Schule in Zeiten von Corona - CLV

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Schule in Zeiten von Corona - CLV
Zeitschrift des Christlichen
       Lehrervereins für Oberösterreich
       JUNI 2020

das Schulblatt

                                      Schule
                                          in Zeiten
                                          von Corona

    Lehrerinnen und Lehrer erzählen            Schulbarometer   Zum Vorplanen
    Die Schule ist „zu“, die Kids daheim –     Home-Schooling   Das neue CLV-Seminar-
    Schule in Zeiten von Corona                Eine Nachlese    programm 2020/2021
Schule in Zeiten von Corona - CLV
REISEN 2020
       TERMINVERSCHIEBUNG AUFGRUND
                                                                                                        TERMIN
   DER CORONA-KRISE AUF DIE HERBSTFERIEN
                                                                                                        26. - 30. Oktober 2020
         ANMELDUNGEN SIND NOCH MÖGLICH                                                                  (Herbstferien)

MALTA &
                                                                                                        REISEBEGLEITUNG
                                                                                                        Johanna Müller &
                                                                                                        Walter Wernhart

GOZO                                                                                                    PAUSCHALPREIS
                                                                                                        IM DOPPELZIMMER
                                                                                                        € 1.198,- p.P.
                                                                                                        EZ-Aufpreis: € 120,-

                                                           PROGRAMMABLAUF
                                                           1. Tag: Anreise - Valletta
                                                           2. Tag: Gozo
                                                           3. Tag: Mosta - Rabat - Mdina
                                                           4. Tag: Freizeit oder Fakultativausug Blaue Grotte -
                                                                   Marsaxlokk - Hagar Qim
                                                           5. Tag: „3 Städte“ - Hafenrundfahrt - Heimreise

Detailprogramm & Informationen:                                                             Ansprechpartnerin bei Moser Reisen:
Frau Johanna Müller, 0664 / 1320 469, j.mueller@eduhi.at                    Frau Simone Pargfrieder, Tel. 0732 / 2240-16, pargfrieder@moser.at

                 TERMINVERSCHIEBUNG                                                                     TERMIN
                AUF ANFANG FEBRUAR 2021                                                                 Anfang Februar 2021

CHILE &
                                                                                                        REISEBEGLEITUNG
                                                                                                        Johanna Müller

ARGENTINIEN
                                                                                                        HIGHLIGHTS
                                                                                                        • Santiago de Chile
                                                                                                        • Valparaíso
                                                                                                        • Weinanbaugebiet
                                                                                                          Casablanca-Tal
                                                                                                        • Atacama Wüste
                                                                                                        • El Tatio Geysire
                                                                                                        • Vulkan Villarrica und
                                                                                                          Osorno
                                                                                                        • Petrohue Wasserfälle
                                                                                                        • Patagonien mit Perito
                                                                                                          Moreno Gletscher &
                                                                                                          Torres del Paine
                                                                                                          Nationalpark
                                                                                                        • Buenos Aires

Detailprogramm & Informationen:                                                             Ansprechpartnerin bei Moser Reisen:
Frau Johanna Müller, 0664 / 1320 469, j.mueller@eduhi.at                Frau Simone Katzensteiner, Tel. 0732 / 2240-34, katzensteiner@moser.at

                                                                                                                4010 Linz, Graben 18
                                                                                                    Tel. 0732 / 2240, office@moser.at
                                                                                                                        www.moser.at
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Editorial

                                        Corona!
                                        Was bleibt?

                                        S    eit März 2020 ist in den Schulen nichts mehr, wie
                                             es einmal war: Von einem Tag auf den anderen
                                        wurde der Präsenzunterricht heruntergefahren und
                                                                                                      richt Ungleichheiten verstärkt und dass Eltern die
                                                                                                      Leistung der Lehrkräfte sehr zu schätzen wissen.

                                        es musste eine Betreuungsstruktur aufgebaut und               Eine Erkenntnis der Studie ist auch, dass digitales
                                        Distanzunterricht organisiert werden. Vieles musste           Handwerkszeug für Schulen noch selbstverständ-
                                        aus dem Nichts erfunden, geplant und organisiert              licher werden muss. Daran führt kein Weg vorbei.
                                        werden und dies vor dem Hintergrund unsicherer                Gleichzeitig zeigen die letzten Wochen aber auch,
                                        und immer wieder wechselnder Rahmenvorgaben.                  dass die Lehrperson Zentralfaktor für kindliche Ent-
Maximilian Egger                        Flexibilität, Kreativität und Anpassungsfähigkeit             wicklung ist. Beim Distanzlernen fehlt das menschli-
Redaktionsleitung                       waren gefragt.                                                che Gegenüber – Unterricht ist aber in hohem Maße
                                                                                                      Beziehungssache. Wie ein Lehrer mit der Klasse Fra-
                                        Flexibilität und Anpassungsfähigkeit brauchte auch            gen diskutiert und sich jede/r „live“ einbringen kann,
                                        die Schulblattredaktion. Viele Artikel konnten nicht          wie er Schwächere einfühlsam zu weiterem Bemü-
                                        wie geplant umgesetzt werden. Dafür wurden neue               hen ermuntert, wie er von einem Thema begeistert
                                        Beiträge online diskutiert und integriert. Lesen Sie bei-     ist – das vermag keine Lern-App, das ist durch keine
                                        spielsweise im Beitrag »Lehrerinnen und Lehrer erzäh-         Videokonferenz ersetzbar.
                                        len«, wie unterschiedlich Unterricht in Corona-Zeiten
                                        ausgesehen hat und was wichtige Erfahrungen waren.            Versäumen wir also nicht, nach dem Corona-Schock
                                        Im Beitrag »Home-Schooling« stellen wir Ergebnisse            zu fragen, welche Erfahrungen wir wirklich behalten
                                        des Schul-Barometers vor, mit dem Wissenschaftler             wollen. Die Antwort darauf sollte jedenfalls daten­
                                        Daten zur aktuellen Situation an Schulen sammeln.             basiert sein – und nicht nur das Bauchgefühl wider-
                                        Die Studie zeigt unter anderem, dass Distanzunter-            spiegeln „Hat doch eh ganz gut funktioniert“.

Titelbild: Newman Studio / AdobeStock

Inhalt
  4 Mein Standpunkt                                             14 Home–Schooling                                    28 Krieg macht Schule
       Schule und Corona: Zwischenbilanz                             Eine länderübergreifende Nachlese                     Das Jahr 1945 im Spiegel der
                                                                                                                           Schulen
 6 Lehrerinnen und Lehrer                                       17 Schule in Bewegung
		erzählen                                                           Digitale Klassen der MS Taiskirchen             31 Bildungsstandards
       Schule in Zeiten von Corona                                                                                         Tolles Ergebnis in Englisch
                                                                19 Let’s get digital!
  9 Bildungsdirektion                                                Unterricht in Zeiten von Corona?                33 Bildungspolitik
       BD Alfred Klampfer am Wort                                                                                          Sieben Fragen an Landeshaupt-
                                                                21 CLV-Steckbrief                                          mann Stelzer
10 Schulblatt-Interview                                              Petra Praschesaits ganz persönlich
       Gertrude Jindrich im Gespräch                                                                                 36 Christian HAUBNER
                                                                27 Fortbildung                                             Plädoyer wider die Lehrer-App
12 Corona-Rückwärts-Prognose                                         CLV-Seminarprogramm 2020/2021
       Zukunftsforscher Matthias Horx                                                                                38 Aus den Sektionen

Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Christlicher Lehrerverein für Ober­österreich (CLV), Stifterstraße 23, 4020 Linz; E-Mail: office@clv.at; Schriftleiter und verant-
wortlicher Redakteur: Maximilian Egger, MA; Redaktion: Michael Andexlinger, Georg Moser, Birgit Loidl, Sabine Strack, Mag. Wolfgang Schwarz, Michael Weber; Redaktionssek-
retariat: Bernhard Trauner (0732/77 68 67), Maria Pauleder; Anzeigenleitung: Bernhard Trauner (0732/78 22 66); Erscheinungsort: Linz, Verlagspostamt 4020 Linz, P.b.b.;
Offenlegung lt.§ 25 Mediengesetz: Die grundlegende Richtung des „Schulblattes“ ergibt sich aus den Satzungen des Christ­lichen Lehrervereins.

