PFLANZENBAUSYSTEME DER ZUKUNFT LFL JAHRESTAGUNG 2018 - SCHRIFTENREIHE 6 2018 - BAYERISCHE ...
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IMPRESSUM Herausgeber: Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) Vöttinger Straße 38, 85354 Freising-Weihenstephan www.LfL.bayern.de Redaktion: Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz Lange Point 12, 85354 Freising-Weihenstephan Agraroekologie@LfL.bayern.de Telefon: 08161 71-3640 1. Auflage: Oktober 2018 Druck: Ortmaier Druck GmbH, Frontenhausen Schutzgebühr: 10,00 Euro © LfL
Pflanzenbausysteme der Zukunft Tagungsband Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft
Inhaltsverzeichnis Vorwort Jakob Opperer������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 7 Erosionsschutz in Feld und Flur Robert Brandhuber................................................................................................................................................................ 9 Wie kann der Pflanzenbau die Biodiversität fördern und nutzen? Sebastian Wolfrum, Johannes Burmeister, Roswitha Walter����������������������������������������������������������������������������������� 13 Wie lösen Digitalisierung und Robotik die neuen Herausforderungen? Dr. Markus Gandorfer, Johanna Pfeiffer, Beat Vinzent, Dr. Markus Demmel������������������������������������������������������� 19 Integrierte Unkrautkontrolle im Ackerbau - eine neue Perspektive? Klaus Gehring�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������23 Pflanzenzüchtung im Licht der Ackerbaustrategie Dr. Peter Doleschel��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������29
Seite 7 Vorwort Die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln, Die diesjährige LfL Jahrestagung ist eine Standort- von biogenen Rohstoffen und Energie war Jahr- bestimmung: Wo stehen wir? Was kann konkret in hunderte lang wesentliche Aufgabe der Landwirt- den Bereichen Agrarökosysteme und Digitalisie- schaft. Heute erwartet die Gesellschaft eine hohe rung in Ruhstorf umgesetzt werden? Wie können Ressourceneffizienz, einen bestmöglichen Ero- wir die Landwirte in Zukunft unterstützen? sionsschutz, einen geringen Einsatz von Pflanzen- schutzmitteln und eine große Artenvielfalt. Diese Der Tagungsband konzentriert sich auf die Sicht Anforderungen stehen teilweise in Konkurrenz zu- der LfL zu Pflanzenbausystemen der Zukunft und einander. Wir sind davon überzeugt, dass die Digi- zeigt die Perspektiven für Forschungsschwerpunk- talisierung gute Chancen bietet, die unterschiedli- te, die in Ruhstorf in den nächsten Jahren umge- chen Aspekte im Sinne eines ressourceneffizien- setzt werden sollen. ten Pflanzenbaus in Einklang zu bringen. Die LfL stellt sich diesen Herausforderungen seit vielen Jahren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter arbeiten und forschen an einer nachhaltigen und gesellschaftlich akzeptierten und damit zu- Jakob Opperer kunftsfähigen bayerischen Landwirtschaft. In ihrer Präsident der LfL neuen Zweigstelle Ruhstorf an der Rott wird die LfL ihre Aktivitäten noch stärker vernetzen und in- tensivieren. Ruhstorf soll zu einer Zukunftswerk- statt und zu einem Impulsgeber für den gesamten Agrarsektor in Bayern und darüber hinaus werden.
Seite 9 Erosionsschutz in Feld und Flur Robert Brandhuber Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz Der fortschreitende Klimawandel zwingt uns dazu, Böden und Flure wetterfest zu machen: durch pflegliche Bodenbewirtschaftung und mit einer Flurgestaltung, die Wasser zurückhält statt schnell abzuleiten. Die Aufgabe ist groß. Alle Akteure sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten. EROSIONSSCHUTZ WICHTIGER DENN JE seinen Verwaltungen fördert in vielfältiger Weise Bodenerosion führt zu unwiederbringlichem Ver- die Bemühungen um einen guten Boden- und Ge- lust an Bodenfruchtbarkeit, schädigt Unterlieger wässerzustand, z. B. mit den Wasserberatern, dem und belastet Bäche und Seen durch Verschlam- Demonstrationsbetriebsnetz Gewässer-, Boden- mung, Kolmation oder Nährstoffeintrag. Wasser- und Klimaschutz, der Initiative boden:ständig, erosion ist an Oberflächenabfluss gebunden. Maß- dem KULAP-Angebot zum Boden- und Wasser- nahmen zur Verbesserung der Wasserinfiltration schutz, der Schwerpunktsetzung in Bildung und mindern den Oberflächenabfluss, sie helfen Tro- Öffentlichkeitsarbeit. Dieser Weg ist erfolgverspre- ckenperioden länger zu überstehen und sie die- chend, wenn er konsequent gegangen wird. Und nen auch dem Hochwasserschutz. Weil Starkregen er braucht einen langen Atem. und Trockenperioden im Klimawandel an Intensi- tät zunehmen, müssen noch mehr vorsorgende LANDWIRTE IM SPANNUNGSFELD Maßnahmen als bisher ergriffen werden. Akteure in der Flächenbewirtschaftung sind in Bayern etwas mehr als 100.000 landwirtschaftliche Viele Landwirte engagieren sich bereits vorbildlich Betriebe, die mit Urproduktion pflanzlicher oder im Erosionsschutz. Das Landwirtschaftsressort mit tierischer Erzeugnisse Gewinn erzielen müssen.
