Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"

Die Seite wird erstellt Albert Hess
 
WEITER LESEN
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
Schlussbericht Modellvorhaben
räumliche Entwicklung Brig-Glis
«Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen
gleichzeitig - ohne Verlierer?»

August 2018
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
2

    Projektträgerschaft
    Stadtrat Brig-Glis

    Auftragnehmende
    Planteam S AG
    Optingenstrasse 54
    3013 Bern

    Kernteam
    Dr. Patrick Hildbrand, Stadtrat Brig-Glis
    Roland Imhof, Stadtarchitekt Brig-Glis (Projektleitung)
    Bernhard Straub, Planteam S AG
    Anna Borer, Planteam S AG

    Steuerungsgremium
    Reto Ghezzi, Bundesamt für Raumentwicklung ARE
    Daniel Arn, Bundesamt für Umelt BAFU
    Lukas Bühlmann, VLP-ASPAN
    Petra Hellemann, Bundesamt für Landwirtschaft BLW
    Damian Jerjen, Dienststelle für Raumentwicklung

    Rechtliche Begleitung
    Lukas Bühlmann, VLP-ASPAN (Redaktion Kapitel 3.3 und 3.4)

    Schlussbericht
    Isabel Ammann, Planteam S AG
    Ana Pereira, Planteam S AG
    Marion Zängerle, Planteam S AG
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
Inhalt 3

Inhalt

1. Ausgangslage����������������������������������������������������������������������������������������������� 6
1.1 Einleitung 6
1.2 Grundlagen 6
1.3 Das Modellvorhaben Brig-Glis 6

2. Leitbild der räumlichen Entwicklung������������������������������������������������������� 8
2.1 Analyse 8
2.2 Strategien 9
2.3 Entwicklungsziele und Handlungsplan 10
2.4 Zielsetzung 11

3. Prämissen der Bauzonen­dimensionierung������������������������������������������� 12
3.1 Grundsätze der Siedlungsentwicklung 12
3.2 Die Ausscheidung von Bau- und Nichtbauzonen 12
3.3 Aktuelle Rechtsprechung zur Rückzonungspflicht 13
3.4 Grundsätzlich entschädigungslose Rückzonung 14
3.5 Kantonale Vorgaben zur Siedlungsbegrenzung 14
3.6 Kommunale Grundsätze Bauzonenausscheidung 14
3.7 Überdimensionierte Bauzonen 16
3.8 Mehrwerte und Ausgleichsszenarien 18

4. Bedeutung für Brig-Glis�������������������������������������������������������������������������� 22
4.1 Kantonale Anforderungen 22
4.2 Definition Siedlungsgebiet in Brig-Glis 23

5. Anwendungsbeispiele������������������������������������������������������������������������������ 30
5.1 Ortsteil Brig 31
5.2 Ortsteil Glis 32
5.3 Ortsteil Gamsen 34
5.4 Ortsteil Brigerbad 36

6. Kommunikation der Ergebnisse������������������������������������������������������������� 37
6.1 Kommunikation und Beteiligung im Rahmen des Modellvorhabens 37
6.2 Beteiligungsprozess Brig-Glis 37
6.3 Schlussfolgerungen und Ausblick 37

7. Handlungsempfehlungen ���������������������������������������������������������������������� 38
7.1 Räumliches Leitbild als Grundlage 38
7.2 Mobilisierung der Potenziale 38
7.3 Handlungsempfehlungen kommunale Ebene 39
7.4 Handlungsempfehlungen überkommunale Ebene 39

8. Quellenangaben��������������������������������������������������������������������������������������� 42
8.1 Literaturquellen 42
8.2 Projektverfassende Anwendungsbeispiele 42
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
4 Inhalt
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
Vorwort 5

Vorwort

Die Auseinandersetzung mit der Gestaltung des Lebens-        Für die Stadtgemeinde wird bis 2030 ein Bevölkerungs-
raumes steht im Kontext räumlicher Nutzungsansprüchen        wachstum, gemäss kantonaler Prognose, von insgesamt
der Gesellschaft einerseits und der Nichtvermehrbarkeit      rund 10 % erwartet. Sie besitzt jedoch Baulandreserven,
und räumlichen Gebundenheit der Ressource Boden an-          welche weit über diesen Bedarf hinausgehen. Mit dem
dererseits.                                                  Ziel einer qualitätsvollen Innenentwicklung hat die Stadt-
  Die Schweiz hat auf dem Wege der Gesetzgebung              gemeinde Brig-Glis ein räumliches Leitbild erarbeitet, wel-
Grundsätze für die zweckmässigen Nutzung des Bodens          ches seither als wichtige Entscheidungsgrundlage für die
und der geordneten Besiedlung des Landes geschaffen.         anstehenden raumplanerischen Fragen dient.
Dass eine funktionierende Raumplanung notwendig ist,           Damit die Raumplanung erfolgreich sein kann und
gilt heute als weithin geteilte Überzeugung in der Schwei-   auch die notwendigen Rückzonungen am richtigen Ort
zer Politik. Die möglichen Lösungsansätze zu deren Um-       durchgeführt werden, muss die Siedlungsentwicklung der
setzung erweisen sich dabei als äusserst vielfältig.         Beliebigkeit enthoben werden und dauerhaft auf eine
  Die Raumplanung - als Aufgabe der öffentlichen Hand        gesamtheitliche Denkweise hingeführt werden.
- kann entweder nach dem laissez-faire-Prinzip oder mit        Zwar können immer noch zahlreiche Einzelmassnah-
der starken Lenkung einer ausgedehnten Ordnungspolitik       men umgesetzt werden, diese sollen sich aber an den
verstanden werden. So soll auch das wichtige Ziel eines      übergeordneten Entwicklungsabsichten – formuliert im
haushälterischen Umgangs mit dem Boden mit unter-            räumlichen Leitbild – der Gemeinde Brig-Glis orientieren.
schiedlichen Mitteln erreicht werden.                        Damit wird ermöglicht, dass die einzelnen Bauabsichten
  Obwohl mit dem Beschluss des Raumplanungsgesetzes          mit ihren individuellen Bedürfnissen mit den Interessen
(RPG) Ende der 70-er Jahre bereits der Grundstein in         der Allgemeinheit übereinstimmen.
die Richtung eines haushälterischen Umgangs mit dem            Der Boden bildet die Grundlage, um öffentliche Aufga-
Boden gelegt worden war und damit auch über die Jahre        ben zu erfüllen und ist zugleich Gegenstand des privaten
hinweg positive Effekte im Raum erzielt werden konnten,      Eigentums. Da dieser jedoch nur beschränkt verfüg-
haben sich im Laufe der Zeit doch auch Mängel und            bar ist, lassen sich nicht alle Ansprüche unbeschränkt
Lücken des geltenden Rechts gezeigt.                         verwirklichen. Damit umfasst die Raumplanung letztlich
  Mit der Revision des RPG im Jahre 2014 ist vom Bun-        das Gebot eines gerechten Ausgleichs aller Interessen in
desrat und vom Parlament und schliesslich auch vom           einem Raum.
Schweizer Volk ein deutliches Statement in die Richtung        Mit diesen grundsätzlichen Fragestellungen einerseits
einer stärkeren Lenkung als bisher eingeschlagen worden.     und der Umsetzung in Brig-Glis im Konkreten setzt sich
  Die Umsetzung zur Förderung einer kompakten Sied-          das Modellvorhaben der räumlichen Entwicklung ausein-
lungsentwicklung und damit das Eindämmen der Zersied-        ander.
lung liegt in den Händen der Kantone und schliesslich der      Die Erarbeitung erfolgte mit der Absicht, Lösungsan-
einzelnen Gemeinden.                                         sätze der haushälterischen Nutzung des Bodens für die
  Obwohl - oder gerade weil - im Kanton Wallis keine         Stadtgemeinde Brig-Glis zu finden, um die von Bund
Mehrheit für die Revision des RPG zustande gekommen          und Kanton gestellten Aufgaben erfüllen zu können.
ist, hat die Stadtgemeinde Brig-Glis beschlossen, die        Gleichzeitig sollten daraus allgemeingültige Erkenntnisse
anstehenden Aufgaben proaktiv in Angriff zu nehmen.          abgeleitet werden können, die für andere Gemeinden,
  Eine der grössten Herausforderungen, die sich aus der      insbesondere im Oberwallis, jedoch auch im ganzen
Revision des RPG ergeben hat, besteht in der Verkleine-      Kanton oder gar in der Schweiz von Bedeutung bei der
rung der zu grossen Bauzonen. Damit hängt auch die           Redimensionierung der Bauzonen sein werden.
effizientere Nutzung von brachliegendem oder unter-
nutztem Bauland zusammen.
  Daraus ergeben sich einerseits die Notwendigkeit die
kommunalen Nutzungsplanungen zu überarbeiten und
andererseits die Aufgabe an die Gemeinden, ihr künftiges
Siedlungsgebiet zu definieren.
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
6 Ausgangslage

