegeln und Wiesenlandschaften auf der ande- ralen innerstädtischen Verbindung, welche Brig, Glis und ren Seite eingerahmt. Innerhalb von diesem landschaft- Naters zusammenwachsen lässt. lichen Rahmen gilt es die Entwicklung von Brig voranzu- Für den motorisierten Verkehr wird die Achse Kantons- treiben und die wichtigen landschaftlichen Qualitäten zu strasse-Gliserallee durch geeignete Gestaltungsmassnah- schützen und zu bewahren. men zum attraktiven städtischen Strassenraum, der durch Freiräume haben als Begegnungs- und Bewegungs- die verschiedenen Quartiere führt und deren Vielfalt so zonen eine grosse Bedeutung für die Stadt. Besonders erlebbar macht. wenn eine Verdichtung angestrebt wird, müssen diese Freiräume geschützt werden. Strukturierende und iden- titätsstiftende Räume innerhalb des Siedlungskörpers gilt es zu wahren, um die Entstehung lesbar zu halten Abbildung 1 Brig-Glis eingebettet in die umgebende Landschaft
10 Leitbild der räumlichen Entwicklung 2.3 Entwicklungsziele und Handlungsplan Die sechs Strategien des Leitbildes zu den Themen Land- Für die folgenden Quartiere/ Gebiete wurden unter- schaft, Stadtraum und Verkehr werden in den Quartieren schiedliche Entwicklungsziele in einem Handlungsplan von Brig-Glis verortet und in Form von verschiedenen formuliert: Entwicklungsmöglichkeiten in einem Handlungsplan kon- 1. Altstadt, Innenstadt, Bahnhof- kret aufgezeigt. quartier, Sandmatte Zusammenfassend zeigt das Leitbild der Stadtgemeinde 2. Rhonesandquartier Brig-Glis, dass deren wichtigsten Bauten, Siedlungen, 3. Hangquartier Hellmatte, Im Hofji Strassen und Freiräume bewahrt und weiterentwickelt 4. Glis Ortskern, Gliser-Allee mit «Stadtpark» werden müssen, um die Qualität der Stadtgemeinde in 5. Zone Industrie, Überlandstrasse, Schwemmland Anbetracht des prognostizierten Bevölkerungswachstums 6. Gamsen zu bewahren und zu stärken. Der Fokus soll insbesondere 7. Brigerbad auf die Verdichtung der städtischen Gebiete und den Er- halt der historischen Kerne sowie der Grün- und Freizeit- räume innerhalb der Stadt gelegt werden.
Leitbild der räumlichen Entwicklung 11 Abbildung 2 Handlungsplan mit Entwicklungszielen für die Quartiere 2.4 Zielsetzung In Brig-Glis werden mit dem Leitbild der räumlichen Ent- Obwohl das Eigentum in der Schweiz zwar grundsätzlich wicklung - in Übereinstimmung mit den eidgenössischen, geschützt ist, werden die Nutzungs- und Verfügungs- kantonalen und regionalen Plänen und Konzepten - zwei rechte durch die Planungsmassnahmen teilweise ge- grosse Ziele verfolgt: eine Siedlungsentwicklung zur schmälert. Der Boden bildet die Grundlage, um öffent- Steigerung der Lebensqualität und Dimensionierung der liche Aufgaben zu erfüllen und ist zugleich Gegenstand Bauzonen für den künftigen Bedarf. des privaten Eigentums. Da der Boden jedoch nur be- Diese Ziele stellen gleichzeitig die grundlegenden Zielset- schränkt verfügbar ist und sich die Interessen daran nicht zungen des Modellvorhabens dar. unbeschränkt verwirklichen lassen, umfasst das Modell- Das Leitbild der räumlichen Entwicklung Brig-Glis weist vorhaben letztlich das Gebot eines gerechten Ausgleichs nicht nur genügende Bauzonen aus, sondern verortet aller Interessen in einem Raum als wesentlichste Ziel- diese auch an den richtigen Stellen. setzung.
