Helfende Hände bbzBerliner Bildungszeitschrift - GEW Berlin
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bbz BERLIN 72. (87.) JAHRGANG DEZEMBER 2019 Berliner Bildungszeitschrift Helfende Hände Unterstützungssysteme in der Schule SENIORITA BERUFLICHE BILDUNG TENDENZEN Älterwerden ist Viel vom Digitalpakt Wenn die AfD den kein Gefühl wird nicht bleiben Kultusminister stellt
INHALT Leute | Standpunkt | kurz & bündig | Impressum | Leser*innenforum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3-5, 35 TITEL Unterstützungssysteme in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Interview mit Matthias Meyer: Kinder haben das Recht, dass wir uns um sie kümmern R. Schiweck . . . . . . . . . . . . . . 8 Als Schulberaterin am SIBUZ Mitte K. Wegener. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Was macht die Schulsozialarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 SENIORITA 19 Wir beobachten es an anderen. Selbst fühlen wir es nicht. Doch irgendwann wissen wir alle: Wir werden alt. Kooperation zwischen Schule und Auch Monika Maron denkt über das Älterwerden nach. Es ist Jugendamt H. Schlizio-Jahnke / M. Honisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 unaufhaltsam und unvorstellbar. Und es verbindet uns alle. Die aufsuchende Zusammenarbeit mit Eltern kann viel bewegen J. Henning. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 SENIORITA Ich will, was alle wollen M. Maron. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Die Stadtmusikanten suchen eine Leitung M. Rebitzki . . . 21 Wer war Lotte Eifert? K. Will. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 SCHULE Hilfe für Kinder mit Rechenschwierigkeiten K. Tretter. . . . . . 18 BERUFLICHE BILDUNG 28 5,5 Milliarden Euro soll der igitalpakt des Bundes in die Schulen spülen. Das klingt nach D Eine Zeitzeugin erzählt vom Überleben J. Zeller. . . . . . . . . . . . . . 23 TITELBILD: BERTOLT PRÄCHT; OBEN: PIXELIO/JOHANNES HEIDE; MITTE: ADOBESTOCK/WILLYAM; UNTEN: IMAGO IMAGES / PHOTOTHEK viel. Aber wie viel bleibt angesichts des großen Investitionsstaus, wenn das Geld auf alle Schulen verteilt wird? Ansgar Klinger und Roman George haben nachgerechnet, was GEWERKSCHAFT der Digitalpakt für die berufliche Bildung bedeutet. Der LAMA braucht dich! G. Siegel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Wer spielt mit mir T. Kaepernick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Berufsverbote an der TU Berlin L. Nareyek. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 BERUFLICHE BILDUNG Der Digitalpakt reicht nicht R. George / A. Klinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 TENDENZEN Das Bildungsverständnis der AfD J. Schultheis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Der Lebensweg des Kurt Aron B. Förster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 GLOSSE TENDENZEN 30 In den ostdeutschen Bundesländern ist die Malve isst nichts Rotes G. Frydrych . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 AfD spätestens mit den letzten Wahlen zu einer festen Größe im Parteienspektrum geworden und eine Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Partei ist in absehbarer Zeit durchaus möglich. SERVICE Was es bedeuten könnte, sollte es einmal eine AfD-Kultusminis- Theater | Bücher | Materialien | Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 ter*in geben, beschreibt Joshua Schultheis in seiner Analyse. 2 INHALT bbz | DEZEMBER 2019
LEUTE Durchstarten in 2020 Maja Lasic hat sich auf dem SPD-Landes- parteitag gemeinsam mit Melanie Küh- nemann-Grunow mit ihrem Vorstoß für die Verbeamtung von Lehrkräften durch- gesetzt. Unwiderstehlich war das Ange- bot, dass Lasic den Gegner*innen der Ver- Für die Beschäftigten im Sozial- und beamtung machte, die sich auf dem letz- Erziehungsdienst wird es im neuen Jahr ten Parteitag noch in der Mehrheit befan- spürbar mehr Geld geben den. Allen Lehrkräften, die nicht (mehr) verbeamtet werden können oder wollen, bietet der SPD-Beschluss einen »Aus- gleich« in Form einer Absenkung der Un- terrichtsverpflichtung um vier Stunden. Diese Absenkung soll »schrittweise einge- führt, jedoch innerhalb der Legislatur ab- geschlossen werden, in der auch die Ver- Doreen Siebernik, Vorsitzende der sichtigung der Erfahrungsstufen betref- beamtung eingeführt wird«. Es wird span- GEW BERLIN fen. Ihr findet es auf unserer Webseite nend sein, wie die SPD diesen Beschluss in unter www.gew-berlin.de. Wir planen für die Tat umsetzen will. den Januar auch Infoveranstaltungen zum Silke Gebel und Regina Kittler haben für N ur noch drei Wochen bis zum Jahres- wechsel und dann ist es soweit: Ab Januar 2020 werden nun endlich tausende Thema. Auch diese Termine findet ihr auf unserer Webseite. Selbstverständlich machen wir jetzt auch unsere GEW-Per- die beiden Koalitionspartnerinnen der SPD Berliner Erzieher*innen und Sozialarbeiter sonalräte fit, denn es wird ganz sicher bereits klar abgesagt: eine Verbeamtung *innen in die neuen S-Tabellen des TV-L viele Fragen geben und die wir wollen wird es in dieser rot-rot-grünen Koalition übergeleitet. Das bedeutet für einen Groß gut beantworten. Das ist unser Aushän- nicht geben. Gebel, Fraktionschefin der teil der Erzieher*innen und Sozialarbeiter geschild. Starke Personalräte vor Ort, die Grünen, gab zu Protokoll, sie gehe davon *innen, die beim Land Berlin beschäftigt zuhören, verstehen und die Antworten aus, dass die Verbeamtung mehr Proble- sind, eine deutliche Gehaltserhöhung. wissen. Vielen Dank an all unsere Kol- me schaffe als löse. Sowohl die Grüne als Diesen großen Erfolg haben wir uns leg*innen in den Personalräten sowie die auch Kittler für die Linke sehen die Lö- selbst erkämpft! Endlich! Ohne unsere be Frauen- und Schwerbehindertenvertre- sung in der Begegnung des Lehrer*innen- eindruckenden Streiks im Frühjahr 2019 ter*innen. mangels darin, die Schulen als Arbeits- wäre dieses Ergebnis nicht möglich ge- platz attraktiver zu machen. wesen. Erinnern wir uns: Zehntausende Berliner Kolleg*innen beteiligten sich. Über 30 Prozent aller Streikenden bun- E rkämpft und durchgesetzt haben wir auch, dass seit August jetzt im Land Berlin alle vollausgebildeten Lehrkräfte, Lotte Eifert, Elisabeth Ostrowiecki, desweit kamen aus Berlin und die Stra- die in der A12/EG 11 waren, höhergrup- Kurt Aron: drei Menschen, zwei von ihnen ßen und Plätze waren erfüllt von unse- piert werden. E13/A13 für die Grund- Lehrkräfte, die im Nationalsozialismus ren roten Streikwesten. schullehrkräfte – auch das ist unser ge- verfolgt und entrechtet wurden. Die Ge- Das Tarifergebnis von 2019 zum TV-L meinsamer Erfolg! Wir sind das erste Bun- schichten