                                                                                                                                                      DAS SCHULBLATT | JUNI 2020   3
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Standpunkt

                                                                                                                  Paul Kimberger
                                                                                                                 Mein Standpunkt

                   Schulen in Zeiten der Pandemie

                                 Z  uallererst: Ein herzliches Dankeschön für Ihren
                                    wesentlichen Beitrag und die großartige päd-
                               agogische und organisatorische Arbeit der letzten
                                                                                            bevor“. Doch er wurde – außer in politischen Sonntags-
                                                                                            reden – bis heute nicht wirklich gemacht. Schon vor 25
                                                                                            Jahren gab es leidenschaftliche Diskussionen, ob das
                               Wochen zur Bewältigung der Krise in unserem Land!            „Lernen mit der Maus“ in der Volksschule sinnvoll sei.
                               Die Schule hat aus meiner Sicht einmal mehr ein-             Gleichzeitig fantasierten einige mit einer Mischung aus
                               drucksvoll bewiesen, dass man sich auch in Ausnah-           Faszination und Grauen über die Schule der Zukunft
                               mesituationen auf sie verlassen kann. Trotz unklarer         und waren sich sicher, dass der „total vernetzte
                               Etappenpläne, sich widersprechender Informations-            Schüler“ nicht mehr allzu fern sei.
                               schreiben, unzumutbarer Zeitleisten, administrativer
                               Mehrbelastung und oft unzureichender Sicherheits-            Technologische Fortschritt ging fast
                               vorkehrungen schaffen wir es, unsere Schülerinnen            spurlos vorbei
                                                         und Schüler gut durch diese        Diese Vision entsprach nun tatsächlich dem päda-
                                                         schwierige und herausfor-          gogischen Alltag in der Zeit des Lockdowns. Grund
»Ich bin sicher, in wenigen                              dernde Zeit zu bringen. Alle,      dafür war allerdings nicht der fortschrittliche Wandel
 Wochen werden sich sämtliche                            die in diesem System arbei-        in unseren Schulen, sondern das Corona-Virus. Diese
                                                         ten, haben große Anerken-          rasante Entwicklung kann aber nicht vertuschen,
 Eltern einig sein: Wir haben die                        nung und hohe Wertschät-           dass der technologische Fortschritt der vergangenen
 besten Schulen der Welt.«                               zung verdient. Dass das            Jahrzehnte an vielen Klassenzimmern fast spurlos
                                                         nicht alle so sehen, bedau-        vorbeigegangen ist. Die Krise hat die Versäumnisse
 (Klaus Eckel, Kabarettist und Vater, „Teachme,
                                                         ere ich sehr.                      der derzeitigen Krisenmanager nun gnadenlos auf-
 if you can“, Kurier vom 22. März 2020.)
                                                            Doch nun zu einer span-         gedeckt. In vielen Schulen fehlt es an Ausstattung,
                                                         nenden Frage: Wird Schule          Infrastruktur, Programmen und Konzepten – ein
                                                         nach Corona digital? Man           Mangel, den die Betroffenen (Schulleiterinnen und
                               chattete mit seinen Schülern, diese lernten mit              Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen
                               webbasierten Tools, die nächste Unterrichtsein-              und Schüler, Eltern) schon seit Jahren mit enormer
                               heit wurde als Video im Netz hochgeladen und                 Anstrengung, bewundernswertem Aufwand und
                               Lernmaterialien standen auf Online-Plattformen               selbst finanzierten Eigeninitiativen zu beheben ver-
                               für die Klasse bereit. Seit das Virus überfallsartig         suchen. Wäre dem nicht so, hätte in dieser Phase
                               Home-Schooling und Distance-Learning notwen-                 pädagogisch recht wenig funktioniert.
                               dig gemacht hat, sprießen geradezu die Ideen für
                               neue digitale Unterrichtskonzepte. In kürzester Zeit         Home-Schooling und Distance-Learning
                               entstanden Kommunikationswege, die vorher nicht              Zugegeben, diese noch nie dagewesene Ausnahme-
                               oder nur ansatzweise vorhanden waren. Ob diese               situation ist mit einem normalen Schulalltag, wie wir
                               Ausnahmesituation der Digitalisierung des Schul-             ihn kennen, nicht zu vergleichen. Home-Schooling
                               betriebs nun den Schub verleihen wird, den das               und Distance-Learning können nur eine Übergangs-
                               Bildungswesen seit Jahrzehnten bräuchte, bleibt              lösung sein und es ist im Interesse aller Beteilig-
                               allerdings abzuwarten.                                       ten, diesen Zustand möglichst kurz zu halten, was
                                                                                            natürlich wiederum von der weiteren Entwicklung
                                 Lernen mit der Maus                                        der Infektionszahlen abhängen wird. Für ein end-
                                 Der Ruf nach technologischem Fortschritt ist alt. Älter    gültiges Resümee in dieser im wahrsten Sinne des
                                 sind mancherorts nur die Computer, die den Schülerin-      Wortes verrückten Zeit ist es noch zu früh. Trotzdem
                                 nen und Schülern zur Verfügung stehen, wenn sie denn       gibt es bereits jetzt Erkenntnisse, von denen einige
                                 überhaupt vorhanden sind. Der Schritt in das digitale      für die Weiterentwicklung von Schule – auch nach
                                 Zeitalter steht jedenfalls seit Jahrzehnten „unmittelbar   der Krise – von Bedeutung sein könnten.

4   JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Standpunkt

Kinder vermissten Klassenkameraden                      Einige Fragen warten zudem noch auf überzeugende
Eines scheint klar zu sein: Je älter Schülerinnen und   Antworten. Kann die Chancengerechtigkeit gewähr-
Schüler sind, desto digitaler kann Unterricht werden.   leistet werden, wenn Schülerinnen und Schüler nicht
Das liegt nicht primär an der technologischen Affini-   persönlich anwesend sind? Lassen sich Prüfungen
tät der Kinder, nein, den Unterschied macht viel mehr   aus der Ferne auf digitalem Weg so durchführen,
deren Entwicklungsstand aus. In den Volksschulen        dass auch alle Kriterien der Leistungsbeurteilung
zeigte sich schon in den ersten Tagen der Krise,        berücksichtigt werden können? Wie ist der Daten-
dass der direkte Kontakt unersetzlich ist. Viele Kin-   schutz zu gewährleisten, bei dem in der überstürz-
der dieser Altersgruppe vermissten schmerzlich ihre     ten Phase der Schulschließungen doch einige Lücken
Klassenkameraden genauso wie ihre Klassenlehrerin       offensichtlich wurden?
bzw. ihren Klassenlehrer. Die digitale Kommunikati-
on erfordert nämlich ein Abstraktionsvermögen, das      Ausnahmesituation fordert Beteiligte
gerade in der Primarstufe noch nicht vorausgesetzt      Zu guter Letzt: Es ist für mich großartig und bemer-
werden kann. Später sieht die Sache dann schon          kenswert, was Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterin-
anders aus. Viele Jugendliche wissen es zu schätzen,    nen und Schulleiter, Schülerinnen und Schüler sowie
dass ihnen – wenn auch gezwungenermaßen – mehr          ihre Eltern in den Wochen der Krise vielerorts leisten.
Verantwortung zukommt. Besonders das projekto-          Die Ausnahmesituation erfordert von allen Beteilig-
rientierte Lernen fördert sowohl das selbständige       ten Flexibilität, Spontanität und Disziplin – eine Her-
Planen und Organisieren als auch die individuelle       ausforderung, die auf beeindruckende Art und Weise
Zeiteinteilung. Das sind Fähigkeiten, die später an     gemeistert wird. Außerdem dürfte in vielen Haus-
der Universität oder im Berufsleben unerlässlich        halten dabei auch die Achtung vor der tagtäglichen
sind.                                                   Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern erheblich gestie-
                                                        gen sein. Es bleibt zu hoffen, dass wir irgendwann auf
Grenzen der digitalen Technologien                      die Zeit der Corona-Krise zurückblicken und nicht
wurden aufgezeigt                                       nur Negatives, sondern auch viel Positives und einen
Die Entwicklungen der letzten Wochen wecken trotz       längst fälligen technologischen Fortschritt erkennen.
aller Turbulenzen nun große Erwartungen, die von
uns aber noch richtig eingeordnet werden müssen.        Science-Fiction
Dass multimediale Unterrichtsformen Motivation          Wenn der Ausnahmezustand einmal vorbei sein wird
und Lernerfolg steigern können, ist anzuerkennen.       und unsere Kinder und Jugendlichen alle gemeinsam
Dass webbasierte Plattformen zum Austausch von          (ohne Schichtbetrieb, Schutzmasken und Abstands-
Lernmaterialien auch nach Corona nützlich sein          regeln) in die Klassenzimmer zurückkehren, wird
werden, zeichnet sich ab. Doch die Ausnahmesitu-        trotzdem wieder vieles so sein wie vorher – und das
ation zeigt auch, wo die Grenzen der digitalen Tech-    ist gut so! Die Vorstellung, dass Schule ausschließ-
nologien sind. Die Klassengemeinschaft ist nach wie     lich am Computer stattfindet, war schon vor mehr als
vor das entscheidende soziale Gefüge – das gilt für     20 Jahren nicht mehr als Science-Fiction. Das sollte
einen 6-jährigen Volksschüler genauso wie für eine      auch in Zukunft so bleiben!
18-jährige Maturantin. Schule ist weit mehr als ein
Ort der Wissensvermittlung und aus diesem Grund         Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien schöne und
wird die physische Anwesenheit für viele mensch-        erholsame Sommerferien. Bleiben Sie bitte gesund
liche Interaktionen sinnvoll und nicht zu ersetzen      und genießen Sie trotz Corona eine angenehme Zeit
sein. Wer einmal mit 20 Leuten eine Diskussion im       der Muße und Entspannung                      ■
virtuellen Raum geführt hat, sehnt sich schnell
in einen analogen Raum mit vier Wänden zurück.          Ihr
Deshalb müssen wir moderne Technologien weiter
forcieren, aber nur differenziert und dosiert dort
einsetzen, wo auch ein pädagogischer Mehrwert zu
erwarten ist.                                           Paul Kimberger