12 Prämissen der Bauzonendimensionierung 3. Prämissen der Bauzonen dimensionierung 3.1 Grundsätze der Siedlungsentwicklung 3.2 Die Ausscheidung von Bau- und Nichtbauzonen Eine zentrale Folge der Entwicklungen der letzten Jahr- Art. 15 Abs. 3 RPG verlangt ganz allgemein, dass bei der zehnte war die enorme Inanspruchnahme des Raumes, Festlegung von Lage und Grösse von Bauzonen die Ziele die in der Schweiz zu einer Verdoppelung der überbau- und Grundsätze der Raumplanung befolgt werden müs- ten Flächen seit 1950 geführt hat. Dieser hohe Bodenver- sen. brauch und damit Verlust an Landschaft entspricht nicht In Art. 3 RPG sind die Planungsgrundsätze zu den den Planungsgrundsätzen des Bundes, wonach die Sied- verschiedenen Sachbereichen der Raumplanung festge- lungen in ihrer Ausdehnung zu begrenzen sind. Mit der halten. Richtplanung hat die Schweiz Grundsätze für eine durch Art. 3 Abs. 2 RPG verlangt, die Landschaft zu schonen, die Kantone zu schaffende, der zweckmässigen Nutzung indem bodenverändernde Nutzungen eingedämmt und des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes gleichzeitig das Kulturland erhalten wird. dienende Raumplanung geschaffen. Gestützt auf die kan- Art. 3 Abs. 3 RPG verlangt für den Sachbereich Sied- tonalen Richtpläne haben die Gemeinden die Aufgabe, lung, dass Wohn- und Arbeitsgebiete einander optimal das Siedlungsgebiet bezüglich Umfang und Lage der zuzuordnen sind. So sollen einerseits die Arbeitswege Bauzonen zu definieren. kurz und die Siedlungsqualität hoch gehalten werden, Seit Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes (RPG) andererseits sollen damit aber auch Wohngebiete vor im Jahre 1979 wurde immer wieder festgestellt, dass die schädlichen oder lästigen Einwirkungen verschont wer- Bauzonen zu gross dimensioniert sind und häufig am den. Ausserdem sind Wohn- und Arbeitsgebiete durch falschen Ort liegen. Grosse Teile der nicht überbauten das öffentliche Verkehrsnetz angemessen zu erschliessen, Bauzonen sind entweder nicht erschlossen, liegen in pe- Rad- und Fusswege zu erhalten oder neu zu schaffen. riurbanen, ländlichen oder touristischen Gemeinden und Des Weiteren sind im Interesse der Verdichtung und übersteigen insgesamt den Bedarf. Dabei bündelt sich die der haushälterischen Bodennutzung brachliegende oder Kritik an der Raumplanung im Begriff der Zersiedelung, ungenügend genutzte Flächen in Bauzonen besser zu indem die Resultate der Siedlungstätigkeit als wildwüchsig nutzen. Ein weiterer Aspekt liegt in der Versorgung, und unkoordiniert beschrieben werden. Es scheint, dass indem die Raumplanung die Aufgabe hat, günstige der Begriff der Zersiedelung die Probleme der siedlungs- Voraussetzungen zu schaffen, um die Versorgung mit räumlichen Entwicklung auf einen Nenner bringen kann, Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes beim denn damit wird aufgezeigt, zu was eine fehlgeleitete Konsumenten zu erhalten. Raumplanung führen kann. Schlussendlich sind Siedlungen mit genügend öffentli- Die Ziele von Art. 75 der Bundesverfassung - die chen und privaten Grünbereichen auszustatten. zweckmässige und haushälterische Nutzung des Bodens Als dritter Sachbereich werden Planungsgrundsätze für und die geordnete Besiedlung des Landes - haben durch öffentliche Bauten und Anlagen formuliert. die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes 2014 an Aktu- Art. 3 Abs. 4 RPG verlangt, dass diese regional ausge- alität gewonnen. Ausgehend von den nicht erwünschten wogen zu platzieren sind und möglichst keine nachteili- Effekten werden mit dem revidierten Raumplanungs- gen Auswirkungen nach sich ziehen. gesetz Lösungsansätze aufgezeigt, wie Raumplanung stattdessen künftig erfolgen soll. Neben den Planungsgrundsätzen sind in Art. 15 Abs. 4 Das revidierte Raumplanungsgesetz will nun der Zer- RPG Kriterien für die Zuweisung von Land zu einer Bau- siedelung Einhalt gebieten und verlangt von Kantonen zone formuliert. Im Umkehrschluss kommen also Bauzo- und Gemeinden, die Siedlungsentwicklung nach innen zu nen, welche diese Kriterien nicht (mehr) erfüllen, für eine lenken und überdimensionierte Bauzonen rückzuzonen. allfällige Rückzonung in Frage.