Seite 10 Entscheidungen zur Betriebsführung stehen in 60 % zugenommen hat (siehe Abb. 1) und zukünf- einem Spannungsfeld von Erfordernissen der Wirt- tig weiter zunehmen wird (Fischer & Auerswald, schaftlichkeit, dem Erfüllen gesellschaftlicher An- 2018). Das Erosionsrisiko steigt in gleichem Um- forderungen (insb. Biodiversität, Boden- und Ge- fang. Das bedeutet, dass Erosionsschutzmaßnah- wässerschutz, Klimaschutz) und der Anpassung an men hoch wirksam sein müssen, um nicht zu ver- den fortschreitenden Klimawandel mit zunehmen- puffen. den Trockenphasen im Wechsel mit heftigen Stark regen. Neueste Ergebnisse aus einer Forschungs- Diesem Spannungsfeld mit einem stimmigen Pro- kooperation von LfL und TU München belegen, duktionsverfahren gerecht zu werden, ist für jeden dass die Regenerosivität in Bayern seit den 1970er Landwirt eine enorme Herausforderung. Jahren (bisherige Referenz) im Mittel bereits um Abb. 1: Neue Karte der Regenerosivität in Bayern, berechnet aus RADKLIM-Daten (Fischer & Auerswald, 2018) FLÄCHENSCHUTZ AUSBAUEN den. Aber reicht das immer aus, wenn im Mai die Es ist bekannt, welche Maßnahmen grundsätzlich ersten heftigen Gewitter niedergehen? In den letz- helfen, Erosion und Abschwemmungen zu vermin- ten Jahren haben wir an der LfL gezielt dokumen- dern: Fruchtfolgegestaltung, Zwischenfruchtan- tiert, unter welchen Bedingungen Starkregen Ero- bau, Mulchsaaat bei Reihenkulturen, Verkürzung sionsschäden größeren Ausmaßes verursacht ha- zu langer Hänge durch Schlagteilung und Querbe- ben, vor allem welche Schutzmaßnahmen wirksam wirtschaftung, Filterstrukturen in der Flur und waren und welche doch nicht so, wie man es sich nicht zuletzt das Hochhalten ackerbaulicher Tu- gewünscht hätte (Kistler et al. 2013; Brandhuber et genden wie Kalkung, Vermeiden von Bodenver- al. 2017). In Bayern treten massive Bodenab- dichtungen und Humuspflege. Jeder Landwirt schwemmungen vor allem im Frühjahr und Früh- wird etwas aus diesem Werkzeugkasten verwen- sommer auf, wenn Gewitterregen auf noch weit-
Seite 11 gehend unbedeckten Boden treffen. Dies betrifft ausbringung, Bestellung, Unkrautmanagement in erster Linie Maisfelder ohne ausreichenden Ero- und Fruchtfolgegestaltung nutzen. Die LfL stellt sionsschutz, wobei auch andere Kulturen, die in sich der Herausforderung, mit reduziertem Herbi- weiter Reihe bestellt werden und im Frühjahr spät zideinsatz ein hohes Erosionsschutzniveau zu er- die Reihen schließen, erosionsgefährdet sind, wie reichen. Feldversuche in den fränkischen Trocken- Kartoffeln, Soja oder die Dauerkultur Hopfen, et- gebieten sind Teil des Gesamtkonzepts. Um grüne was abgemildert auch Zuckerrüben. Als hoch wirk- Schutzstreifen und Abflusswege sowie Rückhalte- same Schutzmaßnahme hat sich beim Maisanbau mulden gezielt und auf optimale Wirksamkeit aus- ein Bestellverfahren ohne Saatbettbereitung be- gerichtet anlegen zu können, werden Experten ge- währt, Gülle wird zuvor eingeschlitzt oder nach eignete Planungs- und Beratungsinstrumente er- der Saat im Bestand ausgebracht. Eine Reduktion arbeiten. Die Integration von Maßnahmen zur Ver- des Bodenabtrags um den Faktor 10 ist so möglich besserung der Biodiversität und die Nutzung von (Fiener, 2017). Der Klimawandel bringt auch im digitalen und automatisierten Verfahren bei der Winterhalbjahr mehr erosive Regen als in der Ver- Landbewirtschaftung haben einen hohen Stellen- gangenheit (Fischer & Auerswald, 2018). Auch für wert. Alle Verfahren müssen für die landwirtschaft- den Winterweizenanbau müssen deshalb Strate- lichen Betriebe wirtschaftlich vertretbar sein, ein gien zum Erosionsschutz geprüft und weiterentwi- gegebener Bedarf an Ausgleichszahlungen wird ckelt werden. deshalb ermittelt (Ökosystemleistungen). Derzeit laufende und zukünftige Programme und Initiati- GRÜNE STRUKTUREN ZUM WASSERRÜCKHALT ven des Landwirtschaftsressorts zum Boden- und Bei Extremereignissen, wie sie 2016 aber lokal auch Gewässerschutz erhalten so eine bestmöglich fun- 2018 auftraten, kann kaum verhindert werden, dierte, differenzierte und anwendungsreife Basis dass aus den Feldern in größerem Umfang Wasser abfließt. Sind die Böden gesättigt oder ver- MOTIVATION ZU INNOVATIVEN LÖSUNGEN schlämmt, bildet sich ein temporäres Abflussnetz Wie viele der 100.000 landwirtschaftlichen Betrie- aus, das als „wild abfließendes Wasser“ verheeren- be müssen mitmachen, damit Böden, Gewässer de Sturzfluten verursachen kann. Begrünte Ab- und öffentliche Güter in der notwendigen Breite flusswege können den Austrag von Boden in Ge- ausreichend geschützt sind? Noch mehr als bisher. wässer deutlich verringern und den Scheitelab- Ziel ist die Platzierung wirksamer Maßnahmen ent- fluss kappen (Fiener & Auerswald, 2017). Neue lang der gesamten Prozesskette, von der Flächen- Technologien im Bereich Digitalisierung und Auto- bewirtschaftung auf dem Acker über Abflussrin- matisierung (automatische Lenksysteme, Teilbrei- nen, Wegenetz und Gräben bis in die Gewässer. tenschaltung, Robotik) werden die Akzeptanz grü- Aber nicht nur Landwirte, alle Akteure in Feld und ner Strukturen innerhalb der Produktionsflächen Flur müssen dazu Ihren Beitrag leisten, Bürger, Ver- erhöhen. Notwendige Ergänzung sind Rückhalte- bände, Gemeinden, Fachverwaltungen, unterstüt- mulden, etwa am Übergang von Straßenbegleit- zend auch Forschungs- und Bildungseinrichtun- gräben in die Bäche. Begrünte Abflusswege und gen (AG Erosionsschutz, 2017; Auerswald et al., Rückhaltemulden fördern auch die Artenvielfalt in 2018). Den Rahmen setzt eine angemessene För- der Agrarlandschaft. Die Etablierung von Struktu- der- und Fachrechtsgestaltung. Das Ziehen aller ren zum Wasserrückhalt in den Fluren ist eine Auf- Register ist notwendig, jedoch in einer Weise, die gabe für Jahrzehnte. Die Initiative boden:ständig dem Landwirt Entscheidungsspielraum lässt, ihn der Ämter für Ländliche Entwicklung hat hier be- als Unternehmer ernst nimmt, wertschätzt und reits beispielgebende Umsetzungen erreicht. motiviert zu innovativen, in den Betrieb integrier- bare Lösungen. FORSCHUNGSTHEMEN IN RUHSTORF A. D. ROTT Die LfL wird in Ruhstorf einen starken Beitrag leis- LITERATUR ten, um Böden und Fluren in Bayern wetterfest zu AG Erosionsschutz (2017): Erosionsschutz machen. Sie wird in Feldversuchen, auf Messfel- verbessern - Abfluss in der landwirtschaftlichen dern und auf Betriebsebene bzw. in Kleineinzugs- Flur bremsen. gebieten gesicherte Erkenntnisse zu Erosions- www.lfl.bayern.de/mam/cms07/iab/dateien/ schutzmaßnahmen erarbeiten, die neuesten Tech- handlungsempfehlungen_ag_erosionsschutz_ niken und Verfahren für Bodenbearbeitung, Gülle- abgabe_19-01-2017_pdf
Auerswald, K., Fischer, F. K., Kistler, M., Treisch, M., Geospatial Techniques for Agricultural and Maier, H., Brandhuber, R. (2018): Behavior of Natural Resources Conservation, Publisher: farmers in regard to erosion by water as reflected Alliance of Crop, Soil, and Environmental Science by their farming practices. Science of the Total Societies (ACSESS), Editors: Delgado, J., Environment 613-614, 1-9. DOI: 10.1016/j. Sassenrath, G., Mueller, T. scitotenv. 2017.09.003. Fischer, F., Auerswald, K. (2018): Regenerosivität Brandhuber, R., Treisch, M., Fischer, F., Kistler, M., Bayern - Ermittlung des Raum- und Maier, H., Auerswald, K. (2017): Starkregen, Jahreszeitmusters der Regenerosivität in Bayern Erosion, Sturzfluten - Beobachtungen und aus radargestützten Niederschlagsdaten zur Analysen im Mai/Juni 2016. LfL-Schriftenreihe Verbesserung der Erosionsprognose mit der 2/2017, Freising. Allgemeinen Bodenabtragsgleichung , LfL- Fiener, P. (2017): Erosionsvorsorgende Schriftenreihe x/2018, Freising, im Druck Landwirtschaft. Wasserwirtschaft 11/2017, Kistler, M., Brandhuber, R., Maier, H. (2013): S. 39-42 Wirksamkeit von Erosionsschutzmaßnahmen - Fiener, P., Auerswald, K. (2017): Grassed Ergebnisse einer Feldstudie. LfL-Schriftenreihe Waterways. In book: Precision Conservation: 8/2013, Freising.