 1. Ausgangslage

 1.1 Einleitung                                              1.2 Grundlagen
 «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung»                Am 3. März 2013 sagten 62.9 % der Stimmberechtigten
   Mit den «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwick-          der Schweiz Ja zur Revision des Raumplanungsgesetzes
 lung» fördert der Bund neue Ansätze und Methoden um         (RPG), welche schweizweit einer Dimensionierung der
 lokalen, regionalen und kantonalen Akteuren einen An-       Bauzonenreserven auf den Bedarf der nächsten 15 Jahre
 reiz zu geben, Lösungsideen in den vom Bund gesetzten       zur Durchsetzung verhelfen soll. Als einziger Kanton der
 Schwerpunkten zu entwickeln und vor Ort zu erproben.        Schweiz stimmte der Kanton Wallis mit einer grossen
   Die Projekte sollen mit innovativen Ansätzen und ab-      Mehrheit gegen die Vorlage und nur knapp 20% befür-
 gestimmt auf die Ziele des Raumkonzepts Schweiz die         worteten das revidierte Gesetz.
 Lebensqualität und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern        Kernstück des neuen Gesetzes ist die Pflicht, überdi-
 sowie die Solidarität innerhalb und zwischen den Regio-     mensionierte Bauzonen zu reduzieren. Da der Kanton
 nen stärken.                                                Wallis über grosse Baulandreserven verfügt, können all-
   Die Modellvorhaben stellen Laboratorien dar und           fällige Rückzonungen finanziell erhebliche Nachteile für
 erlauben es, neue Methoden, Ansätze und Verfahren           die Grundeigentümer bedeuten- im Fall von zu leisten-
 zu erproben. Die bereits vorhandenen Instrumente            den Entschädigungen auch für die öffentliche Hand. Da
 der nachhaltigen Raumentwicklung werden so gezielt          die Eigentümerstruktur oftmals sehr komplex ist und die
 ergänzt. Von den Erfahrungen soll anschliessend ein         Parzellen kleinteilig , insbesondere in dörflichen Gebieten,
 möglichst breiter Kreis weiterer Akteure profitieren. Die   erscheint das Abstimmungsergebnis vor diesem Hinter-
 Modellvorhaben sollen auch Hinweise für die Anpassung       grund plausibel.
 und Weiterentwicklung der raumwirksamen Politiken des         Mit dem neuen Raumplanungsgesetz wurden die
 Bundes geben.                                               Kantone verpflichtet, den kantonalen Richtplan der über-
   Für die dritte Phase des Programmes «Modellvorhaben       geordneten Gesetzgebung anzupassen. Neu muss der
 Nachhaltige Raumentwicklung» wurde die sektoren-            Richtplan im Bereich Siedlung unter anderem quantitativ
 übergreifende Zusammenarbeit auf Bundesebene noch           festlegen, wie gross die Siedlungsfläche insgesamt sein
 stärker intensiviert. Rund acht Bundesämter beteiligen      soll und wie sie im Kanton verteilt sein soll (Art. 8a RPG).
 sich am Programm und unterstützen 31 Projekte in fünf
 Themenschwerpunkten.                                        1.3 Das Modellvorhaben Brig-Glis
   Neben dem federführenden Bundesamt für Raument-           Die Stadtgemeinde Brig-Glis erwartet, gemäss kantonaler
 wicklung (ARE) beteiligen sich das Staatssekretariat für    Prognose, eine Bevölkerungsunahme von insgesamt rund
 Wirtschaft SECO, die Bundesämter für Umwelt (BAFU),         10 %. Die Stadtgemeinde verfügt jedoch über Baulandre-
 Landwirtschaft (BLW), Wohnungswesen (BWO), Gesund-          serven, welche weit über den dafür notwendigen Bedarf
 heit (BAG), Strassen (ASTRA) sowie Sport (BASPO) an der     hinausgehen.
 dritten Phase.                                              Die Stadtgemeinde Brig-Glis hat die Herausforderung,
   Die «Modellvorhaben Nachhaltige Raumentwicklung»          das Siedlungegebiet zu bezeichnen, frühzeitig erkannt
 gliedern sich in fünf Themenschwerpunkte. Das vorlie-       und hinsichtlich möglicher Rückstufungen im Sinne von
 gende Modellvorhaben «Modellvorhaben Räumliche              Rückzonungen von Bauland im Jahr 2013/2014 ein räumli-
 Entwicklung Brig-Glis: Verdichtung, Nichteinzonungen        ches Leitbild erarbeitet. Diese Grundlage der Entwicklung
 und Rückstufungen gleichzeitig – ohne Verlierer?» ist       von Brig-Glis zeigt auf, wo die Schwerpunkte der bau-
 eines von sieben Modellvorhaben in der Zeitperiode 2014     lichen Entwicklung in Zukunft liegen sollen, wo Land-
 – 2018 unter dem Themenschwerpunkt «Siedlungsent-           schafts- und Freiräume gestärkt werden und wie beste-
 wicklung nach innen umsetzen».                              hende Defizite behoben und Qualitäten weiterentwickelt
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
Ausgangslage 7