Prämissen der Bauzonendimensionierung 13 Abgeleitet aus Art. 15 Abs. 4 RPG können die folgenden Noch weiter ging das Bundesgericht im Fall der Bündner Kriterien für allfällig geeignete Rückzonungsflächen auf- Gemeinde Bregaglia. Hier verlangte eine Grundeigentü- geführt werden: merin, dass ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrund- stück nicht bewilligt werden darf, solange der Nutzungs- plan der Gemeinde nicht an das revidierte RPG angepasst ·Flächen, · ist. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, stellte ·· die Kulturland oder Fruchtfolgeflächen zerstückeln allerdings fest, dass in solchen Fällen ein Bauvorhaben ·· die grosse Bedeutung für Natur / Landschaft haben nur blockiert werden kann, wenn das Nachbargrundstück ·· die für eine Überbauung ungeeignet sind aufgrund seiner Lage und der örtlichen Gegebenheiten ·· die Fruchtfolgeflächen tangieren für eine Rückzonung in Frage kommt (BGer_1C_40). ·· deren Verfügbarkeit rechtlich nicht sichergestellt ist Im August 2016 bejahte das Bundesgericht in einem ·· die den Vorgaben des Richtplanes widersprechen weiteren weitreichenden Entscheid, dass die Umweltorga- nisationen neu gegen Einzonungen von Bauland Be- schwerde führen können. Das revidierte RPG umschreibe die Anforderungen an neue Bauzonen derart detailliert Diese generelle Aufzählung liesse sich weiter unterteilen und stelle damit die Trennung von Bau- und Nichtbau- in eine Liste möglicher Kriterien, die für die Beurteilung gebiet sicher. So würden Einzonungen zu einer «Bun- von Rückzonungen hilfreich sein kann. desaufgabe» und Umweltorganisationen zur Beschwerde berechtigt. Weiterhin nicht beschwerdeberichtigt seien 3.3 Aktuelle Rechtsprechung zur Rückzonungspflicht sie hingegen gegen Um- und Aufzonungen, denn was Bauzonen, die im Fall einer konsequenten Mobilisierung innerhalb des bestehenden Baugebietes geschehe, sei der inneren Nutzungsreserven in den bestehenden Bau- auch unter dem revidierten RPG Sache der Kantone und zonen voraussichtlich innerhalb von 15 Jahren nicht benö- Gemeinden und daher keine Bundesaufgabe (BGE 142 II tigt, erschlossen und überbaut werden, sind unzulässig. 509). Sie müssen rückgezont werden (Art. 15 Abs. 2 RPG). Was Dieser Entscheid wirft die Frage auf, ob auch Rück- passiert jedoch, wenn eine Gemeinde diesem Auftrag zonungen als Bundesaufgabe zu qualifizieren sind und nicht nachkommt? damit eine Beschwerdelegitimation der Umweltverbände Das revidierte Raumplanungsgesetz sieht bei einem begründen. Es ist anzunehmen, dass dem so ist, denn ungenügenden Vollzug seiner Bauzonenbestimmungen die Frage, ob eine Gemeinde über überdimensionierte Sanktionen in Bezug auf Neueinzonungen vor (Art. 38a Bauzonen verfügt, ergibt sich aus dem Bauzonenbedarf RPG), nicht jedoch, wenn Gemeinden der im Gesetz und der misst sich – wie bei Neueinzonungen – an den verankerten Rückzonungspflicht nicht nachkommen. Vorgaben des revidierten RPG. Werden Einzonungen Daraus liesse sich folgern, dass die Nichtbefolgung als Bundesaufgabe qualifiziert, muss dies auch für die dieser Vorschrift für die Gemeinde keine rechtlichen Reduktion überdimensionierter Bauzonen gelten (Thurn- Folgen habe. Dem ist jedoch nicht so. Eine Reihe neuer herr Daniela, 2017). Bundesgerichtsentscheide zeigt, dass das Unterlassen von Rückzonungen zu einer erheblichen Rechts- und Planungsunsicherheit führen und somit schwerwiegende Folgen haben kann. So hat das Bundesgericht 2016 im Fall Mollens VS entschieden, dass der Quartierplan für das Tourismus- ressort Amonina nicht genehmigt werden kann, solange der Nutzungsplan nicht an das revidierte RPB und das Zweitwohnungsgesetz angepasst ist (BGer_1C_568 und BGer_1C_576). Das Vorhaben ist somit auf unbestimmte Zeit blockiert. Allenfalls wird das Bauland gänzlich ausge- zont. Der Gemeinde St. Niklaus VS wurde vom Bundesgericht wenig später untersagt, eine Bauzone zu erschliessen, solange der Nutzungsplan nicht an das revidierte RPG angepasst ist (BGer_1C_447). Auch hier ist die Situation vorderhand blockiert.
