Schule in Zeiten von Corona - CLV
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Zeitschrift des Christlichen Lehrervereins für Oberösterreich JUNI 2020 das Schulblatt Schule in Zeiten von Corona Lehrerinnen und Lehrer erzählen Schulbarometer Zum Vorplanen Die Schule ist „zu“, die Kids daheim – Home-Schooling Das neue CLV-Seminar- Schule in Zeiten von Corona Eine Nachlese programm 2020/2021
REISEN 2020 TERMINVERSCHIEBUNG AUFGRUND TERMIN DER CORONA-KRISE AUF DIE HERBSTFERIEN 26. - 30. Oktober 2020 ANMELDUNGEN SIND NOCH MÖGLICH (Herbstferien) MALTA & REISEBEGLEITUNG Johanna Müller & Walter Wernhart GOZO PAUSCHALPREIS IM DOPPELZIMMER € 1.198,- p.P. EZ-Aufpreis: € 120,- PROGRAMMABLAUF 1. Tag: Anreise - Valletta 2. Tag: Gozo 3. Tag: Mosta - Rabat - Mdina 4. Tag: Freizeit oder Fakultativausug Blaue Grotte - Marsaxlokk - Hagar Qim 5. Tag: „3 Städte“ - Hafenrundfahrt - Heimreise Detailprogramm & Informationen: Ansprechpartnerin bei Moser Reisen: Frau Johanna Müller, 0664 / 1320 469, j.mueller@eduhi.at Frau Simone Pargfrieder, Tel. 0732 / 2240-16, pargfrieder@moser.at TERMINVERSCHIEBUNG TERMIN AUF ANFANG FEBRUAR 2021 Anfang Februar 2021 CHILE & REISEBEGLEITUNG Johanna Müller ARGENTINIEN HIGHLIGHTS • Santiago de Chile • Valparaíso • Weinanbaugebiet Casablanca-Tal • Atacama Wüste • El Tatio Geysire • Vulkan Villarrica und Osorno • Petrohue Wasserfälle • Patagonien mit Perito Moreno Gletscher & Torres del Paine Nationalpark • Buenos Aires Detailprogramm & Informationen: Ansprechpartnerin bei Moser Reisen: Frau Johanna Müller, 0664 / 1320 469, j.mueller@eduhi.at Frau Simone Katzensteiner, Tel. 0732 / 2240-34, katzensteiner@moser.at 4010 Linz, Graben 18 Tel. 0732 / 2240, office@moser.at www.moser.at
Editorial Corona! Was bleibt? S eit März 2020 ist in den Schulen nichts mehr, wie es einmal war: Von einem Tag auf den anderen wurde der Präsenzunterricht heruntergefahren und richt Ungleichheiten verstärkt und dass Eltern die Leistung der Lehrkräfte sehr zu schätzen wissen. es musste eine Betreuungsstruktur aufgebaut und Eine Erkenntnis der Studie ist auch, dass digitales Distanzunterricht organisiert werden. Vieles musste Handwerkszeug für Schulen noch selbstverständ- aus dem Nichts erfunden, geplant und organisiert licher werden muss. Daran führt kein Weg vorbei. werden und dies vor dem Hintergrund unsicherer Gleichzeitig zeigen die letzten Wochen aber auch, und immer wieder wechselnder Rahmenvorgaben. dass die Lehrperson Zentralfaktor für kindliche Ent- Maximilian Egger Flexibilität, Kreativität und Anpassungsfähigkeit wicklung ist. Beim Distanzlernen fehlt das menschli- Redaktionsleitung waren gefragt. che Gegenüber – Unterricht ist aber in hohem Maße Beziehungssache. Wie ein Lehrer mit der Klasse Fra- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit brauchte auch gen diskutiert und sich jede/r „live“ einbringen kann, die Schulblattredaktion. Viele Artikel konnten nicht wie er Schwächere einfühlsam zu weiterem Bemü- wie geplant umgesetzt werden. Dafür wurden neue hen ermuntert, wie er von einem Thema begeistert Beiträge online diskutiert und integriert. Lesen Sie bei- ist – das vermag keine Lern-App, das ist durch keine spielsweise im Beitrag »Lehrerinnen und Lehrer erzäh- Videokonferenz ersetzbar. len«, wie unterschiedlich Unterricht in Corona-Zeiten ausgesehen hat und was wichtige Erfahrungen waren. Versäumen wir also nicht, nach dem Corona-Schock Im Beitrag »Home-Schooling« stellen wir Ergebnisse zu fragen, welche Erfahrungen wir wirklich behalten des Schul-Barometers vor, mit dem Wissenschaftler wollen. Die Antwort darauf sollte jedenfalls daten Daten zur aktuellen Situation an Schulen sammeln. basiert sein – und nicht nur das Bauchgefühl wider- Die Studie zeigt unter anderem, dass Distanzunter- spiegeln „Hat doch eh ganz gut funktioniert“. Titelbild: Newman Studio / AdobeStock Inhalt 4 Mein Standpunkt 14 Home–Schooling 28 Krieg macht Schule Schule und Corona: Zwischenbilanz Eine länderübergreifende Nachlese Das Jahr 1945 im Spiegel der Schulen 6 Lehrerinnen und Lehrer 17 Schule in Bewegung erzählen Digitale Klassen der MS Taiskirchen 31 Bildungsstandards Schule in Zeiten von Corona Tolles Ergebnis in Englisch 19 Let’s get digital! 9 Bildungsdirektion Unterricht in Zeiten von Corona? 33 Bildungspolitik BD Alfred Klampfer am Wort Sieben Fragen an Landeshaupt- 21 CLV-Steckbrief mann Stelzer 10 Schulblatt-Interview Petra Praschesaits ganz persönlich Gertrude Jindrich im Gespräch 36 Christian HAUBNER 27 Fortbildung Plädoyer wider die Lehrer-App 12 Corona-Rückwärts-Prognose CLV-Seminarprogramm 2020/2021 Zukunftsforscher Matthias Horx 38 Aus den Sektionen Impressum Medieninhaber und Herausgeber: Christlicher Lehrerverein für Oberösterreich (CLV), Stifterstraße 23, 4020 Linz; E-Mail: office@clv.at; Schriftleiter und verant- wortlicher Redakteur: Maximilian Egger, MA; Redaktion: Michael Andexlinger, Georg Moser, Birgit Loidl, Sabine Strack, Mag. Wolfgang Schwarz, Michael Weber; Redaktionssek- retariat: Bernhard Trauner (0732/77 68 67), Maria Pauleder; Anzeigenleitung: Bernhard Trauner (0732/78 22 66); Erscheinungsort: Linz, Verlagspostamt 4020 Linz, P.b.b.; Offenlegung lt.§ 25 Mediengesetz: Die grundlegende Richtung des „Schulblattes“ ergibt sich aus den Satzungen des Christlichen Lehrervereins. DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 3
Standpunkt Paul Kimberger Mein Standpunkt Schulen in Zeiten der Pandemie Z uallererst: Ein herzliches Dankeschön für Ihren wesentlichen Beitrag und die großartige päd- agogische und organisatorische Arbeit der letzten bevor“. Doch er wurde – außer in politischen Sonntags- reden – bis heute nicht wirklich gemacht. Schon vor 25 Jahren gab es leidenschaftliche Diskussionen, ob das Wochen zur Bewältigung der Krise in unserem Land! „Lernen mit der Maus“ in der Volksschule sinnvoll sei. Die Schule hat aus meiner Sicht einmal mehr ein- Gleichzeitig fantasierten einige mit einer Mischung aus drucksvoll bewiesen, dass man sich auch in Ausnah- Faszination und Grauen über die Schule der Zukunft mesituationen auf sie verlassen kann. Trotz unklarer und waren sich sicher, dass der „total vernetzte Etappenpläne, sich widersprechender Informations- Schüler“ nicht mehr allzu fern sei. schreiben, unzumutbarer Zeitleisten, administrativer Mehrbelastung und oft unzureichender Sicherheits- Technologische Fortschritt ging fast vorkehrungen schaffen wir es, unsere Schülerinnen spurlos vorbei und Schüler gut durch diese Diese Vision entsprach nun tatsächlich dem päda- schwierige und herausfor- gogischen Alltag in der Zeit des Lockdowns. Grund »Ich bin sicher, in wenigen dernde Zeit zu bringen. Alle, dafür war allerdings nicht der fortschrittliche Wandel Wochen werden sich sämtliche die in diesem System arbei- in unseren Schulen, sondern das Corona-Virus. Diese ten, haben große Anerken- rasante Entwicklung kann aber nicht vertuschen, Eltern einig sein: Wir haben die nung und hohe Wertschät- dass der technologische Fortschritt der vergangenen besten Schulen der Welt.