Volle Unterstützung: Eltern und Schule - nds-zeitschrift.de
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5-2017 Landtagswahl: Schwarz-Gelb voraus? Kopfbedeckungen in der Schule Pädagogische Architektur: Phase Null Lehrkräftemangel nimmt zu Junge GEW beim Gewerkschaftstag DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT Teilstandorte: Konzeptlose Sparwut Volle Unterstützung: Eltern und Schule 69. Jahrgang Mai 2017 ISSN 0720-9673 K 5141
Fotos: S. Ziese / M. Schulte Eisaktion der GEW NRW Gute Zutaten für schulische Inklusion Mit einer ungewöhnlichen Eisaktion setzte die GEW Besuch ab. Ihre Wahl: Chili, um die besondere Bedeutung NRW ein Zeichen für gute Inklusion – und das gleich von Fortbildungen im Inklusionsprozess zu betonen. zwei Mal: beim Maiempfang des DGB NRW am 26. April Am 1. Mai 2017 bei der zentralen Maikundgebung 2017 in Dülmen und bei der zentralen Maikundgebung in Köln mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und am Tag der Arbeit in Köln. Am Eiswagen der GEW dem DGB-Landesvorsitzenden Andreas Meyer-Lauber NRW konnten die Besucher*innen ihr persönliches Eis kam der Eiswagen der GEW NRW ebenfalls gut an: kreieren. Die unterschiedlichen Zutaten – von süß bis Viele der 5.000 Teilnehmer*innen auf dem Heumarkt feurig – symbolisierten die Bausteine für gute Inklusion: mischten trotz des schlechten Wetters ihr persönliches Wer auf kleine Klassen, Multiprofessionalität und einen schulscharfen Sozialindex setzte, bekam vom Eismann Inklusionseis. Bei den meisten Lehrkräften hoch im Kurs: eine exotische Mischung aus Mango, bunten Streuseln Mango, Pralinen, Erdbeeren und Schokolinsen – kleinere und einer Prise Pfeffer. So gingen in Dülmen etwa 100 Klassen, der Wunsch nach einer zentralen Anlaufstelle für individuelle Eisportionen über die Theke. Auch Schulmi- Inklusion sowie mehr Zeit und Personal für die Schulen. nisterin Sylvia Löhrmann stattete dem Eismann einen Simone Flissikowski, Frauke Rütter
nds 5-2017 3 Mythos Elternwille Die Schulentwicklung folgt dem Elternwillen. Das sagt die Landespolitik seit Jahren. Glückliche Eltern also, deren Vorstellungen von guter Schule, deren Schulwahl für ihre Kinder und deren Mitwirkung in schulischen Angelegenheiten so entscheidend sind. Ein Mythos, denn die Schul- politik setzt enge Grenzen! Aktuelle Beispiele sind die Inklusion und die Weiterentwicklung des wohnortnahen Schulangebots. Hier weist die Landespolitik die Verantwortung weit von sich: Wir schließen keine Schulen, wir gründen keine Schulen – die Eltern entscheiden. Die Schulträger verweisen auf knappe Kassen, gehen die interkommunale Zusammenarbeit zögerlich an oder suchen ihr Heil in Privatschulen. Im Ergebnis gibt es – trotz Schulkonsens – in vielen Städten und Gemeinden noch immer zu Maike Finnern wenig Plätze in Schulen des längeren gemeinsamen Lernens. Anderswo gibt es Probleme, weil das stellvertretende Vorsitzende gegliederte System nicht mehr vollständig vorhanden ist und die Bereitschaft zur umfassenden der GEW NRW Schulreform fehlt. Sieht so der Elternwille aus? Was nützt es, wenn Eltern formal das Recht haben, den Ort für die sonderpädagogische Förderung ihres Kindes zu bestimmen, wenn die Landespolitik verbindliche Qualitätsstandards für das Lernen an allen Förderorten verweigert? Sieht so eine gute Wahlmöglichkeit aus? Den einen Elternwillen gibt es nicht Eltern sind nicht gleich Eltern. Worin also soll der Elternwille bestehen? Während die einen die Schulformen des gegliederten Systems präferieren, wollen andere dessen Überwindung. Nur ein Teil der Eltern nutzt die Möglichkeit der freien Grundschulwahl, um für ihr Kind die beste Schule zu finden, und wer will es ihnen verdenken? So verstärkt das Wahlverhalten der Eltern die Segregation – Marktmechanismen, die immer auch Verlierer*innen produzieren. Einig sind die Eltern vor allem darin, was sie ablehnen: G8 zum Beispiel. Von einem Konsens über die Alternative sind sie jedoch weit entfernt. Unterschiedliche Vorstellungen von Eltern finden nicht zuletzt Ausdruck in den politischen Positionen der Elternverbände, die schließlich Interessenvertretungen ihrer jeweiligen Schulform sind. Im Landtag hat zuletzt die Opposition Überlegungen zur Bildung einer einheitlichen, schul- formunabhängigen Elternvertretung als unnütze Einheitsschulideologie bezeichnet, die vermeintlich das wahre Gesicht der rot-grünen Schulpolitik zeigten: Gleichmacherei und Druck von oben. Die Schulentwicklung folgt dem Elternwillen. Fragt sich nur: Welchem? Eltern als wichtige politische Pressure-Group Aus gewerkschaftlicher Sicht wäre es gut, wenn die in der jetzt zu Ende gehenden Legislatur- periode unternommenen Anstrengungen, die Elternmitwirkung zu stärken, in den kommenden Jahren fortgeführt würden. Alle Fraktionen haben sich dazu bekannt, ein weiteres Forum für Elterninteressen zu schaffen, in dem Landeselternorganisationen, Stadt- und Kreisschulpfleg- schaften zusammenkommen sollen. Auch wenn sich schulpolitische Vorstellungen unterscheiden: Wenn es um Forderungen an die Landespolitik und an die Schulträger geht – zum Beispiel nach kleineren Klassen und sauberen Toiletten –, dürften die Interessen von Bildungsgewerkschaft und Elternverbänden nah beinanderliegen. Vordergründig hilft der Landesregierung der Mythos, der Elternwille sei entscheidend für die Schulentwicklung oder gar die Schulpolitik. Sie macht sich einen schlanken Fuß. Wer aber ständig Erwartungen enttäuscht, kriegt irgendwann die Quittung. Vielleicht ist das auch der Grund, warum man mit Schulpolitik Wahlen verlieren kann. //
4 INHALT THEMA BILDUNG 18 10 Volle Unterstützung: NRW-Landtagswahl 2017 Eltern und Schule Schwarz-Gelb voraus? Seite 8 Elternmitwirkung in NRW Gutes besser machen Kommentar zur NRW-Landtagswahl 2017 Seite 18 Zuhören, entscheiden, handeln. Seite 9 Die neue Elternmacht Druck von draußen Kopfbedeckungen in der Schule Seite 20 Religiöse Freiheit und offene Kommunikation Seite 10 Im Gespräch mit der Gesamtschule Langerfeld Hand in Hand Schule gestalten PISA-Sonderauswertung zu sozial-emotionalen Faktoren Seite 22 Wie das Wohlbefinden den Lernerfolg beeinflusst Seite 12 Umgang mit herausfordernden Eltern Wie Lehrer*innen Gelassenheit lernen Kooperatives Erarbeiten von Bildungsbauten Seite 24 Phase Null: Lernraum gemeinsam entwickeln Seite 14 Lehrkräftemangel nimmt zu – lehramtsspezifisch und regional Schulen am Limit Seite 16 Leitlinien für Lehrkräfte im Gemeinsamen Lernen Ein langer Prozess Seite 17