14 Prämissen der Bauzonendimensionierung 3.4 Grundsätzlich entschädigungslose Rückzonung Eine weitere Frage ist, ob die auf das revidierte RPG zu- Darüber hinaus wird im Dokument des Bundes (ARE) «Er- rückzuführenden Rückzonungen eine Entschädigungs- gänzung des Leitfadens Richtplanung» Art. 8a RPG präzi- pflicht des Gemeinwesens auslösen. siert und der Begriff Siedlungsgebiet beschrieben als «die Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Beurteilung zu erwartende Siedlungsentwicklung für die nächsten der Entschädigungsfolgen zwischen Rückzonungen 25–30 Jahre», welche im Idealfall die Bauzonenreserven (Auszonungen) und Nichteinzonungen. Eine Rückzonung für die nächsten 15 Jahre übersteigt. Jede Gemeinde hat liegt vor, wenn eine Parzelle, die durch einen RPG-kon- ihr Siedlungsgebiet festzulegen, muss aber den kantona- formen Nutzungsplan der Bauzone zugeteilt worden war, len Vorgaben entsprechen. bei einer Nutzungsplanrevision neu einer Nichtbauzone Wie eine nicht abschliessende Analyse von verschie- zugeteilt wird. Wird bei der erstmaligen Schaffung einer denen kantonalen Richtplänen aufzeigt, werden unter- raumplanerischen Grundordnung, welche den verfas- schiedliche Strategien zur Umsetzung von Art. 8 RPG sungsrechtlichen und gesetzlichen Anforderungen ent- angewendet. Es wird ersichtlich, dass zur Bestimmung der spricht, eine Parzelle keiner Bauzone zugewiesen, so liegt Siedlungsbegrenzung die kommunalen Behörden überall hingegen eine Nichteinzonung vor, und zwar auch dann, in der Schweiz gefordert sind. wenn die in Frage stehenden Flächen nach dem bisheri- Im Koordinationsblatt C.1 «Dimensionierung der Bau- gen Recht überbaut werden konnten. Nichteinzonungen zonen für die Wohnnutzung» des kantonalen Richtpla- sind in der Regel entschädigungslos. nes Wallis werden Vorgaben zur Siedlungsbegrenzung Lange Zeit hat das Bundesgericht bei der Frage, ob es gemacht. Demnach müssen Bauzonen für die Wohnnut- sich bei der Rückführung von Land ins Nichtbaugebiet zung, die ausserhalb des Siedlungsgebietes liegen (also um eine Aus- oder Nichteinzonung handelt, auf das Da- den Bedarf von 35–30 Jahren übersteigen) zurückgezont tum des bis anhin geltenden Nutzungsplanes abgestellt. werden. Für diejenigen, die über dem Bedarf von 15 Handelte es sich um einen vor dem Inkrafttreten des Jahren liegen, sich jedoch im Siedlungsgebiet befinden, Raumplanungsgesetzes – das heisst, vor dem 1. Januar müssen planerische Massnahmen getroffen werden (bei- 1980 – erlassenen Nutzungsplan, galten Rückzonungen spielsweise Zonen mit späterer Nutzungszulassung oder als Nichteinzonungen. In seiner neueren Rechtsprechung Planungszonen festlegen). bezeichnet das Bundesgericht jedoch auch Rückzonun- Das Siedlungsgebiet ist so festzulegen, dass Flächen gen aus neurechtlichen Nutzungsplänen, das heisst aus ausgeschlossen (rückgezont werden), die sich nicht für solchen, die nach 1980 erlassen wurden, als Nichtein- eine Bebauung eignen. Das Koordinationsblatt C.1 des zonungen, wenn diese inhaltlich klar RPG-widrig waren. Kantons Wallis nennt als mögliche Kriterien: Grundstücke Insbesondere wenn sie über den Bedarf von 15 Jahren in einer Ferienhauszone, nicht erschlossene oder nicht hinausgehende Bauzonen enthielten. So hat das Bundes- an den öffentlichen Verkehr angebundene Grundstücke, gericht 2013 in der Thurgauer Gemeinde Salenstein zwei Grundstücke mit Hanglagen oder solche die sich in einer Rückzonungen als entschädigungslose Nichteinzonungen Naturgefahrenzone mit erheblicher Gefährdung befin- bezeichnet (Urteil BGer 1C_573/2011). 2016 hat es diese den. Rechtsprechung in der jurassischen Gemeinde Baroche bestätigt (Urteil BGer 1C_215/2015). Hält das Bundes- 3.6 Kommunale Grundsätze Bauzonenausscheidung gericht an dieser Rechtsprechung fest, ist aufgrund der Im Rahmen des Modellvorhabens räumliche Entwicklung stark überdimensionierten Bauzonen in vielen Walliser Brig-Glis wurde für die Bezeichnung der rückzuzonenden Gemeinden damit zu rechnen, dass sie entschädigungslos Gebiete eine ortsspezifische Auswahl von Rückzonungs- rückgezont werden können. kriterien getroffen. Im Sinne der Übertragbarkeit werden nachfolgend mögliche Kriterien vorgestellt, die je nach 3.5 Kantonale Vorgaben zur Siedlungsbegrenzung Bedarf weiter unterteilt werden können. Gemäss Raumplanungsgesetz RPG, Art. 8a über den Bei der Wahl der Kriterien ist jeweils die Abstimmung auf Richtplaninhalt im Bereich Siedlung, muss dieser insbe- die quantitativen Vorgaben des kantonalen Richtplanes sondere folgende Aspekte festlegen: - hier im Koordinationsblatt C.1 «Dimensionierung der Bauzonen für die Wohnnutzung» die Grösse sowie den ·· Wie gross die Siedlungsfläche insgesamt sein soll, Bedarf der Bauzonen für die nächsten 15-30 Jahre vorgibt wie sie im Kanton verteilt sein soll und wie ihre Er- und aufgrund der allgemeinen Vorgaben zur «Bauzo- weiterung regional abgestimmt wird; nungqualität» im Koordinationsblatt C.2 - notwendig. ·· wie Siedlung und Verkehr aufeinander abgestimmt Die folgenden Kriterien gemäss Art. 15 Abs. 4 RPG kön- und eine rationelle sowie flächensparende Er- nen in den Gemeinden im Sinne eines Werkzeugkastens schliessung sichergestellt werden; verwendet werden. Für jede Gemeinde sind die jeweils ·· wie eine hochwertige Siedlungsentwicklung nach geeignetsten Kriterien auszuwählen und anzuwenden. innen bewirkt wird; ·· wie sichergestellt wird, dass die Bauzonen den An- forderungen von Art. 15 RPG entsprechen; ·· wie die Siedlungserneuerung gestärkt wird.