werden können.                                                Entwicklungsgebieten innerhalb des Handlungsplanes.
Während der kantonale Richtplan Vorgaben über die             Das «Modellvorhaben Räumliche Entwicklung Brig-Glis»
Grösse der Bauzonen für jede Gemeinde macht und               soll aufzeigen, wie ein Leitbild der räumlichen Entwicklung
zudem allgemeine Vorgaben zur Bauzonenqualität                als Hilfestellungen für Gemeinden bei der Bauzonendi-
formuliert, können dem Leitbild konkrete Aussagen zur         mensionierung mit einem qualitativen Ansatz ergänzt
räumliche Entwicklung lokalisiert und zur Ausgestaltung       werden kann, um daraus allgemeingültige Erkenntnisse
der Bauzonen entnommen werden. Die Relevanz des               zu gewinnen. Modellhaft soll aufgezeigt werden, wie eine
Leitbildes Brig-Glis liegt daher neben der quantitativen in   Umsetzung der Forderungen aus dem Raumplanungsge-
der qualitativen und ortsspezifischen Sichtweise auf die      setz und dem kantonalen Richtplan aussehen kann.
Bauzonendimensionierung.                                        Ziel ist es, aufzuzeigen, wo die notwendigen Rückzo-
   Durch die Revision des Raumplanungsgesetzes von            nungen idealerweise vorgenommen werden sollen und
2014 und die anschliessende Richtplanrevision wird eine       welche kompensatorischen Möglichkeiten Rückzonungen
Überarbeitung der kommunalen Nutzungsplanungen                begünstigen können.
mittelfristig notwendig. Das Leitbild dient dabei als Len-      Ausgehend vom «Leitbild der Räumlichen Entwicklung
kungsinstrument der gewünschten räumlichen Entwick-           Brig-Glis» werden versuchsweise Vorschläge für Konzepte
lung.                                                         entwickelt, welche nebst den finanziellen Minderwerten
   Obwohl das Leitbild ein kommunales Planungsinstru-         auf den betroffenen Parzellen Mehrwerte (z.B. in Form
ment darstellt, ist es eng mit den Vorgaben des kan-          von Mehrnutzungen an anderen Orten, oder gesteigerte
tonalen Richtplanes verknüpft. Die beiden Instrumente         Qualitäten von Siedlung und Freiraum generiert werden
behandeln vergleichbare Inhalte wie beispielsweise die        können. Dabei muss nicht immer von monetären Mehr-
Abstimmung von Verkehr, Siedlung und Landschaft. Das          werten ausgegangen werden, da teilweise auch ent-
Leitbild stellt dabei die qualitative Ergänzung der mehr-     schädigungslose Rückstufungen vorgenommen werden
heitlich quantitativen Inhalte des Kantonalen Richtplanes     können. Vielmehr müssen diese Mehrwerte aus einer
dar. Dadurch können die von der kantonalen Dienststelle       gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet werden:
für Raumentwicklung (DRE) genannten «Synergien zwi-           Im Diskurs um Zersiedelung und Verstädterung gewinnen
schen Kanton und Gemeinden» optimal genutzt werden            beispielsweise Grünflächen innerhalb des Siedlungsgebie-
und die raumwirksamen Tätigkeiten auf kommunaler              tes oder am Siedlungsrand an Bedeutung und Wert im
Ebene in den Gesamtkoordinationsprozess integriert            nicht monetären Sinne.
werden. Dieses Vorgehen entspricht Art. 47 RPV über die         In einzelnen Gebieten soll auf der Grundlage der Kon-
«Berichterstattung der kantonalen Genehmigungsbehör-          zepte ein Dialog mit der direkt betroffenen Bevölkerung
de». Gemäss Art. 47 Abs. 2 muss insbesondere dargelegt        gesucht werden. Im Idealfall wird zusammen mit den
werden, welche Nutzungsreserven in den bestehenden            Grundeigentümern in einem Gebiet die Basis geschaffen,
Bauzonen vorhanden sind und welche Massnahmen in              die Ziele vom Leitbild umzusetzen und Hinweise für den
welchem zeitlichen Horizont verfolgt werden, um die           kantonalen Richtplan zu liefern.
Reserven zu mobilisieren.
   Auf kantonaler Ebene verlangt Art. 11 Abs. 5 kRPG von      Für das Modellvorhaben wurden mit dem Bund die
den Gemeinden, dass sie ihre «vorgesehenen Entwick-           folgenden Projektziele vereinbart:
lungsoptionen gemäss Art. 47 RPV» rechtfertigen. Das
Erarbeiten eines strategischen Grundlagendokumentes ist
somit im Kanton Wallis obligatorisch. Offengelassen wird          ·· Das Vorhaben soll im betreffenden Gebiet praktische
die Form, in welcher dies geschieht.                                 und unmittelbare Wirkungen entfalten und nach-
   Ein räumliches Leitbild, wie es in Brig-Glis erarbeitet           weislich einem Bedürfnis entsprechen. Während der
worden ist, stellt eine Option dar. Das Leitbild ist jedoch          Dauer des Programms müssen greifbare Ergebnisse
als Planungsinstrument in der Raumplanung nicht so                   erzielt werden bezüglich
weitreichend implementiert, wie beispielsweise Zonen-             ·· Entwicklung nach innen (Schutz der Landschaft, Ver-
nutzungspläne.                                                       dichtung und Stärkung der Ortsqualität, Verbes-
   Der Inhalt des Leitbildes der räumlichen Entwicklung,             serung der Raum- und Lebensqualität) gestützt auf
Brig-Glis entspricht einerseits den Vorgaben des Kantons             die Umsetzung eines konkreten Siedlungsleitbildes
und hat sich andererseits als richtungsweisende strategi-         ·· Umsetzung in der Nutzungsplanung (Auswahl der
sche Grundlage für das Modellvorhaben herausgestellt.                Gebiete von Nichteinzonungen/Aus-/Rück- und
   Die inhaltliche Ausgestaltung eines Leitbildes zur räum-          Aufzonungen)
lichen Entwicklung auf kommunaler Ebene ist frei und an           ·· konkrete Verhandlungen und die dazu
die jeweiligen Bedürfnisse der Gemeinde anpassbar. Im                notwendigen Verfahren
vorliegenden Fall des Modellvorhabens Brig-Glis gliedert          ·· die Entwicklung eines Instrumentariums im Zusam-
sich das Leitbild in drei Teile: Die Analyse als Grundlage,          menhang mit Aus- Rück- und Umzonungen.
sechs Strategien zur Abstimmung von Siedlung, Verkehr
und Landschaft sowie die Bezeichnung von konkreten
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
8 Leitbild der räumlichen Entwicklung

  2. Leitbild der räumlichen Entwicklung

  Wie bereits eingangs erläutert, stellt das Leitbild der        Die wichtigsten Freiräume:
  räumlichen Entwicklung eine wichtige Grundlage für die           ·· Rhone mit Uferbereichen und Schwemmland
  Bauzonendimensionierung dar und kann mit seinem qua-             ·· Saltina mit Uferbereichen und Talgrund
  litativen Ansatz dazu beitragen, die quantitativen Vor-          ·· Hügellandschaften Gamsen, Brig, Biela, Acherbielen,
  gaben (Koordinationsblatt C.1, kantonaler Richtplan) und            Schweggje, Brigerberg, Wickert, Buwjini
  gleichzeitig die Vorgaben zur Bauzonenqualität (Koordi-
  nationsblatt C.2, kantonaler Richtplan) zu erreichen.          Brig-Glis hat sich über Jahrhunderte aus mehreren Orten
     Das Leitbild bietet wichtige Ansatzpunkte, wo die Flä-      entwickelt, welche allmählich zusammengewachsen sind.
  chen zur Rückzonung vorzuschlagen sind und in welchen          Die historischen Wahrzeichen stehen im Kontrast zur me-
  Gebieten durch eine Verdichtung und Mehrnutzung Aus-           diterranen Altstadt und den aufgefüllten Siedlungsteilen
  gleiche dafür geschaffen wird.                                 dazwischen. Die Alpenstadt ist umgeben von gewaltigen
     Ein wichtiger Ansatz des Leitbildes ist der Mehrwert für    Bergen und sanften grünen Hügeln. Aus den Eigenhei-
  die gesamte Bevölkerung, indem bei der Entwicklung auf         ten von Brig-Glis werden die Grundsätze für das Leitbild
  die Identität der Ortsteile, die landschaftliche Qualität in   entwickelt:
  und um die Stadt sowie auf eine effiziente Verteilung der        Das, was vorliegt, wird weiterentwickelt und gestärkt. Es
  Verkehrsströme unter Beachtung der räumlichen Qualitä-         sollen lokale Antworten auf lokale Bedürfnisse gefunden
  ten gesetzt wird.                                              werden. Die Herkunft und Tradition der Gemeinde soll
     Nachfolgend werden die wichtigsten Inhalte des räumli-      erkennbar und erlebbar sein. Die Stadt liegt in der Land-
  chen Leitbildes erläutert. Dies dient dem Verständnis und      schaft und ist sich ihrer besonderen Umgebung bewusst.
  der Nachvollziehbarkeit für die nachfolgenden Kapitel.           Die Ziele sind Lösungen, die aus dem Ort heraus
                                                                 entwickelt wurden, die jedoch auch auf überkommunale
  2.1 Analyse                                                    Anforderungen und Herausforderungen reagieren. Die
  Die Analyse diverser räumlicher Aspekte wie der Topo­          Analyse von Brig-Glis und die daraus entwickelten An-
  graphie, der Freiräume, der Stadtstruktur oder der Er-         sätze zeigen, dass die Erhaltung, die Aufwertung und die
  schliessungsstrukturen bringt die wichtigsten Elemente         Weiterentwicklung der wichtigsten Elemente des Lebens-
  des Lebensraumes Brig-Glis hervor.                             raumes zentral für die Entwicklung der Stadtgemeinde
                                                                 sind.
  Die wichtigsten Siedlungen:
    ·· Altstadt mit den umgebenden Bauten und Freiräu-
       men
    ·· Das Geviert zwischen der alten und der neuen Sim-
       plonstrasse
    ·· Dorfkern Glis mit den umgebenden Freiräumen
    ·· Dorfkern Gamsen mit den umgebenden Freiräumen

  Die wichtigsten Bauten (Wahrzeichen):
    ·· Stockalperschloss
    ·· Kollegiumskirche
    ·· Kirche Glis

  Die wichtigsten Achsen:
    ·· Neue Simplonstrasse, Bahnhofstrasse, Furkastrasse
    ·· Gliserallee
    ·· Napoleonstrasse
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
Leitbild der räumlichen Entwicklung 9