Seite 13 Wie kann der Pflanzenbau die Biodiversität fördern und nutzen? Sebastian Wolfrum, Johannes Burmeister, Roswitha Walter Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz Ein zukunftsfähiger, gesellschaftlich akzeptierter Pflanzenbau ist eng mit Biodiversität verbunden. Diese komplexe Herausforderung erfordert spezifische Zugänge und neue Perspektiven, um tragfä- hige Lösungen zu finden. Biodiversität muss vom Beiwerk zum Vermögenswert werden. BIODIVERSITÄT ALS GESELLSCHAFTLICHES ZIEL tion des Anbaus auf wenige Fruchtarten oder In- Aktuelle Pflanzenbausysteme erreichen eine sehr sektensterben werden aktuell diskutiert. Diese ge- hohen Produktivität und Leistungsfähigkeit. Im- sellschaftliche Debatte hat auch Auswirkungen auf mer öfter werden aber Grenzen der ressourcenin- die Landwirtschaft. Mit der „Ackerbaustrategie der tensiven Wirtschaftsweise sichtbar. Die Landwirt- deutschen Landwirtschaft“ (Zentralausschuss der schaft steht daher unter großem gesellschaftli- Deutschen Landwirtschaft 2018) haben z. B. die chem Druck, die Art und Weise der Produktion zu deutschen Landwirtschaftsverbände strategische verändern und Umwelt- und Nachhaltigkeitskrite- Ziele für einen nachhaltigen Pflanzenbau formu- rien stärker zu berücksichtigen. Ein Thema ist die liert. Der Biodiversität kommt dabei ein hoher Stel- Biodiversität. Die intensive Bewirtschaftung der lenwert zu. Es bleibt aber die Frage offen, wie sich letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass die die Erhaltung der Biodiversität mit anderen Nach- Landwirtschaft als einer der wichtigsten Verursa- haltigkeitszielen, z. B. der Wirtschaftlichkeit oder cher des Biodiversiätsverlustes wahrgenommen dem Bodenschutz, vereinbaren lässt. Im Themen- wird. Verlust von Strukturelementen, Konzentra- schwerpunkt „Agrarökosysteme“ werden Ansätze
Seite 14 zur Nutzung und zur Förderung der Biodiversität Komplexität aus. Dies liegt vor allem an unklaren im Pflanzenbau erforscht und geeignete Kommu- Definitionen, den unterschiedlichen Perspektiven nikationsstrategien entwickelt. der Akteure und der Schwierigkeit einfache, verall- gemeinerbare Lösungen für das Problem zu finden DIE DREIFACH-BEZIEHUNG ZWISCHEN sowie deren Wirksamkeit zu bewerten. Durch die BIODIVERSITÄT UND PFLANZENBAU Vielzahl der Akteure in der Agrarlandschaft muss Biodiversität und Pflanzenbau stehen in dreifacher der Pflanzenbau der Zukunft somit neue Ansätze Beziehung zueinander. Zum einen ist es ein Ziel und Lösungen zum Umgang mit Biodiversität fin- des Pflanzenbaus Biodiversität zu kontrollieren den, die für „bösartige“ Probleme geeignet sind. (Bodenbearbeitung, Pflanzenzucht, Pflanzen- schutz) (Haber 2014). Gleichzeitig nutzt der Pflan- ZUGÄNGE ZUR „BIODIVERSITÄT“ FÜR DIE zenbau die durch die Biodiversität zur Verfügung LANDWIRTSCHAFT gestellten Ressourcen (Sortenvielfalt, biologischer Termeer et al. (2014) nennen in diesem Zusammen- Pflanzenschutz, Bodenfruchtbarkeit) und erzeugt hang vier wichtige Fähigkeiten von Organisatio- vielfältige Lebensräume (Landschaftsstrukturele- nen für den Umgang mit „bösartigen“ Problemen. mente, Nahrungsangebot, Bruthabitate). Neben den Fähigkeiten Stabilität zu zeigen und dennoch auf Veränderungen reagieren zu können, WAS IST „BIODIVERSITÄT“? sind dies vor allem die Befähigung, unterschiedli- Die Vorstellung einer Vielfalt der Natur ist dem che Perspektiven auf die Probleme zu reflektieren Menschen seit Urzeiten bekannt. Mit der Systema- und über neue Herangehensweisen bestehende tisierung der Natur wurden Begriffe wie Artenzahl Blockaden lösen zu können. In diesem Zusammen- und biologische Vielfalt wissenschaftlich definiert. hang beschreiben Wolfrum et al. (2013) vier Zu- Der Begriff „Biodiversität“ dagegen wurde erst gänge für die Landwirtschaft zum Thema Biodiver- 1986 von Walter G. Rosen als Titel einer Tagung sität (Abb. 1). Diese lassen sich auf einem „Gradien- „erfunden“. Diese hatte das Ziel wissenschaftliche ten“ unterschiedlicher Weltbilder – von liberalen Erkenntnisse zum Artenverlust auf die politische Nutzwerten einerseits bis zu holistischen Selbst- Agenda zu bringen. Damit und mit der Verabschie- werten andererseits – einordnen. Diese konzeptio- dung der „Konvention zur Biologischen Vielfalt“ nelle Grundlage ermöglicht die systematische (CBD) in Rio 1992 wurde der Ausdruck „Biodiversi- Analyse und Berücksichtigung unterschiedlicher tät“ als „boundary object“ (Eser 2001), also als ver- Positionen sowie die spezifische Ableitung neuer mittelnder Begriff an der Grenze zwischen Wissen- Forschungsfragen und Lösungsansätze für die schaft und Politik, zum Selbstläufer. Als allgemeine landwirtschaftliche Praxis. Definition gilt, dass Biodiversität die Vielfalt der Gene, der Arten und der Lebensräume bezeichnet. LÖSUNGEN FÜR DEN PFLANZENBAU DER ZUKUNFT Ziele der Biodiversitätskonvention sind der Schutz An Hand des in Abb. 1 vorgestellten Konzeptes las- und die Nutzung von Biodiversität sowie die ge- sen sich aktuelle Forschungsthemen der Agraröko- rechte Verteilung der aus der Nutzung erwachsen- logie und des Pflanzenbaus einordnen. So befin- den Vorteile. det sich z. B. die Wildtierberatung eher im Natur- schutz-Teil während sich die Züchtung trocken- PROBLEMFALL „BIODIVERSITÄT“ stresstoleranter Getreidesorten eher im Bereich Die Definition der CBD ist für die Umsetzung aber der Agrodiversität findet. Auch die Themen der zu allgemein. In ihrem Buch „Irrfahrt Biodiversität“ Ackerbaustrategie können über diese Zugänge zeigen Hoffmann et al. (2005), dass für unter- systematisiert werden. Dort finden sich z. B. die schiedliche Akteure (z. B. Naturschützer und Land- Zugänge Agrodiversität (vielfältige Fruchtfolgen, wirte) auf Grund der unklaren Definition Konflikte Pflanzenzüchtung), Ökosystemleistungen (Boden- bei der Messung, Bewertung und bei der Umset- fruchtbarkeit, Bestäubung, biologische Schäd- zung von Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiver- lingsbekämpfung) sowie Flächen mit hohem Na- sität entstehen. Auf Grund dieser Problematik be- turwert (HNV - high nature value farmland) und schreiben Sharman und Mlambo (2012) den Biodi- Naturschutz (Förderung der Kulturlandschaft und versitätsverlust als „bösartiges“ Problem. Dieses der Biodiversität). Die Verwendung verschiedener zeichnet sich nach Rittel und Webber (1973) im Zugänge zur Biodiversität berücksichtigt somit die Gegensatz zum „gutartigen“ durch eine hohe Werte und Weltbilder der Akteure im Pflanzenbau