   PS: Zur medialen Berichterstattung über mich und meine Aussagen zu den schulautonomen Tagen gestatten Sie mir bitte
   eine Bemerkung: Mir ging es in Wirklichkeit gar nicht so sehr um den Wegfall der sogenannten „Fenstertage“, weil Lehre-
   rinnen und Lehrer gerne bereit sind – so wie in den Osterferien – auch weiterhin ihren zusätzlichen pädagogischen und
   organisatorischen Beitrag für unsere Gesellschaft und unser Land zu leisten. Diese Lösung wäre in Zeiten der Corona-Krise
   auch die geeignete gewesen und kein einseitiger, ministerieller Eingriff in unser Dienstrecht über die Medien, der vielleicht
   nie mehr zurückgenommen wird.
      In Wirklichkeit geht es aber schon länger um wesentlich mehr und ich verweise auf unglaubliche, bis jetzt noch nie
   dagewesene schulische Gedankenspiele, die Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung, in seinem Leitartikel vom
   25. April 2020 mit dem Titel „Unterricht am Nachmittag, keine autonomen Fenstertage, Sommer-Lerncamp: So geht Schule.
   Danke, Krise!“ beschreibt.
      Der Applaus von verschiedenen Seiten war ihm sicher und die Realisierung hat bereits begonnen!

                                                                                                                  DAS SCHULBLATT | JUNI 2020   5
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Lehrerinnen und Lehrer erzählen
                                                         Schule in Zeiten von Corona

                       Die Schule ist „zu“, fast alle Kids sind daheim.
                       Wie arbeitest du jetzt?

                       Raphael Tobisch, NMS-Lehrer                                Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer
                       Die Kinder bekommen entweder täglich oder                  Ich stellte den Kindern jeden Tag um 8:00 Uhr neue Übungen
                       gesammelt in Form eines Arbeitsplanes Lernunter-           auf die selbsterstellte Homepage. Die Übungen waren mehr-
                       lagen auf die selbsterstellte Homepage. Wichtig ist        mals verlinkt, auch auf der offiziellen Schulhomepage. Die
                       mir dabei, dass ich täglich für die Kinder erreichbar      Kinder bekamen jeden Tag kurze Inputs via selbstgedrehten
                       bin, um etwaige Fragen zu beantworten. An man-             Videos, die ich ungelistet, also nur für Link-Inhaber/innen
                       chen Tagen biete ich eine Videokonferenz an, in            sichtbar, online stellte. Die Schülerinnen und Schüler hatten
                       der Fragen gestellt werden können, Arbeitsaufträge         dann bis 16:25 Uhr Zeit, die Übungen abzugeben und Feedback
                       verglichen werden und über den Alltag der Kinder           zu erhalten. Bei Kindern, die erst einige Wochen in Österreich
                       gesprochen werden kann.                                    waren (Deutschförderklasse), geht das Online-Lernen sehr
                                                                                  mühsam voran. Diese wenigen Kinder können sich die Aufga-
                                                                                  ben in vereinfachter, gedruckter Form in der Schule abholen.
             Birgit Loidl, VS-Lehrerin                                            Bei Fragen können sie mir via WhatsApp schreiben, mich anru-
             Da zurzeit keine Kinder in meiner Schule sind,                       fen, mir E-Mails schreiben etc.
             arbeite ich im Moment von zu Hause aus und bin
             telefonisch auf Abruf, falls ich für die Betreuung
             von Kindern benötigt werde. Ich kann mich                                      Patrick Peisl, PTS-Lehrer
             glücklich schätzen ein eigenes Büro zu Hause zu                                Meine Kolleginnen und Kollegen und ich stellen die
             haben, in dem ich ungestört arbeiten kann.                                     Aufgaben auf Moodle, damit ist eine gewisse Über-
                                                                                            sicht gewährleistet und die Schülerinnen und Schüler
                                                                                            können die erledigten Aufgaben auf die Plattform
         David Hiegelsberger, MS-Lehrer                                                     hochladen. Zusätzlich habe ich einen Youtube-Kanal
         Im Moment bin ich einmal in der Woche in der                                       gestartet, auf dem ich meinen Schülerinnen und
         Schule anwesend und betreue gemeinsam mit                                          Schülern mathematische Inhalte erkläre.
         meiner Direktorin und zwei weiteren Kolleginnen
         und Kollegen Schülerinnen und Schüler, die zu
         Hause nicht betreut werden können. Darüber hin-                               Melanie Birner, VS-Lehrerin
         aus machen wir Journaldienst. Das Schulgebäude                                Ich erstelle pro Woche einen Plan mit täglichen Aufga-
         ist tatsächlich fast leer, die Arbeit hat sich jedoch                         ben, die die Kinder zu Hause erledigen müssen. Diese
         ausschließlich in die digitale Welt verlagert und                             Pläne beinhalten Deutsch, Mathematik und Sachun-
         verlangt auch einiges ab.                                                     terricht. Für die anderen Gegenstände habe ich eine
                                                                                       Klassenpinnwand angelegt und ich lade für Musik, Eng-
                                                                                       lisch, Bildnerische Erziehung, Bewegung und Sport oder
                                      Günter Pilz, MS-Lehrer                           Werken Aufgaben, Videos auf die Pinnwand. Auch für
                                      Zu Hause vor dem Computer, meist                 Deutsch, Mathematik und Sachunterricht gibt es zusätz-
                                      von 7:00 in der Früh bis zur letzten             liche Übungsmöglichkeiten, Videos, etc. Weiters gibt es
                                      Frage der Kinder (die einmal um 3:16             immer eine Aufgabe des Tages (etwas Sportliches, etwas
                                      Uhr gesendet wurde!). Ich habe eine              das zum Unterricht passt, Kuscheln mit Mama, etc.), diese
                                      Webseite erstellt, auf welche ich täglich        ist aber freiwillig. Weiters habe ich zusätzliches Übungs-
                                      Aufgaben für die Kinder der verschie-            material auf einer Dropbox, das sich die Eltern jederzeit
                                      denen Klassen hochlade.                          herunterladen können.

6   JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Mehr als acht Wochen fand kein regulärer Unterricht statt. Maximal drei
Arbeitstage hatten Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler
Zeit, sich auf diese gravierende Veränderung vorzubereiten und gangbare
Lösungen zu finden.
Wie Unterricht in Zeiten von Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen
aussehen kann und was die wichtigsten Learnings dieser Tage sind, haben
uns Junglehrerinnen und Junglehrer aus unterschiedlichen Schulen in
Oberösterreich beantwortet.

           Was funktioniert gut? Was ist herausfordernd?
Raphael Tobisch, NMS-Lehrer                                                                    Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer
Die Umstellung auf das Distance Learning gestaltete sich am Anfang                             Die meisten Kinder lernen schnell und es
schwer, da fast alle Kinder nur ihr eigenes Handy nutzen konnten, da                           ist toll zu sehen, dass wirklich fast alle sehr
kein PC im Haushalt vorhanden war. Erfreulich ist jedoch, dass sehr                            schnelle Fortschritte zeigen, was den digi-
viele Kinder schnell Fortschritte im Umgang mit dem digitalen Aus-                             talen Austausch betrifft. Im EDV-Unterricht
tausch machten. Bei einer großen Anzahl an Kindern, ist es sehr heraus-                        war es in unserer Schule meist mühsam,
fordernd alle Kinder täglich zu erreichen und sich mit ihnen auszutau-                         E-Mail-Konten zu erstellen, Video-Konfe-
schen. Möglich ist es, jedoch muss hier sehr viel Zeit investiert werden.                      renzen einzurichten oder einfach online mit
Neuer Stoff in Mathematik muss sehr heruntergebrochen werden, da                               den Schülerinnen und Schülern in Kontakt
hier einfach der persönliche Kontakt fehlt, welcher mit Videokonferen-                         zu sein. Jetzt in dieser schwierigen Zeit sieht
zen nicht aufgehoben werden kann. Einfache Grundlagen können den                               man aber, dass man in der Not sehr schnell
Kindern aber durchaus beigebracht werden.                                                      lernt oder halt lernen muss. Herausfordernd
                                                                                               sind aber auch ebendiese Dinge bei einigen
                                                                                               Kindern. In manchen Haushalten gibt es
Birgit Loidl, VS-Lehrerin                                                                      keine PCs/Laptops oder Tablets.
Positiv empfinde ich das Angebot an Lernplattformen und Apps (Anton, Klassenpinnwand,
Onilo,…), die ich für mich neu entdecken konnte und die von einigen meiner Schülerinnen und
Schüler gerne in Anspruch genommen werden. Leider mangelt es an digitalen Endgeräten,          Patrick Peisl, PTS-Lehrer
die meinen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Da ich an einer Schule mit einem    Gut funktioniert die Kommunikation der
hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund arbeite, ist die Kommunikation mit den       Schülerinnen und Schüler, die motiviert
Eltern nicht immer einfach. Oftmals werden E-Mails nicht verstanden oder Deadlines nicht       und fleißig sind. Herausfordernd sind die
eingehalten. Ständig muss ich daher mit den Eltern telefonisch Kontakt aufnehmen. Zudem        Schülerinnen und Schüler, die sich noch
können die Eltern den Kindern teilweise bei den Arbeitsplänen nicht helfen. Dadurch schreibe   nie oder nur selten gemeldet haben bezie-
ich ihnen jeden Arbeitsschritt genau auf, versuche mit Lernvideos und Fotos von Tafelbildern   hungsweise keine Aufträge erledigen. Der
die Arbeitsaufträge zu verdeutlichen. Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand und die       persönliche Kontakt und auch das direkte
Schülerinnen und Schüler nehmen dabei die Arbeitsaufträge leider unterschiedlich ernst. Ich    Feedback der Schülerinnen und Schüler im
befürchte, dass am Ende dieser Krise das Leistungsniveau stark variieren wird.                 Unterricht fehlt mir persönlich am meisten.