nds 5-2017 5 ARBEITSPL ATZ IMMER IM HEFT Nachrichten Seite 6 Weiterbildung Seite 32 Jubilare Seite 33 Infothek Seite 34 Termine Seite 38 Impressum Seite 39 28 Tag der Arbeit 2017 Dieser nds ist für alle Beamt*innen und Versorgungs- Wir sind viele. Wir sind eins. empfänger*innen die aktuelle Besoldungstabelle beigelegt. Sollte sie in Ihrer Ausgabe versehentlich fehlen, geben Sie Seite 26 uns gern Bescheid per E-Mail an poststelle@gew-nrw.de. Die junge GEW NRW beim Gewerkschaftstag Dieser nds liegt der GEW-Wandplaner für das Schuljahr Für uns geht es um Solidarität 2017 / 2018 bei – und zwar für die Mitglieder, deren Unter- Seite 28 gliederungen dies veranlasst haben. Sollte der Wandplaner in Ihrer Ausgabe versehentlich fehlen, wenden Sie sich bit- Strategiekonferenz zur Situation der Lehrkräfte te an Ihre GEW vor Ort. Einzelexemplare können per E-Mail in der Weiterbildung angefordert werden: poststelle@gew-nrw.de. Gemeinsam mehr erreichen Seite 30 Schulen mit Teilstandorten Konzeptlose Sparwut Seite 31
6 NACHRICHTEN Außerschulische Nachhilfe – wer kann sich‘s leisten? Statt im Bildungssystem verursachte soziale Ungleichheiten zu verrin- Wohlhabende Eltern helfen nach gern, verstärkt kommerzielle Nachhilfe sie eher: Bezahlte Nachhilfestunden bekommen 13 Prozent der Kinder aus armen Elternhäusern, die weniger Je nach Einkommen der als die Hälfte des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. In der Eltern bekommen so viele Kinder bezahlte Nachhilfe ... Mittelschicht sind es um die 20 Prozent. Bei Familien, die mehr als das Doppelte des mittleren Einkommens verdienen, hat knapp jedes dritte Kind eine*n Nachhilfelehrer*in. Zu diesen Ergebnissen kommt die Studie „Außerschulische Nachhilfe. Ein prosperierender Bildungsmarkt im Span- Nach Angaben von Privaten Nachhilfe- nungsfeld zwischen kommerziellen und öffentlichen Interessen“ der Uni- 30 % instituten* besuchen die geförderten Schüler überwiegend ... versität Duisburg-Essen, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung. Jedes 21 % 20 % 20 % Jahr wird mehr als eine Milliarde Euro für Nachhilfestunden ausgegeben. 15 % Gymnasien 86 % 13 % Die Gründe für das Wachstum sehen die Bildungsforscher*innen in zu- Realschulen 72 % nehmender Unzufriedenheit der Eltern mit dem öffentlichen Schulsystem, 50 -
nds 5-2017 7 432 Delegierte aus allen 16 Landesverbänden entschieden über die politischen Leitlinien Die junge GEW NRW begrüßte neue Gesichter bei ihrer Mitgliederversammlung im der Bildungsgewerkschaft in den nächsten vier Jahren. Foto: K. Herschelmann DGB-Haus in Essen. Foto: junge GEW NRW 28. Gewerkschaftstag der GEW Neues Team der jungen GEW NRW Die Delegation der GEW NRW hat Spuren auf dem 28. Gewerkschaftstag Bei der Mitgliederversammlung der jungen GEW NRW am 29. April 2017 der GEW in Freiburg hinterlassen: Ganz oben auf der Tagesordnung stand tauschten sich erfahrene und neue Mitglieder über die GEW als Mitmach- der Dringlichkeitsantrag „Lehrkräftemangel bekämpfen – Schulqualität gewerkschaft aus. Zwei Workshops und Nachwahlen standen im Fokus. sichern – Schulreformen offen halten“, der vor dem Hintergrund des akuten Frederik Trapp, bis dato Mitglied des Leitungsteams der jungen GEW NRW, Lehrkräftemangels von insgesamt neun Landesverbänden eingebracht trat zurück. Spontane Nachrückerin war Hannah Heisterkamp. Alle fünf und einstimmig beschlossen wurde. In dieser Entschließung wird die freigewordenen Plätze im Ausschuss konnten neu besetzt werden: Swantje Politik aufgefordert, „ausreichend Ressourcen bereit zu stellen und die Aldag, Lehrerin; Frederike Thole, Promovierende; Marvin Weißmann, Refe- Verteilung so zu steuern, dass in allen Regionen sowohl gleichwertige rendar; Mischa Luy, SHK-Rat, und Sine Derichsweiler, Studierende. Mehr Bildungschancen als auch gleichwertige Arbeitsbedingungen gewähr- dazu unter www.tinyurl.com/mitmachgewerkschaft. Melanie Meier leistet werden. Länder und Kommunen müssen attraktive Angebote für Lehrkräfte in strukturschwachen Regionen bzw. solchen mit akuten Lehrkräftemangel entwickeln.“ Wie wichtig der Delegation die Solidarität, Integration und Ermöglichung von Partizipation von Zugewanderten und Geflüchteten ist, zeigen zwei weitere Anträge aus NRW, die vom Gewerkschaftstag einstimmig angenommen wurden. Maßgeblich von NRW mitgetragen wurde der Entschluss zur Fortsetzung der Kampagne „JA 13 – weil Grundschullehrer*innen es verdienen“, mit der die GEW für gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit im Schulbereich eintritt. Mit wenigen Änderungen hat der Gewerkschaftstag fast einstimmig die umfangreichen „Leitlinien für eine innovative Lehrer*innenbildung“ beschlossen und damit die zweijährige konzeptionelle Arbeit des Zukunfts- forums Lehrer*innenbildung zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht. Mehr dazu unter www.tinyurl.com/nrw-delegation, www.tinyurl.com/ junge-gew-nrw-delegation und www.gew-gewerkschaftstag.de.bp Marlis Tepe und Dorothea Schäfer vor der Landespressekonferenz unter der Überschrift „Kurswechsel in der Bildungspolitik – Mehr Geld für die Bildung!“. Foto: B. Butzke Englischunterricht ab Klasse 1 Marlis Tepe auf Bildungsreise Kinder, die in der ersten Klasse mit dem Englischunterricht beginnen, Die Vorsitzende der GEW, Marlis Tepe, ist auf Bildungsreise durch sind sieben Jahre später schlechter in diesem Fach als Kinder, die erst in Deutschland: Nach Schleswig-Holstein war am 24. April 2017 NRW an der dritten Klasse in die Fremdsprache einsteigen. Zu diesem Ergebnis der Reihe. Vom Düsseldorfer Landtag mit Landespressekonferenz über kommt ein Team um Dr. Nils Jäkel und Prof. Dr. Markus Ritter von der das Ruhrgebiet bis nach Münster ist sie gemeinsam mit Dorothea Schäfer, Ruhr-Universität Bochum. Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW, Landesvorsitzende, quer durchs Land gefahren. Marlis Tepe traf unter ordnet die Studie so ein: „Das Ergebnis überrascht. Es sollte aber nicht zu anderem NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann und den Personalratsvor- einer Ausweitung des Englischunterrichts ab Klasse 3 führen. Es kommt sitzenden der wissenschaftlich Beschäftigten der Westfälische Wilhelms- nicht nur auf die Zahl der Unterrichtsstunden, sondern auch auf den Universität Münster Detlef Berntzen. In den Gesprächen ging es um die Sprachentwicklungsstand des Kindes an.“ Die Forscher*innen werteten Initiative „Bildung. Weiter denken!“, um die globale Bildungskampagne Daten aus einer Längsschnittstudie aus, die zwischen 2010 und 2014 „Weltklasse“, in der sich die GEW engagiert, und um die Grundfinanzierung durchgeführt wurde. Nils Jäkel analysierte mit seinen Kolleg*innen aus der Hochschulen in NRW. Weiter ging es für Marlis Tepe in Thüringen am Bochum und von der Technischen Universität Dortmund Daten von 5.130 16. Mai 2017. Mehr dazu unter www.tinyurl.com/hochschulen-finan- Schüler*innen von 31 Gymnasien in NRW. RUB /kue zierung und www.tinyurl.com/tepe-schaefer-reise.krü