von allen dreien finden sich in beinhaltet für einige Gruppen grundle- desland, das die Regelungen so umfas- dieser bbz. Unser Gedenken lebt, erst gende Veränderungen. Es beinhaltet lang send auch für die Bestandslehrkräfte um recht, weil Antisemitismus und Rassismus fristig substanzielle Gehaltssteigerungen gesetzt hat. Über 6.000 Lehrkräfte können wieder salonfähig werden. Auch hierzu für die Beschäftigten im Sozial- und Er- sich über die höhere Bezahlung freuen. haben wir einen Beitrag in dieser Ausga- ziehungsdienst, auch durch neue Ein- Wir können uns also durchaus ein we- be. Wenn auch du eine Geschichte hast, gruppierungen von koordinierenden Er- nig feiern: 2019 ist uns Historisches ge- von einem Kollegen oder einer Kollegin, zieher*innen, Kita-Leitungen und Sozial- lungen. Und doch warten auch im neuen die erzählt werden muss, ob von früher arbeiter*innen. Die Überleitung erfolgt Jahr große Herausforderungen. Der Fach oder heute, dann schreib uns: übrigens automatisch, ohne separate in- kräftemangel bestimmt in allen Bildungs bbz@gew-berlin.de dividuelle Anträge. bereichen die tägliche Arbeit. Die eigenen Die Verständigung zwischen Arbeitge- Ansprüche an die pädagogische Qualität ber und Gewerkschaften hat in den Re- bleiben zu oft im Alltag auf der Strecke. FOTO: FOTOSTUDIO CHARLOTTENBURG daktionsverhandlungen mehr Zeit und An diesen Themen und vielen anderen Arbeit als in allen Verhandlungsrunden werden wir weiterarbeiten, uns einmi- davor in Anspruch genommen. Entspre- schen und den politisch Verantwortli- chend komplex sind die neuen Regelun- chen auf die Füße treten. gen. In einem umfangreichen Tarifinfo Allen wünsche ich einen guten Jahres- versuchen wir alle Fragen zu beantwor- wechsel und ein paar erholsame Tage – ten, die unter anderem die Überleitung, wo und mit wem auch immer! Ich wün- neue Eingruppierungen und die Berück- sche uns allen: Zeit für mehr! DEZEMBER 2019 | bbz STANDPUNKT 3
bundesweit sind es nur 40,7 Prozent. An- gesichts der hohen Hürden einen der be- gehrten Berliner Hochschulplätze zu er- gattern, fordern Abgeordnete verschie- denster Parteien, über eine Abschaffung des Numerus Clausus nachzudenken. Der emeritierte Politikprofessor Peter Grotti- an hat in der Berliner Zeitung bereits vor- gerechnet, was das kosten würde: 200 Millionen Euro jährlich für das zusätzlich benötigte Lehrpersonal, wenn die schät- zungsweise 275.000 abgelehnten Studi- enbewerber zu den bereits eingeschriebe- nen 195.000 noch hinzukämen. ■■ Deckelung der Kita-Beiträge zulässig Das Berliner Verfassungsgericht hat ent- schieden, dass die Deckelung der Zusatz- zahlungen in Berliner Kitas auf 90 Euro im Monat rechtens ist. Ein Kita-Betreiber Wer gutes Essen für seine Kinder haben will, dem darf nicht egal sein, wie die Arbeitsbedin- und mehrere Eltern hatten gegen das 2018 gungen derjenigen aussehen, die das Essen zubereiten. 100% öffentlich finanziert, 0% tarif- verabschiedete Gesetz geklagt. Bestätigt gebunden? Das wollen NGG, GEW und DGB nicht länger hinnehmen und haben diese Bot- wurde auch das Meldeverfahren für die schaft den Delegierten des SPD-Landesparteitags am 26. Oktober vor dem Tagungshotel mit Zuzahlungen, nachdem die Träger genau auf den Weg gegeben (mehr in der ersten Meldung). FOTO: DGB anzeigen müssen, für welche Leistungen sie Zuzahlungen erheben. Denn eigent- lich sind Kitas in Berlin kostenlos. Laut Berliner Morgenpost erheben insgesamt 1.934 Einrichtungen, und damit 74 Pro- zent der Kitas, Zuzahlungen. Häufigste ■■ Gute Arbeit für wollen inzwischen viele, auch die SPD. Gründe sind die Vesper (in 54 Prozent der gutes Schulessen Zeit, dass nicht nur geredet, sondern Kitas, durchschnittliche Kosten: 9,40 Euro) Weniger als die Hälfte aller Berliner Ar- auch gehandelt wird. und das Frühstück (52 Prozent, 12,50 Euro). beitnehmer*innen erhält Tariflohn, weil Ein Viertel der Einrichtungen erhebt Zu- immer weniger Unternehmen tarifgebun- satzgebühren für »ergänzende pädagogi- den sind. Das liegt auch an der Auftrags- ■■ Deutschland hinkt sche Angebote«, durchschnittlich im Um- vergabe des Landes und der Bezirke. Auch bei IT hinterher fang von 15,60 Euro. ohne umfassende Prüfung kann man sa- Einer Studie des Westdeutschen Rund- gen, dass in keinem anderen Bereich der funks zufolge bewerten Schulleitungen Daseinsvorsorge die Tarifbindung schlech- die IT-Situation an Deutschlands Schulen ■■ Islamische Theologie ter ist als bei der Schulverpflegung. Sie mit der Note 3,8. Besonders schlecht an der HU liegt nämlich bei 0,0 Prozent! Seit Beginn schneidet in der Bewertung die Ausstat- Das Institut für Islamische Theologie hat des Schuljahres ist das Schulessen für tung mit Tablets und interaktiven Tafeln zum Wintersemester an der Humboldt Grundschüler*innen kostenlos. Das ist ab (4,0 und 4,5). Auch die neue ICILS-Stu- Universität seine Arbeit aufgenommen. gut für die Kinder, schafft allerdings auch die zu IT-Kompetenzen von Neuntkläss- 55 Studierende haben ihr Studium an bekanntermaßen viele Probleme in den lern zeigt gravierende Defizite auf: Ein dem Institut aufgenommen, dessen Grün- Schulen. Kein neues Problem ist die Tat- Drittel der Schüler*innen verfügt dem- dung kritisch begleitet worden war, weil sache, dass alle gutes Essen wollen, qua- nach nur über rudimentäre Kompeten- im Beirat die liberalen und progressiven litativ hochwertig und mit möglichst viel zen. Zurückgeführt wird das auch auf die Islam-Verbände nicht vertreten sind. Ins- Bio-Zutaten, aber die Arbeitsbedingungen schlechte IT-Ausstattung. So verfügen nur gesamt studieren in Deutschland bereits bei den Schulcaterern alles andere als gut ein Viertel der deutschen Schulen über 2.500 Menschen Islamische Theologie. sind. Obwohl selbst die Bundesregierung einen W-Lan-Anschluss. Die Mehrheit ist weiblich und will Lehre- in einer aktuellen Studie (Nationales Qua- rin für Religionspädagogik werden. litätszentrum für Ernährung in KiTa und Schule) zur Preisstruktur der Schulver- ■■ Berlin ist pflegung explizit den Tarifvertrag für das zulassungsbeschränkt ■■ Für Schulsanierung fehlen Hotel- und Gaststättengewerbes als Kal- An Berliner Hochschulen gibt es bundes- die Papiere kulationsgrundlage benennt, wendet in weit die höchste Quote an zulassungsbe- In Mitte und Tempelhof-Schöneberg wer- Berlin kein einziges Unternehmen diesen schränkten Studienfächern. 67 Prozent der den sich die geplanten Schulsanierungen Tarifvertrag an. Die Tarifbindung stärken Studiengänge sind zulassungsbeschränkt, laut einem Bericht der Berliner Morgen- 4 KURZ & BÜNDIG bbz | DEZEMBER 2019