                 Melanie Birner, VS-Lehrerin               David Hiegelsberger, MS-Lehrer
                 Herausfordernd ist, dass man als Leh-     Sehr gut funktionierte bei uns die Umstellung. Innerhalb eines Tages wurden
                 rer die Situation zu Hause meist nicht    die Kinder in Crashkurs-Manier mit Mail, Cloud und Teams Lösungen vertraut
                 einschätzen kann. Sind die Eltern zu      gemacht. Ein sehr großer Teil der Kinder und Eltern arbeitet grandios mit diesen
                 Hause, sind noch kleinere Geschwis-       technischen Hilfsmitteln und braucht kaum Hilfe. Herausfordernd sind Korrek-
                 ter da, die nicht lernen müssen, müs-     turarbeiten in jpeg, pdf oder png Format, das lässt sich oft nicht vermeiden.
                 sen die Eltern Home-Office machen,
                 sind die Kinder motiviert, wie lange
                 brauchen sie, etc. Man muss sich auf          Günter Pilz, MS-Lehrer
                 die Infos der Eltern verlassen. Ich           Fordernd ist die Notwendigkeit der ständigen Präsenz, wenn die
                 unterrichte an einer Volksschule im           Kinder Fragen haben. Ich bemühe mich, diese immer so schnell wie
                 Mühlviertel und denke, dass in meiner         möglich zu beantworten, damit die Kinder dann auch weiter arbeiten
                 Klasse die meisten Kinder eine ange-          können. Schwierig war am Anfang die Kinder davon zu überzeugen,
                 nehme Lernsituation zu Hause haben,           dass keine Ferien sind und sie die Aufgaben erledigen müssen. Aber
                 das finde ich sehr beruhigend.                mit ein bisschen Einsatz von allen Seiten funktioniert es ganz gut.

                                                                                                                 DAS SCHULBLATT | JUNI 2020   7
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Lehrerinnen und Lehrer erzählen

                       Wie bist du mit deinen Schülerinnnen und
                       Schülern in Kontakt?
Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer                                            Raphael Tobisch, NMS-Lehrer
Angedacht war der Kontakt via E-Mail. Das funktionierte sehr           Eigentlich wollte ich via E-Mail mit den Kindern in Kontakt bleiben.
schleppend, weshalb ich ziemlich schnell auf WhatsApp und Co.          Auf diese Art habe ich aber leider kaum Rückmeldungen von den
umgestiegen bin. Die Kinder konnten mich privat fragen und ich         Kindern bekommen und der Austausch war nur sehr selten gegeben.
leitete ihnen auch Aufgaben weiter. Die Aufgaben selbst wurden         Deshalb bin ich nach einer Woche auf WhatsApp umgestiegen und
auf der selbsterstellten Homepage veröffentlicht.                      erreichte nun 99 Prozent meiner Schülerinnen und Schülern.

                       Birgit Loidl, VS-Lehrerin                                                     Patrick Peisl, PTS-Lehrer
                       Ich bin per E-Mail und über die Klassenpinnwand mit den Schülerinnen          Über Moodle, E-Mail, meinen Youtube-
                       und Schülern in Kontakt. Die Kinder erhalten analog einen strukturierten      Kanal und bei konkreten Fragen habe
                       Wochenplan, der digital mit Lernvideos und Fotos unterstützt wird.            ich auch schon mit meinen Schülerin-
                                                                                                     nen und Schülern geskypt.

                            Günter Pilz, MS-Lehrer
                            Wir haben eine WhatsApp-Gruppe über welche 95 Prozent       Melanie Birner, VS-Lehrerin
                            der Kommunikation läuft. Manchmal rufe ich auch bei den     Ich bin über die App „Hallo Lehrer“ über die
                            Schülerinnen und Schülern an, sende voice mails etc.        Eltern mit den Kindern in Kontakt. Ich schreibe
                                                                                        mit der Hand einen Brief an die Kinder, mache
                                                                                        ein Foto und schicke dieses den Eltern. Die Kinder
David Hiegelsberger, MS-Lehrer                                                          schreiben mir dann zurück, beantworten Fragen,
Mittlerweile fast ausschließlich über Microsoft Teams. Das funktioniert wunder-         erzählen mir etwas, stellen mir Fragen, etc. Und ich
bar. Neben Aufträgen und Abgaben kann ich hier auch per Chat, Anruf oder auch           antworte dann wieder. Diese Form des Kontakts
Videochat mit den Kindern kommunizieren. Schwierige Inhalte oder Neues wird             finde ich gerade in einer 1. Klasse Volksschule sehr
dann auch bei tatsächlichen Online Meetings in dieser App per Videochat bespro-         schön. Ich erhalte auch viele Fotos, was die Kinder
chen. Für jetzt ist das schlichtweg eine tolle Möglichkeit.                             machen, etc. und freue mich immer sehr.

           Was ist dein persönliches Distance-Learning-Highlight?
Raphael Tobisch, NMS-Lehrer                     Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer                                 Birgit Loidl, VS-Lehrerin
Lob von den Kindern und Eltern, dass wir        Die persönliche, positive Rückmeldung einiger               Meine Schüler/innen schicken
unsere Arbeit gut machen. Viele Eltern          Schülerinnen und Schüler sowie auch seitens der             mir persönliche Nachrichten und
waren sehr zufrieden, wie wir mit ihren         Eltern. Da freut man sich in Zeiten wie diesen beson-       Fotos. Darüber freue ich mich
Kindern in Zeiten wie diesen in Kontakt         ders und man weiß, dass man etwas richtig macht.            immer besonders.
standen.

                    Günter Pilz, MS-Lehrer                                              David Hiegelsberger, MS-Lehrer
                    Das Vertrauen, welches mir die Kinder                               Schöne Momente gibt es im Distance-Learning
                    auch bei nichtschulischen Themen entge-                             immer wieder, mein absolutes Highlight ist jedoch
                    genbringen. Eine Collage, die wir gemein-                           der starke Wille der Kinder, technische und schu-
                    sam mit den Schülerinnen und Schülern                               lische Probleme selbst lösen zu wollen und der
                    gemacht haben.                                                      Stolz, wenn sie es geschafft haben. Das freut mich
                                                                                        immer sehr.