2.2 Strategien
Das Leitbild der räumlichen Entwicklung wurde im Auf-              Brig-Glis soll die Qualitäten der verschiedenen Quartiere
trag der Stadtgemeinde Brig-Glis erarbeitet und im Jahr            und Ortskerne bewahren, dabei jedoch im Ganzen ihre
2014 verabschiedet. Das Modellvorhaben räumliche Ent-              Identität als Stadt sichtbar machen und weiterentwickeln.
wicklung Brig-Glis stellt eine thematische Weiterführung           Wichtige Verbindungen zwischen den Quartieren gilt es
des Leitbildes dar.                                                zu stärken.
Zu den Themen Landschaft, Stadtraum und Verkehr                      Die Entwicklung – Wachstum, Urbanisierung, Beru-
wurden im Leitbild der räumlichen Entwicklung Brig-Glis            higung – soll auf die jeweiligen Quartiere angepasst
sechs Strategien erarbeitet, um das erwartete Bevölke-             geschehen, so dass deren jeweilige Qualitäten gestärkt
rungswachstum qualitätsvoll zu meistern:                           werden. Städtische Gebiete werden entwickelt und ver-
                                                                   dichtet, Hanggebiete und die wichtigen Freiräume der
    ·· L1: Die Landschaft als Umfassung halten                     Stadt sind von Bebauung freizuhalten.
    ·· L2: Die Landschaft strukturiert die Stadt                     Die Autobahn soll als übergeordnete Hauptverbindung
    ·· S1: Wir sind eine Stadt!                                    zwischen den einzelnen Gemeindeteilen und den Nach-
    ·· S2: Die Stadträume differenzieren                           bargemeinden genutzt werden, um eine Kammerung der
    ·· V1: Die Schnellstrassen für Brig-Glis nutzen                Verkehrsströme zu erreichen und die städtischen Achsen
    ·· V2: Die Stadtachsen für Brig-Glis zurückgewinnen            zu entlasten und aufzuwerten.
                                                                     Die rote Meile auf der ehemaligen Bahnstrecke der
                                                                   Furka-Oberalp-Linie wird für den Langsamverkehr dank
   Brig-Glis wird von der Rhone auf der einen und von              attraktiver Freiraumgestaltung und Baumalleen zur zent-
Schwemmkegeln und Wiesenlandschaften auf der ande-                 ralen innerstädtischen Verbindung, welche Brig, Glis und
ren Seite eingerahmt. Innerhalb von diesem landschaft-             Naters zusammenwachsen lässt.
lichen Rahmen gilt es die Entwicklung von Brig voranzu-              Für den motorisierten Verkehr wird die Achse Kantons-
treiben und die wichtigen landschaftlichen Qualitäten zu           strasse-Gliserallee durch geeignete Gestaltungsmassnah-
schützen und zu bewahren.                                          men zum attraktiven städtischen Strassenraum, der durch
   Freiräume haben als Begegnungs- und Bewegungs-                  die verschiedenen Quartiere führt und deren Vielfalt so
zonen eine grosse Bedeutung für die Stadt. Besonders               erlebbar macht.
wenn eine Verdichtung angestrebt wird, müssen diese
Freiräume geschützt werden. Strukturierende und iden-
titätsstiftende Räume innerhalb des Siedlungskörpers gilt
es zu wahren, um die Entstehung lesbar zu halten

Abbildung 1    Brig-Glis eingebettet in die umgebende Landschaft
Schlussbericht Modellvorhaben räumliche Entwicklung Brig-Glis - "Verdichtung, Nichteinzonungen und Rückzonungen gleichzeitig - ohne Verlierer?"
10 Leitbild der räumlichen Entwicklung

   2.3 Entwicklungsziele und Handlungsplan
   Die sechs Strategien des Leitbildes zu den Themen Land-     Für die folgenden Quartiere/ Gebiete wurden unter-
   schaft, Stadtraum und Verkehr werden in den Quartieren      schiedliche Entwicklungsziele in einem Handlungsplan
   von Brig-Glis verortet und in Form von verschiedenen        formuliert:
   Entwicklungsmöglichkeiten in einem Handlungsplan kon-         1.      Altstadt, Innenstadt, Bahnhof-
   kret aufgezeigt.                                                      quartier, Sandmatte
   Zusammenfassend zeigt das Leitbild der Stadtgemeinde          2.      Rhonesandquartier
   Brig-Glis, dass deren wichtigsten Bauten, Siedlungen,         3.      Hangquartier Hellmatte, Im Hofji
   Strassen und Freiräume bewahrt und weiterentwickelt           4.      Glis Ortskern, Gliser-Allee mit «Stadtpark»
   werden müssen, um die Qualität der Stadtgemeinde in           5.      Zone Industrie, Überlandstrasse, Schwemmland
   Anbetracht des prognostizierten Bevölkerungswachstums         6.      Gamsen
   zu bewahren und zu stärken. Der Fokus soll insbesondere       7.      Brigerbad
   auf die Verdichtung der städtischen Gebiete und den Er-
   halt der historischen Kerne sowie der Grün- und Freizeit-
   räume innerhalb der Stadt gelegt werden.
Leitbild der räumlichen Entwicklung 11

                                                              Abbildung 2   Handlungsplan mit Entwicklungszielen für
                                                                            die Quartiere

2.4 Zielsetzung
In Brig-Glis werden mit dem Leitbild der räumlichen Ent-      Obwohl das Eigentum in der Schweiz zwar grundsätzlich
wicklung - in Übereinstimmung mit den eidgenössischen,        geschützt ist, werden die Nutzungs- und Verfügungs-
kantonalen und regionalen Plänen und Konzepten - zwei         rechte durch die Planungsmassnahmen teilweise ge-
grosse Ziele verfolgt: eine Siedlungsentwicklung zur          schmälert. Der Boden bildet die Grundlage, um öffent-
Steigerung der Lebensqualität und Dimensionierung der         liche Aufgaben zu erfüllen und ist zugleich Gegenstand
Bauzonen für den künftigen Bedarf.                            des privaten Eigentums. Da der Boden jedoch nur be-
Diese Ziele stellen gleichzeitig die grundlegenden Zielset-   schränkt verfügbar ist und sich die Interessen daran nicht
zungen des Modellvorhabens dar.                               unbeschränkt verwirklichen lassen, umfasst das Modell-
Das Leitbild der räumlichen Entwicklung Brig-Glis weist       vorhaben letztlich das Gebot eines gerechten Ausgleichs
nicht nur genügende Bauzonen aus, sondern verortet            aller Interessen in einem Raum als wesentlichste Ziel-
diese auch an den richtigen Stellen.                          setzung.
12 Prämissen der Bauzonendimensionierung

  3. Prämissen der Bauzonen­
     dimensionierung

  3.1 Grundsätze der Siedlungsentwicklung                      3.2 Die Ausscheidung von Bau- und Nichtbauzonen
  Eine zentrale Folge der Entwicklungen der letzten Jahr-      Art. 15 Abs. 3 RPG verlangt ganz allgemein, dass bei der
  zehnte war die enorme Inanspruchnahme des Raumes,            Festlegung von Lage und Grösse von Bauzonen die Ziele
  die in der Schweiz zu einer Verdoppelung der überbau-        und Grundsätze der Raumplanung befolgt werden müs-
  ten Flächen seit 1950 geführt hat. Dieser hohe Bodenver-     sen.
  brauch und damit Verlust an Landschaft entspricht nicht        In Art. 3 RPG sind die Planungsgrundsätze zu den
  den Planungsgrundsätzen des Bundes, wonach die Sied-         verschiedenen Sachbereichen der Raumplanung festge-
  lungen in ihrer Ausdehnung zu begrenzen sind. Mit der        halten.
  Richtplanung hat die Schweiz Grundsätze für eine durch         Art. 3 Abs. 2 RPG verlangt, die Landschaft zu schonen,
  die Kantone zu schaffende, der zweckmässigen Nutzung         indem bodenverändernde Nutzungen eingedämmt und
  des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes          gleichzeitig das Kulturland erhalten wird.
  dienende Raumplanung geschaffen. Gestützt auf die kan-         Art. 3 Abs. 3 RPG verlangt für den Sachbereich Sied-
  tonalen Richtpläne haben die Gemeinden die Aufgabe,          lung, dass Wohn- und Arbeitsgebiete einander optimal
  das Siedlungsgebiet bezüglich Umfang und Lage der            zuzuordnen sind. So sollen einerseits die Arbeitswege
  Bauzonen zu definieren.                                      kurz und die Siedlungsqualität hoch gehalten werden,
    Seit Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes (RPG)          andererseits sollen damit aber auch Wohngebiete vor
  im Jahre 1979 wurde immer wieder festgestellt, dass die      schädlichen oder lästigen Einwirkungen verschont wer-
  Bauzonen zu gross dimensioniert sind und häufig am           den. Ausserdem sind Wohn- und Arbeitsgebiete durch
  falschen Ort liegen. Grosse Teile der nicht überbauten       das öffentliche Verkehrsnetz angemessen zu erschliessen,
  Bauzonen sind entweder nicht erschlossen, liegen in pe-      Rad- und Fusswege zu erhalten oder neu zu schaffen.
  riurbanen, ländlichen oder touristischen Gemeinden und         Des Weiteren sind im Interesse der Verdichtung und
  übersteigen insgesamt den Bedarf. Dabei bündelt sich die     der haushälterischen Bodennutzung brachliegende oder
  Kritik an der Raumplanung im Begriff der Zersiedelung,       ungenügend genutzte Flächen in Bauzonen besser zu
  indem die Resultate der Siedlungstätigkeit als wildwüchsig   nutzen. Ein weiterer Aspekt liegt in der Versorgung,
  und unkoordiniert beschrieben werden. Es scheint, dass       indem die Raumplanung die Aufgabe hat, günstige
  der Begriff der Zersiedelung die Probleme der siedlungs-     Voraussetzungen zu schaffen, um die Versorgung mit
  räumlichen Entwicklung auf einen Nenner bringen kann,        Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes beim
  denn damit wird aufgezeigt, zu was eine fehlgeleitete        Konsumenten zu erhalten.
  Raumplanung führen kann.                                       Schlussendlich sind Siedlungen mit genügend öffentli-
    Die Ziele von Art. 75 der Bundesverfassung - die           chen und privaten Grünbereichen auszustatten.
  zweckmässige und haushälterische Nutzung des Bodens            Als dritter Sachbereich werden Planungsgrundsätze für
  und die geordnete Besiedlung des Landes - haben durch        öffentliche Bauten und Anlagen formuliert.
  die Teilrevision des Raumplanungsgesetzes 2014 an Aktu-        Art. 3 Abs. 4 RPG verlangt, dass diese regional ausge-
  alität gewonnen. Ausgehend von den nicht erwünschten         wogen zu platzieren sind und möglichst keine nachteili-
  Effekten werden mit dem revidierten Raumplanungs-            gen Auswirkungen nach sich ziehen.
  gesetz Lösungsansätze aufgezeigt, wie Raumplanung
  stattdessen künftig erfolgen soll.                             Neben den Planungsgrundsätzen sind in Art. 15 Abs. 4
    Das revidierte Raumplanungsgesetz will nun der Zer-        RPG Kriterien für die Zuweisung von Land zu einer Bau-
  siedelung Einhalt gebieten und verlangt von Kantonen         zone formuliert. Im Umkehrschluss kommen also Bauzo-
  und Gemeinden, die Siedlungsentwicklung nach innen zu        nen, welche diese Kriterien nicht (mehr) erfüllen, für eine
  lenken und überdimensionierte Bauzonen rückzuzonen.          allfällige Rückzonung in Frage.
Prämissen der Bauzonendimensionierung 13