« zung verdient. Dass das Jahrzehnte an vielen Klassenzimmern fast spurlos nicht alle so sehen, bedau- vorbeigegangen ist. Die Krise hat die Versäumnisse (Klaus Eckel, Kabarettist und Vater, „Teachme, ere ich sehr. der derzeitigen Krisenmanager nun gnadenlos auf- if you can“, Kurier vom 22. März 2020.) Doch nun zu einer span- gedeckt. In vielen Schulen fehlt es an Ausstattung, nenden Frage: Wird Schule Infrastruktur, Programmen und Konzepten – ein nach Corona digital? Man Mangel, den die Betroffenen (Schulleiterinnen und chattete mit seinen Schülern, diese lernten mit Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen webbasierten Tools, die nächste Unterrichtsein- und Schüler, Eltern) schon seit Jahren mit enormer heit wurde als Video im Netz hochgeladen und Anstrengung, bewundernswertem Aufwand und Lernmaterialien standen auf Online-Plattformen selbst finanzierten Eigeninitiativen zu beheben ver- für die Klasse bereit. Seit das Virus überfallsartig suchen. Wäre dem nicht so, hätte in dieser Phase Home-Schooling und Distance-Learning notwen- pädagogisch recht wenig funktioniert. dig gemacht hat, sprießen geradezu die Ideen für neue digitale Unterrichtskonzepte. In kürzester Zeit Home-Schooling und Distance-Learning entstanden Kommunikationswege, die vorher nicht Zugegeben, diese noch nie dagewesene Ausnahme- oder nur ansatzweise vorhanden waren. Ob diese situation ist mit einem normalen Schulalltag, wie wir Ausnahmesituation der Digitalisierung des Schul- ihn kennen, nicht zu vergleichen. Home-Schooling betriebs nun den Schub verleihen wird, den das und Distance-Learning können nur eine Übergangs- Bildungswesen seit Jahrzehnten bräuchte, bleibt lösung sein und es ist im Interesse aller Beteilig- allerdings abzuwarten. ten, diesen Zustand möglichst kurz zu halten, was natürlich wiederum von der weiteren Entwicklung Lernen mit der Maus der Infektionszahlen abhängen wird. Für ein end- Der Ruf nach technologischem Fortschritt ist alt. Älter gültiges Resümee in dieser im wahrsten Sinne des sind mancherorts nur die Computer, die den Schülerin- Wortes verrückten Zeit ist es noch zu früh. Trotzdem nen und Schülern zur Verfügung stehen, wenn sie denn gibt es bereits jetzt Erkenntnisse, von denen einige überhaupt vorhanden sind. Der Schritt in das digitale für die Weiterentwicklung von Schule – auch nach Zeitalter steht jedenfalls seit Jahrzehnten „unmittelbar der Krise – von Bedeutung sein könnten. 4 JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Standpunkt Kinder vermissten Klassenkameraden Einige Fragen warten zudem noch auf überzeugende Eines scheint klar zu sein: Je älter Schülerinnen und Antworten. Kann die Chancengerechtigkeit gewähr- Schüler sind, desto digitaler kann Unterricht werden. leistet werden, wenn Schülerinnen und Schüler nicht Das liegt nicht primär an der technologischen Affini- persönlich anwesend sind? Lassen sich Prüfungen tät der Kinder, nein, den Unterschied macht viel mehr aus der Ferne auf digitalem Weg so durchführen, deren Entwicklungsstand aus. In den Volksschulen dass auch alle Kriterien der Leistungsbeurteilung zeigte sich schon in den ersten Tagen der Krise, berücksichtigt werden können? Wie ist der Daten- dass der direkte Kontakt unersetzlich ist. Viele Kin- schutz zu gewährleisten, bei dem in der überstürz- der dieser Altersgruppe vermissten schmerzlich ihre ten Phase der Schulschließungen doch einige Lücken Klassenkameraden genauso wie ihre Klassenlehrerin offensichtlich wurden? bzw. ihren Klassenlehrer. Die digitale Kommunikati- on erfordert nämlich ein Abstraktionsvermögen, das Ausnahmesituation fordert Beteiligte gerade in der Primarstufe noch nicht vorausgesetzt Zu guter Letzt: Es ist für mich großartig und bemer- werden kann. Später sieht die Sache dann schon kenswert, was Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterin- anders aus. Viele Jugendliche wissen es zu schätzen, nen und Schulleiter, Schülerinnen und Schüler sowie dass ihnen – wenn auch gezwungenermaßen – mehr ihre Eltern in den Wochen der Krise vielerorts leisten. Verantwortung zukommt. Besonders das projekto- Die Ausnahmesituation erfordert von allen Beteilig- rientierte Lernen fördert sowohl das selbständige ten Flexibilität, Spontanität und Disziplin – eine Her- Planen und Organisieren als auch die individuelle ausforderung, die auf beeindruckende Art und Weise Zeiteinteilung. Das sind Fähigkeiten, die später an gemeistert wird. Außerdem dürfte in vielen Haus- der Universität oder im Berufsleben unerlässlich halten dabei auch die Achtung vor der tagtäglichen sind. Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern erheblich gestie- gen sein. Es bleibt zu hoffen, dass wir irgendwann auf Grenzen der digitalen Technologien die Zeit der Corona-Krise zurückblicken und nicht wurden aufgezeigt nur Negatives, sondern auch viel Positives und einen Die Entwicklungen der letzten Wochen wecken trotz längst fälligen technologischen Fortschritt erkennen. aller Turbulenzen nun große Erwartungen, die von uns aber noch richtig eingeordnet werden müssen. Science-Fiction Dass multimediale Unterrichtsformen Motivation Wenn der Ausnahmezustand einmal vorbei sein wird und Lernerfolg steigern können, ist anzuerkennen. und unsere Kinder und Jugendlichen alle gemeinsam Dass webbasierte Plattformen zum Austausch von (ohne Schichtbetrieb, Schutzmasken und Abstands- Lernmaterialien auch nach Corona nützlich sein regeln) in die Klassenzimmer zurückkehren, wird werden, zeichnet sich ab. Doch die Ausnahmesitu- trotzdem wieder vieles so sein wie vorher – und das ation zeigt auch, wo die Grenzen der digitalen Tech- ist gut so! Die Vorstellung, dass Schule ausschließ- nologien sind. Die Klassengemeinschaft ist nach wie lich am Computer stattfindet, war schon vor mehr als vor das entscheidende soziale Gefüge – das gilt für 20 Jahren nicht mehr als Science-Fiction. Das sollte einen 6-jährigen Volksschüler genauso wie für eine auch in Zukunft so bleiben! 