           Melanie Birner, VS-Lehrerin
           Auf meiner Klassenpinnwand gibt es jeden Tag eine Aufgabe des Tages. Einige            Patrick Peisl, PTS-Lehrer
           Kinder schicken mir dann Fotos oder Videos, wie sie diese Aufgabe erledigen.           Manche Aufgaben werden von den Schüle-
           Man sieht, wie es ihnen Spaß macht und das finde ich toll. Weiters finde ich es        rinnen und Schülern grafisch verschönert.
           auch schön, dass die Eltern die Kinder beim Schicken von Fotos und Schreiben           Ich habe auch schon positive Rückmel-
           der Briefe so unterstützen, sich auch die Eltern mit persönlichen Worten an mich       dungen bezüglich meiner online gestellten
           wenden und wir alle in Kontakt bleiben. Mein persönliches Highlight ist, dass wir      Videos erhalten, dass diese zum Verständnis
           ALLE (Kinder, Eltern und ich) uns schon wieder sehr auf die Schule freuen.             der Inhalte beitragen.                   ■

8   JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Schule in Zeiten von Corona - CLV
Bildungsdirektion

       Corona hat Ansehen
       unseres Berufsstandes gesteigert

D      as Corona-Virus hat unser Leben auf den Kopf gestellt
       und für uns alle an den Schulen in Oberösterreich eine
vollkommen diametrale Ära eingeleitet. Innerhalb kürzester Zeit
mussten wir uns abschotten, umstellen auf Distance Learning,
sonst so wichtige Termine wurden belanglos, Begrüßungsritua-
le neu erfunden, Videobotschaften ersetzen den persönlichen
zwischenmenschlichen Kontakt, die Schulen wurden fast men-
schenleer und in vielen Bereichen werden wir belehrt, dass es
so – nämlich anders – auch geht.
   Im Tagestakt, manchmal sogar im Stunden-
takt, haben sich Situationen geändert und es           » Schule ist nicht nur
mussten adäquate Entscheidungen getroffen             mit der Gesellschaft eng
werden. Oder es durften Presseankündigungen
interpretiert, manchmal revidiert und mit den          verwoben, sondern sie
fast 20.000 Lehrerinnen und Lehrern in unse-            ist ein Teil davon. «
rem Bundesland kommuniziert und umgesetzt
werden. Und so nebenbei musste das „Tagesge-
schäft“, soweit es das noch gab, aufrecht erhalten werden, ganz
zu schweigen vom neuen Tagesgeschäft der Beantwortung von
vielen Fragen, die sich aufgrund der Lage ergaben.
   Heraklit von Ephesos hat vor ca. 2500 Jahren behauptet, dass
nichts so beständig ist wie der Wandel. Wie Recht er doch hatte.
Dass der Wandel aber so rasant gehen kann, damit hat auch                                                                          Bildungsdirektor
dieser Herr aus Kleinasien nicht rechnen können.                                                                   HR Mag. Dr. Alfred Klampfer, B.A.

Starres Schulsystem?
Gemeinsam haben wir vieles geschafft, manches ganz einfach,
manches mit etwas Holpern aber alles mit riesigem Engagement          Daher möchte ich mich bei Ihnen allen bedanken: für ihren Einsatz,
und Herzblut. Und die Pädagoginnen und Pädagogen in Oberös-           für Ihr Durchhaltevermögen, für das Improvisieren, für das Mitge-
terreich konnten zeigen, ja sogar beweisen, dass das wie vielfach     hen in dieser herausfordernden Phase und auch für Ihre Geduld
behauptet starre Schulsystem innerhalb kürzester Zeit innovativ       und Nachsicht, wenn Entscheidungen erst sehr spät getroffen wer-
auf die Herausforderungen reagiert. Dieser Entwicklungsprozess        den konnten oder manchmal sogar korrigiert werden mussten. Vor
spiegelt sich in den vielen Varianten des eigenverantwortlichen       allem Sie, sehr geehrte Direktorinnen und Direktoren, waren und
Lernens, egal ob digital unterstützt oder in traditioneller Form,     sind es, die für „Ihre“ Schule praktikable Lösungen suchen muss-
das von den Lehrerinnen und Lehrern über die Distanz forciert         ten für Herausforderungen, die es vorher noch nie gab.
wurde, wider. Ich traue mich zu behaupten, dass wir uns im Ver-
gleich zu den anderen Bundesländern nicht verstecken brau-            Welche Lehren ziehen wir für die Zukunft?
chen, sondern sehr gut dastehen.                                      Das didaktisch-methodische Repertoire der Lehrerinnen und
                                                                      Lehrer ist vielfältig, egal ob digital affin oder nicht, egal ob im
Distance Learning                                                     Präsenzunterricht oder im Distance Learning. Wir sehen aber
Die lange Zeit des „Home-Schoolings“ war sicher auch eine             auch, dass die digitalen Möglichkeiten den methodisch-didak-
enorme Herausforderung für die Eltern und Erziehungsberech-           tischen „Werkzeugkoffer“ enorm erweitern und das eigenver-
tigten. Oft hörte ich die Frage, wie man die eigenen Kinder zum       antwortliche und selbständige Lernen der Schülerinnen und
Lernen motivieren kann, dass alle froh sind, wenn die Schule          Schüler gut fördern können. Dazu müssen noch einige Rah-
wieder los geht, aber auch, dass jetzt erst richtig geschätzt wird,   menbedingungen geschaffen werden, damit weder technische
was an den Schulen alles geleistet wird. Ich möchte behaupten,        Hürden noch die unüberschaubare Vielfalt der Programme
dass durch Corona das Ansehen unseres Berufsstandes enorm             einem Einsatz entgegenstehen. Andererseits wird uns vor Augen
gestiegen ist.                                                        geführt, dass Distance Learning niemals die tiefen Lernerfahrun-
                                                                      gen in der Schule ersetzen kann. Die Praxis der letzten Wochen
Solidarität                                                           bietet für die kommende Zeit die Chance, Lernprozesse anders
Schule ist nicht nur mit der Gesellschaft eng verwoben, sondern       zu gestalten. Bauen wir darauf auf!
sie ist ein Teil davon. Damit tragen die Lehrerinnen und Lehrer
hohe gesellschaftliche Verantwortung. Dass sie diese ernst neh-       Ich bin zuversichtlich, dass im Herbst wieder normaler Unter-
men, zeigt sich an den tausenden Freiwilligen, die an schulfreien     richt stattfinden wird, weiß aber, wenn das nicht so ist, dass wir
Tagen Kinder von Eltern in systemkritischen Berufen betreuen.         es wieder schaffen werden.                                     ■

                                                                                                                        DAS SCHULBLATT | JUNI 2020   9
Schule in Zeiten von Corona - CLV
IM GESPRÄCH

          Gertrude Jindrich ist Landesschulärztin. Sie ist Mitglied des Corona-Krisenteams der oö. Bildungs-
          direktion und fungiert dort als Bindeglied zwischen Bildungs- und Gesundheitssystem. Abseits
          von Corona ist sie für die Lenkung und Koordinierung der Schulgesundheitspflege in OÖ zustän-
          dig. Gertrude Jindrich hat dabei auch eine Schlüsselrolle in der Fort- und Weiterbildung von
          Schulärztinnen und Schulärzten – als Organisatorin und als gefragte Referentin.

          Im Schulblatt-Gespräch, das diesmal schriftlich geführt wurde, beantwortet Dr.in Gertrude Jindrich
          medizinische Fragen, die aus den Schulen an uns herangetragen wurden.

                       Ich denke schon, dass uns das Thema
                       länger beschäftigen wird.

                       Im Gespräch: Dr.in Gertrude Jindrich

          Sehr geehrte Frau Dr. Jindrich, welche      Die Hygienemaßnahmen sind im Hygie-          »Händehygiene, richtige
          Aufgaben und Zuständigkeiten hat            nehandbuch des Bildungsministeriums
          man als Landesschulärztin?                  festgelegt. Händehygiene, richtige Hus-
                                                                                                    Husten-, Schnäuz- und
          Kurz gesagt geht es darum, dass Schul-      ten-, Schnäuz- und Niesetikette, Abstand      Niesetikette, Abstand
          ärztinnen und Schulärzte bei ihrer Arbeit   halten und Mund-Nasen-Schutz sind             halten und Mund-
          in den Schulen unterstützt werden und       alles Mosaiksteine für eine Reduktion der
          dass entsprechende Fortbildungen orga-      Infektionszahlen.
                                                                                                    Nasen-Schutz sind alles
          nisiert werden. Daneben bin ich auch eine                                                 Mosaiksteine für eine
          Art Verbindungsglied zwischen Bildungs-     Zur Thematik Gesichtsmasken und               Reduktion der Infekti-
          und Gesundheitssystem und arbeite in        Schutz: Was sollte man im Umgang
          diversen Bereichen mit um mitzuhelfen,      damit in den Schulen unbedingt
                                                                                                    onszahlen. «
          anstehende Probleme in Zusammenhang         beachten?
          mit Schulgesundheit zu lösen. Auch im       Mund-Nasen-Schutz muss überall dort          Was ist, wenn in einer Schule ein
          Bildungsministerium gibt es regelmäßige     getragen werden, wo die vorgeschriebe-       Corona-Fall auftaucht?
          Besprechungen.                              nen Abstände zu anderen Personen nicht       Alle von der Gesundheitsbehörde (zu-
                                                      sicher eingehalten werden können (zB in      ständiger amtsärztlicher Dienst) ange-
                                                      den Gängen, in der Pause), beim Sitzen       ordneten Maßnahmen müssen durchge-
»Ich bin auch eine Art Verbin-                        am zugewiesenen Platz im Klassenzimmer       führt werden.
 dungsglied zwischen Bildungs-                        zB aber nicht. Auf der Startseite der Bil-
                                                      dungsdirektionshomepage finden Sie ein       Wird die Schule informiert, wenn in
 und Gesundheitssystem. «                             Informationsblatt mit Fotos zum richtigen    einer Familie (Lehrerinnen und Lehrer
                                                      Umgang mit dem Mund-Nasen-Schutz.            sowie Schülerinnen und Schüler) ein
          War oder ist die oberste Schulärztin                                                     Corona-Fall auftritt?
          des Landes auch im Home-Office,             Wer gehört zur Coronavirus-Risiko-           In der Regel wird das der Fall sein, da die
          bzw. wie sah Ihr Corona-Krisen-All-         gruppe?                                      unmittelbaren Kontaktpersonen ermittelt
          tag aus?                                    Die medizinischen Indikationen für die       werden müssen.
          Ich arbeite im Krisenteam der oberöster-    Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe
          reichischen Bildungsdirektion mit und       wurden in der Verordnung BGBl.II Nr.         Die Sehnsucht nach „normalem“
          bin daher nicht im Home-Office.             203/2020 festgelegt.                         Unterricht ist bei Lehrerinnen und Leh-
                                                                                                   rern sowie Schülerinnen und Schülern
          Wie können sich Lehrkräfte und Schü-        Was gilt für Lehrkräfte und Schülerin-       groß. Wird die Ausnahmesituation
          lerinnen und Schüler vor einer mögli-       nen und Schüler, die zur Risikogruppe        Ihrer Meinung nach bis in das nächste
          chen Ansteckung mit dem Coronavirus         gehören?                                     Schuljahr andauern? Wann wird es
          schützen? Was sind Ihrer Meinung            Diesbezüglich gibt es für die Schulen        wieder normalen Unterricht geben?
          nach die wichtigsten Schutzmaßnah-          genaue Informationen über BMBWF und          Ich denke schon, dass uns das Thema
          men in den Schulen?                         Bildungsdirektion.                           länger beschäftigen wird. Wann es wie-

