PFLANZENBAUSYSTEME DER ZUKUNFT LFL JAHRESTAGUNG 2018 - SCHRIFTENREIHE 6 2018 - BAYERISCHE ...

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Pflanzenbausysteme der Zukunft
          LfL Jahrestagung 2018

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                              2018

  Schriftenreihe     ISSN 1611-4159
PFLANZENBAUSYSTEME DER ZUKUNFT LFL JAHRESTAGUNG 2018 - SCHRIFTENREIHE 6 2018 - BAYERISCHE ...
IMPRESSUM
Herausgeber:
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
Vöttinger Straße 38, 85354 Freising-Weihenstephan
www.LfL.bayern.de
Redaktion:
Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz
Lange Point 12, 85354 Freising-Weihenstephan
Agraroekologie@LfL.bayern.de
Telefon: 08161 71-3640
1. Auflage: Oktober 2018
Druck: Ortmaier Druck GmbH, Frontenhausen
Schutzgebühr: 10,00 Euro
© LfL
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Pflanzenbausysteme der Zukunft
                 Tagungsband

Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft
PFLANZENBAUSYSTEME DER ZUKUNFT LFL JAHRESTAGUNG 2018 - SCHRIFTENREIHE 6 2018 - BAYERISCHE ...
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Jakob Opperer������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 7

Erosionsschutz in Feld und Flur
Robert Brandhuber................................................................................................................................................................ 9

Wie kann der Pflanzenbau die Biodiversität fördern und nutzen?
Sebastian Wolfrum, Johannes Burmeister, Roswitha Walter����������������������������������������������������������������������������������� 13

Wie lösen Digitalisierung und Robotik die neuen Herausforderungen?
Dr. Markus Gandorfer, Johanna Pfeiffer, Beat Vinzent, Dr. Markus Demmel������������������������������������������������������� 19

Integrierte Unkrautkontrolle im Ackerbau - eine neue Perspektive?
Klaus Gehring�����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������23

Pflanzenzüchtung im Licht der Ackerbaustrategie
Dr. Peter Doleschel��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������29
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Vorwort

Die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln,        Die diesjährige LfL Jahrestagung ist eine Standort-
von biogenen Rohstoffen und Energie war Jahr-         bestimmung: Wo stehen wir? Was kann konkret in
hunderte lang wesentliche Aufgabe der Landwirt-       den Bereichen Agrarökosysteme und Digitalisie-
schaft. Heute erwartet die Gesellschaft eine hohe     rung in Ruhstorf umgesetzt werden? Wie können
Ressourceneffizienz, einen bestmöglichen Ero-         wir die Landwirte in Zukunft unterstützen?
sionsschutz, einen geringen Einsatz von Pflanzen-
schutzmitteln und eine große Artenvielfalt. Diese     Der Tagungsband konzentriert sich auf die Sicht
Anforderungen stehen teilweise in Konkurrenz zu-      der LfL zu Pflanzenbausystemen der Zukunft und
einander. Wir sind davon überzeugt, dass die Digi-    zeigt die Perspektiven für Forschungsschwerpunk-
talisierung gute Chancen bietet, die unterschiedli-   te, die in Ruhstorf in den nächsten Jahren umge-
chen Aspekte im Sinne eines ressourceneffizien-       setzt werden sollen.
ten Pflanzenbaus in Einklang zu bringen.

Die LfL stellt sich diesen Herausforderungen seit
vielen Jahren. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter arbeiten und forschen an einer nachhaltigen
und gesellschaftlich akzeptierten und damit zu-       Jakob Opperer
kunftsfähigen bayerischen Landwirtschaft. In ihrer    Präsident der LfL
neuen Zweigstelle Ruhstorf an der Rott wird die
LfL ihre Aktivitäten noch stärker vernetzen und in-
tensivieren. Ruhstorf soll zu einer Zukunftswerk-
statt und zu einem Impulsgeber für den gesamten
Agrarsektor in Bayern und darüber hinaus werden.
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                     Erosionsschutz in Feld und Flur
                                           Robert Brandhuber
                 Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz

Der fortschreitende Klimawandel zwingt uns dazu, Böden und Flure wetterfest zu machen: durch
pflegliche Bodenbewirtschaftung und mit einer Flurgestaltung, die Wasser zurückhält statt schnell
abzuleiten. Die Aufgabe ist groß. Alle Akteure sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten.

EROSIONSSCHUTZ WICHTIGER DENN JE                      seinen Verwaltungen fördert in vielfältiger Weise
Bodenerosion führt zu unwiederbringlichem Ver-        die Bemühungen um einen guten Boden- und Ge-
lust an Bodenfruchtbarkeit, schädigt Unterlieger      wässerzustand, z. B. mit den Wasserberatern, dem
und belastet Bäche und Seen durch Verschlam-          Demonstrationsbetriebsnetz Gewässer-, Boden-
mung, Kolmation oder Nährstoffeintrag. Wasser-        und Klimaschutz, der Initiative boden:ständig,
erosion ist an Oberflächenabfluss gebunden. Maß-      dem KULAP-Angebot zum Boden- und Wasser-
nahmen zur Verbesserung der Wasserinfiltration        schutz, der Schwerpunktsetzung in Bildung und
mindern den Oberflächenabfluss, sie helfen Tro-       Öffentlichkeitsarbeit. Dieser Weg ist erfolgverspre-
ckenperioden länger zu überstehen und sie die-        chend, wenn er konsequent gegangen wird. Und
nen auch dem Hochwasserschutz. Weil Starkregen        er braucht einen langen Atem.
und Trockenperioden im Klimawandel an Intensi-
tät zunehmen, müssen noch mehr vorsorgende            LANDWIRTE IM SPANNUNGSFELD
Maßnahmen als bisher ergriffen werden.                Akteure in der Flächenbewirtschaftung sind in
                                                      Bayern etwas mehr als 100.000 landwirtschaftliche
Viele Landwirte engagieren sich bereits vorbildlich   Betriebe, die mit Urproduktion pflanzlicher oder
im Erosionsschutz. Das Landwirtschaftsressort mit     tierischer Erzeugnisse Gewinn erzielen müssen.
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Entscheidungen zur Betriebsführung stehen in                   60 % zugenommen hat (siehe Abb. 1) und zukünf-
einem Spannungsfeld von Erfordernissen der Wirt-               tig weiter zunehmen wird (Fischer & Auerswald,
schaftlichkeit, dem Erfüllen gesellschaftlicher An-            2018). Das Erosionsrisiko steigt in gleichem Um-
forderungen (insb. Biodiversität, Boden- und Ge-               fang. Das bedeutet, dass Erosionsschutzmaßnah-
wässerschutz, Klimaschutz) und der Anpassung an                men hoch wirksam sein müssen, um nicht zu ver-
den fortschreitenden Klimawandel mit zunehmen-                 puffen.
den Trockenphasen im Wechsel mit heftigen Stark
regen. Neueste Ergebnisse aus einer Forschungs-                Diesem Spannungsfeld mit einem stimmigen Pro-
kooperation von LfL und TU München belegen,                    duktionsverfahren gerecht zu werden, ist für jeden
dass die Regenerosivität in Bayern seit den 1970er             Landwirt eine enorme Herausforderung.
Jahren (bisherige Referenz) im Mittel bereits um

Abb. 1: Neue Karte der Regenerosivität in Bayern, berechnet aus RADKLIM-Daten (Fischer & Auerswald, 2018)