Maßnahme ist es, die hohe Schulabbruch- ÜBRIGENS quote zu reduzieren, die bei rund zehn Prozent liegt. ■■ Auch Beschäftigte an Hochschulen G erade hat es begonnen und schon nähert es sich wieder seinem Ende. Das Jahr 2019 ist fast vorbei. Geht das verdienen Ballungsraumzulage nur mir so oder vergeht für euch die Zeit Die GEW BERLIN fordert den Regierenden auch immer so im Fluge? Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller auf, die geplante Ballungs- raumzulage auch den Beschäftigten der staatlichen Berliner Hochschulen zu zah- E igentlich ein gutes Zeichen, weil es heißt, dass sich viel bewegt und passiert. Aber wir dürfen auch nicht ver- len. »Es gibt keinen Grund, weshalb die gessen, mal innezuhalten und uns eine Beschäftigten der Hochschulen schlech- Pause zu gönnen. Wir hetzen häufig durch ter behandelt werden sollten als diejeni- den stressigen Alltag, von einem Termin gen, die unmittelbar beim Land Berlin zum nächsten, und vergessen dabei die angestellt sind«, betonte die Vorsitzende wirklich wichtigen Dinge. der GEW BERLIN, Doreen Siebernik, in ei- nem Schreiben an Müller. »Der Grundsatz des Besserstellungsverbots aus der Lan- deshaushaltsordnung darf sich nicht in W elche das sind, kann nur jede*r von uns für sich selbst beantwor- ten. Vielleicht nutzt ihr die Pause über die Ab Januar 2020 bekommt ein Großteil der ein Schlechterstellungsgebot verkehren«, Feiertage und stellt euch einmal wieder Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen, die forderte Siebernik. Unterdessen stellte die Frage. Ich glaube, das tun wir viel zu beim Land Berlin beschäftigt sind, eine deut Finanzsenator Matthias Kollatz gegen- selten. In diesem Sinne: Habt eine schöne liche Gehaltserhöhung. Dafür haben wir ge- über dem DGB klar, dass es kein zusätz- Adventszeit, entspannt euch, schöpft meinsam gekämpft (mehr auf S. 3). liches Geld für die Hochschulen gibt, da- Kraft und kommt gut in 2020 an. PLAKAT: GEW, FOTO: CHRISTIAN VON POLENTZ/TRANSITFOTO.DE mit die ihren Angestellten auch die Ber- Bis dahin! CMdR lin-Zulage zahlen. Das gebe der Haushalt nicht her. Pikant: Die verbeamteten Pro- fessor*innen kriegen die Zulage jedoch. Das nehmen DGB und GEW nicht hin und VON MITGLIEDERN FÜR MITGLIEDER kämpfen für die Angestellten der Hoch- post wohlmöglich verzögern. Grund ist, schulen. Die Redaktion freut sich über Beiträge zu dass die Bezirke die erforderlichen Bau- vielfältigen Themen, von jedem GEW-Mitglied. Also schreibt für die bbz! planungsunterlagen für insgesamt 11 Schickt eure Texte an bbz@gew-berlin.de Schulen, die als besonders sanierungsbe- ■■ Berlin einmal und bringt euch ein! dürftig gelten, nicht fristgerecht bei der mehr Schlusslicht Finanzverwaltung eingereicht haben. Lie- In regelmäßigen Abständen machen Schul REDAKTIONSSCHLUSS – gen diese nicht vor, können die Sanie- vergleichsstudien Schlagzeilen, in denen IMMER MITTWOCH rungskosten nicht mehr im Bezirksetat Berliner Schüler*innen regelmäßig einen März 2020: 22. Januar berücksichtigt werden. Die Verzögerung der hinteren Plätze belegen. Dem neuen April 2020: 26. Februar bei der Erstellung der umfangreichen Un- Bildungstrend des Berliner Instituts zur terlagen liegt nach Auskünften der Bezir- Qualitätsentwicklung im Bildungswesen ke auch an der Personalnot in Bau- und (IQB) zufolge ist Berlin neben Bremen das Schulämtern. Land, bei dem die wenigsten Schüler*in- IMPRESSUM nen in den Fächern Mathe, Bio, Chemie Die bbz ist die Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und und Physik die Mindeststandards für den Wissenschaft, Landesverband Berlin, Ahornstr. 5, 10787 Berlin und ■■ Schulsozialarbeiter*innen Mittleren Schulabschluss erreichen. In erscheint monatlich (10 Ausgaben) als Beilage der E&W. Für Mit glieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nicht gesucht Mathe verfehlt jede*r dritte Schüler*in die mitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich 18 Euro (inkl. Versand). Redaktion: Caroline Muñoz del Rio (verantwortlich), Markus Schulsenatorin Sandra Scheeres will zum Standards. Während Schulsenatorin Schee Hanisch (geschäftsführend), Janina Bähre, Doreen Beer, Josef Hof kommenden Schuljahr 2020/21 150 neue res erneut viel Kritik einstecken musste, man, Manuel Honisch, Antje Jessa, Arne Schaller, Ralf Schiweck, Folker Schmidt , Joshua Schultheis, Bertolt Prächt (Fotos), Doreen Stellen für Schulsozialarbeiter*innen schaf verteidigte sich die Senatorin damit, dass Stabenau (Sekretariat). fen. Im Jahr darauf sollen noch einmal so Berlin deutlich mehr Schüler*innen mit Redaktionsanschrift: Ahornstraße 5, 10787 Berlin, Tel. 21 99 93-46, Fax –49, E-Mail bbz@gew-berlin.de viele Stellen hinzukommen. So will Schee- sonderpädagogischem Förderbedarf und Anzeigen und Verlag: GEWIVA GmbH, erreichbar wie Redaktion. Für Anzeigen gilt die Preisliste Nr. 15 vom 1.11.2018 res an jeder Schule mindestens eine*n auch weit mehr Geflüchtete in die Regel- Satz, Layout und Konzept: bleifrei Texte + Grafik/Claudia Sikora/Jür Schulsozialarbeiter*in beschäftigen. 15,5 schulen integriert als es Länder wie Bayern gen Brauweiler, Erkelenzdamm 9, 10999 Berlin, Tel. 61 39 36-0, Fax -18, E-Mail info@bleifrei-berlin.de Millionen Euro stehen dafür im Doppel- oder Baden- Württemberg tun. Auch die Druck: Bloch & Co, Grenzgrabenstr. 4, 13053 Berlin haushalt 20/21 zur Verfügung. Abhängig GEW sieht die ständigen Rankings kri- ISSN 0944-3207 12/2019: 31.300 von der sozialen Lage der Schule, ihren tisch und fordert stattdessen mehr Unter- Unverlangt eingesandte Besprechungsexemplare und Beiträge Herausforderungen und ihrer Größe stützung für die Schulen in besonders werden nicht zurückgeschickt. Die Redaktion behält sich bei allen könnten es auch mehr Stellen sein, ver- schwierigen Lagen. Beiträgen Änderungen vor. Beiträge nur per E-Mail einsenden. Die in der bbz veröffentlichten Artikel sind keine verbandsoffiziellen sprach die Senatorin. Oberstes Ziel der Mitteilungen, sofern sie nicht als solche gekennzeichnet sind. DEZEMBER 2019 | bbz KURZ & BÜNDIG 5