18-jährige Maturantin. Schule ist weit mehr als ein Ort der Wissensvermittlung und aus diesem Grund Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien schöne und wird die physische Anwesenheit für viele mensch- erholsame Sommerferien. Bleiben Sie bitte gesund liche Interaktionen sinnvoll und nicht zu ersetzen und genießen Sie trotz Corona eine angenehme Zeit sein. Wer einmal mit 20 Leuten eine Diskussion im der Muße und Entspannung ■ virtuellen Raum geführt hat, sehnt sich schnell in einen analogen Raum mit vier Wänden zurück. Ihr Deshalb müssen wir moderne Technologien weiter forcieren, aber nur differenziert und dosiert dort einsetzen, wo auch ein pädagogischer Mehrwert zu erwarten ist. Paul Kimberger PS: Zur medialen Berichterstattung über mich und meine Aussagen zu den schulautonomen Tagen gestatten Sie mir bitte eine Bemerkung: Mir ging es in Wirklichkeit gar nicht so sehr um den Wegfall der sogenannten „Fenstertage“, weil Lehre- rinnen und Lehrer gerne bereit sind – so wie in den Osterferien – auch weiterhin ihren zusätzlichen pädagogischen und organisatorischen Beitrag für unsere Gesellschaft und unser Land zu leisten. Diese Lösung wäre in Zeiten der Corona-Krise auch die geeignete gewesen und kein einseitiger, ministerieller Eingriff in unser Dienstrecht über die Medien, der vielleicht nie mehr zurückgenommen wird. In Wirklichkeit geht es aber schon länger um wesentlich mehr und ich verweise auf unglaubliche, bis jetzt noch nie dagewesene schulische Gedankenspiele, die Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung, in seinem Leitartikel vom 25. April 2020 mit dem Titel „Unterricht am Nachmittag, keine autonomen Fenstertage, Sommer-Lerncamp: So geht Schule. Danke, Krise!“ beschreibt. Der Applaus von verschiedenen Seiten war ihm sicher und die Realisierung hat bereits begonnen! DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 5
Lehrerinnen und Lehrer erzählen Schule in Zeiten von Corona Die Schule ist „zu“, fast alle Kids sind daheim. Wie arbeitest du jetzt? Raphael Tobisch, NMS-Lehrer Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer Die Kinder bekommen entweder täglich oder Ich stellte den Kindern jeden Tag um 8:00 Uhr neue Übungen gesammelt in Form eines Arbeitsplanes Lernunter- auf die selbsterstellte Homepage. Die Übungen waren mehr- lagen auf die selbsterstellte Homepage. Wichtig ist mals verlinkt, auch auf der offiziellen Schulhomepage. Die mir dabei, dass ich täglich für die Kinder erreichbar Kinder bekamen jeden Tag kurze Inputs via selbstgedrehten bin, um etwaige Fragen zu beantworten. An man- Videos, die ich ungelistet, also nur für Link-Inhaber/innen chen Tagen biete ich eine Videokonferenz an, in sichtbar, online stellte. Die Schülerinnen und Schüler hatten der Fragen gestellt werden können, Arbeitsaufträge dann bis 16:25 Uhr Zeit, die Übungen abzugeben und Feedback verglichen werden und über den Alltag der Kinder zu erhalten. Bei Kindern, die erst einige Wochen in Österreich gesprochen werden kann. waren (Deutschförderklasse), geht das Online-Lernen sehr mühsam voran. Diese wenigen Kinder können sich die Aufga- ben in vereinfachter, gedruckter Form in der Schule abholen. Birgit Loidl, VS-Lehrerin Bei Fragen können sie mir via WhatsApp schreiben, mich anru- Da zurzeit keine Kinder in meiner Schule sind, fen, mir E-Mails schreiben etc. arbeite ich im Moment von zu Hause aus und bin telefonisch auf Abruf, falls ich für die Betreuung von Kindern benötigt werde. Ich kann mich Patrick Peisl, PTS-Lehrer glücklich schätzen ein eigenes Büro zu Hause zu Meine Kolleginnen und Kollegen und ich stellen die haben, in dem ich ungestört arbeiten kann. Aufgaben auf Moodle, damit ist eine gewisse Über- sicht gewährleistet und die Schülerinnen und Schüler können die erledigten Aufgaben auf die Plattform David Hiegelsberger, MS-Lehrer hochladen. Zusätzlich habe ich einen Youtube-Kanal Im Moment bin ich einmal in der Woche in der gestartet, auf dem ich meinen Schülerinnen und Schule anwesend und betreue gemeinsam mit Schülern mathematische Inhalte erkläre. meiner Direktorin und zwei weiteren Kolleginnen und Kollegen Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht betreut werden können. Darüber hin- Melanie Birner, VS-Lehrerin aus machen wir Journaldienst. Das Schulgebäude Ich erstelle pro Woche einen Plan mit täglichen Aufga- ist tatsächlich fast leer, die Arbeit hat sich jedoch ben, die die Kinder zu Hause erledigen müssen. Diese ausschließlich in die digitale Welt verlagert und Pläne beinhalten Deutsch, Mathematik und Sachun- verlangt auch einiges ab. terricht. Für die anderen Gegenstände habe ich eine Klassenpinnwand angelegt und ich lade für Musik, Eng- lisch, Bildnerische Erziehung, Bewegung und Sport oder Günter Pilz, MS-Lehrer Werken Aufgaben, Videos auf die Pinnwand. Auch für Zu Hause vor dem Computer, meist Deutsch, Mathematik und Sachunterricht gibt es zusätz- von 7:00 in der Früh bis zur letzten liche Übungsmöglichkeiten, Videos, etc. Weiters gibt es Frage der Kinder (die einmal um 3:16 immer eine Aufgabe des Tages (etwas Sportliches, etwas Uhr gesendet wurde!). Ich habe eine das zum Unterricht passt, Kuscheln mit Mama, etc.), diese Webseite erstellt, auf welche ich täglich ist aber freiwillig. Weiters habe ich zusätzliches Übungs- Aufgaben für die Kinder der verschie- material auf einer Dropbox, das sich die Eltern jederzeit denen Klassen hochlade. herunterladen können. 6 JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Mehr als acht Wochen fand kein regulärer Unterricht statt. Maximal drei Arbeitstage hatten Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler Zeit, sich auf diese gravierende Veränderung vorzubereiten und gangbare Lösungen zu finden. Wie Unterricht in Zeiten von Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen aussehen kann und was die wichtigsten Learnings dieser Tage sind, haben uns Junglehrerinnen und Junglehrer aus unterschiedlichen Schulen in Oberösterreich beantwortet. Was funktioniert gut? Was ist herausfordernd? Raphael Tobisch, NMS-Lehrer Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer Die Umstellung auf das Distance Learning gestaltete sich am Anfang Die meisten Kinder lernen schnell und es schwer, da fast alle Kinder nur ihr eigenes Handy nutzen konnten, da ist toll zu sehen, dass wirklich fast alle sehr kein PC im Haushalt vorhanden war. Erfreulich ist jedoch, dass sehr schnelle Fortschritte zeigen, was den digi- viele Kinder schnell Fortschritte im Umgang mit dem digitalen Aus- talen Austausch betrifft. Im EDV-Unterricht tausch machten. Bei einer großen Anzahl an Kindern, ist es sehr heraus- war es in unserer Schule meist mühsam, fordernd alle Kinder täglich zu erreichen und sich mit ihnen auszutau- E-Mail-Konten zu erstellen, Video-Konfe- schen. Möglich ist es, jedoch muss hier sehr viel Zeit investiert werden. renzen einzurichten oder einfach online mit Neuer Stoff in Mathematik muss sehr heruntergebrochen werden, da den Schülerinnen und Schülern in Kontakt hier einfach der persönliche Kontakt fehlt, welcher mit Videokonferen- zu sein. Jetzt in dieser schwierigen Zeit sieht zen nicht aufgehoben werden kann. Einfache Grundlagen können den man aber, dass man in der Not sehr schnell Kindern aber durchaus beigebracht werden. lernt oder halt lernen muss. Herausfordernd sind aber auch ebendiese Dinge bei einigen Kindern. In manchen Haushalten gibt es Birgit Loidl, VS-Lehrerin keine PCs/Laptops oder Tablets. Positiv empfinde ich das Angebot an Lernplattformen und Apps (Anton, Klassenpinnwand, Onilo,…), die ich für mich neu entdecken konnte und die von einigen meiner Schülerinnen und Schüler gerne in Anspruch genommen werden. Leider mangelt es an digitalen Endgeräten, Patrick Peisl, PTS-Lehrer die meinen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen. Da ich an einer Schule mit einem Gut funktioniert die Kommunikation der hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund arbeite, ist die Kommunikation mit den Schülerinnen und Schüler, die motiviert Eltern nicht immer einfach. Oftmals werden E-Mails nicht verstanden oder Deadlines nicht und fleißig sind. Herausfordernd sind die eingehalten. Ständig muss ich daher mit den Eltern telefonisch Kontakt aufnehmen. Zudem Schülerinnen und Schüler, die sich noch können die Eltern den Kindern teilweise bei den Arbeitsplänen nicht helfen. Dadurch schreibe nie oder nur selten gemeldet haben bezie- ich ihnen jeden Arbeitsschritt genau auf, versuche mit Lernvideos und Fotos von Tafelbildern hungsweise keine Aufträge erledigen. Der die Arbeitsaufträge zu verdeutlichen. Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand und die persönliche Kontakt und auch das direkte Schülerinnen und Schüler nehmen dabei die Arbeitsaufträge leider unterschiedlich ernst. Ich Feedback der Schülerinnen und Schüler im befürchte, dass am Ende dieser Krise das Leistungsniveau stark variieren wird. Unterricht fehlt mir persönlich am meisten. Melanie Birner, VS-Lehrerin David Hiegelsberger, MS-Lehrer Herausfordernd ist, dass man als Leh- Sehr gut funktionierte bei uns die Umstellung. Innerhalb eines Tages wurden rer die Situation zu Hause meist nicht die Kinder in Crashkurs-Manier mit Mail, Cloud und Teams Lösungen vertraut einschätzen kann. Sind die Eltern zu gemacht. Ein sehr großer Teil der Kinder und Eltern arbeitet grandios mit diesen Hause, sind noch kleinere Geschwis- technischen Hilfsmitteln und braucht kaum Hilfe. Herausfordernd sind Korrek- ter da, die nicht lernen müssen, müs- turarbeiten in jpeg, pdf oder png Format, das lässt sich oft nicht vermeiden. sen die Eltern Home-Office machen, sind die Kinder motiviert, wie lange brauchen sie, etc. Man muss sich auf Günter Pilz, MS-Lehrer die Infos der Eltern verlassen. Ich Fordernd ist die Notwendigkeit der ständigen Präsenz, wenn die unterrichte an einer Volksschule im Kinder Fragen haben. Ich bemühe mich, diese immer so schnell wie Mühlviertel und denke, dass in meiner möglich zu beantworten, damit die Kinder dann auch weiter arbeiten Klasse die meisten Kinder eine ange- können. Schwierig war am Anfang die Kinder davon zu überzeugen, nehme Lernsituation zu Hause haben, dass keine Ferien sind und sie die Aufgaben erledigen müssen. Aber das finde ich sehr beruhigend. mit ein bisschen Einsatz von allen Seiten funktioniert es ganz gut. DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 7
Lehrerinnen und Lehrer erzählen Wie bist du mit deinen Schülerinnnen und Schülern in Kontakt? Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer Raphael Tobisch, NMS-Lehrer Angedacht war der Kontakt via E-Mail. Das funktionierte sehr Eigentlich wollte ich via E-Mail mit den Kindern in Kontakt bleiben. schleppend, weshalb ich ziemlich schnell auf WhatsApp und Co. Auf diese Art habe ich aber leider kaum Rückmeldungen von den umgestiegen bin. Die Kinder konnten mich privat fragen und ich Kindern bekommen und der Austausch war nur sehr selten gegeben. leitete ihnen auch Aufgaben weiter. Die Aufgaben selbst wurden Deshalb bin ich nach einer Woche auf WhatsApp umgestiegen und auf der selbsterstellten Homepage veröffentlicht. erreichte nun 99 Prozent meiner Schülerinnen und Schülern. Birgit Loidl, VS-Lehrerin Patrick Peisl, PTS-Lehrer Ich bin per E-Mail und über die Klassenpinnwand mit den Schülerinnen Über Moodle, E-Mail, meinen Youtube- und Schülern in Kontakt. Die Kinder erhalten analog einen strukturierten Kanal und bei konkreten Fragen habe Wochenplan, der digital mit Lernvideos und Fotos unterstützt wird. ich auch schon mit meinen Schülerin- nen und Schülern geskypt. Günter Pilz, MS-Lehrer Wir haben eine WhatsApp-Gruppe über welche 95 Prozent Melanie Birner, VS-Lehrerin der Kommunikation läuft. Manchmal rufe ich auch bei den Ich bin über die App „Hallo Lehrer“ über die Schülerinnen und Schülern an, sende voice mails etc. Eltern mit den Kindern in Kontakt. Ich schreibe mit der Hand einen Brief an die Kinder, mache ein Foto und schicke dieses den Eltern. Die Kinder David Hiegelsberger, MS-Lehrer schreiben mir dann zurück, beantworten Fragen, Mittlerweile fast ausschließlich über Microsoft Teams. Das funktioniert wunder- erzählen mir etwas, stellen mir Fragen, etc. Und ich bar. Neben Aufträgen und Abgaben kann ich hier auch per Chat, Anruf oder auch antworte dann wieder. Diese Form des Kontakts Videochat mit den Kindern kommunizieren. Schwierige Inhalte oder Neues wird finde ich gerade in einer 1. Klasse Volksschule sehr dann auch bei tatsächlichen Online Meetings in dieser App per Videochat bespro- schön. Ich erhalte auch viele Fotos, was die Kinder chen. Für jetzt ist das schlichtweg eine tolle Möglichkeit. machen, etc. und freue mich immer sehr. Was ist dein persönliches Distance-Learning-Highlight? Raphael Tobisch, NMS-Lehrer Jürgen Lengauer, NMS-Lehrer Birgit Loidl, VS-Lehrerin Lob von den Kindern und Eltern, dass wir Die persönliche, positive Rückmeldung einiger Meine Schüler/innen schicken unsere Arbeit gut machen. Viele Eltern Schülerinnen und Schüler sowie auch seitens der mir persönliche Nachrichten und waren sehr zufrieden, wie wir mit ihren Eltern. Da freut man sich in Zeiten wie diesen beson- Fotos. Darüber freue ich mich Kindern in Zeiten wie diesen in Kontakt ders und man weiß, dass man etwas richtig macht. immer besonders. standen. Günter Pilz, MS-Lehrer David Hiegelsberger, MS-Lehrer Das Vertrauen, welches mir die Kinder Schöne Momente gibt es im Distance-Learning auch bei nichtschulischen Themen entge- immer wieder, mein absolutes Highlight ist jedoch genbringen. Eine Collage, die wir gemein- der starke Wille der Kinder, technische und schu- sam mit den Schülerinnen und Schülern lische Probleme selbst lösen zu wollen und der gemacht haben. Stolz, wenn sie es geschafft haben. Das freut mich immer sehr. Melanie Birner, VS-Lehrerin Auf meiner Klassenpinnwand gibt es jeden Tag eine Aufgabe des Tages. Einige Patrick Peisl, PTS-Lehrer Kinder schicken mir dann Fotos oder Videos, wie sie diese Aufgabe erledigen. Manche Aufgaben werden von den Schüle- Man sieht, wie es ihnen Spaß macht und das finde ich toll. Weiters finde ich es rinnen und Schülern grafisch verschönert. auch schön, dass die Eltern die Kinder beim Schicken von Fotos und Schreiben Ich habe auch schon positive Rückmel- der Briefe so unterstützen, sich auch die Eltern mit persönlichen Worten an mich dungen bezüglich meiner online gestellten wenden und wir alle in Kontakt bleiben. Mein persönliches Highlight ist, dass wir Videos erhalten, dass diese zum Verständnis ALLE (Kinder, Eltern und ich) uns schon wieder sehr auf die Schule freuen. der Inhalte beitragen. ■ 8 JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Bildungsdirektion