FLÄCHENSCHUTZ AUSBAUEN                                         den. Aber reicht das immer aus, wenn im Mai die
Es ist bekannt, welche Maßnahmen grundsätzlich                 ersten heftigen Gewitter niedergehen? In den letz-
helfen, Erosion und Abschwemmungen zu vermin-                  ten Jahren haben wir an der LfL gezielt dokumen-
dern: Fruchtfolgegestaltung, Zwischenfruchtan-                 tiert, unter welchen Bedingungen Starkregen Ero-
bau, Mulchsaaat bei Reihenkulturen, Verkürzung                 sionsschäden größeren Ausmaßes verursacht ha-
zu langer Hänge durch Schlagteilung und Querbe-                ben, vor allem welche Schutzmaßnahmen wirksam
wirtschaftung, Filterstrukturen in der Flur und                waren und welche doch nicht so, wie man es sich
nicht zuletzt das Hochhalten ackerbaulicher Tu-                gewünscht hätte (Kistler et al. 2013; Brandhuber et
genden wie Kalkung, Vermeiden von Bodenver-                    al. 2017). In Bayern treten massive Bodenab-
dichtungen und Humuspflege. Jeder Landwirt                     schwemmungen vor allem im Frühjahr und Früh-
wird etwas aus diesem Werkzeugkasten verwen-                   sommer auf, wenn Gewitterregen auf noch weit-
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gehend unbedeckten Boden treffen. Dies betrifft        ausbringung, Bestellung, Unkrautmanagement
in erster Linie Maisfelder ohne ausreichenden Ero-     und Fruchtfolgegestaltung nutzen. Die LfL stellt
sionsschutz, wobei auch andere Kulturen, die in        sich der Herausforderung, mit reduziertem Herbi-
weiter Reihe bestellt werden und im Frühjahr spät      zideinsatz ein hohes Erosionsschutzniveau zu er-
die Reihen schließen, erosionsgefährdet sind, wie      reichen. Feldversuche in den fränkischen Trocken-
Kartoffeln, Soja oder die Dauerkultur Hopfen, et-      gebieten sind Teil des Gesamtkonzepts. Um grüne
was abgemildert auch Zuckerrüben. Als hoch wirk-       Schutzstreifen und Abflusswege sowie Rückhalte-
same Schutzmaßnahme hat sich beim Maisanbau            mulden gezielt und auf optimale Wirksamkeit aus-
ein Bestellverfahren ohne Saatbettbereitung be-        gerichtet anlegen zu können, werden Experten ge-
währt, Gülle wird zuvor eingeschlitzt oder nach        eignete Planungs- und Beratungsinstrumente er-
der Saat im Bestand ausgebracht. Eine Reduktion        arbeiten. Die Integration von Maßnahmen zur Ver-
des Bodenabtrags um den Faktor 10 ist so möglich       besserung der Biodiversität und die Nutzung von
(Fiener, 2017). Der Klimawandel bringt auch im         digitalen und automatisierten Verfahren bei der
Winterhalbjahr mehr erosive Regen als in der Ver-      Landbewirtschaftung haben einen hohen Stellen-
gangenheit (Fischer & Auerswald, 2018). Auch für       wert. Alle Verfahren müssen für die landwirtschaft-
den Winterweizenanbau müssen deshalb Strate-           lichen Betriebe wirtschaftlich vertretbar sein, ein
gien zum Erosionsschutz geprüft und weiterentwi-       gegebener Bedarf an Ausgleichszahlungen wird
ckelt werden.                                          deshalb ermittelt (Ökosystemleistungen). Derzeit
                                                       laufende und zukünftige Programme und Initiati-
GRÜNE STRUKTUREN ZUM WASSERRÜCKHALT                    ven des Landwirtschaftsressorts zum Boden- und
Bei Extremereignissen, wie sie 2016 aber lokal auch    Gewässerschutz erhalten so eine bestmöglich fun-
2018 auftraten, kann kaum verhindert werden,           dierte, differenzierte und anwendungsreife Basis
dass aus den Feldern in größerem Umfang Wasser
abfließt. Sind die Böden gesättigt oder ver-           MOTIVATION ZU INNOVATIVEN LÖSUNGEN
schlämmt, bildet sich ein temporäres Abflussnetz       Wie viele der 100.000 landwirtschaftlichen Betrie-
aus, das als „wild abfließendes Wasser“ verheeren-     be müssen mitmachen, damit Böden, Gewässer
de Sturzfluten verursachen kann. Begrünte Ab-          und öffentliche Güter in der notwendigen Breite
flusswege können den Austrag von Boden in Ge-          ausreichend geschützt sind? Noch mehr als bisher.
wässer deutlich verringern und den Scheitelab-         Ziel ist die Platzierung wirksamer Maßnahmen ent-
fluss kappen (Fiener & Auerswald, 2017). Neue          lang der gesamten Prozesskette, von der Flächen-
Technologien im Bereich Digitalisierung und Auto-      bewirtschaftung auf dem Acker über Abflussrin-
matisierung (automatische Lenksysteme, Teilbrei-       nen, Wegenetz und Gräben bis in die Gewässer.
tenschaltung, Robotik) werden die Akzeptanz grü-       Aber nicht nur Landwirte, alle Akteure in Feld und
ner Strukturen innerhalb der Produktionsflächen        Flur müssen dazu Ihren Beitrag leisten, Bürger, Ver-
erhöhen. Notwendige Ergänzung sind Rückhalte-          bände, Gemeinden, Fachverwaltungen, unterstüt-
mulden, etwa am Übergang von Straßenbegleit-           zend auch Forschungs- und Bildungseinrichtun-
gräben in die Bäche. Begrünte Abflusswege und          gen (AG Erosionsschutz, 2017; Auerswald et al.,
Rückhaltemulden fördern auch die Artenvielfalt in      2018). Den Rahmen setzt eine angemessene För-
der Agrarlandschaft. Die Etablierung von Struktu-      der- und Fachrechtsgestaltung. Das Ziehen aller
ren zum Wasserrückhalt in den Fluren ist eine Auf-     Register ist notwendig, jedoch in einer Weise, die
gabe für Jahrzehnte. Die Initiative boden:ständig      dem Landwirt Entscheidungsspielraum lässt, ihn
der Ämter für Ländliche Entwicklung hat hier be-       als Unternehmer ernst nimmt, wertschätzt und
reits beispielgebende Umsetzungen erreicht.            motiviert zu innovativen, in den Betrieb integrier-
                                                       bare Lösungen.
FORSCHUNGSTHEMEN IN RUHSTORF A. D. ROTT
Die LfL wird in Ruhstorf einen starken Beitrag leis-   LITERATUR
ten, um Böden und Fluren in Bayern wetterfest zu       ƒƒAG Erosionsschutz (2017): Erosionsschutz
machen. Sie wird in Feldversuchen, auf Messfel-           verbessern - Abfluss in der landwirtschaftlichen
dern und auf Betriebsebene bzw. in Kleineinzugs-          Flur bremsen.
gebieten gesicherte Erkenntnisse zu Erosions-             www.lfl.bayern.de/mam/cms07/iab/dateien/
schutzmaßnahmen erarbeiten, die neuesten Tech-            handlungsempfehlungen_ag_erosionsschutz_
niken und Verfahren für Bodenbearbeitung, Gülle-          abgabe_19-01-2017_pdf
ƒƒAuerswald, K., Fischer, F. K., Kistler, M., Treisch, M.,     Geospatial Techniques for Agricultural and
  Maier, H., Brandhuber, R. (2018): Behavior of                Natural Resources Conservation, Publisher:
  farmers in regard to erosion by water as reflected           Alliance of Crop, Soil, and Environmental Science
  by their farming practices. Science of the Total             Societies (ACSESS), Editors: Delgado, J.,
  Environment 613-614, 1-9. DOI: 10.1016/j.                    Sassenrath, G., Mueller, T.
  scitotenv. 2017.09.003.                                    ƒƒFischer, F., Auerswald, K. (2018): Regenerosivität
ƒƒBrandhuber, R., Treisch, M., Fischer, F., Kistler, M.,       Bayern - Ermittlung des Raum- und
  Maier, H., Auerswald, K. (2017): Starkregen,                 Jahreszeitmusters der Regenerosivität in Bayern
  Erosion, Sturzfluten - Beobachtungen und                     aus radargestützten Niederschlagsdaten zur
  Analysen im Mai/Juni 2016. LfL-Schriftenreihe                Verbesserung der Erosionsprognose mit der
  2/2017, Freising.                                            Allgemeinen Bodenabtragsgleichung , LfL-
ƒƒFiener, P. (2017): Erosionsvorsorgende                       Schriftenreihe x/2018, Freising, im Druck
  Landwirtschaft. Wasserwirtschaft 11/2017,                  ƒƒKistler, M., Brandhuber, R., Maier, H. (2013):
  S. 39-42                                                     Wirksamkeit von Erosionsschutzmaßnahmen -
ƒƒFiener, P., Auerswald, K. (2017): Grassed                    Ergebnisse einer Feldstudie. LfL-Schriftenreihe
  Waterways. In book: Precision Conservation:                  8/2013, Freising.
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 Wie kann der Pflanzenbau die Biodiversität fördern
                    und nutzen?
                       Sebastian Wolfrum, Johannes Burmeister, Roswitha Walter
                Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz

Ein zukunftsfähiger, gesellschaftlich akzeptierter Pflanzenbau ist eng mit Biodiversität verbunden.
Diese komplexe Herausforderung erfordert spezifische Zugänge und neue Perspektiven, um tragfä-
hige Lösungen zu finden. Biodiversität muss vom Beiwerk zum Vermögenswert werden.

BIODIVERSITÄT ALS GESELLSCHAFTLICHES ZIEL            tion des Anbaus auf wenige Fruchtarten oder In-
Aktuelle Pflanzenbausysteme erreichen eine sehr      sektensterben werden aktuell diskutiert. Diese ge-
hohen Produktivität und Leistungsfähigkeit. Im-      sellschaftliche Debatte hat auch Auswirkungen auf
mer öfter werden aber Grenzen der ressourcenin-      die Landwirtschaft. Mit der „Ackerbaustrategie der
tensiven Wirtschaftsweise sichtbar. Die Landwirt-    deutschen Landwirtschaft“ (Zentralausschuss der
schaft steht daher unter großem gesellschaftli-      Deutschen Landwirtschaft 2018) haben z. B. die
chem Druck, die Art und Weise der Produktion zu      deutschen Landwirtschaftsverbände strategische
verändern und Umwelt- und Nachhaltigkeitskrite-      Ziele für einen nachhaltigen Pflanzenbau formu-
rien stärker zu berücksichtigen. Ein Thema ist die   liert. Der Biodiversität kommt dabei ein hoher Stel-
Biodiversität. Die intensive Bewirtschaftung der     lenwert zu. Es bleibt aber die Frage offen, wie sich
letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass die        die Erhaltung der Biodiversität mit anderen Nach-
Landwirtschaft als einer der wichtigsten Verursa-    haltigkeitszielen, z. B. der Wirtschaftlichkeit oder
cher des Biodiversiätsverlustes wahrgenommen         dem Bodenschutz, vereinbaren lässt. Im Themen-
wird. Verlust von Strukturelementen, Konzentra-      schwerpunkt „Agrarökosysteme“ werden Ansätze
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zur Nutzung und zur Förderung der Biodiversität         Komplexität aus. Dies liegt vor allem an unklaren
im Pflanzenbau erforscht und geeignete Kommu-           Definitionen, den unterschiedlichen Perspektiven
nikationsstrategien entwickelt.                         der Akteure und der Schwierigkeit einfache, verall-
                                                        gemeinerbare Lösungen für das Problem zu finden
DIE DREIFACH-BEZIEHUNG ZWISCHEN                         sowie deren Wirksamkeit zu bewerten. Durch die
BIODIVERSITÄT UND PFLANZENBAU                           Vielzahl der Akteure in der Agrarlandschaft muss
Biodiversität und Pflanzenbau stehen in dreifacher      der Pflanzenbau der Zukunft somit neue Ansätze
Beziehung zueinander. Zum einen ist es ein Ziel         und Lösungen zum Umgang mit Biodiversität fin-
des Pflanzenbaus Biodiversität zu kontrollieren         den, die für „bösartige“ Probleme geeignet sind.
(Bodenbearbeitung, Pflanzenzucht, Pflanzen-
schutz) (Haber 2014). Gleichzeitig nutzt der Pflan-     ZUGÄNGE ZUR „BIODIVERSITÄT“ FÜR DIE
zenbau die durch die Biodiversität zur Verfügung        LANDWIRTSCHAFT
gestellten Ressourcen (Sortenvielfalt, biologischer     Termeer et al. (2014) nennen in diesem Zusammen-
Pflanzenschutz, Bodenfruchtbarkeit) und erzeugt         hang vier wichtige Fähigkeiten von Organisatio-
vielfältige Lebensräume (Landschaftsstrukturele-        nen für den Umgang mit „bösartigen“ Problemen.
mente, Nahrungsangebot, Bruthabitate).                  Neben den Fähigkeiten Stabilität zu zeigen und
                                                        dennoch auf Veränderungen reagieren zu können,
WAS IST „BIODIVERSITÄT“?                                sind dies vor allem die Befähigung, unterschiedli-
Die Vorstellung einer Vielfalt der Natur ist dem        che Perspektiven auf die Probleme zu reflektieren
Menschen seit Urzeiten bekannt. Mit der Systema-        und über neue Herangehensweisen bestehende
tisierung der Natur wurden Begriffe wie Artenzahl       Blockaden lösen zu können. In diesem Zusammen-
und biologische Vielfalt wissenschaftlich definiert.    hang beschreiben Wolfrum et al. (2013) vier Zu-
Der Begriff „Biodiversität“ dagegen wurde erst          gänge für die Landwirtschaft zum Thema Biodiver-
1986 von Walter G. Rosen als Titel einer Tagung         sität (Abb. 1). Diese lassen sich auf einem „Gradien-
„erfunden“. Diese hatte das Ziel wissenschaftliche      ten“ unterschiedlicher Weltbilder – von liberalen
Erkenntnisse zum Artenverlust auf die politische        Nutzwerten einerseits bis zu holistischen Selbst-
Agenda zu bringen. Damit und mit der Verabschie-        werten andererseits – einordnen. Diese konzeptio-
dung der „Konvention zur Biologischen Vielfalt“         nelle Grundlage ermöglicht die systematische
(CBD) in Rio 1992 wurde der Ausdruck „Biodiversi-       Analyse und Berücksichtigung unterschiedlicher
tät“ als „boundary object“ (Eser 2001), also als ver-   Positionen sowie die spezifische Ableitung neuer
mittelnder Begriff an der Grenze zwischen Wissen-       Forschungsfragen und Lösungsansätze für die
schaft und Politik, zum Selbstläufer. Als allgemeine    landwirtschaftliche Praxis.
Definition gilt, dass Biodiversität die Vielfalt der
Gene, der Arten und der Lebensräume bezeichnet.         LÖSUNGEN FÜR DEN PFLANZENBAU DER ZUKUNFT
Ziele der Biodiversitätskonvention sind der Schutz      An Hand des in Abb. 1 vorgestellten Konzeptes las-
und die Nutzung von Biodiversität sowie die ge-         sen sich aktuelle Forschungsthemen der Agraröko-
rechte Verteilung der aus der Nutzung erwachsen-        logie und des Pflanzenbaus einordnen. So befin-
den Vorteile.                                           det sich z. B. die Wildtierberatung eher im Natur-
                                                        schutz-Teil während sich die Züchtung trocken-
PROBLEMFALL „BIODIVERSITÄT“                             stresstoleranter Getreidesorten eher im Bereich
Die Definition der CBD ist für die Umsetzung aber       der Agrodiversität findet. Auch die Themen der
zu allgemein. In ihrem Buch „Irrfahrt Biodiversität“    Ackerbaustrategie können über diese Zugänge
zeigen Hoffmann et al. (2005), dass für unter-          systematisiert werden. Dort finden sich z. B. die
schiedliche Akteure (z. B. Naturschützer und Land-      Zugänge Agrodiversität (vielfältige Fruchtfolgen,
wirte) auf Grund der unklaren Definition Konflikte      Pflanzenzüchtung), Ökosystemleistungen (Boden-
bei der Messung, Bewertung und bei der Umset-           fruchtbarkeit, Bestäubung, biologische Schäd-
zung von Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiver-          lingsbekämpfung) sowie Flächen mit hohem Na-
sität entstehen. Auf Grund dieser Problematik be-       turwert (HNV - high nature value farmland) und
schreiben Sharman und Mlambo (2012) den Biodi-          Naturschutz (Förderung der Kulturlandschaft und
versitätsverlust als „bösartiges“ Problem. Dieses       der Biodiversität). Die Verwendung verschiedener
zeichnet sich nach Rittel und Webber (1973) im          Zugänge zur Biodiversität berücksichtigt somit die
Gegensatz zum „gutartigen“ durch eine hohe              Werte und Weltbilder der Akteure im Pflanzenbau
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Abb. 1: Zugänge zur Biodiversität