8 BILDUNG NRW-Landtagswahl 2017 Schwarz-Gelb voraus? Bereits bei den Prognosen am Wahlabend stand Illustrationen: PureSolutions / shutterstock.com fest: Rot-Grün ist abgewählt, die CDU gewinnt die Landtagswahl in NRW, Armin Laschet wird neuer Ministerpräsident. Nachdem die SPD am Tag nach der Wahl beschlossen hatte, das Votum der Wähler*innen zu akzeptieren und nicht mit dem Wahlsieger zu koalieren, ist die einzige Option für die CDU eine Koalition mit der FDP. Disziplin ist gefragt, denn CDU und FDP verfügen mit 100 von 199 Sitzen über eine nur knappe Mehrheit. Die GEW NRW gratuliert Armin Laschet und wunderlich, dass sie zugleich die angespannte ausfalls und die Einrichtung einer ordentlichen der CDU zum Wahlsieg. An der Bereitschaft zur Haushalts- und Finanzsituation anführt, um Vertretungsreserve von zusätzlichen Stellen in Kooperation mit der Landespolitik kann bei der die Angleichung zeitlich zu staffeln. Erfreulich, Höhe von acht Prozent je Schule. Bildungsgewerkschaft kein Zweifel bestehen, dass die CDU anstrebt im Einvernehmen mit Übereinstimmung oder Dissens? Das klärt sich denn unsere bildungspolitischen Ziele und bes- den Lehrer*innenverbänden einen Stufenplan am besten, wenn die unter Rot-Grün verbesserten sere Arbeitsbedingungen für unsere Mitglieder zur Umsetzung zu entwickeln. Beteiligungsmöglichkeiten in der Bildungskon- sind anders nicht zu erreichen. Bereits im Wahlkampf hat die GEW NRW ferenz und an Runden Tischen beibehalten jedoch ebenso deutlich Kritik an bestimmten werden. Die GEW NRW ist zur Teilnahme bereit. Übereinstimmung und Dissens Ankündigungen der beiden (mutmaßlichen) Ambitionierte Pläne Nimmt man die – in Teilen differierenden – Regierungsparteien in spe geübt. Das Spektrum Wahlkampfaussagen von CDU und FDP zur Das „18-Punkte-Sofortprogramm“ der CDU Grundlage, so zeichnen sich deutlich Themen- reicht von der Wiederbelebung des Hochschulfrei- für die ersten 100 Regierungstage ist sehr am- felder ab, in denen die Ziele der beiden Parteien heitsgesetzes mit der Möglichkeit der Erhebung bitioniert: Es umfasst die Ermöglichung eines mit denen der GEW NRW übereinstimmen. von Studienbeiträgen bis zur Schaffung einer echten G9 und die Einführung der digitalen Angekündigt wurden zum Beispiel eine Verbes- Wahlmöglichkeit der Gymnasien zwischen G8 Erfassung des Unterrichtsausfalls. Es sieht eine serung der Schüler*innen-Lehrer*innen-Relation, und G9. Sogar eine Unterrichtsgarantie auf Unterrichtsgarantie mit Einstellungsoffensive mehr Lehrer*innen und eine auskömmliche Grundlage einer täglichen Erfassung des Unter- vor, damit die Lehrkräfteversorgung an den Vertretungsreserve. Zur Besoldungsstruktur der richtsausfalls wurde im Wahlkampf in Aussicht Grundschulen schnell auf 105 Prozent steigt. Lehrkräfte hat die CDU zwar nicht ausdrücklich gestellt. Für die GEW NRW ist klar: Messen allein Es kündigt ein Moratorium an, damit keine Stellung bezogen. Sie hat jedoch deutliche reicht nicht! Neue Software zur Erfassung kann Förderschule mehr geschlossen wird. Es stellt die Zustimmung zu dem rechtlichen Grundsatz man einsetzen, mit ihrer Hilfe wird aber keine Erhöhung der Investitionspauschale des Landes signalisiert, dass eine gleichlange Ausbildung einzige Stunde weniger ausfallen. Die einzige für die Instandhaltung und Instandsetzung der eine gleiche Bezahlung erfordert. Nicht ver- Lösung: der Abbau des strukturellen Unterrichts- Schulgebäude in Aussicht. Und es verspricht die Verabredung eines Sofort-Fahrplans zur Neuauf- stellung der Kita-Finanzierung. Große Pläne, bei Sitzverteilung – NRW-Landtagswahl 2017 SPD 69 denen die GEW NRW genau hinschauen wird. CDU 72 Bildung gegen Spaltung FDP 28 Der Einzug der Rechtspopulist*innen, die AfD 16 weder für das Armutsproblem noch für andere GRÜNE 14 zentrale gesellschaftliche Aufgaben eine Lösung bieten können und Minderheiten offen diskri- minieren, wird die Arbeit des Landtags nicht verbessern. Gerade vor diesem Hintergrund wünschen wir uns als Gewerkschafter*innen, dass mehr soziale Gerechtigkeit bereits im Koali- tionsvertrag als Ziel verankert wird – ein Thema, das in vielen Wahlkampfreden auch von CDU Quelle: Ministerium für Inneres und Kommunales Nordrhein-Westfalen, Landeswahlleiter und FDP zu hören war. // Dorothea Schäfer
nds 5-2017 9 Kommentar zur NRW-Landtagswahl 2017 Zuhören, entscheiden, handeln. Die Analysen nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl mach- ten das Scheitern von Rot-Grün schnell zu einem Scheitern rot-grüner Bildungspolitik. Vorsicht vor pauschalen Verurteilungen, meint die GEW NRW – auch mit Blick auf die kommende Landesregierung. Es war nicht die Schulpolitik von SPD und schule noch eine dauerhafte Bestandsgarantie vorbildliches Recht, das die gleichlange und GRÜNEN in Gänze, die wesentlich zu ihrer Ab- angesichts der demografischen Entwicklung und gleichwertige Lehrerausbildung einführte. Auf wahl beigetragen hat. Es waren vielmehr die des veränderten Wahlverhaltens der Eltern? die besoldungsrechtlichen Konsequenzen ver- Umsetzung der Inklusion und der Versuch, die Ironie der Geschichte, dass die unterbliebene zichteten sie allerdings. Nun ist es an der Zeit, schwarz-gelbe Variante der Schulzeitverkürzung Reform der schwarz-gelben Schulzeitverkürzung die in Teilen verfassungswidrige Besoldung der akzeptabel zu machen. Hier wären deutliche Kor- der rot-grünen Landesregierung nun nicht zuletzt Lehrer*innen endlich zu korrigieren. Ein gutes rekturen erforderlich gewesen. Nicht zuletzt die die Bilanz verhagelt hat. Projekt zum Einstieg in eine Politik, die zuhört GEW NRW hat den Finger in die Wunde gelegt Die rot-grünen Korrekturen waren erforder- und dann handelt. Es wäre zum Start in die und gut begründete Kritik vorgetragen. Leider lich, weil die Schulpolitik von 2005 bis 2010 Legislaturperiode zudem ein gutes Signal der erwies sich die rot-grüne Koalition in diesen Fra- eine merkwürdige Mischung aus ideologisch neuen Landesregierung dafür, dass zu guter Bil- gen jedoch als weitgehend beratungsresistent. konservativer und neoliberaler Politik war, die dungspolitik auch bessere Arbeitsbedingungen Zur Schulpolitik von SPD und GRÜNEN scheitern musste. Damals erwiesen sich die nun und bessere Bezahlung gehören. Die Vorschläge gehörten aber auch mehr Beteiligung durch vermutlich erneut gemeinsam regierenden Par- der GEW NRW liegen auf dem Tisch. // Bildungskonferenz und Runde Tische, der in teien als ebenso beratungsresistent wie zuletzt der Bildungskonferenz entwickelte Schulkon- Rot-Grün in Sachen Inklusion. Wer nun mit dem sens mit dem folgenden Ausbau des längeren Motto antritt, erst zuhören, dann entscheiden www. GEW NRW: Aktuelles und Hintergründe zur Landtagswahl 2017 gemeinsamen Lernens, die Abschaffung der und handeln zu wollen, muss anders agieren. An www.gew-nrw.de/landtagswahl-nrw-2017 Studiengebühren oder der Ausbau des Ganztags. der GEW NRW wird der konstruktive Dialog und Und nicht zuletzt war es ein Segen, dass zentrale die gemeinsame Suche nach besten Lösungen bei Elemente der schwarz-gelben Schulpolitik der der Priorität für Bildung sicher nicht scheitern. Dorothea Schäfer Jahre 2005 bis 2010 korrigiert wurden. Wer CDU und FDP haben in ihrer Regierungszeit Vorsitzende der GEW NRW trauert den Kopfnoten nach? Wer vermisst die mit der Novellierung des Lehrerausbildungsge- verbindliche Schulformempfehlung und den setzes 2009 gezeigt, dass sie auch anders kön- Prognoseunterricht? Wer gibt heute der Haupt- nen. Sie schufen ein modernes und bundesweit Wir machen das anders als andere www.debeka.de/socialmedia Versichern und Bausparen onitor® Kundenm 2016 Traditioneller nd Deutschla Partner des öffent- Landesgeschäftsstellen in Nordrhein-Westfalen Mit unseren über 16.000 fest angestellten Mit- lichen Dienstes GER Burgwall 15, 44135 Dortmund, Tel. (02 31) 61 01 - 0 TESTzuSfrIE ieden h ei t arbeitern/innen setzen wir uns an 4.500 Karlstr. 