Seite 15 Abb. 1: Zugänge zur Biodiversität (Schmitzberger et al. 2005) und ermöglicht neben gen mittels Rhizotronen und bildgebenden Ver- der Definition von Forschungsfragen auch die ziel- fahren (z. B. X-ray computed tomography) einge- gruppenspezifische Entwicklung und Kommunika- setzt. Ebenfalls Thema wird die Optimierung der tion von Maßnahmen (Lokhorst et al. 2010, Klein- Pflanzen-Bodenmikroorganismen Interaktionen hückelkotten et al. 2006). Vor diesem Hintergrund sein, um nachhaltige Pflanzenbausysteme zu ge- werden im Folgenden mit Hilfe der vorgestellten stalten (Akhami et al. 2017, Wallenstein 2017). Ziel Perspektiven drei Forschungsfelder skizziert, die ist es Management- und Fruchtfolgeempfehlun- im zukünftigen Themenschwerpunkt „Agraröko- gen für verschiedene Anbausysteme zugeben, die systeme“ der LfL in Ruhstorf bearbeitet werden. durch positive Interaktionen in der Rhizosphäre die Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit RESILIENZ VON KULTURPFLANZEN und Produktivität regelmäßig gestörter Ackerflä- Die Nutzung der genetischen Vielfalt der Pflanzen chen erhöhen. und Bodenorganismen ist Thema des Zugangs Ag- rodiversität. Um die Resilienz von Kulturpflanzen gegenüber Klimaveränderungen zu verbessern und Erträge ohne negative Umweltwirkungen zu steigern, sind die Eigenschaften der Wurzelsyste- me (Abb. 2) und die Prozesse und Interaktionen im Boden von großer Bedeutung (Gewin 2010, Den Herder et al. 2010). In Ruhstorf wird daher in Labor- und Feldversu- chen geklärt werden, wie durch die Optimierung des Wurzelwachstums und der Wurzelarchitektur eine effiziente Nährstoff- und Wasseraufnahme er- zielt werden kann. Für das „Design“ angepasster Kulturpflanzen müssen die phänotypischen Eigen- schaften analysiert und modelliert werden (Lynch und Brown 2012). Dazu werden in Zusammen- arbeit mit dem Themenschwerpunkt Digitalisie- rung neue Verfahren wie Shovelomics (Wurzelver- Abb. 2: Wurzelprofil eines Leguminosen-Grasgemenges – messung und digitale Bildanalyse), Untersuchun- Beispiel für ein stabiles, resilientes Wurzelsystem
Seite 16 BIODIVERSITÄTSBASIERTE PFLANZENBAUSYSTEME al. 2012b). Mit dem Kulturlandschaftsprogramm Der Zugang über Ökosystemleistungen ist im und dem Vertragsnaturschutz kann der Freistaat Pflanzenbau ebenfalls von Bedeutung. Die FAO Bayern umweltschonende Bewirtschaftung för- und die EU sehen die nachhaltige Intensivierung dern. Um den Zugang über HNV-Flächen und Na- als eine Lösung für die Agrarsysteme der Zukunft turschutz zu stärken, wird eine Fallstudie zur Wirk- an. Dazu werden bereits viele, meist technische, samkeit von Agrarumweltmaßnahmen in Acker- Lösungsansätze verfolgt (Duru et al. 2015a). Durch und Grünlandregionen klären, in welchem Maß die eine „ökologische“ Intensivierung soll bei gleicher Biodiversität von Insekten und anderen Arthropo- Wirtschaftlichkeit ein Teil der ursprünglich techni- den dadurch gefördert wird. Die Ergebnisse flie- schen „Inputs“ durch Leistungen der Biodiversität ßen in die Weiterentwicklung der Maßnahmen in erbracht werden (Tscharntke et al. 2012a, Bommar- der nächsten Förderperiode ein. Weiter dient die co et al. 2013). Diese mit Biodiversität verbunde- Studie auch der Methodenprüfung für ein Biodi- nen Funktionen und Leistungen werden pflanzen- versitätsmonitoring in der Agrarlandschaft (Dau- baulich bisher nur selten berücksichtigt (Duru et ber et al. 2016), in dem klassische und neue Be- al. 2015b). Ein Beispiel ist die natürliche Schädlings- stimmungsmethoden (Barcoding) kombiniert wer- regulation (Altieri und Nicholls 1999, Abb. 3). Für den. diesen Zugang gibt es bereits viele Vorarbeiten. Das gemeinsame Thema Biodiversität wird für die FAZIT LfL als „Motor“ der internen Vernetzung und der Der Pflanzenbau der Zukunft steht vor der Heraus- interdisziplinären Zusammenarbeit dienen. Um forderung, Biodiversität zu fördern und zu nutzen. das Ziel moderner, umweltschonender und pro- Durch ein flexibles, daten- und werteorientiertes duktiver Pflanzenbausysteme und damit einer Forschungsprogramm werden von der LfL in Ruhs- nachhaltigen Landwirtschaft in Bayern zu errei- torf innovative Wege eingeschlagen, um die Biodi- chen, werden in Ruhstorf die biodiversitätsbasier- versität von einer Nebensache oder gar Belastung ten Ansätze gebündelt, geprüft und kommunziert. für den Pflanzenbau zu einem schätzenswerten Vermögenswert zu wandeln. Um dieses Ziel zu er- reichen, werden die neuen technischen Möglich- keiten der Digitalisierung genutzt, zielgruppen- spezifische Kommunikationsstrategien weiterent- wickelt und die interdisziplinäre Zusammenarbeit gestärkt. LITERATUR Ahkami, A. H., White, R. A. III, Handakumbura, P. P., Jansson, C. (2017) Rhizosphere engineering: Enhancing sustainable plant ecosystem productivity. Rhizosphere 3, S. 233–243. Altieri, M. A., Nicholls, C. I. (1999) Biodiversity, Ecosystem Functioning, and Insect Pest Management in Agricultural Systems. Collins, W. Abb. 3: Räuberische Arthropoden wie zum Beispiel W., Qualset C. O. (Hrsg.): Biodiversity in Großlaufkäfer können einen Beitrag zur natürlichen agroecosystems. CRC-Press, Boca Raton, S. 69–84. Schädlingsregulation in Agrarökosystemen leisten Bommarco, R., Kleijn, D., Potts, S. G. (2013) Ecological intensification: harnessing ecosystem services for food security. Trends in Ecology and LANDWIRTSCHAFTSFLÄCHEN MIT HOHEM Evolution 28 (4), S. 230–238. NATURWERT Dauber, J., Klimek, S., Schmidt, T. G. (2016) Die Problematik des Biodiversitätsverlustes wird Konzept für ein Biodiversitätsmonitoring durch eine Studie von Hallmann et al. (2017) stark Landwirtschaft in Deutschland. Thünen Working diskutiert. Eine reich strukturierte Landschaft för- Papers 58, Braunschweig. dert die allgemeine Biodiversität und die damit Den Herder, G., van Isterdael, G., Beeckman, T., de verbundenen Ökosystemleistungen (Tscharntke et Smet, I. (2010) The roots of a new green