Helfende Hände Unterstützungssysteme in der Schule D ie Arbeit in der Schule ist nie leicht, erst recht mal auch mit lokalen Einschränkungen, aber nicht nicht in einer Stadt wie Berlin. Die Kinder brin- ohne unsere Hoffnung, Anregungen gegeben zu gen die Probleme aus der Stadtgesellschaft, aus haben. Natürlich ist dies nur ein kleiner Ausschnitt ihrem Kiez und ihrer Familie mit in die Schule. Die ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht ist auch Pädagog*innen fühlen sich mit der Vielzahl an Her- vieles längst bekannt. Aber manchmal hilft doch ein ausforderungen oft alleine gelassen. Dabei gibt es kleiner Blick über den Zaun. S durchaus eine Vielzahl an Unterstützungssystemen, an helfenden Händen in der Stadt. Manche Schulen o lassen wir im Wesentlichen Praktiker*innen zu haben ein beispielgebendes Unterstützungsnetzwerk Wort kommen, die aus ihrer persönlichen Erfah- aufgebaut, intern und in der Vernetzung mit exter- rung einschätzen können, was läuft und was nen Stellen. Fachdienste und Einrichtungen der Ju- eher nicht. Natürlich haben wir die Vertreter*innen gendhilfe ergänzen die Ressourcen, die das System aus der Praxis auch gebeten, kritische Aspekte ihrer Schule selbst vorhält. Arbeit aufzuzeigen. Wir wissen, dass unsere Leser*in- Auf der anderen Seite sind viele Angebote zu wenig nen selbst eine große Portion Erfahrungen beisteuern bekannt oder aus verschiedensten Gründen nicht können, bestärkend oder kritisierend. Über Zuschrif- wirklich passgenau. Wir versuchen in dieser Ausgabe ten und Meinungsäußerungen freuen wir uns sehr. der bbz einige positive Beispiele aufzuzeigen, manch- Ralf Schiweck und Manuel Honisch, Redakteure der bbz DEZEMBER 2019 | bbz HELFENDE HÄNDE TITEL 7
»Kinder haben das Recht, dass wir uns um sie kümmern« Matthias Meyer, Schulleiter der »Grundschule am Stadtpark Steglitz«, spricht mit unserem Redakteur Ralf Schiweck über interne und externe Hilfenetze, über Inklusion und Ausschluss und über die Schwierigkeit, jeden Tag für die Kinder da zu sein Das Interview führte Ralf Schiweck Lieber Matthias, du warst früher als Sonderpädagoge man zueinander hat, eine sehr große Rolle. Vielleicht in Tempelhof-Schöneberg tätig. Seit sieben Jahren bist bin ich ja gar nicht der »richtige« oder »beste« An- du jetzt Schulleiter. Was rätst du den Pädagog*innen, sprechpartner. In diesem Fall lenke ich in Richtung wenn sie zu dir kommen und ein Problem mit einem unserer Sonderpädagog*innen und Schulsozialarbei- Unterstützungs systeme für die Schule Kind, mit Eltern oder ein anderes Anliegen haben? ter*innen. Diese fantastische Ressource nutzen wir Was ist das erste, was du in die Wege leitest? täglich! Ich werbe also stets für das gemeinsame Ge- Integrationsstatus spräch und dafür, Eltern in und mit ihrer Sorge ernst (»I-Status«) – Förderbe- Meyer: Nach wie vor stehe ich gerne selbst als An- zu nehmen, empathisch auf ihre Hinweise, Ängste, darf im Nachmittags- sprechpartner für Kolleg*innen, Eltern und andere Bedenken einzugehen und diese miteinander zu be- beziehungsweise Frei- zur Verfügung. Das hat sich auch nicht verändert, sprechen. zeitbereich. Die Schule seit ich Schulleiter bin. Es kennzeichnet die Philoso- beziehungsweise der Nachmittagsbereich der phie unseres Hauses, dass wir uns die notwendige Welche Ressourcen »von außen« nutzt ihr? Schule bekommt dafür Zeit nehmen, um mit den Ratsuchenden gemeinsam Meyer: Wir pflegen einen guten Kontakt zum »SI- zusätzliche Erzieher* nach Lösungen zu forschen und eine schwierige Si- BUZ«, dem Schulpsychologischen und inklusionspä- innenstunden. tuation zu »entknoten«. Da spielt die Beziehung, die dagogischen Beratungs- und Unterstützungszent- rum. Regelmäßig tauschen wir uns mit dem dort ansässigen sonderpädagogischen und schulpsycho- logischen Bereich im Rahmen der »kooperativen Sprechstunde«aus. Ebenso wichtig ist die gute Zu- sammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendpsychia- trischen Dienst (KJPD) und dem Kinder- und Jugend- gesundheitsdienst (KJGD). Sehr bedeutsam ist auch ein produktiver Austausch und ein vertrauensvolles Miteinander mit dem Regionalen Sozialen Dienst (RSD) des Jugendamtes. All diese Bereiche sind wich- tige Partner des außerschulischen Netzwerkes, das oftmals positive Auswirkungen auf die innerschuli- schen Prozesse hat. Das gilt übrigens auch für die umliegenden Freizeiteinrichtungen, denn in diesen bewegen sich nicht wenige unserer Schüler*innen am Nachmittag. All diese Fachdienste und Fachleute FOTO: BERTOLT PRÄCHT sollen und müssen wissen, dass wir uns an unserer Schule sehr stark engagieren, um den Herausforde- rungen, denen wir uns täglich gegenübersehen, pä- dagogisch zu begegnen und zielführende Antworten zu finden. 8 TITEL HELFENDE HÄNDE bbz | DEZEMBER 2019
Was ist eigentlich eine Schulhilfekonferenz? Habt ihr Erfahrung damit? Die Diagnosen dauern Stimm e Meyer: Wir laden regelmäßig zu Schulhilfekonfe- oft zu lange der P n aus renzen ein. Das heißt, dass Fachleute von außen an raxis die Schule kommen, um gemeinsam mit den Päda- gog*innen und den Eltern über einen Fall zu beraten. Ich persönlich finde die vorhandenen Ich werbe aber auch immer in Richtung des Ju- Hilfsangebote für Schulen angemessen. Beson- gendamtes darum, uns zu den Hilfekonferenzen des ders wertvoll sind unsere Sonderpädagog*innen und Schul- RSD einzuladen, wenn dort auch der schulische Be- sozialarbeiter*innen sowie unsere Integrationserzieherin. reich eines unserer Kinder besprochen wird. Wir or- Sie sind direkt vor Ort und können schnell und direkt hel- ganisieren gern, dass Kolleg*innen von uns anwe- fen. Diagnosen und Befunde von Ärzt*innen und Thera- send sind. Das sollten im besten Falle Lehrkräfte peut*innen sind für meine Arbeit ebenfalls hilfreich. Leider sein, es können aber auch unsere Schulsozialarbei- muss ich darauf meist monatelang warten. Das ist einfach ter*innen sein. Gut funktioniert die Zusammenarbeit zu lang, denn oft sind sie die Voraussetzung dafür, dass mit dem St. Joseph-Krankenhaus. Dies ist das für weitere Schritte eingeleitet werden können. In der Zwischen- uns zuständige Krankenhaus für seelische Gesund- zeit fühlt man sich mit den komplexen Einzelfällen alleine heit im Kindes- und Jugendalter, das im Bedarfsfall gelassen. Als Problem empfinde ich zudem den überbor- Kinder stationär oder teilstationär aufnimmt. Wir denden Papierkram. Zum Beispiel muss unsere Integrations- sind mit der dortigen Klinikschule in engem Aus- erzieherin jedes Jahr neu den Integrationsstatus für die tausch, wenn es darum geht für ein Kind eine posi- meisten Kinder beantragen. Eine Integrationserzieherin für tive Perspektive zu planen. Außerdem nehmen wir die ganze Schule ist auch schlicht zu wenig. Über die ange- an den durch die Klinik initiierten Fallkonferenzen botenen Hilfen fühle ich mich insgesamt gut informiert. Im teil. Dieses Verfahren hat sich außerordentlich be- Rahmen eines Profilkurses während meiner Ausbildung ha- währt. be ich das SIBUZ in Neukölln besucht und mich über die Ar- beit des KJPD informiert. Das war allerdings ein fakultativer Du sagst, deine Kolleg*innen können an externen Kon- Kurs. Beim Berufseinstieg wurde ich von meiner Arbeitsstel- ferenzen in der Regel teilnehmen. Das bedeutet auch, le nicht über die Hilfsangebote im Bezirk informiert. Ich dass Lehrkräfte ausgeplant werden