(Schmitzberger et al. 2005) und ermöglicht neben     gen mittels Rhizotronen und bildgebenden Ver-
der Definition von Forschungsfragen auch die ziel-   fahren (z. B. X-ray computed tomography) einge-
gruppenspezifische Entwicklung und Kommunika-        setzt. Ebenfalls Thema wird die Optimierung der
tion von Maßnahmen (Lokhorst et al. 2010, Klein-     Pflanzen-Bodenmikroorganismen Interaktionen
hückelkotten et al. 2006). Vor diesem Hintergrund    sein, um nachhaltige Pflanzenbausysteme zu ge-
werden im Folgenden mit Hilfe der vorgestellten      stalten (Akhami et al. 2017, Wallenstein 2017). Ziel
Perspektiven drei Forschungsfelder skizziert, die    ist es Management- und Fruchtfolgeempfehlun-
im zukünftigen Themenschwerpunkt „Agraröko-          gen für verschiedene Anbausysteme zugeben, die
systeme“ der LfL in Ruhstorf bearbeitet werden.      durch positive Interaktionen in der Rhizosphäre
                                                     die Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit
RESILIENZ VON KULTURPFLANZEN                         und Produktivität regelmäßig gestörter Ackerflä-
Die Nutzung der genetischen Vielfalt der Pflanzen    chen erhöhen.
und Bodenorganismen ist Thema des Zugangs Ag-
rodiversität. Um die Resilienz von Kulturpflanzen
gegenüber Klimaveränderungen zu verbessern
und Erträge ohne negative Umweltwirkungen zu
steigern, sind die Eigenschaften der Wurzelsyste-
me (Abb. 2) und die Prozesse und Interaktionen im
Boden von großer Bedeutung (Gewin 2010, Den
Herder et al. 2010).

In Ruhstorf wird daher in Labor- und Feldversu-
chen geklärt werden, wie durch die Optimierung
des Wurzelwachstums und der Wurzelarchitektur
eine effiziente Nährstoff- und Wasseraufnahme er-
zielt werden kann. Für das „Design“ angepasster
Kulturpflanzen müssen die phänotypischen Eigen-
schaften analysiert und modelliert werden (Lynch
und Brown 2012). Dazu werden in Zusammen-
arbeit mit dem Themenschwerpunkt Digitalisie-
rung neue Verfahren wie Shovelomics (Wurzelver-      Abb. 2: Wurzelprofil eines Leguminosen-Grasgemenges –
messung und digitale Bildanalyse), Untersuchun-      Beispiel für ein stabiles, resilientes Wurzelsystem
Seite 16

BIODIVERSITÄTSBASIERTE PFLANZENBAUSYSTEME                 al. 2012b). Mit dem Kulturlandschaftsprogramm
Der Zugang über Ökosystemleistungen ist im                und dem Vertragsnaturschutz kann der Freistaat
Pflanzenbau ebenfalls von Bedeutung. Die FAO              Bayern umweltschonende Bewirtschaftung för-
und die EU sehen die nachhaltige Intensivierung           dern. Um den Zugang über HNV-Flächen und Na-
als eine Lösung für die Agrarsysteme der Zukunft          turschutz zu stärken, wird eine Fallstudie zur Wirk-
an. Dazu werden bereits viele, meist technische,          samkeit von Agrarumweltmaßnahmen in Acker-
Lösungsansätze verfolgt (Duru et al. 2015a). Durch        und Grünlandregionen klären, in welchem Maß die
eine „ökologische“ Intensivierung soll bei gleicher       Biodiversität von Insekten und anderen Arthropo-
Wirtschaftlichkeit ein Teil der ursprünglich techni-      den dadurch gefördert wird. Die Ergebnisse flie-
schen „Inputs“ durch Leistungen der Biodiversität         ßen in die Weiterentwicklung der Maßnahmen in
erbracht werden (Tscharntke et al. 2012a, Bommar-         der nächsten Förderperiode ein. Weiter dient die
co et al. 2013). Diese mit Biodiversität verbunde-        Studie auch der Methodenprüfung für ein Biodi-
nen Funktionen und Leistungen werden pflanzen-            versitätsmonitoring in der Agrarlandschaft (Dau-
baulich bisher nur selten berücksichtigt (Duru et         ber et al. 2016), in dem klassische und neue Be-
al. 2015b). Ein Beispiel ist die natürliche Schädlings-   stimmungsmethoden (Barcoding) kombiniert wer-
regulation (Altieri und Nicholls 1999, Abb. 3). Für       den.
diesen Zugang gibt es bereits viele Vorarbeiten.
Das gemeinsame Thema Biodiversität wird für die           FAZIT
LfL als „Motor“ der internen Vernetzung und der           Der Pflanzenbau der Zukunft steht vor der Heraus-
interdisziplinären Zusammenarbeit dienen. Um              forderung, Biodiversität zu fördern und zu nutzen.
das Ziel moderner, umweltschonender und pro-              Durch ein flexibles, daten- und werteorientiertes
duktiver Pflanzenbausysteme und damit einer               Forschungsprogramm werden von der LfL in Ruhs-
nachhaltigen Landwirtschaft in Bayern zu errei-           torf innovative Wege eingeschlagen, um die Biodi-
chen, werden in Ruhstorf die biodiversitätsbasier-        versität von einer Nebensache oder gar Belastung
ten Ansätze gebündelt, geprüft und kommunziert.           für den Pflanzenbau zu einem schätzenswerten
                                                          Vermögenswert zu wandeln. Um dieses Ziel zu er-
                                                          reichen, werden die neuen technischen Möglich-
                                                          keiten der Digitalisierung genutzt, zielgruppen-
                                                          spezifische Kommunikationsstrategien weiterent-
                                                          wickelt und die interdisziplinäre Zusammenarbeit
                                                          gestärkt.

                                                          LITERATUR
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Abb. 3: Räuberische Arthropoden wie zum Beispiel             W., Qualset C. O. (Hrsg.): Biodiversity in
Großlaufkäfer können einen Beitrag zur natürlichen           agroecosystems. CRC-Press, Boca Raton, S. 69–84.
Schädlingsregulation in Agrarökosystemen leisten
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                                                             Ecological intensification: harnessing ecosystem
                                                             services for food security. Trends in Ecology and
LANDWIRTSCHAFTSFLÄCHEN MIT HOHEM                             Evolution 28 (4), S. 230–238.
NATURWERT                                                 ƒƒDauber, J., Klimek, S., Schmidt, T. G. (2016)
Die Problematik des Biodiversitätsverlustes wird             Konzept für ein Biodiversitätsmonitoring
durch eine Studie von Hallmann et al. (2017) stark           Landwirtschaft in Deutschland. Thünen Working
diskutiert. Eine reich strukturierte Landschaft för-         Papers 58, Braunschweig.
dert die allgemeine Biodiversität und die damit           ƒƒDen Herder, G., van Isterdael, G., Beeckman, T., de
verbundenen Ökosystemleistungen (Tscharntke et               Smet, I. (2010) The roots of a new green
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  Quality of Farm Lands: An Example from the                    Landwirtschaft. Berlin.
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Seite 19

    Wie lösen Digitalisierung und Robotik die neuen
                 Herausforderungen?
               Dr. Markus Gandorfer, Johanna Pfeiffer, Beat Vinzent, Dr. Markus Demmel
                              Institut für Landtechnik und Tierhaltung

Digitalisierung und Robotik bieten große Potenziale für eine nachhaltige und gesellschaftlich
akzeptierte und damit zukunftsfähige bayerische Landwirtschaft. Die LfL wird diese Themen in
Ruhstorf a. d. Rott in moderner Weise interdisziplinär und systemorientiert bearbeiten.