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Seite 19 Wie lösen Digitalisierung und Robotik die neuen Herausforderungen? Dr. Markus Gandorfer, Johanna Pfeiffer, Beat Vinzent, Dr. Markus Demmel Institut für Landtechnik und Tierhaltung Digitalisierung und Robotik bieten große Potenziale für eine nachhaltige und gesellschaftlich akzeptierte und damit zukunftsfähige bayerische Landwirtschaft. Die LfL wird diese Themen in Ruhstorf a. d. Rott in moderner Weise interdisziplinär und systemorientiert bearbeiten. HINTERGRUND Landwirten finden. Vor diesem Hintergrund stellt Die bayerische Landwirtschaft steht vor großen sich die Frage, welchen Beitrag die Digitalisierung Herausforderungen. Zu diesen zählen unter ande- und dabei insbesondere die Robotik leisten kön- rem die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unter nen. den oftmals vorherrschenden kleinstrukturierten Produktionsbedingungen, ganz allgemein Effi- STEIGERUNG DER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT zienzsteigerungen sowie die Minderung negativer DURCH ROBOTIK IN KLEINSTRUKTURIERTEN Auswirkungen auf die Umwelt. Schließlich gilt es AGRARREGIONEN? für eine zukunftsfähige bayerische Landwirtschaft, Digitalisierung als disruptive Innovation? Sehr häu- die gesellschaftliche Akzeptanz der landwirt- fig wird im Kontext der Digitalisierung der Begriff schaftlichen Produktionsverfahren zu steigern disruptiv genannt. Damit ist unter anderem ge- bzw. sicherzustellen. Um diese Herausforderungen meint, dass aufgrund der Digitalisierung zukünftig meistern zu können, müssen Lösungen identifi- neue „Spielregeln“ herrschen könnten. Ein konkre- ziert werden, die auch breite Akzeptanz bei den tes Beispiel ist die Entwicklung von kleinen Feldro-
Seite 20 botern und Schwarmtechnologien. Werden diese struktur bzw. Flächenausstattung in kleinen Schrit- vermehrt praxisreif (vgl. Abb. 1), dann ist es auch ten angepasst werden kann. Damit könnte diese für kleinere Betriebe möglich, an diesem techni- Technologie zukünftig besonders für die in Bayern schen Fortschritt teilzunehmen, ohne, wie sonst so vorherrschenden Agrarstrukturen von Bedeutung häufig notwendig, die Fläche ausdehnen zu müs- sein und kann langfristig gesehen einen wichtigen sen. Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Landwirtschaft leisten. Dazu ist noch erheblicher Damit spielen Skaleneffekte, die in der Ökonomie Forschungs- und Entwicklungsbedarf gegeben, entscheidend sind, nicht mehr die zentrale Rolle. um für die Landwirtschaft zukünftig leistungsfähi- Durch die Digitalisierung scheinen hier also tat- ge und praxistaugliche Systeme bereitstellen zu sächlich neue Spielregeln zu gelten. Möglich wird können. Neben den beschriebenen ökonomischen dies aufgrund der guten Skalierbarkeit dieser Tech- Vorteilen sind insbesondere auch ökologische Vor- nologie. Dies bedeutet, dass die Anzahl der not- teile zu erwarten, beispielsweise im Bereich Bo- wendigen Feldroboter an die betriebliche Flächen- denschutz durch verminderten Bodendruck. Abb. 1: Marktverfügbare Feldroboter der Firma Naio (links: Dino, rechts: Oz) AKZEPTANZ VON DIGITALISIERUNG UND ROBOTIK scher Interpretation dieser Befragungsergebnisse IN DER LANDWIRTSCHAFT kann damit festgehalten werden, dass die Praxis Aber was halten Landwirte in Bayern von dieser starkes Interesse an Digitalisierung und Agrarrobo- Entwicklung? Grundsätzlich ist festzustellen, dass tik hat und darin großes Zukunftspotenzial sieht. Landwirte eine sehr positive Einstellung gegen- über der Digitalisierung in der Landwirtschaft be- GESELLSCHAFTLICHE AKZEPTANZ VON sitzen, auch wenn es noch verschiedenste Akzep- DIGITALISIERUNG UND ROBOTIK IN DER tanzhemmnisse zu lösen gilt (vgl. Schleicher und LANDWIRTSCHAFT Gandorfer 2018). Eine aktuelle Befragung von Für eine zukunftsfähige bayerische Landwirtschaft Landwirten im Rahmen der Informationsveranstal- spielt die gesellschaftliche Akzeptanz der Produk- tungen und Maschinenvorführungen zum Thema tionsverfahren eine immer wichtigere Rolle. Aus automatisierte mechanische Unkrautregulierung diesem Grund widmet sich die Projektgruppe Digi- am 19.6.2018 bzw. 21.6.2018 in Unterfranken talisierung des LfL-Instituts für Landtechnik und (Forst/Waldsachsen) und Niederbayern (Ruhstorf Tierhaltung (ILT) diesem zentralen Thema und hat an der Rott) hat ergeben, dass ca. 90 % der Befrag- dazu im Juli 2018 eine repräsentative Befragung ten leichte bzw. starke Vorteile durch die Digitali- (n=2012) in Deutschland durchgeführt. Im Rahmen sierung erwarten. Im Detail finden 35 % der Be- der Befragung wurden u.a. Choice-Experimente fragten, dass autonome Feldroboter interessant durchgeführt und Spontanassoziationen zu Bil- für ihre Betriebe sind. Sogar 25 % der Befragten dern ermittelt, die verschiedene autonome Tech- sind der Meinung, dass diese Technologien bereits nologien zeigen, um herauszufinden, wie diese praxistauglich sind. Auch bei vorsichtiger und kriti- von der Gesellschaft wahrgenommen und bewer-
Seite 21 tet werden. Im Zentrum des Interesses waren da- am Standort Ruhstorf kann das Thema zukünftig in bei insbesondere Aspekte der Größe der Techno- moderner Weise systemorientiert bearbeitet wer- logien, repräsentiert durch große autonome Trak- den. toren versus kleine Feldrobotik, beispielsweise als Schwarmtechnologie. Eine erste Analyse der Daten Dabei ergeben sich besondere Potenziale insbe- zeigt auch hier eine relativ positiv besetzte Wahr- sondere im interdisziplinären Zusammenspiel mit nehmung digitaler Technologien wie der Feldro- den weiteren in Ruhstorf an der Rott geplanten botik. Im Falle der Robotik werden jedoch auch kri- Forschungsschwerpunkten Agrarökosysteme und tische Aspekte, wie der Verlust an Arbeitsplätzen, Diversifizierung. Digitalisierung und Agrarrobotik geäußert. bieten neben den diskutierten ökonomischen so- wie gesellschaftlichen Chancen (natürlich sind GEPLANTE AKTIVITÄTEN IM BEREICH DIGITALISIE- auch Risiken genau zu untersuchen) die Möglich- RUNG UND ROBOTIK IN DER LANDWIRTSCHAFT keit der Etablierung völlig neuer Produktionsver- Aus den dargelegten Gründen kann geschlossen fahren mit positiven Umweltwirkungen (z. B. Bo- werden, dass Digitalisierung sowie insbesondere denschutz) bzw. neuer Produktionsrichtungen wie die Agrarrobotik wichtige Zukunftsfelder für die die „Produktion“ von Ökosystemdienstleistungen. bayerische Landwirtschaft darstellen. Das LfL-Insti- Letztere könnte zukünftig eine wichtige Rolle im tut für Landtechnik und Tierhaltung (ILT) wird sich Kontext der Diversifizierung landwirtschaftlicher diesem Thema konsequent mit seinen verschiede- Betriebe spielen. nen geplanten Arbeitsgruppen im Digitalisie- rungszentrum Landwirtschaft in Ruhstorf an der LITERATUR Rott zuwenden. Durch die Etablierung der vier Schleicher, S., Gandorfer, M. (2018): Digitalisie- LfL-ILT-Arbeitsgruppen Smart Farming, Agrarrobo- rung in der Landwirtschaft: Eine Analyse der tik, Sensorsysteme und Sensorplattformen sowie Akzeptanzhemmnisse, Referate der 38. GIL-Jah- Datenanalyse und Algorithmenentwicklung und in restagung in Kiel: Digitale Marktplätze und Platt- enger Kooperation mit weiteren Arbeitsgruppen formen, A. Ruckelshausen et al. (Hrsg.), S. 203-206.