müssen, richtig? kann mir daher gut vorstellen, dass viele Kolleg*innen nicht Meyer: Wenn wir zu den sogenannten Fallkonfe- ausreichend Bescheid wissen. Während der Ausbildung ist renzen eingeladen werden, sorge ich dafür, dass bis auf den freiwilligen Profilkurs an keiner Stelle themati- auch Kolleg*innen vor Ort sind. Sie werden dann siert worden, welche Stellen Beratung und Hilfe anbieten. dafür aus dem Unterricht ausgeplant. Genau. Wenn Pasquale Barletta, möglich senden wir die zuständige Klassenlehrer*in Erzieher an der Möwensee-Grundschule im Wedding mit der der Klasse zugeordneten Schulsozialarbei- ter*in. Ich finde es sehr bedauerlich, wenn Fallkon- ferenzen ohne uns stattfinden. Ich werbe immer wieder dafür, uns zu beteiligen. Im Fall der Klinik- schule sind die Fallkonferenzen außerordentlich wichtig für die Gestaltung des Übergangs zurück in die Regelschule. Gibt es Kinder, die deiner Meinung nach in der Grund- schule nicht adäquat gefördert werden können? Meyer: Ja, gerade Kinder, deren Verhalten extrem auffällt, die in ihrer emotionalen und sozialen Ent- »Es geht darum zu schauen, was das Kind braucht, um ins Lernen zu finden.« FOTO: GEW Matthias Meyer, Schulleiter der »Grundschule am Stadtpark Steglitz«, spricht mit unserem Redakteur Ralf Schiweck DEZEMBER 2019 | bbz HELFENDE HÄNDE TITEL 9
wicklung dringend Unterstützung benötigen. Man wir immer alle im Haus tätigen Professionen einbin- muss immer genau schauen, ob Schule in dem ihr den, Lehrer*innen, Sonderpädagog*innen, Erzie- gegebenen Rahmen in der Lage ist, für diese Kinder her*innen und Schulsozialarbeiter*innen sowie SIBUZ – Schulpsycholo- eine förderliche Atmosphäre herzustellen. Manch- Schulhelfer*innen. Sie alle sind »Experten« für das gisches und inklusions- mal ist das, realistisch betrachtet, nicht der Fall. Es Kind. Vorerfahrungen, »Querdenken«, unterschied- pädagogisches Bera- tungs- und Unterstüt- geht darum zu schauen, was das Kind braucht, um liche professionsabhängige Blickwinkel und persön- zungszentrum. In jedem ins Lernen zu finden. Deswegen liche Kompetenzen zu bün- Bezirk und für die berufs- halte ich die externen Angebote deln, ist aus meiner Sicht un- bildenden und zentral- für Kinder, die in ihrer emotio- verzichtbar. Erst die Zusam- verwalteten Schulen gibt nalen und sozialen sowie psy- menarbeit im Team befördert es je eins. Am SIBUZ ar- chischen Entwicklung dramati- »Wir müssen der die Suche nach dem optimalen beiten unter anderem Sonderpädagog*innen schen Förderbedarf haben, Realität R echnung Ziel. grundsätzlich für notwendig. und Schulpsycholog*in Leider sind diese im Zuge der tragen, bei aller Wie gehen andere Eltern mit nen. Sie können von den Schulen zur Beratung Inklusion immer weniger ge- Sympathie für »schwierigen Kindern« um? angefordert werden. worden. Eine aus meiner Sicht inklusive Ansätze.« Meyer: Manchmal reden El- fragwürdige Entwicklung. Klei- tern »gegen« ein Kind, natür- ne Lerngruppen von maximal lich in verständlicher und zu- fünf bis acht Kindern, in denen meist auch nachvollziehbarer individuell und ständig intensiv-pädagogisch gear- Sorge um das eigene. Heutzutage wird sehr schnell beitet wird, die braucht es mehr denn je. Wir müssen eine Anzeige bei der Polizei gemacht, oder auch die aufhören, um den heißen Brei herumzureden. Beschwerdestelle eingeschaltet, weil die Schule an- geblich nichts machen würde. Diesen Eltern machen Wie funktioniert bei euch die Zusammenarbeit der wir dann klar, jedes Kind hat das Recht, dass wir uns unterschiedlichen Professionen? für dieses einsetzen. Das ist die Haltung und Vorge- Meyer: Wenn wir Schulhilfekonferenzen organisie- hensweise an unserer Schule, auch wenn sich das ren, wenn wir uns in kooperativen Sprechstunden manchmal unglaublich schwierig darstellt. Kinder über Kinder unterhalten, dann ist es ganz klar, dass haben das Recht, dass wir uns um sie kümmern! Stimm e Ohne engen Austausch geht es nicht der P n aus schule. Es erweist sich als sehr raxis Schulpflichtige Kinder, die während eines längeren Klinikauf- hilfreich, die zuständigen Kol- enthalts unsere Schule in der Charité besucht haben, brau- leg*innen aus den einzelnen Berei- chen anschließend Unterstützung bei ihrer Reintegration in chen weitestgehend persönlich zu ken- die Regelschule. Dafür nutzen wir die Unterstützung vieler nen. Das erleichtert die Zusammenarbeit. Ich weiß jetzt, wen Systeme. Einige Kinder gehen zurück an ihre Herkunftsschu- ich auf welchem Weg gut erreichen kann und wer wofür zu- le. Dann arbeite ich mit den Klassenlehrer*innen, den Son- ständig ist. Das war am Anfang schwierig. Über die Angebo- derpädagog*innen und teilweise mit den Sozialarbeiter*in- te selbst fühle ich mich gut informiert, weil ich gut eingear- nen der Schulen zusammen. Genauso läuft es, wenn eine beitet wurde. neue Regelschule oder ein Förderzentrum für ein Kind ge- Die Unterstützungssysteme, die ich nutze, halte ich für funden wird. Es kommt häufig vor, dass unserer Schüler*in- grundsätzlich angemessen und finde sie hilfreich. Die Schul- nen für einen gewissen Zeitraum in sogenannte Schulersatz- perspektiven für unsere Schüler*innen verantwortungsvoll projekte gehen. In diesem Fall kooperiere ich auch mit dem zu planen, ist ein oft langer und zeitintensiver Prozess. Es zuständigen Jugendamt. braucht Zeit, um die Kinder und ihre Lebensumstände gut Bei allen Kindern ist die Zusammenarbeit mit dem SIBUZ von zen- kennen und einschätzen zu lernen, sowie um eine geeignete traler Bedeutung. Es gibt in jedem SIBUZ »Beratungslehrer für Schule zu finden. Meistens steht uns die notwendige Zeit zur Psychisch Kranke«. Über den gesamten Beschulungszeitraum Verfügung. Unsere Schüler*innen brauchen nach dem Klini- bin ich im engen Austausch mit den zuständigen kaufenthalt jedoch meist einen ganz besonderen Rahmen, Kolleg*innen, um die Schulperspektive zu klären, natürlich um in dem System Schule motiviert und erfolgreich lernen auch mit den für die Diagnostik zuständigen Sonderpäda zu können. Einen solchen Rahmen zu schaffen, ist den we- gog*innen beim SIBUZ. Hinzu kommt eine ebenso enge Zu- nigsten Schulen bei der aktuellen Personalsituation möglich. sammenarbeit mit den Therapeut*innen, Ärzt*innen und mit Die Angebote hier sind leider oft nicht ausreichend. dem Pflege- und Erziehungsdienst in der Klinik. Mareike Genske, Lehrerin für Sonderpädagogik Ich bin jetzt seit etwas mehr als zwei Jahren an der Klinik- an der Schule in der Charité, Standort Friedrichshain 10 TITEL HELFENDE HÄNDE bbz | DEZEMBER 2019