Corona hat Ansehen unseres Berufsstandes gesteigert D as Corona-Virus hat unser Leben auf den Kopf gestellt und für uns alle an den Schulen in Oberösterreich eine vollkommen diametrale Ära eingeleitet. Innerhalb kürzester Zeit mussten wir uns abschotten, umstellen auf Distance Learning, sonst so wichtige Termine wurden belanglos, Begrüßungsritua- le neu erfunden, Videobotschaften ersetzen den persönlichen zwischenmenschlichen Kontakt, die Schulen wurden fast men- schenleer und in vielen Bereichen werden wir belehrt, dass es so – nämlich anders – auch geht. Im Tagestakt, manchmal sogar im Stunden- takt, haben sich Situationen geändert und es » Schule ist nicht nur mussten adäquate Entscheidungen getroffen mit der Gesellschaft eng werden. Oder es durften Presseankündigungen interpretiert, manchmal revidiert und mit den verwoben, sondern sie fast 20.000 Lehrerinnen und Lehrern in unse- ist ein Teil davon. « rem Bundesland kommuniziert und umgesetzt werden. Und so nebenbei musste das „Tagesge- schäft“, soweit es das noch gab, aufrecht erhalten werden, ganz zu schweigen vom neuen Tagesgeschäft der Beantwortung von vielen Fragen, die sich aufgrund der Lage ergaben. Heraklit von Ephesos hat vor ca. 2500 Jahren behauptet, dass nichts so beständig ist wie der Wandel. Wie Recht er doch hatte. Dass der Wandel aber so rasant gehen kann, damit hat auch Bildungsdirektor dieser Herr aus Kleinasien nicht rechnen können. HR Mag. Dr. Alfred Klampfer, B.A. Starres Schulsystem? Gemeinsam haben wir vieles geschafft, manches ganz einfach, manches mit etwas Holpern aber alles mit riesigem Engagement Daher möchte ich mich bei Ihnen allen bedanken: für ihren Einsatz, und Herzblut. Und die Pädagoginnen und Pädagogen in Oberös- für Ihr Durchhaltevermögen, für das Improvisieren, für das Mitge- terreich konnten zeigen, ja sogar beweisen, dass das wie vielfach hen in dieser herausfordernden Phase und auch für Ihre Geduld behauptet starre Schulsystem innerhalb kürzester Zeit innovativ und Nachsicht, wenn Entscheidungen erst sehr spät getroffen wer- auf die Herausforderungen reagiert. Dieser Entwicklungsprozess den konnten oder manchmal sogar korrigiert werden mussten. Vor spiegelt sich in den vielen Varianten des eigenverantwortlichen allem Sie, sehr geehrte Direktorinnen und Direktoren, waren und Lernens, egal ob digital unterstützt oder in traditioneller Form, sind es, die für „Ihre“ Schule praktikable Lösungen suchen muss- das von den Lehrerinnen und Lehrern über die Distanz forciert ten für Herausforderungen, die es vorher noch nie gab. wurde, wider. Ich traue mich zu behaupten, dass wir uns im Ver- gleich zu den anderen Bundesländern nicht verstecken brau- Welche Lehren ziehen wir für die Zukunft? chen, sondern sehr gut dastehen. Das didaktisch-methodische Repertoire der Lehrerinnen und Lehrer ist vielfältig, egal ob digital affin oder nicht, egal ob im Distance Learning Präsenzunterricht oder im Distance Learning. Wir sehen aber Die lange Zeit des „Home-Schoolings“ war sicher auch eine auch, dass die digitalen Möglichkeiten den methodisch-didak- enorme Herausforderung für die Eltern und Erziehungsberech- tischen „Werkzeugkoffer“ enorm erweitern und das eigenver- tigten. Oft hörte ich die Frage, wie man die eigenen Kinder zum antwortliche und selbständige Lernen der Schülerinnen und Lernen motivieren kann, dass alle froh sind, wenn die Schule Schüler gut fördern können. Dazu müssen noch einige Rah- wieder los geht, aber auch, dass jetzt erst richtig geschätzt wird, menbedingungen geschaffen werden, damit weder technische was an den Schulen alles geleistet wird. Ich möchte behaupten, Hürden noch die unüberschaubare Vielfalt der Programme dass durch Corona das Ansehen unseres Berufsstandes enorm einem Einsatz entgegenstehen. Andererseits wird uns vor Augen gestiegen ist. geführt, dass Distance Learning niemals die tiefen Lernerfahrun- gen in der Schule ersetzen kann. Die Praxis der letzten Wochen Solidarität bietet für die kommende Zeit die Chance, Lernprozesse anders Schule ist nicht nur mit der Gesellschaft eng verwoben, sondern zu gestalten. Bauen wir darauf auf! sie ist ein Teil davon. Damit tragen die Lehrerinnen und Lehrer hohe gesellschaftliche Verantwortung. Dass sie diese ernst neh- Ich bin zuversichtlich, dass im Herbst wieder normaler Unter- men, zeigt sich an den tausenden Freiwilligen, die an schulfreien richt stattfinden wird, weiß aber, wenn das nicht so ist, dass wir Tagen Kinder von Eltern in systemkritischen Berufen betreuen. es wieder schaffen werden. ■ DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 9
IM GESPRÄCH Gertrude Jindrich ist Landesschulärztin. Sie ist Mitglied des Corona-Krisenteams der oö. Bildungs- direktion und fungiert dort als Bindeglied zwischen Bildungs- und Gesundheitssystem. Abseits von Corona ist sie für die Lenkung und Koordinierung der Schulgesundheitspflege in OÖ zustän- dig. Gertrude Jindrich hat dabei auch eine Schlüsselrolle in der Fort- und Weiterbildung von Schulärztinnen und Schulärzten – als Organisatorin und als gefragte Referentin. Im Schulblatt-Gespräch, das diesmal schriftlich geführt wurde, beantwortet Dr.in Gertrude Jindrich medizinische Fragen, die aus den Schulen an uns herangetragen wurden. Ich denke schon, dass uns das Thema länger beschäftigen wird. Im Gespräch: Dr.in Gertrude Jindrich Sehr geehrte Frau Dr. Jindrich, welche Die Hygienemaßnahmen sind im Hygie- »Händehygiene, richtige Aufgaben und Zuständigkeiten hat nehandbuch des Bildungsministeriums man als Landesschulärztin? festgelegt. Händehygiene, richtige Hus- Husten-, Schnäuz- und Kurz gesagt geht es darum, dass Schul- ten-, Schnäuz- und Niesetikette, Abstand Niesetikette, Abstand ärztinnen und Schulärzte bei ihrer Arbeit halten und Mund-Nasen-Schutz sind halten und Mund- in den Schulen unterstützt werden und alles Mosaiksteine für eine Reduktion der dass entsprechende Fortbildungen orga- Infektionszahlen. Nasen-Schutz sind alles nisiert werden. Daneben bin ich auch eine Mosaiksteine für eine Art Verbindungsglied zwischen Bildungs- Zur Thematik Gesichtsmasken und Reduktion der Infekti- und Gesundheitssystem und arbeite in Schutz: Was sollte man im Umgang diversen Bereichen mit um mitzuhelfen, damit in den Schulen unbedingt onszahlen. « anstehende Probleme in Zusammenhang beachten? mit Schulgesundheit zu lösen. Auch im Mund-Nasen-Schutz muss überall dort Was ist, wenn in einer Schule ein Bildungsministerium gibt es regelmäßige getragen werden, wo die vorgeschriebe- Corona-Fall auftaucht? Besprechungen. nen Abstände zu anderen Personen nicht Alle von der Gesundheitsbehörde (zu- sicher eingehalten werden können (zB in ständiger amtsärztlicher Dienst) ange- den Gängen, in der Pause), beim Sitzen ordneten Maßnahmen müssen durchge- »Ich bin auch eine Art Verbin- am zugewiesenen Platz im Klassenzimmer führt werden. dungsglied zwischen Bildungs- zB aber nicht. Auf der Startseite der Bil- dungsdirektionshomepage finden Sie ein Wird die Schule informiert, wenn in und Gesundheitssystem. « Informationsblatt mit Fotos zum richtigen einer Familie (Lehrerinnen und Lehrer Umgang mit dem Mund-Nasen-Schutz. sowie Schülerinnen und Schüler) ein War oder ist die oberste Schulärztin Corona-Fall auftritt? des Landes auch im Home-Office, Wer gehört zur Coronavirus-Risiko- In der Regel wird das der Fall sein, da die bzw. wie sah Ihr Corona-Krisen-All- gruppe? unmittelbaren Kontaktpersonen ermittelt tag aus? Die medizinischen Indikationen für die werden müssen. Ich arbeite im Krisenteam der oberöster- Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe reichischen Bildungsdirektion mit und wurden in der Verordnung BGBl.II Nr. Die Sehnsucht nach „normalem“ bin daher nicht im Home-Office. 