Seite 23 Integrierte Unkrautkontrolle im Ackerbau – eine neue Perspektive? Klaus Gehring Institut für Pflanzenschutz Die bisherige vorwiegend chemische Unkrautbekämpfung stößt an technische Grenzen und wird ge- sellschaftlich und politisch zunehmend kritisch gesehen. Die integrierte Unkrautregulierung bzw. das integrierte Unkrautmanagement ist ein ganzheitlicher Ansatz für die Umsetzung von resilienten Anbauverfahren. Das komplexe Konzept des integrierten Unkrautmanagements muss auf praxis- taugliche Verfahren transformiert und für den bayerischen Ackerbau anwendbar dargestellt werden. EINLEITUNG 2009 durch die europäische Rahmenrichtlinie zur Der integrierte Pflanzenschutz ist das Grundprin- nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutz- zip der Schaderregerregulierung nach dem deut- mitteln bestärkt. In der Umsetzung werden die schen Pflanzenschutzgesetz. Das Fachrecht for- Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes in dert bei der Durchführung von Pflanzenschutz- Kulturpflanzen- und sektorspezifischen Leitlinien maßnahmen, wie etwa der Unkrautbekämpfung, definiert. Auch die Weiterentwicklung des integ- die Einhaltung der sogenannten „Guten fachlichen rierten Pflanzenschutzes wird durch einen natio- Praxis“ (§3 Abs.1 PflSchG). Das bedeutet für die Un- nalen Aktionsplan beschrieben. krautbekämpfung in der praktischen Pflanzenpro- duktion nichts anderes als die Anwendung von in- Realistisch betrachtet steht diese fachrechtliche tegrierten Verfahren und Methoden in der Un- Position allerdings im Widerspruch zur tatsächli- krautregulierung. Diese nationale Position wurde chen Anbaupraxis. Auf etwa 98 % der Anbaufläche
Seite 24 von Zuckerrüben, Mais und Winterraps und auf ca. nicht nachhaltig. Relativ neu ist der Aspekt, dass 95 % bei Getreide und Kartoffeln erfolgt die Un- die rein chemische Unkrautregulierung in der ge- krautbekämpfung durch einen gezielten Herbizid- sellschaftlichen, medialen und politischen Diskus- einsatz. Dies liegt insbesondere an der relativen sion stark kritisiert wird. Begriffe wie Glyphosat, Vorzüglichkeit der chemischen Unkrautbekämp- Breitbandherbizide und auch das sogenannte In- fung mit einer hohen Wirkungssicherheit und öko- sektensterben sind nur einige Beispiele hierfür. nomischen Effizienz im Vergleich zu alternativen Verfahren. Es kann unschwer prognostiziert werden, dass sich der konventionelle Ackerbau vor einer Zeitenwen- Der Einklang der vorwiegend chemischen Un- de befindet, indem von der Gesellschaft und da- krautregulierung mit der Grundphilosophie des in- mit auch von der Politik nicht nur die Produktion tegrierten Pflanzenschutzes wurde bisher mit dem von kostengünstigen und qualitativ hochwertigen Argument eines bewährten, umweltverträglichen Lebensmitteln gefordert wird, sondern auch zu- und sozioökonomisch hoch effizienten Verfahrens nehmend ökologische Nebenleistungen im Be- hergestellt. Dieses Wertegefüge ist aktuell dabei reich der Biodiversität und erhöhten Umweltver- sich zu verändern. Auf der anwendungstechni- träglichkeit. Der Systemwechsel von einer chemi- schen Seite wird die Effizienz des regelmäßigen schen Unkrautbekämpfung hin zu einem integrier- Herbizideinsatzes zunehmend durch die Entwick- ten Unkrautmanagement erhält hierbei eine lung resistenter Unkräuter in Frage gestellt. Einsei- Schlüsselfunktion. Die Herausforderungen für tige, enge und primär ökonomisch ausgerichtete einen derartigen Paradigmenwechsel sind aller- Fruchtfolgen erweisen sich in diesem Bezug als dings erheblich. Abb. 1: Entwicklung der Herbizidresistenz bei Acker-Fuchsschwanz in Bayern INTEGRIERTES UNKRAUTMANAGEMENT gleich die Mehrzahl der Arbeiten hierzu einen ein- In der Wissenschaft ist das Verfahren der integrier- faktoriellen oder zumindest kulturspezifischen An- ten Unkrautbekämpfung bzw. Unkrautmanage- satz aufweisen. Als Gesamtansatz ist der nachhalti- ment hinreichend untersucht und erforscht, wenn- ge Erfolg des Konzeptes (IWM = integrated weed
Seite 25 management) unbestritten eine unverzichtbare Wahrhaftigkeit des hierzu geäußerten politischen Basis für resiliente Anbausysteme. Die Hemmnisse Willens wird am Umfang und der Nachhaltigkeit für eine Umsetzung in die Produktionspraxis lie- der personellen und materiellen Förderung, mit gen primär in der systembedingten Komplexität der Forschung und Beratung für die von ihnen er- und standortspezifischen Varianz des Verfah- warteten Leistungen ausgestattet werden, zu mes- rens. Die Umsetzung des IWM-Konzepts als stand- sen sein. Auch wenn die Herausforderungen an ort- und raumbezogene ökologische Strategie im alle Beteiligte erheblich sind, ist dennoch die Zeit Ackerbau verlangt von der Forschung, Beratung reif, das Leitbild des integrierten Pflanzenschutzes und von den einzelnen Betriebsleitern erhebliche und des IWM von einer perfektionistischen Utopie Anstrengungen und die Bereitschaft gewohnte zu einer ambitionierten Perspektive zu entwickeln. Verhaltensmuster grundlegend zu ändern. Die Abb. 2: Elemente des integrierten Unkrautmanagements PROJEKTINITIATIVE DER LFL Schonende Regulierung Das IWM ist ein ganzheitliches Konzept, das poten- durch den vorrangigen Einsatz von alternativen ziell eine Vielzahl an unterschiedlichen Regelme- bzw. mechanischen Bekämpfungstechniken chanismen integriert. Für eine mögliche Umset- Gezielte Bekämpfung zung im bayerischen Ackerbau liegt der Fokus al- von dennoch auftretenden Leitunkräutern durch lerdings auf der Umsetzung von wesentlichen einen möglichst selektiven Herbizideinsatz Kernelementen: Um die ökologische und ökonomische Leistungs- Vorbeugung fähigkeit zu prüfen, ist ein Systemvergleich zwi- als Vermeidung einer einseitigen schen den Verfahren IWM, chemischer Standard Zusammensetzung der standortspezifischen und rein mechanischer Unkrautregulierung ge- Unkrautflora mit einer Dominanz problematischer plant. Der Leistungsvergleich soll in Form von Unkrautarten durch angepasste, vielgliedrige standorttreuen Großparzellenversuchen am Fruchtfolgen und gezielten Zwischenfruchtanbau Standort Ruhstorf und an zwei weiteren repräsen- tativen Ackerbaustandorten in Nord- und Südbay-