HINTERGRUND                                          Landwirten finden. Vor diesem Hintergrund stellt
Die bayerische Landwirtschaft steht vor großen       sich die Frage, welchen Beitrag die Digitalisierung
Herausforderungen. Zu diesen zählen unter ande-      und dabei insbesondere die Robotik leisten kön-
rem die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unter     nen.
den oftmals vorherrschenden kleinstrukturierten
Produktionsbedingungen, ganz allgemein Effi-         STEIGERUNG DER WETTBEWERBSFÄHIGKEIT
zienzsteigerungen sowie die Minderung negativer      DURCH ROBOTIK IN KLEINSTRUKTURIERTEN
Auswirkungen auf die Umwelt. Schließlich gilt es     AGRARREGIONEN?
für eine zukunftsfähige bayerische Landwirtschaft,   Digitalisierung als disruptive Innovation? Sehr häu-
die gesellschaftliche Akzeptanz der landwirt-        fig wird im Kontext der Digitalisierung der Begriff
schaftlichen Produktionsverfahren zu steigern        disruptiv genannt. Damit ist unter anderem ge-
bzw. sicherzustellen. Um diese Herausforderungen     meint, dass aufgrund der Digitalisierung zukünftig
meistern zu können, müssen Lösungen identifi-        neue „Spielregeln“ herrschen könnten. Ein konkre-
ziert werden, die auch breite Akzeptanz bei den      tes Beispiel ist die Entwicklung von kleinen Feldro-
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botern und Schwarmtechnologien. Werden diese                     struktur bzw. Flächenausstattung in kleinen Schrit-
vermehrt praxisreif (vgl. Abb. 1), dann ist es auch              ten angepasst werden kann. Damit könnte diese
für kleinere Betriebe möglich, an diesem techni-                 Technologie zukünftig besonders für die in Bayern
schen Fortschritt teilzunehmen, ohne, wie sonst so               vorherrschenden Agrarstrukturen von Bedeutung
häufig notwendig, die Fläche ausdehnen zu müs-                   sein und kann langfristig gesehen einen wichtigen
sen.                                                             Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen
                                                                 Landwirtschaft leisten. Dazu ist noch erheblicher
Damit spielen Skaleneffekte, die in der Ökonomie                 Forschungs- und Entwicklungsbedarf gegeben,
entscheidend sind, nicht mehr die zentrale Rolle.                um für die Landwirtschaft zukünftig leistungsfähi-
Durch die Digitalisierung scheinen hier also tat-                ge und praxistaugliche Systeme bereitstellen zu
sächlich neue Spielregeln zu gelten. Möglich wird                können. Neben den beschriebenen ökonomischen
dies aufgrund der guten Skalierbarkeit dieser Tech-              Vorteilen sind insbesondere auch ökologische Vor-
nologie. Dies bedeutet, dass die Anzahl der not-                 teile zu erwarten, beispielsweise im Bereich Bo-
wendigen Feldroboter an die betriebliche Flächen-                denschutz durch verminderten Bodendruck.

Abb. 1: Marktverfügbare Feldroboter der Firma Naio (links: Dino, rechts: Oz)

AKZEPTANZ VON DIGITALISIERUNG UND ROBOTIK                        scher Interpretation dieser Befragungsergebnisse
IN DER LANDWIRTSCHAFT                                            kann damit festgehalten werden, dass die Praxis
Aber was halten Landwirte in Bayern von dieser                   starkes Interesse an Digitalisierung und Agrarrobo-
Entwicklung? Grundsätzlich ist festzustellen, dass               tik hat und darin großes Zukunftspotenzial sieht.
Landwirte eine sehr positive Einstellung gegen-
über der Digitalisierung in der Landwirtschaft be-               GESELLSCHAFTLICHE AKZEPTANZ VON
sitzen, auch wenn es noch verschiedenste Akzep-                  DIGITALISIERUNG UND ROBOTIK IN DER
tanzhemmnisse zu lösen gilt (vgl. Schleicher und                 LANDWIRTSCHAFT
Gandorfer 2018). Eine aktuelle Befragung von                     Für eine zukunftsfähige bayerische Landwirtschaft
Landwirten im Rahmen der Informationsveranstal-                  spielt die gesellschaftliche Akzeptanz der Produk-
tungen und Maschinenvorführungen zum Thema                       tionsverfahren eine immer wichtigere Rolle. Aus
automatisierte mechanische Unkrautregulierung                    diesem Grund widmet sich die Projektgruppe Digi-
am 19.6.2018 bzw. 21.6.2018 in Unterfranken                      talisierung des LfL-Instituts für Landtechnik und
(Forst/Waldsachsen) und Niederbayern (Ruhstorf                   Tierhaltung (ILT) diesem zentralen Thema und hat
an der Rott) hat ergeben, dass ca. 90 % der Befrag-              dazu im Juli 2018 eine repräsentative Befragung
ten leichte bzw. starke Vorteile durch die Digitali-             (n=2012) in Deutschland durchgeführt. Im Rahmen
sierung erwarten. Im Detail finden 35 % der Be-                  der Befragung wurden u.a. Choice-Experimente
fragten, dass autonome Feldroboter interessant                   durchgeführt und Spontanassoziationen zu Bil-
für ihre Betriebe sind. Sogar 25 % der Befragten                 dern ermittelt, die verschiedene autonome Tech-
sind der Meinung, dass diese Technologien bereits                nologien zeigen, um herauszufinden, wie diese
praxistauglich sind. Auch bei vorsichtiger und kriti-            von der Gesellschaft wahrgenommen und bewer-
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tet werden. Im Zentrum des Interesses waren da-        am Standort Ruhstorf kann das Thema zukünftig in
bei insbesondere Aspekte der Größe der Techno-         moderner Weise systemorientiert bearbeitet wer-
logien, repräsentiert durch große autonome Trak-       den.
toren versus kleine Feldrobotik, beispielsweise als
Schwarmtechnologie. Eine erste Analyse der Daten       Dabei ergeben sich besondere Potenziale insbe-
zeigt auch hier eine relativ positiv besetzte Wahr-    sondere im interdisziplinären Zusammenspiel mit
nehmung digitaler Technologien wie der Feldro-         den weiteren in Ruhstorf an der Rott geplanten
botik. Im Falle der Robotik werden jedoch auch kri-    Forschungsschwerpunkten Agrarökosysteme und
tische Aspekte, wie der Verlust an Arbeitsplätzen,     Diversifizierung. Digitalisierung und Agrarrobotik
geäußert.                                              bieten neben den diskutierten ökonomischen so-
                                                       wie gesellschaftlichen Chancen (natürlich sind
GEPLANTE AKTIVITÄTEN IM BEREICH DIGITALISIE-           auch Risiken genau zu untersuchen) die Möglich-
RUNG UND ROBOTIK IN DER LANDWIRTSCHAFT                 keit der Etablierung völlig neuer Produktionsver-
Aus den dargelegten Gründen kann geschlossen           fahren mit positiven Umweltwirkungen (z. B. Bo-
werden, dass Digitalisierung sowie insbesondere        denschutz) bzw. neuer Produktionsrichtungen wie
die Agrarrobotik wichtige Zukunftsfelder für die       die „Produktion“ von Ökosystemdienstleistungen.
bayerische Landwirtschaft darstellen. Das LfL-Insti-   Letztere könnte zukünftig eine wichtige Rolle im
tut für Landtechnik und Tierhaltung (ILT) wird sich    Kontext der Diversifizierung landwirtschaftlicher
diesem Thema konsequent mit seinen verschiede-         Betriebe spielen.
nen geplanten Arbeitsgruppen im Digitalisie-
rungszentrum Landwirtschaft in Ruhstorf an der         LITERATUR
Rott zuwenden. Durch die Etablierung der vier          ƒƒSchleicher, S., Gandorfer, M. (2018): Digitalisie-
LfL-ILT-Arbeitsgruppen Smart Farming, Agrarrobo-          rung in der Landwirtschaft: Eine Analyse der
tik, Sensorsysteme und Sensorplattformen sowie            ­Akzeptanzhemmnisse, Referate der 38. GIL-Jah-
Datenanalyse und Algorithmenentwicklung und in             restagung in Kiel: Digitale Marktplätze und Platt-
enger Kooperation mit weiteren Arbeitsgruppen              formen, A. Ruckelshausen et al. (Hrsg.), S. 203-206.
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         Integrierte Unkrautkontrolle im Ackerbau –
                   eine neue Perspektive?
                                               Klaus Gehring
                                        Institut für Pflanzenschutz