Bei uns gibt es Inklusion mal andersrum Stimm e Hier in Neukölln wurden sehr viele der P n aus Willkommensklassen aufgelöst und raxis berlinweit wurden die Förderzentren geschlossen. Diese Kinder brauchen be- sondere Unterstützung, werden aber ohne die notwendigen Unterstützungssysteme an den ISS »abgela- den«, vor allem an denen, die in sozialen Brennpunkten lie- gen, unbeliebt sind und keine Oberstufe haben. Ich kenne Das wäre schon ein gutes Schlusswort, aber ich wür- Klassen, in denen sieben Kinder einen Förderstatus haben de gern noch von dir wissen, ob es Wünsche gibt, die und zusätzlich sechs Willkommenskinder integriert werden du an die Senatsverwaltung oder den Bezirk hättest, sollen, einige davon noch nicht alphabetisiert oder mit über- noch weitere Unterstützungsmöglichkeiten? haupt nur einem Jahr Schulerfahrung. Hinzu kommt eine Meyer: Ich habe den Wunsch, das große Interesse, große Anzahl schuldistanter Kinder, die auch gerne aus an- externe Kleingruppen für Kinder mit einem hohen deren Bezirken zu uns geschickt werden und ewig fahren. Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Ent- Das ist Inklusion mal anders rum. wicklung nicht nur fest und dauerhaft zu etablieren, Daher nutze ich alle Ressourcen, die wir haben, anders geht sondern darüber hinaus zusätzliche Standorte auf- es bei unserer Klientel und der schlechten personellen Aus- zubauen. Wir brauchen mehr Kleingruppenplätze, stattung der Schulen nicht. Ich nutze neben einem großarti- um der stetig wachsenden Zahl derer, denen dieses gen Kollegium, die Schulsozialarbeit, das Jugendamt, das SI- Angebot nicht nur guttut, sondern die es dringend BUZ, vor allem deren Sonderpädagog*innen und die Schul- benötigen, gerecht werden zu können. Der Bedarf ist psychologie. Privat hole ich mir Rat bei Psycholog*innen, so riesengroß, und alle in der Praxis Tätigen sehen Streetworker*innen, Jurist*innen, anderen Pädagog*innen und benennen das. Nun gilt es, Antworten auf die und Kinderärzt*innen, mit denen ich befreundet bin. Diese daraus entstehenden Fragen zu geben. Wir müssen Hilfesysteme federn die strukturellen Probleme vielleicht ab, der Realität Rechnung tragen, bei aller Sympathie für aber lösen sie nicht. Eine Sonderpädagog*in für eine ganze inklusive Ansätze. SEK I ist im Zeitalter der Inklusion ein Witz. Die Unterstüt- zung, was Schuldistanz angeht, ist auch lächerlich. Außer- Stößt das Regelschulsystem hier an seine Grenzen? dem fehlen uns Dolmetscher*innen. Teilungsstunden wer- Meyer: Es gibt viele sehr gute schulinterne Hilfe- den immer wieder aufgelöst, da diese als Vertretungspool und Fördersysteme… auch wir sind ganz passabel genutzt werden und der Krankenstand mit der zunehmen- aufgestellt. Ich glaube aber fest daran – und weiß den Arbeitsbelastung immer mehr steigt. Ständig wechseln aus meiner eigenen Erfahrung als Leiter eines dieser die Zuständigkeiten in der Schulpsychologie, der Schulsozi- besonderen Schulprojekte für Verhaltensgestörte alarbeit und dem Jugendamt. Warum der Senat nicht mehr Kinder –, dass es einer Reihe von Schüler*innen sehr ausbildet und Kontinuität schafft verstehe ich überhaupt gut täte, für einen gewissen, klar definierten Zeit- nicht. Derzeit habe ich nicht das Gefühl, den Kindern noch raum in einem ganz besonderen intensivpädagogi- gerecht werden zu können. Ich wünsche mir Zeit für mul- schen, meinetwegen auch teiltherapeutischen Sys- tiprofessionelle Teams, mehr Schulsozialarbeit, feste, an tem, auch schulisch gefördert zu werden, um dann den Schulen beratende Schulpsycholog*innen und mehr mit dem Rüstzeug an Handlungsalternativen, was es Sonderpädagog*innen. Feste Ansprechpartner*innen für in dieser Zeit mit auf den Weg bekommt, zurück ins Schuldistanz, die an die Schulen kommen, sowie einen Pool Regelschulsystem gehen zu können. Mein Wunsch kostenloser Dolmetscher*innen. Wir brauchen vor allem ist, dass man dafür eine Offenheit gewinnt, nein, auch mehr Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache zur Un- besser: wiedergewinnt. Ich habe den Eindruck, dass terstützung der sprachlichen Inklusion. Ich wünsche mir das mittlerweile auch vielerorts verstanden wird, mehr Stunden für Sprachförderung und Teilungsunterricht, auch auf den verantwortlichen Ebenen. Wir brauchen der nicht aufgelöst wird. Ich würde mir auch mehr Zeit für diese Nischen dringend für diese besonderen Kinder, pädagogische Arbeit am Kind, als auch für Elternarbeit wün- die vielleicht in der Gesamtzahl relativ wenige sind, schen. Ich denke auch, dass Schulen mehr Verwaltungsstel- aber Schule in ganz außergewöhnlichem Maße for- len brauchen, um uns Lehrkräfte von der zunehmenden Pa- dern und auch belasten. Auch für diese relativ weni- pierflut zu befreien. Und ich würde mir eine gerechtere Auf- FOTO: BERTOLT PRÄCHT gen Kinder müssen wir ein sinnvolles, förderndes teilung herausfordernder Kinder wünschen, sowie mehr An- Angebot haben beziehungsweise schaffen, und dar- gebote für Systemsprenger*innen. an arbeite ich gerne mit. Janina Bähre, Lehrerin an einer Das Interview führte Ralf Schiweck, Gemeinschaftsschule in Neukölln Schulleiter i.R. und Mitglied der bbz-Redaktion DEZEMBER 2019 | bbz HELFENDE HÄNDE TITEL 11
Beratung ist eine tionale und soziale Entwicklung sowie Sprache an »unseren« Schulen werden mit den Klassenteams vorbesprochen und dann von uns unmittelbar bear- Gratwanderung beitet. Nach Abschluss der Diagnostik führen wir mit den Eltern und dem Klassenteam ein Beratungsge- spräch. In diesen Gesprächen erklären wir, was son- derpädagogischer Förderbedarf ist, welchen Anspruch Unsere Autorin berichtet von ihrer Arbeit als auf Förderung das Kind hat und welchen Einfluss Schulberaterin am SIBUZ Mitte. Die Rahmenbedingungen der Förderbedarf auf die zukünftigen Möglichkeiten schulischen Lernens hat. Die Eltern interessieren sind nicht einfach, und Erwartungen können längst nicht sich häufig besonders für den Übergang auf die immer erfüllt werden Oberschule und machen sich Sorgen um den Schul- abschluss ihres Kindes. So wünschten sich beispielsweise die Eltern von Ali- cia, die im achten Schulbesuchsjahr eine Sprachlern- von Katrin Wegener klasse besucht und einige Stunden in einer sechsten Klasse hospitiert, dass sie auch nach dem Wechsel D ie Schulverwaltung denkt sich gerne lustige Ab- kürzungen aus. IGLU, PISA und Bärenstark we- cken sicher reiche Assoziationen bei den Leser*in- auf die Oberschule weiterhin gerne zur Schule geht. Alicia ist erst seit drei Jahren in Deutschland. Nun wurde festgestellt, dass die kognitiven Vorausset- nen. Vor ein paar Jahren sind die SIBUZen dazukom- zungen es Alicia zusätzlich erschweren zu lernen, men. SIBUZ steht für »Schulpsychologisches und neben den vorhandenen sprachlichen und schuli- inklusionspädagogisches