Seite 26 ern erfolgen. Das Projekt ist interdisziplinär ange- Das für vier bis fünf Jahre geplante Projekt soll ers- legt. Neben herbologischen Erhebungen sind te Basisinformationen für die Umsetzung des Untersuchungen im Bereich der Bodenkunde und IWM-Konzeptes im bayerischen Ackerbau liefern. Biodiversität unverzichtbare Bestandteile dieses Darüber hinaus wird es sinnvoll sein, die Dauerver- integrierten Verfahrensvergleichs. Auf der Seite suche als Leuchtturmstandorte für die Fachbera- der angewendeten Unkrautregulierungstechniken tung und Anbaupraxis zu führen. Letztlich ist das soll zudem die Integration neuer Technologien IWM auch ein dynamisches Konzept, das mit ver- (z. B. Robotik, Spot-Farming) in das IWM-Konzept änderten technischen, ökonomischen und ökolo- geprüft werden. Ebenso ist eine zusammenfassen- gischen Rahmenbedingungen evolutionär ange- de ökonomische Betrachtung für diesen System- passt werden muss. vergleich unverzichtbar. Abb.3: Hacken zur Beikrautregulierung erlebt eine Rennaissance
Seite 27 LITERATUR management from low level to a truly integrated Buhler, D. D., Liebman, M., Obrycki, J. J. (2000): and highly specific weed management system Theoretical and practical challenges to an IPM using advanced technologies. Weed Research, 57, approach to weed management. Weed Science, 1-5. 48, 274-280. Kees, H. (1993): Unkrautbekämpfung im Buhler, D. D. (2002): Challenges and opportunities Integrierten Pflanzenschutz. Verlagsunion Agrar, for integrated weed management. Weed Science, München, DE, 231 S. 50, 273-280. Neve, P. (2009): Evolutionary-thinking in Gummert, A., Zornbach,W., Freier, B., Märländer, B. agricultural weed management. New Phytologist, (2013): Der Nationale Aktionsplan zur 184, 783-793. nachhaltigen Anwendung von Pallutt, B. (2002) Integrierte Unkrautbekämpfung. Pflanzenschutzmitteln in Deutschland - In: Zwerger, P., Ammon, H. U. (2002): Unkraut – Integrierter Pflanzenschutz als Schlüsselstrategie Ökologie und Bekämpfung. Verlag Eugen Ulmer, für den Zuckerrübenanbau. Sugar Industry, 138 Stuttgart, DE, 224-230. (9), 602-610. Swanton, C. J., Murphy, S. D. (1996): Weed Science Hanuss, K. (1981): Integrierter Pflanzenschutz – Beyond the Weeds: The Role of Integrated Weed Utopie oder Realität? Zeitschrift für Management (IWM) in Agroecosystem Health. Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, 88 (12), Weed Science, 44, 437-445. S. 705-725. Zimdahl, R. L. (2007): Fundamentals of Weed Harker, K. N., O´Donovan, J. T. (2013): Recent Weed Science. Academic Press, London, UK, 689 p. Control, Weed Management and Integrated Weed Zwerger, P., Ammon, H. U. (2002): Unkraut - Management. Weed Technology, 27, 1-11. Ökologie und Bekämpfung. Verlag Eugen Ulmer, Young, S. L. (2012): True integrated weed Stuttgart, DE, 419 S. management. Weed Research, 52 (2), 107-111. Young, S. L., Pitla, S. K., Van Evert, F. K., Schueller, J. K., Pierce F. J. (2017): Moving integrated weed
Seite 29 Pflanzenzüchtung im Licht der Ackerbaustrategie Dr. Peter Doleschel Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung, Der Ackerbau muss sich erneuern. Kritisiert werden enge Fruchtfolgen, intensive Düngung, un- erwünschte Pflanzenschutzmittel, zu wenig Biodiversität. Eine Ackerbaustrategie, ob national oder regional, soll den Wandel zu einer positiven Zukunft bewirken. Die Umwelt schonen, die Folgen des Klimawandels abmildern und zum Klimaschutz beitragen, trotzdem auskömmlich wirtschaften und Nahrungsmittel, Futter und Rohstoffe nachhaltig erzeugen. Das sind Herausforderungen, die ohne aktive Pflanzenzüchtung nicht zu bewältigen sind. AUSGANGSLAGE Effekte einer größeren Vielfalt wie Arbeitsausgleich Pflanzenbau-Fachleute sind sich relativ einig darü- oder Flächenhygiene werden teils zu wenig beach- ber, was eine Ackerbaustrategie bewirken muss: tet. Noch immer sorgen Reihenkulturen (Zuckerrü- Biotope in der Kulturlandschaft schaffen/ erhalten ben, Mais, Kartoffeln etc.) in Hanglagen für ein mä- und vernetzen ßiges bis großes Risiko der Bodenerosion. Effiziente Fruchtfolgen erweitern Gegenmaßnahmen (z. B. Mulchsaat) sind nicht im- Mehrwert des Ackerbaus für die Gesellschaft mer Standard. Fachrechtliche Vorgaben (CC-Wasser sichtbar machen und honorieren 2) wirken zu wenig. Pflanzenschutz und Düngung Integrierten Pflanzenschutz umsetzen sind durch das Fachrecht eng geregelt. Die neue Resistenzzüchtung fördern und nutzen Düngeverordnung zwingt viele Betriebe, ihr Nähr- Dem Klimawandel trotzen stoffmanagement oder ihre gesamte Anbaustrate- Treibhausgase reduzieren gie zu überdenken. Die Struktur der bayerischen Landwirtschaft ist eher Die ökonomischen Zwänge nehmen keine Rücksicht kleinteilig, es gibt über 100.000 Akteure, die gege- auf Struktur und Lage. Der Kostendruck ist hoch, die benenfalls mobilisiert werden müssen. Rationelle Erlöse häufig unbefriedigend. Das Interesse an alter- Technologien stoßen oft an ihre Grenzen, dafür nativen Kulturen wächst, v. a. im Bereich Feldgemüse werden viele Flächen „per se“ teilflächenspezifisch und Spezialkulturen. Die gesellschaftliche Rezeption bewirtschaftet. Fruchtfolgen werden meist nach der Landwirtschaft ist von „bad news“ geprägt, die ökonomischen Kennwerten gestaltet, komplexe von vielen Teilen der Bevölkerung kaum aus eigener