Die bisherige vorwiegend chemische Unkrautbekämpfung stößt an technische Grenzen und wird ge-
sellschaftlich und politisch zunehmend kritisch gesehen. Die integrierte Unkrautregulierung bzw.
das integrierte Unkrautmanagement ist ein ganzheitlicher Ansatz für die Umsetzung von resilienten
Anbauverfahren. Das komplexe Konzept des integrierten Unkrautmanagements muss auf praxis-
taugliche Verfahren transformiert und für den bayerischen Ackerbau anwendbar dargestellt werden.

EINLEITUNG                                             2009 durch die europäische Rahmenrichtlinie zur
Der integrierte Pflanzenschutz ist das Grundprin-      nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutz-
zip der Schaderregerregulierung nach dem deut-         mitteln bestärkt. In der Umsetzung werden die
schen Pflanzenschutzgesetz. Das Fachrecht for-         Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes in
dert bei der Durchführung von Pflanzenschutz-          Kulturpflanzen- und sektorspezifischen Leitlinien
maßnahmen, wie etwa der Unkrautbekämpfung,             definiert. Auch die Weiterentwicklung des integ-
die Einhaltung der sogenannten „Guten fachlichen       rierten Pflanzenschutzes wird durch einen natio-
Praxis“ (§3 Abs.1 PflSchG). Das bedeutet für die Un-   nalen Aktionsplan beschrieben.
krautbekämpfung in der praktischen Pflanzenpro-
duktion nichts anderes als die Anwendung von in-       Realistisch betrachtet steht diese fachrechtliche
tegrierten Verfahren und Methoden in der Un-           Position allerdings im Widerspruch zur tatsächli-
krautregulierung. Diese nationale Position wurde       chen Anbaupraxis. Auf etwa 98 % der Anbaufläche
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von Zuckerrüben, Mais und Winterraps und auf ca.                      nicht nachhaltig. Relativ neu ist der Aspekt, dass
95 % bei Getreide und Kartoffeln erfolgt die Un-                      die rein chemische Unkrautregulierung in der ge-
krautbekämpfung durch einen gezielten Herbizid-                       sellschaftlichen, medialen und politischen Diskus-
einsatz. Dies liegt insbesondere an der relativen                     sion stark kritisiert wird. Begriffe wie Glyphosat,
Vorzüglichkeit der chemischen Unkrautbekämp-                          Breitbandherbizide und auch das sogenannte In-
fung mit einer hohen Wirkungssicherheit und öko-                      sektensterben sind nur einige Beispiele hierfür.
nomischen Effizienz im Vergleich zu alternativen
Verfahren.                                                            Es kann unschwer prognostiziert werden, dass sich
                                                                      der konventionelle Ackerbau vor einer Zeitenwen-
Der Einklang der vorwiegend chemischen Un-                            de befindet, indem von der Gesellschaft und da-
krautregulierung mit der Grundphilosophie des in-                     mit auch von der Politik nicht nur die Produktion
tegrierten Pflanzenschutzes wurde bisher mit dem                      von kostengünstigen und qualitativ hochwertigen
Argument eines bewährten, umweltverträglichen                         Lebensmitteln gefordert wird, sondern auch zu-
und sozioökonomisch hoch effizienten Verfahrens                       nehmend ökologische Nebenleistungen im Be-
hergestellt. Dieses Wertegefüge ist aktuell dabei                     reich der Biodiversität und erhöhten Umweltver-
sich zu verändern. Auf der anwendungstechni-                          träglichkeit. Der Systemwechsel von einer chemi-
schen Seite wird die Effizienz des regelmäßigen                       schen Unkrautbekämpfung hin zu einem integrier-
Herbizideinsatzes zunehmend durch die Entwick-                        ten Unkrautmanagement erhält hierbei eine
lung resistenter Unkräuter in Frage gestellt. Einsei-                 Schlüsselfunktion. Die Herausforderungen für
tige, enge und primär ökonomisch ausgerichtete                        einen derartigen Paradigmenwechsel sind aller-
Fruchtfolgen erweisen sich in diesem Bezug als                        dings erheblich.

Abb. 1: Entwicklung der Herbizidresistenz bei Acker-Fuchsschwanz in Bayern

INTEGRIERTES UNKRAUTMANAGEMENT                                        gleich die Mehrzahl der Arbeiten hierzu einen ein-
In der Wissenschaft ist das Verfahren der integrier-                  faktoriellen oder zumindest kulturspezifischen An-
ten Unkrautbekämpfung bzw. Unkrautmanage-                             satz aufweisen. Als Gesamtansatz ist der nachhalti-
ment hinreichend untersucht und erforscht, wenn-                      ge Erfolg des Konzeptes (IWM = integrated weed
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management) unbestritten eine unverzichtbare           Wahrhaftigkeit des hierzu geäußerten politischen
Basis für resiliente Anbausysteme. Die Hemmnisse       Willens wird am Umfang und der Nachhaltigkeit
für eine Umsetzung in die Produktionspraxis lie-       der personellen und materiellen Förderung, mit
gen primär in der systembedingten Komplexität          der Forschung und Beratung für die von ihnen er-
und standortspezifischen Varianz des Verfah-           warteten Leistungen ausgestattet werden, zu mes-
rens. Die Umsetzung des IWM-Konzepts als stand-        sen sein. Auch wenn die Herausforderungen an
ort- und raumbezogene ökologische Strategie im         alle Beteiligte erheblich sind, ist dennoch die Zeit
Ackerbau verlangt von der Forschung, Beratung          reif, das Leitbild des integrierten Pflanzenschutzes
und von den einzelnen Betriebsleitern erhebliche       und des IWM von einer perfektionistischen Utopie
Anstrengungen und die Bereitschaft gewohnte            zu einer ambitionierten Perspektive zu entwickeln.
Verhaltensmuster grundlegend zu ändern. Die