203/2020 festgelegt. Unterricht ist bei Lehrerinnen und Leh- rern sowie Schülerinnen und Schülern Wie können sich Lehrkräfte und Schü- Was gilt für Lehrkräfte und Schülerin- groß. Wird die Ausnahmesituation lerinnen und Schüler vor einer mögli- nen und Schüler, die zur Risikogruppe Ihrer Meinung nach bis in das nächste chen Ansteckung mit dem Coronavirus gehören? Schuljahr andauern? Wann wird es schützen? Was sind Ihrer Meinung Diesbezüglich gibt es für die Schulen wieder normalen Unterricht geben? nach die wichtigsten Schutzmaßnah- genaue Informationen über BMBWF und Ich denke schon, dass uns das Thema men in den Schulen? Bildungsdirektion. länger beschäftigen wird. Wann es wie- 10 JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
IM GESPRÄCH der ganz regulären Unterricht gibt, wird »Im ärztlichen Hotline- In der Regel ist das der amtsärztliche sehr von den zukünftigen Infektionszah- Dienst oder die Testung findet nach len abhängen. Team wurde eine Schul- einem ausführlichen Gespräch mit der ärztin speziell für Anfra- Hotline 1450 statt. Welche Möglichkeiten gibt es in der gen im Bereich Kinder Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Was können wir Ihrer Einschätzung mit geistiger Behinderung und und Jugendliche mit nach aus der Krise mitnehmen? Schwermehrfachbehinderung, um das geistiger Behinderung Es hat sich jetzt gezeigt, dass wir gemein- Ansteckungsrisiko möglichst zu mini- und Schwermehrfachbe- sam viel bewirken können und das Mit- mieren? einander wieder mehr im Vordergrund Im ärztlichen Hotline-Team in der Bildungs- hinderung abgestellt. « steht. Das halte ich für wichtig – vielleicht direktion wurde eine Schulärztin speziell auch das, dass wir Selbstverständliches für Anfragen und Probleme in diesem Die Lehrerarbeitsplätze sind manch- wieder mehr schätzen. Bereich abgestellt mit dem Auftrag den mal sehr gedrängt und der Mindest- Als Ärztin wünsche ich mir, dass die einfa- Schulen Hilfestellung zu bieten und indi- abstand ist schwer einzuhalten. chen Hygienemaßnahmen, die jetzt so gut viduelle Betreuungspläne zu entwickeln Was tun? eingeübt werden wie Händewaschen und Die geforderten Abstände sind jedenfalls richtige Husten-, Schnäuz- und Nieseti- Was ist über COVID-19 bei Schwange- einzuhalten. Eventuell sind da auch ande- kette auch zukünftig weitergeführt wer- ren bekannt? Gibt es spezielle Rege- re Räumlichkeiten miteinzubeziehen. den. ■ lungen für schwangere Lehrerinnen? Wichtig ist, dass alle Maßnahmen im Rah- Kann man derzeit die üblichen men des Mutterschutzgesetzes und Hygi- Schutzimpfungen durchführen lassen? »Die geforderten Abstände sind eneregeln eingehalten werden. Schwan- Jeder soll das mit seinem betreuen- jedenfalls einzuhalten. « gere gehören aber nicht grundsätzlich den Arzt/mit seiner betreuenden Ärztin zur Risikogruppe laut COVID-19-Risiko- besprechen. gruppe-Verordnung. Liegt zusätzlich ein Risikoattest vor, ist entsprechend dem Was soll man tun, wenn Schüler Schreiben an die Schulen vorzugehen. Krankheitsanzeichen wie Husten oder Schnupfen haben? Es ist wichtig, den Eltern zu kommunizie- »Wann es wieder ganz ren, dass nach den Vorgaben des BMBWF regulären Unterricht gibt, Personen mit den entsprechenden Symp- wird sehr von den tomen nicht in die Schule kommen dürfen. zukünftigen Infektions- Wer entscheidet, ob Lehrkräfte oder Für das Interview verantwortlich: zahlen abhängen. « Schüler getestet werden? Birgit Loidl und Maximilian Egger DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 11
Corona-Rückwärts-Prognose »Wir werden durch Corona unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen – im Sinne unserer Existenz als Lebewesen inmitten anderer Lebensformen. « Slavo Zizek im Höhepunkt der Coronakrise Mitte März Die Welt nach Corona Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise „vorbei” ist I ch werde derzeit oft gefragt, wann Corona denn „vorbei sein wird”, und alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Wir werden uns wundern, dass die sozi- alen Verzichte, die wir leisten mussten, selten zu Vereinsamung führten. Im Das Virus brachte eine neue Kultur des Langtelefonierens ohne Second Screen hervor. Auch die »messages« selbst Meine Antwort: Niemals. Es gibt histori- Gegenteil. Nach einer ersten Schockstar- bekamen plötzlich eine neue Bedeutung. sche Momente, in denen die Zukunft ihre re fühlten viele von sich sogar erleichtert, Man kommunizierte wieder wirklich. Man Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurka- dass das viele Rennen, Reden, Kommu- ließ niemanden mehr zappeln. Man hielt tionen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten nizieren auf Multikanälen plötzlich zu niemanden mehr hin. So entstand eine sind jetzt. einem Halt kam. Verzichte müssen nicht neue Kultur der Erreichbarkeit. Der Ver- Die Welt as we know it löst sich gera- unbedingt Verlust bedeuten, sondern bindlichkeit. de auf. Aber dahinter fügt sich eine neue können sogar neue Möglichkeitsräume Welt zusammen, deren Formung wir eröffnen. Wir haben alte Freunde wie- Wir werden uns wundern, dass schließ- zumindest erahnen können. Dafür möch- der häufiger kontaktiert, Bindungen lich doch schon im Sommer Medikamente te ich Ihnen eine Übung anbieten, mit der verstärkt, die lose und locker geworden gefunden wurden, die die Überlebensrate wir in Visionsprozessen bei Unternehmen waren. Familien, Nachbarn, Freunde, sind erhöhten. Dadurch wurden die Todesra- gute Erfahrungen gemacht haben. Wir näher gerückt und haben bisweilen sogar ten gesenkt und Corona wurde zu einem nennen sie die RE-Gnose. Im Gegensatz verborgene Konflikte gelöst. Virus, mit dem wir eben umgehen müs- zur PRO-Gnose schauen wir mit dieser sen – ähnlich wie die Grippe und die Technik nicht »in die Zukunft«. Sondern Wir werden uns wundern, wie schnell sich vielen anderen Krankheiten. Medizini- von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute. plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in scher Fortschritt half. Aber wir haben Klingt verrückt? Versuchen wir es einmal: der Praxis bewährten. Tele- und Video- auch erfahren: Nicht so sehr