Beratungs- und Unterstüt- schen Defiziten. In der Beratungsrunde wurden ge- zungszentrum«. In jedem Bezirk und für die zentral- meinsam Ideen für den künftigen Schulort und auch verwalteten und berufsbildenden Schulen gibt es je eine mögliche Berufsausbildung gesammelt. eines. Am SIBUZ ballt sich die fachliche Den Eltern von Maik Kompetenz von Schulpsychologie und Son- musste erläutert wer- KJGD – Kinder- und Ju- gendgesundheitsdienst. derpädagog*innen, auch Inklusionspädago- den, dass er mit dem g*innen genannt, anderen Beratungslehr- sonderpädagogischen In jedem Bezirk vorhan- den. Hier arbeiten unter kräften und Erzieher*innen. »Wir kommen an die Förderschwerpunkt anderem Schulärzt Mittlerweile nun im fünften Jahr bin ich Schulen und suchen Lernen nicht aufs *innen, die zum Beispiel die Schuleingangsunter- mit einem Teil meiner Stunden an den inklu- gemeinsam nach Gymnasium gehen sionspädagogischen Teil des SIBUZ Mitte kann. Auch den Mitt- suchungen vornehmen. abgeordnet. Wobei von einem »Zentrum« Lösungswegen.« leren Schulabschluss Der KJGD kann einen In- tegrationsstatus für ein nicht die Rede sein kann. Denn die Schul- wird er voraussicht- Kind empfehlen. psychologie sitzt in einem eigenen Gebäude lich nur mit viel Un- am Gesundbrunnen. Über ein Dutzend Inklusions terstützung erreichen können. Vorerst geht es für ihn KJPD – Kinder- und Ju- pädagog*innen dagegen teilen sich einen einzigen um andere Bedarfe. Der Schock saß bei den Eltern gendpsychiatrischer mittelgroßen Raum im Rathaus Mitte, am Alexander- offensichtlich so tief, dass ich für die aufklärenden Dienst. In jedem Bezirk platz. Eigentlich sollen beide Teile seit Jahren zu- Worte in einer nächsten Begegnung mit der Klassen- vorhanden. Der KJPD sammenziehen. Der Umzug scheiterte unter ande- leitung scharf kritisiert wurde. Es sei zu Hause für berät bei sozialen und rem daran, dass man im Gebäude am Gesundbrun- das Kind jetzt unerträglich, deshalb sei auch das Verhaltensproblemen und kann einen Integra- nen die Telefonanschlüsse nicht finden konnte. Verhalten in der Schule wieder schlimmer geworden. tionsstatus für ein Kind Doch es gibt an anderer Stelle Professionalisie- Manchmal ist Beratung eine schwierige Gratwan- empfehlen. rungstendenzen. Seit dem vergangenen Schuljahr derung. Das SIBUZ und die Schule können nicht alle bekommen die SIBUZ-Mitarbeiter*innen Dienst-Mai- widersprüchlichen Erwartungen erfüllen, die sich ladressen und nun sogar eigene Laptops. Vorbei die mit den Begriffen »Inklusion« und »Chancengleich- Zeiten, als man auf privaten Rechnern datenschutz- heit« verbinden. Aber immerhin haben wir durch die relevante Informationen verarbeiten und für das Ver- Struktur der Beratungsteams jetzt mehr Zeit, um senden von dienstlichen Mails extra ins Rathaus fah- unmittelbar mit den Pädagog*innen vor Ort zusam- ren musste. In Mitte wurden regionale Beratungs- menzuarbeiten. Die Bearbeitungszeit der sonderpä- teams für die Schulen eingeführt. Ich arbeite im dagogischen Anträge hat sich deutlich verkürzt. So Team mit einer anderen Sonderpädagogin und einer bekommen alle Beteiligten eine schnellere Rückmel- Schulpsychologin zusammen. Wir betreuen sechs dung und zeitnahe Förderhinweise. Schulen im Wedding. Regelmäßig kommen wir zur Beratung an jede der Schulen. Wir sprechen dann mit den Pädagog*innen oder mit Eltern, hospitieren Katrin Wegener, im Unterricht und suchen gemeinsam nach Lösungs- Lehrerin für Sonderpädagogik an der Allegro-Grundschule und wegen für die aufgetretenen Probleme. Schulberaterin am SIBUZ Mitte Alle Anträge auf Überprüfung sonderpädagogi- schen Förderbedarfs in den Bereichen Lernen, emo- 12 TITEL HELFENDE HÄNDE bbz | DEZEMBER 2019
Kooperation ist hilfreich An der Montessori-orientierten Nürtingen-Grundschule in Kreuzberg gibt es eine gelingende Zusammenarbeit zwischen Schulsozialarbeit, Lehrkräften und Erzieher*innen vom Team der Schulsozialarbeit der Nürtingen-Grundschule S eit 17 Jahren ist der Träger Kotti e.V. in der Nür- tingen-Grundschule und sorgt mit einem Team der Schulsozialarbeit für personelle Kontinuität und Ein Ansatz, dieser Herausforderung zu begegnen, ist das Konzept ISI (Inklusive systemische Intervention), welches vor fünf Jahren als Kooperationsprojekt einen gemeinsamen Haltungskonsens. Die Basis der zwischen dem Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg, Arbeit sind Kooperationen auf verschiedenen Ebe- Kotti ev. und der Nürtingen-Grundschule entwickelt nen. Diese umfassen die Zusammenarbeit mit Päda- wurde. Ein Beispiel: In der einer Klasse ist seit Wo- gog*innen am Ort Schule und beziehen den engen chen nur noch eingeschränkt Unterricht möglich, da Austausch zwischen Schulsozialarbeit, Hort, Schule es häufig zu Störungen und Konflikten kommt. Oft- und den Erziehungsberechtigten mit ein. mals ist ein Kind der Jahrgangsstufe Eins involviert. Die Zusammenarbeit mit Pädagog*innen ist beson- Am Freitag spitzte sich die Situation so zu, dass die- ders hervorzuheben, auch wenn es mitunter schwie- ses Kind einen anderen Schüler mit einer Schere be- rig ist, Zeitfenster zu finden, in denen alle Professi- drohte. Die Klassenlehrerin fühlt sich überfordert, onen verfügbar sind. Dies ergibt sich vor allem dar- da sie mit einem solchen Verhalten noch nie kon- aus, dass die Hauptbetreuungszeit der Erzieher*in- frontiert war. Daraufhin sucht sie in der Schulsozi- nen genau dann beginnt, wenn die der Lehrkräfte alarbeit Unterstützung in einem gemeinsamen Bera- endet. Immer wieder müssen wir verdeutlichen, dass tungsgespräch. eine Pause zwischen zwei Unterrichtsstunden kein Die Mitarbeiter*innen der Schulsozialarbeit zeigen guter Zeitpunkt für ein intensives Gespräch ist. folgende Möglichkeiten auf, um mit der Situation Der Umgang mit der heterogenen Schüler*innenschaft weiter umzugehen: ist eine der großen Herausforderungen. Wir beobach- • Stärkung der eigenen Handlungsfähigkeit, durch ten in unserer Praxis einen wachsenden Beratungs- Supervision, kollegiale Beratung und Coaching; bedarf der Pädagog*innen. Teilweise übersteigt die- • Elterngespräche, um Herauszufinden woher diese ser die sozialpädagogische Beratung und weist Über- Verhaltensweisen des Kindes kommen; inwieweit schneidungen in den Bereich des Coachings auf. die Erziehungsberechtigten Kenntnis von derarti- gem Verhalten ihres Kindes haben, ob sie mögli- cherweise selbst damit konfrontiert sind und wie Wenn Unterricht nur schwer möglich ist Konflikte im familiären Umfeld gelöst werden. • Hospitationen in der Klasse, um sich ein eigenes Ein Kind, das gerade wütend wird und einen Konflikt Bild der Situation zu machen und konkretere Be- mit anderen Kindern