Abb. 2: Elemente des integrierten Unkrautmanagements

PROJEKTINITIATIVE DER LFL                              ƒƒSchonende Regulierung
Das IWM ist ein ganzheitliches Konzept, das poten-       durch den vorrangigen Einsatz von alternativen
ziell eine Vielzahl an unterschiedlichen Regelme-        bzw. mechanischen Bekämpfungstechniken
chanismen integriert. Für eine mögliche Umset-         ƒƒGezielte Bekämpfung
zung im bayerischen Ackerbau liegt der Fokus al-         von dennoch auftretenden Leitunkräutern durch
lerdings auf der Umsetzung von wesentlichen              einen möglichst selektiven Herbizideinsatz
Kernelementen:
                                                       Um die ökologische und ökonomische Leistungs-
ƒƒVorbeugung                                           fähigkeit zu prüfen, ist ein Systemvergleich zwi-
  als Vermeidung einer einseitigen                     schen den Verfahren IWM, chemischer Standard
  Zusammensetzung der standortspezifischen             und rein mechanischer Unkrautregulierung ge-
  Unkrautflora mit einer Dominanz problematischer      plant. Der Leistungsvergleich soll in Form von
  Unkrautarten durch angepasste, vielgliedrige         standorttreuen    Großparzellenversuchen      am
  Fruchtfolgen und gezielten Zwischenfruchtanbau       Standort Ruhstorf und an zwei weiteren repräsen-
                                                       tativen Ackerbaustandorten in Nord- und Südbay-
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ern erfolgen. Das Projekt ist interdisziplinär ange-             Das für vier bis fünf Jahre geplante Projekt soll ers-
legt. Neben herbologischen Erhebungen sind                       te Basisinformationen für die Umsetzung des
Untersuchungen im Bereich der Bodenkunde und                     IWM-Konzeptes im bayerischen Ackerbau liefern.
Biodiversität unverzichtbare Bestandteile dieses                 Darüber hinaus wird es sinnvoll sein, die Dauerver-
integrierten Verfahrensvergleichs. Auf der Seite                 suche als Leuchtturmstandorte für die Fachbera-
der angewendeten Unkrautregulierungstechniken                    tung und Anbaupraxis zu führen. Letztlich ist das
soll zudem die Integration neuer Technologien                    IWM auch ein dynamisches Konzept, das mit ver-
(z. B. Robotik, Spot-Farming) in das IWM-Konzept                 änderten technischen, ökonomischen und ökolo-
geprüft werden. Ebenso ist eine zusammenfassen-                  gischen Rahmenbedingungen evolutionär ange-
de ökonomische Betrachtung für diesen System-                    passt werden muss.
vergleich unverzichtbar.

Abb.3: Hacken zur Beikrautregulierung erlebt eine Rennaissance
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LITERATUR                                                         management from low level to a truly integrated
ƒƒBuhler, D. D., Liebman, M., Obrycki, J. J. (2000):              and highly specific weed management system
   Theoretical and practical challenges to an IPM                 using advanced technologies. Weed Research, 57,
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ƒƒBuhler, D. D. (2002): Challenges and opportunities              Integrierten Pflanzenschutz. Verlagsunion Agrar,
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   50, 273-280.                                                 ƒƒNeve, P. (2009): Evolutionary-thinking in
ƒƒGummert, A., Zornbach,W., Freier, B., Märländer, B.             agricultural weed management. New Phytologist,
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   Pflanzenschutzmitteln in Deutschland -                         In: Zwerger, P., Ammon, H. U. (2002): Unkraut –
   Integrierter Pflanzenschutz als Schlüsselstrategie             Ökologie und Bekämpfung. Verlag Eugen Ulmer,
   für den Zuckerrübenanbau. Sugar Industry, 138                  Stuttgart, DE, 224-230.
   (9), 602-610.                                                ƒƒSwanton, C. J., Murphy, S. D. (1996): Weed Science
ƒƒHanuss, K. (1981): Integrierter Pflanzenschutz –                Beyond the Weeds: The Role of Integrated Weed
   Utopie oder Realität? Zeitschrift für                          Management (IWM) in Agroecosystem Health.
   Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz, 88 (12),               Weed Science, 44, 437-445.
   S. 705-725.                                                  ƒƒZimdahl, R. L. (2007): Fundamentals of Weed
ƒƒHarker, K. N., O´Donovan, J. T. (2013): Recent Weed             Science. Academic Press, London, UK, 689 p.
   Control, Weed Management and Integrated Weed                 ƒƒZwerger, P., Ammon, H. U. (2002): Unkraut -
   Management. Weed Technology, 27, 1-11.                         Ökologie und Bekämpfung. Verlag Eugen Ulmer,
ƒƒYoung, S. L. (2012): True integrated weed                       Stuttgart, DE, 419 S.
   management. Weed Research, 52 (2), 107-111.
ƒƒYoung, S. L., Pitla, S. K., Van Evert, F. K., Schueller, J.
   K., Pierce F. J. (2017): Moving integrated weed
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   Pflanzenzüchtung im Licht der Ackerbaustrategie
                                             Dr. Peter Doleschel
                             Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung,

Der Ackerbau muss sich erneuern. Kritisiert werden enge Fruchtfolgen, intensive Düngung, un-
erwünschte Pflanzenschutzmittel, zu wenig Biodiversität. Eine Ackerbaustrategie, ob national oder
regional, soll den Wandel zu einer positiven Zukunft bewirken. Die Umwelt schonen, die Folgen des
Klimawandels abmildern und zum Klimaschutz beitragen, trotzdem auskömmlich wirtschaften und
Nahrungsmittel, Futter und Rohstoffe nachhaltig erzeugen. Das sind Herausforderungen, die ohne
aktive Pflanzenzüchtung nicht zu bewältigen sind.

AUSGANGSLAGE                                           Effekte einer größeren Vielfalt wie Arbeitsausgleich
Pflanzenbau-Fachleute sind sich relativ einig darü-    oder Flächenhygiene werden teils zu wenig beach-
ber, was eine Ackerbaustrategie bewirken muss:         tet. Noch immer sorgen Reihenkulturen (Zuckerrü-
ƒƒBiotope in der Kulturlandschaft schaffen/ erhalten   ben, Mais, Kartoffeln etc.) in Hanglagen für ein mä-
   und vernetzen                                       ßiges bis großes Risiko der Bodenerosion. Effiziente
ƒƒFruchtfolgen erweitern                               Gegenmaßnahmen (z. B. Mulchsaat) sind nicht im-
ƒƒMehrwert des Ackerbaus für die Gesellschaft          mer Standard. Fachrechtliche Vorgaben (CC-Wasser
   sichtbar machen und honorieren                      2) wirken zu wenig. Pflanzenschutz und Düngung
ƒƒIntegrierten Pflanzenschutz umsetzen                 sind durch das Fachrecht eng geregelt. Die neue
ƒƒResistenzzüchtung fördern und nutzen                 Düngeverordnung zwingt viele Betriebe, ihr Nähr-
ƒƒDem Klimawandel trotzen                              stoffmanagement oder ihre gesamte Anbaustrate-
ƒƒTreibhausgase reduzieren                             gie zu überdenken.

Die Struktur der bayerischen Landwirtschaft ist eher   Die ökonomischen Zwänge nehmen keine Rücksicht
kleinteilig, es gibt über 100.000 Akteure, die gege-   auf Struktur und Lage. Der Kostendruck ist hoch, die
benenfalls mobilisiert werden müssen. Rationelle       Erlöse häufig unbefriedigend. Das Interesse an alter-
Technologien stoßen oft an ihre Grenzen, dafür         nativen Kulturen wächst, v. a. im Bereich Feldgemüse
werden viele Flächen „per se“ teilflächenspezifisch    und Spezialkulturen. Die gesellschaftliche Rezeption
bewirtschaftet. Fruchtfolgen werden meist nach         der Landwirtschaft ist von „bad news“ geprägt, die
ökonomischen Kennwerten gestaltet, komplexe            von vielen Teilen der Bevölkerung kaum aus eigener
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Anschauung bewertet werden können. Kritik am                PFLANZENZÜCHTUNG – WESENTLICHER TEIL DER
Ackerbau findet so leicht Zustimmung.                       ACKERBAUSTRATEGIE
                                                            Der Ackerbau im ertragreichen Mitteleuropa setzt
BAYERISCHE ACKERBAUSTRATEGIE                                auf leistungsfähige Pflanzen. Seit dem 19. Jahrhun-
Der Ackerbau braucht gesellschaftliche Akzeptanz            dert gibt es eine aktive Pflanzenzüchtung in Deutsch-
und positive Impulse. Informationen müssen zu den           land. Bei fast allen Fruchtarten sind züchterisch be-
                                                            arbeitete, leistungsfähige Sorten im Einsatz - egal ob
                                                            ökologischer oder konventioneller Anbau.