Prämissen der Bauzonendimensionierung 15 Lage der Grundstücke Erschliessung Bezüglich der Lage von Grundstücken ist zu beurtei- Eine zwingende Bedingung für die Überbauung eines len, inwiefern sie zum Siedlungszusammenhang beitra- Grundstückes ist die Erschliessung. Dazu gehört einerseits gen und die Zerstückelung von Kulturland verhindern. Es der Anschluss an das öffentliche Strassen- und Wegnetz, sollen insbesondere Inselbauzonen vermieden werden, andererseits an das Ver- und Entsorgungsnetz (Wasser, ebenso wie Bauzonen, welche nicht in Zentrumsnähe Energie, Abwasser). liegen. Dies bedeutet, dass Grundstücke am Rand der Die Erschliessung von Grundstücken ist oft mit sehr ho- Bauzonen für eine Rückzonung in der Regel priorisiert hen Kosten verbunden und belastet das Grundstück. werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Freiflächen, Auch die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr kann welche für die Siedlungsstruktur oder den Umgebungs- als Kriterium genutzt werden. schutz von Ortsbildern wichtig sind, nach Möglichkeit zu Eine angemessene Erschliessung wird auf Bundesebene erhalten sind. gefordert. Demnach soll der Richtplan im Bereich Sied- lung neben der Abstimmung von Siedlung und Ver- Verfügbarkeit kehr auch eine «rationelle sowie flächensparende Er- In Gemeinden mit grossen Baulandreserven ist deren schliessung» sicherstellen. fehlende Verfügbarkeit oft eine grosse Herausforderung. Gründe dafür können ungeeignete Parzellenformen, un- Schutzinteressen günstige Lagen, fehlende Erschliessung oder in vielen Zahlreiche Schutzinteressen sind in Reglementen und Fällen Baulandhortung sein, wie Untersuchungen der ETH Inventaren verortet. Bei einer Überbauung soll eine Tan- Zürich im Rahmen von «Raum +» zeigen. gierung dieser Interessen möglichst verhindert werden. Zur Bekämpfung der Baulandhortung sieht das neue Aus diesem Grund sind Grundstücke in entsprechenden kantonale Raumplanungsgesetz gestützt auf Artikel 15a Natur-, Wald-, Landschafts-, Boden-, Gewässer- oder RPG Massnahmen vor. So kann die Gemeinde einem Grundwasserschutzzonen nicht zu überbauen. Grundeigentümer eine Frist für die Überbauung seines Durch eine zweckmässige Zonierung können zudem die Grundstücks setzen und, falls diese ungenützt verstrichen Landschaftsleistungen (Standortattraktivität, Erholung ist, das Grundstück – je nach Lage – zum Verkehrswert und Gesundheit, ästhetischer Genuss, Identität und Ver- erwerben oder rückzonen (Art. 16b und 16c kRPG). Die bundenheit) erhalten bzw. gestärkt werden. Auch Frucht- Mindestfrist für die Überbauung einer Parzelle beträgt 10 folgeflächen, ebenso wie Gebiete der Bundesinventare Jahre. der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Der Mechanismus der Baulandverflüssigung wird jedoch Bedeutung (BLN) und der schützenswerten Ortsbilder der nur dann zum Tragen kommen, wenn das öffentliche In- Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) sind zu berück- teresse dies rechtfertigt. Dies ist beispielsweise gegeben sichtigen. in Gebieten mit mangelndem, verfügbarem Bauland, in Ein weiteres Schutzinteresse besteht im Gesund- Gebieten von kantonaler Bedeutung gemäss Richtplan heitsschutz. Hierzu gehören die Berücksichtigung von oder in Gebieten, die für das verdichtete Bauen vorgese- Lärmbelastung, Luftverunreinigung und -verschmutzung, hen sind. Grenzabstände (FAT etc.) sowie Übertragungsleitungen. Zudem sollen Flächen, die primär für andere, nicht Planungsmassnahmen bauliche Nutzungen reserviert sind, von Bauzonen aus- Eine Sondernutzungsplanpflicht oder eine erforderliche genommen werden. Baulandumlegung kann zu einer fehlenden Baureife füh- ren. Der Kanton Wallis kennt z.B. Zonen mit späterer Nut- Fazit zungszulassung (ZSN), in der die Bau- und Nutzungsbe- Wichtig erscheint bei der Auswahl der Kriterien und bei stimmungen in ihrer Art zwar festgelegt werden, jedoch