76, 40210 Düsseldorf, Tel. (02 11) 1 67 06 - 0 Kunden De-la-Chevallerie-Straße 23, 45894 Gelsenkirchen, Branche: sicherun gen Standorten immer für unsere Mitglieder ein. Tel. (02 09) 38 64 69 - 0 ankenver Private Kr w.debeka.de/kundenmon itor ter ww Neumarkt 49, 50667 Köln, Tel. (02 21) 20 86 - 0 Details un Weitere Infos unter www.debeka.de oder hier Windthorststr. 14, 48136 Münster, Tel. (02 51) 48 31 - 0
10 BILDUNG Kopfbedeckungen in der Schule Religiöse Freiheit und offene Kommunikation Nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. Januar 2015 zu, selbstverständlich auch dem Islam und dem und der darauf folgenden Änderung des Schulgesetzes ist klar: Lehrerinnen dürfen Judentum. Folgerichtig heißt es im nordrhein- in NRW grundsätzlich mit Kopftuch unterrichten. Aber wie ist es mit den anderen westfälischen Schulgesetz (SchulG): „Die Schule am Schulleben Beteiligten? Welche Hinweise gibt das nordrhein-westfälische ist ein Raum religiöser und weltanschaulicher (Schul-)Recht? Freiheit.“ (§ 2 Absatz 7 Satz 1 SchulG NRW) Folglich können Hidschab und Tschador – For- Ein neunjähriges Mädchen kommt plötzlich Bekenntnisfreiheit – also das Recht darauf, eine men des Kopftuchs, die das Gesicht freilassen – mit Kopftuch in die Schule – kann man ihr das Religion zu haben und auszuüben – als auch die und auch die Kippa von Eltern, Lehrer*innen und verbieten? Eine vollverschleierte junge Frau negative – also nicht glauben zu müssen und Schüler*innen in der Schule getragen werden. meldet sich im Weiterbildungskolleg an – mit nicht vom Glauben bedrängt zu werden. Auch Auch eine Schulordnung kann dies nicht so Aussicht auf Erfolg? Ein junger Mann jüdischen Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskon- weitgehend einschränken. Glaubens kommt mit Kippa in eine Schule, deren vention (EMRK) gewährleistet die Glaubensfrei- Schüler*innen sind wegen der aus Artikel 7 Schulordnung das Tragen von Kappen verbietet – heit in diesen Ausprägungen, allerdings anders GG herzuleitenden Schulpflicht gezwungen, in darf er die Kippa anbehalten? Eine vollverschlei- als das GG mit „Gesetzesvorbehalt“. Das bedeutet, die Schule zu gehen, und empfinden es vielfach erte Frau begehrt Einlass in die Schule, sie möchte dass der innerstaatlich zuständige Gesetzgeber als ihre religiöse Pflicht, in der Öffentlichkeit das ihr Kind abholen – geht das? Dies sind alles Fälle, dieses Grundrecht per Gesetz einschränken oder Kopftuch oder die Kippa zu tragen. Würde man die der Presse der letzten zwei Jahre entnommen die Verwaltung gesetzlich zur Einschränkung von ihnen verlangen, die Kopfbedeckung abzu- sind. Eine Statistik dazu wird nicht geführt. ermächtigen kann. Das Erziehungsrecht der legen, so würden sie in einen unausweichlichen Innerhalb der religiösen Gemeinschaften Eltern aus Artikel 6 GG verbürgt die Freiheit der Konflikt geraten. Daher ist ihnen grundsätzlich werden Kopftuch und Kippa unterschiedlich Eltern, die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen. das Tragen eines Kopftuchs oder einer Kippa in Demgegenüber steht Artikel 7 GG mit dem der Schule zu erlauben. bewertet: Das Tragen des Kopftuchs geht auf staatlichen Erziehungsauftrag. Aber wie ist es mit den Vollverschleierungen, das Bedeckungsgebot im Koran zurück: Sure Ferner spielt das Religionsverfassungsrecht also Nikab und Burka? Gilt die religiöse Freiheit 24, Vers 31 und Sure 33, Vers 59. Beide Suren eine Rolle. Es ist festgehalten in Artikel 140 GG, in der Schule unbegrenzt? Das Tragen einer sind nicht eindeutig. Von Bedeckung der Haare der auf weitergehende Vorschriften der Weimarer und des Gesichts ist wörtlich nicht die Rede. Das Gesichtsverhüllung verstößt gegen die Mitar- Reichsverfassung verweist, nämlich Artikel 136 Kopftuchgebot ist daher auch innerislamisch beitspflicht aus § 42 Absatz 3 SchulG. Eine bis 141. Für den Personalbereich sind zudem umstritten. Das Bedeckungsgebot wird teilwei- Nikab tragende Schülerin kann nicht identifiziert einschlägig: Artikel 33 GG, das den Zugang se im Islam als unbedingte Pflicht angesehen, werden. Die Gesichtsverhüllung verhindert die zu öffentlichen Ämtern regelt, das Grundrecht teilweise auch nicht. Politisch wird das Kopftuch Erfüllung des Unterrichtsauftrags der Schule der Berufsfreiheit aus Artikel 12 GG, das Dis- als Symbol männlicher Unterdrückung der Frau aus pädagogischer Sicht, denn erst die nonver- kriminierungsverbot aus Artikel 3 GG sowie die bewertet. Bei der Kippa gibt es innerjüdisch bale Kommunikation durch Mimik und Gestik allgemeine Handlungsfreiheit aus Artikel 2 GG. ebenfalls geteilte Aussagen über die Pflicht, wo ermöglicht die soziale Interaktion im Klassenver- und wann der Kopf zu bedecken sei. Schule ist ein Raum religiöser Freiheit band. Außerdem können Probleme beim Sprach- In Deutschland gibt es also keinen Laizismus, verständnis entstehen, weil die Sprache unter Zwischen Religionsfreiheit, Elternrecht dem Schleier gedämpft und deswegen schwer auch die Landesverfassung (LV) ist offen für Religi- und staatlichem Erziehungsauftrag verständlich ist. Ferner besteht bei Versuchen on in der Schule, wie sich aus dem Erziehungsziel Aus juristischer Sicht geht es im Schulbereich „Ehrfurcht vor Gott“ (Artikel 7 Absatz 1 LV NRW) in den naturwissenschaftlichen Fächern durch um eine Abwägung zwischen der Religionsfrei- und aus der Offenheit für christliche und andere den Schleier Verletzungsgefahr. Schließlich leidet heit, dem Elternrecht und dem staatlichen Erzie- Bekenntnisse in der Gemeinschaftsschule (Artikel auch die Interaktion unter den Schülern*innen, hungsauftrag in der Schule. Artikel 4 Grundgesetz 12 Absatz 3 LV) ergibt. Diese Offenheit kommt weil durch die Vollverschleierung der Aufbau (GG) verbürgt sowohl die positive Glaubens- und allen religiös-weltanschaulichen Überzeugungen von sozialen Beziehungen beeinträchtigt wird.