die Technik, konferenzen, gegen die sich die meisten sondern die Veränderung sozialer Ver- Die Re-Gnose: Unsere Welt im Kollegen immer gewehrt hatten stellten haltensformen war das Entscheidende. Herbst 2020 sich als durchaus praktikabel und pro- Dass Menschen trotz radikaler Einschrän- Stellen wir uns eine Situation im Herbst duktiv heraus. Lehrer lernten eine Menge kungen solidarisch und konstruktiv blei- vor, sagen wir im September 2020. Wir sit- über Internet-Teaching. Das Homeoffice ben konnten, gab den Ausschlag. Die zen in einem Straßencafe in einer Groß- wurde für Viele zu einer Selbstverständ- human-soziale Intelligenz hat geholfen. stadt. Es ist warm, und auf der Straße lichkeit – einschließlich des Improvisie- Die vielgepriesene Künstliche Intelligenz, bewegen sich wieder Menschen. Bewegen rens und Zeit-Jonglierens, das damit ver- die ja bekanntlich alles lösen kann, hat sie sich anders? Ist alles so wie früher? bunden ist. dagegen in Sachen Corona nur begrenzt Schmeckt der Wein, der Cocktail, der Kaf- Gleichzeitig erlebten scheinbar veral- gewirkt. fee, wieder wie früher? Wie damals vor tete Kulturtechniken eine Renaissance. Corona? Oder sogar besser? Plötzlich erwischte man nicht nur den Wir staunen rückwärts, wieviel Humor Worüber werden wir uns rückblickend Anrufbeantworter, wenn man anrief, und Mitmenschlichkeit in den Tagen des wundern? sondern real vorhandene Menschen. Virus tatsächlich entstanden ist. 12 JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Corona-Rückwärts-Prognose Foto: Klaus Vyhnalek (www.vyhnalek.com) Die neue Welt nach Corona – oder besser mit Corona – entsteht aus der Disruption des Megatrends Konnektivität. Politisch- ökonomisch wird dieses Phänomen auch »Globalisierung« genannt. Die Unterbre- chung der Konnektivität – durch Grenz- schließungen, Separationen, Abschot- tungen, Quarantänen – führt aber nicht zu einem Abschaffen der Verbindungen. Sondern zu einer Neuorganisation der Konnektome, die unsere Welt zusam- menhalten und in die Zukunft tragen. Es kommt zu einem Phasensprung der sozio- ökonomischen Systeme. Die kommende Welt wird Distanz wieder schätzen – und gerade dadurch Verbundenheit qualitativer gestalten. Autonomie und Abhängigkeit, Öffnung und Schließung, werden neu ausbalan- ciert. Dadurch kann die Welt komple- xer, zugleich aber auch stabiler werden. Diese Umformung ist weitgehend ein blinder evolutionärer Prozess – weil das eine scheitert, setzt sich das Neue, überlebensfähig, durch. Das macht einen Matthias Horx, Trend- und Zukunftsforscher (www.horx.com) zunächst schwindelig, aber dann erweist es seinen inneren Sinn: Zukunftsfähig ist das, was die Paradoxien auf einer neuen Wir werden uns wundern, wie weit die Öko- die Zukunft« schauen, sehen wir ja meis- Ebene verbindet. nomie schrumpfen konnte, ohne dass so tens nur die Gefahren und Probleme »auf etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich uns zukommen«, die sich zu unüberwind- Jede Tiefenkrise hinterlässt eine Story, passierte, der vorher bei jeder noch so baren Barrieren türmen. Wie eine Loko- ein Narrativ, das weit in die Zukunft weist. kleinen Steuererhöhung und jedem staatli- motive aus dem Tunnel, die uns überfährt. Eine der stärksten Visionen, die das Coro- chen Eingriff beschworen wurde. Obwohl es Diese Angst-Barriere trennt uns von der navirus hinterlässt, sind die musizieren- einen »schwarzen April« gab, einen tiefen Zukunft. Deshalb sind Horror-Zukünfte den Italiener auf den Balkonen. Die zwei- Konjunktureinbruch und einen Börsenein- immer am Einfachsten darzustellen. te Vision senden uns die Satellitenbilder, bruch von 50 Prozent, obwohl viele Unter- Re-Gnosen bilden hingegen eine die plötzlich die Industriegebiete Chinas nehmen pleitegingen, schrumpften oder Erkenntnis-Schleife, in der wir uns selbst, und Italiens frei von Smog zeigen. 2020 in etwas völlig anderes mutierten, kam es unseren inneren Wandel, in die Zukunfts- wird der CO2-Ausstoß der Menschheit nie zum Nullpunkt. Als wäre Wirtschaft ein rechnung einbeziehen. Wir setzen uns zum ersten Mal fallen. Diese Tatsache atmendes Wesen, das auch dösen oder innerlich mit der Zukunft in Verbindung, wird etwas mit uns machen. schlafen und sogar träumen kann. und dadurch entsteht eine Brücke zwi- Wenn das Virus so etwas kann – kön- schen Heute und Morgen. Es entsteht ein nen wir das womöglich auch? Vielleicht Wir werden uns wundern, dass sogar die »Future Mind« – Zukunfts-Bewusstheit. war der Virus nur ein Sendbote aus der Vermögensverluste durch den Börsen- Wenn man das richtig macht, ent- Zukunft. Seine drastische Botschaft lau- einbruch nicht so schmerzen, wie es sich steht so etwas wie Zukunfts-Intelligenz. tet: Die menschliche Zivilisation ist zu am Anfang anfühlte. In der neuen Welt Wir sind in der Lage, nicht nur die äuße- dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die ren »Events«, sondern auch die inneren Sie rast zu sehr in eine bestimmte Rich- entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Adaptionen, mit denen wir auf eine ver- tung, in der es keine Zukunft gibt. Nachbarn und ein blühender Gemüse- änderte Welt reagieren, zu antizipieren. Aber sie kann sich neu erfinden. garten. Das fühlt sich schon ganz anders an Könnte es sein, dass das Virus unser als eine Prognose, die in ihrem apodikti- System reset. Leben in eine Richtung geändert hat, in schen Charakter immer etwas Totes, Ste- Cool down! die es sich sowieso verändern wollte? riles hat. Wir verlassen die Angststarre Musik auf den Balkonen! und geraten wieder in die Lebendigkeit, So geht Zukunft. ■ RE-Gnose: Gegenwartsbewälti- die zu jeder wahren Zukunft gehört. gung durch Zukunfts-Sprung Warum wirkt diese Art der »Von-Vorne- Ein Virus als Evolutions Anmerkung: Dieser Beitrag wurde redaktionell gekürzt. Die Ori- ginalfassung finden Sie unter: Horx, Matthias: 48 – Die Welt nach Szenarios« so irritierend anders als eine beschleuniger Corona. Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern klassische Prognose? Das hängt mit Tiefe Krisen weisen obendrein auf ein werden, wenn die Krise „vorbei” ist, https://www.horx.com/48-die- welt-nach-corona, abgerufen am 22.05.2020. den spezifischen Eigenschaften unseres weiteres Grundprinzip des Wandels hin: Zukunfts-Sinns zusammen. Wenn wir »in Die Trend-Gegentrend-Synthese. www.horx.com / www.zukunftsinstitut.de DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 13