deren spezifischen Anwendung in der Gemeinde, dass rechtlich noch nicht zugelassen sind (gemäss Art. 83 BZR nicht nur übergeordnete Grundlagen (Im Wallis insbeson- Stadtgemeinde Brig-Glis) und demnach nicht überbaut dere die Koordinationsblätter C.1 und C.2 des kantona- werden können. len Richtplanes) einbezogen werden, sondern dass eine vertiefte ortsspezifische qualitative Analyse durchgeführt Bauliche Eignung wird. Aus dieser können konsolidierte Massnahmen für Eine weitere Voraussetzung für die Überbaubarkeit ei- eine sinnvolle künftige Entwicklung abgeleitet werden. ner Parzelle ist die bauliche Eignung eines Grundstückes. Beispielsweise kann ein quantitativer Analyseansatz wie Merkmale wie die Qualität des Baugrundes (Grundwasser, er im Forschungsprojekt «Aide au dézonnage» der Fach- allenfalls Altlasten), Exposition (Beschattung), Topo- hochschule Westschweiz (HES-SO) mit der qualitativen graphie (Hanglage etc.), (Mikro-)Klima, oder herrschende Ortsanalyse kombiniert werden. Naturgefahren (Rutschung etc.) können diese beispiels- weise beeinträchtigen.
16 Prämissen der Bauzonendimensionierung 3.7 Überdimensionierte Bauzonen Mehrwertausgleich Einzonung von Bauland schafft für die Betroffenen grosse Der Ansatz - Mehrwertausgleich und Baulandumlegung - finanzielle Mehrwerte, während Rückzonungen erhebli- sind im RPG gesetzlich verankert. che Wertminderungen nach sich ziehen. Mit dem Ausgleich des durch Neueinzonungen geschaf- Die fachgerechte Dimensionierung der Bauzonen dient fenen Mehrwertes können Rückzonungen überdimensio- nicht nur dem Erhalt des Kulturlandes, sondern führt nierter Bauzonen in anderen Gebieten finanziert werden. letztlich zu einer erhöhten Lebensqualität. Während die Da rückzuzonendes Land in vielen Fällen eher peripher Landschaften ausserhalb der Siedlungen geschont wer- gelegen ist und damit einen deutlich tieferen Preis hat als den, können innerhalb der Siedlungen räumliche Qualitä- neu eingezontes, kann ein Teil der Rückzonungen über ten und Nutzbarkeit der Stadträume verbessert werden. den Mehrwertausgleich bei Einzonungen finanziert wer- Bereits vor der Abstimmung über die Revision des RPG den. Reichen die Erträge aus Neueinzonungen nicht aus, wurden verschiedene Möglichkeiten im Umgang mit kommen für die Finanzierung auch die Erträge aus dem überdimensionierten Bauzonen diskutiert. Mehrwertausgleich bei Um- und Aufzonungen in Frage. Nachfolgend werden sieben Ansätze vorgestellt, die Zu prüfen wäre auch der Ausgleich von Mehrwerten, der sich aus dieser Diskussion ergeben. Diese Liste ist nicht als über die Aufwertung der Umgebung von Grundstücken abschliessend zu betrachten. entsteht. Falls der Ausgleich über die Gemeindegrenzen hinaus stattfindet, können Lösungen über kantonale Aus- gleichsfonds gefunden werden (Avenir Suisse, 2010). Der Kanton Wallis hat im kantonalen Raumplanungs- Fläche gesetz (Art. 10 ff kRPG) die rechtliche Grundlage für die Mehrwertabgabe geschaffen. Sie beträgt 20 % (Mindest- satz gemäss RPG) für Einzonungen und für Umzonungen ??? innerhalb der Bauzone, welche einen Mehrwert mit sich bringen. Die Abgabe wird erst bei der Bekanntgabe des Baubeginns oder beim Verkauf der Parzelle erhoben. Die Bauzonen Bauzonen heute bedarfs- Einnahmen gehen zu 50 % in einen kantonalen Fonds und gerecht zu 50 % an die betreffende Gemeinde. Entschädigungsfonds aus Steuermitteln Eine Alternative zu den Erträgen aus der Mehrwertab- gabe wäre ein Entschädigungsfonds aus Steuermitteln. Zeit Der Finanzierungsanteil der Gemeinden richtet sich nach dem Grad der Überdimensionierung der kommunalen Abbildung 3 Dimensionierung der künftigen Bauzonen Bauzonen. So können Gemeinden, die in der Vergangen- (Eigene Darstellung) heit zu grosse Einzonungen vorgenommen haben, in die Pflicht genommen werden (Avenir Suisse, 2010). Realtausch Bei einem Realtausch werden Grundeigentümer, mit dem