nds 5-2017 11 Fotos: Inkje / photocase.de, ra2studio / shutterstock.com Verständigung in den schulischen Gremien oder im Elterngespräch ist nur möglich, wenn alle Beteiligten nicht nur die jeweiligen Worte hören, sondern auch die Mimik der anderen wahrnehmen können. Rechtliche Grundsätze für den Schulalltag Zusammenfassend ergeben sich damit fol- gende Grundsätze für den Umgang mit verschlei- erten Schülerinnen und Eltern im Schulalltag: ◆◆ Das Tragen des Kopftuchs ohne Gesichts- verhüllung ist an nordrhein-westfälischen Schulen generell erlaubt. Dasselbe gilt für die Kippa. auch die eingangs erwähnte vollverschleierte ◆◆ In NRW hat ein generelles Verbot, auf dem Rechtslage an Frau nicht in das Weiterbildungskolleg aufge- Schulgelände Gesichtsverhüllungen zu tra- nommen werden. privaten Schulen gen, keine Grundlage im Schulgesetz. ◆◆ Schülerinnen dürfen jedenfalls im Unter- Verschleierte Mütter: Identifizierung An privaten Schulen ist der Sachverhalt grund- und Kommunikation ermöglichen richt keine Gesichtsverhüllung tragen. sätzlich ein anderer, denn sie sind nach § 101 Absatz 3 SchulG berechtigt, sich eine besondere ◆◆ Eltern im Allgemeinen kann ohne Differen- Zum Umgang mit verschleierten Müttern in pädagogische, religiöse oder weltanschauliche zierung per Schulordnung das Betreten des Prägung zu geben. Daher können private Schulen der Schule gibt es bisher keine Rechtsprechung. Schulgeländes untersagt werden. im Schulvertrag mit den Eltern jegliche religiöse Die vollverschleierte Mutter macht von ihrer Reli- ◆◆ Liegt eine konkrete Gefahr vor, kann Bekleidung ausschließen und insbesondere auch gionsfreiheit und – indem sie zur Schule kommt – eine einheitliche Schulbekleidung vorschreiben. verschleierten Personen das Betreten zugleich auch von ihrem Elternrecht Gebrauch. des Schulgeländes im Einzelfall verboten Das Schulgesetz regelt diese Konstellation nicht werden. Kopfbedeckung – ja, explizit. Deshalb lässt sich in diesen Fällen nur ◆◆ Von gesichtsverschleierten Müttern kann Vollverschleierung – nein aus allgemeinen Grundsätzen schöpfen: Die ein Heben des Schleiers zur Identifizierung Grundrechte der Mutter werden eingeschränkt Daher ist eine Abwägung zwischen der Glau- verlangt werden. vom staatlichen Erziehungsrecht aus Artikel 7 bensfreiheit (Artikel 4 GG) und dem staatlichen ◆◆ In Mitwirkungsgremien und in Gesprächs- GG. Dieses gebietet, für die Sicherheit in der Bestimmungsrecht im Schulwesen (Artikel 7 situationen kann die Entfernung des Schule und den Frieden in der Schule zu sorgen. Absatz 1 GG) notwendig. Beide stehen sich Schleiers verlangt werden. // Dabei muss gleichzeitig die Werteordnung des grundsätzlich gleichrangig gegenüber. Nach Grundgesetzes beachtet werden. Das bedeutet, dem Grundsatz der praktischen Konkordanz dass den Grundrechten der Einzelnen weitest- ergänzen sie sich wechselseitig in einer Weise, mögliche Geltung zu verschaffen ist. die weder das eine noch das andere bevorzugt Per Schulordnung kann geregelt werden, dass Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Keine oder maximal behauptet. Es ist daher immer Eltern das Schulgelände nicht betreten dürfen – PDF gesichtsverhüllende Verschleierung im Un- nach Lösungen zu suchen, die dem Grundrecht es sei denn zum Elternsprechtag oder zu Schul- terricht (Pressemitteilung zum Beschluss die maximal mögliche Entfaltung sichert. mitwirkungsveranstaltungen. Ein solches Verbot vom 22. April 2014) Zunächst einmal gilt es zu klären, ob das Ziel www.tinyurl.com/vgh-bayern ist aber nur generell und nicht mit spezifischem auf andere Weise erreicht werden kann. Eine www. GEW NRW: Schule braucht ein offenes Bezug auf das Kopftuch möglich. Im Einzelfall ist Gesicht Ausweichmöglichkeit ist im Falle einer Vollver- aber zulässig, einer vollverschleierten Mutter – www.tinyurl.com/offenes-gesicht schleierung für die Schule dann nicht annehm- auf das Hausrecht gestützt – den Zutritt zum www. GEW NRW: Entscheidung nicht den bar, wenn sie zu einer Unterrichtsgestaltung Schulgelände zu verwehren, da ihre Identität Schulen überlassen führt, die ihrem fachlichen Konzept, nämlich der www.tinyurl.com/entscheidung-schulen nicht festzustellen ist. Sollte sie bereit sein, diese offenen Kommunikation im Unterrichtsgespräch www. Ilse Führer-Lehner: Konfliktstoff Kopftuch offenzulegen, wird man ihr den Zutritt gewähren (in: nds 4-2015) im Gegensatz zu einseitigen Monologen der müssen. Das gilt auch in den Fällen, in denen www.tinyurl.com/konfliktstoff-kopftuch Lehrkraft, in gravierender Weise zuwiderliefe. vollverschleierte Mütter ihre Kinder abholen So hat jedenfalls der Bayerische Verwaltungs- möchten, sofern den Eltern dafür generell der gerichtshof entschieden (Aktenzeichen: 7 C S Zutritt zur Schule gewährt wird. 13.2592 und 7 C13.2593). Diese Grundsätze Bei Elternsprechtagen und in Pflegschafts- Joachim Fehrmann* gelten genauso auch in nordrhein-westfälischen sitzungen müssen Mütter ihr Gesicht ständig Gruppenleiter Schulrecht im Ministerium für Schule und Schulen: Schüler*innen können also mit Kopf- freilegen, damit Kommunikation in vollem Um- Weiterbildung NRW (*Der Beitrag bedeckung, aber nicht gesichtsverschleiert zum fang möglich ist. Das ergibt eine Gesamtschau gibt die persönliche Meinung des Unterricht gehen. Aus diesem Grund konnte der Schulmitwirkungsbestimmungen. Denn eine Autors wieder.)