10   JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
IM GESPRÄCH

 der ganz regulären Unterricht gibt, wird      »Im ärztlichen Hotline-                     In der Regel ist das der amtsärztliche
 sehr von den zukünftigen Infektionszah-                                                   Dienst oder die Testung findet nach
 len abhängen.
                                                Team wurde eine Schul-                     einem ausführlichen Gespräch mit der
                                                ärztin speziell für Anfra-                 Hotline 1450 statt.
 Welche Möglichkeiten gibt es in der            gen im Bereich Kinder
 Arbeit mit Kindern und Jugendlichen                                                       Was können wir Ihrer Einschätzung
 mit geistiger Behinderung und
                                                und Jugendliche mit                        nach aus der Krise mitnehmen?
 Schwermehrfachbehinderung, um das              geistiger Behinderung                      Es hat sich jetzt gezeigt, dass wir gemein-
 Ansteckungsrisiko möglichst zu mini-           und Schwermehrfachbe-                      sam viel bewirken können und das Mit-
 mieren?                                                                                   einander wieder mehr im Vordergrund
 Im ärztlichen Hotline-Team in der Bildungs-
                                                hinderung abgestellt. «                    steht. Das halte ich für wichtig – vielleicht
 direktion wurde eine Schulärztin speziell                                                 auch das, dass wir Selbstverständliches
 für Anfragen und Probleme in diesem           Die Lehrerarbeitsplätze sind manch-         wieder mehr schätzen.
 Bereich abgestellt mit dem Auftrag den        mal sehr gedrängt und der Mindest-          Als Ärztin wünsche ich mir, dass die einfa-
 Schulen Hilfestellung zu bieten und indi-     abstand ist schwer einzuhalten.             chen Hygienemaßnahmen, die jetzt so gut
 viduelle Betreuungspläne zu entwickeln        Was tun?                                    eingeübt werden wie Händewaschen und
                                               Die geforderten Abstände sind jedenfalls    richtige Husten-, Schnäuz- und Nieseti-
 Was ist über COVID-19 bei Schwange-           einzuhalten. Eventuell sind da auch ande-   kette auch zukünftig weitergeführt wer-
 ren bekannt? Gibt es spezielle Rege-          re Räumlichkeiten miteinzubeziehen.         den.                                       ■
 lungen für schwangere Lehrerinnen?
 Wichtig ist, dass alle Maßnahmen im Rah-      Kann man derzeit die üblichen
 men des Mutterschutzgesetzes und Hygi-        Schutzimpfungen durchführen lassen?         »Die geforderten Abstände sind
 eneregeln eingehalten werden. Schwan-         Jeder soll das mit seinem betreuen-          jedenfalls einzuhalten. «
 gere gehören aber nicht grundsätzlich         den Arzt/mit seiner betreuenden Ärztin
 zur Risikogruppe laut COVID-19-Risiko-        besprechen.
 gruppe-Verordnung. Liegt zusätzlich ein
 Risikoattest vor, ist entsprechend dem        Was soll man tun, wenn Schüler
 Schreiben an die Schulen vorzugehen.          Krankheitsanzeichen wie Husten oder
                                               Schnupfen haben?
                                               Es ist wichtig, den Eltern zu kommunizie-
»Wann es wieder ganz                           ren, dass nach den Vorgaben des BMBWF
 regulären Unterricht gibt,                    Personen mit den entsprechenden Symp-
 wird sehr von den                             tomen nicht in die Schule kommen dürfen.

 zukünftigen Infektions-                       Wer entscheidet, ob Lehrkräfte oder                 Für das Interview verantwortlich:
 zahlen abhängen. «                            Schüler getestet werden?                            Birgit Loidl und Maximilian Egger

                                                                                                                     DAS SCHULBLATT | JUNI 2020   11
Corona-Rückwärts-Prognose

       »Wir werden durch Corona unsere gesamte
        Einstellung gegenüber dem Leben anpassen –
        im Sinne unserer Existenz als Lebewesen
        inmitten anderer Lebensformen. «
           Slavo Zizek im Höhepunkt der Coronakrise Mitte März

                   Die Welt nach Corona

                   Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern
                   werden, wenn die Krise „vorbei” ist

           I   ch werde derzeit oft gefragt, wann
               Corona denn „vorbei sein wird”, und
           alles wieder zur Normalität zurückkehrt.
                                                        Wir werden uns wundern, dass die sozi-
                                                        alen Verzichte, die wir leisten mussten,
                                                        selten zu Vereinsamung führten. Im
                                                                                                       Das Virus brachte eine neue Kultur des
                                                                                                       Langtelefonierens ohne Second Screen
                                                                                                       hervor. Auch die »messages« selbst
           Meine Antwort: Niemals. Es gibt histori-     Gegenteil. Nach einer ersten Schockstar-       bekamen plötzlich eine neue Bedeutung.
           sche Momente, in denen die Zukunft ihre      re fühlten viele von sich sogar erleichtert,   Man kommunizierte wieder wirklich. Man
           Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurka-     dass das viele Rennen, Reden, Kommu-           ließ niemanden mehr zappeln. Man hielt
           tionen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten      nizieren auf Multikanälen plötzlich zu         niemanden mehr hin. So entstand eine
           sind jetzt.                                  einem Halt kam. Verzichte müssen nicht         neue Kultur der Erreichbarkeit. Der Ver-
               Die Welt as we know it löst sich gera-   unbedingt Verlust bedeuten, sondern            bindlichkeit.
           de auf. Aber dahinter fügt sich eine neue    können sogar neue Möglichkeitsräume
           Welt zusammen, deren Formung wir             eröffnen. Wir haben alte Freunde wie-          Wir werden uns wundern, dass schließ-
           zumindest erahnen können. Dafür möch-        der häufiger kontaktiert, Bindungen            lich doch schon im Sommer Medikamente
           te ich Ihnen eine Übung anbieten, mit der    verstärkt, die lose und locker geworden        gefunden wurden, die die Überlebensrate
           wir in Visionsprozessen bei Unternehmen      waren. Familien, Nachbarn, Freunde, sind       erhöhten. Dadurch wurden die Todesra-
           gute Erfahrungen gemacht haben. Wir          näher gerückt und haben bisweilen sogar        ten gesenkt und Corona wurde zu einem
           nennen sie die RE-Gnose. Im Gegensatz        verborgene Konflikte gelöst.                   Virus, mit dem wir eben umgehen müs-
           zur PRO-Gnose schauen wir mit dieser                                                        sen – ähnlich wie die Grippe und die
           Technik nicht »in die Zukunft«. Sondern      Wir werden uns wundern, wie schnell sich       vielen anderen Krankheiten. Medizini-
           von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute.        plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in     scher Fortschritt half. Aber wir haben
           Klingt verrückt? Versuchen wir es einmal:    der Praxis bewährten. Tele- und Video-         auch erfahren: Nicht so sehr die Technik,
                                                        konferenzen, gegen die sich die meisten        sondern die Veränderung sozialer Ver-
           Die Re-Gnose: Unsere Welt im                 Kollegen immer gewehrt hatten stellten         haltensformen war das Entscheidende.
           Herbst 2020                                  sich als durchaus praktikabel und pro-         Dass Menschen trotz radikaler Einschrän-
           Stellen wir uns eine Situation im Herbst     duktiv heraus. Lehrer lernten eine Menge       kungen solidarisch und konstruktiv blei-
           vor, sagen wir im September 2020. Wir sit-   über Internet-Teaching. Das Homeoffice         ben konnten, gab den Ausschlag. Die
           zen in einem Straßencafe in einer Groß-      wurde für Viele zu einer Selbstverständ-       human-soziale Intelligenz hat geholfen.
           stadt. Es ist warm, und auf der Straße       lichkeit – einschließlich des Improvisie-      Die vielgepriesene Künstliche Intelligenz,
           bewegen sich wieder Menschen. Bewegen        rens und Zeit-Jonglierens, das damit ver-      die ja bekanntlich alles lösen kann, hat
           sie sich anders? Ist alles so wie früher?    bunden ist.                                    dagegen in Sachen Corona nur begrenzt
           Schmeckt der Wein, der Cocktail, der Kaf-       Gleichzeitig erlebten scheinbar veral-      gewirkt.
           fee, wieder wie früher? Wie damals vor       tete Kulturtechniken eine Renaissance.
           Corona? Oder sogar besser?                   Plötzlich erwischte man nicht nur den          Wir staunen rückwärts, wieviel Humor
              Worüber werden wir uns rückblickend       Anrufbeantworter, wenn man anrief,             und Mitmenschlichkeit in den Tagen des
           wundern?                                     sondern real vorhandene Menschen.              Virus tatsächlich entstanden ist.