Wunsch,Bauland einzuzonen, zur Kompensation ver- pflichtet, vorhandenes Bauland für Rückzonungen zur Verfügung zu stellen. Damit ensteht für diese Grund- ? eigentümer ein Anreiz, für die Rückzonung geeignetes ? ? und möglichst günstiges Bauland zu finden. Die Kosten ? für Rückzonungen werden so tief gehalten. Damit der ? Realtausch angewendet werden kann, muss von den Ge- ? meinden ein verbindlicher Schlüssel für die Kompensation ? festgelegt werden (z.B. geeignetes Verhältnis zwischen ? ein- und rückzuzonendem Land, Festlegungen bezüglich ? Lage und Wert der jeweiligen Grundstücke) (Avenir Suisse, ? ? 2010). ? Heute Morgen Flächennutzungszertifikate In einem System mit Flächennutzungszertifikaten wird Abbildung 4 Lokalisierung der künftigen Bauzonen zum Bauen nicht nur ein Grundstück gebraucht, sondern (Eigene Darstellung) auch ein entsprechendes Flächennutzungszertifikat. Diese Zertifikate wären handelbar. So kann ein Baurecht von Gebieten mit zu grossen
Prämissen der Bauzonendimensionierung 17 Bauzonen in solche mit zu kleinen Bauzonenreserven ver- mit Fristen von 5 bis 10 Jahren verflüssigt werden. Bei kauft werden. Dafür müsste jedoch die Gesamtgrösse der Nichteinhaltung der Frist verfügt die Gemeinde über Bauzonen beschränkt werden (Avenir Suisse, 2010). ein Bodenkaufrecht oder kann Parzellen am Rande von Bauzonen entschädigungslos rückzonen. Bodensteuer für Bauland Auch hierfür besteht im Kanton Wallis eine rechtliche Eine Möglichkeit im Umgang mit überdimensionierten Grundlage. Die Einführung einer Bauverpflichtung wird Bauzonen ist eine Bodensteuer für Bauland (sowohl für mit dem kRPG ermöglicht, falls das öffentliche Interesse bebautes als auch für unbebautes). Deren Höhe wird es rechtfertigt und die Gemeinden dies in ihren Bau- und proportional zum Verkehrswert des Baulandes bemessen Zonenreglementen vorsehen (Art. 10 ff kRPG). und muss deutlich höher sein, als die Grund- und Liegen- schaftssteuer, die in der Schweiz teilweise erhoben wird. Die Lösungsansätze stellen einen wichtigen Input für das Sie wird wiederkehrend erhoben und entweder einkom- Modellvorhaben dar. In der angegebenen Literatur sind mensneutral bemessen (z.B. mit einer Senkung der Ein- diese teilweise sehr konkret ausformuliert. Auf prakti- kommenssteuer) oder zweckgebunden zur Finanzierung scher Ebene sind sie jedoch oftmals schwer umsetzbar von Rückzonungen eingesetzt (Avenir Suisse, 2010). und / oder politisch umstritten. Da im Rahmen des Modellvorhabens vielseitig einsetz- Baulandumlegung bare und flexible Lösungen anzustreben sind, werden Die Baulandumlegung ist ein weiterer Ansatz im Umgang nachfolgend eher generelle Ansätze auf raumplaneri- mit überdimensionierten Bauzonen. So kennen verschie- scher und städtebaulicher Ebene geprüft und vorgestellt. dene Kantone gesetzliche Regelungen zur Ausgleichsum- Diese können thematisch in einen Zusammenhang mit legung. So kann beispielsweise gleichzeitig mit dem den Lösungsansätzen gebracht werden, sind aber eher Nutzungsplanverfahren eine Baulandumlegung angeord- allgemeiner Natur und decken auch nicht mehr das ganze net und durchgeführt werden mit einem angemessenen Spektrum der Lösungsansätze ab, sondern fokussieren Wertausgleich. sich auf die Themen: Mehrwert schaffen, Landabtausch, Bei bereits grösstenteils überbauten Gebieten können monetäre Entschädigung. Neuanordnungen erlassen werden, wenn diese im öf- fentlichen Interesse liegen. Der Kanton Wallis kennt einen Da in den aktuellen Richtplänen und Richtplanentwür- vergleichbaren Ansatz im kantonalen Gesetz über die fen vieler Kantone (siehe Anhang) hauptsächlich auf die Landumlegung und die Grenzregulierung. Grösse der Bauzonen von einzelnen Gemeinden einge- gangen wird und - mit Ausnahme vom Kanton Aargau - Baulandmobilisierung die auszuzonenden Gebiete in keinem Richtplan konkret In der Broschüre «Steuerungsinstrumente der Bodennut- verortet