12 BILDUNG PISA-Sonderauswertung zu sozial-emotionalen Faktoren Wie das Wohlbefinden den Lernerfolg beeinflusst Nachdem die OECD nicht zuletzt von den Bildungsgewerkschaften im- OECD-Durchschnitt – und das obwohl die Ein- mer wieder dafür kritisiert wurde, dass sie das schulische Lernen auf den führung der verkürzten Gymnasialzeit subjektiv Lernoutput in bestimmten Fächern reduziert, nimmt die Bildungsabtei- zu einer Verdichtung der Lernanforderungen geführt hat. lung der OECD nun in zunehmenden Maße auch Aspekte der sozialen In allen OECD-Ländern sehen die Mädchen und emotionalen Entwicklung in den Blick. Dies spiegelt sich auch in der ihre Lebenssituation kritischer und fühlen sich PISA-Sonderauswertung der Daten von 2015 wider. In dieser Sonderaus- von den Lehrkräften weniger unterstützt. Dies wertung geht es um das Wohlbefinden („well-being“) der Schüler*innen überrascht, da die „Problemkinder“ meist männ- in der Schule. lich sind. Offensichtlich werden die ruhigen und arbeitsamen Mädchen in ihren Bedürfnissen Ausgewertet wurden die Zufriedenheit und Inwieweit kann die GEW dennoch aus den gerne übersehen. das Zugehörigkeitsgefühl von Schüler*innen OECD-Daten Erkenntnisse für ihre bildungs sowie auch ihr Zusammenleben und der Umgang politische Argumentation gewinnen? Der Blick Der Wunsch nach Zugehörigkeit mit Mitschüler*innen und Lehrkräften. Die Ergeb- auf die Rankingplätze im internationalen Ver- In Hinblick auf das Zusammenleben in der nisse basieren auf den Daten der PISA-Erhebung gleich hilft dabei mit Sicherheit nicht weiter. Schule zeigt die Sonderauswertung, dass Mob- von 2015, an der 540.000 Schüler*innen aus 72 Die Ergebnisse beruhen auf Befragungen der bing ein ernst zu nehmendes Problem zu sein Ländern und Wirtschaftsräumen teilgenommen Jugendlichen. Ihre Antworten sind kulturell scheint. Deutschland liegt hier nicht über dem haben. Unter well-being versteht die OECD die konnotiert, weil beispielsweise bestimmte The- OECD-Durchschnitt, aber immerhin geben circa Gesamtheit der psychologischen, sozialen und men in bestimmten Kulturen tabuisiert werden. kognitiven Verfasstheit sowie die Einschätzung 16 Prozent der Jugendlichen an, in der Schule Auch die Sensibilität für soziale Ausgrenzung Opfer von Mobbing geworden zu sein. Das ist der Lebensqualität durch 15-jährige Lernende. und Mobbing oder die Erwartungen an das eine sehr hohe Zahl und macht deutlich, dass Erkenntnisgewinn für die GEW? Verhalten von Schüler*innen oder Lehrer*innen Handlungsbedarf besteht. Über die Sensibili- Dass sich die OECD-Bildungsabteilung nun sind kulturell verschieden. Erkenntnisse sind also sierung aller pädagogischen Fachkräfte hinaus auch der emotionalen Entwicklung der Ler- eher aus den allgemeinen Ergebnissen und aus brauchen die Lehrkräfte mehr Zeit für die einzel- nenden zuwendet, ist aus Sicht der GEW ambi- nationalen Werten zu gewinnen. Natürlich sind nen Jugendlichen. Meistens bleibt in der Schule valent zu sehen. Einerseits zeigt sich darin, dass die Ergebnisse auch in großen Teilen wenig über- zu wenig Zeit, um Kindern und Jugendlichen für die OECD die Einwände der Gewerkschaften raschend und gehören zum Erfahrungsschatz persönliche Beratungsgespräche zur Verfügung durchaus ernst nimmt und versucht, darauf zu von Lehrkräften. zu stehen. Die Schulsozialarbeit ist häufig nicht reagieren. Andererseits wird die emotionale Weniger Leistungsdruck trotz Turboabi? ausreichend mit Personal ausgestattet und der und soziale Entwicklung der Jugendlichen in Für die OECD-Bildungsabteilung dürften schulpsychologische Dienst völlig überlaufen. erster Linie als Wirtschaftsfaktor, als eine Art einige Ergebnisse indes recht lehrreich sein. Deshalb fordert die GEW eine Herabsetzung „Veredelung“ des Humankapitals gesehen. Für die GEW ist die sozial-emotionale Entwicklung Die asiatischen Staaten wurden in den letzten der Unterrichtsverpflichtung sowie einen be- Teil eines ganzheitlichen Bildungsbegriffs. Die Erhebungen stets euphorisch als PISA-Sieger darfsgerechten Ausbau der Schulsozialarbeit Bildungsgewerkschaft tritt für soziales Lernen gefeiert. Nun zeigt sich, wie unglücklich die und des schulpsychologischen Dienstes. Die ein, weil sie für eine friedliche, demokratische Jugendlichen in einem solchen Drill-System sind, meisten Jugendlichen geben die Beziehung und tolerante Gesellschaft steht. Sie begründet mit wie vielen Ängsten und Einschränkungen zu den Lehrkräften als wichtigen Faktor für sozial-emotionales Lernen sozial- und gesell- der Lebensfreude die hohen Leistungen erkauft das Wohlbefinden in der Schule und für den schaftspolitisch – die OECD begründet es öko- werden. In Bezug auf Leistungsdruck liegen die Lernerfolg an. Dies unterstreicht, dass Lehrkräfte nomisch. Das ist ein wesentlicher Unterschied. deutschen Jugendlichen dagegen unter dem dringend genügend Zeit für Lern- und Entwick-
Fotos: suschaa, epert / photocase.de nds 5-2017 13 PISA-Studie: Anteil der 15-jährigen PISA-Studie: Anteil der 15-jährigen Schüler*innen, die regelmäßig Opfer von Mobbing Schüler*innen, die bei Schwierigkeiten in der an ihrer Schule sind. Schule Unterstützung von ihren Eltern bekommen. Niederlande 9,3 % Lettland 86,2 % Portugal 11,8 % Türkei 86,6 % Island 11,9 % Japan 87,1 % Spanien 14,0 % Polen 88,4 % Irland 14,7 % Italien 89,3 % Deutschland 15,7 % Frankreich 89,9 % Griechenland 16,7 % Griechenland 90,2 % Finnland 16,9 % Spanien 90,5 % Norwegen 17,7 % OECD 90,6 % Frankreich 17,9 % Finnland 90,9 % Schweden 17,9 % USA 91,1 % Türkei 18,6 % Deutschland 91 ,3 % OECD 18,7 % Großbritannien 91,5 % USA 18,9 % Belgien 91,6 % Dänemark 20,1 % Schweden 92,2 % lungsgespräche brauchen. Lehrkräftearbeitszeit Ungarn 20,3 % Norwegen 93,0 % allein auf den Unterricht zu reduzieren, ist des- Polen 21,1 % Ungarn 93,1 % halb nicht mehr zeitgemäß. Japan 21,9 % Irland 94,1 % Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie Großbritannien 23,9 % Dänemark 94,3 % ist, dass es den Jugendlichen besonders wich- Tschechien 25,4 % Portugal 94,6 % tig ist, in der Schule ein Zugehörigkeitsgefühl Lettland 30,6 % Niederlande 96,6 % („sense of belonging“) zu empfinden und frei Ausgewählte OECD-Länder, Quelle: OECD, PISA 2015 Results. Students’ Well-Being. Volume III – Overview von Angst zu sein. Deutschlands Jugendliche fühlen sich nicht häufiger ausgegrenzt als der aus ihrer gewohnten Lerngruppe entfernt zu ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung nach- OECD-Durchschnitt und Versagensängste sind werden und unter Umständen eine Schulform haltig durch bessere Ressourcenzuweisung und in den asiatischen Ländern sehr viel weiter besuchen zu müssen, die als gesellschaftliches schulinterne Fortbildungsangebote unterstützt verbreitet. Auffallend ist aber, dass Kinder mit Abseits gilt. werden. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei Lernproblemen, die wenig Unterstützung durch Kinder aus Armutsverhältnissen, die wenig auf Schulen mit besonderen sozialen und päda- ihre Eltern erfahren, mehr Schulängste zeigen häusliche Unterstützung für das schulische gogischen Herausforderungen gelegt werden. und sich weniger integriert fühlen. Nicht zuletzt Lernen erfahren, sind in besonderem Maße Diese Schulen brauchen nicht nur die besten und vor diesem Hintergund fällt auf: Schüler*innen von sonderpädagogischem Förderbedarf und engagiertesten Pädagog*innen, sondern auch aus Förderschulen sind in den Erhebungen in vielen Bundesländern von dem Besuch einer eine verstärkte Mittelzuweisung und verlässliche deutlich unterrepräsentiert. Da es in den mei- Förderschule betroffen. Ihre belastenden Le- Unterstützungssysteme. sten Staaten der Erde keine Förderschulen für bensumstände werden in einem gegliederten Auch wenn die PISA-Sonderauswertung keine Schulsystem in ein Persönlichkeitsmerkmal um- bahnbrechend neuen Erkenntnisse erbracht hat, den Bereich Lernen gibt, sollte diese spezielle definiert: die „Lernbehinderung“. Die Aufgabe so helfen uns die Daten doch durchaus, weiterhin Schulform gesondert betrachtet werden. Wie unsere Forderung nach einer gut ausgestatteten, schätzen Jugendliche dieser Schulform ihren eines inklusiven demokratischen Schulsystems demokratischen, gendersensiblen, inklusiven Lernerfolg und ihre Zukunftsaussichten ein? besteht jedoch darin, Bildungsbenachteiligungen Schule mit Argumenten zu unterfüttern. // auszugleichen und Kindern und Jugendlichen Systemimmanente Ausgrenzung aus Armutsverhältnissen und mit psychosozial Der Zusammenhang zwischen dem Bildungs- belastenden Lebensumständen kompensato- interesse der Eltern und dem Wohlbefinden rische Bildungsangebote zu machen und ihnen OECD: PISA 2015 Results. Students’ Well- sowie dem Lernerfolg der Jugendlichen ist of- PDF Being. Volume III – Overview. ein wertschätzendes Zugehörigkeitsgefühl zu www.tinyurl.com/well-being-overview fensichtlich: Kinder und Jugendliche, die von vermitteln. OECD: Are students happy? PISA 2015 ihrem Elternhaus wenig Unterstützung erfahren, PDF Results. Students’ Well-Being. (Zusammen- zeigen mehr Ängste und erzielen schlechtere Bildungsbenachteiligung ausgleichen fassung) Lernergebnisse. Das gegliederte Schulsystem Leider werden die Schulen in Deutschland www.tinyurl.com/well-being-zusammenfas- sung verstärkt diesen Effekt noch, denn es reagiert gerade in der Wahrnehmung dieser Aufga- gemäß seiner Logik auf diese Problematik mit be wenig unterstützt. Das beginnt mit einer schlechten Zensuren und im Extremfall mit der Lehrer*innenbildung, die auf den Unterricht mit Ilka Hoffmann Abschulung in eine andere Schulform. Kinder Mittelschichtskindern aus bildungsorientierten Leiterin des Organisationsbereichs Schule der GEW und Jugendliche, die sich ohnehin schon benach- Familien zugeschnitten ist, und endet in einer teiligt fühlen und von ihren Eltern wenig unter- Mittelzuweisung, die die sozialen Herausforde- stützt werden, müssen zusätzlich damit rechnen, rungen von Schulen negiert. Schulen müssen in
14 BILDUNG Kooperatives Erarbeiten von Bildungsbauten Illustration: PureSolution / shutterstock.com Phase Null: Lernraum gemeinsam entwickeln Wenn ein Schulgebäude neu gebaut oder ein bestehendes Gebäude umgebaut werden soll, müssen unterschiedlichste Perspektiven zum Konsens gebracht werden: Architekt*innen, die Schulverwaltung, Lehrende und Lernende. Keine leichte Aufgabe. Kooperative Methoden können helfen, gemeinsam gute Lösungen zu entwickeln. Vor 20 Jahren hielt Kooperatives Lernen als Zukunftswerkstätten. Die Entwicklung der soge- Raumprogramm für ihre zukünftigen Lern- und Prinzip und didaktischer Ansatz Einzug in Europa. nannten „Phase Null“ verdeutlicht beispielhaft, Unterrichtsräume. Diese Zusammenarbeit ist Das Arbeitsprinzip beruht auf drei Phasen: Think – dass es sich lohnt, Think – Pair / Square – Share in einen für die jeweilige Schule maßgeschnei- Pair / Square – Share. In der ersten Phase arbeitet nicht nur im Unterricht, sondern auch zur Lern- derten Prozess eingebettet, der in der Regel aus jede*r für sich alleine. In der zweiten Phase wer- raumentwicklung zu nutzen. aufeinander aufbauenden Workshops besteht. den die Ergebnisse im Partnerteam oder in der Das Raumprogramm gibt an, welche Funktionen Synergieeffekte von Pädagogik und Kleingruppe besprochen, bevor sie in der dritten Raum für das Lehren und Lernen nutzen das zu planende Gebäude erfüllen soll. Es ist die Phase dem Plenum vorgestellt werden. Dabei Grundlage zum Beispiel für einen Architektur- Um Schulen als zukunftsfähige Lernräume ist Kooperatives Lernen keineswegs nur eine wettbewerb und für die Entwurfsplanung des planen und bauen zu können, hat sich in den Methode, die von Schüler*innen im Unterricht Architekturbüros. Der Kommunikation hin auf vergangenen Jahren ein Verfahren zur Planung umgesetzt werden kann. Auch in beruflichen ein gemeinsames Ziel kommt in der Phase Null von Schulneu- und Umbaumaßnahmen entwi- Settings trifft man immer häufiger auf dieses ein besonderer Stellenwert zu, sowohl innerhalb ckelt, das der eigentlichen Bauplanung und Prinzip, insbesondere bei Fragestellungen, die der Schulgemeinschaft als auch zwischen den -ausführung – den Phasen 1 bis 9 – vorgeschaltet das gemeinsame Wirken in multiprofessionellen verschiedenen Professionen. ist. Deshalb wird diese Planungsphase häufig Teams erfordern. Teams, deren Mitglieder in Der Prozess zur Lernraumentwicklung (Abbil- als Phase Null bezeichnet: Unterstützt durch dieser Methode erfahren sind, nutzen sie effizient dung links) beginnt immer mit einer Bestands- ein professionelles Schulbauberatungsteam und gewinnbringend. Anwendungsmöglichkeiten aufnahme, die sich in zwei Bereiche gliedert: In erarbeitet die Schule gemeinsam mit der Schul- der kommunalen und baulichen Bestandsauf- sind Fachkonferenzen, Gesamtkonferenzen oder verwaltung und den Verantwortlichen für die nahme werden städtebauliche, sozialräumliche Schulentwicklungsprozesse, zum Beispiel in kommunalen Gebäude ein pädagogisch basiertes und planerische Gegebenheiten geprüft. In der pädagogischen Bestandsaufnahme wird Prozess zur Lernraumentwicklung – Ebenen und Akteur*innen analysiert, wie das Schulkonzept in die Praxis umgesetzt wird. Dafür werden gemeinsam mit Schule Verwaltung Lehrenden, Lernenden, Eltern, nichtlehrenden Bestandsaufnahme Mitarbeiter*innen und weiteren wichtigen Akteur*innen – etwa mit dem Förderverein > Aktuelles pädagogisches Konzept > Schüler*innenzahlen der Schule – Schlüsselinterviews durchgeführt. > Baupläne Durch Schulbegehungen und Hospitationen > Entwicklungsziele während des Schulalltags wird die reale Nutzung > Machbarkeitsstudie des vorhandenen Gebäudes genau erfasst. Wenn Schulentwicklungsprozesse > Finanzierung es darum geht, eine Vision für das künftige Schulgebäude zu entwickeln, erweisen sich Exkursionen zu kürzlich neu errichteten oder umgebauten Schulen und Gespräche mit den Kommunikation dortigen Kolleg*innen als wichtige Informa- tionsquellen. Hinzu kommen terminliche und Lehrende Lernende Schulleitung Bauherr wirtschaftliche Eckdaten, wie die zu erwartenden zukünftigen Schüler*innenzahlen. Auf diese Weise werden Schritt für Schritt interdisziplinär architektonisches, planerisches und pädago- Eltern Förderer gisches Wissen zusammengeführt. Im weiteren Prozess geht es darum, die zu- sonstiges Personal Politik Architekturbüro künftigen Entwicklungsziele für die Schule auch