Abgeleitet aus Art. 15 Abs. 4 RPG können die folgenden          Noch weiter ging das Bundesgericht im Fall der Bündner
Kriterien für allfällig geeignete Rückzonungsflächen auf-       Gemeinde Bregaglia. Hier verlangte eine Grundeigentü-
geführt werden:                                                 merin, dass ein Bauvorhaben auf dem Nachbargrund-
                                                                stück nicht bewilligt werden darf, solange der Nutzungs-
                                                                plan der Gemeinde nicht an das revidierte RPG angepasst
    ·Flächen,
     ·                                                          ist. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut, stellte
    ·· die Kulturland oder Fruchtfolgeflächen zerstückeln       allerdings fest, dass in solchen Fällen ein Bauvorhaben
    ·· die grosse Bedeutung für Natur / Landschaft haben        nur blockiert werden kann, wenn das Nachbargrundstück
    ·· die für eine Überbauung ungeeignet sind                  aufgrund seiner Lage und der örtlichen Gegebenheiten
    ·· die Fruchtfolgeflächen tangieren                         für eine Rückzonung in Frage kommt (BGer_1C_40).
    ·· deren Verfügbarkeit rechtlich nicht sichergestellt ist     Im August 2016 bejahte das Bundesgericht in einem
    ·· die den Vorgaben des Richtplanes widersprechen           weiteren weitreichenden Entscheid, dass die Umweltorga-
                                                                nisationen neu gegen Einzonungen von Bauland Be-
                                                                schwerde führen können. Das revidierte RPG umschreibe
                                                                die Anforderungen an neue Bauzonen derart detailliert
  Diese generelle Aufzählung liesse sich weiter unterteilen     und stelle damit die Trennung von Bau- und Nichtbau-
in eine Liste möglicher Kriterien, die für die Beurteilung      gebiet sicher. So würden Einzonungen zu einer «Bun-
von Rückzonungen hilfreich sein kann.                           desaufgabe» und Umweltorganisationen zur Beschwerde
                                                                berechtigt. Weiterhin nicht beschwerdeberichtigt seien
3.3 Aktuelle Rechtsprechung zur Rückzonungspflicht              sie hingegen gegen Um- und Aufzonungen, denn was
Bauzonen, die im Fall einer konsequenten Mobilisierung          innerhalb des bestehenden Baugebietes geschehe, sei
der inneren Nutzungsreserven in den bestehenden Bau-            auch unter dem revidierten RPG Sache der Kantone und
zonen voraussichtlich innerhalb von 15 Jahren nicht benö-       Gemeinden und daher keine Bundesaufgabe (BGE 142 II
tigt, erschlossen und überbaut werden, sind unzulässig.         509).
Sie müssen rückgezont werden (Art. 15 Abs. 2 RPG). Was            Dieser Entscheid wirft die Frage auf, ob auch Rück-
passiert jedoch, wenn eine Gemeinde diesem Auftrag              zonungen als Bundesaufgabe zu qualifizieren sind und
nicht nachkommt?                                                damit eine Beschwerdelegitimation der Umweltverbände
  Das revidierte Raumplanungsgesetz sieht bei einem             begründen. Es ist anzunehmen, dass dem so ist, denn
ungenügenden Vollzug seiner Bauzonenbestimmungen                die Frage, ob eine Gemeinde über überdimensionierte
Sanktionen in Bezug auf Neueinzonungen vor (Art. 38a            Bauzonen verfügt, ergibt sich aus dem Bauzonenbedarf
RPG), nicht jedoch, wenn Gemeinden der im Gesetz                und der misst sich – wie bei Neueinzonungen – an den
verankerten Rückzonungspflicht nicht nachkommen.                Vorgaben des revidierten RPG. Werden Einzonungen
Daraus liesse sich folgern, dass die Nichtbefolgung             als Bundesaufgabe qualifiziert, muss dies auch für die
dieser Vorschrift für die Gemeinde keine rechtlichen            Reduktion überdimensionierter Bauzonen gelten (Thurn-
Folgen habe. Dem ist jedoch nicht so. Eine Reihe neuer          herr Daniela, 2017).
Bundesgerichtsentscheide zeigt, dass das Unterlassen
von Rückzonungen zu einer erheblichen Rechts- und
Planungsunsicherheit führen und somit schwerwiegende
Folgen haben kann.
  So hat das Bundesgericht 2016 im Fall Mollens VS
entschieden, dass der Quartierplan für das Tourismus-
ressort Amonina nicht genehmigt werden kann, solange
der Nutzungsplan nicht an das revidierte RPB und das
Zweitwohnungsgesetz angepasst ist (BGer_1C_568 und
BGer_1C_576). Das Vorhaben ist somit auf unbestimmte
Zeit blockiert. Allenfalls wird das Bauland gänzlich ausge-
zont.
  Der Gemeinde St. Niklaus VS wurde vom Bundesgericht
wenig später untersagt, eine Bauzone zu erschliessen,
solange der Nutzungsplan nicht an das revidierte RPG
angepasst ist (BGer_1C_447). Auch hier ist die Situation
vorderhand blockiert.
14 Prämissen der Bauzonendimensionierung