werden, braucht es einen qualitativen Ansatz zur zung» (SANU durabilitas) wird die Baulandmobilisierung Festlegung der rückzuzonenden Gebiete. Auch werden als mögliches Instrument «zur konkreten Umsetzung der in der Richtplanung meist kaum Aussagen gemacht, wie Eindämmung des Flächenverbrauchs» aufgeführt. Das Rückzonungen konkret vorgenommen und finanziert Hauptziel der Baulandmobilisierung ist die Reduktion der werden sollen. Soweit möglich werden im Rahmen des Baulandhortung, sie hat aber nicht die unmittelbare Re- Modellvorhabens auch dazu Antworten gesucht. duktion der Bauzonen zur Folge. Parzellen innerhalb der Bauzone, welche über längere Zeit nicht überbaut respektive genutzt werden, können Fläche Rückzonung Entschädigungslos Mehrwerte schaffen? Entschädigungs- pflichtig ??? ??? Bauzonen Bauzonen heute bedarfs- gerecht Zeit Abbildung 5 Der planungsbedingte Minderwert (Eigene Darstellung)
18 Prämissen der Bauzonendimensionierung 3.8 Mehrwerte und Ausgleichsszenarien Die geforderten Rückzonungen, deren Fläche sich aus der Die aufgeführten Typen zur Schaffung von Mehrwerten Differenz der heutigen und der bedarfsgerechten Bauzo- für den Ausgleich von planungsbedingten Minderwerten nen gemäss Art. 15 RPG ergibt, lassen sich in entschädi- werden mit drei generellen Mechanismen, sogenannten gungslose und entschädigungspflichtige Rückzonungen Ausgleichsszenarien angestrebt. Diese sind abgeleitet einteilen. aus den Ansätzen zum Umgang mit überdimensionierten Gemäss aktueller Rechtsprechung wird voraussichtlich Bauzonen und sind situationsgerecht anzuwenden. ein grosser Anteil der Rückzonungen entschädigungs- los erfolgen können. Dennoch stellt sich die Frage, wie Verlagern trotz, oder eben dank, diesen Rückzonungen planerische Die Nutzung eines Gebietes - beispiels- Mehrwerte generiert werden können. weise als Gewerbefläche - wird vollständig Neben finanziellen Aspekten, insbesondere der ent- in ein anderes, besser dafür geeignetes schädigungspflichtigen Rückzonungen, ist die planerische Gebiet verlagert. Sicht hinsichtlich der Verbesserung der Siedlungsqualität zentral. Im Idealfall können Mehrwerte für viele - also für Konzentrieren die Gesellschaft- geschaffen werden, während möglichst Ein grosser Teil eines Gebietes oder einer geringe finanzielle Minderwerte für einzelne entstehen. Parzelle wird freigeschafft, indem die Nut- Ein Ausgleich soll weitmöglichst ausgeglichen und im zung im restlichen, kleineren Teil konzen- Sinne der öffentlichen Interessen gerechtfertigt werden triert und im Vergleich zum bisherigen können. Zustand erhöht wird. Wenn Rückzonungen dennoch Entschädigungsforde- rungen nach sich ziehen, reicht eine Mehrwertabschöp- Rückzonung fung bei Neueinzonungen, Um- und Aufzonungen allein Entschädigungslose Rückzonungen sollten in vielen Fällen nicht, um den finanziellen Ausgleich für im Idealfall als Chance genutzt werden, eine bedarfsgerechte Grösse der Bauzonen zu leisten. um einen planerischen Mehrwert für die Auch wenn das rückzuzonende Land einen tieferen Allgemeinheit zu generieren, beispiels- Preis hat als neu eingezontes, kann in den meisten Fällen weise durch eine Aufwertung der Sied- nicht so viel Land ein-, um- oder aufgezont werden, lungs- und Landschaftsqualitäten. damit der verursachte finanzielle Minderwert allein damit ausgeglichen werden kann. Zusätzlich sind also Mechanismen notwendig, welche Mehrwerte schaffen, ohne dass Neueinzonungen vorge- nommen werden müssen. Aufbauend auf den entwickelten Ansätzen im Umgang mit überdimensionierten Bauzonen sind die folgenden vier Typen von Mehrwerten denkbar, um eine bedarfsge- rechte und zweckmässige Grösse und Lage der Bauzonen ohne weitere Neueinzonungen zu schaffen: ·Nutzungsmässige · Mehrwerte durch: ·· Bessere Lage ·· Monetäre Entschädigung ·· Gesellschaftliche Mehrwerte
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