12   JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Corona-Rückwärts-Prognose

                                                                                    Foto: Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com)
                                                                                                                              Die neue Welt nach Corona – oder besser
                                                                                                                              mit Corona – entsteht aus der Disruption
                                                                                                                              des Megatrends Konnektivität. Politisch-
                                                                                                                              ökonomisch wird dieses Phänomen auch
                                                                                                                              »Globalisierung« genannt. Die Unterbre-
                                                                                                                              chung der Konnektivität – durch Grenz-
                                                                                                                              schließungen, Separationen, Abschot-
                                                                                                                              tungen, Quarantänen – führt aber nicht
                                                                                                                              zu einem Abschaffen der Verbindungen.
                                                                                                                              Sondern zu einer Neuorganisation der
                                                                                                                              Konnektome, die unsere Welt zusam-
                                                                                                                              menhalten und in die Zukunft tragen. Es
                                                                                                                              kommt zu einem Phasensprung der sozio-
                                                                                                                              ökonomischen Systeme.
                                                                                                                                 Die kommende Welt wird Distanz
                                                                                                                              wieder schätzen – und gerade dadurch
                                                                                                                              Verbundenheit qualitativer gestalten.
                                                                                                                              Autonomie und Abhängigkeit, Öffnung
                                                                                                                              und Schließung, werden neu ausbalan-
                                                                                                                              ciert. Dadurch kann die Welt komple-
                                                                                                                              xer, zugleich aber auch stabiler werden.
                                                                                                                              Diese Umformung ist weitgehend ein
                                                                                                                              blinder evolutionärer Prozess – weil
                                                                                                                              das eine scheitert, setzt sich das Neue,
                                                                                                                              überlebensfähig, durch. Das macht einen
                      Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com)
                                                                                                                              zunächst schwindelig, aber dann erweist
                                                                                                                              es seinen inneren Sinn: Zukunftsfähig ist
                                                                                                                              das, was die Paradoxien auf einer neuen
Wir werden uns wundern, wie weit die Öko-    die Zukunft« schauen, sehen wir ja meis-                                         Ebene verbindet.
nomie schrumpfen konnte, ohne dass so        tens nur die Gefahren und Probleme »auf
etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich        uns zukommen«, die sich zu unüberwind-                                           Jede Tiefenkrise hinterlässt eine Story,
passierte, der vorher bei jeder noch so      baren Barrieren türmen. Wie eine Loko-                                           ein Narrativ, das weit in die Zukunft weist.
kleinen Steuererhöhung und jedem staatli-    motive aus dem Tunnel, die uns überfährt.                                        Eine der stärksten Visionen, die das Coro-
chen Eingriff beschworen wurde. Obwohl es    Diese Angst-Barriere trennt uns von der                                          navirus hinterlässt, sind die musizieren-
einen »schwarzen April« gab, einen tiefen    Zukunft. Deshalb sind Horror-Zukünfte                                            den Italiener auf den Balkonen. Die zwei-
Konjunktureinbruch und einen Börsenein-      immer am Einfachsten darzustellen.                                               te Vision senden uns die Satellitenbilder,
bruch von 50 Prozent, obwohl viele Unter-        Re-Gnosen bilden hingegen eine                                               die plötzlich die Industriegebiete Chinas
nehmen pleitegingen, schrumpften oder        Erkenntnis-Schleife, in der wir uns selbst,                                      und Italiens frei von Smog zeigen. 2020
in etwas völlig anderes mutierten, kam es    unseren inneren Wandel, in die Zukunfts-                                         wird der CO2-Ausstoß der Menschheit
nie zum Nullpunkt. Als wäre Wirtschaft ein   rechnung einbeziehen. Wir setzen uns                                             zum ersten Mal fallen. Diese Tatsache
atmendes Wesen, das auch dösen oder          innerlich mit der Zukunft in Verbindung,                                         wird etwas mit uns machen.
schlafen und sogar träumen kann.             und dadurch entsteht eine Brücke zwi-                                               Wenn das Virus so etwas kann – kön-
                                             schen Heute und Morgen. Es entsteht ein                                          nen wir das womöglich auch? Vielleicht
Wir werden uns wundern, dass sogar die       »Future Mind« – Zukunfts-Bewusstheit.                                            war der Virus nur ein Sendbote aus der
Vermögensverluste durch den Börsen-              Wenn man das richtig macht, ent-                                             Zukunft. Seine drastische Botschaft lau-
einbruch nicht so schmerzen, wie es sich     steht so etwas wie Zukunfts-Intelligenz.                                         tet: Die menschliche Zivilisation ist zu
am Anfang anfühlte. In der neuen Welt        Wir sind in der Lage, nicht nur die äuße-                                        dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden.
spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die     ren »Events«, sondern auch die inneren                                           Sie rast zu sehr in eine bestimmte Rich-
entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute     Adaptionen, mit denen wir auf eine ver-                                          tung, in der es keine Zukunft gibt.
Nachbarn und ein blühender Gemüse-           änderte Welt reagieren, zu antizipieren.                                         Aber sie kann sich neu erfinden.
garten.                                          Das fühlt sich schon ganz anders an
   Könnte es sein, dass das Virus unser      als eine Prognose, die in ihrem apodikti-                                        System reset.
Leben in eine Richtung geändert hat, in      schen Charakter immer etwas Totes, Ste-                                          Cool down!
die es sich sowieso verändern wollte?        riles hat. Wir verlassen die Angststarre                                         Musik auf den Balkonen!
                                             und geraten wieder in die Lebendigkeit,                                          So geht Zukunft.                                   ■
RE-Gnose: Gegenwartsbewälti-                 die zu jeder wahren Zukunft gehört.
gung durch Zukunfts-Sprung
Warum wirkt diese Art der »Von-Vorne-        Ein Virus als Evolutions­                                                           Anmerkung: Dieser Beitrag wurde redaktionell gekürzt. Die Ori-
                                                                                                                                 ginalfassung finden Sie unter: Horx, Matthias: 48 – Die Welt nach
Szenarios« so irritierend anders als eine    beschleuniger                                                                       Corona. Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern
klassische Prognose? Das hängt mit           Tiefe Krisen weisen obendrein auf ein                                               werden, wenn die Krise „vorbei” ist, https://www.horx.com/48-die-
                                                                                                                                 welt-nach-corona, abgerufen am 22.05.2020.
den spezifischen Eigenschaften unseres       weiteres Grundprinzip des Wandels hin:
Zukunfts-Sinns zusammen. Wenn wir »in        Die Trend-Gegentrend-Synthese.                                                      www.horx.com / www.zukunftsinstitut.de

                                                                                                                                                            DAS SCHULBLATT | JUNI 2020         13
Schul-Barometer

                                  Home–Schooling
                                  Eine Nachlese

           Nachdem digitale Wissensvermittlung und -vertiefung wieder von physischer Realität eingeholt
           wurde, ist eine – länderübergreifende – Bestandsaufnahme angemessen.