nds 5-2017 15 Ausgangsfrage: Wie soll der Schulhof gestaltet sein? Lernende – Unterstufe Lernende – Oberstufe Lernende – Mittelstufe Schulleitung „Wir wollen rennen, „Ist uns egal: Wir sind „Wir wollen chillen, „Aufsichtspersonal soll klettern, spielen, toben, vor dem Tor in der abhängen, liegen, unter effizient, übersichtlich schreien, hüpfen, Fußgängerzone.“ uns sein ...“ mit zwei Lehrkräften Verstecken spielen.“ durchführbar sein.“ Lehrende Hausmeister*innen Sozialpädagog*innen Schulverwaltung „Er soll auch als „Sicherheit geht vor! Kein „Bei allen Wetterlagen „Pro Schüler grünes Klassenzimmer Zugang für Außenstehende!“ nutzbar!“ stehen 5 m2 zur nutzbar sein.“ Verfügung.“ Prozessergebnis: Der Schulhof wird mit verschiedenen Zonen gestaltet: Spielbereiche mit Klettergerüst – Bewegungselemente – Fußballfeld – Tischtennisplatten überdacht – Tische und Bänke unter Bäumen – Amphitheather und Liegewiese – Treppenelemente im hinteren Bereich räumlich-konzeptionell zu definieren, mit dem um gemeinsam einen zukunftsfähigen Lernort zu die Beteiligten sich weniger als Betroffene und Ziel Synergieeffekte von Pädagogik und Raum gestalten. Jeder Lernraumentwicklungsprozess mehr als Akteur*innen begreifen, die gezielt für das Lernen und Lehren nutzen zu können. erfordert dabei ein eigenes Prozessdesign, das darauf hinarbeiten, dass pädagogische Konzepte Dazu werden Funktionsbereiche wie Fach- und an den Schultyp und die Bedürfnisse der Schule in die Gestaltung von Schulraum einfließen. In Klassenräume, Cluster, Lernlandschaften, Aula, genau angepasst und sukzessive im laufenden der Regel stellt sich im Kollegium eine verän- Mensa, Eingangsbereich, Verwaltung und Au- Prozess feinjustiert wird. derte Raumwahrnehmung ein, die dazu führt, ßengelände definiert und ihre Zuordnungen dass Räume aktiv „gelesen“ und in der Folge Das Ergebnis: praktischer Kompass zueinander festgelegt. Multifunktionale Nut- verstärkt pädagogisch genutzt werden. und verändertes (Raum-)Bewusstsein zungen der verschiedenen Raumbereiche werden Im Ergebnis werden Individualitäten (in Einzel- optimiert, indem zum Beispiel Verkehrsflächen Das Endergebnis der Phase Null ist ein phasen) und Gemeinsamkeiten (Austausch- mit individuellen Arbeitsplätzen versehen wer- Raumfunktionsprogramm, das die bindende phasen in Paar- oder Gruppenkonstellationen) den oder die Mensa als Erweiterung der Aula Planungsgrundlage für den Entwurfsprozess wahrgenommen, Unterschiedliches ermöglicht genutzt wird. der Architektur darstellt. Gleichzeitig ist es ein und Konsens gefunden. Dadurch entstehen Ver- pädagogisch-räumlicher Kompass, der weiteren antwortung und Identifikation aller mit „ihrem“ Kooperative Methoden: Entscheidungen der Verwaltungs- und politischen Gebäude und dessen Freifläche. Dieses Mitwach- Gewinn für die Lernraumentwicklung Entscheidungsgremien als Grundlage dient. sen in einem Planungsprozess bringt neben der In allen Phasen und auf allen Ebenen der Aus architektonischer Sicht ist der Prozess er- Identifikation der Einzelnen mit dem komplexen Lernraumentwicklung kommen kooperative folgreich, wenn die Aktivitäten der Nutzer*innen Vorhaben auch die Erweiterung des individuellen Methoden zum Einsatz (Abbildung oben), denn klar herausgearbeitet und in Bedürfnisse über- Blickwinkels der Teilnehmenden. Die Toleranz Think – Pair/Square – Share bewährt sich immer setzt worden sind. So können Vorstellungen über gegenüber künftig nötigen Adaptionen und dann, wenn verschiedene Perspektiven gewinn- räumliche Beziehungen und Raumqualitäten Veränderungen wie Mehrfachnutzungen und bringend ausgetauscht und abgestimmt werden entwickelt werden. das Verständnis für die Notwendigkeit von sollen. Die Antworten auf die Schlüsselfragen Aus der Perspektive der Verwaltung soll eine Einsparungen fördern den Dialog zwischen werden in den Phasen Pair/Square und Share möglichst genaue Passung zwischen Bedarf Lernenden, Lehrenden und Verwaltung. Koope- gemeinsam diskutiert. So entwickelt sich Schritt und Produkt am jeweiligen Standort entwickelt rative Prinzipien gehören zum unverzichtbaren für Schritt ein Konsens, der Redundantes und werden, damit die im Allgemeinen nicht uner- Handwerkszeug in realen Lernprozessen. // Nebensächliches eliminiert, Nichtkonsensfähiges heblichen öffentlichen Mittel effizient, wirksam identifiziert und zum Konsent herausarbeitet, und verantwortlich eingesetzt werden können. Wesentliches benennt und dokumentiert. Alle Aus pädagogischer Sicht formuliert das Dr. Petra Regina Moog Beteiligten lernen die Kompetenzen der jeweils Raumfunktionsprogramm klar, wie die räum- Leitung der SOPHIA Akademie Düs- anderen in Face-to-Face-Gesprächen schätzen, liche Anordnung das pädagogische Konzept seldorf, Schulentwicklungsbegleiterin kennen deren Entscheidungsbegründungen, unterstützen kann. Unter dem Gesichtspunkt, und Schulbauberaterin, Dozentin für Begabungsförderung am CCB lernen voneinander und erweitern ihre eigenen dass pädagogische Methoden sich wandeln kön- Düsseldorf Perspektiven. nen, müssen gut durchdachte Entscheidungen Nicht nur die Sachebene wird dabei berück- getroffen und priorisiert werden, die für die Marayle Küpper sichtigt, sondern auch die emotionale Ebene. Die Lebensdauer eines Schulgebäudes – also etwa Lehrerin für Gestaltungstechnik und Deutsch, Fachleiterin Gestal- Prozesssteuerung bindet jede*n mit ein, stülpt 50 Jahre lang – gelten sollen. tungstechnik am ZfsL Düsseldorf, einem Kollegium nicht einen Raum über, sondern Ein wichtiger Effekt eines partizipativ durch- Moderatorin für Kooperatives Lernen nutzt die Expertise der einzelnen Akteur*innen, geführten Lernraumentwicklungsprozess ist, dass am Green-Institut Rhein-Ruhr
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