                                                            Gegenüber alten Landsorten, genetischen Ressour-
                                                            cen oder Gemengen mit unterschiedlicher Genetik
                                                            ist der Leistungsunterschied der Zuchtsorten hoch.
                                                            Mit Ausnahme von Populationssorten (z. B. bei Fut-
                                                            terpflanzen) sind Sorten genetisch sehr einheitlich,
                                                            eine Anpassung an die sich ändernden Bedingungen
                                                            und/oder Effizienzsteigerung ist nur durch kontinu-
                                                            ierliche Züchtung möglich.

Abb. 1: Pflanzenbauexperten bei der Stoffsammlung für die   WAS KANN DIE PFLANZENZÜCHTUNG BEITRAGEN?
Ackerbaustrategie
                                                            Züchtung gewährleistet die notwendige Anpassung
                                                            an geänderte Bedingungen. In vielen Fällen kann nur
Menschen gebracht werden. Gleichzeitig muss die             die Pflanzenzüchtung helfen, Probleme zu überwin-
Landwirtschaft lösbare Probleme rasch angehen. Das          den:
sollen die Ziele der Bayerischen Ackerbaustrategie
bewirken:
ƒƒGesellschaftliche Akzeptanz für den Ackerbau
  und die Landwirtschaft allgemein verbessern
ƒƒAnpassung an den Klimawandel durch Technik
  (smart farming), verträgliche Bewässerung,
  angepasste Arten und Sorten, Kulturführung,
  Nutzungsstrategien
ƒƒProduktivität (Ertrag, Qualität) und Klimaeffizienz
  fördern mit Blick auf Bodenfruchtbarkeit,
  Humusgehalt, Bodenleben, Erosionsschutz,
  Begleitflora- und Fauna, Nährstoffmanagement,
                                                            Abb. 2: Beispiel für genetische Vielfalt aus der Genbank in
  Forschung, Versuchswesen, Infrastruktur (G5-
                                                            Gatersleben
  Mobilfunk, open data, Flurentwicklung,
  Vermarktung und Verarbeitung),
  Verwertungsstrategien und Entbürokratisierung)            ƒƒKlimawandel
ƒƒVielfalt in der Kulturlandschaft                            „automatische Anpassung“ durch kontinuierliche
  (Fruchtfolgeglieder) und die Biodiversität fördern          Selektionsarbeit im Zuchtgarten und
ƒƒDie Lebensgrundlagen Boden, Wasser und Luft                 Sortenversuchswesen und zusätzlich gezielt
  schützen                                                    durch besondere Maßnahmen (z. B. künstlicher
                                                              Trockenstress, Sensorik oder genetische Analyse).
Das alles kann nur so gut umgesetzt werden, soweit            Beispiele: Züchtung im Rain-out-shelter bei
die nutzbare Genetik (Arten, Sorten) dies zulässt. Der        Getreide und Gräser-Arten. Thermographie zur
Schlüssel ist daher eine gezielte Stärkung von For-           Selektion auf Hitzetoleranz.
schungs- und Züchtungsaktivitäten, die auf Bayern           ƒƒKrankheiten und Schädlingsbefall
ausgerichtet sind.                                            durch Resistenzzüchtung. Meist einziger Weg,
                                                              wenn wirksame Pflanzenschutzmittel wegfallen
                                                              oder nicht verfügbar sind.
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ƒƒveränderte Anbaumethoden                                tät, der Wert für die heimische Verarbeitung wie
  durch gezielte Selektionsbedingungen, z. B. für         Chips und Pommes frites) sowie zunehmend die Eig-
  den ökologischen Landbau, für Bewässerungsan-           nung für den ökologischen Landbau (Getreide, Kar-
  bau, für neue Bewirtschaftungsformen (z. B. auto-       toffeln, Mais, Leguminosen).
  matische Hacke)                                         Die aktive Züchtung an der LfL schafft eine hohe
ƒƒQualitätsanforderungen                                  Kompetenz in pflanzenbaulichen Fragen, auch zur
  durch Selektion auf die entsprechenden                  speziellen Qualität (Brau-, Back-, Futter-, Nutzquali-
  Merkmale (z. B. Eiweißmenge, Eiweißqualität,            tät). Diese Kompetenz fließt direkt in den Wissens-
  Backqualität) mit entsprechender Analytik
ƒƒAnbau neuer Fruchtarten
  der Klimawandel kann den Anbau von Arten aus
  anderen Klimaregionen begünstigen.
  Typischerweise sind keine regional adaptierten
  Sorten verfügbar. Mit vorhandener
  Züchtungskompetenz kann in die Bearbeitung
  neuer Arten eingestiegen werden, z. B. Soja in
  Bayern.

Züchtungsforschung der LfL
Das Ziel der LfL-Züchtungsforschung ist die Bereit-
stellung von regional angepasster Genetik und die
Verwirklichung von Zuchtzielen für die Landeskultur.
Sie steht nicht in Konkurrenz zur privaten Pflanzen-
züchtung, sondern arbeitet mit ihr zusammen und
unterstützt so regional angepasste Zuchtprogram-
me. Das Portfolio an Arten deckt sich historisch mit
den von bayerischen Pflanzenzüchtern bearbeiteten
Arten, ergänzt um Hopfen, Heilpflanzen und Körner-
leguminosen:
ƒƒWintergerste                                            Abb. 3: Züchterisch an der LfL bearbeitete Arten (Auszug)
ƒƒSommergerste
ƒƒWinterweizen
ƒƒSommerhafer                                             transfer (Internet, Fachpublikationen, Lehrbücher,
ƒƒKartoffeln                                              Vorträge) und die Aus- und Weiterbildung ein. Durch
ƒƒAusgewählte Heilpflanzen, z.B. Baldrian                 den engen Austausch am Standort Weihenstephan
ƒƒMais                                                    leistet die LfL-Pflanzenzüchtung viele Beiträge zur
ƒƒKörnerleguminosen (Soja, Lupine)                        Ausbildung an den beiden Hochschulen (Lehraufträ-
ƒƒFutterleguminosen                                       ge, Seminare, Praktikantenschulungen, Studen-
   (Luzerne,Rotklee,Alexandrinerklee)                     ten-Führungen, Ausschreibung und Betreuung von
ƒƒFuttergräser (Dt. Weidelgras, Lieschgras,               Bachelor-, Master- und Promotionsarbeiten).
   Knaulgras, Wiesenrispe, Festulolium,
   Wiesenschwingel)                                       WELCHE METHODEN WERDEN EINGESETZT?
ƒƒHopfen (85 % der dt. Hopfenfläche ist mit Sorten        Züchtung bedeutet zunächst Selektion aus einer vor-
   aus der LfL-Züchtung bepflanzt)                        handenen Vielfalt. Anfangs konnte noch aus gene-
                                                          tisch diversen Landsorten selektiert werden. Seit den
Züchtung an der LfL orientiert sich nicht am Sorten-      1920er Jahren war die Schaffung von Variabilität
markt, sondern an den Zuchtzielen für die Landeskul-      durch Kreuzung erforderlich, ergänzt durch die
tur. Im Vordergrund stehen neben den „drei wichtigs-      Sammlung von genetischen Ressourcen aus den ge-
ten Zuchtzielen“ (Ertrag, Ertrag, Ertrag) die Resisten-   netischen Zentren der Kulturpflanzen. Dies ist bis
zen gegen Krankheiten, Schädlinge (ungleich schwie-       heute die Grundlage der allermeisten Zuchtprogram-
riger als gegen Krankheiten) und abiotischen Stress,      me bei Ackerkulturen. Genbanken ermöglichen in-
die spezifische Produktqualität (Brau- und Backquali-     nerhalb der Grenzen internationaler Abkommen die
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