  3.4 Grundsätzlich entschädigungslose Rückzonung
  Eine weitere Frage ist, ob die auf das revidierte RPG zu-     Darüber hinaus wird im Dokument des Bundes (ARE) «Er-
  rückzuführenden Rückzonungen eine Entschädigungs-             gänzung des Leitfadens Richtplanung» Art. 8a RPG präzi-
  pflicht des Gemeinwesens auslösen.                            siert und der Begriff Siedlungsgebiet beschrieben als «die
     Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Beurteilung       zu erwartende Siedlungsentwicklung für die nächsten
  der Entschädigungsfolgen zwischen Rückzonungen                25–30 Jahre», welche im Idealfall die Bauzonenreserven
  (Auszonungen) und Nichteinzonungen. Eine Rückzonung           für die nächsten 15 Jahre übersteigt. Jede Gemeinde hat
  liegt vor, wenn eine Parzelle, die durch einen RPG-kon-       ihr Siedlungsgebiet festzulegen, muss aber den kantona-
  formen Nutzungsplan der Bauzone zugeteilt worden war,         len Vorgaben entsprechen.
  bei einer Nutzungsplanrevision neu einer Nichtbauzone           Wie eine nicht abschliessende Analyse von verschie-
  zugeteilt wird. Wird bei der erstmaligen Schaffung einer      denen kantonalen Richtplänen aufzeigt, werden unter-
  raumplanerischen Grundordnung, welche den verfas-             schiedliche Strategien zur Umsetzung von Art. 8 RPG
  sungsrechtlichen und gesetzlichen Anforderungen ent-          angewendet. Es wird ersichtlich, dass zur Bestimmung der
  spricht, eine Parzelle keiner Bauzone zugewiesen, so liegt    Siedlungsbegrenzung die kommunalen Behörden überall
  hingegen eine Nichteinzonung vor, und zwar auch dann,         in der Schweiz gefordert sind.
  wenn die in Frage stehenden Flächen nach dem bisheri-           Im Koordinationsblatt C.1 «Dimensionierung der Bau-
  gen Recht überbaut werden konnten. Nichteinzonungen           zonen für die Wohnnutzung» des kantonalen Richtpla-
  sind in der Regel entschädigungslos.                          nes Wallis werden Vorgaben zur Siedlungsbegrenzung
     Lange Zeit hat das Bundesgericht bei der Frage, ob es      gemacht. Demnach müssen Bauzonen für die Wohnnut-
  sich bei der Rückführung von Land ins Nichtbaugebiet          zung, die ausserhalb des Siedlungsgebietes liegen (also
  um eine Aus- oder Nichteinzonung handelt, auf das Da-         den Bedarf von 35–30 Jahren übersteigen) zurückgezont
  tum des bis anhin geltenden Nutzungsplanes abgestellt.        werden. Für diejenigen, die über dem Bedarf von 15
  Handelte es sich um einen vor dem Inkrafttreten des           Jahren liegen, sich jedoch im Siedlungsgebiet befinden,
  Raumplanungsgesetzes – das heisst, vor dem 1. Januar          müssen planerische Massnahmen getroffen werden (bei-
  1980 – erlassenen Nutzungsplan, galten Rückzonungen           spielsweise Zonen mit späterer Nutzungszulassung oder
  als Nichteinzonungen. In seiner neueren Rechtsprechung        Planungszonen festlegen).
  bezeichnet das Bundesgericht jedoch auch Rückzonun-             Das Siedlungsgebiet ist so festzulegen, dass Flächen
  gen aus neurechtlichen Nutzungsplänen, das heisst aus         ausgeschlossen (rückgezont werden), die sich nicht für
  solchen, die nach 1980 erlassen wurden, als Nichtein-         eine Bebauung eignen. Das Koordinationsblatt C.1 des
  zonungen, wenn diese inhaltlich klar RPG-widrig waren.        Kantons Wallis nennt als mögliche Kriterien: Grundstücke
  Insbesondere wenn sie über den Bedarf von 15 Jahren           in einer Ferienhauszone, nicht erschlossene oder nicht
  hinausgehende Bauzonen enthielten. So hat das Bundes-         an den öffentlichen Verkehr angebundene Grundstücke,
  gericht 2013 in der Thurgauer Gemeinde Salenstein zwei        Grundstücke mit Hanglagen oder solche die sich in einer
  Rückzonungen als entschädigungslose Nichteinzonungen          Naturgefahrenzone mit erheblicher Gefährdung befin-
  bezeichnet (Urteil BGer 1C_573/2011). 2016 hat es diese       den.
  Rechtsprechung in der jurassischen Gemeinde Baroche
  bestätigt (Urteil BGer 1C_215/2015). Hält das Bundes-         3.6 Kommunale Grundsätze Bauzonenausscheidung
  gericht an dieser Rechtsprechung fest, ist aufgrund der       Im Rahmen des Modellvorhabens räumliche Entwicklung
  stark überdimensionierten Bauzonen in vielen Walliser         Brig-Glis wurde für die Bezeichnung der rückzuzonenden
  Gemeinden damit zu rechnen, dass sie entschädigungslos        Gebiete eine ortsspezifische Auswahl von Rückzonungs-
  rückgezont werden können.                                     kriterien getroffen. Im Sinne der Übertragbarkeit werden
                                                                nachfolgend mögliche Kriterien vorgestellt, die je nach
  3.5 Kantonale Vorgaben zur Siedlungsbegrenzung                Bedarf weiter unterteilt werden können.
  Gemäss Raumplanungsgesetz RPG, Art. 8a über den               Bei der Wahl der Kriterien ist jeweils die Abstimmung auf
  Richtplaninhalt im Bereich Siedlung, muss dieser insbe-       die quantitativen Vorgaben des kantonalen Richtplanes
  sondere folgende Aspekte festlegen:                           - hier im Koordinationsblatt C.1 «Dimensionierung der
                                                                Bauzonen für die Wohnnutzung» die Grösse sowie den
     ·· Wie gross die Siedlungsfläche insgesamt sein soll,      Bedarf der Bauzonen für die nächsten 15-30 Jahre vorgibt
        wie sie im Kanton verteilt sein soll und wie ihre Er-   und aufgrund der allgemeinen Vorgaben zur «Bauzo-
        weiterung regional abgestimmt wird;                     nungqualität» im Koordinationsblatt C.2 - notwendig.
     ·· wie Siedlung und Verkehr aufeinander abgestimmt           Die folgenden Kriterien gemäss Art. 15 Abs. 4 RPG kön-
        und eine rationelle sowie flächensparende Er-           nen in den Gemeinden im Sinne eines Werkzeugkastens
        schliessung sichergestellt werden;                      verwendet werden. Für jede Gemeinde sind die jeweils
     ·· wie eine hochwertige Siedlungsentwicklung nach          geeignetsten Kriterien auszuwählen und anzuwenden.
        innen bewirkt wird;
     ·· wie sichergestellt wird, dass die Bauzonen den An-
        forderungen von Art. 15 RPG entsprechen;
     ·· wie die Siedlungserneuerung gestärkt wird.
Prämissen der Bauzonendimensionierung 15