Seite 30 Anschauung bewertet werden können. Kritik am PFLANZENZÜCHTUNG – WESENTLICHER TEIL DER Ackerbau findet so leicht Zustimmung. ACKERBAUSTRATEGIE Der Ackerbau im ertragreichen Mitteleuropa setzt BAYERISCHE ACKERBAUSTRATEGIE auf leistungsfähige Pflanzen. Seit dem 19. Jahrhun- Der Ackerbau braucht gesellschaftliche Akzeptanz dert gibt es eine aktive Pflanzenzüchtung in Deutsch- und positive Impulse. Informationen müssen zu den land. Bei fast allen Fruchtarten sind züchterisch be- arbeitete, leistungsfähige Sorten im Einsatz - egal ob ökologischer oder konventioneller Anbau. Gegenüber alten Landsorten, genetischen Ressour- cen oder Gemengen mit unterschiedlicher Genetik ist der Leistungsunterschied der Zuchtsorten hoch. Mit Ausnahme von Populationssorten (z. B. bei Fut- terpflanzen) sind Sorten genetisch sehr einheitlich, eine Anpassung an die sich ändernden Bedingungen und/oder Effizienzsteigerung ist nur durch kontinu- ierliche Züchtung möglich. Abb. 1: Pflanzenbauexperten bei der Stoffsammlung für die WAS KANN DIE PFLANZENZÜCHTUNG BEITRAGEN? Ackerbaustrategie Züchtung gewährleistet die notwendige Anpassung an geänderte Bedingungen. In vielen Fällen kann nur Menschen gebracht werden. Gleichzeitig muss die die Pflanzenzüchtung helfen, Probleme zu überwin- Landwirtschaft lösbare Probleme rasch angehen. Das den: sollen die Ziele der Bayerischen Ackerbaustrategie bewirken: Gesellschaftliche Akzeptanz für den Ackerbau und die Landwirtschaft allgemein verbessern Anpassung an den Klimawandel durch Technik (smart farming), verträgliche Bewässerung, angepasste Arten und Sorten, Kulturführung, Nutzungsstrategien Produktivität (Ertrag, Qualität) und Klimaeffizienz fördern mit Blick auf Bodenfruchtbarkeit, Humusgehalt, Bodenleben, Erosionsschutz, Begleitflora- und Fauna, Nährstoffmanagement, Abb. 2: Beispiel für genetische Vielfalt aus der Genbank in Forschung, Versuchswesen, Infrastruktur (G5- Gatersleben Mobilfunk, open data, Flurentwicklung, Vermarktung und Verarbeitung), Verwertungsstrategien und Entbürokratisierung) Klimawandel Vielfalt in der Kulturlandschaft „automatische Anpassung“ durch kontinuierliche (Fruchtfolgeglieder) und die Biodiversität fördern Selektionsarbeit im Zuchtgarten und Die Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft Sortenversuchswesen und zusätzlich gezielt schützen durch besondere Maßnahmen (z. B. künstlicher Trockenstress, Sensorik oder genetische Analyse). Das alles kann nur so gut umgesetzt werden, soweit Beispiele: Züchtung im Rain-out-shelter bei die nutzbare Genetik (Arten, Sorten) dies zulässt. Der Getreide und Gräser-Arten. Thermographie zur Schlüssel ist daher eine gezielte Stärkung von For- Selektion auf Hitzetoleranz. schungs- und Züchtungsaktivitäten, die auf Bayern Krankheiten und Schädlingsbefall ausgerichtet sind. durch Resistenzzüchtung. Meist einziger Weg, wenn wirksame Pflanzenschutzmittel wegfallen oder nicht verfügbar sind.
Seite 31 veränderte Anbaumethoden tät, der Wert für die heimische Verarbeitung wie durch gezielte Selektionsbedingungen, z. B. für Chips und Pommes frites) sowie zunehmend die Eig- den ökologischen Landbau, für Bewässerungsan- nung für den ökologischen Landbau (Getreide, Kar- bau, für neue Bewirtschaftungsformen (z. B. auto- toffeln, Mais, Leguminosen). matische Hacke) Die aktive Züchtung an der LfL schafft eine hohe Qualitätsanforderungen Kompetenz in pflanzenbaulichen Fragen, auch zur durch Selektion auf die entsprechenden speziellen Qualität (Brau-, Back-, Futter-, Nutzquali- Merkmale (z. B. Eiweißmenge, Eiweißqualität, tät). Diese Kompetenz fließt direkt in den Wissens- Backqualität) mit entsprechender Analytik Anbau neuer Fruchtarten der Klimawandel kann den Anbau von Arten aus anderen Klimaregionen begünstigen. Typischerweise sind keine regional adaptierten Sorten verfügbar. Mit vorhandener Züchtungskompetenz kann in die Bearbeitung neuer Arten eingestiegen werden, z. B. Soja in Bayern. Züchtungsforschung der LfL Das Ziel der LfL-Züchtungsforschung ist die Bereit- stellung von regional angepasster Genetik und die Verwirklichung von Zuchtzielen für die Landeskultur. Sie steht nicht in Konkurrenz zur privaten Pflanzen- züchtung, sondern arbeitet mit ihr zusammen und unterstützt so regional angepasste Zuchtprogram- me. Das Portfolio an Arten deckt sich historisch mit den von bayerischen Pflanzenzüchtern bearbeiteten Arten, ergänzt um Hopfen, Heilpflanzen und Körner- leguminosen: Wintergerste Abb. 3: Züchterisch an der LfL bearbeitete Arten (Auszug) Sommergerste Winterweizen Sommerhafer transfer (Internet, Fachpublikationen, Lehrbücher, Kartoffeln Vorträge) und die Aus- und Weiterbildung ein. Durch Ausgewählte Heilpflanzen, z.B. Baldrian den engen Austausch am Standort Weihenstephan Mais leistet die LfL-Pflanzenzüchtung viele Beiträge zur Körnerleguminosen (Soja, Lupine) Ausbildung an den beiden Hochschulen (Lehraufträ- Futterleguminosen ge, Seminare, Praktikantenschulungen, Studen- (Luzerne,Rotklee,Alexandrinerklee) ten-Führungen, Ausschreibung und Betreuung von Futtergräser (Dt. Weidelgras, Lieschgras, Bachelor-, Master- und Promotionsarbeiten). Knaulgras, Wiesenrispe, Festulolium, Wiesenschwingel) WELCHE METHODEN WERDEN EINGESETZT? Hopfen (85 % der dt. Hopfenfläche ist mit Sorten Züchtung bedeutet zunächst Selektion aus einer vor- aus der LfL-Züchtung bepflanzt) handenen Vielfalt. Anfangs konnte noch aus gene- tisch diversen Landsorten selektiert werden. Seit den Züchtung an der LfL orientiert sich nicht am Sorten- 1920er Jahren war die Schaffung von Variabilität markt, sondern an den Zuchtzielen für die Landeskul- durch Kreuzung erforderlich, ergänzt durch die tur. Im Vordergrund stehen neben den „drei wichtigs- Sammlung von genetischen Ressourcen aus den ge- ten Zuchtzielen“ (Ertrag, Ertrag, Ertrag) die Resisten- netischen Zentren der Kulturpflanzen. Dies ist bis zen gegen Krankheiten, Schädlinge (ungleich schwie- heute die Grundlage der allermeisten Zuchtprogram- riger als gegen Krankheiten) und abiotischen Stress, me bei Ackerkulturen. Genbanken ermöglichen in- die spezifische Produktqualität (Brau- und Backquali- nerhalb der Grenzen internationaler Abkommen die
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