beginnt oder aus einer Frustra- ratung anzubieten. tion heraus Unterrichtsmaterial zerstört, stellt mich vor die Entscheidung, mich entweder um das eine Einige Wochen später findet eine Schulhilfekonfe- Kind oder um den Rest der Klasse zu kümmern. renz statt. Um das Kind Zuhause, am Ort Schule, Schulsozialarbeit ist ein Wenn wir hingegen mit zwei Pädagog*innen in der sowie nachmittags im Hort bestmöglich begleiten zu Angebot der Jugendhilfe Klasse arbeiten, kann ich mich um die Bedürfnisse können, soll ISI in die Wege geleitet werden. Voraus- im Rahmen der Jugend- des Kindes kümmern, während mein*e Kolleg*in den setzung dafür ist, dass die Erziehungsberechtigten sozialarbeit an der Schu- Unterricht weiterführt. einen Antrag auf Hilfen zur Erziehung beim Ju- le. Das Angebot soll Be- Es gibt Kinder, die stellen uns scheinbar vor so gendamt stellen und ein sonderpädagogischer För- ratung, Hilfe und Unter- stützung für Schüler*in große Herausforderungen, dass sie als nicht mehr derbedarf sowie ein erhöhter Betreuungsbedarf am nen, Erziehungsverant- beschulbar gelten. An der Nürtingen-Grundschule Nachmittag vorliegen. wortliche und Pädagog*in haben wir den Anspruch, auch diesen Kindern einen Wichtig ist es am Ende immer wieder, den Kol nen bieten. Schulbesuch zu ermöglichen. Hier kommen wir in leg*innen mitzuteilen, dass wir sie in ihren Aufga- den Jugendhilfebereich »Hilfen zu Erziehung«, der ben unterstützen, beraten und begleiten können. Link zu ISI : eine sehr intensive Arbeit mit den Erziehungsbe- Übernehmen können und wollen wir sie jedoch https://kotti-berlin.de/ rechtigten ermöglicht. nicht. hilfen-zur-erziehung-isiv DEZEMBER 2019 | bbz HELFENDE HÄNDE TITEL 13
Ein starkes Team Kollegien bei Fragen rund um die jeweils andere In- stitution. Die Schullots*innen beraten Pädagog*in- nen, die sich Sorgen um ein Kind machen. Was weiß die Schule über die Familienverhältnisse des Jungen, der seit Wochen nur sporadisch zum Unterricht er- Der neue Handlungsleitfaden für die scheint? Hat die Schulsozialarbeit vielleicht schon Zusammenarbeit von Schule und Jugendamt setzt einmal Kontakt aufgenommen und auf Hilfsangebo- Standards im Bezirk Mitte. Er soll als Arbeitshilfe te in der Schule oder im Kiez hingewiesen? Wissen die Eltern überhaupt vom unregelmäßigen Schulbe- dienen und helfen, die oft schwierige such ihres Zöglings? Wenn die Schule ihre Möglich- Kommunikation von Schule und Jugendamt keiten ausgeschöpft hat, oder wenn der Eindruck zu verbessern entsteht, dass akuter Handlungsbedarf zum Wohle des Kindes besteht, geht eine Meldung an das Ju- gendamt heraus. Jede Kinderschutzmeldung durch die Schule soll von Heike Schlizio-Jahnke und Manuel Honisch über den Schreibtisch der Schullots*innen gehen. Sie werden zu diesem Zweck besonders geschult und informiert. Das Team von Jugendamtlots*innen und Schullots*innen soll zudem in der regelmäßigen, di- rekten Kommunikation miteinander stehen. So wird M anchmal scheint es, als lägen Schule und Ju- gendamt auf verschiedenen Planeten. Das Ver- ständnis hält sich in Grenzen, wenn der Regionale sicher gestellt, dass wichtige Informationen schnell und zuverlässig auf beiden Seiten ankommen. Der neue Handlungsleitfaden beschreibt genau und Soziale Dienst (RSD) des Jugendamtes, die Anlauf- übersichtlich, was in unterschiedlichen Fällen von stelle für alle Fragen des Kinderschutzes, mal wieder Kindeswohlgefährdung getan werden kann und nicht erreichbar ist. Die Kolleg*innen im RSD wiede- muss. Zum Beispiel erklärt der Leitfaden, welche rum wissen oft nicht, welchem Krisenherd sie sich verschiedenen Ansprechstellen bei Gewaltvorfällen zuerst zuwenden sollen. Auf dem Schreibtisch sta- existieren, damit sowohl Opfer als auch Täter*innen peln sich die Akten, ständig klingelt das Telefon und Hilfe bekommen. Das Spektrum reicht hier von der so ganz nebenbei soll dann noch das persönliche Schulpsychologie über die Erziehungs- und Famili- Gespräch mit hilfesuchenden Eltern geführt werden. enberatung bis hin zur Polizei. In Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels und hoher Personalfluktuation auf beiden Seiten ist es schwer, verlässliche Kooperationsstrukturen zwischen Unbefristete Stellen zur Koordinierung Jugendamt und Schule aufzubauen. In Mitte sind wir immerhin schon ein paar kleine Schritte weiter. An der Erarbeitung des Leitfadens waren neben In einem zweijährigen Arbeitsprozess wurde der Schule und Jugendamt auch das Gesundheitsamt RSD – Regionaler »Handlungsleitfaden für die Zusammenarbeit zwi- und freie Träger der Schulsozialarbeit beteiligt. Ko- S ozialpädagogischer schen den Regionalen Sozialpädagogischen Diensten ordiniert wurde der Prozess von der Stiftung SPI (So- Dienst des Jugendamtes. des Jugendamtes und den zialpädagogisches Institut Berlin Die Sozialarbeiter*innen Schulen im Bezirk Mitte« »Walter May«). Die Stellen bei der Stif- des RSD arbeiten direkt überarbeitet und erweitert. tung sind leider befristet. Der Senat mit hilfebedürftigen Fa- In ihm werden die Fach- hat angekündigt, unbefristete Stellen milien und auch mit den standards zur Zusammen- »Jede Kinderschutz- zur Koordinierung von Schule und Schulen zusammen. arbeit festgelegt, und er gilt meldung soll über Jugendhilfe in allen Bezirken zu als verbindliches Arbeitsin- ihren Schreibtisch schaffen, in öffentlicher Trägerschaft. strument. In diesem Pro- Das ist einerseits erfreulich, da so zess wurden die schwieri- gehen.« Dauerstellen für Daueraufgaben ent- gen Rahmenbedingungen stehen. Andererseits müssen die Ko- ebenso wie die aktuellen ordinierungsstellen unabhängig und gesetzlichen Grundlagen berücksichtigt. Im Leitfa- allparteilich arbeiten können. Es bleibt abzuwarten, den werden ausführlich und graphisch mit verschie- ob dies angesichts der vorgesehenen institutionellen denen Farben untersetzt die Verfahren und Verant- Zuordnung zur Schulaufsicht gelingt. Zu hoffen ist wortungen beim Umgang mit Schuldistanz, bei Mel- auch, dass die bewährten Kolleg*innen von der Stif- dungen zum Kinderschutz und bei Gewaltvorfällen tung auf den neuen Stellen ankommen, wenn sie in Schulen beschrieben. sich darauf bewerben. Ein wichtiges Instrument der Zusammenarbeit ist das Lotsenmodell, eine Besonderheit in Mitte. Für jede Schule existiert ein Lotsenteam, bestehend aus einer Sozialarbeiterin des RSD, einer Lehrkraft der Heike Schlizio-Jahnke, Leiterin des RSD Wedding und jeweiligen Schule und einer Schulsozialarbeiterin. Manuel Honisch, Lotse an der Möwensee-Grundschule Diese Teams sind die ersten Anlaufstellen für ihre 14 TITEL HELFENDE HÄNDE bbz | DEZEMBER 2019
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