Lage der Grundstücke                                         Erschliessung
Bezüglich der Lage von Grundstücken ist zu beurtei-          Eine zwingende Bedingung für die Überbauung eines
len, inwiefern sie zum Siedlungszusammenhang beitra-         Grundstückes ist die Erschliessung. Dazu gehört einerseits
gen und die Zerstückelung von Kulturland verhindern. Es      der Anschluss an das öffentliche Strassen- und Wegnetz,
sollen insbesondere Inselbauzonen vermieden werden,          andererseits an das Ver- und Entsorgungsnetz (Wasser,
ebenso wie Bauzonen, welche nicht in Zentrumsnähe            Energie, Abwasser).
liegen. Dies bedeutet, dass Grundstücke am Rand der          Die Erschliessung von Grundstücken ist oft mit sehr ho-
Bauzonen für eine Rückzonung in der Regel priorisiert        hen Kosten verbunden und belastet das Grundstück.
werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Freiflächen,      Auch die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr kann
welche für die Siedlungsstruktur oder den Umgebungs-         als Kriterium genutzt werden.
schutz von Ortsbildern wichtig sind, nach Möglichkeit zu     Eine angemessene Erschliessung wird auf Bundesebene
erhalten sind.                                               gefordert. Demnach soll der Richtplan im Bereich Sied-
                                                             lung neben der Abstimmung von Siedlung und Ver-
Verfügbarkeit                                                kehr auch eine «rationelle sowie flächensparende Er-
In Gemeinden mit grossen Baulandreserven ist deren           schliessung» sicherstellen.
fehlende Verfügbarkeit oft eine grosse Herausforderung.
Gründe dafür können ungeeignete Parzellenformen, un-         Schutzinteressen
günstige Lagen, fehlende Erschliessung oder in vielen        Zahlreiche Schutzinteressen sind in Reglementen und
Fällen Baulandhortung sein, wie Untersuchungen der ETH       Inventaren verortet. Bei einer Überbauung soll eine Tan-
Zürich im Rahmen von «Raum +» zeigen.                        gierung dieser Interessen möglichst verhindert werden.
  Zur Bekämpfung der Baulandhortung sieht das neue           Aus diesem Grund sind Grundstücke in entsprechenden
kantonale Raumplanungsgesetz gestützt auf Artikel 15a        Natur-, Wald-, Landschafts-, Boden-, Gewässer- oder
RPG Massnahmen vor. So kann die Gemeinde einem               Grundwasserschutzzonen nicht zu überbauen.
Grundeigentümer eine Frist für die Überbauung seines         Durch eine zweckmässige Zonierung können zudem die
Grundstücks setzen und, falls diese ungenützt verstrichen    Landschaftsleistungen (Standortattraktivität, Erholung
ist, das Grundstück – je nach Lage – zum Verkehrswert        und Gesundheit, ästhetischer Genuss, Identität und Ver-
erwerben oder rückzonen (Art. 16b und 16c kRPG). Die         bundenheit) erhalten bzw. gestärkt werden. Auch Frucht-
Mindestfrist für die Überbauung einer Parzelle beträgt 10    folgeflächen, ebenso wie Gebiete der Bundesinventare
Jahre.                                                       der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler
  Der Mechanismus der Baulandverflüssigung wird jedoch       Bedeutung (BLN) und der schützenswerten Ortsbilder der
nur dann zum Tragen kommen, wenn das öffentliche In-         Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) sind zu berück-
teresse dies rechtfertigt. Dies ist beispielsweise gegeben   sichtigen.
in Gebieten mit mangelndem, verfügbarem Bauland, in            Ein weiteres Schutzinteresse besteht im Gesund-
Gebieten von kantonaler Bedeutung gemäss Richtplan           heitsschutz. Hierzu gehören die Berücksichtigung von
oder in Gebieten, die für das verdichtete Bauen vorgese-     Lärmbelastung, Luftverunreinigung und -verschmutzung,
hen sind.                                                    Grenzabstände (FAT etc.) sowie Übertragungsleitungen.
                                                               Zudem sollen Flächen, die primär für andere, nicht
Planungsmassnahmen                                           bauliche Nutzungen reserviert sind, von Bauzonen aus-
Eine Sondernutzungsplanpflicht oder eine erforderliche       genommen werden.
Baulandumlegung kann zu einer fehlenden Baureife füh-
ren. Der Kanton Wallis kennt z.B. Zonen mit späterer Nut-    Fazit
zungszulassung (ZSN), in der die Bau- und Nutzungsbe-        Wichtig erscheint bei der Auswahl der Kriterien und bei
stimmungen in ihrer Art zwar festgelegt werden, jedoch       deren spezifischen Anwendung in der Gemeinde, dass
rechtlich noch nicht zugelassen sind (gemäss Art. 83 BZR     nicht nur übergeordnete Grundlagen (Im Wallis insbeson-
Stadtgemeinde Brig-Glis) und demnach nicht überbaut          dere die Koordinationsblätter C.1 und C.2 des kantona-
werden können.                                               len Richtplanes) einbezogen werden, sondern dass eine
                                                             vertiefte ortsspezifische qualitative Analyse durchgeführt
Bauliche Eignung                                             wird. Aus dieser können konsolidierte Massnahmen für
Eine weitere Voraussetzung für die Überbaubarkeit ei-        eine sinnvolle künftige Entwicklung abgeleitet werden.
ner Parzelle ist die bauliche Eignung eines Grundstückes.      Beispielsweise kann ein quantitativer Analyseansatz wie
Merkmale wie die Qualität des Baugrundes (Grundwasser,       er im Forschungsprojekt «Aide au dézonnage» der Fach-
allenfalls Altlasten), Exposition (Beschattung), Topo-       hochschule Westschweiz (HES-SO) mit der qualitativen
graphie (Hanglage etc.), (Mikro-)Klima, oder herrschende     Ortsanalyse kombiniert werden.
Naturgefahren (Rutschung etc.) können diese beispiels-
weise beeinträchtigen.
16 Prämissen der Bauzonendimensionierung

  3.7 Überdimensionierte Bauzonen                                             Mehrwertausgleich
  Einzonung von Bauland schafft für die Betroffenen grosse                    Der Ansatz - Mehrwertausgleich und Baulandumlegung -
  finanzielle Mehrwerte, während Rückzonungen erhebli-                        sind im RPG gesetzlich verankert.
  che Wertminderungen nach sich ziehen.                                         Mit dem Ausgleich des durch Neueinzonungen geschaf-
     Die fachgerechte Dimensionierung der Bauzonen dient                      fenen Mehrwertes können Rückzonungen überdimensio-
  nicht nur dem Erhalt des Kulturlandes, sondern führt                        nierter Bauzonen in anderen Gebieten finanziert werden.
  letztlich zu einer erhöhten Lebensqualität. Während die                     Da rückzuzonendes Land in vielen Fällen eher peripher
  Landschaften ausserhalb der Siedlungen geschont wer-                        gelegen ist und damit einen deutlich tieferen Preis hat als
  den, können innerhalb der Siedlungen räumliche Qualitä-                     neu eingezontes, kann ein Teil der Rückzonungen über
  ten und Nutzbarkeit der Stadträume verbessert werden.                       den Mehrwertausgleich bei Einzonungen finanziert wer-
     Bereits vor der Abstimmung über die Revision des RPG                     den. Reichen die Erträge aus Neueinzonungen nicht aus,
  wurden verschiedene Möglichkeiten im Umgang mit                             kommen für die Finanzierung auch die Erträge aus dem
  überdimensionierten Bauzonen diskutiert.                                    Mehrwertausgleich bei Um- und Aufzonungen in Frage.
     Nachfolgend werden sieben Ansätze vorgestellt, die                       Zu prüfen wäre auch der Ausgleich von Mehrwerten, der
  sich aus dieser Diskussion ergeben. Diese Liste ist nicht als               über die Aufwertung der Umgebung von Grundstücken
  abschliessend zu betrachten.                                                entsteht. Falls der Ausgleich über die Gemeindegrenzen
                                                                              hinaus stattfindet, können Lösungen über kantonale Aus-
                                                                              gleichsfonds gefunden werden (Avenir Suisse, 2010).
                                                                                Der Kanton Wallis hat im kantonalen Raumplanungs-
             Fläche                                                           gesetz (Art. 10 ff kRPG) die rechtliche Grundlage für die
                                                                              Mehrwertabgabe geschaffen. Sie beträgt 20 % (Mindest-
                                                                              satz gemäss RPG) für Einzonungen und für Umzonungen
                                  ???
                                                                              innerhalb der Bauzone, welche einen Mehrwert mit sich
                                                                              bringen. Die Abgabe wird erst bei der Bekanntgabe des
                                                                              Baubeginns oder beim Verkauf der Parzelle erhoben. Die
                 Bauzonen      Bauzonen
                 heute         bedarfs-                                       Einnahmen gehen zu 50 % in einen kantonalen Fonds und
                               gerecht                                        zu 50 % an die betreffende Gemeinde.

                                                                              Entschädigungsfonds aus Steuermitteln
                                                                              Eine Alternative zu den Erträgen aus der Mehrwertab-
                                                                              gabe wäre ein Entschädigungsfonds aus Steuermitteln.
                                                           Zeit               Der Finanzierungsanteil der Gemeinden richtet sich nach
                                                                              dem Grad der Überdimensionierung der kommunalen
   Abbildung 3    Dimensionierung der künftigen Bauzonen                      Bauzonen. So können Gemeinden, die in der Vergangen-
                  (Eigene Darstellung)                                        heit zu grosse Einzonungen vorgenommen haben, in die
                                                                              Pflicht genommen werden (Avenir Suisse, 2010).

                                                                              Realtausch
                                                                              Bei einem Realtausch werden Grundeigentümer, mit dem
                                                                              Wunsch,Bauland einzuzonen, zur Kompensation ver-
                                                                              pflichtet, vorhandenes Bauland für Rückzonungen zur
                                                                              Verfügung zu stellen. Damit ensteht für diese Grund-
                                                       ?                      eigentümer ein Anreiz, für die Rückzonung geeignetes
                                                ?
                                                                  ?           und möglichst günstiges Bauland zu finden. Die Kosten
                                        ?                                     für Rückzonungen werden so tief gehalten. Damit der
                                   ?
                                                                              Realtausch angewendet werden kann, muss von den Ge-
                                                                          ?   meinden ein verbindlicher Schlüssel für die Kompensation
                                        ?                                     festgelegt werden (z.B. geeignetes Verhältnis zwischen
                                                                      ?       ein- und rückzuzonendem Land, Festlegungen bezüglich
                                        ?                                     Lage und Wert der jeweiligen Grundstücke) (Avenir Suisse,
                                                                          ?
                                            ?
                                                                              2010).
                                                       ?