                                  Einige bemerkenswerte Länder-                           Was haben die Schüler zu Hause gemacht?
                                  unterschiede
                                                                                                            Aktivitäten in Stunden pro Woche
                                  Information
                                                                                                                 (arithmetisches Mittel)
                                  ■  Die Schulleitungen in der Schweiz fühlen sich bes-
                                                                                                               (Schülerinnen und Schüler)
                                     ser informiert über Aufgaben, die im Rahmen der
           Mag. Wolfgang             Schulorganisation in den nächsten Wochen für sie                     Lesen
           Schwarz                   anstehen, als die Schulleitungen aus Deutschland                      4,10
                                                                                                                                                Lernen und
           ehem. stv. Landes-
                                     und Österreich.                                        Sport zuhause                                      Aufgaben für
           obmann CLV                                                                            4,64                                           die Schule
                                                                                                                                                   17,32
                                  Technische Ausstattung                                     Spielen
                                                                                            mit Familie
                                  ■  Gemäß Angaben der Schulleitungen und Mit-                 4,46
                                     arbeitenden der Schule stehen in der Schweiz
                                     signifikant mehr und in Deutschland signifikant
                                     weniger Ressourcen und technische Kapazitäten            Serien
                                                                                             und Filme
                                     für digitales Lehren bereit als in Österreich.            8,02
                                                                                                                                                Helfen
                                  ■  Gemäß Aussagen der Schülerinnen und Schüler
                                                                                                                                                 5,47
                                     werden in Deutschland weniger Online-Platt-
                                                                                                     PC- und
                                     formen genutzt (31%) als in Österreich und der               Video-Games
                                                                                                       3,99          Videocalls   Chatten
                                     Schweiz (75% bzw. 82%).
                                                                                                                        4,61        6,75
                                  ■  Die Schulleiter der Schulen aus Deutschland
                                     schätzen sich weniger kompetent ein für den
                                     Einsatz digitaler Lehr-Lern-Formen, was mit den      Abbildung 1: Schüleraktivitäten in Stunden pro Woche
                                     Einschätzungen der Eltern sowie der Schülerinnen
                                     und Schüler übereinstimmt.
                                  ■  Die Angaben der Schülerinnen und Schüler zeigen      Ein merkwürdiges, interessantes,
                                     Unterschiede zwischen den Ländern hinsichtlich       evtl. problematisches Ergebnis
                                     der Aussage, von wie vielen Lehrerinnen und          (siehe Abbildung 2)
                                     Lehrern digitaler Unterricht organisiert wird: In    Dem Statement „Ich glaube, ich lerne jetzt mehr als
                                     Deutschland sind dies weniger als die Hälfte, in     im normalen Unterricht“ wurde von nahezu ¼ der
                                     der Schweiz die meisten.                             Befragten(!) zugestimmt.

                                  Kognitive Aktivierung                                   Viele Schülerinnen und Schüler geben an, dass sie in
                                  ■ Gemäß Schulleitungen und Mitarbeitenden der           ihrem eigenen Lerntempo effektiver lernen können.
                                    Schule werden in Deutschland die Aufgaben sig-        Laut den Antworten der Befragten ist dies sowohl
                                    nifikant weniger häufig kontrolliert als in Öster-    ein Vorteil für leistungsstärkere als auch -schwä-
                                    reich und der Schweiz, was mit den Aussagen der       chere Schülerinnen und Schüler. Während ein Teil
                                    Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler über-       der Befragten angibt, nun mehr Zeit für die Ausei-
                                    einstimmt.                                            nandersetzung mit dem Unterrichtsstoff zur Verfü-
                                  ■ Die Schülerinnen und Schüler aus Deutschland          gung zu haben, äußern andere, dass sie nun „mehr
                                    erhalten gemäß eigener Aussage weniger häufig         erledigen können, als in der Masse, in der man sich
                                    differenzierte Hinweise von den Lehrerinnen und       auch an den Langsameren orientieren müsse“„Man
                                    Lehrern zu den bearbeiteten Aufgaben.                 wird nicht durch schwächere Schüler ausgebremst“.
                                  ■ Die Schulleitenden und Mitarbeitenden der Schu-       Weiterhin geben die Schülerinnen und Schüler an,
                                    le aus der Schweiz geben signifikant häufiger als     dass sie durch die Berücksichtigung ihres individu-
                                    ihre deutschen und österreichischen Kolleginnen       ellen Lerntempos weniger Zeitdruck verspüren, mehr
                                    und Kollegen an, dass Schülerinnen und Schüler        Verständnis für die Lerninhalte entwickeln und die
                                    mindestens wöchentlich ein individuelles Coa-         Möglichkeit der individuellen Wiederholung der
                                    ching erhalten.                                       Lerninhalte haben würden.

14   JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Schul-Barometer

Aus den Untersuchungsunterlagen ist freilich nicht
ersichtlich, inwieweit wir es bei jenem zustimmenden             Ich glaube, ich lerne jetzt mehr als im normalen Unterricht
Schülerklientel mit besonders Leistungsbereiten zu                                (Schülerinnen und Schüler)
tun haben, dies ist jedoch naheliegend, zeigt aber                                      trifft zu
                                                                                          12 %
auch die große Chance zu individualisiertem Unter-
richt auf!                                                                                                                       trifft nicht zu
                                                                                                                                       28 %
                                                                   trifft eher zu
Die „Scherenproblematik“                                                 12 %
(siehe Abbildung 3)
Quasi am anderen Ende des Leistungsspektrums
zeigt sich bei einem erheblichen Anteil der Eltern
die Sorge, dass es aufgrund der Schulschließung zu
einem leistungsmäßigen Rückstand des Kindes kom-
men würde. Wie auch inländische Untersuchungen
(z.B. UNI Wien, Prof. Spiel) zeigen, kommt hier der                   teils / teils
                                                                          25 %
soziokulturelle Komplex zum Tragen, der bildungs-                                                                           trifft eher nicht zu
                                                                                                                                    23 %
ferne und überlastete Eltern, gepaart mit engen
Wohnverhältnissen, ungenügende bzw. fehlende
Anbindung an das Internet und geringe Chance auf        Abbildung 2: Lernfortschritte
ungestörten Arbeitsplatz repräsentiert.

Verständnis der Eltern
Von den Lehrkräften an den Schulen werden zahlrei-                       Sorge der Eltern, dass ihre Kinder zurückbleiben
che positive Reaktionen von Seiten der Eltern wahr-                                           (Eltern)
genommen. So gibt die überwiegende Mehrheit der
                                                                                       trifft zu
Befragten an, dass die Eltern Dankbarkeit gegenüber                                      17 %                                 trifft nicht zu
den intensiven Bemühungen und dem Engagement                                                                                        22 %

der Lehrerinnen und Lehrer ausdrücken. Dieses
bezieht sich vor allem auf die unkomplizierte und
flexible Umstellung auf das Home-Schooling, die
Bereitstellung von Materialien und Arbeitsaufträgen,             trifft eher zu
die gute Erreichbarkeit sowie die schnelle, persön-                    16 %

liche und verständnisvolle Informations- und Kom-
munikationskultur. Diese Dankbarkeit wird etwa im
Rahmen von E-Mails, Telefonaten, Videobotschaften                                                                                     trifft eher nicht zu
                                                                                                                                              20 %
oder Dankesbriefen sowie kleinen Aufmerksamkeiten
ausgedrückt.
                                                                                      teils / teils
                                                                                          25 %
Anhand der offenen Angaben der Mitarbeitenden,
Schulleitungen und Schulverwaltungen wird deut-         Abbildung 3: Elternsorge
lich, dass durch die aktuelle Situation eine Aufwer-
tung des Lehrerberufs angestoßen werden könnte,
weil die Tätigkeiten und täglichen Anforderungen        ■   Schülerinnen und Schüler stärker beteiligen
der Lehrerinnen und Lehrer positiv hervorgehoben        ■   Austausch zwischen Lehrerinnen und Lehrern und
werden und Anerkennung erfahren. Lehrerinnen und            Schülerinnen und Schülern ist wichtig: Lehrerin-
Lehrer geben an, dass ihr Engagement wahrgenom-             nen und Lehrer sollen erreichbar sein und Kontakt
men werde und sie viel Lob und Wertschätzung von            initiieren
den Eltern erfahren würden. Die positiven Reaktio-      ■   Weniger und andere Lerninhalte
nen der Eltern reichen von „ihr seid Gold wert“ bis     ■   Medienkompetenz (und weitere Metakompeten-
„höchsten Respekt vor Ihnen, dass Sie es mit Kindern        zen) zum Unterrichtsthema machen
wie meinem Sohn den ganzen Tag aushalten“. Auch         ■   Arbeitsaufträge sinnvoll gestalten
aus Sicht der Schulverwaltung herrscht bei den Eltern   ■   Feedback zu Lernergebnis und Lernprozess ein-
die Wahrnehmung „oha, die Schule leistet was“.              holen und geben
                                                        ■   Analoge und digitale Medien / Methoden zielori-
Empfehlungen zur Gestaltung digitaler                       entiert kombinieren                           ■
Lehr- und Lernarrangements
Aufgrund zahlreicher Einzelergebnisse gelangen die
Studienautoren zu folgenden Empfehlungen:
■  Digitaler Unterricht mit Maß und Ziel: Überforde-
   rung vermeiden und Druck reduzieren
                                                        Quelle: COVID-19-aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung
■  Individuelle Voraussetzungen, insbesondere das       Vlg. Waxmann; S.G. Huber et al.
   Alter und mögliche Einschränkungen, beachten         https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4216

                                                                                                                                        DAS SCHULBLATT | JUNI 2020   15
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