Schul-Barometer Home–Schooling Eine Nachlese Nachdem digitale Wissensvermittlung und -vertiefung wieder von physischer Realität eingeholt wurde, ist eine – länderübergreifende – Bestandsaufnahme angemessen. Einige bemerkenswerte Länder- Was haben die Schüler zu Hause gemacht? unterschiede Aktivitäten in Stunden pro Woche Information (arithmetisches Mittel) ■ Die Schulleitungen in der Schweiz fühlen sich bes- (Schülerinnen und Schüler) ser informiert über Aufgaben, die im Rahmen der Mag. Wolfgang Schulorganisation in den nächsten Wochen für sie Lesen Schwarz anstehen, als die Schulleitungen aus Deutschland 4,10 Lernen und ehem. stv. Landes- und Österreich. Sport zuhause Aufgaben für obmann CLV 4,64 die Schule 17,32 Technische Ausstattung Spielen mit Familie ■ Gemäß Angaben der Schulleitungen und Mit- 4,46 arbeitenden der Schule stehen in der Schweiz signifikant mehr und in Deutschland signifikant weniger Ressourcen und technische Kapazitäten Serien und Filme für digitales Lehren bereit als in Österreich. 8,02 Helfen ■ Gemäß Aussagen der Schülerinnen und Schüler 5,47 werden in Deutschland weniger Online-Platt- PC- und formen genutzt (31%) als in Österreich und der Video-Games 3,99 Videocalls Chatten Schweiz (75% bzw. 82%). 4,61 6,75 ■ Die Schulleiter der Schulen aus Deutschland schätzen sich weniger kompetent ein für den Einsatz digitaler Lehr-Lern-Formen, was mit den Abbildung 1: Schüleraktivitäten in Stunden pro Woche Einschätzungen der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler übereinstimmt. ■ Die Angaben der Schülerinnen und Schüler zeigen Ein merkwürdiges, interessantes, Unterschiede zwischen den Ländern hinsichtlich evtl. problematisches Ergebnis der Aussage, von wie vielen Lehrerinnen und (siehe Abbildung 2) Lehrern digitaler Unterricht organisiert wird: In Dem Statement „Ich glaube, ich lerne jetzt mehr als Deutschland sind dies weniger als die Hälfte, in im normalen Unterricht“ wurde von nahezu ¼ der der Schweiz die meisten. Befragten(!) zugestimmt. Kognitive Aktivierung Viele Schülerinnen und Schüler geben an, dass sie in ■ Gemäß Schulleitungen und Mitarbeitenden der ihrem eigenen Lerntempo effektiver lernen können. Schule werden in Deutschland die Aufgaben sig- Laut den Antworten der Befragten ist dies sowohl nifikant weniger häufig kontrolliert als in Öster- ein Vorteil für leistungsstärkere als auch -schwä- reich und der Schweiz, was mit den Aussagen der chere Schülerinnen und Schüler. Während ein Teil Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler über- der Befragten angibt, nun mehr Zeit für die Ausei- einstimmt. nandersetzung mit dem Unterrichtsstoff zur Verfü- ■ Die Schülerinnen und Schüler aus Deutschland gung zu haben, äußern andere, dass sie nun „mehr erhalten gemäß eigener Aussage weniger häufig erledigen können, als in der Masse, in der man sich differenzierte Hinweise von den Lehrerinnen und auch an den Langsameren orientieren müsse“„Man Lehrern zu den bearbeiteten Aufgaben. wird nicht durch schwächere Schüler ausgebremst“. ■ Die Schulleitenden und Mitarbeitenden der Schu- Weiterhin geben die Schülerinnen und Schüler an, le aus der Schweiz geben signifikant häufiger als dass sie durch die Berücksichtigung ihres individu- ihre deutschen und österreichischen Kolleginnen ellen Lerntempos weniger Zeitdruck verspüren, mehr und Kollegen an, dass Schülerinnen und Schüler Verständnis für die Lerninhalte entwickeln und die mindestens wöchentlich ein individuelles Coa- Möglichkeit der individuellen Wiederholung der ching erhalten. Lerninhalte haben würden. 14 JUNI 2020 | DAS SCHULBLATT
Schul-Barometer Aus den Untersuchungsunterlagen ist freilich nicht ersichtlich, inwieweit wir es bei jenem zustimmenden Ich glaube, ich lerne jetzt mehr als im normalen Unterricht Schülerklientel mit besonders Leistungsbereiten zu (Schülerinnen und Schüler) tun haben, dies ist jedoch naheliegend, zeigt aber trifft zu 12 % auch die große Chance zu individualisiertem Unter- richt auf! trifft nicht zu 28 % trifft eher zu Die „Scherenproblematik“ 12 % (siehe Abbildung 3) Quasi am anderen Ende des Leistungsspektrums zeigt sich bei einem erheblichen Anteil der Eltern die Sorge, dass es aufgrund der Schulschließung zu einem leistungsmäßigen Rückstand des Kindes kom- men würde. Wie auch inländische Untersuchungen (z.B. UNI Wien, Prof. Spiel) zeigen, kommt hier der teils / teils 25 % soziokulturelle Komplex zum Tragen, der bildungs- trifft eher nicht zu 23 % ferne und überlastete Eltern, gepaart mit engen Wohnverhältnissen, ungenügende bzw. fehlende Anbindung an das Internet und geringe Chance auf Abbildung 2: Lernfortschritte ungestörten Arbeitsplatz repräsentiert. Verständnis der Eltern Von den Lehrkräften an den Schulen werden zahlrei- Sorge der Eltern, dass ihre Kinder zurückbleiben che positive Reaktionen von Seiten der Eltern wahr- (Eltern) genommen. So gibt die überwiegende Mehrheit der trifft zu Befragten an, dass die Eltern Dankbarkeit gegenüber 17 % trifft nicht zu den intensiven Bemühungen und dem Engagement 22 % der Lehrerinnen und Lehrer ausdrücken. Dieses bezieht sich vor allem auf die unkomplizierte und flexible Umstellung auf das Home-Schooling, die Bereitstellung von Materialien und Arbeitsaufträgen, trifft eher zu die gute Erreichbarkeit sowie die schnelle, persön- 16 % liche und verständnisvolle Informations- und Kom- munikationskultur. Diese Dankbarkeit wird etwa im Rahmen von E-Mails, Telefonaten, Videobotschaften trifft eher nicht zu 20 % oder Dankesbriefen sowie kleinen Aufmerksamkeiten ausgedrückt. teils / teils 25 % Anhand der offenen Angaben der Mitarbeitenden, Schulleitungen und Schulverwaltungen wird deut- Abbildung 3: Elternsorge lich, dass durch die aktuelle Situation eine Aufwer- tung des Lehrerberufs angestoßen werden könnte, weil die Tätigkeiten und täglichen Anforderungen ■ Schülerinnen und Schüler stärker beteiligen der Lehrerinnen und Lehrer positiv hervorgehoben ■ Austausch zwischen Lehrerinnen und Lehrern und werden und Anerkennung erfahren. Lehrerinnen und Schülerinnen und Schülern ist wichtig: Lehrerin- Lehrer geben an, dass ihr Engagement wahrgenom- nen und Lehrer sollen erreichbar sein und Kontakt men werde und sie viel Lob und Wertschätzung von initiieren den Eltern erfahren würden. Die positiven Reaktio- ■ Weniger und andere Lerninhalte nen der Eltern reichen von „ihr seid Gold wert“ bis ■ Medienkompetenz (und weitere Metakompeten- „höchsten Respekt vor Ihnen, dass Sie es mit Kindern zen) zum Unterrichtsthema machen wie meinem Sohn den ganzen Tag aushalten“. Auch ■ Arbeitsaufträge sinnvoll gestalten aus Sicht der Schulverwaltung herrscht bei den Eltern ■ Feedback zu Lernergebnis und Lernprozess ein- die Wahrnehmung „oha, die Schule leistet was“. holen und geben ■ Analoge und digitale Medien / Methoden zielori- Empfehlungen zur Gestaltung digitaler entiert kombinieren ■ Lehr- und Lernarrangements Aufgrund zahlreicher Einzelergebnisse gelangen die Studienautoren zu folgenden Empfehlungen: ■ Digitaler Unterricht mit Maß und Ziel: Überforde- rung vermeiden und Druck reduzieren Quelle: COVID-19-aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung ■ Individuelle Voraussetzungen, insbesondere das Vlg. Waxmann; S.G. Huber et al. Alter und mögliche Einschränkungen, beachten https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4216 DAS SCHULBLATT | JUNI 2020 15
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