                 Heute                              Morgen                    Flächennutzungszertifikate
                                                                              In einem System mit Flächennutzungszertifikaten wird
  Abbildung 4    Lokalisierung der künftigen Bauzonen                         zum Bauen nicht nur ein Grundstück gebraucht, sondern
                 (Eigene Darstellung)                                         auch ein entsprechendes Flächennutzungszertifikat. Diese
                                                                              Zertifikate wären handelbar.
                                                                              So kann ein Baurecht von Gebieten mit zu grossen
Prämissen der Bauzonendimensionierung 17

Bauzonen in solche mit zu kleinen Bauzonenreserven ver-                   mit Fristen von 5 bis 10 Jahren verflüssigt werden. Bei
kauft werden. Dafür müsste jedoch die Gesamtgrösse der                    Nichteinhaltung der Frist verfügt die Gemeinde über
Bauzonen beschränkt werden (Avenir Suisse, 2010).                         ein Bodenkaufrecht oder kann Parzellen am Rande von
                                                                          Bauzonen entschädigungslos rückzonen.
Bodensteuer für Bauland                                                     Auch hierfür besteht im Kanton Wallis eine rechtliche
Eine Möglichkeit im Umgang mit überdimensionierten                        Grundlage. Die Einführung einer Bauverpflichtung wird
Bauzonen ist eine Bodensteuer für Bauland (sowohl für                     mit dem kRPG ermöglicht, falls das öffentliche Interesse
bebautes als auch für unbebautes). Deren Höhe wird                        es rechtfertigt und die Gemeinden dies in ihren Bau- und
proportional zum Verkehrswert des Baulandes bemessen                      Zonenreglementen vorsehen (Art. 10 ff kRPG).
und muss deutlich höher sein, als die Grund- und Liegen-
schaftssteuer, die in der Schweiz teilweise erhoben wird.                 Die Lösungsansätze stellen einen wichtigen Input für das
Sie wird wiederkehrend erhoben und entweder einkom-                       Modellvorhaben dar. In der angegebenen Literatur sind
mensneutral bemessen (z.B. mit einer Senkung der Ein-                     diese teilweise sehr konkret ausformuliert. Auf prakti-
kommenssteuer) oder zweckgebunden zur Finanzierung                        scher Ebene sind sie jedoch oftmals schwer umsetzbar
von Rückzonungen eingesetzt (Avenir Suisse, 2010).                        und / oder politisch umstritten.
                                                                            Da im Rahmen des Modellvorhabens vielseitig einsetz-
Baulandumlegung                                                           bare und flexible Lösungen anzustreben sind, werden
Die Baulandumlegung ist ein weiterer Ansatz im Umgang                     nachfolgend eher generelle Ansätze auf raumplaneri-
mit überdimensionierten Bauzonen. So kennen verschie-                     scher und städtebaulicher Ebene geprüft und vorgestellt.
dene Kantone gesetzliche Regelungen zur Ausgleichsum-                     Diese können thematisch in einen Zusammenhang mit
legung. So kann beispielsweise gleichzeitig mit dem                       den Lösungsansätzen gebracht werden, sind aber eher
Nutzungsplanverfahren eine Baulandumlegung angeord-                       allgemeiner Natur und decken auch nicht mehr das ganze
net und durchgeführt werden mit einem angemessenen                        Spektrum der Lösungsansätze ab, sondern fokussieren
Wertausgleich.                                                            sich auf die Themen: Mehrwert schaffen, Landabtausch,
  Bei bereits grösstenteils überbauten Gebieten können                    monetäre Entschädigung.
Neuanordnungen erlassen werden, wenn diese im öf-
fentlichen Interesse liegen. Der Kanton Wallis kennt einen                Da in den aktuellen Richtplänen und Richtplanentwür-
vergleichbaren Ansatz im kantonalen Gesetz über die                       fen vieler Kantone (siehe Anhang) hauptsächlich auf die
Landumlegung und die Grenzregulierung.                                    Grösse der Bauzonen von einzelnen Gemeinden einge-
                                                                          gangen wird und - mit Ausnahme vom Kanton Aargau -
Baulandmobilisierung                                                      die auszuzonenden Gebiete in keinem Richtplan konkret
In der Broschüre «Steuerungsinstrumente der Bodennut-                     verortet werden, braucht es einen qualitativen Ansatz zur
zung» (SANU durabilitas) wird die Baulandmobilisierung                    Festlegung der rückzuzonenden Gebiete. Auch werden
als mögliches Instrument «zur konkreten Umsetzung der                     in der Richtplanung meist kaum Aussagen gemacht, wie
Eindämmung des Flächenverbrauchs» aufgeführt. Das                         Rückzonungen konkret vorgenommen und finanziert
Hauptziel der Baulandmobilisierung ist die Reduktion der                  werden sollen. Soweit möglich werden im Rahmen des
Baulandhortung, sie hat aber nicht die unmittelbare Re-                   Modellvorhabens auch dazu Antworten gesucht.
duktion der Bauzonen zur Folge.
  Parzellen innerhalb der Bauzone, welche über längere
Zeit nicht überbaut respektive genutzt werden, können

 Fläche
                           Rückzonung

                                        Entschädigungslos
                                                            Mehrwerte schaffen?
                                        Entschädigungs-
                                        pflichtig             ???
                                                              ???

      Bauzonen     Bauzonen
      heute        bedarfs-
                   gerecht
                                                                                  Zeit

Abbildung 5   Der planungsbedingte Minderwert
              (Eigene Darstellung)
18 Prämissen der Bauzonendimensionierung

  3.8 Mehrwerte und Ausgleichsszenarien
  Die geforderten Rückzonungen, deren Fläche sich aus der       Die aufgeführten Typen zur Schaffung von Mehrwerten
  Differenz der heutigen und der bedarfsgerechten Bauzo-        für den Ausgleich von planungsbedingten Minderwerten
  nen gemäss Art. 15 RPG ergibt, lassen sich in entschädi-      werden mit drei generellen Mechanismen, sogenannten
  gungslose und entschädigungspflichtige Rückzonungen           Ausgleichs­szenarien angestrebt. Diese sind abgeleitet
  einteilen.                                                    aus den Ansätzen zum Umgang mit überdimensionierten
    Gemäss aktueller Rechtsprechung wird voraussichtlich        Bauzonen und sind situationsgerecht anzuwenden.
  ein grosser Anteil der Rückzonungen entschädigungs-
  los erfolgen können. Dennoch stellt sich die Frage, wie                     Verlagern
  trotz, oder eben dank, diesen Rückzonungen planerische                      Die Nutzung eines Gebietes - beispiels-
  Mehrwerte generiert werden können.                                          weise als Gewerbefläche - wird vollständig
    Neben finanziellen Aspekten, insbesondere der ent-                        in ein anderes, besser dafür geeignetes
  schädigungspflichtigen Rückzonungen, ist die planerische                    Gebiet verlagert.
  Sicht hinsichtlich der Verbesserung der Siedlungsqualität
  zentral. Im Idealfall können Mehrwerte für viele - also für                 Konzentrieren
  die Gesellschaft- geschaffen werden, während möglichst                      Ein grosser Teil eines Gebietes oder einer
  geringe finanzielle Minderwerte für einzelne entstehen.                     Parzelle wird freigeschafft, indem die Nut-
  Ein Ausgleich soll weitmöglichst ausgeglichen und im                        zung im restlichen, kleineren Teil konzen-
  Sinne der öffentlichen Interessen gerechtfertigt werden                     triert und im Vergleich zum bisherigen
  können.                                                                     Zustand erhöht wird.
    Wenn Rückzonungen dennoch Entschädigungsforde-
  rungen nach sich ziehen, reicht eine Mehrwertabschöp-                       Rückzonung
  fung bei Neueinzonungen, Um- und Aufzonungen allein                         Entschädigungslose Rückzonungen sollten
  in vielen Fällen nicht, um den finanziellen Ausgleich für                   im Idealfall als Chance genutzt werden,
  eine bedarfsgerechte Grösse der Bauzonen zu leisten.                        um einen planerischen Mehrwert für die
    Auch wenn das rückzuzonende Land einen tieferen                           Allgemeinheit zu generieren, beispiels-
  Preis hat als neu eingezontes, kann in den meisten Fällen                   weise durch eine Aufwertung der Sied-
  nicht so viel Land ein-, um- oder aufgezont werden,                         lungs- und Landschaftsqualitäten.
  damit der verursachte finanzielle Minderwert allein damit
  ausgeglichen werden kann.
    Zusätzlich sind also Mechanismen notwendig, welche
  Mehrwerte schaffen, ohne dass Neueinzonungen vorge-
  nommen werden müssen.
    Aufbauend auf den entwickelten Ansätzen im Umgang
  mit überdimensionierten Bauzonen sind die folgenden
  vier Typen von Mehrwerten denkbar, um eine bedarfsge-
  rechte und zweckmässige Grösse und Lage der Bauzonen
  ohne weitere Neueinzonungen zu schaffen:

       ·Nutzungsmässige
        ·               Mehrwerte durch:
       ·· Bessere Lage
       ·· Monetäre Entschädigung
       ·· Gesellschaftliche Mehrwerte
Sie können auch lesen